— Die Ausweise des britischen Handelsamtes für Januar ergeben eine mäßige Abnahme in dem Werth der Ein⸗ und Ausfuhr im Vergleich mit Januar 1875. Der deklarirte Gesammt⸗ werth des Exports betrug 16,654,512 £ gegen 16,986,760 ℳ£, d. i. eine Abnahme von 2 %, während sich im Vergleich mit dem entsprechenden Monat des Jahres 1874 die Verminderung auf 14 ½ % stellt. Die meisten der hauptsächlichsten- Aus⸗ fubrartikel bekunden quantitativ eine Besserung, aber in Felae der verringerten Werthe qualitativ eine Abnahme. Eisen und Stahl sind etwa 13 ½ % in der Quantität und 21 ½ % im Werth gefallen. Die Kohlenausfuhr ist um 45 % und der Export von Baumwollstoffen um nahezu 8 % quantitativ gestiegen. Der de⸗ klarirte Gesammtwerth des Imports im Januar belief sich auf 30,673,747 £ gegen 32,375,675 £, d. i. eine Abnahme von 20 %.
Die Weizeneinfuhr umfaßte 4,520,727 Ctr. im Werthe von 2,389,809 £ gegen 2,627,060 Ctr. im Werthe von 1,355,868 £ im Januar 1875. Der Baumwollimport ist von 1,917,140 Ctr. im Januar 1875 auf 1,782,069 Ctr., und qualitativ um nahezu 15 % gefallen. Thee zeigt eine Verminderung von 16 ½ Millionen Pfunden, aber Oelsaaten, Reis, Petroleum und Guano haben einen mäßigen Zuwachs aufzu⸗ weisen.
— Aus Nikolajew (Rußland) wird dem „Golos“ gemeldet, daß in der Nacht zum 21. Januar die dortige Kommunalbank
um 900,000 Rubel bestohlen worden ist.
Verkehrs⸗Anstalten⸗
Die Direktion des Norddeutschen Lloyd beabsichtigt, nach Mittheilung der „B. B.⸗Ztg.“, mit dem 1. März eine neue
Dampferlinie zwischen Bremen, Brasilien und den ga Plata⸗Staa⸗ ten ins Leben zu rufen. Zu dieser Fahrt sind die für die Tropen⸗ fahrt besonders ausgestatteten Dampfer „Hohenzollern“, „Salier“
und „Habsburg“ auserlesen, von denen erstere beide bislang in der Auf der Hinreise sollen die Dampfer, die am 1. jeden Monats abgehen werdeu, Lissabon,
New⸗Yorker Fahrt Beschäftigung fanden.
event. auch noch andere Häfen anlaufen.
Plymouth, 9. Februar. (W. T. B.) Der fällige Kap⸗
dampfer „Lapland“ ist eingetroffen.
— Ein Telegramm aus Sydney vom 5. d. meldet, daß die Schiffe „Inpestigator“ und „Edinburgh“ die Legung des unter⸗ seeischen Kabels zwischen Australien und Neuseel and be gonnen haben.
Berlin, den 10. Februar 1876. Königlich Preußische Lotterie. “ (Ohne Gewähr.) 1“ Bei der heute beendigten Ziehung der zweiten Klasse 153. Preußischer Klassenlotterie fielen: Gewinn à 6,000 ℳ auf Nr. 77,904. 2 Gewinne à 300 „ „ „ 57,809. 73,220. 8 Die Ziehung der dritten Klasse beginnt am 14. März c.
Die Ausgrabungen von Olympia. III. Bericht. (Vergl. Nr. 26 d. Bl.) 8 Die letzten Berichte der Herren Dr. Hirschfeld und Bötticher reichen bis zum 27. Januar. An der Ostfronte hat man die zweite Tempelstufe frei zu legen begonnen. Von Westen her wird der Graben in der Richtung auf den Tempel mehr und mehr vertieft, um auch hier den ursprünglichen Boden zu erreichen. Die Fundstücke, welche in der letzten Woche zu Tage kamen, sind dreierlei Art: inschriftliche Denkmäler, kleine im Boden zer⸗ streute Alterthümer, Bildwerke und Statuenpostamente. Unter den Denkmälern erster Gattung ist eine fast unver⸗ sehrte Bronzetafel, 0,55 hoch, 0,24 breit, am 21. Januar südlich von der Südwest⸗Ecke des Tempels gefunden. Sie ist mit einem Giebelfeld gekrönt und von zwei korinthischen Pilastern eingefaßt. Innerhalb derselben befindet sich eine Inschrift von 40 Zeilen, an denen kein Buchstabe fehlt; unten an der Tafel sind drei Zapfen, mit denen sie in einen Steinsockel eingelassen war. Die Inschrift ist in elischem Dialekt abgefaßt und enthält eine von den Hellanodiken ausge⸗ fertigte Urkunde, in welcher dem Damokrates aus Tenedos, einem berühmten Ringer und Olympioniken, den wir aus Pausanias und Aelian schon kennen, das Gastrecht und die Ehren eines Wohlthäters von Elis zu⸗ rkannt werden. Die Wappen von Tenedos, Traube und dop⸗ elte Axt, sind im Giebelfelde angebracht.
Eine zweite merkwürdige Inschrift fand sich am 256., 10 Meter östlich von der Südost⸗Ecke des Tempels, auf einem Marmorblock, der in eine spätere Mauer eingefügt ist. Auf der sichtbaren Kante liest man in alterthümlicher Schrift den Namen eines argivischen Künstlers, welcher, da nur der erste Buchstabe
ehlt, kein anderer sein kann als der Name des Ageladas, des Meisters, bei dem Pheidias, Polyclet und Myron gelernt haben.
Eine dritte Inschrift steht auf einer 0,30 langen ehernen anzenspitze. Es war eine Votivlanze und der Inschrift nach on den Einwohnern von Methana aus einem Kampfe mit den Lakedämoniern geweiht.
Dieses Stuͤck gehört schon zu den im Boden zerstreuten kleinen Alterthümern, welche bei dem Aufräumen vor der West⸗ seite gefunden worden sind, namentlich Waffen (Lanzen und Schienen), Nägel, vergoldete Bronzestücke, Bruchstücke von Erzgefäßen, feine verzierte Bänder aus Bronze, mannigfaltige
eine Thierfiguren und endlich eherne Gewichtstücke, von denen nun schon das zwölfte zum Vorschein gekommen ist, und zwar ein Stück von 220 Gramm, welches durch einen durchgeschlagenen Nagel als ungültig bezeichnet worden ist.
Endlich noch einige Worte über die Skulpturen, die in der letzten Woche gefunden sind. 3
Vor der Westfronte sind bis jetzt nur kleine Skulpturfrag⸗ mente zu Tage gekommen; zu den Besterhaltenen sind einige marmorne Löwenköpfe zu rechnen, welche der Traufrinne des Tempels angehören. Von Bronzestatuen fanden sich nur einzelne Glieder.
An der Ostseite gefunden sind die drei Skulpturen, deren im vorigen Bericht Erwähnung geschah; von ihnen ist die eine eine stehende ältliche männliche Figur, die andere eine gelagerte,
eren Knie mit Gewand bedeckt war. Es ist deutlich, daß diese armorwerke zu einer Gruppe verbunden, hoch aufgestellt und von der Rückseite nicht sichtbar waren.
Sie sind bei der Nike gefunden, an derselben Stelle, wo jetzt in geringer Entfernung von einander im Ganzen schon sechs Statuenreste gefunden worden sind.
Unmittelbar südlich ist das Bruchstück eines Kolosses zu Tage gekommen, welches von der Mitte des Oberschenkels bis unter die Wade 0,62 mißt.
Vor der zweiten Säule der Ostseite (von N. gerechnet) zeigen sich zwei größere Postamente, das eine aus Kalkstein mit feiner Profilirung, das andere aus Backstein, deren Verklei⸗ dung fehlt.
Am 25. fand man auf der Höhe der zweiten Tempelstufe an der Südost⸗Ecke ein kleines, aber lehrreiches Fragment der Metopentafel, welche Herakles darstellt, der den erymanthischen Eber lebend heim bringt und damit den Eurvstheus erschreckt. Es ist dieselbe Metope, die Pausanias an erster Stelle erwähnt; er hat also von der Südseite angefangen.
Der Stadtverordnetenversammlung ist jetzt die Vorlage des Ma⸗ gistrats über den von demselben beschlossenen Ankauf eines der Stadt von der Aktiengesellschaft „Berliner Neustadt“ offerirten 364,330 Q.⸗Meter großen Terrains auf der Lichtenberger Feldmark zum Zwecke der Anlegung eines städtischen Schlachthauses nebst Viehhof, zugegangen. Was den geforderten Preis anbetrifft, so hat die mehrgedachte Gesellschaft sich zu einer schließlichen Forderung von 14 ½ Thlr. pro Quadrat- Ruthe = 3 ℳ 07 ₰ pro Quadrat⸗ Meter verstanden, so daß die gesammte Grundfläche im Ganzen eine Aufwendung von 372,432 ½ Thlrn. = 1,117,297,50 ℳ erfordern würde, wovon indeß, da im Ganzen auf dem zu erwerbenden Komplex 205,480 Thlr. = 616,440 ℳ noch mehrere Jahre unkündbar hypo⸗ thekarisch eingetragen stehen, baar vorläufig nur 167,000 Thaler = 501,000 ℳ in runder Summe zu zahlen sein wür⸗ den. Mit Rücksicht darauf, daß das offerirte Terrain außer⸗ halb des städtischen Weichbildes belegen ist, hat der Magi⸗ strat auf einen Ankauf des gedachten Komplexes nur dann ein⸗ gehen zu dürfen geglaubt, falls dessen Inkommunalisirung in das
ädtische Weichbild sich ermöglichen läßt. Diese Bedingung müsse er schon um deswillen stellen, weil ohne Einführung des Schlacht⸗ zwanges in den städtischen Schlachthäusern das ganze neue Unter⸗ nehmen als ein verfehltes zu betrachten sein würde. Der Magistrat hat sich ferner ausbedungen, daß die Kassirung der das Terrain durch⸗ schneidenden, im Bebauungsplan ausgelegten Straßen an maßgebender
11““ “
des ersten
Stelle bewilligt wird. Es ist ihm hiernach der Rücktritt von dem
Kanfvertrage, für den Fall der Acceptation der oben angegebenen Of⸗
ferte, Seitens der Aktiengesellschaft „Berliner Neustadt⸗ innerhalb einer noch näher zu vereinbarenden Frist von etwa drei Monaten fůr den Fall vorbehalten: a. daß sich herausstellen sollte, daß die Kassi⸗ rung der das Terrain durchschneidenden projektirten Straßen an maß⸗ gebender Stelle nicht zu erlangen, b. auch die Inkommunalisirung des angebotenen Grundstücks nicht zu ermöglichen ist. Die für den käuflichen Erwerb des offerirten Terrains erforderlichen baaren Geld⸗ mittel würde der Magistrat zunächst vorschußweise aus den bereiten Beständen der Stadthauptkasse entnehmen. Die Erstattung dieses Vorschusses und die sonst für die neue Schlachthaus⸗ und Viehhofs⸗ anlage erforderlichen Geldmittel würden dagegen aus dem Erlöse einer demnächst neu zu emittirenden Anleihe — worüber besondere Vorlage vorbehalten bleiben muß — zu entnehmen sein. Der Magistrat bean⸗ tragt danach bei der Stadtverordnetenversammlung, zu beschließen:
Unter dem Vorbehalte, wie solcher unter a. und b. spezifizirt ist,
stimmt die Stadtverordnetenversammlung dem Ankauf des von der Aktiengesellschaft „Berliner Neustadt“ zum Preise von 14 ½ Thlr. pro Quadratruthe (3 ℳ 7 ₰ pro Quadratmeter) angebotenen Terrain⸗ komplexes zu. 8 1
Bei der am 8. vollzozenen Ersatzwahl für die Stadt⸗ verordneten⸗Versammlung im 18. Kommunal⸗Wahlbezirk (34., 39. und 81. Stadtbezirk) ist gestern der Ingenieur Richter, Gitschiner Straße 19, mit 100 Stimmen zum Stadtverordneten ge⸗ wählt worden. 10 Stimmen fielen auf den Graveur Krohn. Wahl⸗ berechtigt waren 1349 Einwohner, davon haben nur 110 = 8 ½ % an der Wahl sich betheiligt.
Ueber den Wetteraberglauben sprach am Mittwoch Prof. Dr. B. Schwalbe zum Besten des Feierabendhauses für Lehrerinnen und Erzieherinnen. Zwei psychologische Er⸗ scheinungen sind es vornehmlich, die das stete Auftreten des Wetteraberglaubens in unserem Volksleben erklärlich erscheinen lassen, die eine ist die Ideenassoziation, die andere der Schluß der Analogie; gegen beide ist, sobald sie sich einmal ‚festgesetzt haben, wenig anzukämpfen. Die speziellen Fälle, in denen der Wetteraberglaube seinen Ausdruck findet, zählen nach Tau⸗ senden. Zunächst sind es bestimmte Tage und Jahreszeiten, denen ein Einfluß auf das Wetter zugeschrieben wird; unter den Tagen spielt namentlich der Freitag eine bedeutende Rolle. Schneit es zur Lichtmesse, so bedeutet das in der Oberpfalz gutes, in Oldenburg dagegen schlechtes Wetter. Unter den Thieren sind es die Spinnen, dann auch die Frösche und die Pfauen, deren Verhalten iu Beziehung zu dem Wetter steht; auch hier geschieht es, daß eine und dieselbe Erscheinung in der einen Gegend gut, in der andern schlecht gedeutet wird. Man geht hierbei von der Ansicht aus, daß die Thiere empfindlicher den Einflüssen der Witterung gegenüber, namentlich in Bezug auf die Luftfeuchtigkeit seien, bedenkt jedoch dabei nicht, daß letztere wenig oder keinen Einfluß auf die Witte⸗ rung im Allgemeinen ausübt. Ein drittes Gebiet endlich ist das der Astrologie, durch die man gleichfalls einen Einblick in die Witterungsverhältnisse der Zukunft nehmen zu können glaubt. Hier ist es vor Allem der Mond, dem man einen beden⸗ tenden Einfluß zuschreibt; es kann uns dies an und für sich nicht Wunder nehmen, da gerade der Mond, der uns am Meisten in die Augen fallende Himmelskörper ist. Dennoch hat die Wissenschaft klar bewiesen, daß sowohl die Wärme, wie die Anziehungskraft des Mondes, beides Erscheinungen, auf denen sich dieser Glaube vor⸗ nehmlich begründete, derartig gering sind, daß ihnen unmöglich ein Einfluß auf die Witterung der Erde zugesprochen werden kann. Wenn man endlich meinte, durch sogenannte Heilmittel, wie Aufhängen einer Schlange u. dgl., das Wetter nach Gutdünken bestimmen zu können, wenn man ferner glaubte, daß das Pfeifen der Seeleute Wind, der Donner der Kanonen Regen erzeuge, so sind dies Erscheinuugen, die eines Gegen⸗ beweises nicht bedürfen. Auch die sogenannten Witterungsregeln des gewöhnlichen Lebens zeigen sich schon deswegen als trüglich, weil sie Sätze aufstellen, die allgemeine Geltung haben sollen, das Wetter aber, je nach den verschiedenen Gegenden, sehr verschieden sein kann. Viel würde in dieser Hinsicht gethan werden können, wenn man die Kalender, die der Vortragende geradezu die Träger des Aberglaubens nennt, in vernünftiger Weise abänderte; aber auch die von der deutschen Seewarte veröffentlichten Wetterberichte sind ungemein geeignet, Klar⸗ heit auf diesem Gebiete zu schaffen.
Eine Sammlung von Cremoneser Geigen, Eigenthum eines verstorbenen Hrn. Thornley aus Preston, kam vor Kurzem in London zum Verkauf. Die 26 Instrumente der Sammlung brachten einen Gesammterlös von 1197 Pfd. Sterl. ein. Am theuersten wurden zwei Geigen des berühmten Meisters Nikolaus Amati bezahlt, eine mit 110, die andere mit 115 Guineen. Ein Straduarius brachte 112 Guineen ein, für die übrigen Instrumente wurden Preise von 20 bis 72 Guineen erzielt.
Die Zahl der Londoner Clubs ist, der „A. A. C.“ zufolge, durch einen Damen⸗Club „The Victoria (Ladies) Club“, 25 Regent⸗ street, bereichert worden.
Aus New⸗York, 9. Februar, meldet „W. T. B.“: Durch ein gestern Abend hier ausacbrochenes Feuer sind 2 Hotels, mehrere Magazine und eine größere Anzahl von Wohnhäusein zerstört wor⸗ den. Bei den Löscharbeiten haben 3 Mann von der Feuerwehr das Leben eingebüßt, 5 andere wurden beschädigt; der verursachte Schaden wird auf 3 Millionen Dollars angeschlagen
v““ 8 Theater.
Rossini's Meisterwerk, die Oper „Tell“, kam am Dienstag im Königlichen Opernhause mit Hen. Wolff, vom Stadttheater zu Cöln, als Gast, der die Lieblingspartie aller lyrischen Tenöre, den Arnold, zu seinem ersten Auftreten gewählt hatte, wieder zur Auf⸗ führung. Hr. Wolff ist dem hiesigen Publikum nicht unbekannt; vor zwei Jahren war er Mitglied der Krollschen Oper, und man darf erfreut sein über die bedeutenden Fortschritte, die er gemacht hat. Sein Organ vor Allem ist das eines echten lyrischen Tenore, von schönem Kslang, genügender Höhe und hinreichender Stärke, um das große Haus zu füllen. Namentlich ist die Höhe bedeutend entwickelt und doch ist zugleich die Mittellage klangvoll; weitere Vorzüge des Sängers sind seine reine Intonation, sein fester Ton, seine klare, vollkommen verständliche Aussprache und der Umstand, daß sein Vortrag von dem immer weiter um sich greifenden Fehler des Tremolirens sich freihält. Dagegen zeigten sich noch einzelne Mängel, welche der Gast aber beseitigen dürfte, wenn er nach dieser Seite hin eifrig studirt: Die Vokale, namentlich das E und J, werden nicht genügend klar gesprochen; die Aussprache des R ist etwas mangelhaft, und vor Allem erhält der Ton in der Höhe oft eine unangenehme wie gequetscht klingende Breite. Soweit das Urtheil über den Sänger. Der dramatische Künstler bedarf noch einer viel freieren Entwickelung, wenn nicht etwa das nächste Auftreten des Gastes Zeugniß davon giebt, daß die Schuld auf die Befangenheit Erscheinens neuen Publikum fällt.
— Die Aufnahme von Seiten der Anwesenden war eine sehr freund⸗ liche; gleich nach der ersten Scene fand die Schönheit seiner Stimme lauten Beifall, der sich im zweiten Duett steizerte und ihm mehrfach die Ehre des Hervorrufs einbrachte, welche Üübrigens auch dem Frl. Leehmann (Mathilde) und den HH. Schmid t (Tell) und Frick e (Walter Fürst) zu Theil wurde. — Mit großem Applaus wurde auch die treffliche Ausführung der Ouvertüre dem unter Leitung des Hrn. Eckert stehenden Orchester gelohnt.
— Wegen Unwohlsein des Frl. Hauk kann die angekündigte Vor⸗ stellung „Die Regimentstochter“ nicht stattfinden und bleibt deshalb das Königliche Opernhaus heut geschlossen.
— Das Schauspiel „Carolina Brochi“ von Hermann Kette, wurde bei der gestrigen ersten Aufführung im Königlichen Schau⸗ spielhause sehr günstig aufgenommen. Dasselbe spielt am Hofe des Herzogs Francesco von Medici und der schönen Bianca Capello in Florenz und schildert die Schicksale der Tochter des Schuhmachers Bertuccio, Enrichetta, die als Findling unter dem Namen Carolina von dem reichen Kaufmann Brocchi an Stelle seines eigenen verunglückten Kindes erzogen wird. Als das junge Mädchen von ihrer sterbenden Amme erfahren, daß sie nicht die Tochter Brocchi's sei, entflieht sie vor seinen Mißhandlungen zu ihrem Musiklehrer, dem Geigenspieler Lorenzo, und entschließt sich, um für den stolzen Künstler und sich das tägliche Brod zu verdienen, dazu, in Männer⸗ tracht beim Tanze aufzuspielen. Bei dieser Gelegenheit erkennt sie der Herzog, dem Brecchi seinen Verlust geklagt hat, und das Bild des schönen Mädchens erfüllt so ganz sein Herz, daß er Alles in Bewegung setzt, sie an seinen Hof zu bringen. Dies gelingt ihm, und damit wird sie der Mittelpunkt einer inter⸗ essanten Intrigue zwischen der eiferfüchtigen Bianca einer⸗ und dem verliebten Herzog andererseits, welche durch die Erstere mit Hülfe Lorenzo's im entscheidenden Augenblicke glücklich gelöst wird. Bianca läßt den jugendlichen Musiklehrer, der Carolina vor dem Vater beschützt und sich damit ihre Liebe erworben hatte, in den Palast rufen und macht ihn zum Zeugen der seinem Schützling drohenden Gefahr. Aus seinem Versteck hervorspringend, tritt er zwischen Carolina und den Herzog, der darauf gelegentlich der Aner⸗ kennung seiner Gemahlin als Tochter Venedigs und der Krönung der⸗ selben zur Herzogin sich mit dieser versöhnt, dem Schuldigen verzeiht und — nachdem noch Carolina's wahre Herkunft festgestellt — sie sowohl wie Lorenzo in Gnaden nach Rom verbannt, wo der Letztere die Stelle eines Kapellmeisters bei dem Kardinal und Bruder Francesco's erhält. — Das 5 Akte umfassende Schau⸗ spiel ist mit unzweifelhaftem Geschick bearbeitet und zeugt von tüchtigem Streben und entsprechendem Fleiß in der Ausführung. Es hält in glücklicher Mischung zwischen dem modernen Realismus der Handlung und dem klassischen Idealismus der Form die Mitte. Der in glattfließenden Jamben geschriebene Dialog ist reich an gehalt⸗ vollen, gedankenreichen und poetischen Bildern, und obgleich eigentlich keine Scene etwas durchaus Neues bietet, sind dieselben doch fesselnd, weil die Situationen wahr und die Charaktere folgerecht entwickelt sind. — Die Titelrolle war in den Händen des Frl. Meyer, die Bianca gab Fr. Erhartt, den Herzog Hr. Berndal, welche für ihre Leistungen wiederholt durch Beifall ausgezeichnet wurden. Das Schauspiel ist von Hrn. Direktor Hein in Scene gesetzt, die prächtigen Kostüme von historischer Treue und namentlich der letzte Akt — Empfanz der venetianischen Nobili und Krönung der Herzogin — wirk am arrangirt. Der Dichter wurde nach dem zweiten Akt und am Schluß gerufen und erschien vor der Gardine.
— Im Nationaltheater veranstalteten am 8. d. M. Studirende der hiesigen Universität eine Vorstellung zum Besten und zu Ehren des plattdeutschen Dichters Dr. Wilhelm Schröder und hatten hierzu dessen Schauspiel „Studenten und Lützower“ gewählt. Sämmtliche Rollen waren durch Studirende besetzt, die Damenpartien befanden sich in Händen der Königlichen Hofschauspielerin Frl. Klara Meyer und des Frl. Johanna Schröder. Den Prolog sprach Hr. Studiosus Elkan. Das Stück selbst führt die ernste und heitere Seite des Jenenser Studentenlebens im Jahre 1813 vor und hat mehrere recht wirksame Scenen. Dasselbe war von Hruü. Direktor Buchholz gefällig in Scene gesetzt. Frl. Meyer spielte die hervorragendste Frauenrolle des Stücks munter und liebenswürdig. Den Conrad Holbach, Senior der Jenenser Thuringia, gab Hr. stud. phil. Boeck, Hr. stud. phil. Dürnhofer den Theodor Körner; Hr. stud. phil. Helmuthhäuser die komische Rolle des Schneider⸗ meisters. Der Zweikampf zwischen Theodor Körner und dem französi⸗ schen Gensd'armerie⸗Offizier in der Corps⸗Kneipe war trefflich arran⸗ girt. Den Schluß des Abends bildete das Charakterbild „Doktor Robin“, welches Hr. Th. Döring in Scene gesetzt hatte. Hr. Studiosus Nathanson spielte den Garrick, Frl. W. Herrmann, die erste Liebhaberin des Nationaltheaters, die Mary Jackson. Das Haus, welches mit seinem Beifall für die Darsteller nicht kargte, war fast ausverkauft; auch der materielle Zweck der ganzen Vor⸗ stellung dürfte mithin erreicht sein.
— Die Leiche des verstorbenen Geh. Kommissionsraths Wallner wird am Sonnabend oder Sonntag aus Nizza hier eintreffen und die Beerdigung dann am Montag oder Dienstag künftiger Woche stattfinden. †t
— Hermann Lingg hat sein neuestes dramatisches Werk, das Trauerspiel „Die sizilianische Vesper“, der Königlichen Hof⸗ Intendantur zu München zur Aufführung eingereicht.
— Richard Wagners „Rienzi' ist vor Kurzem in Madrid zur ersten Aufführung gelangt. Einstimmig ist die Kritik in der Aner⸗ kennung der reichen Instrumentation. Das Publikum nahm die Oper am Sonnabend mit überwiegendem Beifall auf.
— In Cincinnatti ereignete sich, wie New⸗Yorker Blätter melden, am 5. d. M. ein beklagenswerthes Unglück. Während im dortigen Theater 600 Schulkinder im Begriffe waren, vor einer ungeheueren Zuschauerschaft die Darstellung einer Allegorie der Republik zu beginnen, entstand ein falscher Feuerlärm. Dadurch wurde ein all⸗ gemeines Gedränge nach den Ausgängen verursacht, wobei elf Perso⸗ nen zu Tode getreten und sehr viele Andere verletzt wurden.
Hr. Direktor Renz, welcher behufs Ankaufs von jungen Hengsten nach der Provinz Ostpreußen gereist war, ist bereits wieder von dort zurückgekehrt und hat vier Exemplare derselben acquirirt und zwar aus dem Gestüte des Hrn. Gutsbesitzers Hecht in Amalienhof bei Trakehnen zwei schwarze Hengste, 4⸗ und 5 jährig, Abstammung aus dem berühmten Türkmanatti⸗ und Zarifblut, gekreuzt mit Block und Igel; dann einen braunen 5⸗jährigen Hengst Hassan, Araber, beide von Hrn. Gutsbesitzer Bark in Cäskeim bei Rastenburg; einen 4 jährigen braunen Hengst vom Trakehner Hengst Duduk aus einer Zarifstute. Sämmtliche Pferde gehören nach Blut und ausge⸗ zeichneter Bauart zu den besten des Landes.
Redacteur: F. remm. Verlag der Expedition (Kessel). Druck W. Elsne Vier Beilagen (einschließlich Börsen⸗Beilage).
Berlin:
Vergehen, die durch die Presse begangen werden können.
Anzeiger und Königlich
Reichstags⸗Angelegenheiten.
Berlin, 10. Februar. In der gestrigen Sitzung des Deutschen Reichstags stellte der Präsident Dr. Simson den in der zweiten Lesung abgelehnten §. 130 der Strafgesetznovelle („Wer in einer den öffentlichen Frieden gefährdenden Weise ver⸗ schiedene Klassen der Bevölkerung gegen einander öffentlich auf⸗ reizt, oder wer in gleicher Weise die Institute der Ehe, der Fa⸗ milie oder des Eigenthums öffentlich durch Rede oder Schrift angreift, wird mit Gefängniß bestraft“) wieder zur Diskussion. Der Abg. Dr. Lasker bemerkte jedoch, daß es der Praxis des Hauses widerspreche, Paragraphen, welche in der zweiten Lesung ab⸗ gelehnt worden, bei der dritten Berathung wieder zur Debatte zu stellen, wenn dieselben nicht durch den Antrag eines Mit⸗ gliedes des Hauses aufgenommen würden. Die Abgg. Miquel und Windthorst schlossen sich dieser Auffassung an.
Hierauf erklärte der Reichskanzler Fürst von Bismarck:
Ich glaube, zu den zusammenzustellenden Beschlüssen werden doch auch die ablehnenden gehören; denn sie sind auch Beschlüsse und zwar sehr einschneidende. Jedenfalls ist die Praxis, die jetzt von dem Hrn. Abg. Lasker geltend gemacht wird, für die Mitglieder der Regierungsbank eine neue und unerwartete. Es geht daraus hervor, wenn die verbündeten Regierungen hinter einem Paragraphen stehen, so ist er mit zwei Lesungen definitiv abgelehnt, wenn aber ein einzelner Abgeordneter ihn wieder aufnimmt, so widerfährt ihm die Ehre einer dritten Lesung. Wenn wir das vorher wissen und wenn das einmal feststeht, so wird die Möglichkeit sein, daß die verbün⸗ deten Regierungen unter Umständen wenigstens Einen Abgeordneten finden werden, der den Paragraphen wiederaufnimmt. Es handelt sich lediglich um die Form, und ob man darauf vorbereitet ist oder nicht. Ich bin meinerseits nicht darauf vorbereitet gewesen, daß nur die Vorlagen der verbündeten Regierungen in zwei Lesungen abgelehnt und in dritter Lesung nicht mehr aufgenommen werden.
Der Abg. Frhr. v. Rabenau beantragte nunmehr den §. 130 wiederherzustellen und der Präsident eröffnete die Dis⸗ kussion, in welcher zunächst der Reichskanzler Fürst v. Bis⸗ marck das Wort nahm:
Ich habe nicht die Absicht, meine Herren, in der dritten Be⸗
rathung den Versuch zu machen, auf Ihre beiden früheren Abstim⸗
mungen eine Einwirkung zu üben. Aber da ich den beiden ersten Berathungen Krankheits halber nicht beiwohnen konnte, so daß ich auch jetzt noch Ihre Nachsicht wegen zurückbleibender Mattigkeit in Anspruch zu nehmen habe, so entnehme ich aus der ziemlich ein⸗ stimmigen Verwerfung dieser und anderer Paragraphen eine gewisse Verpflichtung der verbuͤndeten Regierungen und meiner, namentlich gegenüber einem so einstimmigen Verwerfen, die Motive einigermaßen zu rechtfertigen, die die verbündeten Regierungen überhaupt dahin gebracht haben, derartige Anträge zu stellen, ohne daß sie in dieser Sitzung auf eine Annahme sich wesentlich Hoffnungen machten.
Ich bin dabei nicht der Ansicht, wie ein verehrtes Mitglied der Fortschrittspartei, das bei Gelegenheit der ersten Berathung ausge⸗ sprochen hat, daß verantwortliche Minister überhaupt Anträge nicht einbringen dürften, deren Annahme sie nicht voraussähen. Einmal ist das unmöglich, und fehlt uns die Prophetengabe; dann aber ist, wie ich glaube, mit Proklamirung eines solchen Prinzips der monarchische Boden verlassen und der der republikanischen Selbst⸗ regierung der gesetzgebenden Versammlung betreten.
Ich würde dann, wenn ich diesen Satz annehmen müßte, nicht mehr Mixvyister des Kaisers sein, sondern Minister der Versammlung.
Es ist das eben ein wesentlichts Unterscheidungsmerkmal der republikanischen und monarchischen Verfassung, in der wir im Reiche leben. Ich vindizire uns das Recht, auch solche Anträge einzubriegen, von denen wir mit ziemlicher Wahrscheinlichkeit voraussehen, daß sie verworfen werden, um eine Diskussion darüber anzuregen in diesen Räumen und im Lande, eine Diskussion, die, wie ich schon früher bemerkte, sich jahrelang hinziehen kann, — und um unter Umständen von einem Reichstag zum anderen zu appelliren, bis etwa die Ueber⸗ zeugung in der Regierung sich ändert.
Ich fühle mich danach verpflichtet, Ihnen darzulegen, wie die Schäden, denen wir abhelfen wollten, sich aus der ministeriellen Per⸗ spektive darstellen, und warum wir Abhülfe erstreben. Vielleicht fin⸗ den wir dabei auch Mittel, die zur Abhülfe dieser Schäden außer⸗ halb dieses Saales dienen können, und die anzuwenden jeder von uns 82 der Lage ist, ohne daß es dazu eines Aktes der Gesetzgebung edarf.
Es handelt sich um verschiedene Mißbräuche und verschiedene Im wesent⸗
lichen kommt es mir augenblicklich darauf an, die Schäden näher zu beühren, die durch Verbreitung erdichteter und entstellter Thatsachen unserem Gemeinwesen zugefügt werden. Ich erwähne in erster Linie dabei die auswärtigen Verhältnisse, die Entstellung der Sachlage in Bezug auf Krieg und Frieden. Lassen Sie mich mit kurzen Worten
die Kriegslügen nennen, die seit zwölf Jahren, ja seit länger, die
ängstlichen Gemüther verwirrt und nicht unwesentlich dazu beigetragen haben, daß die Geschäfte so darniederliegen, wie es der Fall ist, — nicht weil durch solche Zeitungsartikel Krieg wirklich herbeigeführt wird, sondern weil die Leichtgläubigkeit der Leser und die Furcht derer, die verlieren könnten, so groß ist, daß sie daran glauben, und daß diese permanente Kriegslüge auf das Geschäftsleben wesentlichen Eindruck macht. Wie alt diese Lüge ist, ist mir zufällig an einem Blatte aufge⸗ fallen, — es ist das ein belgisches Blatt, das im Jahre 1863 er⸗ schienen ist. Da wird gesagt: On se dit à l'oreille à Berlin, que l'hiver de 1863 verra éclore une nouvelle quadruple-alliance. La Prusse, la France, l'Italie et la Suède en seraient les membres. On obtiendrait l'adhésion du Danemarc en lui abondennant qdéfinitivement le Sleswig et le Holstein. La Suède recevrait la Finlande; la Pologne rentrerait dans les limites de 1770, — eine Jahreszahl, die geschichtlich ungenau ist —; l'Italie aurait Venise; la France Mayence, Cologne, et peut-être Bruxelles. Enfin, la Prusse absorberait toute l'’Allemagne, voir méême la Hellande. Da finden wir also den ersten Ursprung all dieser Hetzereien in Bezug auf das uns sehr befreundete und durch beiderseitig friedliche Gesinnungen geschützte Holland. In vielen Blättern hat sich diese Lüge durch viele Jahrgänge hindurchgezogen. Dabei ist es nicht ge⸗ blieben. Sie wissen, daß bald darauf nach dem Frieden mit Oester⸗ reich der französische Kriegslärm folgte, ein Krieg, der schließlich doch durch uns nicht begonnen wurde, und seit dem nun sind wir ununter⸗ rochen verdächtigt worden. So viel ich mich erinnere, hieß es im Jahre 1871, wir würden nun die Ostseeprovinzen von Rußland er⸗ obern wollen; es waren vorzugsweise polnische Blätter, die ja jeder⸗ zeit gern in der Aussicht schwelgen, daß ein Krieg zwischen Deutsch⸗ land und Rußland ausbrechen werde. Dann kamen die Verleumdun⸗ en, als dächten wir an einen Krieg gegen Oesterreich; und dann kam bis zum Kulminationspunkt im vorigen Frühjahr dieser Kriegs⸗ lärm auf Grund einiger Zeitungsartikel, welche ein das Wunderliche noch b Maß von Leichtgläubigkeit gefunden haben. 1 „Daß bei allen solchen Entstellungen der Wahrheit das Wort ‚„offiziöse Zeitung“ eine große Rolle spielt und wesentlich gemißbraucht wird,
das hat mich namentlich veranlaßt, Werth darauf zu legen, bei dieser
Erste Beilage
Berlin,
Donnerstag, den 10. Februar
Gelegenheit das Wort zu ergreifen und über diesen Schwindel, der
mit dem Worte offiziös getrieben wird, meine offene Verurtheilung auszusprechen.
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Preußisch nzeiger.
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Es ist ja nicht zu leugnen, daß jeder Regierung, besonders in
einem großen Reiche, die Unterstützung der Presse, ihrer Interessen und Wünsche in der Presse auch auf dem Ge⸗ biet der auswärtigen Politik wünschenswerth sein muß. Es ist deshalb wohl natürlich, wenn die Regierungen sich für solche Dinge, die sie nicht gerade in ihrem amtlschen Moniteur sagen wollen, in irgend einem befreundeten Blatte so viel weißes Papier reserviren, wie sie brauchen, um gelegentlichst ihre Meinung zu äußern. Als solches Blatt war früher die Norddeutsche Allgemeine Zeitung der Regierung von ihren Eigenthümern, aus reiner Ueberzeugung, ohne Geldunter⸗ stützung — die Eigenthümer waren ihrerseits wohlhabende Anhänger der Regierungspolltik — in freundlicher Weise zur Disposition gestellt. Die Regierung hat das Anerbieten benutzt; die Zeitung hat vielleicht auch Vortheil gehabt von dieser Anlehnung, — aber wie macht sich nun eine solche Benutzung? Die meisten Leute nehmen an, daß alle Artikel, die in einem solchen Blatte stehen, gewisse-maßen von dem Minister selbst geschrieben, wenigstens von ihm durchgelesen werden, so daß er für jeden Wortlaut verant⸗ wortlich gemacht werden kann; und darin liegt eben die Gefahr, die mich zuletzt nöthigte, auf die Annehmlichkeiten, die es hat, seine Meinung in der Presse außeramtlich zu vertreten, absolut zu verzichten. Es kam in der Zeit, wo diese Verbindung noch bestand, vielleicht durchschnittlich in der Woche einmal, manchmal zweimal, manchmal auch öfter vor, daß ich das Bedürfniß hatte, irgend eine Meinung ausgesprochen zu sehen, irgend eine Nachricht mitzutheilen. Wie ist dabei der Geschäftsgang? Der Minister hat einen vortragenden Rath, dem er den Auftrag giebt: bitte, selen Sie so gut und schreiben Sie oder lassen Sie schreiben einen Artikel, einen Bericht. Ist die Sache sehr wichtig, oder hat man ausnahms⸗ weise wenig zu thun, so sieht man ihn wohl durch; sehr selten kommt es vor, daß man ihn selbst redigirt, und ich glaube, mit einem guten Willen wären die von mir redigirten Berichte wohl kenntlich gewesen. Das kam aber sehr selten vor. Nun entspinnt sich denn eine Ver⸗ bindung zwischen den Organen des Ministeriums und dem Blatte; es werden auf Grund derselben auch andere Nachrichten mitgetheilt, die gerade nicht auf Auftrag des Ministers mitgetheilt werden, aber mitgetheilt werden dürfen und können. Das muß noth⸗ wendiger Weise dem Ermessen der einzelnen Geschäftsmänner einigermaßen überlassen werden. Daß nun aber der Minister für die gesammte Arbeit seines Raths, wenn er auch zu ihm ein erhebliches Vertrauen hat, daß er die Sache so fassen werde, wie es wünschenswerth ist, verantwortlich gemacht werden kann, das ist schon sehr schwierig. Aber das reicht ja nicht aus; es kann in einem solche Mittheilungen enthaltenden Blatte stehen, was da will, was die Redaktion als Lückenbüßer hineinsetzt; — der Rath schreibt ja auch nicht alles selbst, sondern zu ihm kommen Zeitungskorresponden⸗ ten, er steht auch selten mit der Redaktion in Ver⸗ bindung — es kommt der Korrespondent zu ihm und bringt ihm den Artikel zur Durchsicht, — vielleicht auch nicht; selten geht er selbst hin. Sowie das Blatt einen offiziösen Ruf mit Recht hat, so heitt es von allem, was darin steht, auch von allem, was in anderen Blättern steht, die nur ein einziges Mal ein communiqué erhalten haben: „ein Blatt, welches den Regierungs⸗ kreisen naäͤher steht“, — „ein Blatt, welches bekanntlich amtliche Mittheilungen erhält“, — und in ranzösischen Zeitungen eiafach: „la feuille de M. de Biswarck“; — da ist es so gut, als wenn es im Staats⸗Anzeiger gestanden hat. Nun sind die Nachtheile, wenn aus Irrthum oder noch öfter aus bösem Willen, ohne irgend einen anderen Zweck, als die amtliche Politik zu schädigen, Nachrichten als offiziös bezeichnet werden, die es gar nicht sind, sehr erheblich. Sehr oft ist es auch nur die Absicht des Zeitungsschrei⸗ bers, seiner Meinung ein Relief dadurch zu geben, daß er Nachrichten, die er bekämpft, als offiziös bezeichnet. Sonst würde das lesende Publikum gar nicht begreifen, warum der Mann das schreibt, oder er würde wenigstens keine Kompetenz haben, gegen eine erfundene Be⸗ hauptung zu schreiben; sowie er aber die zu widerlegende Behaup⸗ tung als offiziös aufstellt, so tritt er dem Reichskanzler persönlich gegenüber und macht seine Darlegung damit wichtig. Es hat keine Dummheit gegeben, die man mir auf diese Weise nicht imputirt hat durch das einfache Wort „offiziös“; und deshalb ergreife ich diese Gelegenheit, um auf das bestimmteste zu erklären, daß es kein offi⸗ ziöses Blatt des Auswärtigen Amts giebt, auch keine offiziöse Mit⸗ theilungen und Artikel an irgend ein Blatt ergehen, und daß ich Jedem, der irgend etwas als offiziös vom Auswärtigen Amte aus⸗ gehend bezeichnet, von Hause aus erkläre, er verbreitet „erdichtete oder entstellte Thatsachen“, er sagt die Unwahrheit, und, wenn ich mich hart ausdrücken will, er sucht eine Lüge in Kurs zu setzen. Jeder, der Artikel offiziöse des Auswärtigen Ministeriums nennt, der muß sich nach dieser meiner Erklärung bewußt sein, daß er lügt; es giebt kein offiziöses Blatt für mich. Ich bin der Unbilden und der Mißbräuche, die seit Jahr und Tas damit getrieben worden sind, müde geworden. Es ist für mich, ich gebe es zu, sehr unbequem, daß ich nur im Staats⸗Anzeiger, unter Umständen in einem anerkannt offiziösen und offiziös bleibenden Blatte, der Provinzial⸗Correspondenz, eine Meinung zur öffentlichen Kenntniß bringen kann; indessen bin ich da wenigstens sicher, daß keine anderen Kukukseier mir daneben gelegt werden und ich da nur für das verantwortlich gemacht werde, was entweder ich oder einer meiner Kollegen wirklich zu vertreten haben. Dieser Beisatz „offiziös“ und diese Verdächtigungen irgend eines Blattes, je nachdem man es gerade braucht, als eines subventionirten, durch das Wort „Reptilie“, ist ja eine wirksame Hülfe in der publizistischen Diskassion. Das Wort „Rep⸗ tilie“, „Reptilienvater“, „Reptilienpresse“ in der Meinung, wie es ge⸗ braucht wird, kommt mir immer vor, als wenn Leute, die mit dem Gesetze in Konflikt treten, auf die Polizei schimpfen und sie Diebsjäger und dergleichen nennen. „Reptilie“ — wie entstand das Wort? Unter Rep⸗ tilien verstanden wir die Leute, die in Höhlen — bildlich gedacht —, kurz und gut in verwegener Weise intriguiren gegen die Sicherheit des Staats, und man hat das nun umgedreht und nennt jetzt Rep⸗ tile diejenigen, die das aufzudecken streben. Mit diesem Sprach⸗ sebrauch will ich nicht rechten. Es ist ja ganz einerlei; ich erkläre nur, daß es Reptile des Auswärtigen Amts in dem Sinne, wie Geg⸗ ner den Ausdruck gebrauchen, absolut nicht giebt.
Es ist allerdings sehr leicht, einem Artikel einen offiziösen An⸗ strich zu geben, wenn er gewisse Mittheilungen enthält, von denen man sicher sagen kann, daß eine Zeitungsredaktion oder der Zeitungs⸗ korrespondert sie in dieser Eigenschaft nicht hat erfahren können, da sie nur von amtlicher Stelle herrühren können; — wenn solche Mit⸗ theilungen in zwei, drei Zeitungen gleichzeitig erscheinen, dann ist es für jeden Unbefangenen, der das Geschäftsverhältniß nicht kennt, Beweis genug, daß man es hier mit einer „offiziösen“ Mittheilung zu thun hat. Das ist auch in gewissem Grade richtig, nur nicht offiziös in Bezug auf das Deutsche Reich, das sind offiziöse Mitthei⸗ lungen von Korrespondenten anderer Regierungen, von fremden Diplo⸗ maten. Es ist ja für jede Gesandtschaft in jedem Lande eine An⸗ nehmlichkeit, wenn sich zu ihr ein Zeitungskorrespondent heranfindet, oder auch mehrere, und sagen: Wenn Sie etwas in der Presse zu vertreten haben, sagen Sie es mir; ich verlange kein Geld, aber wenn Sie mir ab und zu Nachrichten geben — ja diese Nachrichten werden dem Korrespondenten manchmal von den Redaktionen theuer bezahlt und sind für ihn eigentlich Geld, und so ist es natürlich, daß sich ein Gewerbe ausbildet von Zeitungskorrespondenten, die, ohne daß
die Vertretung
riplomatische Verbindungen hat, Zeitangen zugleich angewandt wird, — das ist ihm ja
1876.
ich sie auch nur des mindesten Grades von Landesverrath beschul⸗ digen wollte, durch ihr Gewerbe in Verbindung mit ausländischen
Was in wissen
Diplomaten matischen
geführt werden. Corps Einer weiß, das
irgend
meistens auch die Anderen, iadem auch da ein gewisser Austausch der N. man sich gegenseitig die Berichte füllt, wohl stattfindet.
einem diplo⸗
ꝛchrichten, damit Also ein
solcher Korrespondent braucht nur mit einer Gesandtschaft in engerer Bezichung zu stehen, der ab und zu den Gefallen zu thun, eine Sache, die der Gesandtschaft am Herzen liegt, zu verfechten oder zu vertreten,
natürlich so, wie es seiner politischen der Gesandte, insoweit er nicht
sehr gern dafür Nachrichten breiten will, und wird so ein entstanden sein, wo man sich sagt:
eberzeugung entspricht, so wird mit Geldern ausgerxüstet ist, oder soiche nicht genommen werden, um seiner Regierung Dienste zu leisten, in den Kauf geben, die anscheinend offiziöser
das muß von der Regie⸗
er ver⸗ Artikel
rung kommen — wer anders soll das wissen? sonst würde es auch nicht in drei, vier Zeitungen zugleich stehen, — während letzteres
blos daher rührt, daß ein gesuchter,
1 geschickter Korrespondent, der sehr leicht von drei,
vier und mehr auch zu gönnen,
wenn nur die Nachrichten, die auf diese Weise verbreitet werden, immer richtig wären; denn der Gesandte sagt zu einem jolchen Herrn niemals alles, was er weiß, sondern nur dasjenige, von dem er
wünscht,
daß es geglaubt und öffemlich bekannt werde, und so ent⸗
steht, zum Nachtheil der Regierung, dieser offiziöse Schein.
Daß Entstellungen der Thatsachen
in Bezug von Krieg und
Frieren nachtheilig auf Handel
auf die Lage und Verkehr
wirken, ist ja ganz klar, und ich schreibe einen großen Theil der Stagnation in den Geschaͤften diesen Exzessen der Zeitungen zu. Aber die eigentliche Schuld liegt doch an der wunderbaren Leichtgläubigkeit
und an der Sensatibusbedürftigkeit der Leser.
Namentlich die deut⸗
schen Leser mögen ernste, sachlich geschriebene, belehrende Artikel über innere Angelegenheiten, die uns doch zunächst interessiren, nicht lesen.
Keiner liest die gern, und schreiben mögen weniger gern, das erfordert Anstrengung
beim Schoppen gelegentlich verrichtet, und von anregende Unterhaltung, vor allen Dingen aus dem Auslande erwartet. ländischen Artikel und der leichtgläubige Hunger nach
matischen Nachrichten entschuldigt die Zeitungsredaktionen,
Fehler des lesenden Publikums. tungen sind noch neu; hoffen wir, daß
etwas Die übertriebene Ausdehnung der aus⸗
die Redaktionen sie noch we r erft und Arbeit. Zeitungen sollen politische Unterhaltungslektüre sein,
Deutsche die man eben der man eine Neues weit
fremden diplo⸗ es ist der
Unsere parlamentarischen Einrich⸗ e die Wirkung haben, das
si Interesse der deutschen Zeitungsleser mehr als bisher den inneren
deutschen Angelegenheiten zuzuwenden, daß
scher Deputirter in Carcassonne gesprochen hat,
1 . wir namentlich in Tele⸗ grammen nicht mehr damit behelligt werden, was irge 8 9 9
nd ein französi⸗
während es hier
mehr von Interesse wäre, zu hören, was in Breslau oder Königsberg
vorgekommen ist.
Die Zeitungen beschäftigen sich für meinen Geschmack — ich
kann keine finden für meinen Geschmack,
die sich hinreichend mit
inneren Angelegenheiten beschäftigte — sie sind mit ausländischen
überfüllt dem Leute an den Börsen, und das ist schlimm genug. wird durch Zeitungsartikel niemals herbeigeführt.
Der Schaden, von dem ich rede, trifft die leichtgläubigen Der In neueren Zeiten ist
Krieg aber
durch Wortstreitigkeiten wohl schwerlich je ein Krieg entstanden, und selbst der französische Krieg von 1870, an dem scheinbar die Presse
einen großen Antheil hatte, aber nur die Regierungs
presse, ist ganz
gewiß nicht von der Presse gemacht, sondern nur von der damaligen
kaiserlichen Kamarilla.
Zeitungsprefse an sich hätte es nie zum Kriege getrieben.
Mensch Krieg, und vorigen
hin führt kein Beängstigung der Börse im einiger durchaus nicht Post“, um sie beim Namen zu nennen, für die nes Wissens niemals einen Artikel schreiben wenigsten den, der
tungsartikel
Gefühl hat,
im - Frühjahr offiziöser Blätter, — ich
einen Art schreiben lassen, am „Krieg in Sicht“ überschrieben war, — aber ich habe den Artikel nicht getadelt, denn ich finde, wenn
Er spukte schon 1867 vor, und die ganze
Auf Zei⸗ wer für die die Artikel meine habe ich mei⸗ aller⸗
man da
daß in irgend einem Lande eine Minorität zum Krieg
treibt, dann soll man recht laut schreien, damit die Majoritat darau aufmerksam wird; denn die Majorität hat gewöhnlich keine Neigun
zum Kriege,
ganz gewiß nicht des Kriegs, der Brandlegung nicht zuerst Feuer schreit.
der Krieg wird durch Minoritäten oder, Staaten, durch Beherrscher oder Kabinete entzündet.
in absoluten Aber der ist
Brandl nicht verdächtig, der Wenn es wirklich einen Minister gäbe, der aus
irgend einem gänzlich unbegründeten Zwecke zum Kriege drängern
wollte, der würde es doch wahrlich ganz anders daß er zuerst in der Presse Lärm schlüge,
anfangen, als damit würd
er nur die Löschmannschaft rufen; vor allen Dingen müßte er doch
die Zustimmung seines Souveräns zu gewinnen suchen.
Ohne daß
Se. Majestät der Kaiser mobil macht und Krieg erklärt, kann auch
der geschickteste und das hööchste Vertrauen
uns — er mag so kriegerisch sein wollen, wie er
genießende Minister bei
will — nichts
machen; er kann mit seinen kriegerischen Gelüsten ohne den Kaiser
niemals aufkommen.
Dann kommt weiter hinzu, wenn nun Se. Majestät der Kaiser
und sein Minister einig wären, einen Krieg Se. Majestat der Kaiser — er hat Kriege er hat sie ungerne geführt, sich schwer dazu hat großen Ruhm darin erkämpft — ist in
führen
zu führen — müssen, entschlossen, er einem Alter,
wo man gewöhnlich nicht Händel sucht; also kein Mensch wird
glauben, daß Se. Majestät der Kaiser kriegslustig ist.
So lange er
das aber nicht ist, so ist ja Alles, was man von einem kriegslustigen Minister spricht, Windbeutelei und bewußte Entstellung der That⸗
sachen, und alle Aengstlichkeit darüber eine affektirte,
die nicht wirk⸗
lich ist. Dann aber denken Sie sich, meine Herren, meine Lage, wenn
ich vor einem Jahre hier vor Sie getreten wäre und
hätte nun ähn⸗
lich wie anno 1870, wo wir von Frankreich angegriffen waren, Ihnen auseinandergesetzt: meine Herren, wir müssen Krieg führen, ich weiß Ihnen eigentlich einen ganz bestimmten Grund dafür nicht anzugeben,
wir sind nicht angegriffen und nicht beleidigt, gefährlich, wir haben mehrere mächtige Armeen die französische Armee reorganisirt sich in
aber die Situation ist en zu Nachbarn, einer
Weise, die
in der That beunruhigend ist, ich verlange von Ihnen eine Anleihe
von 200 Millionen Thalern oder 500 Millionen Mark Würden Sie da nicht sehr geneigt gewesen sein, Arzte zu schicken, um untersuchen zu lassen,
n, zunächst nach dem wie ich dazu käme, daß
um zu rüsten.
ich nach meiner langen politischen Erfahrung die kolossale Dumm⸗
heit begehen könnte, so vor Sie
zu treten und zu sagen: es ist
möglich, daß wir in einigen Jahren einmal angegriffen werden,
damit wir dem nun zuvorkommen, fallen unsere Nachbarn her und hauen sie sich vollständig erholen, — gewissermaßen Besorgniß vor dem Tode, und das haglichen, ruhigen Stellung, wo kein
Meensch was eigentlich für ein casus belli vorliegen
könnte.
wir rasch zusemmen, ehe sie naßen Selbstmord aus inmitnen einer gen Fe⸗ a
über
gewußt hätte, Wenn Sie die
Sache bei Licht besehen, so werden Sie sich ja überzeugen, daß es für
einen Kanzler, der einsam verantwortlich irt, ein recht
schweres Unter⸗
nehmen sein würde, vor einer friedlieber den Bevölkerung — und das ist die dentsche in hohem Maße, so lange sie nicht angegriffen wird
— mit
einer so unerwarteten Kriegszumuthung zu erscheinen. Wir
haben nichts zu erobern, nichts zu gewinnen, wir sind zufrieden mit
dem, was wir haben, und es
d 1 ist Verleundung, irgend einer Eroberungssucht, 1
wenn man uns
einer Ausdennungssucht beschuldigt. —
Also vor eine friedliebende Bevölkernne hinzutreten und zu sagen;
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