Jahre nicht im Staatsdienst gewesen sind, zurückzuweisen. Die Zulassung muß verweigert werden wegen dringenden Mangels an Anwälten an anderen Gerichten; dieser Mangel ist von der Verwaltung nach Anhörung der betref⸗ fenden Landgerichte und Anwaltskammern zu konstatiren. Die Beschränkung findet nicht statt auf Personen, die 5 Jahr Rechts⸗ anwalte oder im Staatsdienste gewesen sind. Bei kleineren Gerichten kann die Zulassung wegen Verwandtschaft mit einem Richter dieses Gerichts in auf⸗ und absteigender Linie oder im zweiten Grade der Seitenlinie verweigert werden. Der Ausspruch der Zulassung erfolgt durch die oberste Justiz⸗Verwaltungs⸗ Behörde; der abweisende Beschluß ist zu begründen.
— Zur Berichtigung irrthümlicher Auffassungen hat der Finanz⸗Minister in einem Cirkularerlaß vom 5. d. M. darauf aufmerksam gemacht, daß in Bezug auf die Benutzbarkeit der Reichskassenscheine bei Zahlungen kein Unterschied gegen den rechtlichen Zustand eingetreten ist, wie er hinsichtlich der preußischen Kassenanweisungen vorhanden war. Nach §. 3 des Reichsgesetzes vom 30. April 1874 findet im Privatverkehr ein Zwang zur Annahme der Reichskassenscheine nicht statt, wie ein solcher Annahmezwang auch hinsichtlich der Kassenanweisungen nicht bestand, — und wie die Letzteren bei allen Staatskassen, so werden die Reichskassenscheine bei allen Kassen des Reichs und sämmtlicher Bundesstaaten nach ihrem Nennwerth in Zahlung angenommen und von der Reichshauptkasse jederzeit auf Erfordern gegen baares Geld eingelöst. Da der Gesammtbetrag, welcher in Reichskassenscheinen ausgegeben wird, hinter dem Betrage des seither in Deutschland cirkulirenden Staatspapiergeldes er⸗ heblich zurückbleibt, und im öffentlichen Verkehr ein lebhafter Begehr nach solchen Papiergeldzeichen vorhanden ist, so ist nicht anzunehmen, daß den Königlichen Kassen von Privatpersonen bei der Empfangnahme von Zahlungen die Annahme von Reichs⸗ kassenscheinen verweigert werden sollte.
Die Noten der Reichsbank sind bei allen Reichsbankanstalten jederzeit zum vollen Nennwerth in Zahlung anzunehmen, und ist die Reichsbank verpflichtet, dieelben bei ihrer Hauptkasse in Berlin sofort auf Präsentation, bei ihren Zweig⸗ anstalten, soweit es deren Baarbestände und Geldbedürf⸗ nisse gestatten, dem Inhaber gegen coursfähiges deutsches Geld einzulösen (§§. 4, 18 des Reichsbankgesetzes vom 14. März 1875). Eine Verpflichtung zur Annahme der Bank⸗ noten bei Zahlungen findet nicht statt und besteht insbesondere auch für die Königlichen Kassen keine bezügliche gesetzliche Ver⸗ pflichtung (§. 2 a. a. O.). Der Finanz⸗Minister hat jedoch be⸗ stimmt, daß die Reichsbanknoten von den Königlichen Kassen bei allen den Nominalbetrag der Noten er⸗ reichenden resp. übersteigenden Zahlungen anzu⸗ nehmen sind. Die Königlichen Kassen werden die Reichsbank⸗ noten demnächst bei ihren Zahlungen wieder zu benutzen haben, indem zu erwarten ist, daß dieselben als ein beliebtes Zahlungs⸗ mittel von Hand zu Hand gehen werden.
Hinsichtlich der event. Präsentation von Reichsbanknoten bei den Bankanstalten behufs Umwechslung gegen Reichsgold⸗ münzen bleiben die Anordnungen des Cirkularerlasses des Finanz⸗ Ministers vom 26. November v. J. in Kraft.
Nach der Bekanntmachung des Reichskanzlers vom 16. De⸗ zember 1875 (Deutscher Reichs⸗Anzeiger pro 1875 Nr. 297) sind die seither von der Preußischen Bank, und zwar sowohl die in Thalerwährung, als die in Reichswährung ausgestellten Bank⸗ noten in allen rechtlichen Beziehungen als Noten der Reichsbank zu betrachten. Hiernach sind nach der Bestimmung des Finanz⸗ Ministers auch die auf Thalerwährung lautenden Noten der Preu⸗ ßischen Bank in höheren Apoints als 25 Thlr. von den König⸗ lichen Kassen bis auf weitere Bestimmung in Zahlung zu neh⸗ men und zu geben, während es hinsichtlich der Preußischen Banknoten zu 10 Thlr. und 25 Thlr. bei den Anordnungen des Cirkularerlasses vom 15. Dezember 1875 sein Bewenden behält.
— Der General⸗Major von Witzendorff, beauftragt mit ührung der Kavallerie⸗Division XV. Armee⸗Corps, welcher kürz⸗ ich zur Abstattung persönlicher Meldungen hier eingetroffen
war, hat sich nach Schwerin begeben.
Hannover, 10. Januar. Der Minister des Innern hat in Gemäßheit des §. 54 des hannoverschen Gesetzes vom 6. August 1840 genehmigt, daß die in Folge des Staatsvertrages
9. März 1874 über die Theilung des Kommunion⸗ gebi harze dem Königreiche Preußen einver⸗
leibten Theile di bietes und des Herzoglich braunschweigi⸗ schen Staatsge vom 1. Januar 1876 ab mit der Stadt⸗ gemeinde Goslar vereinigt werden.
—
Die durch den Allerhöchsten Erlaß vom 24. Dezember
fraglichen Gebietstheile verfügte Beilegung derselben zum Amts⸗ bezirke Wöltingerode hat durch die nach dem Vorstehenden vom 1. Januar 1876 ab eingetretene definitive Regelung der gedach⸗ ten Verhältnisse ihr Ende erreicht, und es ist die Verwaltung der Landesangelegenheiten in dem Anschlußgebiete, soweit sie dem Amte
Wöltingerode zustand, auf den Magistrat der Stadt Goslar über⸗
I
Königsberg, 8. Januar. In der heutigen Sitzung des Provinziallandtages theilte der Vorsitzende bezüglich der zu fertigenden Berichte mit, daß er die Anordnung getroffen, daß dieselben jeden Morgen in genügender Anzahl autographirt im Bureau behufs Vertheilung vorhanden seien. Die Vorlage des Königlichen Kommissarius, betr. die Gewährung einer Bei⸗ hülfe aus der Dotation für die Kreisausschüsse und der Antrag des Abg. Freiherrn v. Hüllessem, betr. Beihülfe zu den Kosten der Amtsvermaltung, wurden dem Finanzausschuß überwiesen, in glei⸗ cher Weise die als dringlich bezeichnete Vorlage, betr. die Organisa⸗ tion des Kassen⸗ und Rechnungswesens zur Uebernahme der Dota⸗ tion. Abg. Freiherr von Hüllessem hatte einen Antag eingebracht: auf
ückständige liqurde Provinzialprämien angemessene Vorschüsse gegen 4 Proz. Zinsen zu gemwähren; auch dieser wurde demselben Ausschuß zugetheilt. Sodann wurde, der Tagesordnung gemäß, eine Kommission von 15 Mitgliedern für die Finanzen durch Acclamation gemählt. Die nächste Sitzung findet Montag statt.
— 11. Januar. (W. X. B.) Zum Vorsitzenden des Provinzial⸗ ausschusses wurde der hiesige Ober⸗Bürgermeister Selke mit 78 Stimmen gewählt; der Ober⸗Bürgermeister von Danzig, v. Winter, erhielt 51 Stimmen.
Breslau, 8. Januar, Der Prosinzial⸗Landtag von Schlesien erledigte in seiner — Sitzung eine Reihe von eingegangenen Anträgen und Vorlagen durch Ueberweisung an die betreffenden Kommissionen. Die Kommission für Wahlprü⸗ fungen beantragte die Güͤltigkeitserklärung sämmtlicher Wahlen. Nur bezüglich der Wahl der Abgeordneten für den Kreis Lands⸗
S und des Forst⸗
berg, des Grafen Udo zu S
8
revjerverwalters Speyer waren Proteste eingegangen, über welche indeß, da sie sich nur auf Verletzung unerheblicher Formalien stützen, hinweggegangen und die Gültigkeit sämmtlicher Wahlen anerkannt wurde. Eine längere Debatte entspann sich gelegent⸗ lich des mündlichen Referats des Ausschusses für die Geschäfts⸗ ordnungskommission über den Antrag von Eicke auf Vertheilung der Mitglieder des Landtags in vier Abtheilungen. Namens der Kommission referirte Abg. Dr. Riedel⸗Waldenburg; derselbe mo⸗ tivirte eingehend den Antrag der Kommission, welche dem Land⸗ tag empfahl, den Antrag von Eicke abzulehnen, und dem Vor⸗ sitzenden das Recht zu übertragen, die Vorschlagsliste für die Wahlen ad hoc, — um die es sich hier allein handle — zu entwerfen. Die Versammlung stimmte den Anträgen der Kom⸗ mission bei.
In der heutigen Sitzung des Provinzial⸗Landtages machte nach Verlesung einer Anzahl Petitionen der Landtags⸗ Kommissarius, Ober⸗Präsident Graf von Arnim⸗Boytzenburg, im Auftrag der Minister der Finanzen und des Innern dem Vor⸗ sitzenden schriftlich Mittheilung hinsichtlch der Renten und Kapitalbestände, welche dem Provinzialverbande von Schlesien auf Grund des Dotationsgesetzes zu überweisen sind. An Jahresrenten hat der Provinzialverband von Schlesien im Ganzen die Summe von 4,162,403 ℳ vom 1. Januar ab zu erhalten. Auf die Provinzialdotation ist der aus der Staats⸗ kasse zur Errichtung des Ständehauses in Breslau gewährte Zuschuß von 150,000 ℳ, welcher vertragsmäßig am 15. No⸗ vember 1876 zurückzuzahlen ist, in Abrechnung zu bringen. Das Schreiben wurde dem Finanzausschuß überwiesen. Ebenso wurden bei Eingang in die Tagesordnung eine Reihe von Vor⸗ lagen in erster Berathung theils durch Ueberweisung an die entsprechenden Ausschüsse und Kommissionen, theils durch den Beschluß erledigt, daß dieselben in einer der nächsten Sitzungen zur zweiten Berathung gelangen sollen.
Gelegentlich der ersten Berathung der Vorlage der Landes⸗ deputationen, betr. die Zinsenüberschüsse der Provinzial⸗ Hülfskasse, bemerkte Abg. v. Götz Namens der Petitionskom⸗ mission, daß nach §. 20 des Reglements und den Allerhöchsten Erlassen vom Jahre 1854 und 1862 drei Viertel des Zinsen⸗ gewinnes zu öffentlichen, allgemeinen wohlthätigen Zwecken zur Verwendung kommen solle. Der bisherige Provinziallandtag habe die Praxis geübt, die Ueberschüsse auch zu an⸗ deren Unterstützungen, hauptsächlich von Beamten provinzial⸗ ständischer Institute, resp. deren Wittwen, zu gewähren. Es sei der Petitionskommission zweifelhaft gewesen, ob der jetzige Landtag diese Praxis noch weiter gelten lassen dürfe. Mit Rücksicht auf die bereits zahlreich eingegangenen Petitionen dieser Art beantragte Redner Namens der Petitions⸗Kommission: „der Landtag wolle vorläufig und bis zur definitiven Regelung der Angelegenheit die bisherige Praxis der Verwendung der Zinsen⸗Ueberschüsse der Provinzial⸗Hülfskasse beibehalten.“ De Landtag beschloß, die Vorlage und den Antrag v. Götz dem Finanzausschusse zu überweisen und denselben zu ersuchen, mög⸗ lichst bald Bericht zu erstatten. Die Vorlage der Landesdepu⸗ tation, betreffend die Prolongation der Zinsgarantie für die Kettenschleppschiffahrt auf der Oder, ward nach längerer Erörterung, an der sich die Abgg. Dr. Honigmann, Herzog von Ujest, Dr. Websky, Graf Henckel von Donnersmarck, Dr. Se; Dr. Lewald, von Forckenbeck und Graf von Pückler⸗Schweidnitz betheiligten, einem besonderen Ausschusse von 7 Mitgliedern überwiesen. Es folgten Ausschußwahlen.
— Bei dem Diner, welches der Ober⸗Präsident der Provinz Schlesien, Graf von Arnim⸗Boytzenburg am 6. d. M. den Mit⸗ gliedern des Provinzial⸗Landtages und den Spitzen der Behör⸗ den gab, brachte derselbe folgenden Toast auf Se. Majestät den Kaiser und König aus:
„Meine Herren! Ich durfte bereits, als ich die Ehre hatte, die Sitzungen des Provinzial⸗Landtages zu eröffnen, darauf hinweisen, ein wie wichtiger Schritt mit dem Zusammentreten dieser Versamm⸗ lung geschehen sei, wie seine Berathungen auf lange Zeit hinaus eine bestimmende Bedeutung für das Wohl der Provinz haben würden.
Von der gleichen Ueberzeugung durchdrungen, sind Sie, meine Herren Mitglieder des Provinzial⸗Landtages, an Ihre Arbeiten ge⸗ gangen, und indem ich denselben einen ebenso erfreulichen Fortgang wünsche, wie sie ihn bisher gehabt haben, möchte ich ein Gefühl zum Ausdruck bringen, in welchem sich diese meine herzlichen Wünsche für Sie, meine Herren, und für die Provinz konzentriren.
Es ist jn richtig, daß die Staatsverwaltung und die provinzielle Selbstverwaltung durch die Gesetzgebung eine neue Abgrenzung und Regelung ihrer Befugnisse und Geschäftskreise, ihrer Rechte und Pflichten erfahren haben. Aber deshalb sollen sich beide nicht kalt und gleichgültig, oder gar feindlich gegenüberstehen. Nein, meine Herren, sie sollen sich die Hände reichen, sie sollen in gemeinsamer, einträchtiger Arbeit demselben edlen Ziele zustreben, sie sollen mit gleichem Fleiße, gleicher Sorgfalt, gleicher Treue das Wohl der Ein⸗ sassen dieser Provinz und damit das Wohl des gesammten großen Vaterlandes fördern.
In diesem Sinne haben Sie, meine Herren, ihre Arbeit auf dem reichen Felde, welches Ihnen eröffnet ist, begonnen; so will auch ich versuchen, nach besten Kräften auf dem mir zugewiesenen Gebiete thätig zu sein. — Daß dies unser Aller fester Entschluß, das lassen Sie uns bekräftigen, indem wir auf das Wohl des theuren Herrschers trinken, dessen landesväterlicher Gesinnung dieser Geist der Eintracht und der einmüthigen Arbeit am meisten entspricht, des Musters der altpreußischen Pflichttreue und der unermüdlichen Hingebung an das Wohl des Landes, dem noch jünast diese treue Provinz in wahrer, herzlichster Liebe entgegenjubelte. Se. Majestät, unser Allergnädigster Kaiser und König Wilhelm, er lebe hoch, hoch, hoch!“
Merseburg, 8. Januar. Der Sächsische Provinzial⸗ Landtag erledigte in seiner gestrigen Sitzung in erster Bera⸗ thung zunächst die Vorlagen, betr. die Waisenanstalt in Langen⸗ dorf, — die Provinzial⸗Hebeammen⸗Institute, sowie die Unter⸗ stützung niederer landwirthschaftlicher Lehranstalten, die Verord⸗ nung zur Ausführung des Fischereigesetzes, das Reglement zur Ausführung des Viehseuchengesetzes durch Ueberweisung an entsprechende Kommissionen. Darauf folgte die erste Berathung der Vorlage, betreffend die Angelegenheiten des Ständehau⸗ ses. Abg. Listemann kündigte an, daß er seinen Antrag felbst modifiziren werde. Der ursprüngliche Antrag lautete: Der Provinziallandtag wolle beschließen: „Der Provinzial⸗ landtag, der Provinzialausschuß und der Landes⸗Direktor haben ihren Amtssitz in der Provinzial⸗Hauptstadt Magdeburg.“ Die Modifikation dieses Antrages hatte folgenden Wortlaut: „1) der Provinzialausschuß und der Landesdirektor haben ihren Amtssitz in der Provinzial⸗Hauptstadt Magdeburg; 2) der Pro⸗ vinzialausschuß wird beauftragt, dem Provinziallandtag bei dessen nächstem Zusammentreten eine Vorlage über Herstellung eines definitiven Sitzungslokales und die dafür aufzuwendenden Kosten zu unterbreiten und zwar fuͤr die beiden Fälle, daß dieselbe a. in der Stadt Magdeburg unter Berück⸗ sichtigung der von den dorti Gemeindebehörden gemachten Offerte, b. in der Stadt eburg erfolgen soll.“ Graf Wintzingerode dankte sodann der Staatsregierung für die zur
Disposition gestellten Räumlichkeiten und stellte den Antrag, die Staatsregierung solle ersucht werden, den Schloßgartensalon noch ferner dem Provinziallandtag zur Disposition zu stellen bis zur Beschaffung anderer Lokalitäten. Nachdem Ober⸗ Präsident Frhr. v. Patow erklärt hatte, dem Antrag Wintzingerode beistimmen zu können, ward der Antrag einstimmig angenommen. Die übrigen Vorlagen gingen an bezügliche Kommissionen resp. den Landtagsvorstand. Schließlich wurde die Etatskommission durch Akklamation gewählt.
Die heutige Sitzung des Landtages wurde hauptsächlich durch die erste Berathung des Antrages Listemann, betreffend Ver⸗ legung der Provinzialverwaltung nach Magdeburg, (auf Grund des bekannten Anerbietens der Stadt Magdeburg) in Anspruch genommen. Abg. Seffner bemerkte, daß auch die Stadt Merseburg bereit sei, das Areal zu etwa nöthigen Er⸗ weiterungsbauten unentgeltlich abzutreten, auch die Entschädigung zu übernehmen, welche für die Benutzung des Sitzungssaales von der Staatsregierung etwa gefordert werden möchte. Er be⸗ stritt, daß eine Frage vorliege, die lediglich eine sinanzielle Be⸗ deutung habe, und beantragte „die Wahl einer besonderen Kom⸗ mission zur Vorberathung“ — ein Antrag, der genehmigt ward. Abg. Hasselbach fragte an, wo nach der Meinung des Ober⸗Präsidenten der Sitz des Provinzialraths sein müsse, da dies auf die Entscheidung der Frage von Einfluß sei. Ober⸗Präsident Frhr. v. Patow entgegnete, er halte sich für berechtigt, den Provinzialrath dorthin zu berufen, wo der Sitz des Ober⸗Präsidiums sei; in Ausnahmefällen würde er aber gern bereit sein, die Sitzungen auch anderswo abzuhalten. Es ent⸗ spann sich nunmehr eine sehr lebhafte Debatte, an der sich die Abgg. v. Krosigk, Gneist (Halle), Listemann, v. Gerlach, Sombart, Hassel⸗ bach, Brecht, Ober⸗Präsident Frhr. v. Patow, v. Lattorf bethei⸗ ligten; schließlich wurde der Antrag einer Kommission von 14 Mit⸗ gliedern überwiesen. Es folgte die Berathung des Antrages v. Rauch⸗ haupt, betreffend die Vereinigung der in der Provinz bestehenden öffentlichen Feuersozietäten. Nachdem der Antragsteller die⸗ sen Antrag mit der Verschiedenartigkeit der bestehenden öffent⸗ lichen Sozietäten der Provinz, ihren Reglements und ihren Re⸗ sultaten noch des Weiteren motivirt hat, ward der dahingehende Antrag, den Provinzialausschuß mit der Vorberathung dieser Fragen zu betrauen, in erster und zweiter Berathung angenom⸗ men; ebenso der Antrag desselben Abgeordneten, betr. einige Abänderungen des Reglements der sächsischen Landfeuersozietät.
Hierauf folgte die erste Berathung des Antrages der Abgg. Heppe und Sauer, betreffend Vertheilung der Provinzial⸗ abgaben. Derselbe lautet:
Der Provinzial⸗Landtag wolle beschließen: „Die Vertheilung der bicher nach der Kopfzahl den einzelnen Kreisen auferlegten Pro⸗ vinzialabgaben in Gemäßheit des §. 109 der Provinzialordnung vom 29. Juni 1875 schon vom laufenden Jahre an nach Maßgabe der in den §§. 106 und 107 der Provinzialordnung enthaltenen Sesg über die Vertheilung der Provinzialabgaben zu be⸗ wirken.
Nach längerer Erörterung, an welcher sich die Abgg. Heppe,
v. Lattorf, Graf v. Wintzingerode, Sombart, v. Wedell betheiligten, wurde derselbe in erster und zweiter durch den Abg. Sombart bean⸗ tragter Berathung mit großer Majorität angenommen. Die Vorlage, betr. den Uebergang von Fonds des Staatshaushalts auf den Provinzialverband, wurde ohne weitere Diskussion der Etats⸗ kommission überwiesen, worauf schließlich die Wahl einer Kom⸗ mission von 7 Mitgliedern zur Vorberathung des Reglements in Ausführung des Viehseuchengesetzes erfolgte.
Mecklenburg. Schwerin, 9. Januar. In einer Groß⸗ herzoglichen Verordnung vom 27. Dezember ist auch das Statut für die allgemeinen kirchlichen Verhältnisse der Israeliten in Ausführung des Civilstandsgesetzes abgeändert. Es betrifft das auf Erfordern des Prozeßgerichts abzugebende Erachten des Landesrabbiners über eine nach jüdischem Rechte zu beurtheilende Rechtsfrage in Ehestreitigkeiten israelitischer Parteien, und ferner die Bestimmung: „Die Ausstellung des sog. Scheidebriefes ist für die staatliche Gültigkeit der Eheschei⸗ dung ohne Bedeutung.“
Neustrelitz, 8. Januar. Die „Neustr. Ztg.“ meldet: Se. Königliche Hoheit der Großherzog ist mit Ge⸗ folge heute Mittag nach St. Petersburg, Se. Königliche Hoheit der Erbgroßherzog nach Italien abgereist. Se. König⸗ liche Hoheit der Großherzog trifft zum Geburtstage Sr. Hoheit des Herzogs Georg im Michael⸗Palais ein, um dort die Feier Höchstdessen silberner Hochzeit mit demselben und mit Ihrer Kaiserlichen Hoheit der Großfürstin Catharina zu begehen.
Sachsen⸗Coburg⸗Gotha. Coburg, 7. Januar. Der Herzog Ernst ist gestern zum Besuche des Herzogs Georg nach Meiningen gereist und begiebt sich von da aus heute nach Gotha, um daselbst die Winterresidenz zu beziehen.
Lippe. Detmold, 10. Januar. Die in Folge des Ab⸗ lebens des Fürsten Paul Friedrich Emil Leopold bis auf augeordnete Landestrauer soll bis zum 15. d. M. auern.
Bremen, 6. Januar. Die Bürgerschaft hatte gestern für den ausgetretenen Dr. Emil Meinertzhagen einen neuen Präsidenten zu wählen. In Vorschlag kamen die bisherigen beiden Vize⸗Präsidenten Dr. Adami und Heinrich Claussen, von denen der letztere gewählt wurde. Dr. Adami lehnte die Wiederwahl zum Vize⸗Präsidenten ab. Zum Vize⸗ Präsidenten wurde der erste Syndikus der Handelskammer Dr. Hermann Meier und zum Richter Dr. Mohr gewählt. — Aus Anlaß des Jahresberichts der Sanitätsbehörde wurde beschlossen, auf chemische Untersuchung des hiesigen wie des von auswärts eingeführten Biers durch den Staat zu dringen, der betreffenden Behörde die regelmäßige Veröffentlichung des Befundes aufzugeben, und Beschleunigung der Pläne und Vorarbeiten für eine syste⸗ matische Kanalisation zu verlangen. — Die Budgetkommission veranschlagt das diesjährige Defizit des Staates auf nahe an zwei Millionen Mark. Alle irgend entbehrlichen Ausgabe⸗ posten, z. B. auch der Neubau der Navigationsschule, sind ge⸗ strichen. Zur Deckung des Defizits werden vorgeschlagen: Er⸗ höhung der Einkommensteuer von 2 auf 3 Prozent, ein Ver⸗ mögensschoß von ½ Prozent, Erhöhung der Grundsteuer und der Miethesteuer um ein Viertel. 8
8 72 88
Oesterreich⸗Ungarn. Wien, 10. Januar. Die „Wiener Abendpost“ ist ermächtigt, die von der „Times“ gebrachte Nach⸗ richt, daß der österreichisch⸗ungarische Botschafter zin Konstanti⸗ nopel der ottomanischen Regierung von dem Inhalte der Cir⸗ kulardepesche Andrassü's vom 30. v. M. vertraulich Kenntniß gegeben habe, für eine grundlose Erfindung zu erklären. Auch die „Politische Korrespondenz“ bezeichnet die ganze Version als vollständig grundlos, denn der von den drei Kaisermächten ver⸗
genommen und besetzt. Bei der
einbarte Reformentwurf konnte nicht von Oesterreich⸗Ungarn in dem Momente zur Kenntniß der Pforte gebracht werden, wo bezüglich desselben die diplomatische Aktion bei Frankreich, Eng⸗ land und Italien eingeleitet wurde.
Niederlande. Haag, 5. Januar. Dem Kolonien⸗ Ministerium ist ein Telegramm des General⸗Gouverneurs von Niederländisch⸗Indien zugekommen, nach welchem dieser folgende telegraphische Meldungen des General⸗Majors Pel aus Atchin vom 31. Dezember erhalten hatte: „Am 27. wurde, bei der Fortsetzung unserer am 26. Dezember begonnenen Operationea, Kotapang Dua, am 28. Loeng (südwestlich von Kotapang Dua) Besitznahme von Kota⸗ pang Dua durch unsere Truppen wurde von dem Feinde infolge der Tags vorher von ihm erlittenen Verluste kein Widerstand geleistet. Auch die Einnahme von Loeng kostete uns keine Verluste. Bei Djempit leistete der Feind einigen Widerstand. Am 30. Dezember rückte eine Kolonne in der Rich⸗ tung von Pakam Badak vor; sie kam an diesem Tage bis Lam⸗ basan; hier war der Widerstand heftig. Die agirenden Truppen sind von vorzüglichem Geiste beseelt. Der Gesundheitszustand ist günstig, außer bei den Barissans von Bangkalla. Vom Be⸗ giune der Aktion an hatten wir trockenes Wetter. Auf unserer Seite fielen vier Soldaten und wurden drei Offiziere verwundet. Nach eingegangenen Berichten zeigen sich Simpang Olim und Tandsong Semantoh nun geneigt zur Unterwerfung.“
Großbritannien und Irland. London, 8. Januar. Der Hof kehrt, den bis jetzt getroffenen Dispositionen zufolge, am 16. Februar von der Insel Wright nach Windsor zurück. — Die Königin hat Commodore Sir John H. Glover zum Gouverneur von Neufundland ernannt. Derselbe orga⸗ nisirte während des letzten Aschantikrieges an der Goldküste eine aus Eingeborenen bestehende Streitmacht und marschirte an der Spitze derselben nach Kumassie. — Lord Derby, der Minister für auswärtige Angelegenheiten, macht in der „Londoner Gazette“ be⸗ kannt, daß nach den Berichten, die im Auswärtigen Amt von dem britischem Gesandten in Madrid und den englischen Kon⸗ suln an der spanischen Nordküste eingegangen sind, britische Schiffe, welche in Häfen an der cantabrischen Küste einlaufen, häufig Gefahren durch das Feuern der an vielen Punkten der Küste errichteten carlistischen Batterien ausgesetzt sind. Die als besonders gefährlich bezeichneten Punkte sind Guetaria, San Sebastian, Pasages und Matrico. Aber die ganze spanische Küste östlich von Bilbao sollte von britischen Schiffen vermieden werden, da carlistische Batterien in Zwischenräumen längs der Küste stationirt sind und auf Alles feuern, was sich nähert. Die Küste im Westen von Bilbao wird als ungefährlich bezeichnet, mit der Ausnahme eines kleinen Striches zwischen Sommorostro und Castro Urdiales, wo Carlisten gelegentlich zu finden sind. Aus Lucknow meldet das Reutersche Bureau vom 7. d. M.: „Der Prinzvon Wales verließ Benares, die heilige Stadt der Hindus, gestern Abend nach 8 Uhr, wurde in Fyzabad von Sir George Couper empfangen und kam in Lucknow kurz nach 5 Uhr an. Die Einwohnerschaft empfing Se. Königliche Hoheit mit jedem Merkmal der Herzlichkeit und Achtung. Die Straßen, welche der Prinz auf dem Wege nach dem Regierungsgebäude passirte, waren geschmackvoll dekorirt, und es hatten sich Massen von Eingeborenen eingefunden. Heute Nachmittag empfing der Prinz, umgeben von seinem Gefolge, die europäischen Einwohner und begab sich hierauf nach dem alten Gesandtschaftsgebäude, welches er aufmerksam in Augenschein nahm. Dann legte der Prinz den Grundstein des Northbrook⸗Monuments, wel⸗ ches im Garten den eingeborenen Soldaten, die in der Verthei⸗ digung des Gesandtschaftsgebäudes fielen, errichtet werden soll. Es wurde eine Adresse verlesen, auf welche der Prinz eine Er⸗ widerung ertheilte, in der er die Tapferkeit der Gefallenen lobte. Dann wurde Sr. Königlichen Hoheit eine große Anzahl von Veteranen, welche gegen die Rebellen gekämpft hatten, vor⸗ gestellt. Die gesammte Garnison war bei der Feierlichkeit zu⸗ gegen. Heute Abend wird ein Galadiner gegeben, worauf ein von den Talukdars von Oude organisirtes Fest stattfindet. Morgen begiebt sich der Prinz auf eine Eberjagd. Die Stadt ist glänzend illuminirt.
Frankreich. Paris, 10. Januar. (W. T. B.) Die Abend⸗ blätter bringen genauere Mittheilungen über die zwischen den Ministern entstandenen Meinungsdifferenzen wegen des von dem Kabinet für die bevorstehenden Wahlen aufzustellenden Programms. Nach denselben hätten diese Differenzen die Minister Léon, Say und Dufaure veranlaßt, ihre Demission zu geben. Wie der „Agence Havas“ versichert wird, wären indessen alle Schwierigkeiten in einem heute Nachmittag stattgehabten Minister⸗ rathe beseitigt, in welchem das Wahlprogramm des Kabinets vereinbart wurde. In Folge dessen würde auch in der gegen⸗ wärtigen Zusammensetzung des Ministeriums keinerlei Aenderung eintreten.
— 11. Januar. (W. T. B.) Der Minister der Auswär⸗ tigen Angelegenheiten, Herzog von Decazes, ist im 8. Arron⸗ dissement von Paris als Kandidat aufgestellt worden. — Wie die „Agence Havas“ erfährt, soll der Herzog von Decazes viel zu dem Ausgleich der im Ministerium stattgehabten Differen⸗ zen beigetragen haben.
Türkei. Belgrad, 10. Januar. (W. T. B.) In der heutigen Sitzung der Skupschtina wurde von 20 Abgeordneten ein Antrag eingebracht, dahin gehend, den früheren Kriegs⸗ Minister wegen Verletzung der Verfassung durch Ausschreibung einer außerordentlichen Abgabe zur Erhaltung der Volksmiliz und zu Lagerübungen in den Anklagezustand zu versetzen. Der Antrag wurde einem Ausschusse überwiesen.
— Wie dem „VTelegraphen⸗Korrespondenz⸗Bureau“ aus Belgrad gemeldet wird, beabsichtigt die serbische Regierung, da die Aufnahme einer Anleihe im Auslande gescheitert ist, der Skupschtina eine Gesetzvorlage wegen Ausschreibung einer in⸗ ländischen freiwilligen Anleihe vorzulegen.
Schweden und Norwegen. Christiania, 6. Januar. Der baare Bestand der Staatskasse betrug am 31. Dezem⸗ ber 1875 2,407,000 Species gegen 2,518,000 Species zur selben Zeit des Vorjahres. Außerdem ist von der Staatsanleihe von 1874, wovon die letzte Rate jetzt zur Zahlung verfallen ist, ein Betrag von ca. 1 ¼ Millionen Species bisher noch nicht eingezegen.
Dänemark. Kopenhagen, 10. Januar. Das Folke⸗ thing nahm in seiner vorgestrigen Sitzung den Gesetzentwurf, betreffend eine interimistische Erweiterung der Seeofftzierschule, in dritter Lesung einstimmig an, und geht dasselbe jetzt zum Landsthinge. Hierauf wurde Bojsens Interpellation an den Justiz⸗Minister in Berathung genommen: „Gedenkt der Justiz⸗ Minister eine sachkundige Untersuchung vornehmen zu lassen, betref⸗ fend die Verwaltung der Stiftung König Friedrich des Siebenten
für hülflose und verlassene Mädchen, besonders aus den unteren Ständen auf Jägerspris?“ Bosjsen hob hervor, daß die Ober⸗ aufsicht des Staates über diese Stiftung, an die sich ein allge⸗ meines öffentliches Interesse knüpfe, da sie die reichste im Lande sei und eine der tiefsten und gefährlichsten Wunden der Gesellschaft zu heilen versuchen solle, eine besonders kräftige sein müsse. Die jetzige Verwaltung habe seiner Meinung nach die Pietät gegen den verstorbenen König und die Statuten der Stiftung durch ihre eigenmächtigen Handlungen verletzt. Der Justiz⸗ Minister antwortete, daß die Stifterin (Lehnsgräfin Danner) die Stiftung als eine private und nicht als eine öffentliche Institu⸗ tion betrachtet wissen wollte, und das Einschreiten des Staats nur wünschte, im Falle die Verwaltung sich wesentlicher Verstöße gegen die Statuten zu Schulden kommen lasse oder mit den Mitteln der Stiftung unverantwortlich umgehe. Die im Inter⸗ esse der Stiftung getroffenen Maßnahmen hätten seine Zu⸗ stimmung erhalten, und trage er allein alle Verantwortlichkeit. Der Minister fordert Bojsen und jeden Andern, der über die Verwaltung der Stiftung zu klagen habe, auf, präzisirte An⸗ klagen einzureichen, denn dies könne er doch zu wenigsten ver⸗ langen, ehe er ehrenhaften Männern gegenüber zu einer krimi⸗ nellen Untersuchung schreite. In der Debatte, welche der Inter⸗ pellation folgte, wurde von mehreren Rednern darauf hingewie⸗ sen, daß diese Angelegenheit, als eine private, gar nicht im Reichs⸗ tage hätte zur Sprache kommen dürfen.
Amerika. Der „Times“ wird von ihrem amerikanischen Korrespondenten unterm 6. d. per Kabel gemeldet: Der Sonder⸗ ausschuß des Repräsentantenhauses über die Cen⸗ tennial⸗Ausstellung beschloß heute einstimmig, einen Staats⸗ zuschuß für die Ausstellung zu befürworten. Demgemäß wurde eine Vorlage im Hause eingebracht, welche zu diesem Zwecke 1,500,000 Dollars appropriirt. Die Vorlage wird am Montag in Erwägung gezogen werden. Heute nahm das Haus einstimmig eine Resolution an, welche erklärt, daß die offenbare Neigung und Absicht der Männer, welche sich in dem jüngsten Bürgerkrieg einander bekämpften, künftighin sich als Angehörige eines einzigen Volkes die Hände zu reichen, ein höchst glückverheißendes Greigniß des Centennialjahres sei, und daß, während das Volk somit eine Anstrengung mache, mit einander in Frieden zu leben, dessen Vertreter im Kongresse nichts un⸗ nöthiges thun sollten, um die nun herrschende patriotische Ein⸗ tracht zu stören oder die bitteren Erinnerungen der Vergangen⸗ heit wieder zu beleben.
— (W. T. B.) Nach einer über London, 10. Januar, eingegange⸗ nen Meldung aus Philadelphia vom 9. Januarwird der Ansicht, daß die Konzentrirung der amerikanischen Flotte in Port Royal mit einer Aenderung der nordamerikanischen Politik be⸗ züglich Kubas zusammenhänge, in Regierungskreisen wider⸗ sprochen und darauf hingewiesen, daß es sich lediglich um die Ausführung des schon seit längerer Zeit verfolgten Projektes handle, Port Royal statt des ungesunden Hafens von Key⸗West zur Marinestation zu machen.
Asien. Nach neueren Nachrichten aus Hinter⸗Indien be⸗ stätigen sich die Berichte, welche mehrere Blätter vor einiger Zeit über Verwickelungen an der Siamesisch⸗Birmanischen Grenze brachten, nicht. Dagegen habe die Siamesische Regierung seit einiger Zeit eine Invasion der Cheen⸗Haus, eines an der Ostgrenze des Reichs ansässigen, ihr tributiven Stammes zu bekämpfen, und soll es ihren Truppen in der letzten Zeit ge⸗ lungen sein, den Eindringlingen Halt zu gebieten.
China. Amoy, den 17. November. Aus dem hier un⸗ längst veröffentlichten Jahresbericht des chinesischen Zollinspektors dürfte die auf den Passagierverkehr im Hafen von Amoy während des Jahres 1874 bezügliche Stelle von allgemeinerem Interesse sein.
Dieselbe lautet wörtlich wie folgt: „Im Laufe des Jahres 1874 sind 493 Europäer und 16,461 Chinesen in Amoy an⸗ gekommen, dagegen 251 Europäer und 19,602 Chinesen von dort abgereist. Diese Ziffern erreichen nicht jene des Pas⸗ sagierverkehrs von 1873.
Die Verordnung des Gouverneurs der „Straits Settle⸗ ments“ vom 5. Oktober 1874, welche das Reglement für die Passagierschiffe enthält, hat viel dazu beigetragen, die Ueber⸗ füllung von Schiffen, welche für die gedachten Niederlassungen bestimmt sind, zu verhindern.
Nichtsdestoweniger verlassen noch immer Schiffe den hiesigen Platz, welche — nach Siam, Renon ꝛc. bestimmt — eine über⸗ mäßige Zahl von Passagieren an Bord haben. Es ist zu be⸗ dauern, daß, während England, die Vereinigten Staaten und Deutschland für die unter ihrer Flagge segelnden Schiffe Regle⸗ ments besitzen, welche sich auf die zulässige Zahl der aufzuneh⸗ menden Passagiere und die nothwendige Einrichtung der Schiffe ꝛc. beziehen und deren Ausführung Seitens ihrer Konsuln streng überwacht wird, andere Nationen anscheinend solcher Verordnungen entbehren, und daß Schiffe unter deren Flagge Amoy verlassen, welche — nach andren Häfen, als den „Straits Settlements“ bestimmt — eine solche Menge von Men⸗ schen an Bord haben, daß die Humanität und das gewöhnliche Schicklichkeitsgefühl dadurch verletzt werden. Die Verdecke dieser Schiffe erscheinen schwarz durch die darauf gleich einem Bienen⸗ schwarm zusammengedrängten menschlichen Wesen; sie haben nicht Boote genug, um den achten Theil ihrer lebenden Fracht zu retten, und ich nehme keinen Anstand zu behaupten, daß, wenn ein Unfall auch nur ein halbdutzend Meilen außerhalb des Hafens sich ereignen sollte, der Verlust an Menschenleben entsetzlich sein würde.
Die Zollbehörden haben keine Macht sich ins Mittel zu legen, da die Bestimmungen über Exterritorialität in den Ver⸗ trägen diese Befugniß den Konsuln verleihen, welche in diesem Hafen Kaufleute sind und vielleicht als Agenten der betreffenden Schiffe oder anderweitig dabei interessirt sein mögen. Ich hege keinen Zweifel, daß früher oder später sich irgend ein schrecklicher Unglücksfall zutragen wird, und ich er⸗ warte, daß, wenn ein solcher eintritt, der Hafenkommissär die Proteste bekannt machen wird, welche an seine Behörde gegen die Ueberfüllung von Schiffen erhoben worden sind. Es mag kein Gesetz geben, um Leute zu verhindern, chinesische Bauern, welche die ihnen drohende Gefahr nicht ahnen, in ein Schiff von der oder jener Nationalität zu stopfen, bis es einem Sklavenschiffe gleichsieht; aber es ist angezeigt, dem Publikum klar zu machen, daß die Zollbehörden alles gethan haben, was in ihrer Macht lag, um ein Gebahren zu hemmen, welches nur als schimpflich bezeichnet werden kann.“
Vereinswesen. Der Verein für Besserung entlassener Straf⸗ gefangener hielt am Montag Abend im Sitzungssaale der Haus⸗ voigtei seine erste diesjährige Versammlung ab, in welcher zunächst
Mittheilung von der nach den Beschlüssen der vorigen Versammlung erfolgten Vertheilung der diesjährigen Weihnachtsstipendien gemacht wurde. Hieran schlossen sich die Berichte der einzelnen Pfleger, welche im Allgemeinen konstatiren konnten, daß die Zahl der sich gut auf⸗ führenden Pfleglinge die der rückfälligen in erfreulicher Weise über⸗ rage; für Einzelne ist die übestandene Strafzeit sogar von wesent⸗ lich besserndem Einfluß auf ihre Führung gewesen. In der Zahl derer, welche sich der fördernden Unterstützung des Vereins gegenüber taub gezeigt haben, überwiegen diejenigen, welche, Feind aller festen Beschäftigung, ein unstetes, vagabondirendes Leben vorziehen und trotz aller Bemühungen der Pfleger nicht aufzufinden waren.
1— Statistische Nachrichten.
Die Gesundheitsverhältnisse Londons in 1875. In London wurden während der 52 Wochen des verflossenen Jahres 122,871 Geburten registrirt, d. i. 1477 mehr, als in 1874. Die Zahl der Todesfälle in 1875 belief sich auf 81,513, d. i. 4907 mehr, als im Jahre vorher. Das jährliche Sterblichkeitsverhältniß stellte sich auf 23,7 pro 1000 Einwohner, das höchste seit 1871. Die größte Sterblichkeit verursachten ansteckende Krankheiten. So starben an den Pocken 74, an den Masern 1427, am Scharlachfieber 3657, an Diphtherie 546, am Keuchhusten 3232, am Typhus 1282 und an Diarrhoe 3198. In Armenhäusern und Hospitälern starben 13,773, und 2852 Personen starben eines gewaltsamen Todes. Von den ver⸗ “ Personen waren 19,892 Kinder im Alter unter einem Jahre.
— Die Bevölkerung Finnlands betrug am lusse de Jahres 1874, zufolge eines vom Statistischen “ h P. nrl Allgem. Ztg.“ veröffentlichten Berichts, 1,882,622 Personen; dieselbe hat sich in den vier Jahren von 1871 — 1874 um 115,431 Personen vermehrt.
Kuüunst, Wissenschaft und Literatur. „Berlin. Am 8. d. Mts. Abends ist der Ober⸗Konsistorial⸗ Rath Professor Dr. Twesten im 87. Lebensjahre nach langen Leiden gestorben. August Deillev Christian Twesten war am 11. April 1789 zu Glückstadt in Holstein geboren, studirte zu Kiel Theologie, ward dann Gymnasiallehrer zu Berlin, 1814 Professor der Theologie zu Kiel und wurde im Jahre 1835 an die Universität Berlin berufen, um hier den Lehrstuhl Schleiermachers einzunehmen. Twesten wurde auch Mitglied des brandenburgischen Konsistoriums und später des Evangelischen Ober⸗Kirchenraths. Sein Hauptwerk: „Vorlesungen über die Dogmatik der evangelisch⸗lutherischen Kirche“ (1. Band zuerst 1826 zu Hamburg erschienen) hat mehrfache Auflagen erlebt. (Vergl. das heutige Feuilleton.)
— Die Mittheilung des „R. T.“ berichtigend, theilt die „Nstr. Ztg.“ mu, daß die Gattin Fritz Reuters dessen sämmtliche Werke (also nicht die ganze Bibliothek des Dichters) der Bibliothek des Museums in Neubrandenburg zum Geschenk gemacht hat. Kurz vor Weihnachten trafen die Bücher — alle in geschmackvollem Ein⸗ bande — unter der Adresse des Hrn. Bürgermeisters Ahlers, als Vor⸗ sitzenden des Museumvereins, daselbst ein.
— Die „Academy“ meldet, daß die Briefe von Lieutenant Cameron sammt einer Karte am 5. Januar in London eintrafen, aber daß er selber in Loanda durch Krankheit zurückgehalten werde. Er kam am 7. November in Katambila, einer Vorstadt von Ben⸗ guala, nach einem Marsche von Nyangwe, Livingstone's vorgerücktesten Punkte, an. Die letzten 120 Meilen legte er in 6 Tagen zurück. Sein Gefolge kehrt über das Cap der guten Hoffnung nach Zanzibar zurück. Cameron selber wird im nächsten Monat in England erwartet.
— Prof. Nordenskjöld hat von dem Petersburger Kaufmann Michailovitsch Sibiriakoff durch ein Banquierhaus in Stockholm die Summe von 58,438 Kronen zugestellt erhaltes, als einen Beitrag zur Bestreitung der Ausgaben für seine projektirte neue arktische Reise. Zufolge einer Korrespondenz aus St Petersburg im „Stockh. Dagbl.“ hofft man, daß Nordenskjöld das Fahrwasser bis zur Beh⸗ ringstraße untersuchen wird, während man in Rußland eine andere Expedition unter Leitung eines englischen Schiffskapitäns ausrüsten will, um den Fluß Ob, seine Mündung und das Fahrwasser in der Umgegend zu untersuchen.
— Am 4. Januar starb in Christiania im Alter von 90 Jahren General Jakab Gerhard Meydell, Verfasser von „Der Feldzug in Norwegen 1814“ und mehreren militär⸗wissenschaftlichen Lehrbüchern.
— Die Nr. 7 der „Illustrirten Jagdzeitung“ (Leipzig, Verlag von Schmidt Günther) enthält: Jagd⸗ und Thierschutz vom Oberförster Muhl.“ö — Ein Rehbock ꝛc. von O. v. Krieger. — Der Krähenhüttenjäger mit Illustration von H. König. — Christ⸗ abend im Walde, Gedicht mit Illustration von Sundblad. — Königlich preußische Hofjagden. — Bärenjagd in Schlesien u. s. w.
— Bei John Murray in London ist soeben der erste Band der Lebensbeschreibung Jonathan Swifts von John Forster dem Biographen des Charles Dickens, erschienen und hat Seite englischen Presse eine sehr beifällige Kritik gefunden.
Gewerbe und Handel. 1 Nach dem von dem Kuratorium für das städtische Erleuchtungswesen erstatteten Bericht über das letzte Betriebs⸗ jahr (1. Juli 1874 bis 1875) hat der Gasverbrauch in diesem Jahre rund 55,859,000 Kubikmeter betragen, 4,101,000 Kubikmeter oder 7,9⸗3 % mehr, als im Vorjahre, obwohl der Rückgang, welcher in allen Geschäftszweigen während dieses Betriebsjabres eingetreten ist, nicht ohne Einfluß geblieben ist. Die Zahl der öffentlichen Flammen stieg von 9020 auf 9717 und die Zahl der Privatflammen von 437,950 auf 495,531, so daß die ganze Steigerung in der Zahl der Flammen mehr als 13 %, nämlich 57,581, betrug, und durchschnittlich an jedem Wochentage des Betriebsjahres 190 neue Flammen den bereits vor⸗ handenen hinzutraten. Von den verbrauchten 55,.859,000 Kubikmetern Gas kamen 6,679,000 Kubikmeter auf die öffentlichen Flammen, 43,296,000 auf die Privatflammen und 633,000 Kubikmeter auf die Gasanstalten selbst; 5,250,000 Kubikmeter Gas (etwas weniger als im Vorfahre) gingen durch Kondensation, Ausströmen u. s. w. ver⸗ loren; der Verluft betrug hiernach 9,4 %. Jede öffentliche Flamme brannte 3675 statt 3600 Stunden und verbrauchte etwa 709 Kubik⸗ meter Gas. Bei dieser ganz außerordentlichen Zunahme des Gas⸗ verbrauchs und der Flammen erklärt es sich allerdings, daß die städ⸗ tischen Gasanstalten in jedem Jahre vergrößert werden müssen. Leipzig, 11. Januar. (W. T. B.) Die Zeichnvng auf die Anhalter Prioritäten ist heute Morgen hier geschlossen worden, und dürfte in Folge der Ueberzeichnung eine Reparrition stattfinden.
Verkehrs⸗Anstalten.
Berlin, 10. Januar. Von dem Direktorium der Berlin Potsdam⸗Magdeburger Eisenbahngesellschaft geht uns folgende Mittheilung zuU In dem am 9. d. Mts., Abends 7 Uhr 45 Minuten, von hier abgelassenen Personenzuge der Berlin⸗Potsdam⸗ Magdeburger Eisenbahn nach Magdeburg brach kurz vor Durchfahrt der Station Neu⸗Babelsberg die Mittelachse des 4. Klassewagens, von welcher vorher der Radreifen abgesprungen war. Letzterer hatte einen Theil des Bodens des Mittelcoupés eingeschlagen, in welchem sich 4 Frauen befanden. Der Wagen erhielt nur einen kurzen Ruck, so daß die Passagiere der Endconpés von dem Vorfalle nichts ahn⸗ ten, und lief ruhig bis Potsdam. Beschädigungen von Passagieren oder Fahrversonal sind nicht vorgekommen. Der abgesprungene Rad⸗ reifen wurde bei der sofort vorgenommenen Revision auf dem 2. Ge⸗ leise vorgefunden und beseitigt. Durch diese Gleisrevision erhielt der kombinirte Aachener und Frankfurter Schnellzug eine Verspätung von ½ Stunde.
Kopenhagen, 10. Januar. (W. T. B.) Die Postdampf⸗ schiffahrt nach Kiel ist wegen des im Kieler Fjord befindlichen Eises vorläufig eingestellt worden.
New⸗York, 10. Januar. (W. T. B.) Der Dampfer des baltischen Lloyd „Hermann“ ist gestern Morgen 8 Uhr hier eingetroffen. 88