ein Staatsinstitut ist, was auf einem Spezialgese Aenderung nicht durch einen einfachen Antrag herbeigeführt werden kann. Das Seehandlungsinstitut, meine Herren, ist eine der Eigenthümlichkeiten des preußischen Staatswesens, und wenn mir die Aufgabe gestellt würde, diese Eigenthümlichkeit rein aus philosophischen Gründen be⸗ gründen zu sollen, wenn mir die Pflicht auferlegt würde, die absolute Nothwendigkeit nachzuweisen, daß der Staat ein solches Institut haben müsse, dann würde ich vor dieser Aufgabe zurückschrecken. Wesent⸗ lich anders, meine Herren, steht aber die Sache, wenn wir uns fragen: was hat dieses Institut bisher geleistet? Hat es Nutzen oder Schaden gebracht? Dann wird die Antwort, wie ich glaube, bei unbefangener, gerechter Prüfung unbedingt dahin ausfallen müssen, daß dieses In⸗ stitut dem Staate sehr großen Nutzen gewährt hat, und daß der Schaden, den es verursacht haben soll, erst nachgewiesen werden müßte. Freilich, meine Herren, würden wir uns nicht darauf ein⸗ lassen können, wie es bei der heutigen Erörterung so viel⸗ fach geschehen ist, Seehandlungsinstitut und Staat gleichsam identifiziren zu wollen. Das ist eine Auffassung, die natür⸗ lich keine Berechtigung hat. Die Seehandlung ist ein kaufmännisches Institut; die Seehandlung ist der Bankier des Staa⸗ tes; und Alles, was dieser Bankier des Staates thut, darf natürlich niemals eine solche Handlung in sich schließen, die des Staates un⸗ würdig wäre; aber nicht für jede Operation der Seehandlung kann der Staat als solcher verantwortlich gemacht werden, sonst würde die ganze Stellung der Seehandlung völlig umgewandelt werden; dann würde man ja nicht mehr von einem Seehandlungsinstitute zu reden haben, sondern es würde ein verantwortlicher Finanz⸗Minister für jede einzelne Handlung einstehen müssen, die eine solche Central⸗ stelle vornehmen möchte.
Nun, meine Herren, ist darauf hingewiesen worden, daß sich in neuerer Zeit eine Menge von Klagen und Verdächtigungen an dieses Institut geknüpft hätten. Da möchte ich fragen: was ist denn noch eigentlich überhaupt in neuerer Zeit gegen Klagen und Ver⸗ dächtigungen geschützt gewesen? War das irgend ein Institut, war das irgend eine Person? Wenn der Hr. Abg. Nasse z. B. auf die Klagen hingewiesen hat, die angeblich an der Börse darüber geführt werden, daß die Seehandlung Lombarddarlehne gegeben und dann plötzlich die Kredite zurückgezogen habe, so kann ich nur versichern, daß zwar diese Klagen geführt sein mögen; denn zu den Geschäften der Börse und ihrer Anhänger gehört ja natürlich immer wieder eine bestimmte Richtung; es giebt Speku⸗ lanten à la baisse und Spekulanten à la hausse, und die Nachrichten, die in manche Blätter kommen, dienen bald dem einen, bald dem andern Interesse, und daß da ein solches Institut gewissen Anfeindun⸗ gen ausgesetzt ist, kann nicht weiter Wunder nehmen; ich würde auf diese Anfeindungen nur dann Werth legen, wenn sich nachher heraus⸗ stellen sollte, daß die Anfeindungen selbst begründet waren.
Ferner, meine Herren, ist Seitens des Hrn. Abg. v. Kardorff der Satz aufgestellt worden, ein Institut wie die Seehandlung sei mit den Aufgaben und Zwecken der Reichsbank nicht in Einklang zu bringen. Ich halte diese Auffassung für eine durchaus irrige. Wenn in der Kommission, wie hier erzählt worden ist, versichert worden sein soll, daß die Seehandlung bei ihren Diskontirungen sich nicht nach dem Diskont der Bank richte, so kann ich mir das nur erklären, daß vielleicht die Frage nicht richtig gestellt worden sein mag. Es versteht sich ja von selbst, daß eine jede Diskutirung ohne Ausnahme Seitens der Seehandlung von dem Diskontsatz der Bank sich niemals loslösen kann; es gilt das für die Seehandlung, wie für jeden Privatdisconteur; es gilt das in eben⸗ demselben Verhältniß, wie meinetwegen der Diskontosatz, den die englische Bank aufstellt, niemals ohne Einfluß bleibt auf die Dis⸗ kontirung am öffentlichen Markte. Freilich, meine Herren, hat man dieses Verhältniß sich nicht so zu denken, als wenn die Diskontirung am öffentlichen Markt immer und unbedingt den Normen folgen müsse, die ein großes Bankinstitut zu stellen sich veranlaßt sieht; aber, meine Herren, es würde das für uns nicht ein Fortschritt sein, wenn die konkurrirende Diskontir⸗ thätigkeit in unserem Staate, die lange nicht genug ausgebildet ist, die in Zukunft einer viel größeren Ausdehnung entgegengehen muß, wenn die nunmehr auch Seitens der Seehandlung eingestellt werden sollte. Wenn Sie Ihren Blick nach dem Sitze des Geldmarktes richten, meine Herren, wenn Sie nach der Lombard⸗Street von London gehen, so werden Sie finden, daß der Kapitalienüberfluß, der disponible Geldüberfluß, bestimmend ist für den Diskontosatz, und daß die Bank von England in mancher Rich⸗ tung sich dieser Einwirkung entziehen kann, aber auf die Dauer nicht, und daß die Privatdiskontirungen es sind, die zuletzt die Bank mit absoluter Nothwendigkeit zwingen können und zwingen müssen, ihnen zu folgen. Da haben wir nun in unserem lieben Vaterlande einen langen, langen Weg zurückzulegen, bis daß für uns ein ähnliches Verhältniß entstände. Aber, meine Herren, wer es mit unserem Bankwesen aufrichtig meint und wer wünscht, wie ich es auf das Lebhafteste thue, und, wie ich glaube, auch zu verschiedenen Malen bethätigt habe; wer wünscht, daß eben die Ban verhältnisse auf völlig gesunden Grundlagen beruhen, der kann nur auf das Lebhafteste wün⸗ schen, daß man in Berlin neben dem Bankinstitut mächtige Häuser haben möge, die aus dem Diskontiren ein Geschäft machen und die den Preis des Geldes mit normiren können. Weit entfernt also, daß
die Seehandlung in dieser Hinsicht ein Hinderniß wäre, würde im Gegentheil möglicherweise eine verkehrte Richtung Unterstützung finden, wenn auch dieses Bankhaus vom Schauplatz hier verschwände. —
Meine Herren! Diese Fragen des Geld⸗ und Bankwesens haben mich lange Jahre hindurch beschäftigt, und ich bitte, schon mir zuzu⸗ trauen, daß, im Eifer das vorhandene Institut zu vertheidigen, ich mich nicht hinreißen lassen würde, einen Satz aufzustellen, wie ich ihn oben aufgestellt habe, wenn ich nicht von seiner vollständigen Wahr⸗ heit und Richtigkeit durchdrungen wäre.
Nun, meine Herren, hat der Hr. Abg. v. Kardorff sich zu der Behauptung verstiegen, daß Niemand mehr als die Seehandlung an allen den weit ausgedehnten Spekulationen und Gründungen die Schuld trage, und er hat zur Begründung dieser Behauptung wie mir scheint, nicht das Mindeste anzuführen gewußt. Daß in einem Zeitpunkte, wo Deutschland von Frankreich eine Kriegskontri⸗ bution von 5 Milliarden zu beziehen hatte, in einem Zeitpunkt, wo ganz Europa sich daran betheiligen mußte, die Zahlungsmittel aufzu⸗ treiben, womit man Deutschland befriedigen konnte, daß in einem solchen Zeitpunkte nicht immer alles schnurgerade gegangen ist, daß man nicht ganz genau hat übersehen können, wo vielleicht ein zu großes Uebergewicht sich hinwendet, wo vielleicht die Spekulation falsche Bahnen ein⸗ schlägt und wo vielleicht es geboten wäre, der Spekulation mehr Hindernisse als Förderung in den Weg zu legen, das wird ja jeder
Billigdenkende von vorneherein zugeben. Wenn Sie aber die Geschäfte verfolgen, welche die Seehandlung während dieses Zeitabschnittes gemacht hat, worin haben sie denn hauptsächlich bestanden? Lange Zeit hindurch in der Vermittelung der Geldoperationen, welche die Reichsfinanz⸗ verwaltung — und ich will in Parenthese bemerken, ich bitte, wenn ich diesen Ausdruck gebrauche, auch in die Reichsfinanzverwaltung mich einzuschließen — hat machen müssen, um die Werthe zu reali⸗
siren, die ihr an Zahlungsstatt überwiesen wurden. Die See⸗ handlung hat dafür sorgen und dazu mitwirken müssen, die erste Anleihe, die theilweise auch im Auslande ihr Unterkommen gefunden hatte, zurückzuzahlen, sie hat dazu mitwirken müssen, um das Kapital den inländischen Unternehmun⸗ gen zuzuführen. Nun weiß ich sehr wohl, daß, wenn man gegenwär⸗ tig von Eisenbahnunternehmungen spricht, gleichsam eine Art Makel darauf ruht, daß man überhaupt sich mit Eisenbahnen befaßt hat; aber, meine Herren, ich frage Sie alle, wie weit liegt denn die Zeit hinter uns, wo das Land glaubte, nicht genug Eisenbahnen zu be⸗ kommen, wo es überall ein Verdienst darin erblickte, wenn man die
Unternehmung ermöglichte? (Zuruf von Rechts: Gründungen!)
Ich glaube, die Stimme za vernehmen: „Gründungen“! Nun, meine Herren, sehen Sie die Liste der Geschäfte der Seehandlung durch, so werden Sie nicht finden, daß dadurch die Gründungen unterstützzt worden sind — ich höre „doch“, ich würde dann bitten, mir das Unternehmen zu nennen
beruht, dessen
kirchen, Dortmunder Union!) meine Herren, gehen Sie die Seehandlung gemacht
im Ganzen und Großen Geschäfte sind die
aber alle die
hat, so ganz
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durch, die über⸗
wiegend auf die Unterstützurg solider Unternehmungen gerichtet,
und wern unter den Kapitalien manche sind,
welche sich
auf ausländische Unternehmungen bezogen, meine Herren, liegt darin
nicht gerade der Umschwung,
der in Folge unserer veränderten Welt⸗
stellung eintreten mußte? deren weitere Entwickelung wir nur leb⸗ haft zu wünschen haben, so daß die Berliner Börse ein Centralpunkt
für internationale Operationen würde, daß die Börse Berlin anfinge,
sich die Stellung einer der ersten Börsen Europas zu sichern? Ich
glaube nicht, daß, wenn man auf diese Geschäfte prüfend eingeht,
man in dem Fall sein wird, dieselben zurückweisen zu müssen.
Nun, meine Herren, trachtungen schon zu weit ausgedehnt. Ueber die Stellung der See⸗ handlung und über die Nothwendigkeit eines solchen Staats⸗Instituts werden ja die Ansichten nicht leicht sich vereinigen. Auf Seiten de. Regierung besteht die Ansicht, daß sie dieses Institut nicht glaubt aufheben zu können. In dem hohen Hause ist ja schon bei verschiedenen Gelegenheiten von einzelnen Mitgliedern, auch von Mitgliedern auf jener Seite, (nach links sich wendend) eine andere Auffassung dargelegt worden. Für den Versuch, der in diesem Augenblick von Mitgliedern der Rech⸗ ten des Hauses gemacht wird, plötzlich gegen die Seehandlung Sturm zu laufen, wird man, glaube ich, den Charakter nicht ableugnen können, daß es sich dabei weniger um die Seehandlung gls um eine Kritik der Verwaltung des gegenwärtigen Finanz⸗Mini⸗ sters handelt. — Wenn ich also jemals in dem Fall war, mich ent⸗ schieden gegen alle desfallsigen Anträge aussprechen zu müssen, so bin ich es heute in doppeiltem Maße. Ich kann Sie nur dringend bitten, alle die gestellten Anträge ablehnen zu wollen.
Dem Antrage auf Ablehnung der Anträge schlossen sich die Abgg. Dr. Lasker und Richter (Hagen) an, nicht aus Prin⸗ zip, sondern weil sie den gegenwärtigen Augenblick für inoppor⸗ tun zu solchen Anträgen hielten, um nicht den Schein zu er⸗ wecken, als solle Seitens der Majorität das vorgestrige Votum modifizirt werden. Die Anträge wurden abgelehnt und der Etat der Seehandlung genehmigt. Schluß 4 ¾ Uhr. Nächste Sitzung Sonnabend 11 Uhr.
— Der Königliche Gesandte in München, Freiherr von Werthern, ist zum Wirklichen Geheimen Rath mit dem Prä⸗ dikat Excellenz ernannt; dem Botschafter, General⸗Lieutenant von Schweinitz der Kronen⸗Orden Erster Klasse mit dem Emailleband und dem Eichenlaub des Rothen Adler⸗Ordens, sowie dem Kaiserlichen Gesandten in Brüssel, Grafen von Brandenburg, der Stern zum Rothen Adler⸗Orden zweiter Klasse Allerhöchst verliehen worden.
— Während des laufenden Jahres soll wiederum ein Turnkursus für im Amt stehende Volksschullehrer in jeder Provinz abgehalten werden. Den Seminarort sowie die Zeit für Abhaltung dieses auf vier Wochen zu beschränkenden Kursus wird das betreffende Provinzial⸗Schulkollegium be⸗ zeichnen. Die Zahl der Theilnehmer jedes Kursus ist auf 25 festgesetzt.
Sachsen. Dresden, 1. März. (Dresd. J.) Gestern Abend hat bei Ihren Majestäten in den Paradesälen des König⸗ lichen Schlosses zum Schlusse der diesjährigen Karnevalssaison ein großer Hofball stattgefunden, an welchem der Prinz und die Prinzessin Georg, die zur Zeit hier anwesenden Herzog⸗ lich schleswig⸗holsteinischen Herrschaften und der Prinz Johann Albrecht von Mecklenburg⸗Schwerin Theil nahmen. Es waren zu diesem Balle gegen 800 Einladungen ergangen an das di⸗ plomatische Corps, die Staats⸗Minister, die Generalität, die Präsidenten und sämmtliche Mitglieder der beiden Kammern.
— 2. März. Die Zweite Kammer erledigte in ihrer heutigen Sitzung zunächst den Gesetzentwurf über die Entschädigung der Geistlichen und Kirchendiener für den Wegfall von Gebühren, welcher, abgesehen von einer unerheblichen Abänderung, nach den Beschlüssen der zweiten Berathung genehmigt wurde. Die Kammer be⸗ willigte sodann mehrere Positionen des Nachtragsbudgets für 1874/75 und von dem Budget der Finanzperiode 1876/77. Eine erheblichere Debatte fand nur statt über das Postulat von 150,000 ℳ zu den Vorarbeiten und der Erwerbung eines Bau⸗ platzes für eine neue Strafanstalt, dessen Ablehnung auf Antrag der Deputation beschlossen wurde.
Württemberg. Stuttgart, 1. März. Die Königin, von dem König in Waiblingen empfangen, ist gestern Vor⸗ mittags um 10 Uhr mittelst Sonderzugs aus St. Petersburg hier eingetroffen. — Der „St. A. f. Württemberg“ schreibt: Der Entwurf des Finanzgesetzes und des Hauptfinanzetats für das Jahr 1876/77 hat am 26. Februar die Königliche Geneh⸗ migung erhalten und wurde heute dem ständischen Ausschuß übergeben, welcher die Vorlage zweifelsohne der Finanzkommis⸗ sion der Abgeordnetenkammer zuweisen wird. Der schon seit mehreren Wochen vorsorglich in Gang gesetzte Druck des Finanz⸗ etats wird demnächst vollendet sein. Die frühere oder spätere Einberufung des Landtages hängt nunmehr davon ab, wann die Kommissionen der Kammer der Abgeordneten Stoff für die Berathungen liefern werden. Was in öffentlichen Blät⸗ tern über einen bestimmten Termin der Einberufung bis jetzt verlautete, war bloße Vermuthung der Korrespondenten. Nach Lage der Geschäfte konnte die Regierung einen bestimmten Tag
noch nicht in das Auge fassen.
— 2. März. (C. Ztg.) Die Großfürstin Vera, Gemahlin des Herzogs Eugen von Württemberg, ist gestern Abend von zwei Mädchen entbunden worden. Mutter und Zwillinge befinden sich wohl.
Hessen. Darmstadt, 3. März. (W. T. B.) Die Zweite Kammer ist auf den 10. d. Mts. einberufen worden. Den Gegen⸗ stand der Berathung bilden der Ankauf der oberhessischen Bahnen durch den Staat, der Ankauf des Bankgebäudes und einige kleinere Vorlagen.
Schwarzburg⸗Sondershausen. Sonders hausen, 1. März. Der Fürst empfing gestern den Königlich preußischen Gesandten bei den thüringischen Höfen, Grafen v. Limburg⸗ Stirum, welcher im Laufe des Tages hier angekommen war, und, nach Abberufung des Herrn v. Pirch, seine Beglaubigungs⸗ schreiben überreichte; zu Ehren des Gesandten fand auf dem Fürstlichen Schlosse gestern Abend ein Galaconcert statt. Graf Limburg⸗Stirum, welcher auf dem Fürstlichen Schlosse Woh⸗ nung hatte, ist heute gegen Mittag wieder abgereist
Oesterreich⸗Ungarn. Wien, 1. März. Der Entwurf einer neuen Zivil⸗Prozeß⸗Ordnung ist gestern im Hause der Abgeordneten zur Vertheilung gelangt. Der Entwurf zer⸗ fällt in fünf Bücher; das erste derselben enthält allgemeine Bestimmungen und zerfällt in drei Hauptstücke mit 269 Para⸗ graphen. Das zweite Buch behandelt in zwei Hauptstücken und
-l 204 Paragraphen das Verfahren in erster Instanz, das dritte
vielleicht habe ich diese allgemeinen Be⸗
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stehende Gesetzentwürfe,
1““
Buch in vier Hauptstücken und 186 Paragraphen das Verfahren in der Rechtsmittel⸗Instanz, das vpierte Buch die Nichtigkeits⸗ und Wiederaufnahmsklage in 12 Paragraphen und endlich das fünfte Buch in 10 Hauptstücken und 122 Paragraphen die be⸗ sonderen Arten des Verfahrens. Nach den Bestimmungen des ersten Buches, welche das mündliche Verfahren in der ersten Instanz behandeln, erfolgt die Verhandlung wie die Urtheilsverkündigung öffentlich, doch kann die Oeffentlichkeit aus Gründen der Sittlichkeit oder öffent⸗ lichen Ordnung ausgeschlossen werden. Die Vorträge der Parteien sind in freier Rede zu halten; eine Bezugnahme auf Schriftstücke statt mündlichen Vortrages ist unzulässig und ist nur insoweit gestattet, als es auf deren wörtlichen Inhalt an⸗ kommt. Damit ist die volle Oeffentlichkeit und Mündlichkeit des Verfahrens statuirt und eines der Hauptprinzipien, auf denen der neue Entwurf beruht, zur Geltung gebracht.
— 2. März. Die Kaiserin ist heute Abend mit der Westbahn nach England abgereist. — Der Bevollmächtigte der italienischen Regierung bei den Verhandlungen über die Süd⸗ bahn, ehemaliger Finanz⸗Minister Sella, ist heute nach Rom zurückgekehrt.
— Der deutsche Botschafter Graf Stolberg hat heute bei dem Grafen Andrassy Antrittsbesuch gemacht.
— Die „Montags⸗Revue“ widmet dem bisherigen deutschen Botschafter einen ehrenden Nachruf und leitet damit ein Will⸗ kommen an dessen Nachfolger ein:
„Man war berechtigt, mit einiger Spannung dem Ersatz entgegenzusehen, den das Berliner Kabinet für einen so aus⸗ gezeichneten Staatsmann darbieten würde. In der That aber ist anzuerkennen, daß die Wahl Kaiser Wilhelms auch die hochgespanntesten Erwartungen übertroffen hat.“
— (Monats⸗Uebersicht für Januar). Das Kai⸗ serliche Hoflager, welches am Schlusse des Monats nach Wien übersiedeln sollte, verblieb gleichwohl während des ganzen Monats in der Ofener Königsburg, wenn auch der Aufenthalt der Majestäten in Ungarn zeitweise unter⸗ brochen wurde. Se. Majestät der Kaiser begab sich zu wieder⸗ holten Malen in Regierungsgeschäften nach Wien und Ihre Majestät die Kaiserin rief eine lebensgefährliche Erkrankung ihrer Mutter, der Herzogin in Bayern, an das Krankenbett der⸗ selben nach München.
Die in Aussicht genommenen größeren Hoffestlichkeiten mußten anfangs wegen einer Indisposition der Kaiserin Elisa⸗ beth und später wegen der Krankheit der Frau Herzogin in Bayern, unterbleiben.
Die durch die Weihnachtsferien unterbrochene parlamen⸗ tarische Thätigkeit wurde von dem ungarischen Abgeord⸗ netenhause am 10. wieder aufgenommen. Das Haus trat sogleich in die Verhandlung des Gesetzentwurfs über die Ver⸗ waltungsausschüsse ein. Die Generaldebatte über dieses erste Hauptgesetz der Tisza'schen Verwaltungsreform tahm 10 Sitzungen in Anspruch und war eine sehr bewegte, da die Re gierungsvorlage von Seiten der Rechten und namentlich ihre Führers, Baron Paul Sennyey, lebhaft bekämpft wurde. Den Hauptstreitpunkt bildete die Bestimmung über die An⸗ stellung der Beamten. Die Rechte wollte den Schwer punkt der Verwaltung in die Hände eines von der Regierung ernannten und ihr persönlich verantwort lichen Beamtenkörpers verlegen, während die Regie rungsvorlage den Munizipien das Recht der Beamtenwahl beläßt und die eigentlichen Verwaltungsgeschäfte auf den Ver⸗ waltungsausschuß überträgt. Endlich wurde am 19. der Gesetzentwurf der Regierung in namentlicher Abstimmung mit
217 gegen 66 Stimmen als Grundlage für die Spezialdebatte
und am 24. in dritter Lesung definitiv angenommen.
Zwei weitere mit der Verwaltungsreform in Verbindung der über die Modifikation des Dis⸗ ziplinarverfahrens gegen Nunizipalbeamte und die Gemeinde⸗Novelle, wurden vom Abgeordnetenhause am 25. und 26. ebenfalls in dritter Lesung angenommen.
Am Schlusse des Monats hat Ungarn ein schwerer Verlust durch das in der Nacht vom 28. zum 29. erfolgte Ableben Franz Deaks betroffen. Deak, der bereits im 73. Lebensjahre stand, litt seit zwei Jahren an der Herzbeutelwassersucht und hatte sich deshalb von der
politischen Thätigkeit zurückgezogen. Seine letzte große Rede hielt
er am 28. Juni 1873 im ungarischen Reichstage über das Verhältniß zwischen Staat und Kirche. Gleichwohl wird sein Hinscheiden nicht nur in Ungarn, sondern im ganzen Reiche schmerzlich be⸗ klagt. Unvergessen sind seine Verdienste um die Herstellung des Ausgleiches von 1867. Se. Majestät der König hat anläßlich des Todes Deaks unter dem 29. folgendes Handschreiben an den ungarischen Minister⸗Präsidenten erlassen: „Das Ableben Deaks erfüllt das Land mit großer Trauer. Auch ich bin tief ergriffen und es drängt mich, auszusprechen, wie aufrichtig ich den allgemeinen Schmerz theile, wie sehr auch ich den Verlust dieses Mannes beklage, der, sein ganzes Leben dem allgemeinen Wohle weihend, durch seine Treue für den Thron und das Vaterland, durch die leuchtende Reinheit seines Charakters und durch seine Bürger⸗ tugenden des Vertrauens und der Liebe seines Fürsten wie seiner Mitbürger in großem Maße würdig war. Seine staatsmänni⸗ schen Verdienste wird die Geschichte verewigen. Sein Ruhm wird im Lande und über dessen Marken hinaus fortleben. Sein Andenken wird gesegnet sein. Meine dankbare Anerkennun folgt ihm ins Grab, für welches ich diesen Kranz übersende.“ Die Verhandlungen der beiden Regierungen über die Er⸗ neuerung des Zoll⸗ und Handels bündnisses wurden zwischen den Ministern der beiden Staatsgebiete am 3. Januar in Pest begonnen und in langen täglichen Konferenzen bis zum 7. fortgesetzt. Ueber das Resultat dieser Konferenzen verlautete nichts Sicheres. Am 8. traten die österreichischen Minister, mit Ausnahme des Grafen Andrassy, der vorläufig in Pest blieb, die Rückreise nach Wien an, wo die Verhandlungen später fortgesetzt werden sollten. Inzwischen ist diese Angelegenheit Gegen⸗ stand vielfacher Erörterungen in den parlamentarischen Kreisen dies⸗ seits und jenseits der Leytha gewesen. Die drei verfassungstreuen Fraktionen des österreichischen Abgeordnetenhauses, der Klub des Centrums, der Linken und des Fortschritts haben zu diesem Zwecke besondere Sitzungen abgehalten und zu denselben auch die Minister Auersperg und Lasser eingeladen. Ebenso wurden mehrere zahlreich besuchte Versammlungen von Mitgliedern der verschiedenen Parteien des österreichischen Herrenhauses berufen, um zu den österreichisch⸗unga⸗ rischen Verhandlungen Stellung zu nehmen. Auch über diese Verhandlungen wurde das tiefste Stillschweigen beobachtet. Eine Aeußerung, welche der Fürst Auersperg in einem der öster⸗ reichischen Klubs über die Bank⸗ und Zollverhandlungen dahin gethan haben sollte, daß „die Ungaren eine eigene Bank, die Restitujion der Verzehrungssteuern und in der Zollfrage Kon⸗
zessionen verlangen, daß Seitens Oesterreichs von alledem nichts bewilligt werden könne,“ veranlaßte den Abg. Madarasz im ungarischen Abgeordnetenhause, eine Interpellation an das Ge⸗ sammt⸗Ministerium zu stellen. Die Interpellation schloß mit den Worten: „ist der Herr Minister⸗Präsident geneigt, dem Hause Mitthei⸗ lung zu machen, in welcher Weise die Mitglieder der Regierung anläßlich der erwähnten Verhandlungen ihre Ansichten bezüglich der selbständigen Bank, des Zoll⸗ und Handelsbündnisses formu⸗ lirt haben?“ In der Sitzung vom 26. beantwortete der Minister⸗ Präsident diese Interpellation. Wie die ungarische Regierung ihre Forderung formulirt habe, könne er jetzt, da die Verhandlungen noch schweben, ohne Gefährdung der Landesinteressen nicht detailliren. Wenn Verhandlungen mit der Regierung eines an⸗ deren Staates erfolgen, könnten Details nicht vorzeitig enthüllt werden. Das Haus wolle glauben, daß Niemand sehnsüchtiger als er des Momentes harre, wo er offen Alles werde mittheilen können. Er bitte vorläufig, diese Antwort vertrauend zur Kenntniß zu nehmen. Das geschah denn auch, obwohl der Interpellant sich für nicht befriedigt erklärte.
Das österreichische Abgeordnetenhaus nahm seine durch die Weihnachtsferien unterbrochenen Berathungen am 11. Januar damit wieder auf, daß es in die Diskussion der anläß⸗ lich der Budgetbewilligung beantragten, in der eigentlichen Budgetdebatte aber bei Seite gelassenen Resolutionsanträge zum Finanzgesetz für 1876 eintrat.
Bemerkenswerth ist der Bericht des volkswirthschaftlichen Ausschusses über den Antrag Lienbacher, betreffend die Krisis von 1873. Derselbe führte als Ursachen der Krisis 9 verschiedene Gründe an, und kam am Schlusse, nachdem er über die Folgen der Krisis gesprochen, zu folgendem, das Prinzip der Staatshülfe desavouirenden Ausspruche: „Eine gesunkene oder gebrochene Konsumtionskraft läßt sich durch künstliche Mittel nicht herstellen, nur durch sich selbst vermögen die wirthschaftlichen Naturgesetze sich in ihre Rechte wieder einzusetzen.“ Ein von dem Abgeordneten Kopp eingebrachter Antrag, die Kollegiengelder an den Universi⸗ täten aufzuheben, wurde in der Sitzung vom 28. abgelehnt, indem das Haus den Beschluß faßte, uͤber die von dem Aus⸗ schusse vorgeschlagenen Resolutionen zur Tagesordnung überzu⸗
ehen.
8 Das österreichische Herrenhaus eröffnete seine Sitzun⸗ gen nach den Weihnachtsferien am 14. mit dem Gesetz über die äußeren Rechtsverhältnisse der klösterlichen Genossenschaften. Das Klostergesetz ist das letzte von den vier konfessionellen Gesetzen, welche Minister v. Stremayer „zur Ausfüllung der durch die Aufhebung des Konkordates entstandenen Lücken in der Gesetzgebung“ am 21. Januar 1874 im Abgeordnetenhause ein⸗ brachte, und von denen drei bereits in Wirksamkeit getreten sind. Nach scharfer Debatte wurde dasselbe in der Sitzung am 17. nach den Anträgen des Ausschusses mit wenigen Aenderun⸗ gen in zweiter und dritter Lesung angenommen; das von dem Abgeordnetenhause angenommene Gesetz über die Regelung des Rechtsverhältnisses der Altkatholiken dagegen abge⸗ lehnt.
Der Klostergesetz⸗Entwurf mußte wegen der zahlreichen Aenderungen, die er im Herrenhause erfahren, noch einmal dem Abgeordnetenhause vorgelegt werden. Der Ausschuß desselben für die konfessionellen Vorlagen beschloß nach dem An⸗ trag des Referenten die en-bloc-Annahme der vom Herrenhause angenommenen Abänderungen. Minister v. Stremayer erklärte indessen im Laufe der Berathung, er könne das Gesetz in der vom Herrenhause beschlossenen Fassung zur landesherrlichen Sanktion nicht empfehlen.
Mittels Kaiserlicher Entschließung vom 12. wurde der Weihbischof Kutschker an Stelle des verstorbenen Kardinal Rauscher zum Erzbischof von Wien ernannt.
In Betreff des Eisenbahnwesens ist zu erwähnen, daß am 2. Januar die Eröffnung der wichtigen Eisenbahn⸗ strecke Raab⸗Oedenburg stattfand und daß durch Vertrag vom 19. die Ungarische Ostbahn an die Regierung überging, indem von der Gesellschaft das Angebot der Regierung von 10 Mill. Fl. Goldobligationen mit 5 Proz. in Gold verzinslich, jedoch ohne die von der Gesellschaft anfangs verlangte Steuer⸗
freiheit, angenommen wurde.
Ueber den zwischen dem Baron Alphons Rothschild und dem Vertreter der italienischen Regierung, Sella, zu Basel abgeschlossenen Vertrag über den Verkauf des italieni⸗ schen Südbahnnetzes verlautet aus verläßlicher Quelle: Ein Kaufpreis wurde in dem Vertrags⸗Instrumente nicht fest⸗ gesetzt, sondern die italienische Regierung verpflichtet sich, für die Verzinsung und Amortisation der nach einem bestimmten Modus auf das italienische Netz berechneten Anzahl der Obli⸗ gationen aufzukommen. Weiter wurde als Grundlage der Ver⸗ handlungen angenommen, daß die jährliche Dividende einer Aktie 1 Lire 50 Centesimi betrage. Die Gesellschaft wird daher von der italienischen Regierung eine jährliche Annuitätszahlung er⸗ halten, welche dem Erfordernisse für diese beiden Faktoren entspricht. Außerdem wurde jedoch stipulirt, daß die Südbahn für den Schätzungswerth des fundus instructus und des rollenden Materials eine Ablösung in italienischen Rententitres erhält. Nach einer Be⸗ rechnung, welche die italienische Regierung angestellt hat, wird die Emission von Titres italienischer Rente mit einer jährlichen Zinsenzahlung von 40 bis 42 Millionen Francs nothwendig sein, um aus dem Erlöse die erwähnten Verpflichtungen, welche aus der Annuität und aus der Ablösung erwachsen, der Südbahn gegenüber zu erfüllen. Jene 30 Millionen Lire, welche das ttalienische Netz dem italienischen Staate schuldet, fallen zu Lasten
des letzteren. Die am 31. Dezember 1875 abgeschlossene
[bilanz der österreichischen Nationalbank liefert, nach der Aufstellung der Bankleitung, folgendes Er⸗ gebniß. Es betrugen: Banknoten⸗Umlauf 286,242,330 FI, Metallschatz 134,416,894 Fl., in Metall zahlbare Wechsel 11,344,109 Fl.; Escompte 117,157,244 Fl.; Darlehne 32,118,200 Fl.; 7,948,700 Fl. eingelöste und börsenmäßig an⸗ gekaufte Pfandbriefe à 66 ⅜ Proz. 5,299,133 Fl.; Staatsnoten, welche der Bank gehören: 2,217,829 Fl., zusammen 302,553,410 Fl. Ein Vergleich der gegebenen Posten mit den entsprechenden vom 30. Dezember 1874, dem letzten Ausweistage des Vorjahres, er⸗ giebt, daß der Banknotenumlauf um 6,932,550 Fl., der Metall⸗ schatz um 4,741,056 Fl., der Escompte um 25,036,560 Fl., der Lombard um 3,379,300 Fl., der Staatsnotenbesitz um 947,370 abgenommen hat. Dagegen haben die Devisen um 6,868,568 Fl. und die Pfandbriefe um 947,370 Fl. zugenommen. Die reine Reserve stellte sich am 31. Dezember 1875 auf 48,17 Mill. Fl., gegen 45,98 Mill. Fl. zu Ende 1874, die ver⸗ fügbare Notenmenge betrug in den entsprechenden Zeitpunkten 50,38 und 49,14 Mill. Fl., und die Gesammt⸗Reserve belief sich auf 61,72, beziehungsweife 53,61 Mill. Fl. Der Außenhan⸗
Jahres⸗
del Oesterreich⸗Ungarns vom Januar bis inkl. November
1875 betrug bei der Einfuhr 499,6 Mill. Fl. geg Vorjahres, also — 23,4, bei der Ausfuhr 451,0 gegen 414,0 des Vorjahres, also +† 37,0. anbelangt, so bewegte sich derselbe in der elfmonatlichen Periode wie folgt: die Einfuhr stellte sich auf 11,235,560 Fl. gegen 18,545,480 Fl. des Jahres 1874, d. h. — 7,309,920 Fl., die Aus⸗ fuhr auf 13,231,451 gegen 19,187,962, also — 5,956,511 Fl. An Zöllen aus Nebengebühren wurden in den im Reichsrathe ver⸗ tretenen Königreichen und Ländern erhoben in den 11 Monaten 1874: 17,316,845 Fl., in den 11 Monaten 1875: 17,296,586 Fl.; es zeigte sich also für 1875 eine kleine Abnahme von 20,259 Fl.
Nach einer Darstellung der „Statistischen Monatsschrift“, welche sich auf die Ausweise des Staatsvoranschlages stützt, be⸗ lief sich die Zahl der aktiven Staatsbeamten Oesterreichs im Jahre 1875 auf 27,502, so daß, die Volkszählung von 1869 zu Grunde gelegt, auf 777 Bewohner ein Beamter kam. Es giebt nur wenige Berufsarten, welche ein schwächeres Kontingent aufzuweisen haben, als der Beamten⸗ stand. Was die Vertheilung in den einzelnen Ländern betrifft, so steht Nieder⸗Oesterreich, speziell Wien, wo die Centralverwal⸗ tung mit 1911 Beamten ihren Sitz hat, obenan.
Ungarn besitzt nach einem vom Kultus⸗ und Unterrichts⸗ Ministerium dem Reichstage unterbreiteten Berichte 146 Gym⸗ nasien. An denselben waren 1861 Professoren thätig und be⸗ trug der Schulbesuch 27,220 Schüler, von welchen 20,133 Un⸗ garn, 2320 Deutsche, 1424 Slovaken, 2100 Rumänen, 389 Serben und 254 Ruthenen waren. Nach der Konfession theilten sich die Schulen in 12,164 römisch⸗katholische, 1729 griechisch⸗katholische, 1465 griechisch⸗nichtunirte, 5112 evangelische Heidelb. Konf., 3187 evangelische Augsb. Konf., 226 Unitarier und 3317 Juden. Realschulen besaß Ungarn 47, an welchen 337 Professoren lehrten; besucht wurden dieselben von 7310 Schülern, und zwar der Nationalität nach 5238 Ungarn, 1529 Deutsche, 171 Slovaken, 63 Rumänen, 300 Serben und 5 Ruthenen; der Konfession nach 4411 römisch⸗katholischen, 28 griechisch⸗katholischen, 395 griechisch⸗nichtunirten, 348 evangelische Heidelb. Konf., 489 evangelische Augsb. Konf., 4 Unitarier und 1635 Juden.
Oesterreichs Kriegsmarine zählt gegenwärtig „an schwimmendem Flottenmaterial“ 51 Dampfer, und zwar: 11 Panzerschiffe (8 Kasemattschiffe und 3 Panzer⸗ Fregatten), 3 Fregatten, 3 gedeckte und 5 un⸗ gedeckte Korvetten, 5 Kanonenboote, 5 Propeller⸗Schoo⸗ ner, je 2 Rad⸗ und Avisodampfer, 3 Transportdampfer, 1 Torpedoschiff, 1 Werkstättenschiff, 2 Pachten, 2 Monitors (auf der Donau), 1 Schleppdampfer und 5 Dampfboote; dann 15 Segelschiffe (Schulschiffe und Hulk), und zwar: 1 Kor⸗ vette (100 Schüler), 1 Artillerie⸗Schulschiff (500 Schüler), 1 Jungenschiff (400 Schüler) und ein Kasernenschiff (300 Schüler), 1 Brigg, 1 Schooner, 3 Transportbriggs und 6 Hulk. Diese 66 Schiffe sind zusammen mit 325 schweren Geschützen (darunter nur 16 glatte) und 95 leichten Geschützen armirt, wobei jedoch die Boots⸗ und Feldgeschütze nicht mit eingerechnet sind. Ferner weisen diese Schiffe zusammen 113,110 Tonnen Deplacement auf den Außenplanken nach und die Maschinen der 51 Dampfer besitzen zusammen 17,491 nominelle Pferdekräfte. 14 Schiffe sind gegenwärtig ohne Bemannung; bei den übrigen 52 Schiffen beträgt die Schiffsmannschaft zusammen 9528 Köpfe, wobei die Anzahl der Schüler nicht eingerechnet ist. Das größte Tonnen⸗ Deplacement (7390) und auch die höchste nominelle Pferdekraft (1200) weist das Kasemattschiff „Tegetthof“ nach.
Großbritannien und Irland. London, 1. März. (E. C.) Eine Anzahl von Geistlichen der Staatskirche (darunter der Dechant von Westminster) hat eine Denkschrift an die Regierung zur Zeichnung (für die anglikanische Geistlichkeit) aufgelegt, worin die Beilegung der Kirchhofsfrage durch Zugeständnisse an die Dissenter als im Interesse der Staatskirche für rathsam erklärt wird. Es foll demnach den Geistlichen der Nonkonformisten die Abhal⸗ tung von Todtengottesdiensten, die nur aus Stellen der heiligen Schrift, Gebeten und Gesängen bestehen, gestattet werden. — In dem Berichte über den Untergang des Dampfers „Deutsch⸗ land“, den Hr. Rothery an das Handelsamt erstattet hat, und der nun auch dem Parlamente vorgelegt worden ist, geschieht auch der Skizzen Erwähnung, welche kurz nach dem Untergang des Schiffes in einem hiesigen illustrirten Blatte erschienen und Wrackplünderer in Thätigkeit auf dem gescheiterten Dampfer dar⸗ stellten. Hr. Rothery betont, daß die Untersuchung die Un⸗ wahrheit der in solchen sensationellen Darstellungen enthaltenen Anklagen erwiesen habe. Wenn aber der betreffende Zeichner das Gegentheil beweisen könne, so hätte er während der Unter⸗ suchung auftreten und entweder dem Handelsamte oder der Un⸗ tersuchungs⸗Kommission seine Beweise liefern sollen.
— 2. März. (W. T. B.) Unterhaus. Der Unter⸗ Staatssekretär im Departement für Indien, Hamilton, kündigte in der heutigen Sitzung an, er werde morgen die Einsetzung eines Ausschusses beantragen, welcher sich mit der Untersuchung der Ursachen der Silberentwerthung und ihrer Folgen auf den indischen Wechselkurs beschäftigen soll.
Frankreich. Paris, 1. März. Das bereits erwähnte Schreiben, welches der Minister der Auswärtigen Angelegen⸗ heiten, Herzog Decazes, neuerdings an die Wähler des 8. Arron⸗ dissements der Seine gerichtet hat, lautet wie folgt:
„Meine Herren! Sie fordern mich auf, die Kandidatur, welche in einer ersten Probe die relative Mehrheit der Stimmen erzielt hat, aufrecht zu erhalten. Ich danke Ihnen für diesen neuen Beweis des Vertrauens und nehme Ihren Vorschlag an. Wie Sie schon be⸗ griffen haben, daß weder in meiner Gesinnung noch in meinen Wor⸗ ten Platz für eine Zweideutigkeit bleibt, so werden Sie auch jetzt be⸗ greifen, daß ich an meinen früheren Erklärungen nichts zu ändern habe. Ich kann also immer nur wiederholen: Ich bin fest entschlossen, niemals die Vertheidigung der großen gesell⸗ schaftlichen und sittlichen Interessen im Stiche zu lassen, deren Schutz nicht nur für das Gedeihen, sondern sogar für die Existenz Frankreichs nothwendig ist. Ich erwarte, daß die Verfassung vom 25. Februar und die von ihr eingeführten Institutionen nach allen Seiten, nach innen und außen, die Mäßigung und Dauerbarkeit der französischen Republik, sowie die Stärke ihrer Regierung zur Erkennt⸗ niß bringen werden. Weder diese Institutionen noch der erlauchte Soldat, welcher über sie wacht, werden ihrer Aufgabe fehlen; das Land wird sie unterstützen, die Mäßigung und der Patriotismus aller Gutgesinnten werden ihren Erfolg sichern. Diese Mission der Erhal⸗ tung, Beschwichtigung und Befestigung würde ich, wenn ich ste aus Ihren Händen empfinge, ehrlich und ohne dissxvee. erfüllen.
ecazes.
— 2. März. (W. T. B.) Don Carlos ist heute Abend in Boulogne eingetroffen und wird sich morgen nach England begeben.
Spanien. Aus Bayonne, 26. Februar, wird Folgendes gemeldet: Die Carlisten schreiben die letzterlittenen Nieder⸗
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rung den spanischen R truppen dadurch geleistet habe, daß sie Transporte von Provisionen und Munitionen für die Armee von Martinez Campos durch französisches Gebiet bewilligt habe. Es scheint festzustehen, daß ohne diese Hülfe die Lage von Martinez Campos eine sehr bedenkliche geworden wäre. Er hatte seinen Marsch gegen die Grenze mit nur für vier Tage genügenden Provisionen unternommen. Die Soldaten, um weniger zu tragen und schneller marschiren zu können, hatten auf dem Wege einen großen Theil der Munition verschossen und hatten bereits seit einem Tage nichts gegessen, als sie in dem Thale von Baztan anlangten. Erklärlicherweise geben die Car⸗ listen ihrem Hasse gegen Frankreich und ganz besonders gegen die Person des Herzogs von Decazes offen Ausdruck.
Die Liberalen klagen über die aus dem Innern kommenden Nachrichten, daß die katholische Geistlichkeit — besonders in Catalonien — ungestört fortfahre, den Aufstand offen zu predigen, und scheint es sich zu bewahrheiten, daß vereinzelte carlistische Banden in bis jetzt sehr geringer Anzahl sich dort wieder zeigen.
— (Köln. Ztg) In Spanien giebt sich überall laute Freude über die Niederwerfung des Carlismus kund. Eine Proklamation ist in Städten und Dörfern an⸗ geschlagen, die dem Volke mittheilt, daß der Krieg zu Ende ist, daß der König, das tapfere Heer und die Regierung unter der patriotischen Mitwirkung aller Parteien dem Bürger⸗ kriege in Spanien ein Ziel gesetzt haben. Madrid prangt im Schmucke der Teppiche und Abends sind die Häuser erleuchtet. Der Karneval hat durch die freudigen Nachrichten einen neuen Anstoß erhalten und die Straßen pulsiren von fröhlichem Leben. Am Montag ist der König in Pamplona eingezogen, wo er mit Begeisterung empfangen wurde. Die Unterwerfungen der Carlisten folgen sich einzeln, compagnie⸗ und bataillonsweise in so großer Zahl, daß eine Schätzung sich vorerst noch nicht anstellen läßt.
— Telegraphischen Nachrichten des „W. T. B.“ aus Ma⸗ drid zufolge wird die Rückkehr des Königs Alfons dort⸗ hin am 12. erwartet.
Rumänien. Bukarest, 2. März. (W. T. B.) Die Deputirtenkammer hat sich mit den vorgeschlagenen Ab⸗ änderungen des Zolltarifs einverstanden erklärt. Basil Boörescu hat seine Stelle als Vize⸗Präsident der Kammer
niedergelegt.
Rußland und Polen. St. Petersburg, 2. März. (W. T. B.) Der hiesige türkische Gesandte hat erklärt, daß die Nachrichten russischer Zeitungen über die Erpressungen türkischer Beamten n der Herzegowina zu den genauesten Erhebungen Anlaß geben werden und die strengste Bestrafung der Schuldigen erfolgen soll. Türkischerseits hat die Begnadigung einiger früher aus der Herzegowina verbannten Personen stattgefunden.
Dänemark. Kopenhagen, 2. März. gestrigen Sitzung des Landsthinges wurde die zweite Lesung des vom Folkethinge angenommenen Gesetzentwurfes, betreffend die Zoll⸗ und Schiffsabgaben, mit 29 gegen 5 Stimmen verweigert. — Das Folkething begann vorgestern die zweite Lesung des Gesetzentwurfes, betreffend die. nisation des Heeres. Der Referent des schusses, Bojsen, begründete die Aenderungsanträge, welche vom Ausschusse gestellt sind, in längerer Rede. Der Kriegs⸗ Minister bemerkte, da seine Ansichten und die der Majo⸗ rität über die Hauptpunkte so verschieden seien, so sei es vergeb⸗ liches Mühe, sich mit den minder wesentlichen Aenderungsvor⸗ schlägen zu beschäftigen, worüber möglicher Weise Einigkeit e zielt werden könnte. Der Minister schloß mit der Erklärung, daß er nie seinen Namen unter einen Gesetzentwurf setzen werde, welcher in seinen Grundzügen mit dem der Majorität überein⸗ stimme, selbst wenn derselde den Beifall der gesammten Re⸗ präsentation finden sollte. Die zu den ersten sechs Paragraphen des Gesetzentwurses gestellten Aenderungsanträge wurden mit 39 gegen 29 Stimmen angenommen. — In der gestrigen Sitzung des Thinges wurden die Verhandlungen über das Heergesetz fort⸗ gesetzt und kamen die Abschnitte über die Ausschreibung, die Einberufung und die Ausbildung der Mannschaften zur Dis⸗ kussion. Tvermoes zog im Namen der Minorität sämmtliche von dieser gestellten Aenderungsanträge zurück, da eine Abstim⸗ mung über dieselben überflüssig sei. Es sprachen fast nur Redner der Linken. Die drei Abschnitte mit den dazu gehörigen Ausschußanträgen wurden mit Majorität angenommen. — Das isländische Blatt „Isafold“ vom 12. Januar, welches dem hie⸗ figen „Fädrelandet“ zugegangen ist, enthält Nachrichten, denen zufolge auf den Westmaninseln eine Hungersnoth ausgebrochen ist. Ein Verkehr zwischen den Inseln und Island ist im Winter des Eises und der Stürme wegen fast unmöglich.
Amerika. Washington, 2. März. (W. T. B.) Der Kriegssekretär Belknap hat in Folge einer bei der Kom mission für die Ausgaben des Kriegs⸗Ministeriums eingegangenen Denunziation seine Entlassung genommen. Der Denunziant konstatirte, daß Belknaps Frau für die Anstellung eines Be⸗ amten sich 10,000 Dollars zahlen und sich weitere jährliche Zahlungen in Aussicht stellen ließ. Der Marinesekretär Robeson ist interimistisch an Belknaps Stelle getreten. Der Deputirte Colymes (Demokrat) hat im Kongresse den Antrag eingebracht, Belknap in Anklagezustand zu versetzen. Die Angelegenheit er⸗ regt im Lande großes Aufsehen.
Asien. China. Die Gr. Nord. Telegraphengesell⸗ schaft hat die Arbeiten an der konzessionirten Linie zwischen Amoy und Foochow nunmehr vollständig eingestellt, das mit denselben beschäftigte Personal abberufen und ihr Betriebs material zurückgezogen.
Die Gesellschaft ist zu diesem Entschlusse gedrängt worden sowohl durch die Haltung der chinesischen Bevölkerung als der chinesischen Behörden, von denen erstere den begonnenen Bau durch fortgesetzte Gewaltthätigkeiten unterbrach, während letztere den von ihnen vertragsmäßig übernommenen Schutz nicht ge⸗ währten. Nachdem die dänischen Telegraphenbeamten 4 Monate hindurch den ungleichen Kampf gegen diese Verhältnisse geführt hatten, haben sie sich überzeugen müssen, daß weitere Anstren⸗ gungen ihrerseits, die Linie zu vollenden, vergeblich sein würden.
Afrika. Ueber die Ereignisse in Abessinien, welche mit der Niederlage der ägyptischen Kolonne unter Oberst Arendrup endeten und den Khedive veranlaßten, neuerdings eine vielfach stärkere Truppenmacht nach dem so schwer zugänglichen Bergland zu schicken, sind dem „Daily Telegraph“ ausführliche Mittheilungen von den beiden englischen Reisenden zugegangen, welche zuerst, gegen ihre Absicht, in die Lage kamen sich an die ägyptischen Expeditionstruppen anzuschlie⸗ ßen, dann von den Abessiniern gefangen genommen wurden, hierauf wieder in die Hände der Aegypter fielen, nach Aegypten gebracht wurden und endlich hier ihre Freiheit erhielten.