1876 / 26 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Sat, 29 Jan 1876 18:00:01 GMT) scan diff

Deutsches Reich.

reußen. Berlin, 29. Januar. Se. Majestät der Kaiser und König nahmen heute die gewöhnlichen Vorträge sowie einige militärische Meldungen entgegen und arbeiteten mit den Chefs des Militär⸗ und des Civil⸗Kabinets, General⸗Major von Albedyll und Geheimen Kabinets⸗Rath von Wilmowski.

Beide Kaiserliche Majestäten erschienen gestern auf dem Opernhausballe.

Se. Kaiserliche und Königliche Hoheit der Kron⸗ prinz empfing gestern Vormittags die Generale v. Sandrart, Graf v. Gneisenau, v. Flöckher und andere höhere Offtziere zur militärischen Meldung. Nachmittags 4 ½ ˖Uhr ertheilte Höchst⸗ derselbe dem Regierungs⸗Präsidenten Bitter Audienz. Abends 9 Uhr besuchten die Kronprinzlichen Herrschaften den Sub⸗ skriptionsball im Opernhause.

Gestern Abend fand in dem zu einem großen Saale vereinigten Zuschauer⸗ und Bühnenraume des Königlichen Opern⸗ hauses der erste diesjährige Subskriptions⸗Ball statt.

Die Dekoration und Ausstattung des Festraumes, mit wel⸗ chem der zu einem Speisesaal umgewandelte Konzertsaal ver⸗ bunden worden, war im Wesentlichen dieselbe, wie in den frühe⸗ ren Jahren.

Der Tanzsaal und die Logen, die nach dem Bühnenraume zu durch einen Anbau erweitert waren, füllten sich bald nach der Eröffnung des Hauses um 7 ½ Uhr mit einer zahlreichen, glänzenden Gesellschaft. Die Logen zur Rechten nahmen die Herren vom diplomatischen Corps mit ihren Damen ein.

Um 9 Uhr erschienen die Allerhöchsten und Höchsten Herrschaften in den Prosceniumslogen zur Linken, von denen aus Allerhöchst⸗ und Höchstdieselben den ersten Umgang durch den Saal antraten, mit welchem der Ball eröffnet zu werden

egt.

n; . Zuge voran schritt der General⸗Intendant der König⸗ lichen Schauspiele, Kammerherr von Hülsen, die Palastdame Ihrer Majestät der Kaiserin⸗Königin, Gräfin von Hacke, führend. Se. Majestät der Kaiser und König führten Ihre Kaiser⸗ liche und Königliche Hoheit die Kronprinzessin, während Se. Kaiserliche und Königliche Hoheit der Kronprinz Ihre Majestät die Kaiserin⸗Königin führte; es folgten Se. König⸗ liche Hoheit der Prinz August von Württemberg mit Ihrer Kö⸗ niglichen Hoheit der Prinzessin Carl, Se. Königliche Hoheit der Prinz Carl mit Ihrer Königlichen Hoheit der Prinzessin Fried⸗ rich Carl, Se. Königliche Hoheit der Prinz Friedrich Carl mit Ihrer Königlichen Hoheit der Prinzessin Marie, Se. Königliche Hoheit der Prinz Alexander mit Ihrer Königlichen Hoheit der Prinzessin Elisabeth.

Bei dem zweiten Umgang führten Se. Majestät der Kaiser und König Ihre Königliche Hoheit die Prinzessin Carl, während Ihre Majestät die Kaiserin⸗Königin von Sr. Königlichen Hoheit dem Prinzen Carl geführt wurde; es folgten Se. Kaiserliche und Königliche Hoheit der Kronprinz mit Ihrer Kaiserlichen und Königlichen Hoheit der Kronprinzessin, Se. Königliche Hoheit der Prinz Alexander mit Ihrer Königlichen Hoheit der Prin⸗ zessin Friedrich Carl, Se. Königliche Hoheit der Prinz Friedrich Carl mit Ihrer Königlichen Hoheit der Prinzessin Elisabeth, Se. Königliche Hoheit der Prinz August von Württemberg mit Ihrer Königlichen Hoheit der Prinzessin Marie.

Das diplomatische Corps war zahlreich vertreten; ebenso bemerkte man viele Mitglieder des Reichstages.

Die Allerhöchsten und Höchsten Herrschaften verließen kurz

nach 12 Uhr den Festraum. Der Ball erreichte um 2 Uhr sein Ende. Der Bundesrath hielt heute die 4. Plenarsitzung unter Vorsitz des Staats⸗Ministers Dr. Delbrück. Zur Vorlage kamen Schreiben des Präsidenten des Reichstags über die Be⸗ schlüsse des Reichstags, betreffend: a. den Entwurf eines Ge⸗ setzes wegen der weiteren geschäftlichen Behandlung der Justiz⸗ Gesetzentwürfe; b. den Entwurf eines Gesetzes wegen Feststellung eines Nachtrags zum Haushalts⸗Etat des Deutschen Reichs für 1876; c. die Uebersicht der ordentlichen Ausgaben und Einnahmen für 1874; d. eine Anzahl von Petitionen.

Ferner der Entwurf einer Verordnung, betreffend die Tage⸗ gelder, Fuhr⸗ und Umzugskosten der Reichsbevollmächtigten und Stations⸗Controleure.

Demnächst wurde Beschluß gefaßt über den Entwurf eines Gesetzes, betreffend die Kaiser⸗Wilhelm⸗Stiftung für die Angehörigen der Reichs⸗Postverwaltung, über den Antrag, betreffend die pensionsfähige Dienstzeit des Vorsitzenden der Centraldirektion der Monumenta Germaniae und über den Antrag wegen des Abschlusses einer Vereinbarung mit Luxemburg über gegenseitigen Markenschutz.

Ausschußberichte wurden erstattet über: a. den Entwurf eines Gesetzes wegen des Etatsejahres für den Reichshaushalt; b. die Bereit⸗ stellung der Geldmittel zur Bestreitung der Reichsausgaben für 1876. c. die aus der französischen Kriegskostenentschädigung zu er⸗ setzenden gemeinsamen Kosten des Krieges gegen Frankreich.

Der Bundesrath und der Ausschuß desselben für Zoll⸗ und Steuerwesen hielten heute Sitzungen.

Aus der Seitens des Bundesamtes für das Hei⸗ mathwesen dem Reichskanzler erstatteten Geschäftsübersicht für das Jahr 1874/75 entnehmen wir, daß in diesem Jahre nur 329 Sachen eingegangen waren, gegen 404 im Vorjahre. Da aus dem Jahre 1873/74 noch 20 unerledigt geblieben, waren im Ganzen 349 Fälle zu bearbeiten, von welcher Zahl 329 in 30 Sitzungen erledigt wurden. Referirt haben Präsident König in 53, Geheimer Ober⸗Regierungs⸗Rath Wohlers in 34, Gehei⸗ mer Regierungs⸗Rath Goepel in 180, Ober⸗Tribunals⸗Rath von Holleben in 43 und Kammergerichts⸗Rath Leske in 35 Sachen. Von der Gesammtzahl der Prozesse betrafen 303 Streitigkeiten zwischen Armenverbänden desselben Staates, 46 schwebten zwischen Armenverbänden verschiedener Staaten. In den Lan⸗ dessachen hatten in I. Instanz entschieden preußische Behörden in 293 Fällen, darunter allein die posensche Deputation in 54, das Verwaltungsgericht Potsdam in 22, Koͤnigsberg in 21, die hannoversche Deputation in 19, die schleswig⸗holsteinsche Deputation und das Verwaltungsgericht Frankfurt a. O. je 18 u. s. w.; der Großherzoglich hessische Administrativ⸗Justizhof hatte in 4, der sachsen⸗weimarische IV. und V. Verwaltungs⸗Bezirksaus⸗ schuß, die Herzoglich sächsische Kreishauptmannschaft Altenburg, die Fürstlich schwarzburgischen Deputationen in Rudolstadt und Sondershausen, die Fürstlich reußische Deputation für das Hei⸗ mathwesen in Gera und die Senatskommission zu Lübeck in je einem Falle entschieden. Von den 46 interterritorialen Sachen

entfielen auf Preußen 22,

je 3 auf Mecklenburg⸗Schwerin, Sachsen⸗Weimar, Reuß j. L. und Hamburg, je 2 auf Hessen und Sachsen⸗Meiningen, je 1 auf Sachsen, Baden, Sachsen⸗ Altenburg, Sachsen⸗Coburg⸗Gotha, Schwarzburg⸗Rudolstadt, Lippe⸗Schaumburg, Lippe und Bremen.

Im weiteren Verlaufe der gestrigen Sitzung des Deutschen Reichstags konstatirte in der Diskussion über §. 131 der Strafgesetznovelle der Bundesbevollmächtigte Großherzoglich hessischer Minister⸗Präsident Hofmann, daß er zu seinen Auslassungen über eine eventuelle Veränderung der po⸗ litischen Situation zwischen den Regierungen und dem Reichs⸗ tage nicht vom Fürsten Bismarck veranlaßt sei. (S. unter Reichstagsangelegenheiten.) Nach einigen Bemerkungen des Abg. Dr. Bamberger, worin er seine vorgestrigen Aeußerungen richtig stellte, und einer persönlichen Bemerkung des Abg. Dr. Lasker wurde bei der Abstimmung hierauf zunächst das Amende⸗ ment Krüger und demnächst der §. 131 selbst mit sehr großer Majorität vom Hause abgelehnt.

Desgleichen wnrde ohne Debatte abgelehnt der folgende

139 8 „Wer eine Urkunde, ein Register, Akten oder einen sonstigen Gegen⸗ stand, welche sich zur amtlichen Aufbewahrung an einem dazu be⸗ stimmten Orte befinden, oder welche einem Beamten oder einem Dritten amtlich übergeben worden sind, vorsätzlich vernichtet, bei Seite schafft oder beschädigt, wird mit Gefängniß bestraft. War die Hand⸗ lung geeignet, das Wohl des Deutschen Reichs oder eines Bundes⸗ staats zu gefährden, so kann auf Zuchthaus bis zu fünf Jahren er⸗ kannt werden. Ist die Handlung in gewinnsüchtiger Absicht begangen, so tritt Zuchthausstrafe bis zu zehn Jahren oder Gefängnißstrafe nicht unter drei Monaten ein; anch kann auf Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte erkannt werden.“ Dagegen wurde §. 135: Wer ein öffentliches Zeichen der Autorität des Reiches oder eines Bundesfürsten oder ein Hoheitszeichen eines Bundes⸗ staates böswillig wegnimmt, zerstört oder beschädigt, oder be⸗ schimpfenden Unfug daran verübt, wird mit Geldstrafe bis zu Mark oder mit Gefängniß bis zu zwei Jahren be⸗ ttraft, mit geringer Majorität vom Hause angenommen.

§. 140 der Vorlage lautet:

„Wegen Verletzung der Wehrpflicht wird bestraft:

1) ein Wehrpflichtiger, welcher in der Absicht, sich dem Eintritt in den Dienst des stehenden Heeres oder der Flotte zu entziehen, ohne Erlaubniß entweder das Bundesgebiet verläßt oder nach erreichtem militärpflichtigen Alter sich außerhalb des Bundesgebiets aufhält: mit Geldstrafe von einhundertfünfzig bis zu dreitausend Mark oder mit Gefängniß von Einem Monat bis zu Einem Jahre;

2) eine beurlaubte Militärperson der Reserve, Land⸗ oder See⸗ wehr, welche ohne die vorgeschriebene Erlaubniß auswandert: mit Geldstrafe bis zu eintausend fünfhundert Mark oder Haft oder Ge⸗ fängniß bis zu drei Monaten; 1

3) ein jeder Wehrpflichtiger, welcher nach öffentlicher Bekannt⸗ machung einer vom Kaiser für die Zeit eines Krieges oder einer Kriegsgefahr erlassenen besonderen Anordnung in Widerspruch mit derselben auswandert: mit Gefängniß nicht unter drei Monaten, Sir. welchem auf Geldstrafe bis zu dreitausend Mark erkannt wer⸗ den kann. .

Gegen Offiziere und im Offizierrange stehende Aerzte kann im Falle der Nr. 2 die Geldstrafe bis zu dreitausend Mark und die Ge⸗ fängnißstrafe bis zu sechs Monaten erhöht werden.

Der Versuch ist strafbar.

Das Vermögen des Angeschuldigten kann, insoweit als es nach dem Ermessen des Richters zur Deckung der den Angeschuldigten mög⸗ licherweise treffenden höchsten Geldstrafe und der Kosten des Ver⸗ fahrens erforderlich ist, mit Beschlag belegt werden.

Die Nr. 1 dieses Paragraphen ist nur eine redaktionelle Aenderung der bisherigen Fassung des §. 140, dagegen enthält die Nr. 2 eine Verschärfung der Strafe für die bis jetzt nur als Uebertretung (§. 360) bestrafte unerlaubte Auswanderung der Reservisten und Landwehrleute, während die Nr. 3, sowie der folgende Absatz über die Erhöhung der Strafe gegen Offi⸗ ziere und Aerzte neue Zusätze sind.

Abg. Struckmann (Diepholz) beantragte:

1) die Nr. 2 des Abs. 1 und den Abs. 2 zu streichen; 2) in Nr. 3 statt der Worte: „nicht unter drei Monaten“ zu setzen: „von drei Monaten bis zu zwei Jahren.“

Abg. Gerhardt schlug vor, im letzten Alinea hinter den Worten „und den Kosten des Verfahrens erforderlich ist“ einzu⸗ schalten: „auf Antrag der Staatsanwaltschaft jederzeit“.

Endlich beantragte Abg. Dr. Lasker, in der Nr. 3 zu sagen: „mit Gefängniß bis zu zwei Jahren.“

Der Abg. Struckmann (Diepholz) erkannte an, daß der Versuch des hier bezeichneten Vergehens strafbar gemacht werden müsse, weil gegenwärtig, wo er nicht strafbar ist, die ganze Strafbestimmung illusorisch sei, da das Vergehen erst konsumirt ist, wenn der Auswanderer auf der See, d. h. außer dem Be⸗ reiche des Gesetzes ist. Dagegen liege kein Grund vor, die Nr. 2, in welcher es sich um die bloße Uebertretung einer Polizeivorschrift handelt, unter die Vergehen aufzunehmen, wes⸗ halb Redner die Annahme seines Antrages empfahl.

Der Abg. Dr. Lasker erklärte, er habe anfangs die Absicht ge⸗ habt, den §. 140 einfach abzulehnen, weil er die Ordnung der schwie⸗ rigen Materie, welche hier in Rede steht, gern bis zur allgemeinen Revision des Strafgesetzbuchs aufgeschoben hätte. Nachdem diese jedoch in weite Ferne gerückt erscheint, sei er genöthigt, sich auf die Bestimmungen des §. 140 einzulassen, welcher einem Mangel abhelfen soll, über den man sich bei der Berathung des Militärgesetzes nicht verständigen konnte.

Der Bundeskommissar Oberst⸗Lieutenant Bluhme erkannte an, daß die Nr. 2 die bloße Uebertretung einer Polizeivorschrift enthält, insofern den Beurlaubten der Reserve, Land⸗ und See⸗ wehr die nachgesuchte Auswanderungserlaubniß nicht versagt werden kann, wenn sie nicht zum Dienst einberufen sind. Dennoch müßte auf die strenge Beobachtung der vorgeschriebenen Form im Interesse der Erhaltung des militärischen Pflicht⸗ bewußtseins in der Reserve ein großer Werth gelegt werden. Es sei erstaunlich, wie sehr die Unterlassungen der Anzeigen zu⸗ genommen hätten, seit sie nur als Uebertretung bestraft würden.

Der Abg. Dr. Lasker erkannte nochmals die durch die Nr. 3 auszufüllende Lücke als vorhanden an, wodurch jedoch keineswegs das vorgeschlagene Strafmaß gerechtfertigt werde. Letzteres wurde vom Abg. Grimm mit Hinweis darauf befür⸗ wortet, daß die Regierung im Falle einer Mobilmachung wirk⸗ same Strafmittel gegen pflichtvergessene Wehrpflichtige in der Hand haben müsse.

Der Reichskanzleramts⸗Direktor v. Amsberg machte darauf aufmerksam, daß der zweite Absatz des Paragraphen aus dem Militärstrafgesetzbuch übernommen sei. Er könne stehen bleiben, auch wenn man die Nr. 2 streicht, weil er auch in diesem Falle eine Neuerung gegen das bestehende Recht enthält, insofern der Versuch strafbar gemacht werde. Der Abg. Struckmann gab

dies als richtig zu. Man würde aber mit der Aufrechterhaltung des zweiten Alineas eine Bezugnahme auf die zu streichende

1Nr. 2 stehen lassen. Er schlug deshalb vor, vor der Hand die

Nr. 2 und den zweiten Absatz zu streichen und bis zur Lesung eine zutreffende Fassung zu vereinbaren. Dagegen pro⸗ ponirte Abg. Thilo, bis zur dritten Lesung die Nr. 2 und den zweiten Absatz zu genehmigen.

Der Antrag auf Streichung der Nr. 2 und des zweiten Alineas wurde hierauf gegen die Stimmen der Rechten ange⸗ nommen, und §. 140 mit dem Amendement Lasker genehmigt.

§. 144 lautet:

„Wer es sich zum Geschäfte macht, Deutsche zur Auswanderung zu verleiten, wird mit Gefängniß bis zu zwei Jahren bestraft.

Wer unter Vorspiegelung falscher Thatsachen oder wissentlich mit unbegründeten Angaben Deutsche zur Auswanderung verleitet oder zu verleiten sucht, wird mit Gefängniß nicht unter Einem Jahre bestraft.“

Die bisherige Fassung bestimmt:

„Wer es sich zum Geschäfte macht, Deutsche unter Vorspiegelung falscher Thatsachen oder wissentlich mit unbegründeten Angaben zur Auswanderung zu verleiten, wird mit Gefängniß von einem Monat bis zu zwei Jahren bestraft.“

Der Abg. v. Cuny schlug vor, in dieser letzteren Fassung hinter den Worten „unbegründeten Angaben“ einzufügen: „oder durch andere auf Täuschung berechnete Mittel.“

Der Abg. Dr. v. Gerlach hob hervor, daß man sich jetzt zur Frage der Auswanderung ganz anders stelle als früher, da bei weitem nicht mehr der große Trieb zur Auswanderung vor⸗ handen sei, ja sogar ein Rückströmen stattfinde. Es sei auch durch⸗ aus nicht richtig, die Staatsbürger an der Auswanderung zu verhindern, da durch das Zurückhalten unwilliger Be⸗ völkerung nur die Zahl der Sozialdemokraten vermehrt werde. Sollte sich das Amendement Cuny vielleicht auf solche Mitthei⸗ lungen von Versprechungen der Agenten, von denen sie selbst wissen, daß sie unwahr oder, wenn wahr, nichts werth sind, beziehen, so sei nur zu wünschen, demselben eine klarere Fassung u geben. .

1 8 Abg. v. Cuny theilte die Ansicht des Abg. Dr. v. Gerlach, daß die Auswanderung, wie sie sich bei uns gestaltet hat, in mancher Hinsicht ein Krebsschaden der Nation geworden ist, weit entfernt von der früher herrschenden Ansicht, daß die Auswanderung eine Abhülfe gegen soziale Uebel sei. Indeß sei ja die prinzipielle Frage bei Berathung des Strafgesetzbuchs von der Mehrheit des Reichstages entschieden worden: Der Staat bedürfe nicht des Schutzes gegen die Auswanderung, sondern nur des Schutzes gegen betrügerische Mittel, die angewendet würden, um zur Auswanderung zu bestimmen. So bezwecke denn sein Amende⸗ ment nur den jetzt geltenden Thatbestand des Strafgesetzbuchs, der durchaus ungenügend sei, zu ergänzen, da hier von der „Unterdrückung richtiger Thatsachen“ nichts gesagt sei, und doch solche Vorspiegelungen, die, ohne objektiv falsche Thatsachen zu enthalten, durch ihre ganze Darstellung dazu angethan sein könn⸗ ten, eine Täuschung über das Ziel der Auswanderer zu bewir⸗ ken, ebenfalls für die Staatsbürger sehr verderblich wirken.

Der Abg. Dr. Banks stimmte dem Amendement Cunyj bei, obgleich er diese Ergänzung für ziemlich irrelevant hält, da auch die von dem Antrag betroffenen Fälle ja zu den Vor⸗ spiegelungen gehörten. Sehr bedeuklich dagegen scheine ihm die Regierungsvorlage, da durch Streichung der Worte „unter Vor⸗ spiegelung falscher Thatsachen oder wissentlich“ die Worte „zum Geschäft macht“ und „verleiten“ ihre klare Bedeutung verlieren. Ueberdies würde der vorliegende HParagraph sich nicht nur gegen Agenten, sondern auch gegen solche Personen richten, die viel⸗ leicht aus Humanitätsgründen irrige Mittheilungen machen. So dehnbare Begriffe in das Strafgesetzbuch aufzunehmen, erscheine höchst bedenklich. Nach den Motiven solle ferner die Feststellung der Grenze, wo öffentliche Bekanntmachungen, Benachrichtigungen und dergl. mit unter diesen Paragraphen fielen, „dem Ermessen des Strafrichters überlassen bleiben“. Das sei seiner Meinung nach eine noch nicht dagewesene strafgesetzliche Abnormität, da es doch das Erste sei, was ein Staatsbürger verlangen könne, daß er selbst sich sagen könne, ob etwas nach den Gesetzen strafbar sei oder nicht.

Der Bundesraths⸗Kommissar, Wirklicher Geheimer Ober⸗ Regierungs⸗Rath v. Amsberg, hob hervor, daß ja die Regie⸗ rungsvorlage die Auswanderungsfreiheit durchaus nicht beschrän⸗ ken, sondern nur die schädlichen Einflüsse betrügerischer Agenten in wirksamerer Weise, als bisher beseitigen wolle. Die Bedenken des Abg. Dr. Banks wegen der Dehnbarkeit der Ausdrücke fänden in der Praxis keinerlei Bestätigung. Da das Amendement Cuny wenigstens einige von den bisher außer Acht gelassenen Fällen damit umfasse, werde die Regierung eventuell mit dem⸗ selben sich begnügen.

Der Abg. Hölder war ebenso, wie Dr. Banks gegen die Regierungsvorlage, da diese wegen ihrer großen Unbestimmtheit das solide wie das unsolide Agenturgeschäft bedrohe. Daher werde die solide Auswanderungsagentur, die beste Stütze für die Auswanderer, verschwinden und die Staatsbürger völlig schutzlos sein. . 1

Abg. Dr. Kapp war gleichfalls gegen die Regierungsvor⸗ lage. Man solle, wie Graf Eulenburg einmal im Abgeordneten⸗ hause empfohlen, die Zustände der Heimath dem Staatsbürger so behaglich als möglich machen; Zwangsgesetze und Polizeimaßregeln würden dagegen nichts nützen, sondern das Gegentheil erreichen. Hierzu komme, daß die Bestimmungen gegen die Agenten zu unbestimmt seien und sehr verschieden ausgelegt würden. Nach der Fassung des zweiten Absatzes könnten selbst Verwandte, die in gutem Glauben ihre Erfahrungen mittheilten, verurtheilt werden, ja selbst der Vater, der seinen eigenen Sohn nachkommen lasse, wenn dieser die Zustände in dem neuen Lande vielleicht nicht finde, wie jener angegeben. Er werde daher das Amende⸗ ment Cuny unterstützen, zumal dasselbe sowohl den Ansichten des Hauses, als denen der Regierung entspreche.

Bei der Abstimmung wurde das Amendement Cuny mit großer Maforität angenommen.

§. 145 lautet in der bisherigen Fassung: 1

„Wer die vom Kaiser zur Verhütung des Zusammenstoßens der Schiffe auf See erlassenen Verordnungen übertritt, wird mit Geld strafe bis zu fünfhundert Thalern bestraft.“

Die Regierungsvorlage bezweckt, diese Strafbestimmung auch auf solche Kaiserliche Verordnungen auszudehnen, welche über das Verhalten der Schiffer nach einem Zusammenstoße von Schiffen auf See oder in Betreff der Noth⸗ und Lootsensignale für Schiffe auf See und auf den Küstengewässern erlassen sind.

Der Abg. v. Freeden war mit dieser Ausdehnung der Straf⸗ bestimmung einverstanden, beantragte jedoch, die Strafe für Uebertretung der „zur Verhütung des Zusammenstoßens der Schiffe auf See“ erlassenen Verordnungen fallen zu lassen. Zur Begründung dieses Antrags machte der Redner geltend, daß diese Verordnungen theilweise so unklarer und unbestimmter Natur seien, daß es juristisch außerordentlich schwierig sei, Ueber⸗ tretungen derselben festzustellen. Er könne deshalb der Regie⸗ rung nicht dringend genug an das Herz legen, mit den übrigen seefahrenden Nationen eine baldige Revision dieser Bestimmungen

zu der Erwartung,

entsprechen werde, ziehe er seinen Antrag zurück.

§. 145 wurde hierauf ohne weitere Debatte angenommen. Um 4 Uhr vertagte sich das Haus.

In der heutigen (41.) Sitzung des Deutschen Reichs⸗ tages, welcher am Tische des Bundesraths der Präsident des Reichskanzler⸗Amtes Staats⸗Minister Dr. Delbrück, der Staats⸗ Sekretär von Bülow sowie der Reichskanzler⸗Amts⸗Direktor, Wirklicher Geheimer Ober⸗Regierungs⸗Rath von Amsberg und andere Bundes⸗Kommissare beiwohnten, setzte das Haus die zweite Berathung der Strafgesetznovelle mit der Diskussion über §. 183 fort. Derselbe lautet:

.„Wer durch eine unzüchtige Handlung oder Aeußerung öffent⸗ lich ein Aergerniß giebt, wird mit Gefängniß bis zu zwei Jahren t auch kann auf Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte er⸗ ann erden.

In minder schweren Fällen tritt Geldstrafe bis zu Fünfhundert

Mark ein.“ Bisher waren nur unzüchtige „Handlungen“, nicht „Aeuße⸗ rungen“ strafbar. Hierzu beantragte Abg. Dr. v. Schoarze §. 183 in folgender Fassung anzunehmen: „Wer durch eine unzüchtige Handlung öffentlich ein Aergerniß giebt, wird mit Gefängniß bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bis zu Fünfhundert Mark bestraft. Neben der Gefängnißstrafe kann auf Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte erkannt werden.“ Abg. Dr. Gerhard beantragte, in der Regierungsvorlage die Worte „oder Aeußerung“ zu streichen. Nachdem die Antrag⸗ steller ihre Anträge motivirt hatten, empfahl der Bundeskommissar Geheime Justiz⸗Rath Oehlschläger die Regierungsvorlage zur Annahme, worauf sich Abg. Frhr. v. Maltzahn⸗Gültz für und Abg. Dr. Lasker gegen das Amendement v. Schwarze erklärten.

Das Amendement wurde schließlich angenommen. Auch

§. 200: „Wird wegen einer öffentlich oder durch Verbreitung von Schriften, Darstellungen oder Abbildungen begangenen Belei⸗ digung auf Strafe erkannt, so ist zugleich dem Beleidigten die Befugniß zuzusprechen, die Verurtheilung auf Kosten des Schuldi⸗ gen öffentlich bekannt zu machen. Die Art der Bekanntmachung, sowie die Frist zu derselben, ist in dem Urtheile zu bestimmen.“

§. 208. „Hat der Zweikampf ohne Sekundanten stattgefunden, so kann die verwirkte Strafe bis um die Hälfte, jedoch nicht über

fünfzehn Jahre, erhöht werden.“ .

275, Nr. 2. „Unechtes Stempelpapier, unechte Stempel⸗ marken, Stempelblankette oder Stempelabdrücke für Spielkarten, Pässe oder sonstige Drucksachen oder Schriftstücke, ingleichen wer unechte Post⸗ oder Telegraphen⸗Freimarken oder gestempelteà Brief⸗ converts in der Absicht anfertigt, sie als echt zu verwenden.“

§. 319. „Wird einer der in den §§. 316 und 318 erwähnten Angestellten wegen einer der in den §§. 315 bis 318 bezeichneten Handlungen verurtheilt, so kann derselbe zugleich für unfähig zu einer Beschäftigung im Eisenbahn⸗ oder Telegraphendienste oder in bestimmten Zweigen dieser Dienste erklärt werden;“

und §. 321, welcher lautet:

„Wer vorsätzlich Wasserleitungen, Schleusen, Wehre, Deiche,

Dämme oder andere Wasserbauten oder Brücken, Fähren, Wege

oder Schutzwehre, oder dem Bergwerksbetriebe dienende Vorrich⸗ tungen zur Wasserhaltung, zur Wetterführung oder zum Ein⸗ und Ausfahren der Arbeiter zerstört oder beschädigt, oder in schiff⸗ baren Strömen, Flüssen oder Kanälen das Fahrwasser stört und durch eine dieser Handlungen Gefahr für das Leben’oder die Ge⸗ sundheit Anderer herbeiführt, wird mit Gefängniß nicht unter drei

Monaten bestraft.

Ist durch eine dieser Handlungen eine schwere Körperletzung ver⸗ ursacht worden, so tritt Zuchthausstrafe bis zu fünf Jahten und, wenn der Tod eines Menschen verursacht worden ist, Zuchthaus⸗ strafe nicht unter fünf Jahren ein,“ 1

wurden ohne Debatte genehmigt.

§. 348 lautet: 8

„Ein Beamter, welcher, zur Aufnahme öffentlicher Urkunden befugt, innerhalb seiner Zuständigkeit vorsätzlich eine rechtlich er⸗ hebliche Thatsache falsch beurkundet oder in öffentliche Register oder Bücher falsch einträgt, wird mit Gefängniß nicht unter Einem Monat bestraft. Auch kann auf Verlust der bürgerlichen Ehren⸗ rechte erkannt werden.

War die Handlung geeignet, das Wohl des Deutschen Reichs oder eines Bundesstaats zu gefährden, so kann auf Zuchthaus bis zu fünf Jahren erkannt werden

Dieselben Strafvorschriften finden auch dann Anwendung, wenn ein Beamter eine ihm amtlich anvertraute oder zugängliche U kunde vorsätzlich vernichtet, bei Seite schafft, beschädigt oder verfälscht.“

Derselbe wurde nach einigen Bemerkungen der Abgg. Dr. Lasker und Dr. Reichensperger (Crefeld) gegen die Vorlage, welche von dem Bundeskommissar Wirklichen Geheimen Ober⸗ Regierungs⸗Rath v. Amsberg vertheidigt wurde, abgelehnt.

§. 360 lautet:

3) wer als Ersatzreservist erster Klasse auswandert, ohne von seiner bevorstehenden Auswanderung der Militärbehörde Anzeige erstattet zu haben; 8

.4) wer ohne schriftlichen Auftrag einer Behörde Stempel, Siegel, Stiche, Platten oder andere Formen, welche zur Anfertigung von Metall⸗ oder Papiergeld, oder von solchen Papieren, welche nach §. 149 dem Papiergelde gleichgeachtet werden, oder von Stempelvapier, Stem⸗ pelmarken, Stempelblanketten, Stempelabdrücken, öffentlichen Be⸗ scheinigungen oder Beglaubigungen dienen können, anfertigt oder an einen Anderen als die Behörde verabfolgt;

7) wer unbefugt die Abbildung des Kaiserlichen Wappens oder nr eines Bundesfürsten oder von Landeswappen ge⸗ raucht;

M12) wer als Pfandleiher oder Rückkaufshändler bei Ausübung seines Gewerbes den darüber erlassenen Anordnungen zuwider⸗ handelt.

Hierzu beantragte der Abg. Thilo: Nr. 3 zu fassen:

„Wer als Beurlaubter, Reservist oder Wehrmann der Land⸗ oder Seewehr ohne Erlaubniß auswandert, oder wer als Ersatz⸗ reservist u. s. w.

„Der Abg. Struckmann (Diepholz) sowie der Bundeskom⸗ missar, Wirkl. Geh. Ober⸗Regierungs⸗Rath v. Amsberg, befür⸗ worteten das vom Abg. Thilo motivirte Amendement, welches vom Hause genehmigt wurde.

§. 361, Nr. 6, lautet:

Mit Haft wird bestraft: „eine Weibsperson, welche wegen ge⸗ werbsmäßiger Unzucht einer polizeilichen Aufsicht unterstellt ist, wenn sie den in dieser Hinsicht zur Sicherung der Gesundheit, der öffentlichen Ordnung und des öffentlichen Anstandes erlassenen po⸗ lizeilichen Vorschriften zuwiderhandelt, oder welche, ohne einer solchen Aufsicht unterstellt zu sein, gewerbsmäßig Unzucht treibt.“

§. 363 lautet:

Wer, um Behörden oder Privatpersonen zum Zwecke seines besseren Fortkommens oder des besseren Fortkommens eines Ande⸗ ren zu täuschen, Pässe, Militärabschiede, Wanderbücher oder son⸗ stige Legitimationspapiere, Dienst⸗ oder Arbeitsbücher oder sonstige auf Grund besonderer Vorschriften auszustellende Zeugnisse, sowie Führungs⸗ oder Fähigkeitszeugnisse falsch anfertigt oder verfälscht, oder wissentlich von einer solchen falschen oder verfälschten Urkunde Gebrauch macht, wird mit Haft oder mit Geldstrafe bis zu Ein⸗ hundert und fünfzig Mark bestraft.

8

man diesem Wunsche

ob sie für ihn ausgestellt seien, ch macht, oder welcher solche

für ihn ausgestellte Urkunden einem Anderen zu dem gedachten

Zwecke überläßt.

„§. 366 bestimmt: Mit Geldstrafe bis zu 20 Thalern oder mit Haft bis zu 14 Tagen wird bestraft:

3) wer auf öffentlichen Wegen, Straßen, Plätzen oder Wasser⸗ straßen das Vorbeifahren Anderer muthwillig verhindert; ’.

8) wer nach einer öffentlichen Straße oder Wasserstraße oder nach Orten hinaus, wo Menschen zu verkehren pflegen, Sachen, durch deren Umstürzen oder Herabfallen Jemand beschädigt werden kann, ohne gehörige Befestigung aufstellt oder aufhängt, oder Sachen auf eine Weise ausgießt oder auswirft, daß dadurch Jemand be⸗ schädigt oder verunreinigt werden kann;

9) wer auf öffentlichen Wegen, Straßen, Plätzen oder Wasser⸗ straßen Gegenstände, durch welche der freie Verkehr gehindert wird, aufstellt, hinlegt oder liegen läßt;

10) wer die zur Erhaltung der Sicherheit, Bequemlichkeit, Reinlichkeit und Ruhe auf den öffentlichen Wegen, Straßen, Plätzen oder Wasserstraßen erlassenen Polizeiverordnungen übertritt

Dieselben wurden ohne Debatte genehmigt. 6

5) wer bei der Aufbewahrung oder bei der Beförderung von Giftwaaren, Schießpulver oder Feuerwerken oder bei der Auf⸗ bewahrung, Beförderung, Verausgabung oder Verwendung von Sprengstoffen oder bei Ausübung der Befugniß zur Zubereitung oder Feilhaltung dieser Gegenstände, sowie der Arzneien die des⸗ halb ergangenen Verordnungen nicht befolgt;

8) wer ohne polizeiliche Erlaubniß an bewohnten oder von Menschen besuchten Orten Selbstgeschosse, Schlageisen oder Fuß⸗ angeln legt, oder an solchen Orten mit Feuergewehr oder anderem Schießwerkzeuge schießt oder Feuerwerkskörper abbrennt;

10) wer bei einer Schlägerei, in welche er nicht ohne sein Ver⸗ schulden hineingezogen worden ist, oder bei einem Angriff sich einer Schuß⸗, Stich⸗ oder Hiebwaffe, insbefondere eines Messers, oder eines anderen gefährlichen Werkzeuges bedient.

Hierzu beantragten Abg. Fürst zu Hohenlohe⸗Langenburg, Nr. 10 zu fassen, wie folgt:

Wer bei einer Schlägerei, in welche er nicht ohne sein Ver⸗ schulden hineingezogen worden ist, oder bei einem Angriffe sich einer Waffe, insbesondere eines Messers oder eines anderen gefährlichen Werkzeuges, bedient.

und Abg. Dr. Websky:

In Nr. 5 statt: „Sprengstoffen“ zu Stoffen.“

Der §. 367 wurde mit den nehmigt. §. 369 lautet:

„Mit Geldstrafe bis zu Einhundert Mark oder mit Haft bis zu vier Wochen werden bestraft:

1) Schlosser, welche ohne obrigkeitliche Anweisung oder ohne Genehmigung des Inhabers einer Wohnung Schlüssel zu Zimmern oder Behältnissen in der letzteren anfertigen oder Schlösser an den⸗ selben öffnen, ohne Genehmigung des Hausbesitzers oder seine; Stellvertreters einen Hausschlüssel anfertigen, oder ohne Erlaubniß der Polizeibehörde Nachschlüssel oder Dietriche verabfolgen;

2) Gewerbtreibende, bei denen zum Gebrauche in ihrem Ge⸗ werbe geeignete, mit dem gesetzlichen Eichungsstempel nicht ver⸗ sehene oder unrichtige Maße, Gewichte oder Waagen vorgefunden werden, oder welche sich einer anderen Verletzung der Vorschriften über die Maß⸗ und Gewichtspolizei schuldig machen;

3) G⸗werbtreibende, welche in Feuer arbeiten, wenn sie die Vorschriften nicht befolgen, welche von der Polizeibehörde wegen Anlegung und Verwahrung ihrer Feuerstätten, sowie wegen der Art und der Zeit, sich des Feuers zu bedienen, erlassen sind;

Im Falle der Nr. 2 ist neben der Geldstrafe oder der Haft auf die Einziehung der vorschriftswidrigen Maße, Gewichte, Waa⸗ gen oder sonstigen Meßwerkzeuge zu erkennen.“

Derselbe wurde nach einigen Bemerkungen des Abg. Brock⸗ haus angenommen:

Art. II. §. 92 lautet:

Nr. 4 „Durch die Veröffentlichung von Kundgebungen aus⸗ ländischer Regierungen oder geistiicher Oberen zum Ungehorsam gegen Gesetze oder rechtsgültige Verordnungen oder gegen die von der Obrigkeit innerhalb ihrer Zuständigkeit getroffenen Anord⸗ nungen anffordert oder anreizt, insbesondere, wer in der angegebenen Weise solchen Ungehorsam als etwas Erlaubtes oder Verndienst⸗ liches darstellt.“

Hierzu beantragte der Abg. v. Seydewitz und Genossen, in der Regierungsvorlage die Worte von: „oder anreizt“ bis zum Schlusse zu streichen. Der Abg. Dr. Baumgarten erklärte sich mit dem Gedanken des §. 62 einverstanden, wünschte aber den Wegfall der Schlußworte von „insbesondere“ an und motivirte in längerer Rede, weshalb er im Gegensatz zu dem Amendement Seydewitz die Anreizung zu Ungehorsam ꝛc. strafbar machen wolle. Nachdem der Abg. Freiherr v. Maltzahn⸗Gültz die An⸗ nahme des Amendements Seydewitz empfohlen hatte, wurden die Amendements Seydewitz und Baumgarten angenommen, und darauf §. 62 abgelehnt. 66“

„Wer ein öffeniliches Zeichen der Autorität eines nicht zum Deutschen Reiche gehörenden Staats oder ein Hoheitszeichen eines solchen Staats böswillig wegnimmt, zerstört oder beschädigt oder beschimpfenden Unfug daran verübt, wird mit Geldstrafe bis zu sechshundert Mark oder mit Gefängniß bis zu zwei Jahren be⸗ straft,

wurde ohne Debatte genehmigt.

§. 287a. lautet:

„Wer einen Anderen vom Mitbicten oder Weiterbieten bei einer von einem Beamten vorgenommenen Versteigerung, dieselbe mag Verkaufe, Verpachtungen, Verdingungen, Lieferungen, Unternehmun⸗ gen oder Geschäfte irgend einer Art betreffen, durch Gewalt oder Drohung, durch falsche Vorspiegelungen, durch Versprechen oder Ge⸗ währen eines Vortheils abhält, wird mit Geldstrafe bis zu neun⸗ hundert Mark oder mit Gefängniß bis zu sechs Monaten bestraft.“

Hierzu beantragten Abg. v. Cuny, statt der Worte: „durch Versprechen oder Gewähren eines Vortheils“ zu setzen: „durch ein Geschenk oder durch Versprechen eines Geschenkes“, und die Abgg. Schulze (Guhrau) und Haarmann, die Worte: „durch Versprechen oder Gewährung eines Vortheils“ zu streichen. Nachdem der Abg. Schulze (Guhrau) seinen Antrag motivirt hatte, ergriff beim Schlusse des Blatts der Bundeskommissar, Geheimer Ober⸗Finanz⸗Rath Dr. Michelly das Wort.

Im Jahre 1875 betrugen die Netto⸗Einnahmen des Deutschen Reichs an Zöllen und Verbrauchs⸗ steuern (ausschließlich der Aversen der Zoll⸗Ausschlüsse, aber einschließlich der ausstehenden Kredite) 305,442,414 74 (darunter 65,304,756 Kredite), 3,320,120 25 mehr, als im Jahre 1874. Zu den Summen trugen bei: Zölle 123,111,326 75 (ℳ† 449,706 4 ₰), Rübenzuckersteuer 72,588,726 70 (— 4,525,191 33 J), Salzsteuer 41,454,052 89 (— 687,408 72 J), Tabakssteuer 478,482 (— 363,795 ℳ), Branntweinsteuer 52,160,184 42 (+ 4,616,788 28 J), Brausteuer 15,649,641 98 (— 169,979 2 J).

Es würde für das reisende Publikum zweifellos von Interesse sein, darüber, auf welchen Routen Wagendurchgang, auf welchen Stationen Wagenwechsel stattfindet, in um⸗

sagen: „explodirenden

genannten Amendements ge⸗

Gleiche Strafe trifft Denjenigen, welcher zu demselben Zwecke von solchen für einen Anderen ausgestellten echten Urkunden, als

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zu werden. Als vorzugsweise für diesen Zweck geeignete Stelle empfehlen sich die Plakatfahrpläne. Einige Bahnver⸗ waltungen haben auch diesen Weg bereits betreten, indem sie, wie z. B. die General⸗Direktion der Großherzoglich badischen Verkehrsanstalten, am Kopfe, oder, wie die Königliche Eisenbahn⸗

geringen Raum einnehmende Notiz bringen, auf welchen Rou ten und bei welchen Zügen Durchgangswagen eingestellt sind. Empfiehlt sich diese Art der Bekanntgabe und zwar nach dem Vorbilde der badischen Bahnen am Kopfe des Fahrplans (unter der Ueberschrift) in Bezug auf solche Wagen, welche das Bahn gebiet transitiren oder wenigstens auf Nachbarstrecken übergehen, so fehlt es doch noch an einem geeigneten Mittel, um auch die jenigen Züge allgemein und uüͤbereinstimmend erkennbar zu machen, auf denen innerhalb des Bahngebietes Wagendurchgang stattfindet. In dieser Hinsicht hat das Reichs⸗Eisenbahn⸗ Am: den Eisenbahnverwaltungen empfohlen, in der betreffenden Spalte vor der Abfahrtzeit des Zuges ein Zeichen, etwa in Form eines kleinen lateinischen Kreuzes (†) anzubringen und dasselbe unten in den Bemerkungen des Näheren zu erläutern: „Wagendurchgang“, event. unter Angabe der Orte von bis und der Wagenklassen.

„Es würden sodann derartige Notizen in die Kursbücher übergehen und dadurch allgemein nutzbar werden.

Den für die diesjährige internationale Aus⸗ stellung für Gesundheitspflege und Rettungswesen in Brüssel bestimmten Gütersendungen ist wie in Belgien so auch im Gebiete des Deutschen Reiches Seitens der Eisen⸗ bahnverwaltungen eine Tarifermäßigung von 50 Proz. zugestan⸗ den worden. Diese Vergünstigung kommt nicht nur den im Reichsgebiete zur Aufgabe gelangenden, sondern auch sämmt⸗ lichen durch Deutschland mit der Bestimmung nach Brüssel transitirenden Ausstellungsgütern zustatten.

In den deutschen Münzstätten find bis zum 22. Januar 1876 geprägt: an Goldmünzen: 988,515,080 Doppelkronen, 305,136,230 Kronen; hiervon auf Privat⸗ rechnung: 94,501,915 ℳ; an Silbermünzen: 26,561,185 5⸗Markstücke, 111,867,015 1⸗Markstücke, 13,563,966 50⸗ Pfennigstücke, 20,527,848 40 20⸗Pfennigstücke; an Nickelmünzen: 13,381,695 90 10⸗Pfennigstücke, 7,565,854 85 5⸗Pfennigstücke; an Kupfermünzen: 4,741,212 98 2⸗Pfennigstücke; 2,547,833 54 1⸗Pfennigstücke. Gesammtausprägung: an Goldmünzen: 1,293,651,310 ℳ; an Silbermünzen: 172,520,014 90 ₰; an Rickelmünzen: 20,947,550 75 ₰; an Kupfermünzen: 7,289,046 52 2

Vom 8. bis 15. Januar 1876 hat die Reichsbank an Gold angekauft: In Münzen für 2,342,338 ℳ, in Barren für 494,364 Vom 16. bis 22. Januar 1876 in Münzen für 3,609,739 ℳ, in Barren für 96,758 Vorher seit dem 3. Januar 1876 in Münzen für 1,794,784 Zu⸗ sammen in Münzen für 7,746,861 ℳ, in Barren für 591,122

Der erste Kriminal⸗Senat des Königlichen Ober⸗Tribu⸗ nals verhandelte gestern gegen den ehemaligen Fürstbischof von Breslau, Dr. Heinrich Förster. Derselbe wurde vom Stadt⸗ und Appellationsgericht in Posen wegen Exkommunika⸗ tion des Propstes Kick zu Kähme (Verletzung des Gesetzes vom 12. Mai 1873) zu 2000 Geldbuße event. 260 Tagen Ge⸗ fängniß verurtheilt. Gegen dieses Erkenntneß legte der Ange⸗ klagte die Nichtigkeitsbeschwerde ein. Das Ober⸗Tribunal ver⸗ nichtete die verurtheilenden Erkenntnisse und beschloß, die Ange⸗ legenheit an die zweite Instanz und zwar an das Koͤnigliche Kammergericht zu Berlin nochmals zu verweisen.

Das neueste Justiz⸗Ministerialblatt enthält einen Aussatz:

Gesetzliche Vormundschaft der Verpflegungsanstalt, vom Geheimen Ober⸗Justiz Rath Kurlbaum II.

Der General⸗Lieutenant v. Voigts⸗Rhetz, à la sunite des Königs⸗Grenadier⸗Regiments (2. Westpreußisches) Nr. 7 und Commandeur der 20. Division, ist nach Hannover zurück⸗ gekehrt.

Der General⸗Major v. Ziemietzky, Commandeur der 42. Infanterie⸗Brigade, ist zur Abstattung persönlicher Mel⸗ dungen von Frankfurt a./M. hier eingetroffen.

Aus Cöln, 29. Januar, 6 U. 10 M. Vormittags, wird gemeldet: Die fällige Englische Post, aus London den 28. früh, planmäßig in Cöln um 11 U. 35 M. Abends, ist ausge⸗ blieben. Grund: Entgleisung bei Tirlemont.

Hessen. Darmstadt, 27. Januar. Prinz und Prin⸗ zessin Ludwig sind heute zum Besuche des Großherzoglichen Hofes nach Karlsruhe abgereift.

Lippe. Detmold. 28. Januar. Der Fürst und die Fürstin sind gestern Abend von Karlsruhe hierher zurück⸗ gekehrt.

Hamburg, 27. Januar. Der Senat und der Bürger⸗ ausschuß haben auf eine von der Zoologischen Gesellschaft, dem Naturwissenschaftlichen Verein, der Ethnographischen Gesell⸗ schaft und dem Verein für Kunst und Wissenschaft eingereichte Supplik beschlossen, der Deutschen Zoologischen Station in Neapel eine einmalige Unterstützung von 5000 zu gewähren.

Oesterreich⸗Ungarn. Wien, 28. Januar. In der heutigen Sitzung des Abgeordnetenhauses wurde die Be⸗ rathung über den Antrag Kopps, betreffend die Aufhebung der Kollegiengelder, fortgesetzt. Nach lebhafter Debatte ging das Haus mit großer Majorität über den Antrag zur Tagesordnung

über.

Pest, 28. Januar. Der Zustand Deaks wird jetzt als hoffnungslos angesehen, die behandelnden Aerzte befürchten, daß in jedem Momente der Tod eintreten könne. Die Verwandten und nächststehenden Freunde Deaks sind an dessen Krankenlager gerufen worden.

29. Januar. (W. T. B.) Franz Denak ist in der⸗ verflossenen Nacht gestorben.

Schweiz. Bern, 26. Januar. Plenarsitzung des internationalen Postkongresses wird der „N. Zürchicher Zeitung“ aus Bern berichtet: Nach einläßlicher Berichterstattung und Antragstellung durch die Kommission hat die Konferenz folgende Beschlüsse gefaßt: 1) Für jetzt ist eine Vereinbarung zu treffen nur in Bezug auf den Beitritt Britisch⸗Ostindiens und der fran zösischen Kolonien. Diese Vereinbarung wird nach dem An trag der Kommission unverändert angenommen. Allsseitige Ra tifikation vorausgesetzt, werden demnach Britisch⸗Ostindien u

Ueber die heutige

fassenderem Umfange, als seither, durch hier und da erlassene Bekanntmachungen geschehen, uͤbersichtlich und sicher unterrichtet

die französischen Kolonien vom 1. Juli 1876 an dem Postvere

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Direktion zu Stuttgart, am Fuße der Fahrpläne eine kurze,