Indem die unterzeichneten Behörden das Vorstehende zur Kennt⸗ niß des betheiligten Publikums bringen, knüpfen sie hieran die Bitte um recht genaue Beachtung dieser im Interesse der Haupt und Refi⸗ denzstadt unentbehrlichen Vorschriften.
Getuche, wesche denselben nicht entsprechen, werden ohne Weiteres zurückgegeben werden.
Berlin, den 26. Januar 1876. 6 8
Königliches Polizei⸗Präsidium. 8 von Madai. Magistrat hiesiger Königlichen Haupt⸗ und Residenzstadt. Hobrecht. 8
— In der Generalversammlung der Bremischen Hypotheken⸗ bank vom 5. Februar wurde die Auszahlung einer Dividende von 26 ℳ pro Aktie, d. h. 7 1 0 %, für das Jahr 1875 beschlossen.
— Die Generalversammlung der Chemnitz⸗Aue⸗Adorfer
Eisenbahn hat am 5. d. M. beschlossen, das Aktienkapital durch Kaduzirung von 10,800,000 ℳ Stammaktien zu reduziren und eine Anleibe von 6,000,000 ℳ aufzunehmen. Das Aktenkapital bestand ursprünglich aus 12,675,000 Thlr. und zerfiel in 50,700 Stammaklien à 100 Thlr. und 38,025 Prioritäts⸗Stammaktien à 200 Thlr. Das gesammte Aktienkapital beträgt also nunmehr 9,075,000 Thlr. oder 27,225,000 ℳ
— Der Jahresabschluß der Oldenburgischen Spar⸗ und Leihbank pro 1875 ist, wie die „Berl. Börsen⸗Ztg.“ mittheilt, be⸗ reits fertig gestellt und weist einen Reingewinn von 18 — 19 % des mit 40 % eingezahlten Aktienkapitals von nominell 1,000,000 Thlr. aus. Man wird der Generalversammlung die Vertheilung einer Di⸗ vidende von 14 %, wie im Vorjahre, in Vorschlag bringen.
Wien, 7. Februar. (W. T. B.) Nachdem die Abendblätter Nachrichten von weiter eruirten Unregelmäßigkeiten bei der Prager
“ v11““ “ Filiale der Kreditanstalt und namentlich von Defraud
Geldern gebracht hatten, ließ die Kreditanstalt an der Abendbörse be⸗ kannt machen, daß ihr außer der bereits bekannt gegebenen Schaden⸗ ziffer nichts Weiteres bekannt sei und daß die Meldungen der Abend⸗ blätter daher unrichtig seien.
— Die große Baumwollspinnerei des Mr. J Foy in Bolton, ein vier Stockwerke hohes massives Gebhäude mit 28,000 Spindeln, wurde am 4. d. durch Feuer gänzlich zerstört. Der angerich⸗ tete Schaden im ungefähren Betrage von 30,000 f ist zwar durch Versicherung theilweise gedeckt, aber 120 Arbeiter sind durch das Brandunglück plötzlich beschäftigungslos geworden. 1““
Verkehrs⸗Anstalten.
New⸗York, 7. Februar. (W. T. B.) Der Dampfer des Norddeutschen Lloyd „Donau“ ist hier eingetroffen.
Berlin, den 8. Februar 1876.
Königlich Preußische Lotterie. (Ohne Gewähr.) Bei der heute angefangenen Ziehung der zweiten Klasse der 153. Preußischen Klassenlotterie fielen: 8 v 1 Gewinn à 30,000 ℳ auf Nr. 89,494. Gewinn à 6,000 1 14,810. Gewinneà 1,800 4,701. 14,835. 3 600 4,289. 24,987. 52,787. 300 20,770. 41,960. 43,084. 50,537. 71,952. 94,546.
Welt⸗Ausstellung in Philadelphia. Nach §. XV. des allgemeinen Reglements für ausländische
Aussteller haben diejenigen Aussteller, welche die Empfang⸗ nahme, Installation und Unterhaltung ihrer Ausstellung nicht selbst wahrnehmen wollen, für diese Geschäfte Agenten zu be⸗ stellen, welche zur Ausübung ihrer Funktion des schriftlichen Nachweises darüber bedürfen, daß sie von der unterzeichneten Kommission bestätigt worden sind.
Zur Ausführung dieser Vorschrift ergehen die nachfolgen⸗ den Bestimmungen:
1) Sofern einem Agenten die Bestätigung versagt werden
muß, wird dem Aussteller hiervon mit dem Ersuchen Mittheilung gemacht, einen anderen Agenten zu bestellen. Für die bestätigten Agenten werden Legitimationsscheine ausgefertigt, welche in dem Bureau der Bevollmächtigten der Kommission, 224 South Fourth Street, Phila⸗ delphia, demnächst auch auf dem Ausstellungsplatz, in Empfang genommen werden können. Die Aushändigung erfolgt nur, wenn der betreffende Agent sich über die Identität seiner Person in glaubhafter Weise aus⸗ gewiesen hat. Aussteller, welche ihre Geschäfte selbst wahrzunehmen ge⸗ denken, wollen sich unter Vorzeigung ihrer Zulassungs⸗ Legitimationspapiere auf dem bezeichneten Bureau mel⸗ den, woselbst ihnen die weitere erforderliche Auskunft er⸗ theilt werden wird.
Indem die unterzeichnete Kommission bemerkt, daß nach den für die einzelnen Gebäude ergangenen Spezialreglements alle Ausstellungsgegenstände, zu deren Empfangnahme ordnungs⸗ mäßig legitimirte Personen nicht vorhanden sind, von dem Aus⸗ stellungsplatz entfernt und auf Kosten der Eigenthümer auf Lager gebracht werden, ersucht sie diejenigen Aussteller, welche ohne ihr Interesse selbst wahrnehmen zu wollen, die Bestellung von Vertretern bisher unterlassen haben, ihr baldthunlichst ihre Agenten namhaft zu machen.
Berlin, den 6. Februar 1876.
Die Reic,s⸗Kommission für die Welt⸗Ausstellung in Philadelphia 1876. Dr. Jacobi.
Erklärung. Eiine Stelle in dem 4. Bericht über die „orthographische Kon⸗ ferenz“ — den ich freilich bis jetzt nur aus Nr. 46 der „National⸗ Zeitung“ kenne — nöthigt mich zu einer Einsprache, wobei ich mir nicht verhehle, daß ich sie vielleicht oder vielmehr wahrscheinlich nicht gegen den eigentlichen Bericht, sondern gegen eine Entstellung desselben durch einen Schreib⸗ oder Druckfehler zu erheben habe.
An dem angeführten Ort heißt es nämlich, nachdem im Allge⸗ meinen der Standpunkt der v. Raumerschen Vorlage zu dem Ge⸗ brauch der großen Anfangsbuchstaben im Anlaut der Substantiva und substantivischen Wörter angegeben worden:
Die Konferenz nahm einstimmig diesen Abschnitt der Rau⸗ merschen Vorlage unverändert an.
Wahrscheinlich hat es heißen sollen: „fast einstimmig“, aber so, wie der Satz jetzt da steht, ist er jedenfalls nicht ganz richtig. Wenig⸗ stens ich an meinem Theile habe —, wie sich gewiß alle Diejenigen sagen werden, die mit meinen „Vorschlägen zur Feststellung einer ein⸗ heitlichen Rechtschreibung für All⸗Deutschland“ (Heft 1. 1873, Heft 2. 1874) und mit meinem „orthographischen Wörterbuch“ (Zweite durchgesehene Auflage 1876) bekannt sind, — dem Abschnitt der v. Rau⸗ merschen Vorlage im ganzen Umfange nicht unbedingt zustimmen können und nicht unbedingt zugestimmt.
Es ist hier nicht am Orte und nach den gegrbenen Hinweisen auch nicht nothwendig, auf alle einzelnen Punkte meiner Abweichung von der v. Raumerschen Vorlage näher einzugehen; doch muß ich jedenfalls hervorheben, daß ich wiederholt versucht habe, das nach meiner Ansicht vor der Frage der großen Anfangtbuchstaben zu er⸗ ledigende wichtige Kapitel:
In wie fern Wortverbindungen für einen Begriff getrennt oder
zusammen zu schreiben sind (S. das I. Heft meiner „Vorschläge ꝛc.“ S. 31 —- 145) in der Konferenz zur Sprache zu bringen, z. B. bei der Unterscheidung der mit kleinen Anfangsbuchstaben zu schrei⸗ benden Präposition zufolge von der meiner Ansicht nach getrennt zu schreibenden präpositionsartigen Wortverbindung in Folge. Darauf wurde mir von Prof. v. Raumer entgegnet, daß er allerdings den Versuch gemacht habe, meine erwähnte, in alle Einzelnheiten eingehende und die Frage möglichst erschöpfende Abhand⸗ lung für seine Vorlage in wenige Zeilen zusammenzudrängen, daß er aber, da dieser Versuch ihm nicht gelungen sei, es vorgezogen habe, die Frage ganz unerörtert zu lassen. Und, da auch in der dem Ende zustrebenden Versammlung sich keine Neigung zeigte, neue, eingehende Erörterungen zu beginnen, so war sie in der That hier damit abgethan. Zwar machte ich später noch einen Versuch, sie wieder aufs Tapet zu bringen, bei dem Vorschlage, das Adjektiv theil⸗ nehmend als ein Wort mit kleinem Anfangsbuchstaben, dagegen getrennt zu schreiben: woran Theil (z. B. auch: vielen oder großen oder innigen ꝛc. Theil) nehmen [wie Antheil]; er nimmt Theil daran ꝛc. Aber ohne ein tieferes Eingehen auf das Einzelne der Frage wurde hier von der Mehrheit nur beschlossen, man habe zu schreiben: „teilnehmen, er nimmt teil ꝛc.“, aber: „Anteil nehmen, er nimmt Anteil“, mit der Begründung, daß es zwar heiße: innigen Antheil, aber nur: innig Theil an Etwas nehmen.
Gegen diese Begründung begnüge ich mich hier, darauf hinzu⸗ weisen, daß z. B. Adelungs und Campe's Wörterbücher aufführen: „vielen, großen Theil an eines Anderen Glück, Freud, Unglück, Kummer ac. nehmen“ und daß, wie in meinem „Wörter⸗ buch der deutschen Sprache“ belegt ist, auch z. B. Goethe schreibt:
„Er tkann nicht freien Theil an eines Andern Exinenz nehmen, weil er sein eigenes Bestreben so eingeengt fühlt ꝛc.“ Außerdem bedarf es wohl kaum der Bemerkung, daß eine so willkürliche und schwankende Bestimmung über die Schreib⸗ weise der sogenannten verbalen Ausdrücke schwerlich als eine sichere Feststellung des künftigen Schreibgebrauches bezeichnet werden kann. Doch darüber kann ich hier weggehen, wo es mir zunächst nur darauf ankommt, die Angabe zu berichtigen, daß die Konferenz den betreffen⸗ den Abschnitt der Raumerschen Vorlage einstimmig unverändert angenommen habe.
Alttjstrelitz, den 29. Januar 1876.
8 Dr. Daniel Sanders.
Erwiederung.
Das Wort „einstimmig“ ist allerdings in dem Proto⸗ kolle der fünften Sitzung am 7. Januar, in welcher der Gegen⸗ stand verhandelt wurde, nicht angewendet. Da aber das Proto⸗ koll nur Anträge auf Zusätze, nicht auf Aenderungen enthält und zu dem Beschlusse der Annahme keine Bemerkung über das Stimmenverhältniß beigefügt ist, welche somit nicht fehlt, so er⸗ schien es unbedenklich, in dem Auszuge aus dem Protokolle den Beschluß als einstimmig zu bezeichnen. Die obige Erklärung würde vermieden worden sein, wenn Herr Sanders in der sechsten Sitzung bei der Verlesung des Protokolles der fünften Sitzung die Erwähnung seiner abweichenden Abstimmung ge⸗ fordert hätte.
Die Bonin⸗Inseln. Die Gerüchte über eine mögliche Annexion der östlich von Japan belegenen Bonin⸗Inseln von Seiten Englands haben sich nicht bestätigt. Die Japaner scheinen vielmehr die Administration der Inselgruppe wieder in die Hand nehmen und einen mehr oder weniger geregelten Zustand dort herbeiführen zu wollen.
Die Gesammtbevölkerung der Inseln besteht aus einigen 60 gänzlich ungebildeten und mittellosen Personen, darunter ein Deutscher, ehemaliger Matrose, ein Russe, zwei Bermuda⸗Eng⸗ länder, mehrere Amerikaner und eine größere Anzahl Japaner, Schwarze, Chinesen und Südsee⸗Insulaner. Der Amerikaner Pease, sowie ein Engländer Spencer, die nach einander auf der Hauptinsel das Regiment führten und unbe⸗ liebt waren, sind auf nicht ganz aufgeklärte Weise verschwunden und höchst wahrscheinlich ermordet worden.
Port Lloyd besitzt nicht, wie man behauptet hat, einen sicheren Hafen, sondern eine gegen S. W. offene Rhede mit 24 bis 30 Faden Wassertiefe, die nur etwa für Wallfischfänger ge⸗ legentlich einen leidlichen Ankerplatz bietet.
Die Inseln erzeugen allerlei Früchte und besitzen guten Boden, haben aber im Uebrigen für einen etwaigen fremden Besitzer äußerst geringen Werth, weil gute Häfen und geschützte Ankerplätze in der That nicht vorhanden sein sollen.
Vom Kunstmarkt. In der 183. Lepke'schen Kunstauktion, die am Müttwoch, 9. Februar, Vormittags von 10—2 Uhr, Unter den Linden 78, stattfindet, gelangt die von dem Baron von Gröditz⸗ berg hinterlassene Sammlung älterer sowohl als moderner Gemälde zur öffentlichen Versteigerung. Aus 82 Nummern bestehend, empfiehlt sich dieselbe ebenso durch die Abwesenheit gänzlich werthloser Stücke wie durch eine Reihe anziehender Arbeiten von nicht geringem künst⸗ lerischem Werth. Unter ihnen ist an erster Stelle eine große Gebirgslandschaft mit Wasserfall von Aldert van Ever⸗ Lingen und ein ganz vorzügliches Knierück zweier Damen von Tischbein zu nennen. Daneben verdient namentlich noch eine dem Aart van der Neer zugeschriebene Moöndschein⸗ landschaft und ein großes Stillleben von F. W. Tamm hervor⸗ gehoben zu werden. Auch die dem Carl Vanloo, dem W. van de Velde, dem Hobbema u. A. zugeschriebenen Stücke, sowie verschiedene moderne Bilder sind nicht ohne künstlerisches Interesse. Von C. W. E. Dietrich, der mit einer Reihe trefflich erhaltener kleinerer Bilder im Charakter verschiedener Meister vertreten ist, rühren wohl auch die beiden mit dem Namen des Watteau bezeichneten Einzelfigu⸗ ren, ein Tänzer und eine Lautenspielerin, her, während ein anderes, recht delikates Bild im Geschmack dieses Meisters (Nr. 45 des Ka⸗ talogs) französischen Ursprungs zu sein scheint. Unter den unbezeich⸗ neten Stücken macht sich besonders ein lebensgroßes Brustbild eines „Kna⸗ ben mit Hut“ und ein anderes größeres Porträtstück, eine holläadische Familie in einer Landschaft, sowie das Pastellbild der Herzogin von York bemerkbar. Zum Schluß ist endlich noch einer Anzahl tüchtiger Kopien nach Correggio, Carlo Dolce, Guido Remi, Remoörandt, Mengs und besonders nab Raphael zu gedenken. Die „Madonna Colonna“, die von Boese gemalte Kopie des Brustbildes des Agnolo Doni und die von G. v. Kügelchen herrührenden Kopien der Sigxti⸗ nischen Madonna (Kniestück) und der beiden Engel desselben Bildes mögen unter ihnen als besonders verdienstliche Arbeiten erwähnt sein.
Ueber den furchtbaren Orkan, welcher am Mittwoch in Nord⸗ amerika an der Küste des Atlantischen Ozeans wüthete, melden Kabeldepeschen weitere Einzelheiten. Der Wind erreichte aus dem Nordosten eine Geschwindigkeit von 70 englischen Meilen per Stunde. Aus allen Gegenden kommen Berichte über entdachte und demolirte Gebäude. In Cohoes, New⸗York, wurde ein 225 Fuß hoher Kirchthurm niedergeweht und die Trümmer versperrten die Eisenbahn. Eine theilweise vollendete katholische Kirche in Woon⸗ socket, Rhode Island, fiel gänzlich der Zerstörung an⸗ heim. Der Thurm der Universalistentiriche in Welbster, Massachusetts wurde demolirt. In Wasfhington wurde der 230 Fuß hohe Thurm der Metropolitan⸗Methodistenkirche mehrere Fuß aus dem Lothrecht geweht und schwankte stundenlang hin und her. Seine Schwingungen wurden von großen Menschenmassen be⸗ obachtet. In Fredericksburg, Virginia, wurde der Giebel der Episkopalkirche niedergeweht, und in seinem Falle zertrümmerte er ein anstoßendes Gebäude. Viele Schiffe strandeten längs der Küste. Der Orkan dehnte sich ostwärts nach Nova Scotia, südwärts bis Hatteras und westwärts nach Detroit aus.
Am 31. Januar wurde, der „N. Zürch. Ztg.“ zufolge, von einer Engländerin, Miß Straton, mit zwei Führern und einem Gepäck⸗ träger aus Chamounix, der Montblanc zum ersten Male in diesem Jahre glücklich erstiegen. Bei der am 1. Februar erfolgten Rückkehr wurde der kleinen und unerschrockenen Karawane eine wahre Ovation zu Theil.
Der am letzten Sonntag im Mikroskopischen Aquarium gehaltene Vortrag über die lebende Welt der Thiergarten⸗ gewässer zeichnete sich vor allen bisherigen durch die Zahl der bild⸗
8
lichen Darstellungen, wie durch die Mannigfaltigkeit der vargestellten Thierformen aus. Bei 400 facher Vergrößerung erschien zunächst eine Wanze von 6 Fuß Länge als Maßmab, ebenso Ameisen und die Theile der Stubenfliege, Flügel, Klauen, Saugrüssel, Auge und endlich die im Wasser lebende Larve, welche somit den Uebecgang zur Wasserwelt bildete. Unter steter Erörterung des den verschiedenen
Thierklassen eigenthümlichen Baues wurden noch mehrere Insekten⸗
larven, ferner die Wasserspringer, Wasserflöhe, Schnecken, Würmer u. s. f. vorgezeigt, welche alle in voller Beweglichkeit sich auf der Leinwand darstellten. Den Glanzpunkt bildeten die Polypen mit den nach allen Seiten sich streckenden gifthaltigen Armen und 2 Gruppen von Infusorien, die sich in dichtem Gewimmel durch einander be⸗ wegten. Diese so lehrreichen wie unterhaltenden Vorträge werden
in den nächsten Wochen, mit Ausnahme des Dienstags und Freitags,
täglich wiederholt, worauf wir hiermit hinweisen.
Theater.
„Ihre Königliche Hoheit die Landgräfin von Hessen und Se. Königliche Hoheit der Prinz Carl von Preußen besuchten am vergan⸗ genen Sonnabend die Vorstellung der „Reise um die Welt in 80 Tagen“ im Victoriatheater.
— Das Gastspiel des Hrn. Max Loewenfeld im Wallner⸗ Theater wird am nächsten Sonnabend mit dem „Königslieutenant“ sein Ende erreichen.
„— Von hbesonderem Interesse verspricht das Gastspiel de Bon⸗ vivants und Charakterkomikers Tewele am Stadttheater zu werden. Hr. Tewele, in Wien als Nachfolger Anton Aschers geschätzt und beliebt, wird die Hauptrolle in dem Lustspiel „Die Frau ist zu schön“ im März hier kreiren und dazu auch in dem neuesten Bauernfeldschen Schwank „Die reiche Erbin“ mitwirken.
— Am 3. Februar Morgens starb in Frankfurt a. M. nach
längerer Krankheit Hr. Samuel Friedrich Hassel, Ehrenmitglied des - he Der Verstorbene, welcher auch in Süddeutschland durch seine Gastspiele bekannt war, hat am 13. August 1821 zum ersten Mal, am 26. März 1866 zum letzten Mal
des dortigen Stadttheaters.
den „Bürgerkapitän“ in der gleichnamigen Frankfurter Lokalposse
auf dem Theater gespielt und dieselbe Rolle noch am 31. Oktober
1875 in einer Matinée zu einem wohlthätigen Zweck gegeben.
— Fanny Janauschek, die deutsch⸗amerikanische Tragödin, welche kürzlich von einer erfolgreichen Kunstreise in Australien nach Europa zurückgekehrt ist, wird Anfangs Februar im Haymarket⸗ Theater zu London ein Gaftspiel geben.
“
Konzerte. 1“
Um dem Publikum der Friedrichstadt neben den guten Leistungen
einer vortrefflich geschulten Kapelle von 40 Mitgliedern unter Leitung des Hrn. Musikdirektor H. Fliege auch vokale Genüsse zu bieten, finden im Saale des Konzertgartens (Friedrichstraße 218) an jedem Mittwoch Solisten⸗Konzerte statt, an welchen sich die hervorragendsten Mitglieder der Kapelle: Hr. Gariège (I. Violine) Hr. Unger (Föte), Hr. Meyer (Cornet à Piston), Hr. Schröder (Cello), Hr. Tannhäuser (Zither), betheiligen. Hr. Angyalfi, welcher als Baritonist über eine bedeutende Stimme gebietet, hat es verstanden, sehr bald die Gunst des Publikums zu gewinnen, und wird durch die sympathische Stimme des Frl. Engel wirksam unterstützt. Die Freitags⸗Sinfonie⸗Konzerte des Hrn. Musik⸗ direktor H Fliege haben allmählich ein gewähltes Publikum heran⸗ gezogen und auch in mustkalischen Fachkreisen Anerkennung ge⸗ funden. — Augenblicklich fesselt die Gastvorstellung der Nord⸗ deutschen Quartett⸗ und Konzert⸗Sänger⸗Gesellschaft, deren Engagement für 14 Vorstellungen gelungen ist, die Aufmerk⸗ samkeit des Pablikums in erhöhtem Maße. Der Tenorist derselben, Hr. Buchmann, ist ein Talent von hervorragender Bedeutung.
„— Der Cirkus Renz wird im Frühjahr der Stadteisenbahn weichen. Die Direktion der letzteren hat bereits Offerten auf den Abbruch des Cirkus ausgeschrieben.
Eingegangene literarische Neuigkeiten.
Statistik des Deutschen Reichs. Herausgegeben vom Kaiserlichen statistischen Amt. Band XVIII., Abth. 1. Sta⸗ tistik der Seeschiffahrt. 1. Abtheilung, enthaltend den Nachweis der im Jahre 1874 als verunglückt angezeigten deutschen Seeschiffe, den Bestand der deutschen Kauffahrteischiffe am 1. Januar 1875 und die Bestandesveränderungen vom 1. Januar 1874 bis 1. Januar 1875, sowie die Schiffsunfälle an der deutschen Küste im Jahre 1874. Berlin, 1876. Verlag des Königlich statistischen Bureaus (Dr. Engel).
Vierteljahrshefte zur Statistik des Deutschen Reichs für das Jahr 1875. Herausgegeben vom Kaiferlichen sta⸗ tistischen Amt. III. Jahrgang, 4. Heft, erste Abtheilung. (Band XIV., Heft 4, Abtheilung 1 der Statistik des Deutschen Reichs.) 1876. Verlag des Königlich statistischen Bureaus (Dr.
ngel).
Die Militärgesetze des Deutschen Reiches mit Er⸗ läuterungen, herausgegeben auf Veranlassung des Königl. Preuß. Kriegs⸗Ministeriums. 1. Lieferung (Geschichtlicher Ueberblick, Reichs⸗ verfassung). Berlin 1876. E. S. Mittler & Sohn.
Jahrbücher für die deutsche Armee und Marine. Verantwortlich redigirt von G. v. Marées, Major. Band XVIII. Heft 2. Nr. 53. Februar 1876. Berlin, F. Schneider & Co.
Jahrbücher und Jahresbericht des Vereins für mecklen⸗ burgische Geschichten und Alterthumskunde, herausgegeben von G. C. F. Lisch und W. G. Beyer, Sekretäre des Vereins. 40. Jahr⸗ gang. Schwerin 1875.
Die drei Grundfragen der Organisation des Straf⸗ gerichts. Für Juristen und Nichtjuristen gestellt und beantwortet von Dr. Karl Binding, ord. Prof. d. Rechte in Leipzig. Leipzig, Wilhelm Engelmann. 1876.
Reden und Aufsätze von Gustav Rümelin, Kanzler der he Tübingen. Tübingen. 1875. H. Lauppsche Buch⸗ andlung.
DOas Bank⸗Geschäft nach Einführung der Mark.Rechnung. Ein Handbuch für Kaufleute, Kapitalisten und Handelsschüler u. s. w. von B. Gerothwohl (Angestellter der deutschen Effekten⸗ und Wechsel⸗Bank in Frankfurt a. M.) Frankfurt a. M. Jägersche Buchhandlung. 1875.
Neue Monatshefte für Dichtkunst und Kritik. Her⸗ ausgegeben von Oskar Blumenthal. III. Band. 1. Heft. Leipzig. Ernst Julius Günther. 1876.
Berlin: Redacteur: F. Prehm.
Vier Beilagen 4 (einschließlich Börsen⸗Beilage).
Verlag der Expedition (Kessel). Druck W. Elsner.
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Nr. 1 des „Ministerial⸗Blatts für die gesammte innere Verwaltung in den Königlich preußischen Staaten“, herausgegeben im Bureau des Ministeriums des Innern, hat folgenden Inhalt: Erlaß, die Benutzung archivalischer Dokumente zu wissenschaftlichen Zwecken betreffend, vom 9. Januar 1876. — Erlaß, die Unzulässigkeit der Gewährung von Tacegeldern an Mit⸗ glieder der Verwaltungsgerichte, welche ihren Wohnort am Sitze des Gerichts haben, betreffend, vom 27. November 1875. — Erlaß, die Verrechnung der in Angelegenheiten der Verwaltungsgerichte und des Verwaltungs⸗Streitverfahrens entstehenden Einnahmen und Ausgaben zur Staatskasse betreffend, vom 27. November 1874. — Cirkular, die Beurkundung von Sterbefällen auf Marineschiffen betreffend, vom 3. Dezember 1875. — Cirkular, das Uebereinkommen des Deutschen Reiches mit dem Königreiche Belgien wegen Verheirathung der betreffenden Staatsangehörigen in dem anderen Londe betreffend, vom 30. November 1875. — Erlaß, das Verfahren behufs Wiederherstellung vernichteter Akten und Register eines Standesamts betreffend, vom 15. Januar 1876. — Ver⸗ fügung, die Anstellung von Unteroffizieren mit neunjähriger aktiver Mili⸗ tärdienstzeit in der Schutzmannschaft betreffend, vom 31. Oktober 1876. — Cirkular, die Kosten der zu den Rendanturgeschäften der Amtsblatts⸗ Verwaltung erforderlichen Formulare und Schreibmaterialien betreffend, vom 9. November 1875. — Bescheid, die Liquidirung von Reisekosten Seitens der Medizinalbeamten betreffend, vom 21. ezember 1875. — Cirkular, die polizeilichen Meldungen der Medizinal⸗ und Veterinär⸗ personen betreffend, vom 11. Dezember 1875. — Verfügung, die Be⸗ fugniß der Kriegervereine bei Leichenbegängnissen von Kameraden in der ihnen gestatteten Ausrüstung und Bewaffnung zu er⸗ scheinen betreffend, vom 19. November 1875. — Cirkular, die Kosten für Anschaffung von Bruchbändern und Brillen für Strafgefangene betreffend, vom 13. Dezember 1875. — Cirkular, die Ausführung des Gesetzes vom 26. Juni c., die Berich⸗ tigung des Grundsteuerkatasters und der Grundbücher bei Auseinander⸗ setzungen vor Bestätigung des Rezesses betreffend, vom 17. Juli 1875. — Allerhöchste Kabinets⸗Ordre, die deutsche Wehrordnung betreffend, vom 28. September 1875, — Verfügung, die Kosten für Druck⸗For⸗ mulare nach der neuen Wehrordnung betreffend, vom 21. November 1875. — Cirkular, die Einstellung militärpflichtiger in einer Deten⸗ tions⸗Anstalt befindlicher Personen in das stehende Heer betreffend, vom 3. Dezember 1875.
Neichstags⸗Angelegenheiten.
Berlin, 8. Februar. In der gestrigen Sitzung des Deutschen Reichstags ergriff in der Diskussion über die Erwerbung des Krollschen Etablissements zum Zweck der Errichtung des Reichstagsgebäudes der Bundesbevollmäch⸗ tigte Präsident des Reichskanzler⸗-Amts Staats⸗Minister Dr. Delbrück nach dem Abg. Dr. Reichensperger das Wort:
Meine Herren! Ich nehme jetzt nur zu dem Zwecke das Wort, um Sie, entgegen dem Herrn Vorredner, zu bitten, denj nigen Theil des Antrags des Herrn Abgeordneten für Dortmund, welcher den Reichs⸗ tag auffordert, an dem im Jahre 1874 gefaßten Beschlusse festzuhalten, abzulehnen. Ich glaube zunächst und zwar namentlich auch mit Rück⸗ sicht auf Aeußerungen des Herrn Vorredners, die Thatsachen kurz ins Gedächtniß rufen zu dürfen.
Der Reichstag hat den Beschluß, um welchen es sich hier handelt, am 25. Februar 1874 gefaßt; er wurde dem Reichskanzler⸗Amte von Ihrem Herrn Präsidenten am folgenden Tage mitgetheilt, und am 28. Fe⸗ bruar richtete das Reichskanzler⸗Amt an das Königlich preußische Staats⸗Ministerium die Frage, ob es geneigt sein würde, das in dem Beschlusse im Allgemeinen bezeichnete Grundstück für den bezeichneten Zweck abzutreten. Es mußte in diesem Schreiben ausdrücklich be⸗ merkt werden, daß das Reichskanzler⸗Amt nicht in der Lage sei, eine spezielle Bezeichnung dessen, was zu dem Zwecke erforderlich sei, zu geben. Das Reichskanzler⸗Amt konnte sich nur darauf beschränken, hinzuweisen auf die Ausführungen, welche der Herr Abgeordnete, der soeben die Tribüne verlassen hat, damals zur Moti⸗ virung dieses Beschlusses gemacht hatte. Bei dieser Unbestimmtheit und bei der Betheiligung sehr verschiedener preußischer Ressorts an der Sache schloß das an das Königlich preußische Staats⸗Ministerium gerichtete Schreiben mit dem Ersuchen, eine kommissarische Verhand⸗
lung über die Sache mit dem Reichskanzler⸗Amte einzuleiten. Diesem Ersuchen wurde entsprochen; am 11. März fand eine kommissarische Verhandlung statt, und das Ergebniß dieser Verhandlung wurde dem Königlich preußischen Staats⸗Ministerium am 13. März mitgetheilt. Am 5. April erfolgte darauf eine Antwort, welche den Herren aus dem Berichte Ihrer Kommission vom 23. April bekannt ist. Die
Antwort, welche ziemlich lang ist, schloß mit folgenden Sätzen:
Unter diesen Umständen wird es gerechtfertigt erscheinen, wenn die preußische Staatsregierung vor Abgabe einer definitiven Er⸗ klärung einer bestimmten Bezeichnung des Umfangs und der Be⸗ grenzung des Terrains entgegensieht, welches fuͤr die Errichtung des Reichstagsgebäudes in Anspruch genommen werden soll. Zugleich habe ich dem Wunsche Ausdruck zu geben, daß die Entschließung der Reichsvertretung, ob und in welcher Weise dem angeregten Projekt weitere Folge gegeben werden soll, mit Rücksicht auf die vorerwähnten dringlichen Interessen der diesseitigen Verwaltung bal⸗ digst herbeigeführt werde. b 8
Es blieb nunmehr dem Reichskanzler⸗Amt nur übrig, von dieser Mittheilung sowohl Ihrem Herrn Präsidenten Kenntniß zu geben, als auch der inzwischen niedergesetzten und zusammengetretenen Kom⸗
nission und der letzteren anheimzugeben, eine bestimmtere Bezeichnung des Terrains herbeizuführen. Der Bericht der Kommission liegt Ihnen vor; er trägt das Datum des 23. April; er ging beim Reichs⸗ kanzler⸗Amte ein am 25. April und ist an demselben Tage dem Herrn Präfi⸗ denten des Hauses mitgetheilt worden. Indessen — es fand der Schluß des Reichstages entweder an demselben Tage oder am folgenden Tage statt; ich weiß das nicht mehr genau — genug: der Bericht konnte auf ie Tagesordnung des Hauses nicht mehr gesetzt werden.
Nug kam die Session 1874/1875. In dieser Session wurde der Gegenstand von keiner Seite wieder angeregt, mit einer einzigen Ausnahme, auf die ich kommen werde. Der Bericht Ihrer Kom⸗ mission, dessen ich erwähnte, hat zwar, wie der Herr Abgeordnete für Dortmund schon neulich bemerkt hat, keine Nummer; indessen würde dieser Umstand, daß er keine Nummer hatte, also durch das heilige Thor des Journals noch nicht passirt war, doch, wie ich glaube, an sich noch
ein Hinderniß gewesen sein, wenn sonst die Neigung des Hauses vor⸗
handen gewesen wäre, diesen Bericht auf die Tagesordnung zu setzen; es hätte, glaube ich, einem jeden Mitgliede freigestanden, dies zu be⸗ antragen, und ich glaube, daß kein formelles Hinderniß entgegenge⸗ standen haͤtte, trotz des Fehlens der Nummer, ihn zur Diskussion zu stellen. Nur beiläufig wurde die Frage des Reich tagsgebäudes erwähnt bei der zweiten Berathung des Gesetzentwurfs über Erwer⸗ bung des Radziwillschen Grundstücks. Drei der Herren Mitglieder dieses Hauses haben damals diese Frage berührt. Der Herr Ab⸗ geordnete für Meiningen bemerkte: . 1
Die Session geht ihrem Ende entgegen, und es geschieht nichts, nachdem wir die unausführbaren Beschlüsse der vorjährigen Session gefaßt haben, um eine Reviston derselben eintreten zu lassen, oder die Sache 5 “
— d. h. den Reichstagsbau — b 1 überhaupt zu irgend einem Ausgang zu führen.
Berlin, Dienstag, den 8. Februar
Unmittelbar nach ihm ergriff der Herr Abgeordnete für Meppen, der ja jedenfalls dem Ursprunge des damals gefaßten Beschlusses sehr nahe steht, das Wort. Er bemerkte:
Mein Motiv, für den Ankauf dieses Grundstückes zu stimmen
(nämlich des Radziwillschen Palais’,
liegt wesentlich darin, daß, wenn der vom Reichztag früher be⸗ schlossene Platz für das Reichstagsgebäude wirklich aufgegeben werden sollte oder muͤßte, was ich dahingestellt sein lasse, mir kein Platz für das Reichstagsgebäude gecigneter erscheint, als der, welchen diese Grundstücke einnehmen.
Endlich hat der Herr Argeordnete für den fünften Berliner Wahl⸗ bezirk noch die Frage berührt, nur um seine Ansicht dahin auszu⸗ sprechen, daß die Session (es war etwa 14 Tage vor dem Schluß) schon zu weit vorgerückt sei, um die Sache noch zu diskutiren.
Also, meine Herren, bei der eben bezeichneten Gelegenheit wurde von einem Mitgliede des Hauses der früher gefaßte Beschluß des Hauses bestimmt als unausführbar bezeichnet. Weit entfernt davon, daß diesem Ausspruch von irgend einer Seite widersprochen wurde, bemerkte der Herr Abgeordnete für Meppen mit der ihm eigenen Reserve, er müsse es dahin gestellt sein lassen, ob der Be⸗ schluß unausführbar sei; er trat aber keineswegs für seine Ausführ⸗ barkeit ein Die Stellung des Herrn Abgeordneten für den fünften Berliner Wahlbezirk zu der Sache ist bekannt, er plaidirte gewiß nicht dafür. Also, meine Herren, wie war am Schluß der Session 1874/,75 die Sachlage? Der Bericht Ihrer Kommission, welche den damals gefaßten Beschluß als nicht angemessen bezeichnet, lag vor; von keiner Seite war der Antrag gestellt, daß dieser Bericht im Hause zur Diskussion gestellt werden sollte; bei der einzizen Gelegenheit, wo die Parlamentshaus⸗ frage erörtert worden ist, wurde der früher gefaßte Entschluß für un⸗ ausführbar erachtet, ohne daß Jemand Widerspruch erhob. Meine Herren! Sie müssen es verzeihen, wenn wir aus diesem Gange der Dinge unsererseits die Anschauung gewonnen haben, der Reichs⸗ tag hat im Jahre 1874 einen Beschluß gefaßt; es der Bericht erfolgt, welcher die dagegen sprechenden Gründe aus⸗ führt; der Reichstag kommt nicht auf den Gegenstand zurück, er ist also in seiner Mehrheit wohl an der früher gefaßten Ueberzeugung auf Grund dessen, was dazwischen liegt, irre geworden. Wenn wir diese Konklusion gezogen haben und wenn insbesondere die Königlich preußische Regierung diese Konklusion gezogen hat, so wird man ihr, glaute ich, einen Mangel an Rücksicht auf den Reichstag, Mangel an Loyalität, gewiß nicht vorwerfen, wenn sie demnächst, nachdem die Session 1874,75 des Reichstages geschlossen war, ihrem Landtage eine Vorlage machte und mit demselben in Verhandlung trat über eine Vorlage, welche die Voraussetzung hatte, daß das Reichstagsgebäude auf dem Terrain, welches hier in Frage steht, nicht errichtet werden soll. In⸗ wieweit die Königlich preußische Regierung in der Lage ist, von diesem Beschluß wieder abzugehen, kann ich natürlich nicht wissen; möchte aber bezweifeln, daß die Regierung oder der preußische Land⸗ tag eine besondere Neigung dazu haben werde.
Nun, meine Herren, möchte ich noch beiläufig auch zur Richtig⸗ stellung der Thatsachen auf noch einige wenige Aeußerungen des Herrn Vorredners eingehen. Er hat im Anschluß an eine frühere Aeußerunz des Herrn Abgeordneten für Magdeburg von den exorbitanten Forde⸗ rungen gesprochen, welche die preußische Regierung für den Krollschen Platz gestellt habe. Ich habe hier ausdrücklich zu konstatiren, daß die Königlich preußische Regierung eine Forderung in Bezug auf den Platz des Krollschen Terrains gar nicht gestellt hat. Es kam damals, zur Zeit, als die Zahlen, von denen hier die Rede ist, ent⸗ standen, darauf an, verschiedene Kombinationen in ihrem finanziellen Effekt gegen einander abzuwägen. Damals ist auf Veranlassung des Reichskanzler Amts durch Organe der preußischen Regierung eine Taxe aufgenommen worden des Krollschen Terrains wie des Ra⸗ czynski'schen Terrains, mit dem, was drum und dran hängt, und ich glaube auch noch einiger anderen Grundstücke. Diese Taxen sind einfach mitgetheilt. Die preußische Regierung war gar nicht in der Lage, damals eine Forderung zu stellen, weil sie Seitens des Reichs gar keine Aufforderung erhalten hatte, über diesen oder jenen Platz in Unterhandlungen zu treten; es war das ein Ma⸗ terial, welches für die damaligen Bewegungen aufgestellt und der da⸗ maligen Kommission mitgetheilt wurde.
Ich habe ferner nicht den Beruf, di⸗ Kommission, welche den Bericht vom 23. April 1874 erstattete, hier zu vertreten, indessen möchte ich zur Richtigstellung der Thatsachen doch eins bemerken. Der Herr Vorredner hat hervorgehoben, daß die drei Architekten, von denen das technische Gutachten ausgegan⸗ gen ist, nicht ganz vorurtheilsfrei zu dieser Frage ge⸗ standen hätten, weil sie es gewesen wären, welche die Pläne für die von der preußischen Regierung zu errichtenden Gebäude zu bearbeiten hatten. Dem muß ich entschieden widersprechen. Hr. Hitzig, der eine dieser Architekten, hatfe mit der Sache gar nichts zu thun, Hr. Ende, der andere, hatte mit der Sache eben so viel zu thun wie Hr. Hitzig, d. h. auch gar nichts, und der dritte, Hr. Lucä, ist erst zu der Ent⸗ werfung der Pläne hinzugezogen worden, als die Verhandlungen zu Ende waren und der Beschluß, dort eine Gewerbe⸗Akademie zu er⸗ richten, feststand; an den Plänen für das Gewerbe⸗Museum hat Hr. Lucä nicht mitgearbeitet.
Meine Herren, ich möchte im allseitigen Interesse dringend wün⸗ schen, daß der Reichstag nicht einen Beschluß fasse, welcher mit Rück⸗ sicht auf das, was die preußische Regierung im Einverständniß mit ihrer Legislatur festgestellt hat, in eine Kollision tritt. Ich glaube, daß es im allseitigen Interesse liegt, Fragen, wo solche Kollisionen hervortreten, wo es sich nicht mehr um Absichten einer Regierung allein handelt, sondern wo die Landesvertretungen bereits mitgesprochen haben, möglichst fern zu halten.
Nach dem Abg. Dr. Lucius nahm der Bundesbevollmächtigte
Dr. Achenbach das Wort: 8
Meine Herren! Ich habe schon in der letzten Sitzung den Stand⸗ punkt der verbündeten Regierungen bei dieser Frage erläutert und ich bin deshalb heute in der Lage, mich kurz zu fassen. Einige der Aeußerungen des Herrn Vorredners nöthigen mich überhaupt nur dazu, noch einmal das Wort zu ergreifen. 3 .
Zunächst muß ich dem Herrn Vorredner bemerken, daß es sich hier keineswegs um einen Antrag, wie er hervorhob, der preußischen Regierung handelt, sondern es ist ein Antrag des Bundesraths an dieses hohe Haus gelangt, um über die Errichtung des Reichstagsgebäudes auf dem Krollschen Platze zu beschließen. Die preußische Regierung hält allerdings speziell ihrerseits auch jetzt noch daran fest, daß dieser Plat sich am meisten eigne, und ich habe die Gründe daßür ange⸗ eben. 8 Ich muß auch besonders betonen, daß, wenn der hohe Reichstag den Antrag der preußischen Regierung, den sie bei dem Bundesrathe ge⸗ stellt und den der Bundesrath zu dem seinigen gemacht hat, annimmt, keineswegs in der Weise ein bindender Beschluß vorliegen würde, daß nicht der Reichstag in eine Revision dieser Frage eintreten könnte; denn das, was auf Grund der Verhandlungen über die Erwerbung des Krollschen Lokals etwa von Seiten des Herrn Reichskanzlers ge⸗ schehen möchte, unterliegt ja der späteren Prüfung und Genehmigung des Reichstages selbst. 8
Mein Herren, es ist in der heutigen und früheren Debatte viel von der Stellung der preußischen Regierung zu dieser An⸗ gelegenheit die Rede gewesen. Ich habe schon ausgeführt,
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wie das Verhalten des Reichstages mit Nothwendigkeit nicht nur
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ist darauf
die preußische Regierung, sondern auch die Reichsverwaltung zu der Annahme führen mußte, daß der Reichstag materiell das Projekt, auf dem Grundstück der Porzellanmanufaktur zu bauen, aufgegeben habe. Es ist über diese Frage in öffentlicher Verbandlang des preu⸗ ßischen Landtags diskutirt worden, uad wenn heute der Hr. Abg. Dr. Lucius jo außerordentlich empfindlich über die Haltung nicht blos der preußischen Regserung, sondern auch der preußischen Landesvertretung ist, so richte ich billig an ihn die Frage, wo er denn im preußischen Landtage gewesen ist, als es sich um diese, die Interessen des Reichs⸗ tags angeblich so nahe berührende Angelegenheit handelte. Es haben dort sehr eingehende Debatten nicht blos an einem Tage, sondern an mehreren Tagen stattgefunden. Es ist hin und her gestritten worden, aber nur ein einziges Mitglied des Landtags in der Richtung auf⸗ getreten, welche heute der Hr. Abg. Dr. Lucius vertritt. Ich sollte meinen, bei der heute rücksichtlich der Würde des Reichstages bewie⸗ senen großen Empfindlichkeit wäre da der richtige Kampfplatz ge⸗ wesen, um jene Würde rechtzeitig und vollkommen zu wahren, um so mehr, als der preußische Landtag sogar eine Resolution ausdrück⸗ lich abgelehnt hat, die folgendermaßen lautete: Den Bau der Gewerbe⸗Akademie auf dem Grundstück der früheren Porzellanmanufaktur nur für den Fall zu genehmigen, daß dieses Grundstück nicht ferner zum Bau des neuen Reichstagsgebäudes in Anspruch genommen wird. Dieser Antrag ist, wenn ich nicht irre, von dem Herrn Reichs⸗ tagsabgeordneten von Diederichs gestellt worden, der auch allein, wie ich hervorhebe, diese Position vertreten hat. Mit sehr großer Ma⸗ jorität wurde dieser Antrag abgelehnt, und ich habe ferner anzuführen, daß der damalige Berichterstatter des Abgeordnetenhauses, der Hr. Abgeordnete Rickert, der auch hier in unserer Mitte sitzt, Folgendes ausführte:
Meine Herren! Ich glaube, daß die Budgetkommission sich eines Mangels an Courtoisie gegen den Beschluß des Reichstages nicht schuldig machen wird, wenn Sie den Antrag annehmen, wie es der Herr Vorredner annimmt. Meine Herren! Die Budgetkommission des Abgeodnetenhauses weiß auf Grund von Thatsachen, daß jener vielfach erwähnte Veschluß des Reichstages, wonach das Grundstück der Porellanmanufaktur in Aussicht genommen war für den Bau des Reichstagsgebäudes, in der That hinfällig geworden ist. Das geht aus der Thatsache, die ich jetzt mittheilen will, hervor. In den letzten Tagen, als der Reichstag noch zusammen war, hatten diejenigen Fraktionen, welche die große Majorität des Reichstags bildeten, eine Berathung darüber, ob es nicht angebracht sei, jenen Beschluß formell aufzugeben und die Erklärung daran zu knüpfen, daß man von jenem Grundstücke der Porzellanmanufaktur definitiv absehe und einen anderen bestimmten Platz, den ich hier zu er⸗ wähnen nicht nöthig habe, in Aussicht nehme. Lediglich aus for⸗ mellen Gründen ist die Einbringung solchen Antrags unterblieben, aber ich kann mit voller Bestimmtheit behaupten, daß alle die⸗ jenigen Fraktionen, welche die große Majorität des Reichstags vil⸗ deten, fast einstimmig jenen Beschluß innerhalb ihrer eigenen Kreise gefaßt haben.
. Meine Herren! So haben also die Thatsachen gelegen, und ich wiederhole immer, der Reichstag hat sich allen diesen Vorgängen gegenüber vollständig still und ruhig verhalten. Man wird daher gewiß nicht den Vorwurf erheben können, daß irgendwie rücksichtslos in dieser Angelegenheit verfahren worden sei.
Wie gegenwärtig nun es mit der Verwendung des Grundstücks der Porzellanmanufaktur liegt, habe ich bereits in der früheren De⸗ batte hervorgehoben; ich will das Gesagte nicht wiederholen, das muß aber vor Allem noch einmal konstatirt werden, daß in der Kommission, welche Sie niedergesetzt haben, die Sachverständizen nicht mitgestimmt haben, wie das ja selbst der Hr. Abg Reichen⸗ sperger anerkannt hat, und diese Kommisston, deren Mitglied der Prä⸗ sident dieses hohen Hauses war, hat gegen die Stimme des Hrn. Abg. Reichensperger — im Uebrigen also einstimmig — den Beschluß gefaßt, daß das Grundstück nicht gecignet sei. 1
Man hebt nun die Kompetenzüberschreitung wiederholt hervor. Aber, meine Herren, in Ihrem eigenen Beschlusse lag ja die Noth⸗ wendigkeit, daß die Kommission absolut in die Prüfung dieser Frage eintreten mußte, da sie zu erwägen hatte, welches Terrain zu dem beabsichtigten Reichstagsgebäude erforderlich sei. Es wird auch heute wiederum ausgeführt, daß es eine Leichtigkeit sein werde, das betreffende Terrain zu erwerben, um auf demselben das Reichs⸗ tagsgebäude zu errichten. Es wird aber dabei nicht hervorgehoben, daß bei jedem der in Aussicht genommenen Pläne, das ausschließlich fiskalische Terrain, d. h. das, was dem preußischen Fiskus gehört, nicht ausreicht; es kommt das Terrain des Kriegs⸗Ministeriums, es kommt der prinzliche Besitz in Betracht, Privatgrundstücke sind zu erwerben, und selbst dieses gesammte Areal wird nicht vollkommen genügen. Nun meinte Hr. Abg. Reichensperger, es sei namentlich ein Leichtes, die Interessen des Kriegs⸗Ministeriums mit diesem Projekte vollständig zu versöhnen, und stellte dabei auch noch die Durchschneidung des kriegsministeriellen Gartens durch die verlärgerte Zimmerstraße in Aussicht. Ich weiß nicht, wo er die Erfahrung gesammelt hat, daß Seitens des Herrn Kriegs⸗Ministers man es be⸗ sonders angenehm empfinden würde, wenn diese Straßenanlage zur Zugänglichmachung des zukünftigen Reichstagsgebäudes in der ge⸗ dachten Art angelegt würde. Ich selbst bekenne, daß ich diese In⸗ formation nicht besitze, ich gehe im Gegentheil von der bestimmten Voraussetzung aus, daß, abgesehen davon, daß die preußische Regie⸗ rung über ihren Platz disponirt bat, auch die Erwerbung der übrigen Grundstücke auf die größten Schwierigkeiten stoßen würde. Ich muß daher dringend meinen Antrag wiederholen, von dem Grund⸗ stücke der Porzellanmanufaktur unter allen Umständen bei dieser Gelegenheit absehen zu wollen, zumal auch Ihre Ab⸗ sichten sicherlich nicht bei einer derartigen Resolution gefördert werden würden. Die preußische Reagierung ist ihrerseits gewiß gern nach allen Seiten hin bereit, die Interessen dieses hohen Hauses zu unterstützen, sie glaubt dies bei den verschiedensten Gelegenheiten auch bewiesen zu haben. Selbst der vorliegende Fall bietet hierfür den Beweis. Die Ausführung preußischer Projekte ist auf mehrere Jahre zurückgestellt worden, um dem Reichstage die freie Entschließung auch bezüglich der vorliegenden Frage zu belassen. res 8 1
Ich wiederhole daher meine Bitte, indem ich Ihnen die Anträge des Bundesraths meinerseits nochmals empfehle.
Statistische Nachrichten. Nach denz [vom Kaiserlichen jstatistischen Amte aufgestellten
Berechnungen (vergl. Heft IV. Abth. 2 der Vierteljahrshefte zur Statistik des Deutschen Reichs für das Jahr 1875) hat der jähr⸗ liche Zuckerverbrauch des deutschen Zollgebiets im Durchschnitt der Jahre 1871/75 5,325,000 Ctr. oder 13,10 Pfd. für den Kopf der Bevölkerung betragen. Im Durchschnitt der Jahre 1866/70 hatte sich derselbe auf 9,v8 Pfd. und für 1861/66 auf 9,1 Pfd. pro Kopf berechnet und läßt sich donach mit ziemlicher Sicher⸗ heit annehmen, daß der Verbrauch im Laufe des letzten Jahrzehnts um mindestens 40 % zugenommen hat. Für das Campagnejahr 1874/75 allein berechnet sich der Konsum auf 5,457,927 Ctr. oder 13,42 Pfd. für den Kopf der Bevölkerung nach der Zählung vom 1. Dezember 1871. Da hierbei aber dem natürlichen Anwachsen der Bevölkerung seit 1871 nicht hat Rechnung getragen wer⸗ können, so dürfte die wirkliche Verbrauchsmenge wohl