1876 / 36 p. 3 (Deutscher Reichsanzeiger, Thu, 10 Feb 1876 18:00:01 GMT) scan diff

FIn der heutigen (50.) Sitzung des Deutschen Reichstages, welcher am Tische des Bundesraths die Bundesbevollmächtigten, der Präsident des Reichskanzler⸗ Amts Staats⸗Minister Dr. Delbrück und der Justiz⸗Minister Dr. Leonhardt sowie der Direktor im Reichskanzler⸗Amt v. Amsberg beiwohnten, wurde die dritte Berathung der Strafgesetz⸗ novelle mit der Diskussion über §. 130 a. fortgesetzt. Der Abg. Dr. Völk motivirte seinen Antrag, welcher dem §. 130 a. folgende Fassung geben wollte: 1 8 „Ein Geistlicher oder anderer Religionsdiener, welcher in Aus⸗ übung oder in Veranlassung der Ausübung seines Berufes öffentlich vor einer Menschenmenge oder welcher in einer Kirche oder an einem anderen zu religiösen Versammlungen bestimmten Orte vor Mehreren Angelegenheiten des Staats in einer den öffentlichen Frieden gefährden⸗ den Weise zum Gegenstande einer Verkündigung oder Erörterung macht, wird mit Gefängniß oder Festungshaft bis zu zwei Jahren

straft. 8 Gleiche Strafe trifft denjenigen Geistlichen oder anderen Re⸗

ligionsdiener, welcher in Ausübung oder in Veranlassung der Aus⸗ Üübdung seines Berufes Schriftstücke ausgiebt oder verbreitet, in wel⸗ chen Angelegenheiten des Staats in einer den öffentlichen Frieden ge⸗ fährdenden Beife zum Gegenstande einer Verkündigung oder Erörte⸗

ung gemacht sind“ 9

mit der Ausführung, daß der von ihm beantragte Zusatz eine Konsequenz der bestehenden Strafvorschrift sei. Der Abg. Windthorst erklärte eine weitere Ausdehnung des Aus⸗ nahmegesetzes gegen die Kirche für unmotivirt und verderb⸗ lich, worin ihm Abg. v. Saucken (Tarputschen) in Be⸗ treff des letzten Absatzes des Völkschen Antrages beitrat, da er hierin die Geistlichen den gewöhnlichen Bürgern gleichstellen wollte. Der Bundeskommissar Direktor im Reichs⸗ kanzler⸗Amt v. Amsberg wies darauf hin, daß der Geistliche nur, wenn er aus Veranlassung seines Amtes den öffentlichen Frieden gefährdet, also sich seiner Ausnahmestellung bedient, unter diesen Paragraphen fällt, sonst aber dem Bürger gleich⸗ gestellt ist. Der Abg. Dr. Wehrenpfennig bedauerte die etwaigen Angriffe der national⸗liberalen Presse gegen die Fortschrittspartei, die in der fortschrittlichen nicht geringer seien, verwahrte aber seine Partei gegen den Vorwurf, sie lasse sich bei ihren Abstimmungen von Rücksichten auf persönliche Wünsche leiten, wenn sie die ganze politische Situation ins Auge fasse. Darauf wurde der Antrag Völk mit 173 gegen 162 Stimmen an⸗ genommen.

§. 140 Abs. 1 lautet: 8

„Wegen Verletzung der Wehrpflicht wird bestraft: 1) ein Wehr⸗ pflichtiger, welcher in der Absicht, sich dem Eintritte in den Dienst des stehenden Heeres oder der Flotte zu entziehen, ohne Erlaubniß entweder das Bundesgebiet verläßt oder nach erreichtem militärpflich⸗ tigen Alter sich außerhalb des Bundesgebietes aufhält: mit Geld⸗ strafe von einhundertfünfziz bis zu dreitausend Mark oder mit Ge⸗ fängniß von Einem Monat bis zu einem Jahre;“

Hierzu beantragten die Abgg. Struckmann (Diepholz) und Dr. v. Schwarze hinzuzufügen: b

„2) ein Offizier oder im Offizierrange stehender Arzt des Beur⸗ laubtenstandes, welcher ohne Erlaubniß auswandert, mit Geldstrafe bis zu dreitausend Mark oder mit Haft oder mit Gefängniß bis zu sechs Monaten.“ 1

Das Amendement wurde vom Abg. Struckmann (Diepholz) ur Annahme empfohlen und darauf angenommen, sowie mit demselben §. 140. 8

Zu §. 144 (Verleitung zur Auswanderung) suchte der Abg. Krüger (Hadersleben) darzuthun, daß die Zustände in Nord⸗ schleswig unter der preußischen Regierung Viele zur Auswan⸗ derung zwingen müßten, worin ihm Abg. Wallichs bei Schluß des Blattes energisch widersprach.

Ein einem deutschen Bundesstaate gehöriger Platz, welcher von der betreffenden Regierung als Domänengrundstück verwaltet und mit Bewilligung derselben als Militärschieß⸗ platz benutzt wird, geht nach einem Erkenntniß des Ober⸗ Tribunals, III. Senat, vom 22. November 1875, in Folge dieser Benutzung nicht in den Besitz des Reichs über. Für die Besitzstörungen der benachbarten Grundbesitzer, welche durch die Schießübungen hervorgerufen werden, ist demnach der Staats⸗ und nicht der Reichsfiskus haftbar. Nach demselben Er⸗ kenntniß des höchsten Gerichtshofes bilden nur der Höchstkom⸗ mandirende eines Kontingents, alle Offiziere, welche Truppen mehr als eines Kontingents befehligen, und alle Festungskom⸗ mandanten Reichsbehörden. Die sonstigen Militärbehörden sind nach Herstellung der deutschen Reichsverfassung, wie vorher, lan⸗ desherrliche Behörden geblieben und vertreten mithin den landes⸗ herrlichen Fiskus, nicht den Reichsfiskus.

Heute Morgen starb hierselbst nach längerem Leiden der General der Infanterie z. D. ECduard v. Peucker, Chef des Schlesischen Feld⸗Artillerie⸗Regiments Nr. 6, à la suite des Kadetten.⸗Corps, Mitglied des Herrenhauses, Ritter des Schwarzen Adler⸗Ordens mit der Kette u. s. w. Geboren am 19. Januar 1791 zu Schmiedeberg in Schlesien, bestand v. Peucker, 18 Jahr alt, auf dem Maria⸗Magdalenen⸗Gymnasium zu Breslau sein Abiturienten⸗Examen, trat 1809 auf Anregung Gneisenau's bei der Artillerie ein und wurde 1811 zum Offizier befördert. Als solcher nahm er bei dem preußischen Hülfscorps an dem Feldzuge von 1812 in Rußland Theil und wurde am Schluß desselben zum Adjutanten bei dem Kommando der Artillerie dieses Corps ernannt. In gleicher Stellung beim Vorkschen Corps wohnte er den folgenden Feldzügen gegen Na⸗ poleon bei und zeichnete sich so rühmlich aus, daß ein Erlaß des Prinzen August, Chefs der Artillerie, ihn als Muster für junge Offiziere aufstellte. Sein vielseitiges Wissen bewirkte, daß er nach dem Frieden im Kriegs⸗Ministerium verwandt wurde, wo er sich um die Vervollkommnung der Artillerie, wie über⸗ haupt der Schußwaffen der Armee, große Verdienste erwarb. 1822 zum Major befördert, leitete er spãter die Versuche mit dem Zündnadelgewehr als Vorstand der Artillerie⸗Abtheilung; 1822 wurde er auf Grund der Erfolge dieser Versuche außer der Reihe zum Oberst⸗Lieutenant befördert und wirkte demnächst auf die Einführung dieses Gewehres entscheidend ein. Schon 1842 zum General⸗Major ernannt, trat v. Peucker 1848 als preußischer Militärkommissar in die Bundes⸗Militärkommission zu Frank⸗ furt a. M. Seine weitere Thätigkeit als Reichs⸗Kriegs⸗Minister, sowie während der Septembertage in Frankfurt a. M. und später in Baden gehört der Geschichte an. Bereits im Mai 1849 zum General⸗Lieutenant avancirt, trat v. Peucker März 1858 an Stelle des Generals von Radowitz in die Bundes⸗ Centralkommission, in welcher er bis zu ihrer Auflösung ver⸗ blieb. Im Februar 1854 zum General⸗Inspecteur des Militär⸗Erziehungs⸗ und Bildungswesens ernannt und im November 1858 zum General der Infanterie befördert, erhielt v. P. 1860 von der Universität zu Berlin bei deren Jubelfeier das Doktordiplom für sein auf die gründlichsten Forschungen gestütztes Werk: „Das deutsche Kriegswesen der Urzeit in seinen Verbindungen und Wechselwirkungen mit dem gleichzeitigen Staats⸗ und Volksleben.“ In seinem Wirkungs⸗

kreise als Leiter des Militär⸗Erziehungs⸗ und Bildungswesens ist die Organisation der preußischen Kriegsschulen sein hohes und bleibendes Verdienst um die Armee. Alle von v. P. veranlaßten Institutionen auf diesem Gebiete hatten vorzugsweise den Zweck, die zu erzielende wissenschaftliche Bildung des Offizier⸗Corps mit dem Geiste und den Bedürfnissen der neueren Kriegsführung in Einklang zu bringen und die Intensität des Wissens höher, als den größern Umfang mit dem Gedächtniß aufgefaßter Kenntnisse zu stellen. General v. Peucker ist der Schöpfer der applikato⸗ rischen Lehrmethode auf militärwissenschaftlichem Gebiete; eine Reihe von gedruckten Schriften und eine sehr bedeutende Zahl lithographirter Instruktionen lassen seine hervorragende Thätigkeit auf das Eingehendste verfolgen.

Kiel, 7. Februar. Der provinzialständische Verwaltungs⸗ Ausschuß macht bekannt, daß vom 15. d. M. an nunmehr auch die Einlösung der Einkommens⸗ und Vermögensanleihe vom 4. Oktober 1860 und der freiwilligen Anleihe vom 28. September selb. J. zur Ausführung gebracht werden wird.

Bayern. München, 8. Februar. (Allg. Z.) Bezüglich der in diesem Jahr in der Dislokation der Armee eintretenden Aenderungen hat Se. Majestät der König bestimmt: daß vom 1. Ulanen⸗Regiment die 3. Escadron von Neustadt a. A. nach Bamberg und die 4. Escadron von Bamberg nach Neustadt a. A., dann vom 5. Cheveaulegers⸗Regiment die 5. Escadron von Zweibrücken nach Saargemünd, und von da die 2. Esca⸗ dron nach Zweibrücken kommt. Diese Dislokationsänderungen haben im Anschluß an die diesjährigen größeren Truppenübun⸗ gen stattzufinden. In Abänderung einer Bestimmung des Kriegs⸗ Ministerialreskripts vom 22. Juni 1872 wurde verfügt, daß von nun ab sowohl für die Friedens⸗ als für die Kriegsformation die Landwehr⸗Compagnien innerhalb jedes einzelnen Landwehr⸗ Bataillons, für erstere nach der Zahl der Compagniebezirke, für letztere von 1—4 numerirt werden.

Sachsen⸗Coburg⸗Gotha. Coburg, 8. Februar. Die Prinzessin Clementine von Sachsen⸗Coburg war vorgestern mit ihrem Sohne, dem Prinzen August, hier eingetroffen, hatte in ihrem Palais übernachtet, und haben Beide gestern Coburg wieder verlassen, zunächst um sich nach Bamberg zu begeben.

Schwarzburg⸗Sondershausen. Sondershause n, 7. Februar. Die neueste Gesetzsammlung publizirt das Gesetz über die Fortbildungsschulen im Fürstenthume, durch welches das Fortbildungsschulwesen für das ganze Land ge⸗ regelt wird. Die Fortbildungsschulen sollen die aus den Volksschulen entlassenen Knaben unter fortdauernder erziehlicher Einwirkung in den erlangten Kenntnissen und Fertigkeiten fördern und in ihrer Bildung weiterführen. Zur Theilnahme an dem Unter⸗ richte sind alle Knaben wenigstens zwei Jahre lang nach ihrer Entlassung aus der Volksschule verpflichtet; den Schülern ist der Besuch öffentlicher Tanzbelustigungen und die Theilnahme an politischen Vereinen und Versammlungen verboten, die Lehrer haben das Aufsichts⸗ und Strafrecht bezüglich des Verhaltens ihrer Schüler auch außerhalb der Schule zu üben. In Fällen schwerer Verfehlungen ist die Kirchen⸗ und Schulinspektion be⸗ fugt, selbst mit Arreststrafen vorzugehen. Waldeck. Arolsen, 5. Februar. Seit dem 31. Januar ist der Landtag der Fürstenthümer, der sich im Herbst v. J. vertagt hatte, wieder zusammengetreten. Den Hauptgegenstand der Verhandlungen bildete das neue Grundbuch⸗G esetz; dasselbe ist nicht einer fachmännischen Kommission zur Vorbe⸗ rathung überwiesen, sondern im Plenum durchberathen worden.

Elsaß⸗Lothringen. Metz, 7. Februar. („Straßb. Ztg.“) Der an Stelle des verstorbenen Kreisdirektors S. Schmidt von Saarburg nach Metz versetzte Kreisdirektor Freiherr v. Freyberg ist am 5. d. M. hier eingetroffen und hat am folgenden Tage seine neuen Funktionen übernommen.

Oesterreich⸗Ungarn. Wien, 9. Februar. Der volks⸗ wirthschaftliche Ausschuß des Unterhauses hat bei Bera⸗ thung des rumänischen Handelsvertrages einen Antrag ange⸗ nommen, in welchem der Grundsatz ausgesprochen wird, daß die für Oesterreich aus Traktaten mit der Pforte erworbenen Rechte auch jetzt noch Rumänien gegenüber bestehen, und daß Oester⸗ reich auf diese Rechte niemals verzichtet habe. Der Handels⸗ Minister hatte bei der Berathung erklärt, daß diese Anschauung des Ausschusses mit derjenigen der Regierung übereinstimme. In einem weiteren Antrage zu dem rumänischen Handelsvertrage wird das Bedauern darüber ausgesprochen, daß es bei dem Ab⸗ schlusse der Konvention nicht gelungen sei, die gleichmäßige Be⸗ handlung aller österreichischen Staatsbürger ohne Unterschied der

Konfession durchzusetzen.

9. Februar. (W. T. B.) Der Eisenbahnausschuß des Abgeordnetenhauses hat heute den Gesetzentwurf über den Bau einer Eisenbahn von Bozen nach Meran genehmigt und trat sodann in die Berathung des Berichts des Subcomités über den Gesetzentwurf, betreffend die Vereinigung der Albrechts⸗ bahn mit der Tarnow⸗Leluchower Bahn und der Dniester⸗ Bahn mit der Lemberg⸗Czernowitz⸗Jassyer Bahn ein. In dem Berichte wird beantragt, den Verkauf der Tarnow⸗ Leluchower Bahn aus dem Gesetzentwurfe auszuscheiden. Nach längerer Debatte wurde die Verhandlung vertagt bis zur Berichterstattung des Subcomitées über die von dem Abgeordneten Jaworski im Laufe der Debatte eingebrachten An⸗ träge. Diese Anträge bezwecken den Uebergang zur Tagesord⸗ nung über den ganzen Gesetzentwurf, sodann die Genehmigung des Uebereinkommens, welches die Regierung mit dem Kurator der Prioritätsgläubiger wegen Abtretung der Dniesterbahn ge⸗ schlossen hat. Ferner wird von Jaworski beantragt, die in dem Artikel 1 des Uebereinkommens mit der Albrechtsbahn vom 10. September erwähnten Eisenbahnlinien unter näher festzu⸗ stellenden Bedingungen durch den Staat anzukaufen, und end⸗ lich soll die Regierung aufgefordert werden, sich wegen Herbei⸗ führung des Anschlusses der Linie Lemberg⸗Tomasof mit der russischen Regierung ins Einvernehmen zu setzen.

Pest, 8. Februar. Im Abgeordnetenhause entwickelte sich bei §. 12 des Gesetzentwurfes über die Modifikation des Tabakmonopols eine lebhafte Debatte. Die Opposition der Linken wollte nicht, daß die Gemeindebehörden gehalten werden, sollen, bei der Verhinderung des Tabakschmuggels aktiv mitzu⸗ wirken. Der Minister⸗Präsident Tisza trat für den Paragraph ein. Er meinte, daß mit dieser Auffassung gebrochen werden müsse. Die Gemeindebehörden müssen eine Beschädigung des Staates ebenso zu verhindern suchen, wie einen Privatdiebstahl. Die Fortsetzung der Debatte wurde wegen vorgerückter Zeit auf morgen verschoben. Der Justiz⸗Minister Perczel beantwortete die Interpellation Julius Ragalyi’'s in Betreff der Regelung,

respektive Ablösung der Regalien dahin, daß unter geg

1 1“ wärtigen finanziellen Verhältnissen die mit bedeutenden Opfern verbundene Ablösung nicht durchgeführt werden könne. Sobald die Verhältnisse es gestatten, werde die Regierung einen Gesetz⸗ entwurf einbringen. Der Minister um die Person Sr. Maje⸗ stät, Baron Wenckheim, welcher gestern Abends nach Wien reiste, hat, wie die „Pester Correspondenz“ berichtet, die Vorschläge des Gesammt⸗Ministeriums in Angelegenheit der Verewigung des Andenkens Franz Deaks zur Unterbreitung an Se. Majestät mitgenommen, damit die Königliche Vorgenehmigung an welcher nicht gezweifelt wird rechtzeitig genug hier eintreffen könne, um es dem Minister⸗Präsidenten zu ermöglichen, daß er die Vorlage dem Abgeordnetenhause uoch vor seiner Abreise nach Wien unterbreite.

9. Februar. In einer heute abgehaltenen Konferenz von Mitgliedern der liberalen Partei des Unterhauses legte der Ministerpräsident Koloman v. Tisza einen Gesetzentwurf über die Inartikulirung der Verdienste Deaks in die Gesetzbücher des Landes, sowie über die Errichtung eines Monumentes zu Ehren Deaks im Wege der Nationalsubskription vor. Derselbe wurde von der Konferenz unter lebhaftem Beifall genehmigt.

Schweiz. Zürich, 7. Februar. (N. Zürich. Ztg.) Die vom Nationalrathe zur Prüfung des Gesetzentwurfes, be⸗ treffend die Arbeit in den Fabriken, bestellte Kom⸗ mission versammelte sich heute zum Beginn ihrer Arbeiten im Sitzungssaale des Regierungsrathes in Zürich. Sodann werden einige industrielle Etablissements verschiedener Branchen besucht,

um sich mit den Verhältnissen genau bekannt zu machen, und 2 namentlich auch den Kommissionsmitgliedern der romanischen

Schweiz Gelegenheit zu geben, die Etablissements und ihre Ver⸗ hältnisse der deutschen Schweiz kennen zu lernen. Die Kom⸗ mission wird mit ihrem Besuch morgen (den 8. ds.) in Winterthur den Anfang machen, dann nach Glarus, St. Gallen sich begeben, und nachher sich in Zürich zur Berathung des Gesetzentwurfes wieder versammeln.

Belgien. Brüssel, 5. Februar. (L. Z.) Der Präsident der südafrikanischen Republik, Dr. Bürgers, kam Anfangs dieser Woche von Amsterdam hierher. Am Mittwoch hatte er mit dem Minister der auswärtigen Angelegenheiten, dem Grafen d'Aspre⸗ mont⸗Lijnden, eine Konferenz und Tags darauf unterzeichnete

er mit diesem in dem Hotel des auswärtigen Amts einen

Freundschafts⸗, Niederlassungs⸗ und Handelsvertrag zwi⸗ schen Belgien und der suͤdafrikanischen Republik. Dr. Bürgers wurde am Nachmittage desselben Tages von dem König und dann von der Königin empfangen und von Ihren Majestäten auf den 6. d. zu einem Diner am Hofe eingeladen.

Großbritannien und Irland. London, 8. Fe brugr. Die Thronrede, mit welcher die Königin heute das Parlament eröffnete, hat 89 der „A. A. C.“ folgenden Wortlaut:

„Mylords und Gentlemen! Mit vieler Befriedigung nehme

ich wieder meine Zuflucht zu dem Rathe und Beistande meines Par⸗

Meine Beziehungen mit allen auswärtigen Mächten fahren Die aufständische Bewegung, welche während der letzten sechs Monate in den türkischen Provinzen Bos⸗ nien und Herzegowina aufrecht erhalten wurde und welche zu unter⸗ drücken die Truppen des Sultans bislang außer Stande waren, hat die Aufmerksamkeit wie das Interesse der europäischen Großmächte erregt. 8s jetzt von alliirten und befreundeten Regierungen gemacht werden, um eine Pazifikation der insurgirten Distrikte herbeizuführen, nicht fernzubleiben, und demgemäß habe ich mich, unter Respektirung der Un⸗ abhängigkeit der Pforte, ihnen in der dringlichen Befürwortung solcher ad⸗ ministrativer Reformen, welche jede berechtigte Ursache der Unzufrieden⸗ heit auf Seiten der christlichen Unterthanen des Sultans beseitigen dürften, angeschlossen. Ich habe eingewilligt, vorbehaltlich Ihrer Ge⸗

laments. fort herzlicher Natur zu sein.

nehmigung, die dem Khedive von Aegypten gehörigen Suezkanalaktien anzukaufen, und ich hoffe vertrauensvoll, Sie werden mich in den

Stand setzen eine Transaktion zu vollenden, welche die öffentlichen Interessen tief berührt. Die Vorstellungen, welche ich an die chine⸗ sische Regierung betreffs des im Laufe des vorigen Jahres stattge⸗ fundenen Angriffes gegen die Expedition, die von Birma nach den westlichen Provinzen Chinas ausgesandt wurde, richtete, sind in freundlichem Geiste aufgenommen worden. Die Umstände dieses beklagenswerthen Exzesses bilden nunmehr den Gegenstand einer Untersuchung, und ich habe es recht erachtet, das Gesuch zu stellen, daß ein Mitglied meines diplomatischen Dienstes daran Theil nehme. Ich erwarte das Resultat dieser Untersuchung in der festen Ueberzeugung, daß sie so geführt werden wird, um die Entdeckung und Bestrafung der Schuldigen zu ermöglichen. Schriftstücke über sämmt⸗ liche obige Gegenstände werden Ihnen vorgelegt werden. Ich bin sehr dankbar für die ununterbrochene Gesundheit, welcher sich mein theurer Sohn, der Prinz von Wales, während seiner Reise durch Indien zu erfreuen hatte. Die herzliche Zuneigung, mit welcher er von meinen indischen Unterthanen aller Klassen und Ragen aufgenommen wurde, giebt mir die Versicherung, daß sie unter meiner Herrschaft glücklich und meinem Throne treugesinnt sind. Zur Zeit, als die direkte Regierung meines indischen Reiches an die Krone über⸗ ging, erfuhren der Styl und Titel des Souveräns keinen Zusatz. Ich habe die Gelegenheit für günstig erachtet, das Versäumte nachzuholen und es wird Ihnen eine Vorlage über den Gegenstand überreicht werden.

Die menschenfreundliche und aufgeklärte Politik, wie sie unser Land bei Abschaffung der Sklaverei innerhalb der eigenen Gebietstheile verfolgt und bei Unterdrückung des Sklavenhandels durch die ganze Welt im Auge gehalten hat, macht es wichtig, daß das Verhalten der Schiffe der britischen Nation in den Territorialgewässern fremder Staaten mit diesen großen Prinzipien im Einklang stehe. Ich habe deshalb Weisungen ertheilt für die Einsetzung einer Königlichen Kommission, um alle Vertragsverpflichtungen und sonstigen, dieses Thema berührenden internationalen Verbindlichkeiten zu untersuchen, sowie ferner auch alle von Zeit zu Zeit von meinen Marineoffizieren erlassenen Instruktionen, um in Erfahrung zu bringen, ob Schritte geschehen sollen, um meinen Schiffen und deren Befehlshabern größere Machtbefugnisse für die Aufrechterhaltung des Rechtes der persönlichen Freiheit zu gewähr⸗ leisten. Es wird Ihnen eine Bill vorgelegt werden behufs Be⸗ strafung von Sklavenhändlern, welche Unterthanen eingeborener indi⸗ scher Fürsten sind. Den Angelegenheiten meines Kolonialreiches, dessen allgemeine Wohlfahrt sich weiter entwickelt hat, ist ein großer Theil meiner Aufmerksamkeit gewidmet gewesen. In Bälde werden Sie Schriftstücke von Wichtigkeit und Interesse in Händen haben, welche die Verhandlungen bezüglich einer Konferenz der südafrikanischen Kolonien und Staaten klar legen. Die Ermordung eines hohen Beamten der Straits Settlements, zur Zeit als derselbe als Resident in einem benachbarten Malayenstaate fungirte, und die Ruhestörungen, welche auf diese Gewaltthat folgten, haben das Einschreiten meiner Truppen erheischt. Ich hoffe zuversichtlich, daß die Operationen, welche in fähiger und energischer Weise geleitet worden sind, obschon nicht ohne den Verlust von einigen werthvollen Menschenleben, die Ordnung zurückgebracht und den gerechten Einfluß und die Autorität unseres Landes wiederhergestellt haben. 1

Gentlemen vom Hanse der Gemeinen! Ich habe an⸗ geordnet, daß die Voranschläge des Jahres vorbereitet und Ihnen ohne Verzug vorgelegt werden. 18““

Mylords und Gentlemen! Gesetzentwürfe für die Re⸗ gelung des Appellations⸗Tribunals letzter Instanz das Vereinigte Königreich so wie für die Amendirung der Han delsschiffahrtsgesetze werden Ihnen unverzüglich unter breitet werden. Eine Gesetzgebung bezüglich der Universitäten und

Ich habe es für meine Pflicht erachtet, den Anstrengungen,

8 des Elementarunterrichts wird in Vorschlag gebracht werden. Ihre

Aufmerksamkeit wird auch gelenkt werden auf die Akte betreffs der Einzäunung von Gemeinwiesen, sowie auf eine Maßregel zur Förde⸗ rung von Sparsamkeit und Wirksamkeit in der Verwaltung von Ge⸗ fängnissen, welche gleichzeitig eine Erleichterung der lokalen Steuer⸗ lasten bewerkstelligen wird. Andere wichtine Maßregeln werden, wenn es die Zeit der Session gestattet, Ihrer Beachtung unterbreitet wer⸗ den; und mein Gebet geht dahin, daß Ihre Berathungen unter dem göttlichen Segen die Glückseligkeit und Zufriedenheit meines Volkes zur Folge haben mögen!“

Die Prinzessin von Wales kehrte am 6. mit ihren Kindern von Kopenhagen nach Marlborough⸗House zurück. Aus Jeypore wird dem „Reuterschen Bureau“ unterm 6. d. M. telegraphirt:

„Der Prinz von Wales machte gestern, auf einem Elephan⸗ ten sitzend, eine Tigerjagd mit und schoß einen großen Tiger. Das todte Thier wurde am Abend mit großer Ceremonie nach dem Palast gebracht, wo sich sehr viele eingeborene Shikaris eingefunden hatten. Später fand ein großer Durbar im Palaste des Maharadschah statt, dem sich ein Bankett anschloß, bei welchem der Prinz den Vorsitz führte. Nach dem Essen erschien der Maharadschah im Saale und brachte einen Toast auf die Gesundheit der Königin und des Prinzen von Wales aus. In seiner Erwiderung verbreitete sich Se. Königliche Hoheit über die Wohlfahrt Jeypores und die be⸗ ständigen Bestrebungen dessen Fürsten, die Lage seiner Unterthanen zu verbessern. Der Prinz dankte dem Maharadschah für seine Gast⸗ freundschaft und auch dafür, daß er ihm eine Gelegenheit gegeben, zum ersten Male einen Tiger zu erlegen. Der Abend schloß mit einer Vorstellung von Jongleurs ꝛc. Die Stadt war zu Ehren des Thron⸗ folgers glänzend erleuchtet.“

Wie aus Jeypore weiter gemeldet wird, besuchte der Prinz am 6. d. den Palast in Ambaio, der alten Hauptstadt von Jeypore. Am 7. kehrte er nach Agra zurück, um sich von da nach Bareilly und Nyni Tal zu begeben und darauf sich an einer Jagdexpedition in Rumaon und dem Nepaul Terai zu betheiligen.

9. Februar. (W. T. B.) Die Korrespondenz, be⸗ treffend den Ankauf der Suezkanal⸗Aktien des Khedive durch England, ist nunmehr veröffentlicht worden. Dieselhe beginnt mit dem 15. November 1875 und schließt mit dem 8. Januar d. J. In 56 Aktenstücken werden die Details der Unterhandlungen wegen des Ankaufs und das Arrangement mit dem Hause Rothschild mitgetheilt.

Frankreich. Paris, 9. Februar. (W. T. B.) Gutem Vernehmen nach hat der Polizei⸗Präfekt Renault, da er seine Stelung als Kandidat der Deputirtenkammer für das Departement Seine et Oise für unverträglich mit seiner amtlichen Stellung hält, seine Entlassung gegeben und wäre dieselbe bereits von dem Marschall⸗Präsidenten angenommen worden. Wie der „Moniteur“ vernimmt und wie von Seiten der „Agence Havas“ bestätigt wird, ist der Deputirte Voisin für den Posten des Polizei⸗Präfekten von Paris in Aussicht genommen.

Ein Telegramm vom 10. Februar meldet bestätigend: Das „Journal officiel“ veröffentlicht die Ernennung des Deputir⸗ ten Voisin zum Polizei⸗Präfekten von Paris.

Der Bericht des Handels⸗Ministers, betreffend die Revision der Handelsverträge, ist nunmehr veröffentlicht worden. In demselben wird hervorgehoben, daß die meisten Handelskammern sich für Aufrechthaltung der gegenwärtigen Tarife, vorbehaltlich gewisser Modifikationen in den Details, sowie für Substituirung von Schutzzöllen an Stelle der Zölle 1..“ soweit es praktisch ausführbar ist, ausgesprochen aben.

Italien. Rom, 9. Februar. (W. T. B.) Durch König⸗ liches Dekret wird die italienische Gesandtschaft in Stutt⸗ art aufgehoben. Kardinal Antonelli befindet sich eute besser. Der spanische Botschafter bei der päpstlichen Kurie, Cardenas, wird gegen Ende dieser Woche seine Kreditive überreichen.

Rumänien. Bukarest, 10. Februar. (W. T. B.)

„Costaforu ist zum Minister der Auswärtigen Angele⸗

genheiten und Strat zum Finanz⸗Minister ernannt worden.

Rußland und Polen. St. Petersburg, 7. Februar. Aus Warschau wird vom 6. Februar der russ. „St. P. Ztg.“ telegraphirt: Heute wurde die hiesige unirte Gemeinde mit der orthodoxen Kirche vereinigt. Die unirte Kirche wurde durch den Erzbischof Leontij zur orthodoxen geweiht.

9. Februar. (W. T. B.) Der „Regierungsanzeiger“ und das „Journal de St. Petersbourg“ publiziren die Note des Grafen Andrassy; das letztgenannte Blatt ferner einen Artikel zur Richtigstellung der Angaben der „Times“ über das russische Budget.

Amerika. (A. A. C.) Aus Washington wird dem „Reuterschen Bureau“ unterm 6. ds. per Kabel gemeldet: Das Comité für Mittel und Wege wird eine Vorlage einbringen, welche bezweckt, den mit Hawaii abgeschlossenen Vertrag zur Ausführung zu bringen. Die Vorlage wird von einem Bericht von Mr. Fernando Wood begleitet sein, welcher die Annahme dieses Vertrages als eine politische und kommerzielle Nothwen⸗ digkeit zur Sicherung des Handels des nördlichen Stillen Meeres, ner künftigen Kontrole über die Sandwichsinseln dringend empfiehlt.

(A. A. C.) In Betreff der jüngsten Indianereinfälle in Südamerika melden bis zum 8. Januar reichende Be⸗ richte aus Buenos Ayres, daß, obwohl die Indianer im Süden zurückgetrieben worden, der Schrecken, den sie einflößten, nicht verschwunden sei. Sämmtliche Häuser in und unweit Azul und Tardil waren mit Familien gefüllt, welche bei der ersten An⸗ näherung der Wilden geflüchtet waren und noch nicht nach ihren Heimstätten zurückgekehrt sind. Das Gros der Maraudeure, die Pampastämme, die, wie es scheint, 3000 Lanzenträger aus Araucanien als Alliirte hatten, wurde von Oberst White eingeholt, der ihnen 160,000 Stück Rindvieh abnahm und einige Indianer tödtete. Gerüchtweise verlautete, daß etliche Familien aus dem Dorfe Olabarria, welches von Lieutenant Aquilar und 100 Mann gegen eine überwältigende Indianer⸗Streitmacht tapfer vertheidigt wurde, in die Gefangen⸗ schaft geschleppt worden sind. Die Zahl der getödteten Weißen wird verschieden auf 12 bis 100 Mann angegeben. Nach den neuesten Berichten befand sich der Kriegs⸗Minister in Azul und betrieb die Verfolgung der Maraudeure. Es herrscht viel Un⸗ gewißheit über die Ursache der Invasion, da die revoltirenden Stämme sogenannte friedliche Indianer waren.

Paraguay. (A. A. C.) Der Gebietsstreit zwischen Paraguay und der Argentinischen Konföderation ist dem Prä⸗ 8e Grant zur schiedsrichterlichen Entscheidung unterbrei t worden.

Uruguay. (A. A. C.) Aus Pernambuco wird unterm 4. d. M. telegraphirt: „Hier eingegangene Nachrichten aus Montevideo melden, daß die Senatoren⸗ und Deputirten⸗ wahlen im Bereiche der ganzen Republik friedlich verlaufen sind. Die Regierung ist mit der Reorganisation der Finanzen be⸗ schäftigt.“

Asien. (A. A. C.) Aus Afghanistan meldet die neueste Ueberlandpost, daß der Emir von Kabul kürzlich ein Komplott entdeckte, an welchem dem Vernehmen nach YPahyah Khan, der Schwager des Pacub Khan, Mohamed Ibrahim Khan, der gegenwärtige Hakim von Kabul, einer der Söhne des Emirs, sowie andere Personen betheiligt waren. Es hatte zum Zwecke, einen unterirdischen Gang zu graben, um die Flucht Bacub Khans zu bewerkstelligen. Nahyah Khan wurde aus der Stadt verbannt, zwei Freunde Mohamed Ibrahims wurden enthauptet und die Uebrigen eingekerkert.

Die „Times“ of India“ schreibt: Die Reibungen, welche vor einigen Tagen zwischen den zwei rivalisirenden muselmännischen Sekten in der Stadt Hyderabad ausbrachen, haben noch keines⸗ wegs nachgelassen. Sir Salar Jung, der Premierminister des Nizam, trifft jede Vorsichtsmaßregel, um irgend einen weiteren Aus⸗ bruch zu verhindern. Vor einigen Tagen fand ein Kampf statt, in welchem 6 Personen getödtet und viele andere schwer ver⸗ letzt wurden. Um ein Umsichgreifen der Unordnung außerhalb der Stadtmauern zu verhindern, werden die Thore scharf be⸗ wacht und kein Bewaffneter darf die Stadt verlassen.

Australien. (A. A. C.) Aus Melbourne wird unterm 5. ds. telegraphirt: „In der ganzen Kolonie werden politische Meetings gehalten, und es giebt sich im Allgemeinen große Auf⸗ regung kund in Folge des von der parlamentarischen Opposition eingeschlagenen Verfahrens, welche sich weigert, die Subsidien zu votiren.“

Vereinswesen.

Vorstand und Verwaltungsrath des Berliner Asyl⸗Vereins für Obdachlose hielten am Dienstag ihre erste diesjährige ordentliche Sitzung ab. Aus den Berichten der Hauskura⸗ toren ist zu entnehmen, daß die Frequenz des Frauenasyls während des verflossenen ganzen Jahres sich auf durchschnittlich monatlich etwa 1000 Personen gehalten hat, im Ganzen aber wiederum gegen das Vorjahr einen nicht unerheblichen Abschlag zeigt, während in größerer Progression die Frequenz des Männerasyls gestiegen ift. Der Kurator des Männerasyls, Hr. Singer, bemerkte, daß der Zu⸗ drang zu dem Asyle, das erst um 7 Uhr Abends geöffnet wird, an einzelnen Tagen schon um die sechste Stunde ziemlich stark sei, daß jedoch dabei niemals Ruhestörunzen vorkamen, und daß noch nie⸗ mals polizeiliche Hülfe nothwendig wurde. Im vorigen Jahre wurde das Mänanerasyl von 66,437 oder pro Tag von 182 Personen besucht; am geringsten war die Inanspruchnahme im Frühling, nämlich im Juni, mit 4205 Personen, während im De⸗ zember 8333 Aufnahme fanden. Die Badevorrichtung benutzten 9131 oder täglich 25 Personen. 1872 betrug die Frequenz 36,140 Per⸗ sonen, stieg dann 1873 auf 56,782, und erlitt 1874 einen kleinen Ruͤckschlag auf 55,511 Personen. Im Frauenasyl war der Besuch am schwächsten im Februar, 929, am stärksten im Auzust, 1208; im ganzen Jahre nächtigten 12,828 Personen, darunter 326 Säuglinge, 5975 Frauen, 6809 Mädchen und 844 Kinder. Ge⸗ badet haben davon 1369 Personen. Die Frequenz der Vorjahre be⸗ trug 1871: 17,421, 1872: 18,993, 1873: 19,519, 1874: 14,414 Personen. In den letzten vier Jahren haben dem⸗ nach die ausschließlich von dem Wohlthätigkeitssinn der Ein⸗ wohnerschaft Berlins getragenen und erhaltenen Asyle insgesammt 280,724 Unglücklichen Obdach, Nahrung und Gelegenheit zur Reini⸗ gung gegeben. Das mit dem 1. April ablaufende Rechnungsjahr bringt leider ein Defizit von ca. 1000 ℳ, das durch außerordentliche Beiträge gedeckt werden muß, wenn nicht das ohnehin dürftige Kapi⸗ talvermögen des Vereins angegriffen werden soll. Es ist deshalb die Veranstaltung eines großartigen Volks⸗Gesangsfestes nach Art der Freiligrathfeier in Aussicht genommen, zu welchem die Mithülfe her⸗ vorragender Gesangskünstler, sämmtlicher Gesangs⸗, Bezirks⸗ und Handwerkervereine in Anspruch genommen werden soll. Der Vorstand hofft dadurch nicht nur einen Ueberschuß zu erzielen, sondern auch die Sache der Asylvereine dem Herzen des Publikums immer näher zu rücken. Der Rechnungsabschluß für die Zeit vom 1. April 1875 bis 1. Februar 1876 stellt sich an Ausgaben auf 17,946,41 ℳ, an Einnahmen auf 16,329,51 ℳ, darunter 8624,50 ordentliche Bei⸗ träge. Der Kapitalbestand beläuft sich auf 277,430,10

Statistische Nachrichten.

Der Evangelische Ober⸗Kirchenrath hat soeben eine statistische Tabelle veröffentlicht, betreffend die bei den evangelischen Gemeinden der 8 altländischen preußischen Provinzen und in Hohenzollern im vierten Quartal 1874 vorgekommenen Ge⸗ burten, Taufen, bürgerlichen Eheschließungen und kirchlichen Trauungen, sowie das numerische Verhältniß dieser kirchlichen Akte zu den bürgerlichen Akten. Dieselbe ist jedoch inso⸗ fern nicht ganz vollständig, als für die Rheinprovinz die bürgerlichen Akte nicht haben verzeichnet werden können, da die be⸗ treffenden Notizen aus denjenigen Theilen der Provinz, ins welchen die Civileheschließung schon früher bestanden hat, dem Königlichen statistischen Bureau erst vom Jahre 1875 ab zugegangen sind. Jeden⸗ falls wird hiermit eine Reihe statistischer Nachweise eröffnet, welche zu den wichtigsten auf dem Gebiete der kirchlichen Statistik gehören. Dieselben bilden künftig die einzigen amtlichen Urkunden, aus denen eine sichere Kenntniß geschöpft werden kann, in welchem Umfange Seitens des evangelischen Bevölkerung die 1—8 und die kirchliche Trauung nach Aufhebung des gesetzlichen Zwanges aus eigener Bewegung gesucht werden. Das von zwei verschie⸗ denen Verwaltungsorganen, den Standesämtern und dem Königlichen statistischen Bureau einerseits, und den Pfarr⸗ ämtern wie den kirchlichen Behörden andererseits zu beschaffende Ma⸗ terial hat, um eine Vergleichung der bürgerlichen und der kirchlichen Akte zu ermöglichen, örtlich und nach Zeiträumen abgegrenzt werden müssen, in ersterer Beziehung nach den landräthlichen Krei⸗ sen, in letzterer Beziehung nach Jahresabschnitten. Aber weder nach Ort noch nach Zeit decken sich völlig die bürgerlichen und die kirchlichen Akte. Trauungen finden öfters in einer anderen Parochie statt als in derjenigen, in deren Sprengel das zur Vollziehung des bürgerlichen Aktes kompetente Standesamt belegen ist; es wird daher vorkommen, daß die Nachweisungen der kirchlichen Trauungen Fälle enthalten, welche in Bezug auf den bürgerlichen Akt in die Nachweisung eines anderen Kreises aufgenommen sind. Da ferner Taufen später stattfinden, als die Anmeldung der Geburt bei dem Standesamt, so werden die Jahresnachweisungen der Ge⸗ burten stets eine Anzahl Fälle enthalten, die in die entsprechende Jahresnachweisung der Taufen noch nicht aufgenommen sind, und in den Jahresnachweisungen der letzteren werden Fälle sich finden, welche in der Nachweisung der Geburten bereits bei dem vorhergehenden Jahre aufgeführt sind. Diese nicht zu beseitigenden Schwierigkeiten werden bis zu einem gewissen Grade eine Ungenauigkeit der statistischen Ergeb⸗ nisse zur Folge haben. So weit der Grund in der lokalen Divergenz liegt, wird jedoch die Ungenauigkeit mehr und mehr sich vermindern, je größer die Gebiete sind, welche die statistische vcachwersung um⸗ faßt. Ungenauigkeiten, welche sich in Bezug auf die einzelnen land⸗ räthlichen Kreise finden, werden in der die ganze Provinz umfassenden Berechnung sich ausgleichen, viel weniger in den noch weitere Gebiete umschließenden Ergebnissen sich geltend machen. Die aus der

Divergenz der Zeit herrührenden Ungenauigkeiten werden da⸗

gegen, sofern das Mehr und das Weniger nicht schon imer⸗ halb der einzelnen Jahresnachweifung sich aufhebt, zur Ausgleichung gelangen, wenn die Resultate mehrerer Jahre zusammengestellt werden. Ist es schon im Allgemeinen für die künftige Benutzung dieser statistischen Nachweisungen von Wichtigkeit, daß der Werth der ermittelten Resultate auf das richtige Maß zurückgeführt werde, so

eben die obigen Erläuterungen zugleich für die vorliegende Nachwei⸗ ung pro 4. Quartal 1874 die Erklärung des an sich auffälligen Um⸗ standes, daß bei einzelnen Kreisen die für die kirchlichen Akte berech⸗ nete Zahl die Anzahl der vorgekommenen bürgerlichen Akte überstergt, wobei allerdings noch außerdem zu berücksichtigen ist, daß die Resuttate dieser Nachweisung überhaupt noch nicht in gleichem Maße, wie die künftigen Ermittelungen als sicher anzusehen sind, da dieselbe die Zeit des Ueberganges umfaßt und nur auf den Zeitranm eines Quartals sich ausdehnt. Das sind auch die Gründe, weshalb wir uns für diesmal auf Wiedergebung der Resultate im Großen und Ganzen beschränken. Bei der Zahl der evangelischen Bewohner der alten preußischen Provinzen in Höhe von 12,274,174 fielen 126,563 Ge⸗ burten vor, darunter 11,184 uneheliche. Von diesen Kindern wurden

118,154 getauft, unter ihnen 8119 uneheliche. Die verhältnißmäßig größten Differenzen zwischen Geborenen und Getauften weisen die Provinzen Brandenburg und Schlesien auf; die entsprechenden Zahlen stellen sich hier auf 31,708 und 25,259, sowie auf 19,692 und 16,169, während in Sachsen auf 20,800 Geburten, 18,1599 Taufen, in Pommern auf 14,631 Geburten 13,839 Taufen, in Posen auf 5789 Geburten 5127 Taufen kamen. Weiter fanden bei 28,861 bürgerlichen Eheschließungen 20,514 Traunn⸗

en statt; auch hier beträgt die Hälfte der Differenz schon die

Mark Brandenburg: bei 8158 bürgerlichen Ehen ließen nur 4272 Paare dieselbe durch die Kirche einsegnen. Ueberhaupt betrug die Zahl der Taufen 85,76 % der Geburten, die der kirchlichen Trauungen 71,71 % der bürgerlichen Eheschließungen. Beiden kirchlichen Pflichten entsprach am gewissenhaftesten die Provinz Pommern mit 94,59 und 88,12 %, am wenigsten Brandenburs mit 79,6s und 52,37 %.

„— Nach der Volkszählung vom 1. Dezember 1875 erziebt sich für Straßburg eine Gesammtbevölkerung von 94,346 Einwohner gegen 85,529 im Jahre 1871. Die Gesammt⸗Militärbevölkerung hat sich von 7670 auf 8411 erhöht.

Amerkkanischen statistischen Berichten zufolge leben in den Vereinigten Staaten excl. Alaska noch 278,963 Indianer, eine Zahl, die auf wirklicher Zählung beruht, und welche nur 9 ent⸗ fernte Stämme mit etwa 50,000. Personen nicht in sich be⸗ greift. 42,000 männliche Indianer, fast Alle Familienhäupter, leben jetzt vom Ertrage ihrer Arbeit. 19,902 Familien sind civilisirt und wohnen in Häusern, während vor fünf Jahren nur 10,329 seßhaft waren.

8 Kunst, Wissenschaft und Literatur.

Wie die „Straßb. Ztg.“ mittheilt, hat das Plenum der Universität Straßburg den Professor der Geschichte Dr. Baum⸗ garten fast einstimmig zum Rektor für die beiden folgenden Semester gewählt, Als Ersatz für den zweiten Professor der Ge⸗ schichte, Dr. Weizsäcker, welcher nach Göttingen geht, wurde, demselben Blatte zufolge, der Gießener Dozent, Dr. Scheffer⸗Boichort, gewonnen.

Zu Anfang August dieses Jahres wird der fünfte Kongreß russischer Naturforscher zu Warschau tagen. Für die Vor⸗ arbeiten zum Kongresse wurde schon im vorigen Jahre ein Comité unter dem Vorsitz des Dekans der medizinischen Fakultät, Professors Brodowskij, ernannt.

Das 2. (Februar⸗) Heft des VII. Bandes (IV. Jahrgang 1876) der „Deutschen Monatshefte“, Zeitschrift für die gesammten Kulturinteressen des Deutschen Vaterlandes, im Auftrage der Redak⸗ tion des Deutschen Reichs⸗Anzeigers und Königlich Preußischen Staats⸗ Anzeigers herauegegeben (Berlin, Carl Heymanns Verlag), hat folgenden Inhalt: Zu Artikel IV. der Verfassungsurkunde für das Deutsche Reich Die preußische außerordentliche Generalsynode 1875. Die historische Kommission in München. Die Wetterberichte der deutschen Seewarte. Zur Charakteristik der Bildungsbestrebungen der Gegenwart. Das Allemannische Haus. Der Offizier in der deutschen Dichtung. Die orthographische Konferenz. Chronik des Deutschen Reichs. Monatschronik des Auslandes für September bis November 1875: Oesterreich⸗Ungarn, Großbritannien und Irland, Frankreich, Rußland und Polen.

Das Januar⸗Februarheft (Nr. 1 und 2) der Zeitschrift für Preußische Geschichte und Landeskunde, herausgegeben von Constant. Rößler (Berlin, E. S. Mittler & S.), hat folgenden In⸗ halt: 1) Die Zeitungen im ersten Jahrzehnt Friedrichs des Großen. Von J. G. Droysen. 2) Briefwechsel zwischen dem preußischen Minister Caspar Wilhelm v. Borke († 1747) und dem Greifswalder Professor Albert Georg v. Schwartz († 1755). Herausgegeben von Dr. Herm. Müller. 3) Zeitung über die Einnahme Jülichs (durch Graf Spinola) 1622. Mitgetheilt von Professor Dr. Nordhoff.

Land⸗ und Forstwirthschaft.

Aus dem Ausschuß des deutschen landwirthschaft⸗ lichen Kongresses sind nach der „N. L. C.“ die Herren Fürft zu Hohenlohe⸗Langenburg, der als Vorsitzender, Frhr. zur Rabenau (Hessen), Scipio (Baden), Pabst (Bayern), welche als Mitglieder des Ausschusses fungirten, ausgeschieden.

Der Allgemeine deutsche Jagdschutzverein, der am 15. März seine zweite Generalversammlung in Dresden abhalten wird, zählt bereits nach einjährigem Bestehen 700 Mitglieder. Es liegt in der Absicht, statt der Geldprämien für Forstpolizei⸗ und Jagd⸗ beamte Gewehre, Hirschfänger und sonstige Jagdgeräthschaften zu vertheilen, welche an sichtbarer Stelle eine anerkennende Widmung⸗ tragen sollen.

Gewerbe und Handel.

Die Bayerische Vereinsbank legte heute 3,000,000 5 % Bodenkredit⸗Obligationen zum Course von 101 % an bayerischen. Plätzen zur Subskription auf.

Der Verwaltungsrath der Nürnberg⸗Fürther (Ludwigs⸗) Eisenbahn wird, wie die „B. Börs.⸗Ztg.“ mittheilt, der bevor⸗ stehenden Generalversammlung der Aktionäre die Vertheilung einer⸗ Superdividende von 14 % in Vorschlag bringen, so daß sich inkl. der bereits gezahlten 6 % Abschlagsdividende der Gewinn auf 20 %, stellen wird.

Nach dem Geschäftsbericht der Norddeutschen Hagel⸗ versicherungsgesellschaft pro 1875 hat sich im abgelaufem en Jahre die Zahl der Mitglieder um 1193 mit einer Versicheruns zs⸗ summe von 33,099,445 und einer Prämie von 387,014 v er⸗ mehrt. Es sind 7 neue Bezirksvereine der Gesellschaft hinzugetrecen, deren Gefammtzahl beträgt gegenwärtig 26. Das verflossene J) ahr war ein besonders hagelreiches, so daß ein Nachschuß von 15 % der Vorprämie eingefordert werden muß. Für den 7 jährigen Bestand der Gesellschaft ergiebt sich ein Durchschnittsbeitrag von 0,96 %.

Die Bremische Hypothekenbank vertheilt für das be⸗ endete 4. Geschäftsjahr eine Dividende von 6710 % oder 26 pro Aktie. Das Kapital ist durch die am 1. Mai v. J. erfoltzte Ein⸗ berufung von 10 % um 332,142 auf 1,660,714 erhöht worden, so daß während des ganzen Jahres durchschaittlich 1,550,0070 zur Verfügung standen.

Kronach, 7. Februar. ist beendigt. Die Mehrzahl der Arbeiter ist mit einer Herab- setzung des Lohnes um zehn Prozent zufrieden. Die Gendamerie- verstärkung ist abgezogen.

Wien, 9. Februar. (W. T. B.) Wie die „Presse“ meldet, wird die ungarische Regierung in nächster Zeit einen Gesetzentwurf, betreffend die Erhöhung der Garantie der Kaschau⸗Oderberger Eisenbahn um 250,000 Gulden zum Zwecke weiterer Bauten und betreffend die Emartikulirung des Uebereinkommens mit der österreichi⸗ schen Regierung wegen Theilung der Betriebsrechnungen, einbringen.

Der Grubenstrike in Stockheim