1876 / 66 p. 3 (Deutscher Reichsanzeiger, Thu, 16 Mar 1876 18:00:01 GMT) scan diff

Berlin, den 16. März 1876. Königlich Preußische Lotterie. (Ohne Gewähr.) Bei der heute beendigten Ziehung der dritten Klasse 153. Preußischer Klassenlotterie fielen: 1 Gewinn à 45,000 auf Nr. 92,528. 8— 1 Gewinn à 15,000 auf Nr. 60,410. 1 Gewinn à 1800 auf Nr. 72,960. * 2 Gewinne à 900 auf Nr. 35,794. 74,768. 9 Gewinne à 300 auf Nr. 3019. 37,145. 49,549. 64,549. 69,142. 71,210. 85,970. 89,751. 92,553.

Das Schicksal deutscher Auswanderer nach den be⸗ rüchtigten sogenannten Kolonien Monitz und Theodor im tro⸗ pischen Brasilien, wo ein namhaster Theil elend zu Grunde ging, der Ueberrest truppweise im traurigsten Zustande nach Deutschland zurückkehrte, veranlaßte im vorigen Jahre die Ein⸗ leitung einer Kriminaluntersuchung gegen den mehrfach genannten Agenten R. O. Lobedanz in Hamburg wegen betrügerischer Verleitung zur Auswanderung. Das Ham⸗ burger Strafgericht sprach ihn damals frei, weil ihm die „mala fides“ nicht nachgewiesen werden konnte. Jetzt soll, wie man der „Nat. Ztg.“, mittheilt, sich die Hamburger Firma Morris u. Co. „obrigkeitlich befugte Passagier⸗Expedienten“ mit Lobedanz zur Auswanderungs Beförderung nach Bra⸗ silien verbunden haben; sie wirbt die Auswanderer an und liefert sie an Lobedanz ab, der einen Vertrag mit der brasilianischen Kolonisationsgesehsschaft geschlossen hat. Mit welchen Mitteln man Auswanderungslustige heranzu⸗ ziehen versteht, geht aus einem, dem genannten Blatte vorliegenden Cirkular der Herren Mocris u. Co. an ihre Unter⸗ agenten herver. Es heißt darin unter Bezugnahme auf einen beigefügten Prospekt, daß jeden 5. des Monats Passa⸗

giere von Hamburg nach der Provinz Sao Paulo (Hafen Santos) in Brasilien gegen freie Passage befördert werden sollen, indem, um die Einwanderung in diese „vorzügliche“ Provinz zu begünstigen, die Kaiserlich brasilianische Regierung der Kolonisationsgesellschaft eine Subvention bewilligt hätte, durch welche sie dazu in den Stand gesetzt sei. Auf keine Verpflichtung zur Rückzahlung hätten die Passagiere ein⸗ zugehen und weder Kontrakt noch Schuldschein zu unterzeichnen. An Provision sichert das Cirkular 7,50 für jeden Erwachsenen, 3,75 für jedes Kind von 1 bis 10 Jahren zu. Wie es mit der Fruchtbarkeit der „vorzüglichen“ Provinz Sao Paulo und der Zuträglichkeit des Klimas steht, ist aus dem traurigen Schicksale bisheriger Auswanderungen sattsam bekannt. Die anscheinend günstigen Auswanderungsbedingungen, die dem Auswanderer ge⸗ währleisten, daß er als freier Mann im Hafen von Santos ans Land steigt, werden einem unbedeutenden Hafenorte dadurch illusorisch, daß diese Freiheit mit dem Augenblicke, wo derselbe der Gesellschaft zur Förderung der Kolonisation in einem meistens hülfs⸗ und mittellosen Zustande in die Hände fällt, ihr Ende hat. Das Schicksal, welches eines Mannes harrt, der mittellos, des Landes und der Sprache unkundig, in einem kleinen Küstenort anlangt, bedarf keiner Auseinandersetzung. Es ist also Grund genug vorhanden, auf das Treiben der ge⸗ nannten Agenten aufmerksam zu machen, das Publikum vor den Verlockungen derselben zu warnen.

Noch immer treffen Nachrichten ein über die verheerenden Wirkungen, welche der jüngste orkanartige Sturm nament⸗ lich auch auf die oberirdischen Telegraphen⸗Anlagen aller Orten ausgeübt hat. 1

Aus Liegnitz wird heute gemeldet, daß zwischen Hirsch⸗ berg i. Schl. und Erdmannsdorf i. Schl. gegen 50 Bãäume zum großen Theile auf die Leitungen gestürzt und dadurch auf dieser kurzen Strecke alein 7 Drahtbrüche und 1 Stangenbruch herbeigeführt worden sind. Zwischen Beuthen a./O. und Neu⸗ salz a./O. hat der Sturm 21 Stangen vollständig umgebrochen, 24 andere Stangen aus der Erde gerissen und mit den Leitun⸗ gen eine Strecke seitwärts geschleudert.

Im Bezirk Posen waren am 13. früh alle Leitungen bis auf sechs unterbrochen. Noch ungünstiger lagen die Verhältnisse im Bezirk Frankfurt a. M., wo nur zwei Leitungen, und zwar eine von Frankfurt bis Mainz und eine von Frankfurt bis Wiesbaden betriebsfähig geblieben waren.

Zwischen Brühl und Lechenich ist laut Meldung aus Cöln a. Rh. die Telegraphenleitung durch den Umsturz von etwa 70 großen Bäumen an vielen Stellen gerissen. Auf der

inie Cöln⸗Rolandseck sind 50 Telegraphenstangen niedergefegt.

Von Coblenz kommt die Nachricht, daß auf der Strecke Coblenz Neuwied (Weißenthurm) 36 Stangen über die Bahngeleise geworfen sind, während an vielen an⸗ deren Stellen des Bezirks die Telegraphenleitungen durch entwurzelte Bäume erheblichen Schaden erlitten haben. Behufs Beschleunigung der Wiederherstellungsarbeiten auf der linken Rheinseite sind von der Militärbehörde in bereit⸗ willigster Weise Pioniere zur Verfügung gestellt worden. Die rechtsrheinische Linie (Oberlahnstein⸗Neuwied ꝛc.) ist völlig zerstört; von einer Wiederherrichtung derselben wird bei der Ueberfluthung, Unterwühlung und Verschlammung nicht allein des Eisenbahnkörpers, sondern auch eines Theiles der Uferstraße, vorerst abgesehen werden müssen.

8 Im Uebrigen sind die Instandsetzungsarbeiten im vollsten ange.

Unter dem Eindruck der Nachwirkungen des Sturmes am 12. März gewinnt die bereits kurz gemeldete Nachricht an Be⸗ deutung, daß am 13. März in dem bei Halle a. S. belegenen Dorfe Hohenthurm mit den Arbeiten zur Herstellung der unterirdischen Telegraphen⸗Linie Berlin⸗Halle, der ersten größeren Anlage dieser Art, begonnen worden ist.

Die Eisenbahnverbindung zwischen Straßburg i. Els. und Basel ist in Folge Zerstörung einer Brücke über die Doller bei Lutterbach durch Hochwasser seit dem 13. unter⸗

brochen. Zwischen Mülhausen i. Els. und Lutterbach ist einst⸗

weilen eine Postverbindung auf der Landstraße hergestellt. Die Leitung der Postsachen nach der Schweiz erfolgt von Straß⸗ burg i. Els. aus vorläufig über Kehl⸗Appenweier⸗Basel.

Im Anschluß an diese Nachrichten theilen wir in Ergänzung unserer gestrigen Uebersicht über die Verheerungen des Sturmes und des Hochwassers weiter mit:

Das Grundwasser in Berlin ist in den letzten Tagen im⸗ mer höher gestiegen und dehnt sich durch Ueberfluthung der Keller fast über die ganze Friedrichstadt aus. Namentlich sind es die neu aufgeführten Häuser, die mit tiefen Erdgeschossen versehen wurden, welche vollständig unter Wasser gescetzt sind. In einem Restaurant hinter der katholischen Kirche drang das Wasser plötzlich vom grünen Graben aus während der Nacht in die Sonterrain⸗Räumlichkeiten ein und setzte sie so schnell unter Wasser, daß der Inhaber und de Seinigen sich kaum zu retten vermochten. Sämmtliche Effekten muß⸗ ten im Stich gelassen werden Auch in den Kellern der Diskonto⸗

Gesellschaft und der Bank werden seit einigen Tagen lebhafte Ver⸗ suche gemacht, das eingedrungene Wasser zu entfernen.

Graudenz wurde gleichzeitig von einem starken Gewitter heim⸗ gesucht, das etwa eine Stunde hindurch mit nnaufbörlichen Blitzen die Nacht erhellte und an zwei Stellen zündete. Sehr unangenehm hat das Gewitter an dem Weichselufer gehaust. Die sturmgepeitschten Wellen haben arge Breschen in das Ufer gerissen, u. A. an der Trinkebrücke und an dem Landvorsprung, auf welchem neben dem Fährplatz einige Häuser stehen.

Noch schlimmer stand es in Pillau, wo der Sturm das im Haff befindliche Eis losriß und theilweise hintrieb; hinter dem so⸗ genannten russischen Damm, an den im vergangenen Jahre aufgeführ⸗ ten Erd⸗ und Stein Aufschüttungen behufs Anlage eines Petroleum⸗ und Vorhafens, sind ca. 20 Fuß hohe Eisberge zusammengeschoben, der ganze innere Hafen ist so voll Eis, an manchen Stellen 4 —6 Pah. geschoben, so daß eine direkte Verbindung vom russischen Damm nach der Stadt nur mit den größten Schwierigkeiten zu er⸗ möglichen ist. Die vor dem neuen Lootsen⸗Wohngebäude noch vom Bau her befindliche und in nächster Zeit zum Abbruch bestimmte Ladebrücke nach dem Seetief zu ist spurlos verschwunden; nach der Südermole auf der frischen Nehrung ist augenscheinlich jede Kommu⸗ mikation un öglich. Von dem Leotsenhafen ab längs des hohen Bohlwerks bis nach dem Lootsen⸗Wohngebäude hin sind die Eisstücke weit auf das Ufer hinauf geschoben, selbst auf der jenseitisen Neh⸗ rung sind von hier aus 42 Eisberze sichtbar.

In Groß⸗Glogau sind viele Häuser beschädigt worden. Die evangelische Kirche und die katholische Stadtpfarrkirche hat der Sturm zum großen Theile abgedeckt. Die von den Kirchen herunterfallenden Ziegelstücke wurden an die gegenüberliegenden Häuser mit Macht geschleudert, zertrümmerten die Fenster derselben und gefährdeten die in dem Zimmer anwesenden Bewohner. Schorn⸗ steine sind vielfach herabgeschleudert worden. Stellenweise hat der Sturm ganze Fenster herausgerissen und auf die Straße geschleu⸗ dert. Das Passiren der Straßen in dieser Schreckensnacht war ein lebensgefährliches Wagstück, indem es während des Unwetters buch⸗ stäblich unaufhörlich Dachsteine regnete.

Der Elbdeich ist auf der bedrohten Strecke zwischen Alten⸗ gamme und Borghorst, wie aus Hamburg berichtet wird, am Sonntag Abend an der Außenseite bis auf die Mitte des Deichkör⸗ pers wegaespült worden. Die Bewohner von Vierlanden werden jetzt mit Deicharbeiten und Deichwachen fast bis zur Erschöpfung in Anspruch genommen.

In Frankfurt a. M. ist der Schaden ein ungeheurer, ebenso in und um Mainz, Wiesbaden, Trier.

Unter heutigem Datum meldet „W. T. B.“ aus Cöln: Der Rhein ist von Mannheim bis Ruhrort in fortwährendem Fallen be⸗ griffen; der Wasserstand des Neckar ist unverändert; der Mai8n und die Mosel fallen ebenfalls. Der durch das Wasser angerichtete Schaden ist überall sehr groß. Der durch den letzten Orkan von Mannheim bis zum Niederrhein und in den Nebenthälern des Rheins angerichtete Schaden ist sehr bedeutend, Menschenleben sind indessen im Verhält⸗ niß zu den großen Verheerungen nur sehr wenige zu beklagen.

Aus Niederbayern wud geschrieben, daß das nunmehr 3 Wochen anhaltende Hochwasser außer den noch gar nicht zu über⸗ sehenden anderweitigen Schäden jetzt auch große Befürchtungen für die Getreidefelder entstehen läßt. Für Weizen ist weniger, dagegen für Korn große Gefahr vorhanden, die Wurzeln desselben zeigen sich bereits weiß, also abgestorben. Es wird ein zweiter Anbau nöthig F die ganz durchnäßten Felder sind in nächster Zeit kaum zu bearbeiten.

Auch aus Württemberg sind ungünstige Nachrichten einge⸗ gangen.

In Mecklenburg sind fast sämmtliche Seeen ausgetreten.

In Hamburg wurden die Elb⸗ und Billdeiche aufs Aeußerste bedroht. Am Hammerdeich, woselbst schon am Sonnabend Abend das Wasser nur wenige Zoll unterhalb der Deichkrone stand, schlugen die Wellen so heftig auf den Deich, daß bedeutende Abspülungen vor⸗ kamen, und endlich sämmtliche dieponible Mannschaft und alle Schutz⸗ mittel aufgeboten werden mußten, um an den hart bedrohten Punkten durch Vorlegen von Faschinen und in Eile beim Laternenschein ber⸗ gestellte Bollwerke mit Hinterfüllung von Sandsäcken nothdürftige Schutzwehren zu schaffen.

Aus Paris, 15. März, Mittags, meldet „W T. B.“: Der Wasserstand der Seine hat gegenwärtig die Höhe, welche er im Jahre 1872 erreicht hatte, bereits überschritteu. Die Invalidenbrücke ist in Gefahr, der Verkehr auf derselben ist inhibirt. An den Ufern hat das Wasser beträchtlichen Schaden angerichtet.

Nach aus Boulogne über Paris, 15. März, Nachmittags, ein⸗ getroffenen Nachrichten hat bei dem Kap Gris Nez ein großes norwegisches Fahrzeug, weiches Wein und Alkohol an Bord führte, Schiffbruch gelitten. Von der Mannschaft ist Niemand gerettet. Der Sturm wüthete an der Küste sehr stark. Der regelmäßige Dienst der Postschiffe ist unterbrochen.

Die koreanischen Ansiedlungen im Amurlande. Der südöstliche Theil des Amurlandes, vom Ussuri durch⸗ strömt und deshalb südussurisches Gebiet genannt, war seit der Annexion durch Rußland von den russischen Kolonisten ziemlich unberücksichtigt geblieben und trotz seiner Fruchtbarkeit einer der schlechtest bevölkerten Theile der Provinz. Seit etwas über 10 Jahren hat sich nun eine koreanische Bevölkerung daselbst gebildet, die aus den angrenzenden Distrikten Koreas einge⸗ wandert ist, und nicht unbeträchtliche Dimensionen erreicht hat. Die beiden nördlichen Provinzen Koreas, an und für sich arm und unfruchtbar, erlitten Anfangs der 60er Jahre mehrere auf einander folgende Mißernten. Trotz der da⸗ durch hervorgebrachten Nothstände, die sich bis zu Hungersnoth steigerten, fuhr die koreanische Verwaltung fort, die Eintreibung der gesetzlichen Abgaben, sowie neuer Auflagen an Getreide mit eiserner Strenge zu handhaben. Im Jahre 1863 entschlossen sich, als die Lage unerträglich wurde, zunächst 12 Familien auf russisches Gebiet auszuwandern, wo sie, freundlich aufgenommen und in jeder Weise aufgemuntert und unterstübzt, eine blühende Ansiedlung gründeten. Die Nachricht von ihrer besseren Lage verbreitete sich bald und erregte in vielen ihrer Landsleute den Entschluß, ihnen nachzufolgen. So nahm die Emigration all⸗ mählich bedeutendere Dimensionen an. 1865 zählte man bereits über 200 koreanische Kolonisten. Die koreanische Regierung hatte Anfangs ruhig zugesehen, doch als 1870 schon nicht mehr einzelne Familien, sondern ganze Clans auswanderten, suchte sie dieser massenhaften Entvölkerung jenes ohnehin dünn bevölkerten Striches durch Verbote und, als diese erfolglos blie⸗ ben, durch Repressalien zu steuern; das Vermögen der Auswanderer wurde konfiszirt und die zurück⸗ bleibenden Verwandten derselben auf das Härteste bedrückt. Nichtsdestoweniger nahm die Auswanderung ihren Fortgang; immer neue Ansiedler erschienen an der russischen Grenze und erbaten Wohnplätze. Meist zerlumpt und halb verhungert, be⸗ durften sie sofortiger Unterstützung, namentlich an Lebensmit⸗ teln, die von den Grenzbehörden nicht immer gewährt werden konnte, da die Kornvorräthe, welche aus Europa zur See für das Heer eingeführt werden, nur beschränkt waren. Doch schreckte die Auswanderer das nicht ab, und von dem immer wachsenden Strome wurden die bereits ansäßigen Koreaner wei⸗ ter in das Land hineingedrängt und so fast das ganze Gebiet bevölkert. 1874 bildeten die Koreaner 13 Niederlassungen mit fast 4000 Einwohnern. Die Vorzüge der russischen Kultur vor ihrer heimischen blieben nicht ohne Einfluß auf die Kolonisten und bald ver⸗

11“ 2

schafften sich russische Sitten und Gebräuche unter ihnen Ein⸗ gang. Sie bauten ihre Häuser nach russischer Weise, nahmen russische Kleidung an und folgten namentlich auch den Regeln der russischen Landwirthschaft. Auch das Christenthum fand rasche Verbreitung unter ihnen, gegen die Hälfte der erwähnten 4000 find griechisch getauft.

Im Allgemeinen ist der Charakter dieser Bevölkerung der eines ruhigen, friedlichen und unterwürfigen Ackerbauvolkes. Der Koreaner steht ethnographisch dem Japaner näher, als dem Chinesen; er ist liebenswürdiger, freundlicher, bescheidener, als der hochmüthige Chinese, während er die Nüchternheit und Ge⸗ nügsamkeit des letzteren theilt. So hat die russische Regierung mit geringen Kosten eine fleißige, ihr nicht zur Last fallende

Bevölkerung und die Urbarmachung eines Theiles ihres Reiches,

der vordem fast gänzlich unbebaut war, erlangt

I1.“

Ueber Japan bringt das „Journal des Débats“ vom 12. v. M.

folgende Mittheilungen:

Das japanische Finanz⸗Ministerium hat den Hauptabschluß des

Budgets für das Jahr vom 1. Juli 1875 bis zum 30. Juni 1876. veröftentlicht. Das Ergebniß desselben ist befriedigend. Der Betrag der Einnahmen beläuft sich auf: 68,588,266 Yen, die Ausgaben be⸗ tragen: 68,498,506 Yen; es ergiebt sich demnach ein Uebverschuß der Einnahmen über die Auegaben von 89,760 Ben. Ein Yen hat einen Werth von etwas mehr als 4 ℳ. Die Staatsschuld Japans hat eine Höhe von 142.289,587 Yen. Uogeachtet dieser günstigen Ziffern beschäftigten sich die japanischen Zeitungen sehr angelegentlich mit der ökonomischen Lage des Landes. Um die Bewohner Japans in der National⸗Oekonomie zu unter⸗ richten, ist die Errichtung einer Schule für diese Wissenschaft dem Professor Boissonade, der zum Zwecke der Umarbeitung der japani⸗ schen Gesetzbücher von Paris nach Tokei gekommen ist, übertragen. Derselbe hat kürzlich seine Vorlesungen in Gegenwart der Minister Okubo und Ito begonnen. Täglich erschließen sich dem Lande neue Hülfequellen; vor noch nicht einem Monate hat man die Entdeckung einer reichen Petroleumquelle zu Owary gemacht, und jetzt zeist man die Auffiadung einer Goldmine zu Zioto an. In dieser Stadt, welche die alte Hauptstadt des Mikado ist, wird für den Zeitraum von hundert Tagen, vom 15. März bis 22. Juni, eine internationationale Ausstellung eröffnet werden, an welcher sämmtliche Fremden werden theilnehmen können. Es wird denselben gestattet sein, sich ohne Paß an den Ausstellungsort zu begeben.

Was die Ausstellung zu Philadelphia betrifft, so ist bereits Alles fertig; der Kaiser und die Kaiserin haben kürzlich den Wunsch aus⸗ gedrückt, die Gegenstände, welche zur Versendung nach Philadelphia bestimmt sind, in Augenschein zu nehmen.

Das Polizei⸗Präsidium beabsichtigt die Feier des 25 jährigen Bestehens der Berliner Feuerwehr am 22. März statifinden zu lassen und bei dieser Gelegenheit sämmtliche seit der Errichtung der Feuerwehr im Jahre 1851 bei derselben beschäftigten Feldwebel, Oberfeuermänner, Feuermänner und Spritzenmänner für ihre Dienst e durch entsprechende Gratifikationen zu belohnen. Es werden hierzu im Ganzen 3015 erforderlich sein, deren Bewilligung das König⸗ liche Polizei⸗Präsidium beim Magistrat nachgesucht hat. Der Ma⸗ gistrat ersucht in einer Vorlage die Stadtverordneten⸗Versammlung, sich mit der Bewilligung der 3015 zu Gratifikationen für die an⸗ gegebenen Mannschaften der Feuerwehr einverstanden zu erklären und die Zahlung à conto des Disposttionsfonds der 300,000 zu ge⸗ nehmigen.

Die „Gesellschaft der Gartenfreunde“ veranstaltet zum Besten des unter dem Allerhöchsten Protektorate Ihrer Majestät der Kaiserin⸗Königin stehenden „Vaterländischen Frauen⸗Vereins“ in der Zeit vom 13. bis 17. April in der Reitbahn des Kriegs Ministeriums eine Blumen⸗ und Pflanzen⸗Ausstellung. Di: Beschickung derselben steht sowohl den Mitgliedern der Gesellschaft, als auch Nicht⸗Mitgliedern frei. Zum Ordner der Ausstellung ist Hr. Kunst⸗ und Handelsgärtner Stephan, Friedrichstr. 181, gewählt worden. Alle Ausstellungsgegenstände müssen mindestens 3 Tage vor Beginn der Ausstellung möglichst mit Angabe des erforderlichen Raumes bei demselben angemeldet werden. Die Einlieferung der Pflanzen muß spätestens bis Mittwoch, den 12. April, Nachmittags 2 Uhr, erfolgen. Abgeschnittene Blumen ꝛc. sind auch am ersten Ausstellungs⸗ tage bis 8 Uhr Mergens zulässig. Se. Majestät der Kaiser und König baben eine goldene Medaille und ebenso Ihre Ma⸗ jestät die Kaiserin⸗Königin einen Ehrenpreis für die beiden besten Leistungen bewilligt. Weiter sind für bestimmte Leistungen von einem Freunde des Vereins ein Preis von 60 ℳ, von dem Mi⸗ nisterium der landwirthschaftlichen Angelegenheiten 3 silberne und 3 bronzene Medaillen, von der Gesellschaft selbst 3 goldene, 22 große und 17 kleine silberne, 11 bronzene Medaillen und 12 Geldpreise im Gesammtbetrage von 220 ausgesetzt worden. 8

Der ständige Ausschuß der allgemeinen deutschen Leh rer⸗

versammlung hat, in Verbindunz mit dem Centralvorstande des deutschen Lehrervereins, Erfurt als Ort für den diesjährigen allge⸗ meinen deutschen Lehrertag bestimmt. Die Versammlung wird, wie gewöhnlich, in der Pfingstwoche, und zwar am 6., 7. und 8. Juni abgehalten werden. Der ständige Ausschuß richtet an alle deutschen Lehrervereine die Aufforderung, auf Grund der Gothaer Beschlüsse die Wahl von Vertretern vornehmen zu wollen. Der geschäftliche leitende Ausschuß nahm in seiner letzten Sitzung, als zur Besprechung für den diesjährigen Lehrertag passend, folgende Themen an: 1) die Orthogra⸗ phiereform; 2) ist es wünschenswerth, daß für Preußen, resp. Deutsch⸗ land, nur Ein Lehrbuch im Gebrauche ist? Die entsprechenden Re⸗ ferenten wird man demnächst zu gewinnen suchen.

Aus Caub a. Rb. liegt folgendes Telegramm des „W. T. B.“ vom heutigen Tage vor: Von den bei dem Bergrutsch Verun⸗ glückten sind bis jetzt 8 todte und 3 lebende Personen ausgegraben, 16 Verunglückte sind noch verschüttet.

8

1 Theater.

Die erste Aufführung von Richard Wagners „Tristan und Isolde“ im Königlichen Opernhause ist auf den Dienstag der nächsten Woche verschoben worden, um den Mitwirkenden nach den zahlreichen Proben eine Ruͤhepause zu gewähren.

Se. Königliche Hoheit der Prinz Friedrich Carl beehrte am. Mittwoch die Vorstellung „Kläffer“ im Wallner⸗Theater mit Höchstseinem Besuche und wohnte derselben bis zum Schlusse bei. Am nächsten Sonnabend wird im Wallnertheater das be⸗ währte Volksstück ‚„Heydemann und Sohn“ von Hugo Müller und Emil Pohl, Musik von R. Bial, neu bearbeitet mit neuen Couplets und in theilweise neuer Ausstattung neu einstudirt in Scene gehen. Von der früheren Besetzung sind nur die HH. Helmerding, Kurz, Formes und Wilken im Befitz ihrer Rollen geblieben, während die übrigen Hauptrollen durch die Damen Frls. Ernestine Wegner, Bredow, v. Rothenberg neu besetzt sind.

Alvhonse Daudet hat seinen Roman „Fromont junior und 8 mit Unterstützung des Schriftstellers Belot dramatisch gearbeitet.

1s Redacteur: F. Prehm. Verlag der Expedition (Kessel). Vier Beilagen (einschließlich Börsen⸗Beilage). 8 8 .—

Druck W. Elsner

Berlin:

8

Deutsches Neich.

st Anzeiger und Königlich

Erste Beila

Berlin, Donnerstag, den 16. März

8 Nachweisung pelstener im Deutschen Reiche für die Zeit vom 1. Januar bis zum Schlusse des Monats Februar 1876.

2.

Einnahme im

DOber⸗Post⸗ Direktions⸗Bezirke. Monate Februar.

Hierzu Einnahme in dem Vormonate.

Einnahme in dem⸗ selben Zeitraume des Vorjahres (Spalte 4).

J 2₰

Zusammen.

3) Danzig.

EE1“ 10) Bromberg*).

17) Kiel. 20) Minden *).

23) Frankfurt a./M.

I. Im Reichs⸗Postgebiete.

1) Königsberg. 2) Gumbinnen

10,825 2,304 15 8,603 75

60,187 4,185 45 6,984 50 9,145 25 2,174 70 4,765 25 2,807 05 20,013 65 6,812 35 7,269 35 16,439 85 8,440 15 10,175 4,074 20 6,863 95 1,521 20 5,123 90 20,644 25 3,736 55 30,107 90 15,269 30 7,349 65 3,191 50. 39,663 20. 2,118 60 10,849 30 29338 8

13,352 Konstanz . 4,397 20 .-.“* 11,454 00 Schwerin i./MWMW.. . . 2,800 05 Oldenburg 11“ 3,488 05 Braunschweig ö“ 5,431 65 ““ 37) Bremen... 8 20,725 90 38) Hamburg . . . 63,308 30 39) Straßburg i./ E. 15,207 80 40) Metz 3,555 00

4) Berlin.

5) Potsdam . . . 6) Frankfurt a./O.. 7) Stettin... 8) Cöslin .. .

11) Breslau . 12) Liegnitz. 13) Oppeln.. 14) Magdeburg 15) Halle a./S. 16) Erfurt.

18) Hannover . 19) Münster.

21) Arnsberg. 4 22) Cassel

24) Cöln 2

25) Aachen *).

26) Coblenz Düsseldorf Trier Dresden Leipzig. Karlsruhe.

15 11,434 95 3,158 95 9,073 00 35 57,360 85 3,911 20 7,545 05 9,866 1,763 20 5,312 40 3,220 20,862 30 7,962 20 8,262 17,341 8,453

45 11,612 4,487 6,681 1,812 6,050 21,001 3,048 30,102 17,147 7,422 3,058 38,692 2,564 10,934 33,175 12,498 4,480 10,943 3,914 3,563 5,730

22,909 70,003 14,684

3,661

22260 10 25,354 35 5,463 10 5,427 15 17676 75 20,987 65 117,548 20 138,344 65 8,096 65 26,875 75 14,529 55 14,889 19,011 95 20,241 50 3,937 90 5,050 60 10,077 65 17,135 50 6,027 45 40,875 95 40,619 60 14,774 55 18,435 25 15,531 65 17,249 65 33,781 25 31,975 80 1,805 16,893 70 13,706 3,186 21,787 90 21,213 574 8,561 20 9,192 50 631 13,545 00 13,748 50 203 8 3,334 05 15,019 05 11,685 11,174 55 11,174 41,;646 10 43,712 75 2,066 7,685 20 8,811 80 1,156 60,210 20 71,134 35 10,924 32,416 45 59,193 90 26,777 14,772 35 14772 6,250 40 7,510 15 1259 78,355 60 86,095 35 7,7740 4,682 60 4,227 00 455 21,784 15 20,732 60 1,051 61,941 20 72,287 25 10,346 25,852 65 29,881 36 4,028 8,877 30 9,390 60 13 22,397 45 22,834 15 436 6,714 10 5,013 95 1,700 7,051 70 7,932 65 880 11,161 85 11,465 60 303 be 5,254 00 5,254 43,635 65 46,608 75 2,973 133,311 55 135,474 80 2,163 25 29,892 40 34,971 70 5,079 30 7,216 75

3,660 1,718

507,132 20 34,676 50 18,136 85

Summa I.

EIIVVoFö III. Württemberg..

525/,670 36,591 16,435

8,640 00 1,432 25

1050,744 75 120,870 55 95,532 71,267 70 64,077 95 7,189 V 75 34,572 30 36,050 50 1,488 20

Ueberhaupt 556,947 55

579,637

[1189582 V 5 12888 s= 10283 28

: 21 ; 9* 1 1 14 22 orFo ü di Hor⸗Post. Dir Ir o * 1 *) In Bezug auf die Vergleichung mit dem Vorjahre ist zu bemerken, daß die Ober⸗Post⸗Direktionen Bromberg, Minden und

Aachen erst vom 1. Januar 1876 ab eingerichtet sind und daß von d Bezirke der Ober-Post⸗Direktion Hamburg zugetheilt worden ist.

emselben Zeitpunkte ab der Bezirk des Ober Post⸗Amts in Lübeck dem Die neulen Bezirke Bromberg, Minden und Aachen sind aus Theilen

der bisherigen Bezirke von Danzig und Posen, von Hannover und Münster, bezw. von Cöln gebildet.

Berlin, im

März 1876. Hauptbuchhalterei des Reichskanzler⸗Amts.

MNichtamtliches. Deuntsches Reich.

Preußen. Berlin, 16. März. In der gestrigen Sitzung des Hauses der Abgeordneten machte der Handels⸗ Minister Dr. Achenbach über den Bergrutsch bei Caub folgende Mittheilungen:

Meine Herren! Die Bergbehörde ist bei der vorliegenden Ange⸗ legenheit, wenigstens seit dem letzten Jahre nicht mehr offiziell d⸗⸗ theiligt, die Stadt Caub hat selbst die Arbeiten übernommen, welche nothwendig waren, um den Bergsturz zu vermeiden; es sind daher Maßregeln der Bergbehörde, namentlich des Ober⸗Bergamtes in Bonn, seit jener Zeit nicht getroffen. Gleichwohl ist, nach⸗ dem der Unglücksfall eingetreten, sofort Seitens des Berghauptmanns in Bonn ein Rath an Ort und Stelle gesendet worden, um bei den. betreffenden Arbeiten wenigstens als Sachverständiger behülflich zu sein. Was in dieser Seitens dieses Rathgebers veranlaßt ist, möchte ich dem hohen Hause zur Ergänzung dessen, was der Herr Minister des Innern erklärt hat, mittheilen. Es ist vielleicht am besten, wenn ich es wörtlich aus dem Berichte vorlese.

Dabei bemerke ich, um auf einen wichtigen Punkt der Inter⸗ pellation zurückzukommen, daß der gegenwärtige Bergrutsch im Ver⸗ hältniß zu demfenigen, welcher möglicher Weise noch nachfolgen kann, als ein geringer bezeichnet werden kann. Es wird daher in dem Be⸗ richt als außerordentlich dringend bezeichnet, mit der Abtragung des Bergkegels mit aller Energie vorzugehen. 1““

Nachdem anzeführt ist, daß möglicher Weise ein weiterer Berg⸗ mutsch folgen könne, heißt es:

„Es ist daher dringend nothwendig, daß die in der Bewegung befindlichen Gesteinsmassen in kürzester Zeit entfernt werden.

Zu diesem Behufe soll für die Abfuhr der aus dem obersten Theile zu gewinnenden Schuttmassen nach dem zunächst gelegenen Thale eine Schienenbahn unverzüglich angelegt werden, für welche, da es in der Nähe an disponiblen Objekten fehlt, die erforder⸗ lchen Schienen und Förderwagen bei der Königlichen Bergwerks⸗ Direktion zu Saarbruͤcken sofort durch mich erbeten und von der⸗ selben bereitwilligst zugesagt worden sind.

Die Abraummasse aus den unterhalb gelegenenen Theilen des Rutschgebietes wird am zweckmäßigsten abwärts gestürzt und dort am Rheinufer abgelagert werden, sobald der untere Theil der bei dem Bergsturz niedergegangenen Schuttmasse von den Leichen befreit und so gesichert sein wird, daß ein Nachstürzen desselben in seinem Innern nicht mehr stattfinden kann. Mit dieser Arbeit wird die von Mainz requirirte Pionier⸗Kolonne für die nächste Zeit zum größten Theile beschäftigt werden, während ein kleinerer Theil derselben an Stelle der am 13. d. M. nach Coblenz zurückgekehrten Kolonne vom Pionier⸗Bataillon Nr. 8 die Arbeiten zur Herstellung der Förderbahn auf der oberen Abraumetage übernehmen soll. Zur Ergänzung der erforderlichen Arbeiterzahl hat die Schieferbaugesell⸗ schaft Meyer & Co. zu Caub für die nächsten Tase 50 Bergleute zur Disposition gestellt und werden auch von answärts Arbeiter herbeigeholt; es ist jedoch die Möglichkeit nicht ausgeschlossen, daß zur energischen Fortsetzung umfassender Abraumarbeiten Bergleute von den Königlichen Steinkohlengruben bei Saarbrücken erbeten

Ich bemerke hierbei, daß dieser Bericht erst eben in meine Hände gekommen ist, obgleich derselbe vom 13. datirt. Zugleich habe ich gestern an das Ober⸗Bergamt in Bonn telegraphirt, um mir noch nähere Auskunft über den gegenwärtigen Stand der Sache zu erbitten, indeß bis zur Stunde habe ich eine Antwort nicht erhalten; wahr⸗ scheinlich hängt das mit der Unterbrechung der telegraphischen Ver⸗ bindungen zusammen. Es geht indeß aus einem Briefe des Berg⸗ werks⸗Direktors in Saarbrücken so viel hervor, daß am 12. b. M. dasebst eine Requisition auf Lieferung von Schienen und Förderwagen eingetroffen war und daß dort sofort Anweisungen gegeben worden sind, um den Requisitionen zu entsprechen. Auch beweist ein Telegramm, welches ebenfalls vom 13. datirt und erst heute in meine Hände ge⸗ langte, daß man mit den betre enden Arbeiten mit aller Energie vorgeht. Ich glaube daher nach Lage der hier vorliegenden Akten⸗ stücke die Ansicht aussprechen zu dürfen, daß zur Vermeidung künf⸗ tiger Uafälle energische Maßregeln ergriffen sind und auch in Zukunft werden fortgesetzt werden. Es ist selbstverständlich, daß, wenn Berg⸗ leute von den Königlichen Gruben in Saarbrücken nothwendig werden

sollten, wir nicht den geringsten Anstand nehmen werden, sie in be⸗

liebiger Zahl dorthin zu senden.

Im weiteren Verlaufe der Sitzung entstand in der zweiten Berathung des Etats des Ministeriums der geistlichen ꝛc. Angele⸗ genheiten (s. Nr. 49 d. Bl.) bei Tit. 12 (Elementarschulen) über die Erhöhung der Lehrergehälter und die Art derselben in Form von Alterszulagen eine längere Debatte, an welcher die Abgg. Frhr. Dr. v. d. Goltz, Richter (Sangerhausen), Dr. Eberty, v. Wedell⸗ Malchow, Dr. Wehrenpfennig, Miquel, Frenzel, Bender (Königs⸗ berg) und die Regierungskommissarien, Geheimer Regierungs⸗Rath Dr. Schneider und Geheimer Ober⸗Regierungs⸗Rath v. Cranach, Theil nahmen. Die Position wurde bewilligt. Bei Tit. 14 (Ruhegehaltszuschüsse für emeritirte Elementarlehrer 300,000 ℳ) sprach der Abg. Hollenberg. seine Befriedigung über die Ein⸗ stellung dieser Summe in den Etat aus. Bei Tit. 15 (Schul⸗ aufsichtskosten und zur Besoldung von Kreis⸗Schulinspektoren 697,500 ℳ) wies der Staats⸗Minister Dr. Falk die Angriffe des Abg. Dauzenberg wegen der Entfernung geistlicher Schul⸗ inspektoren vom Amte wie folgt zurück: 1

Meine Herren! Sie werden cs außerordentlich erklärlich finden, wenn ich in diesem Falle es ebenso mache, wie in früheren Fällen, indem ich der Bezugnahme auf meine vorjährige amtliche Rheinreise keine Bemerkung entgegensetze, es sei denn einfach die: wenn die Herzen diese Rheinreise beinahe in jeder Rede vorbringen, so scheint das doch zu zeigen, daß sie ihnen recht unangenehm gewesen ist.

Was nun das Thema betrifft, welches der Hr. Abg. Dauzenberg, durchaus sich anschließend an seine frühere Praxis, heute behandelt hat, so mag es ja richtig sein, daß das Wort aifficile est satiram non sceribere“ gilt, wenn man eben nur Karrikaturen zeichnet, wie das in diesem Augen⸗ blicke der Herr Abgeordnete gethan hat. Meine Herren, die Schul⸗ inspektion geistlicher Art ist ja ein Lieblingsthema der verehrten Herren vom Centrum, und zwar nicht blos der Herren, die hier im Hause ihren Platz haben, sondern auch ihrer Anschauungegenossen im Lande und der Blätter, die ihre Auffassung anfechten. Es giebt im ganzen preu⸗ ßischen Staate keine einzige Kategerie von Beamten, die in dieser Weise wie soll ich sagen auf dem Isolirschemel steht, wie das

1““

1“ Preußischen

Staats⸗Anzeiger. 1876.

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von den Schulinspektoren gilt. Ich meine das in dem Sinne, daß sie von allen Seiten auf das Allergenaueste betrachtet werden, daß Jeder seine Augen anstrengt, auch bewaffnet und zwar mit einem Vergrößerungsglase bewaffset, um aa ziesen Schulinsp ktoren nur einen Mangel zu finden, und wenn dann ein Mangel gefunden ist, so wird er eben in Folge der Bewaffnung des Auges so ungeheuer groß angesehen, daß er für würdig erachtet wird, nicht blos in das betreffende Lokalblatt aufgenommen zu werden, sondern in sämmtlichen Blättern des Centrums um mich kurz so auszudrücken in der ganzen preu⸗ ßischen Monarchie, damit es aussieht, als ob auf diesem Gebiete recht viel Eatsetzliches und schwer Tadelswerthes sich ereigne. Die Herren vom Centrum bringen dann dasselbe Material, welches sie auf diese Weise der ganzen Welt verkündet haben, nochmal in nuce vor dieses hohe Haus, und so ist denn auch der Hr. Abg. Dauzenberg verfahren. Es ist von ihm auf ein Wort des Hrn. Abg. Windthorst aus der gestrigen Sitzung, wenn ich nicht irre, Bezug genommen wor⸗ den, in welchem er mit ganz demselben Maße von Richtigkeit und Eleganz, wie er mich dem Lande als einen Wochen lang schlafenden Min ster kennzeichnete, auch den Satz aussprach, daß die Kreis⸗Schul⸗ inspektoren meistens ans dem Tempel getrieben werden sollen, d. h. also, daß man die Institution dieser Art beseitigen werde. Nun, meine Herren, die Staatsregierung hat einen ganz und gar anderen Standpunkt und sie hofft, daß sie mit der Hüͤlfe dieses hohen Hauses in der Lage sein werde, diesen ihren alten Standpunkt zunächst im Wege der Verwaltung, demnächst im Wege der Gesetzgebung durchzu⸗ führen. Es wird Ihnen wohl erinnerlich sein, daß in den Grundzügen der Behördenorganisation, die im vergangenen Jahre als Beilage der Vorlage gegeben war über die Provinzialordnung für die künftige Organisation der Schulbehörden, allerdings der Kreis⸗Schulinspektor im alleinigen Amt eine für das ganze Gebiet der Monarchie gedachte Person ist, die ein wesentliches Glied abgeben soll der kuünftigen Organisation. Den Standpunkt, den damals die Staatsregierung zu dem ihrigen machte, hat sie auch heute noch, denn, meine Herren, das Mate ial, was sie in den Berichten der von ihr berufenen Behörden hat, ist mir insgesammt lieber und zuverlässiger, wie ein einzelner und selbst ein ganzes hundert Parteimänner, wie wir sie haben, weil ich weiß, daß die preußischen Behörden ihre Pflicht thun. In den Berichten, die die Regierungen, die die Ober⸗Präsidenten, die die Regierungs⸗Präsidenten erstatten, ist nicht eine einzige Stimme in der ganzen Zeit gewesen, die nicht mit aller Energie für diese neue Einrichtung sich erklärt hat. (Unruhe im Eememm.). Nicht eine Stimme! Dem Hrn. Abg. Danzenberg ist eine ganz wunderliche Verwechselung begegnet, indem er eine Aeußerung meines Herrn Kommissarius aus dem vergangenen Jahre von „ange⸗ hörten politischen Persönlichkeiten“ in dem Sinne verstanden hat, daß auch der Hr. Abg. von Sybel unter diesen gehörten politischen Per⸗ sönlichkeiten sich befände. Nun, meine Herren, mein Herr Kommissar hat nichts Anderes darunter verstanden, als die Regierungs⸗Präsiden⸗ ten, die von Zeit zu Zeit, wie ich schon mehrmals g. sagt habe, Sr. Majestät einen Bericht über die gesammte Lage ihres Bezirks zu er⸗ statten haben, in welchem Bericht sie alle diejenigen Dinge, die sie selbst für wichtig halten, zusammenstellen müssen, und alle diejen igen Punkte, die ihnen selbst nach ihrer eigenen Erwägung am Herzen liegen, zu erwähnen haben. Für diese Berichte existirt kein Zwanz, über Kreis⸗Schalinspektionen zu sprechen oder nicht; wenn ein Beamter darüber spiicht, aus freien Stücken, und diese Berichte sind übereinstimmend mit dem⸗ jenigen, wis auf dem gewöhnlichen amtlichen Wege an diese Stelle kommt. Ich wiederhole, darauf wird sich die Regierung verlassen, und nicht auf derartige Historien, wie sie hier vorgetragen worden sind. Meine Herren! Der Herr Abgeordnete hat nun der Staats⸗ regierung, wie das ja immer geschieht, den Mangel an Parität vor⸗ geworfen. Es ist nun zunächst nicht in dem Maße richtig, wie er es hervorgehoben hat, daß nur in ganz vereinzelter Weise auch evangelisch⸗ geistliche Schulinspektoren durch weltliche ersetzt worden seien. Wer aber zwischen beiden Kategorien, den katholisch⸗geistlichen Inspektoren und den evangelisch⸗geistlichen Inspektoren, rücksichtlich ihrer Ent⸗ fernung ein Unterschied obwaltet, so liegt doch die Ursache ganz sonnen⸗ klar vor. Der Grund ist einfach der, daß, soweit die Mittel reichen und die Personen vorhanden sind, an derjenigen Stelle zuerst eingetreten werden muß, wo eben Noth ist, wo die schädlichsten Einflüsse vorhanden sind und beseitigt werden müssen. Ich denke, darüber sind wir mit⸗ einander vollkommen einig; wir haben diesen Punkt auch hier gestern auf das Allerklarste besprochen, und da liegt die Sache unbedingt so, daß der Einfluß einer Reihe von katholischen Geistlichen auf die Schule ein solcher ist, der in allererster Linie entfernt werden muß. Meine Herren! Es ist nun aber in denjenigen Bezirken, in welchen sich eine konfessionell gemischte Bevölkerung befindet, von Seiten der

betreffenden Regierungen der bestimmte Antrag an die Staatsregie⸗ rung gebracht worden, von der Unterstellung nur der katholischen Schulen unter weltlichen Kreis⸗Schalinspektoren abzusehen, und den Vorth il, der aus der weltlichen Kreis⸗Schulinspektion erwächst, auch der evangelischen Schule zuzuwenden. Ich meine die drei Regierungen aus der Rheinprovinz, wi haben ja viel von der Rheinprovinz ge prochen die zu Coblenz, zu Cöln und zu Düsseldorf. Von etwas verschie⸗ denem Standpunkt ausgehend, sind sie sämmtlich zu dem Ergebniß ge⸗ kommen, daß, wenn nicht in nicht zu langer Zeit die evangelische Schule zurückbleiben soll, sie dieselbe Einrichtung haben müsse in Bezug auf die Kreis⸗Schulinspektion, wie die katholische Schule, nicht aus jenem von mir angedeuteten politischen Grunde, sondern aus anderen Gründen. An einer Stelle wird hervorgehoben: ein Theil unserer Inspektoren entzieht sich der Aufgabe, weil er eine Thätigkeit entfalten muß, für die er in keiner Weise ein Acquivalent erhält, welches nur annähernd eine Belohnung ausmacht, eine That⸗ sache, die ja gar nicht zweifelhaft ist; das hohe Haus hat mich ge⸗ zwungen in diese Position hinein, ich habe es ja anders gewollt. Demnächst ist aber von anderen Regierungen ausgesprochen worden, daß nicht blos die Besorgniß bestehe, daß bei der gesenwärtig stärkeren Anforde⸗ rung nach allen Richtungen an die Kreis⸗Schulinspektoren der evan⸗ gelische Geistliche beim besten Willen seine Aufgabe nicht erfüllen könne, namentlich, wenn man bedenkt, was heut zu Tage von der kirchlichen Seite an ihn für Anforderungen gerichtet werden, sondern es ist neben dieser Besorgniß auch ausdrücklich gesagt worden, leider fängt sich da und dort die Besorgniß an, bereits als Wirklichkeit zu zeigen. Ich bin mit der Auffassung der Regierungen ganz einver⸗ standen gewesen; und dieses Einverständniß ist einer der Gründe, welche die heutige Mehrforderung für die Staatsregierung als eine Nothwendigkeit haben erscheinen lassen. Ein anderer Grund liegt in der zu großen Ausdehnung der Bezirke, die der Abg. Dauzenberg zum Theil nicht ohne Recht erwähnt hat. A1““ Meine Herren, die Regierungen haben übereinstimmend bei der Erörterung der von mir bezeichneten Frage dervor⸗ gehoben, daß es weder aueführbar, noch ein Grund vorhanden sei, bei der Ausdehnung der weltlichen Kreis Schulinspektion auch auf evangelische Schulen nach einem anderen Prinzip vorzugehen, als nach dem Territorialprinzip, d. h. daß kein Unterschied gemacht werden soll grundsäͤtzlich wenn man auch, je nachdem die eine oder die andere Kategorie der Klassen in konfessioneller Beziehung ein Mehr oder Weniger hat, seine thatsächliche Wahl im einzelnen Falle treffen wird, daß man also grundsätzlich keinen Unterschied dahin machen könne, die evangelischen Schulen einem evangelischen und die katholischen Schulen einem katholischen Kreis⸗Schulinspektor zu unter⸗ stellen, sondern daß ein evangelischer Kreis⸗Schulinspektor sein müsse, und diese über katholische und evangelische Schulen und umgekehrt

namentlich