bleiben, und das wird nach der ganzen Lage der Gesetzgebung nicht ehen. 2 1 ¹ Die Frage ist schwierig, und kann durch einfach analege Be⸗ stimmungen der Kreisordnung in der Städte⸗Ordnung nicht gelöst werden. Aber eine Lösung muß gefunden werden, und ich denke, ich werde in der Lage sein, im Laufe der Berathunz Ihnen noch ein Amendement von Seiten der Regierung zustellen zu können, Was den Antrag auf Ausdehnung dieses Gesetzes, zunächst auf Rheinland, Westfalen, Nassau und Posen betrifft, so bin ich eigent⸗ lich darauf gefaßt gewesen, aber ich habe gesglaubt, korrekter zu handeln, wenn ich die Vorlage einstweilen nur auf die Kreisordnurgs⸗Provinzen beschränkte. Hier im Hause die Stimmung suchend, die die einzelnen Provinzen der Städteerdnung gegenüber haben würden, und darnach hinterher versuchend, die Regierung Sr. Majestät des Köniss zu bestimmen, auf diese Wünsche einzugehen, habe ich, wenn es so weit kommt, nur nech den Wuasch, daß auch Frankfurt sich diesen Wünschen anschließen möge. Der Hr. Abg. Miquel sagt mir: ich möchte bei der Behand⸗ lunz kdieses Gesetzentwurfs im Laufe der Session nicht ängst⸗ lich sein. Ich bin es in der That nicht, ich bin nicht ängstlich, das habe ich bei der ganzen Gesetzgebung gezeigt, ich habe am wenigsten Grund, gerade bei städtischen Verhältnissen, die ja durch sichtiger sind, änsstlich zu sein, aber vorsichtig müssen wir außer⸗ ordentlich sein, vorsichtig aus zwei Gründen. Meine Herren! Was der Abg. Richter klar und geistvoll ausgeführt hat, ist ja Gesen⸗ stand längerer Erfahrung auch bei den beaufsichtigenden Behörden der Städte gewesen. Die Abgrenzung der Stellung zwischen den kommunalen Körperschaften ist schwer zu machen, aber sie muß scharf sein, wenn sie nicht eine Quelle fortwährender Zerwürfnisse und vollständiger Zerrüttung städtischer Verwaltung und Verhältnisse werden soll. Es liegt in der Natur der Sache, daß die den verständigsten und wohlwollendsten Menschen zugewitsenen Befugnisse, wenn sie nicht scharf abgegrenzt und richtig bemessen sind, zu einem Streben nach Erwei⸗ terung, nach Omnipotenz führen. Es giebt keine Versammlung, Sie mögen sie zu ammensetzen wie Sie wollen, die nicht glaubte, von der Basis aus, die ihr das Gesetz gegeben hat, soweit gehen zu können, als sie irgend in sich die Kraft fühlt. Außerordentliche Schwierigkeit bietet es daher, im Gesetze die Grenze zu ziehen, und wenn wir diese Gelegenheit jetzt benutzen und die richtige Grenze zu finden suchen, wird es sich nicht darum handeln, hier im Hause einen Kumpf zwischen Magistrat und Stadtverordneten ausfechten zu sehen, son⸗ dern zu dem Frieden zu gelangen, nach dem beide Körperschaften sich sehnen. Außerdem hat der Hr. Abg. Miquel vollständig Recht, wenn er sagt, wir müßten, oder verzeihen Sie, ich will sagen: ich habe Recht; — wenn ich sage, wir müssen vorsichtig sein, weil der Hr. Abg. Miquel Recht hat, wenn er sagt: indem wir diese Städteordnung berathen, berathen wir eine Städte⸗ Oednung für die ganze Monarchie. Denn das ist jn unzweifelhaft, daß jetzt, wo alle Grundsätze einer Städteordnung erwogen und diekutert werden, man die übrigen Provinzen nicht aus den Augen lassen kann; daß dasjenige, was Sie jetzt hier beschließen, binnen längerer oder kürzerer Frist maßgebend für alle übrigen Provinzen werden wird. Aus diesen beiden Gründen hauptsächlich wollen wir nicht ängstlich, aber vorsichtig sein. 1 8 Für die Behandlung der Angelegenheit glaube ich, daß Dasjenige, was in dem Antrage vorgeschlagen ist, das Zweockmäßigste ist: eine Kommission expreß für die Städte⸗Ordnung und eine Kombination der Berathungen zwischen der Kompetenzkommission und der Städte⸗ Ordnungskommission, um überall in Einklang und in Konkordanz zu bleiben. 8 Der Abg. Frhr. v. Manteuffel sprach für die Vorlage mit dem Wunsche einer besonderen Städteordnung für Berlin. Nach einer Rede des Abg. Haken gegen die Vorlage wurde der Antrag des Abg. Miquel und Gen., welcher lautet: „Das Haus der Abgeordneten wolle beschließen: 1) den Ent⸗ wurf einer Städte ⸗Ocrdnung einer besonderen Kommission von 21 Mitgliedern zu überweisen, jedoch 2) die in diesem Entwurf, sowie in dem Entwurf einer Wege⸗Ordnung, dem Entwurf, betreffend die Vertheilung der öffentlichen Lasten bei Grundstückstheilungen ꝛc., und dem Entwurf, betreffend die Bildung und Verwaltung der Provinz Berlin, enthaltenen Bestimmungen über die Kompetenz der Behör⸗ den — der Kompetenzkommission zu überweisen.“ mit großer Majorität angenommen, worauf sich das Haus um 4 ¼ Uhr vertagte.
— In der heutigen (31.) Sitzung des Hauses der Abgeord⸗ neten, welcher am Ministertische der Vize⸗Präsident des Staats⸗ Ministeriums Finanz⸗Minister Camphausen, sowie die Staats⸗ Minister Graf zu Eulenburg, Dr. Falk und Dr. Frie⸗ denthal mit zahlreichen Kommissarien beiwohnten, gab eine Bemerkung des Abg. Dr. Reichensperger vor der Tages⸗ ordnung, auf welche der Staats⸗Minister Dr. Falk kurz repli⸗ zirte, einen Anlaß zu einer kurzen Geschäftsordnungs⸗Debatte, an welcher die Abgg. Miquel, Dr. Reichensperger, Windthorst (Meppen) und Dr. Virchow Theil nahmen. Es folgte die dritte Berathung des Staatshaushalts⸗Etats. Der Abg. v. Kardorff bezeichnete die gruppenweise Berathungsweise des Etats als sehr zeitraubend, und schlug als Auskunftsmittel die Einrichtung zweijähriger Etatsperioden vor. Er wünschte so⸗ dann eine Umkehr in der jetzigen Wirthschaftspolitik, welche letz⸗ tere der Abg. Dr. Virchow vertheidigte. Damit wurde die General⸗ debatte geschlossen. In der Spezialdebatte zu Kap. 127 Tit. 1. (Besoldungen für Schulräthe) wies der Abg. Windthorst (Bielefeld) die neulichen Angriffe des Abg. Frhrn. v. Schorlemer⸗ Alst gegen die Jugendschrift Simplicius Simplicissimus energisch zurück, worin sich ihm die Abgg. Richter (Sangerhausen) und Dr. Wehrenpfennig anschlossen. Außerdem sprachen die Abgg. Frhr. v. Schorlemer⸗Alst und Windthorst (Meppen). — Beim Schlusse des Blattes dauerte die Etatsberathung fort.
— Durch die Liste, welche wir in Nr. 64 d. Bl ver⸗ öffentlicht haben, sind unsere Leser jedenfalls schon hinreichend in den Stand gesetzt, sich ein Urtheil darüber zu bilden, ob der Artikel der „Germania“, zu dessen Illustration sie bestimmt war, eine zutreffende Charakteristik der ‚Deklaranten“ der Kreuz⸗ zeitung enthiell.
Der Vollständigkeit wegen lassen wir jedoch heute noch weiter nachstehende Namen folgen:
Baeßler, Fabrikdirekter in Krampe bei Grünberg. — G. A.
Baltzer, Kaufmann in Frankfurt a./O. — v. Blücher auf Witzmitz.
J. v. Bonin. 8
v. Czettritz⸗Neuhaus Bullendorf bei Freystadt.
. Eggeling, Amtsrath, Niesky.
Fahrenholtz Schönwalde, Pastor.
v. Hanstein⸗Wusseken. — Ad. Frhr. v. d. Horst, Landrath a. D. — Eul Frhr. v. d. Horst, Rittmeister a. D. auf Hollwinkel, Reg. Bez. Minden. ““
Frhr. zu Inn⸗ und Knyphausen, Rittmeister a. D., Haus Dorloh bei Mengede.
Graf v. Kalckreuth⸗Siegersdorf. — Frhr. v. Kottwitz⸗Lang⸗ heinersdorf. — Frhr. v. Kottwitz⸗Laubsdorf. — Kraker v. Schwarzen⸗ feld⸗Bogenau. — v. Krause⸗Poblotz. — W. v. Krockow⸗Rowen.
Frhr. v. Ledebur⸗Crollage, Kreisdeputirter. — J. Lehmann⸗ Curow. — Lewien, Justiz⸗Rath in Berlin. — Ludwig, Pastor in Löselitz. — v. d. Lühe⸗Steinburg. — H. W. Frhr. v. Lüttwitz⸗Lossen in Klein⸗Trebnitz. 8
v. Massow Hohenborn. — Mehring, Pastor in⸗ Möͤller, Pfarrer in Oeynhausen. — v. Münchow⸗Gotzkow, meister a. D. — Münrich⸗Driesen, Pastor em.
v. Nathusius⸗Meyendorf. — v. Nickisch⸗Rosenegk.
Hugo Pfoͤrtner v. d. Hölle, Landesältester auf Steinborn. —
apendorf. — Ritt⸗
v. Platen⸗Venz. — v. Plötz⸗Stögow, General⸗Lieutenant z. D. — v. Podewils⸗Penken. — M. v. Poncet, Glasfabrikant in Friedrichs⸗ hain. — E. Baron v. Puttkamer. — Frhr. v. Puttkamer⸗Wollin. — v. Puttkamer Poberow auf Schickerwitz. 4
F. W. Graf v. d. Recke⸗Volmerstein auf Heinzenburg. — Rei⸗ mann, Pastor in Cunersdorf. — v. Risselmann⸗Krussow. — v. Rohr⸗ Trieplatz. — Edwin Graf v. Rothkirch und Trach auf Pauthenau.
Sarlorius, Pastor ia Waldov. — C. A. Schäfer⸗Elberfeld. — v. Schau⸗Kunersdorf. — v. Scheffer⸗Annafeld. — v. Schlemmer⸗ Perkniken. — v. Schlichting Rietschütz, Hauptmann a. D. — v. Schmidt⸗Wierasz⸗Kowalski. — H. v. Schöninz⸗Lübtow. — Schottkv, Fabrikbesitzer in Frankfurt a. O. — p Schuckmann⸗Rohrbeck, Ritterschaftsrath. — H. Schultz Berlin. — A. Graf Schwerin⸗ Idas⸗ hof. — Ernst Frhr. v. Seherr⸗Thoß⸗Wiesenthal. — Senckel, Pastor in Finsterwalde. — Stoll, Pastor in Nieder⸗Eichstädt, Superinten⸗ dent a. D. — W. Stolzeaburg⸗Simötzel. — v. Stülpnagel⸗Lieben⸗ felde. — Stumpf, Suverintendent in Finsterwalde. 8
v. Tauentzien⸗Bolkow. — Thiem, Pastor in Eichholz.
v. Woldeck⸗Arneburg⸗Mickrow. 8
v. Zadow⸗Alt⸗Hütten, Hauptmann a. D. und Rittergutsbesitzer. — v. Zitzewitz, Major z. D., Stolp. — v. Zitzewitz⸗Hagenow.
— Der „Allg. Ztg.“ schreibt man unter dem 16. März von hier: „Die Entwerthung des Silbers hat in letzterer Zeit so beunruhigende Dimensionen angenommen, daß man in verschiedenen Ländern eine amtliche Untersuchung dieser Kala⸗ mität anbefohlen hat. Auch in Deutschland beschäftigt man sich angelegentlich mit der Frage: wier dem stetigen Fallen der Silberpreise Einhalt zu gebieten ist, da man sich wohl be⸗ wußt ist, daß die Entwerthung des Silbers der Durchführung unserer Münzreform einen Verlust von wenigstens einigen Millionen Thalern bereitet. Ehe wir einer eingehenderen Er⸗ örterung der Frage näher treten, weisen wir den Vorwurf zu⸗ rück, daß unsere Münzreform an diesem beträchtlichen Verluste die Hauptschuld trage; denn es ist klar, daß auch ogne eine ein⸗ heitliche Umwandlung unserer Zahlungsmittel der Verlust nicht hätte erspart werden können. Die Ursache der Entwerthung des Silbers ist sogar nur zu einem geringen Theil durch die Ein⸗ führung der deutschen Münzreform bedingt worden; die Haupt⸗ ursache besteht in der enormen Steigerung der Silberproduktion und der sich verringernden Nachfrage nach Silber. Die Minen in Nevada und den Rocky Mountains, deren Ertragfähigkeit Anfangs unterschätzt wurde, haben bedeutende Quantitäten Silber zu Tage gefördert. Einem amtlichen Berichte des Staatskommissärs für das Minenwesen, Professor Raymond, entnehmen wir, daß die Gesammt⸗Silberproduktion in den Ver⸗ einigten Staaten 1850 nur 200,000 ℳ betrug. Selbst 1860 hatte sie noch nicht 600,000 ℳ erreicht. 1870 dagegen betrug sie 62 Mill. ℳ, d. h. 300 Mal so viel als vor 10 Jahren. 1874 ergab sie über 120 Mill., etwas weniger als die drei vor⸗ hergehenden Jahre. Von 1860 — 1875 betrug die Silber⸗ produktion amerikanischer Minen 1,005,402,000 ℳ Von streng faͤchwissenschaftlicher Seite, der wir durchaus Glauben schenken können, wird angenommen, daß der Silberertrag amerikanischer Minen während der nächsten fünf Jahre sogar den Betrag derselben während der letzten 30 Jahre übersteigen wird. Angesichts dieser kolossalen Mehrproduktion fällt der von der Reichsregierung zu bewir⸗ kende Verkauf des aus den ausrangirten alten deutschen Silber⸗ münzen gewonnenen Metalls, nach Abzug der neuen gepr gten und noch zu prägenden Silbermünzen, nicht maßgebend ins Gewicht. Denn wenn wir selbst gemäß der vom Abg. Sonnemann im Reichstag angestellten hohen Schätzung annehmen, daß wirklich noch 450 Mill. ℳ zu verkaufen sind, so wird man zugestehen müssen, daß diese Summe verschwindend gering ist im Vergleich zu der immer steigenden Massenproduktion, und daß sie das riesige Fallen des Silberpreises nimmermehr allein be⸗ wirkt haben kann. Die Entwerthung des Silbers hat natürlich in vekschiedenen Staaten das lebhafteste Verlangen nach einer reinen Goldwährung hervorgerufen.⸗Dem Beispiele Deutschlands sind der skandinavische Norden, die Niederlande und Japan gefolgt. Die lateinische Münzkonvention, welche noch immer zaudert, eine reine Goldvaluta einzuführen, hat sich bewogen gefühlt, die Gesammtsumme der Silberprägung für die vier Hauptstaaten um ⅛6 zu reduziren. Sehr bezeichnend ist der Uebergang der Niederlande von der Silber⸗ zur reinen Gold⸗ währung, welche es vor 25 Jahren mit großen Kosten aufgege⸗ ben hatte, als das kalifornische Goldfieber die Welt erschreckt und die Befürchtung hervorgerufen hatte, daß Gold billiger noch, als Silber werden könnte. Von beängstigender Wirkung ist die Entwerthung des Silbers für das indische Reich in seinen Beziehungen zu England. Während das Mutterland die Goldwährung besitzt, besteht in Indien noch die Silber⸗ währung. Der Unterschied der beiden Valuten ist so groß, daß die indische Regierung bei Geldübersendung nach England an jeder Rupie etwa 3 Pence verliert, d. h. nach deutschem Geld an 2 ℳ etwa 25 ₰. Angesichts dieser Landeskalamität erörtert man in britischen Regierungskreisen die Nothwendigkeit, auch in Indien die Goldvaluta einzuführen, was natürlich ein weiteres Fallen der Silberpreise herbeiführen müßte. Die in Folge eines Antrags des Lord George Hamilton vom englischen Unterhause bewilligte Be⸗ rufung einer Kommission betreffs Untersuchung der Silberent⸗ werthung wird voraussichtlich dem allgemeinen Verlangen nach Ein⸗ führung der Silbervaluta in Indien offiziellen Ausdruck geben. Deutschland kann seiner Regierung Dank wissen, daß es rechtzeitig die Silberwährung preisgegeben hat und zu reiner Goldwährung übergegangen ist. Die dadurch entstandenen Kosten sind verschwin⸗ dend klein im Verhältniß zu dem Verlust, welchen andere Staaten durch das Festhalten an der Silberwährung erleiden.“
— Um den Unzuträglichkeiten zu begegnen, welche zur Ge⸗ fährdung des Eisenbahndienstes und der Sicherheit des Betrie⸗ bes durch plötzliche Verhaftung von Eisenbahn⸗ Polizei⸗ und Betriebsbeamten entstehen können, hat der Minister des Innern auf Anregung des Handels⸗Ministers sämmtliche Königlichen Regierungen und Landdrosteien durch Cirkularreskript vom 6. d. M. veran⸗ laßt, die Ortspolizeibehörden anzuweisen, in Strafsachen, worin eine vorläufige Festnahme, zwangsweise Vorführung oder Ver⸗ haftung eines Eisenbahn⸗Polizei⸗ oder Betriebsbeamten erfor⸗ derlich wird, der dem Letzteren unmittelbar vorgesetzten Dienst⸗ behörde vor der Vollziehung Mittheilung zu machen, insofern nicht der Zweck einer im Strafverfahren nöthigen sofortigen Haftnahme durch solche vorgängige Kommunikation gefährdet erscheine.
„.ꝗ — Die Königliche Fortifikation zu Erfurt ist auf⸗ gelöst worden.
— Die fällige Englische Post, aus London, den 18. Abends, planmäßig in Cöln um 2 Uhr 50 Minuten Nach⸗ mittags, ist ausgeblieben. Grund unbekannt.
— S. M. S. „Vineta“ ist, telegraphischer Nachricht von Valparaiso zufolge, am 15. d. Mts. direkt nach Hongkong in See gegangen.
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— — Der Thierarzt erster Klasse Hintze zu Schwetz isß zum kommissarischen Kreis⸗Thierarzt für den Kreis Schwez ernannt worden.
Bayern. München, 17. März. Die dritte Abtheilung der Kammer der Abgeordneten hat heute Vormittag sich mit der Prüfung der Wahlen in den Wahlbezirken Wasser⸗ burg, Mindelheim, Straubing und Nürnberg beschäftigt und dieselben in keiner Weise beanstandet. Im Finanzausschuß der Kammer beginnt morgen die Berathung des Budgets des Staais⸗Ministeriums des Innern. — Die „Allg. Ztg.“ schreibt: Mit dem Resultat der in den letzten Tagen von den Distriktsräthen vollzogenen Wahlen zum Landrathe von Oberbayern, für welche das katholische Kasino hier sehr thätig war, sind die Parteiblätter nicht vollständig zufrieden. Auf eine Mehrheit in der Kreisvertretung scheint man nicht zu rechnen, denn der „Bayer. Kurier“ bemerkt nur, daß die patriotische Partei im Landrathe in ansehnlicher Stärke vertreten sein wird. — Dem „Schwäb. M.“ schreibt man aus Nürnberg unter dem 16. März: Die hiesige sozialdemokratische Arbeiter⸗ partei hat bereits durch von hier abgesendete Agitatoren die Bildung von „Wahlvereinen“ behufs der künftigen Reichs.⸗ tagswahl in verschiedenen Städten Bayerns veranlaßt.
— 18. März. Die nächste Sitzung der Kammer der Abgeordneten ist auf Montag, Vormittag 10 ½ Uhr, anberaumt worden. — Von den Staats⸗Ministerien des Königlichen Hauses und des Aeußern, sowie der Finanzen ist dem Präsidium der Kammer der Abge⸗ ordneten ein Gesetzentwurf „die Vervollständigung der bayerischen Staatseisen bahnen betreffend“ nebst Motiven vorgelegt worden. In dem Gesetzentwurfe wird ein Kredit von 11,165,000 ℳ verlangt.
— (W. T. B.) Der König hat die neue Formation des Kriegs⸗Ministeriums, durch welche dasselbe die gleiche Anzahl von Abtheilungen erhält wie das preußische Kriegs⸗Ministerium, genehmigt.
Württemberg. Stuttgart, 17. März. Aus dem amt⸗ lichen Bericht, welchen der Minister⸗Präsident von Mittnach über den Betrieb der württembergischen Staatseisen⸗ bahnen im Rechnungsjahr vom 1. Juli 1874 bis 30. Junm 1875 erstattet, geht hervor, daß bis zum Schluß des Jahre 1242,728 Kilom. Bahn von der württembergischen Verwaltung gebaut worden; am 1. Juli 1874 waren es nur 1177,81 Kilometer. Doppel geleise liegen auf Strecken von 167,1 Kilometer Länge. de Bauaufwand ꝛzc. beziffert 1 Kilometer Bahnlänge auf 159,496 Fl. waren beim Jahresschlusse vorhanden: 299 Lokomotiven um 280 Tendern, 602 Personenwagen mit 1751 Achsen 30,406 Sitzplätzen, worunter 996 Plätze erster, 7670 zweite und 21,740 dritter Klasse, 11 Gefangenen⸗ und Kranken Transportwagen mit 22 Achsen, 99 Gepäckwagen mit 314 Achsen 58 Bahnpostwagen mit 116 Achsen, 4123 Güterwagen mit 891 Achsen und einer Gesammttragkraft von 40,317,000 Kilogrammn Die Lokomotiven haben im Laufe des Betriebsjahres mit Züger 6,578,078, ohne Züge 297,428 Kilometer zurückgelegt; verbrauch wurden an Brennholz 8590 Kubikmeter, 72,707,900 Kilc gramm Steinkohlen und 40,284 Kubikmeter Torf. D2e. Einnahmen stellten sich auf 18,122, 215 Bk, darun 11,899,218 Fl. aus dem Gütertransport. Die Aus gaben betrugen 11,912,405 Fl. Die Reineinnahme 5,809,809 Fl. beträgt 3,5. Proz. des Bauaufwandes geze 3, % Proz. im Vorjahre. Die Betriebsausgaben berechnen se auf 52,5 Proz. der Einnahmen, 1871/74 beliefen sie sich au 55,10 Proz. Im Jahre 1874/75 war die Einnahme für 1 Kllc meter Betriebslänge um 37 Fl. 36 Kr. höher, die Ausgabe un 377 Fl. 15 Kr. niedriger. An Personen⸗Fahrbillets wunde verkauft 1874/75: 19,249 erster, 3,599,185 zweiter und 3,744,98 dritter Klasse, für 1873,74 stellen sich die Zahlen auf 280,3 — 2,517,932 und 6,450,948.
Anhalt. Dessau, 16. März. Der Herzog und Famil ist in Bellagio am Comer See eingetroffen.
Bremen. In Sachen Thomas wird, wie man „Wes. Ztg.“ mittheilt, in nächster Woche ein Nachtrag zu deß amtlichen Berichte vom 28. Januar d. J. erscheinen, der am die jetzt eingegangenen Resultate der amerikanischen Unten suchung zur Kunde bringen soll. 1
8 24 v
An Transportmitteln
Oesterreich⸗Ungarn. Wien, 19.
fürst Constantin Constantinowitsch hat au
nach Neapel heute Morgen Wien passirt.
— Di katholische „Gemeindezeitung“ in Wien schreibt ül die Schließung des Tiroler Land ages: „Wir sind selbstwe stendlich nicht die guten Freunde der Linken des Tiroler Lan tages, aber wir können der Erklärung derselben nicht unrche geben, in welcher sie die 36 „Pflichtwidrigen“ daran erinne daß sie „ihr Anliegen in Form der Geschäftsordnung hätten; Verhandlung bringen“, nicht aber die „feige Flucht“ ergreff ollen.“ — Wie der „Bote für Tirol“ vernimmt, wird gegenwaäß zu Innsbruck der Plan berathen, daß die ultramontane La tags⸗Majorität eine Deputation zu dem Kaiser entsende,; ihr Benehmen im Landtage zu beschönigen. 1
— Die Handels⸗ und Gewerbekammer, sowie der konst tionelle Verein in „Innsbruck beschlossen entschieden gehaugs Resolutionen gegen das Vorgehen der klerikalen Landta Abgeordneten, welches die Schließung des Tiroler Landta zur Folge hatte.
— Ueber die Vorgänge in der letzten Sitzung des daln tinischen Landtages am 13. d. M. bringt die „Deutk Ztg.“ aus Zara folgenden Bericht: „Im Saale waren 268 geordnete anwesend. Galerien und Logen waren überfüllt,; Präsident Ljubisa um 10 Uhr die Sitzung eröffnete. Am gierungstische befand sich der Abg. Statthalterei⸗Rath Dr. tonietti. Dr. Monti meldete sich zum Worte und der Präste ertheilte ihm dasselbe. Regierungsvertreter Antonietti verließ Saal. Und nun begann Monti sofort die Verlesung der kannten Erklärung. Nach dem ersten Satze schon verbot Präsident Ljubisa dem Abg. Monti, die Verlesung fortzusch da die Erklärung nicht auf der Tagesordnung stehe. M. appellirte jedoch an den Landtag. Die Föderalisten, welche in Sitzung die Majorität bildeten, riefen laut aus: „Weiter, Mo⸗ Lies, Monti!“ Der Präsident entzog Monti das Wort. geordneter Paulinovic rief mit Andern: „Herunter mit dem sidenten! Vorwärts! Es lebe Monti Es entstand 1 ein ganz entsetzlicher Tumult. Der Präsident erklärte die Sitz für geschlossen, nahm die Papiere und die Präsidentenglocke! Präfidialtische weg und entfernte sich aus dem Saale. folgten blos die Abgeordneten Gligo und Bischof Knezevic. übrigen Zweiunzwanzig mit dem Vize⸗Präsidenten blieben
sich auf 198,218,919 Fl., alsch.
Saale; Alle riefen: „Monti, lies fort! Monti die ganze Erklärung unter lebhaften Zivios und Händeklatschen Seitens der Deputirten und des Publikums, bis die Versamm⸗ lung in kaum beschreiblicher Aufregung auseinanderging.“
— Die „Pr.“ hält es, um die Autorität der Reichsgesetz⸗ gebung gegenüber renitenten Landtagen zu wahren, für zweck⸗ mäßig, wenn ein Gesetz beschlossen würde, wonach überall dort, wo verfassungsmäßig die Ausführung der Reichsgesetze den Landesgesetzgebungen überlassen ist, die Reichsgesetzgebung be⸗ fugt sei, die ausführenden Bestimmungen für ein Land selbst zu erlassen, wenn der Landtag desselben dreimal hinter einander die betreffende Vorlage abgelehnt oder in einer dem Reichsgesetze so sehr widersprechenden Weise amendirt hat, daß dieses so zu Stande gebrachte Landesgesetz deß⸗ halb nicht sanktionirt werden kann. Bei dieser Gelegenheit be⸗ merkt das genannte Blatt: Einem ähnlichen Gedanken ist ja der von beiden Häusern des Reichsraths votirte Wildauersche Gesetz⸗ entwurf entsprungen; dem durch die Renitenz des Tiroler Land⸗ tages geschaffenen Nothstande sollte dadurch ein Ende gemacht werden, daß wenigstens einen Theil der der Landesgesetzgebung überlassenen Ausführungsbestimmungen die Reichsgesetzgebung in die Hand nahm. Minder bekannt dürfte aber sein, daß bei der Vorberathung des Wildauerschen Gesetzentwurfs im Schoße des Herrenhauses die Idee auftrat, dem tiroler Kon⸗ flikte noch entschiedener, als es die Wildauersche Motion thut, mit einem Gesetze ein Ende zu machen, welches verfügt, daß, wenn nicht binnen Jahresfrist die Landesvertretung von Tirol die Durchführungsbestimmungen für die Schulgesetzgebung mit der Regierung vereinbare, die Regierung kraft dieses Gesetzes befugt sei, diese Besimmungen im Verordnungswege zu erlassen.
— Die „Neue Freie Presse“ fordert in mehreren Leitartikeln die Regelung des Geldwesens durch Herstellung der Valuta, worunter durchaus nur die Einführung der Goldwährung verstanden sei. Die „N. Fr. Pr.“ motivirt dies u. A. wie folgt:
„Es genügt für uns, daß jene Staaten, mit denen wir in Han⸗ delsbezichungen stehen, die unsere Gläubiger sind, deren Geldsystem für uns daher maßgerend sein muß, die Goldwährung besitzen oder sich doch anschicken, von der Doppelwährung zu dieser überzugehen, und daß die reine Silberwährung thatsächlich in keinem civilisirten Staate Europas mehr besteht. Oesterreich würde also mit dieser allein bleiben, es hätte dann wieder nur einen Wer hmesser, dessen eigener Werth im Verhältnisse zu dem aller Nachbarn ebenso schwankend wäre, wie es früher der Werth der österreichischen Noten im Verhältnisse zu dem des Silbers gewesen, und alle die Uebel, die früher mit der Zettelwirthschaft verbunden waren, müßten nun unvermindert bei der Silberwirthschaft in Permanenz bleiben. Der Staat bekäme seine Einkünfte in Silber, alle Preise aber würden sich nach den in Gold notirten Prrisen des Weltmarkts richten, und auch alle neuen Anlehen müßten, wenn sie auf dem europäischen Geldmarkte Unterkunft finden wollen, in Gold verzinslich sein; die Ordnung im Staatshaushalte wäre also, wie sie früher von den Schwankungen des Zettel⸗Disagios abhing, nunmehr von den Schwankungen des Silber⸗Agios ab⸗ hängig, und damit wäre eine neue Quelle stetig anwachsender Defizite gegeben. Die Produktion hätte in gleicher Weise unter den Silberschwankungen wie unter den Schwankungen des Zettelgeldes zu leiden, und ebenso wären die Wechselkurse ungünstig, wie sie es zu⸗ vor gewesen. Vor Allem ist aber gerade mit Rücksicht auf die gegen⸗ wärtige Lage zu bedenken, daß eine Kräftigung des österreichischen Privat⸗ und Staatskredites unmöglich ist ohne Herstellung der Gold⸗ währung. Wir werden Kredit im Auslande erst dann wieder finden, wenn wir die Zinsen für unsere Schulden in Gold bezahlen können, und dies können wir nicht, wenn wir nicht die Goldwährung acceptiren.“
„‚Die österreichischen Noten⸗Emissionen haben dem Staate wäh⸗ rend der letzten achtundzwanzig Jahre durchschnittlich je fünfzehn Millionen an Zinsen erspart, die er für Anlehen hätte auegeben müssen, wenn er, statt zur Notenpresse zu greifen, in seinen Geld⸗ nörhen an den offenen Markt appellirt hätte. Gekostet aber hat die Valuta⸗Misère dem Staate im Durchschnitte derselben achtundzwanzig Jahre ungefähr je fuͤnfzig Millionen, so daß sich nach Abzug der Er⸗ sparnisse noch immer ein Verlust von fünfunddreißig Millionen Gul⸗ den, das ist für die Gesammtperiode mit Zinseszinsen eine Einbuße von rund zwei Milliarden, ergiebt.“
„Ein großer Theil der Ausgaben muß direkt in Silber geleistet werden; ein anderer Theil wird zwar unmittelbar mit Papiergeld bestritten, aber es muß eben mehr an Papiergeld gegeben werden, wenn dessen innerer Werth gesunken ist. Wie richtig dies ist, kann daraus entrommen werden, daß in derselben Zeit, in welcher die Staatsausgaben Englands um 28,4 %, die Preußens um 82,6 % und die Frankreichs um 87,6 % gestiegen sind, nämlich in den 30. Jahren von 1846 bis 1875, die Staatsausgaben Oesterreich⸗Ungarns um 161,3 % sich vermehrten.
„Während Oesterreich vor Zerrüttung der Valuta bei jedem Gulden, den es an das Ausland zu zahlen oder vom Auslande zu empfangen hatte, am Wechselkurse rund ¾ Kr. gewann, verliert es jetzt, nach dem Jahre 1848, bei jedem Gulden, den es in dieser ganzen Zeit an das Ausland zahlen oder von diesem empfangen mußte, † Kr. Die Differenz des gegenwärtigen und früheren Kurses beirägt 1 %, das ist 1 Kr. für jeden im Außenhandel bewegten Gulden. Dabei sind aber selbstverständlich die Verkäufe und Käufe von Werthpapieren, die Bezahlungen für Dienstleistungen, Versicherungsprämien, Frachtgebühren und dergleichen ebensowohl mit inbegriffen, wie die Zahlungen für bezogene und gelieferte Waaren. Die Verluste beziehen sich auf Alles, was zwischen Oesterreich und dem Auslande unter irgend welchem Titel zu zahlen oder zu empfangen war, und da die Summe aller internationalen Transaktionen Oester⸗ reichs seit dem Jahre 1848, gering gerechnet, auf 20 Milliarden ver⸗ anschlagt werden muß, so hat das österreichische Volk in dieser Zeit an den Wechselkursen allein 200 Mill. Fl. eingebüßt.“
Pest, 18. März. In der Konferenz des liberalen Klubs am 16. d. M. theilte der Minister⸗Präsident Tisza mit, daß er die Session zwischen dem 24. und 28. d. M, schließen und Tags darauf die neue Session eröffnen möchte, für welche dann die Vize⸗Präsidenten, Schriftführer und mehrere während der Ferien berathende Ausschüsse zu wählen wären, worauf das Haus bis 23. April vertagt würde. Die Konferenz nahm diese Vorschläge an. .
— Das Abgeordnetenhaus begann gestern die General⸗ debatte über das Gesetz, betreffend die Volksschulbehörden. Nächster Zweck des Entwurfes ist, die Schulverwaltung mit der Gesammtadministration, wie diese durch das Gesetz über die Ver⸗ waltungsausschüsse normirt wird, in organische Verbindung zu bringen. Auch sollen gleichzeitig einige der wesentlichsten Ge⸗ brechen des Gesetzes vom Jahre 1868 geheilt, namentlich dem Schulinspektor eine feste Position geschaffen, die Schulräthe be⸗ seitigt und endlich die Oberaufsicht des Staates bezüglich der konfessionellen Schulen unter Wahrung der Rechte der Kon⸗ fessionen in Betreff der autonomen Schulverwaltung praktisch wirksamer gestaltet werden. Der Entwurf wurde mehrseitig heftig angegriffen. Die Opposition ging aber nicht vom poli⸗ tischen Partelstandpunkte, sondern von konfessionellen Rück⸗ sichten aus. 8
Heute votirte das Haus den Gesetzentwurf mit überwiegen⸗ der Majorität. 1
— Die in der letzten Zeit vorgekommenen Mandatsnie⸗ derlegungen sind nach der „Pr.“ auf Grund der Bestim⸗ mung des Inkompatibilitätsgesetzes erfolgt, kraft welcher derjenige
verlas nun
Abgeordnete seines Mandats verlustig wird, der die Agfhebung der Beschlagnahme seiner Diäten nicht vor Ablauf von drei Mo⸗ naten bewirkt hat. Diese Vorgänge haben die Idee einer Revision des vor zwei Jahren geschaffenen Gesetzes angeregt, und die „Pester Korrespondenz“ enthält folgendes darauf bezügliche Communique: „Die Regierung verschließt sich zwar nicht den mannigfachen Uebelständen und unzukömmlichen Vexationen, die aus der auf die Diäten der Abgeordneten bezüglichen Bestim⸗ mung des Inkompatibilitätsgesetzes erfließen, sie ist jedoch durch⸗ aus nicht gewillt, für die Abgeordneten ein Privilegium zu schaffen und die Diäten für die gerichtliche Beschlagnahme un⸗ zugänglich zu machen. Doch dürften bei Gelegenheit der bevor⸗ stehenden legislatorischen Regelung der Frage, bis zu welchem Maße der Gehalt und die Bezüge gerichtlich mit Beschlag be⸗ legt werden dürfen, die Abgeordnetendiäten in die Kategorie der staatlichen Bezüge eingereiht werden.“
Belgien. Ueber die gegenwärtigen belgischen Zustände entnehmen wir einem Artikel der „Allgem. Ztg.“ Folgendes: Beim Ablauf einer zweijährigen Legislaturperiode und beim Herannahen der auf die zweite Hälfte des künftigen Monats Funi anberaumten Wahlen behufs Erneuerung des Mandats der Vertreter der Provinzen Brabant, Namur, Luxemburg und Antwerpen in der Repräsentantenkammer und des Senats hat sich in Belgien ein Parteileben entwickelt, rege und leiden⸗ schaftlich, wie es kaum in einem andern Land wiederzufinden ist. Die Vorgänge daselbst verdienen besonders deutscherseits in allen Phasen mit der größten Aufmerksamkeit verfolgt zu werden, weil das Verhalten der Ultramontanen in Belgien viel Aehnlichkeit mit dem Gebahren ihrer Gesinnungsgenossen in Deutschland hat.
In keinem andern Lande Europas ist die Gestaltung der Parteien einfacher und ihre Stellung zu einander schroffer, als in Belgien. Es giebt blos zwei große, streng begrenzte Par⸗ teien: die Liberalen und Klerikalen.
Die klerikale Partei, die aus lauter Katholiken besteht, wie denn überhaupt die Bevölkerung Belgiens fast ausschließlich der katholischen Konfession angehört, nennt sich selbst die „katho⸗ lische Partei“. Ihr Programm ist einfach: die päpstliche Un⸗ fehlbarkeit mit all ihren Folgen, mithin die Rückkehr zum rein theokratischen Staatssystem. Eigentliche Abstufungen giebt es in dieser Partei nicht, deren Vertreter in den gesetzgebenden Versammlungen sich blos in Vorkämpfer und in Gemäßigte unterscheiden. Erstere erhalten ihre Losung von den Bischöfen und kämpfen geradezu mit Wort und That gegen den modernen Staat an; letztere verfolgen ganz dasselbe Ziel, erwägen aber bei jeder Gelegenheit vorerst die Opportunitätsfrage. Zu diesen gehören die Mitglieder des gegenwärtigen Kabinets.
Ankämpfen gegen den Ultramontanismus und Wahrung der verfassungsmäßigen Freiheiten und der Unabhängigkeit der Civilgewalt gegenüber den verschiedenen religiösen Konfessionen bildet das Programm der liberalen Partei. Seit mehr denn einem Jahrzehnt ist im Liberalismus eine Spaltung entstan⸗ den, welche im Jahre 1870 die Klerikalen an das Ruder ge⸗ bracht hat, und aller Bemühungen der letzten zwei Jahre unge⸗ achtet den Sieg der Liberalen in dem bevorstehenden Wahlgang theilweise im Zweifel läßt.
Zur richtigen Auffassung der Lage und der Würdi ung der Parteistellungen bedarf es einiger Aufklärungen über die Ver⸗ fassung und die derselben angereihten organischen Gesetze. Die Verfassung, welche vom Jahre 1830 datirt, sanktionirt vollkom⸗ mene Religions⸗ und Unterrichtsfreiheit, jedoch besoldet der Staat die Diener der verschiedenen Kultusformen; die Civilehe ist obligatorisch und muß jederzeit der kirchlichen Einsegnung vor⸗ hergehen; das Wahlrecht ist der Zahlung eines durch das Ge⸗ setz zu bestimmenden Census unterworfen. Dieser Census ist seit 1869 auf 42,25 Fr. für die Wähler zu den legislatorischen Ver⸗ sammlungen und auf 10 Fr. für die Gemeindewähler festgestellt. — Der Primärunterricht ist durch ein Gesetz von 1842 geregelt, welches der Geistlichkeit fast unumschränkte Gewalt in dem Volks⸗ unterricht einräumt. Jeder Belgier ist befugt, eine Schule zu gründen, sei er befähigt oder nicht, und es ist dem Familien⸗ vater überlassen, seine Kinder in diejenige Schule zu schicken, die ihm gefällt, oder dieselben ohne jeden Unterricht aufwachsen zu lassen. Jede Gemeinde ist verpflichtet, wenigstens eine Primärschule zu errichten, wenn nicht schon hinreichend Privat⸗ schulen in derselben bestehen. Ebenso frei sind die Lehrer⸗ seminare, nur müssen dieselben ein vom Staate die wissenschaft⸗ lichen Fächer umfassendes Programm befolgen. Aus ihnen gehen die künftigen Gemeindelehrer hervor, welche von den Gemeinderäthen angestellt werden, ohne daß es der Da⸗ zwischenkunft der Regierung oder einer vorhergehenden Be⸗ fähigungsprüfung bedürfte. Die Gemeindeschulen stehen dem Klerus jederzeit zur Ueberwachung des Unterrichts in religiöser und moralischer Beziehung offen, während die Privatschulen keiner Inspektion Seitens des Staates unterworfen sind. Die Kosten des öffentlichen Primärunterrichts sind theilweise zu Lasten der Eltern, deren Kinder die Schule besuchen, theilweise zu Lasten der Gemeindekasse und der Wohlthätigkeitsbureaus.
Daß unter diesen Umständen der Volksunterricht fast aus⸗ schließlich in die Hände des katholischen Klerus fallen mußte, liegt Jedem klar. Seine Privatschulen sind zahlreich, sowohl in Städten, als auf dem Lande; denn er gebietet über unerschöpfliche Mittel, die einerseits durch Privatschenkungen und Kollekten, andererseits durch das ungeheure Vermögen der religiösen Korporationen und durch freiwillig gezwungene Beiträge der Geistlichkeit ge⸗ liefert werden. In seinen Schulen, in welche nie ein Staats⸗ Inspektor, nie ein Gemeinderathsmitglied den Fuß setzt, lehrt er, was ihm beliebt; in den öffentlichen Primärschulen hat er die Oberaufsicht, lenkt unter dem Vorwande der Moral den Unterricht und bildet in seinen zahlreichen Lehrer⸗Seminarien die überwiegend große Mehrzahl der Lehrer heran. Es braucht wohl nicht hervorgehoben zu werden, daß der Volksunterricht eine dem Ultramontanismus ausschließlich günstige Richtung verfolgt, und es dahin gekommen ist, daß besonders auf dem flachen Lande der Ortspfarrer für den einfachen Landmann die Personifikation aller Autorität ist und die Wähler sich blind an die Wahlurne führen lassen.
Das Wahlgesetz scheint bestimmt, diese Alleinherrschaft des Klerus noch zu verstärken. Es bestehen nämlich in Belgien blos zweierlei Steuern, die Grund⸗ und die Patentsteuer, d. h. die Auflage auf den katastralen Reingewinn und die Ausübung eines Gewerbes, so daß sämmtliche Beamte, Advokaten, Leh⸗ rer ꝛc., wenn sie nicht Eigenthümer sind, oder die auf dem von ihnen bewohnten Hause haftenden Steuern übernehmen, nicht Wähler sind; jeder Wirth, Spezereikrämer und Portier, der in den meisten Fällen den auf seine Loge mit Wohnung entfallen⸗ den Theil der Steuer zahlen muß, wahlberechtigt ist. Die Intelli⸗ genz ist somit geradezu vom politischen Leben ausgeschlossen,
das größte Kontingent der Wähler aber liefert eben der Bauer
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Ersterer ist in den meisten Fällen klerikal, letz⸗ steis gefügige Instrumente in den Hän⸗
ide aber s dem Vorstehenden erhellt, daß die Auf⸗ g Liberalen nicht eben eine leichte ist. Das Terrain ist dem Ultramontanismus von Natur aus günstig, und nach fünfundvierzigjährigem Wirken und Streben hat sich derselbe fest verschanzt.
Die Freiheit des Unterrichts ist erwiesenermaßen eine tödt⸗ liche Waffe in den Händen des Ultramontanismus und dieselbe muß ihm entwunden werden Dem Staate liegt die Pflicht ob, kür den Unterricht der Jugend Sorge zu tragen, und ihm steht das Recht zu, diesen Unterricht zu leiten und zu überwachen, damit nichts Staatsgefährliches gelehrt werde.
Wie man sieht, sind beide Faktoren der liberalen Partei einig was den Zweck betrifft, nur bezüglich der Mittel und der Opportunität herrscht Widerspruch, und dieser Widerspruch hat durch heftige Deklamationen beiderseits zu einem drohenden Bruche geführt, der jeden Tag erfolgen kann und dessen Kon⸗ sequenzen für den Liberalismus unabsehbar sein würden.
Großbritannien und Irland. London, 17. März. (ES. C.) Den neuesten Angaben zufolge wird der Prinz von Wales am 5. Mai in England ankommen, da seine Besuche in Malta, Gibraltar und Lissabon längere Zeit in Anspruch neh⸗ men. — Der Kolonial⸗Minister empfing am 16. d. M. die Morgens aus Singapore abgesandte telegraphische amtliche Mittheilung, daß der Datu Schagor, der als Häuptling bei der Ermordung von Birch zugegen war, eingefangen worden ist.
Frankreich. Paris, 16. März. Der „Moniteur“ kommt heute in Anknüpfung an die Darlegung des Kabinets noch einmal auf die auswärtigen Verhältnisse zurück, um zu betonen, wie im Senat und in der Deputirtenkammer die auswärtige Politik Frankreichs eine fast einmüthige Zustimmung erhalten habe; selten habe Frankreich aber noch so gute Beziehungen mit dem Auslande gehabt, selten sei ein solcher Einklang im europäischen Konzerte gesehen worden; die diplomatische Thätigkeit Frankreichs sei um so wirksamer, je ruhiger, gehaltener und gesammelter sie auftrete und je mehr sie rauschende Kundgebungen und Dekla⸗ mationen vermeide. Wenn die Regierung ihre Friedensliebe betone, so stehe dieses Gefühl mit Frankreichs Ideen und Zielen im Einklange.
— Der Gouverneur von Paris hat, einer Meldung der „Cöln. Ztg.“ zufolge, eine Vorlesung verboten, welch Legay über Tissots Vovage au Pays des Milliards angekündigt hatte.
Versailles, 18. März. (W. T. B.). In der heutigen Sitzung der Deputirtenkammer brachte der Deputirte Floquet einen Gesetzentwurf, betreffend die unverzügliche Auf⸗ hebung des Belagerungszustandes, ein. Die Versamm⸗ ung beschloß mit großer Majorität die Dringlichkeit für die⸗ sen Antrag. Der Finanz⸗Minister legte hierauf einen Gesetz⸗ entwurf vor, betreffend die Bewilligung eines Kredites von 1,750,000 Francs für die durch die Ueberschwemmungen Geschädigten. — Der Wasserstand der Seine nimmt lang⸗ sam ab.
Spanien. Madrid, 18. März. (W. T. B.) Die an den König zu richtende Adresse ist nach lebhaften Debatten mit 276 gegen 30 Stimmen von den Cortes angenommen worden. — Der König wird heute Abend im Escurial erwartet.
Italien. Rom, 18. März. (W. T B.) In der heutigen Sitzung der Deputirtenkammer interpellirte der Deputirte Moranas die Regierung wegen der Art und Weise der Er⸗ hevung der Mahlsteuer. Der Minister⸗Präsident Minghetti erwiderte, die Regierung sei gegenwärtig mit der Prüfung eines verbesserten Einhebungsmodus der Mahlsteuer beschäftigt, deren Maximalerträgniß 90 Millionen Fres. nahe komme. Moranas erklärte, daß ihn diese Antwort des Ministers nicht befriedige, und beantragte eine Motion, worin die Kammer ausspricht, daß sie zwar von der Nothwendigkeit durchdrungen sei, das Mahl⸗ gesetz nicht zu alteriren, daß sie aber die Ueberzeugung hege, daß das Ministerium in Anwendung des Mahlgesetzes der Steuerpflichtigen gegenüber unbillig verfahren sei.
Im weiteren Verlauf der Sitzung erklärte der Minister⸗ Präsident, die Regierung beabsichtige über die Frage bezüglich des Rückkaufs der Eisenbahnen ein Votum der Kammer zu pro⸗ voziren, und möge die von Moranas vorgeschlagene Tages⸗ ordnung bis dahin vertagt werden. Nachdem Depretis, Cor⸗ renti und Piccioni diesen Vertagungsantrag Minghetti’s bekämpft und der letztere wiederholt darauf bestanden hatte, ward derselbe mit 242 gegen 181 Stimmen abgelehnt.
— 19. Mürz. (W. . g) DHas gesammte Ministen rium hat, wie die „Agenzia Stefani“ meldet, dem Könige seine Demission eingereicht. Mit der Bildung eines neuen Ka⸗ binets ist der Deputirte Depretis beauftragt. Eine Liste für das neue Ministerium ist noch nicht festgestellt.
Griechenland. Athen, 18. März. (W. T. B.) Die Schlußverhandlung in dem politischen Prozesse gegen das gesammte Kabinet Bulgaris wegen Verfassungsver⸗ letzung ist auf den 24. März anberaumt worden.
Türkei. (W. T. B.) Nach einem der „Agence Havas“ zu⸗ gegangenen Telegramm aus Ragusa haben die Türken am 18. d. M. die Insurgenten bei Mussisch nach einem lebhaften Kampfe zurückgeworfen und darauf Klobuck besetzt.
— (W. T. B.) Eine Meldung der „Kölnischen Zeitung“ aus Wien bestätigt, daß es den übereinstimmenden Vorstellun⸗ gen der Vertreter Oesterreich⸗Ungarns und Rußlands in Belgrad gelungen ist, die dortigen kriegerischen Einflüsse zu beseitigen. Die Situation sei gegenwärtig ruhiger. Die mehrfach verbrei⸗ teten allarmirenden Gerüchte seien von der Omladine ausge⸗ gangen.
— (W. T. B.) Von bestunterrichteter Seite wird versichert, daß die Gerüchte über den Einmarsch serbischer Truppen in türkisches Gebiet vollständig unbegründet sind. Vielmehr sei es den Bemühungen der Maͤchte gelungen, eine derartige Gefahr zu beseitigen.
Rußland und Polen. Die Stellung des Kardinals Ledochowski zu Rom giebt der russischen „St. Peterb. Ztg.“ Veranlassung zu einem Leitartikel. Dieses Blatt sagt unterm 15. März u. A. Folgendes:
„Seit der Ankunft des früheren Posenschen Erzbischofs Kardinals Grafen Metschislaw Ledochowski in Rom zeigt sich im Vatikan eine ungewöhnliche Thätigkeit. Man baut daselbst große Hoffnungen auf den Kardinal und hofft ihn als mächtigen Streiter in dem Kulturkampf gegen Deutschland, Rußland und Oesterreich zu benutzen und meint, daß die gegenwärtigen Wirren im Osten diese weiten Pläne begünstigen. Man muß bemerken, daß zwischen dem Vatikan und Konstantinopel ein lebhafter Austausch der Gedanken stattfindet, während die christlichen
den Dritter. Aus gabe der