1876 / 73 p. 3 (Deutscher Reichsanzeiger, Fri, 24 Mar 1876 18:00:01 GMT) scan diff

In den ersten Jahren nach Beendigung des deutsch⸗französi Krieges hatte sich der Schwarzwildstand der ausgedehn⸗ ten Waldungen, welche einen großen Theil der Regierungs⸗ bezirke Trier und Coblenz bedecken, in so auf⸗ fallender Weise vermehrt, daß der Landbau, wie die Forstkultur jenes Landtheiles in empfindlicher Weise unter den von dem Wilde angerichteten Zerstörungen zu leiden hatte. Die Ursache dieser Kalamität war theils die durch den Krieg herbeigeführte Ver⸗ scheuchung der Thiere aus den benachbarten Forstrevieren Elsaß⸗ Lothringens, theils die Vorliebe des Schwarzwildes für den Aufenthalt in dichtem Nadelholz, aus welchem die dortigen Waldungen zum größten Theil bestehen. Den vielfachen Klagen über Wildschaden gegenüber, welche in Folge dessen laut wurdern, ist die Staats⸗Forstverwaltung bemüht gewesen, in nach⸗ haltiger Weise theils durch Abschießen, theils durch das Anlegen von sogenannten Saufängen Abhülfe zu schaffen. Konnten sich diese Maßregeln auch nur über die fiskalischen Forstflächen, welche einen verhältnißmäßig kleinen Theil, d. b. circa 13 bis 14 % der ungefähr 2 Millionen Morgen betragenden Gesammtwaldungen umfassen, aus⸗ dehnen, so sind doch die erzielten Erfolge von allgemeinem Nutzen aewesen, und haben zu einer Verminderung des schädlichen Wildes wesent⸗ lich beigetragen. Nach den soeben darüber gesammelten amtlichen An⸗ gaben wurden im Regierungsbezirk Coblenz in den Jahren 1872 bis 1875

285 Thiere vernichtet. Die Kosten des Einfangens betrugen zusam⸗ men 2400 ℳ, oder pro Stück 31 Im Regierungsbezirk Trier, mit seinen noch unzugänglicheren Forsten, wurden vom Juni 72 bis November 73 299 Stück erlegt, 12 gefangen, vom November 73 bis dahin 74, 171 geschossen, 25 gefangen, vom November 74 bis dahin 75 188 geschossen, 36 gefangen, im Ganzen 658 getödtet, 73 gefangen. Die Kosten des Fanges beliefen sich hier auf ungefähr 2350 oder pro Stück auf 32

Gewerbe und Handel.

Die Berlin⸗Neuendorfer Aktien⸗Spinnerei hat im Jahre 1875 einen Ueberschuß von 128,014 erzielt, wozu noch 5444 Gewinnvortrag aus dem Vorjahre kommen; hiervon werden nach dem Vorschlag des Aufsichtsraths 60,020 zu Abschreibungen, 10 199 zu Tantièmen, 10,152 zur Kompletirung des Reserve⸗ fonds und 52,500 zur Dividendenzahlung (3 ½ %) verwendet.

Die Kommanditgesellschaft auf Aktien „Westend⸗ Berlin“ hielt gestern ihre erste ordentliche Generalversammlung ab. Geschäftsbericht und Bilanz lagen gedruckt vor, letztere wurde von der Generalversammlung einstimmig genehmigt und die Decharge er⸗ theilt. Der Antrag, den Aufsichtsrath in der Folge aus neun Mit⸗ gliedern zusammenzusetzen, wurde angenommen.

In der gestrigen Generalversammlung der Aktien⸗Gesell⸗ schaft für Tabaksfabrikation (vormals George Praetorius) waren 259,000 Thlr. Aktienkapital durch 259 Stimmen vertreten.

Die Versammlung genehmigte den Geschäftsbericht und die Bilanz

pro 1875 sowie die festoesetzte Dividende von 2 ¾ % und ertheilte 8

einstimmig Decharge.

Der Geschäftsbericht der „Gedania“, Versicherungs⸗ Aktiengesellschaft gegen See⸗ und Stromgefahr zu Danzig, enthält folgende Daten: Die Brutto⸗Prämien⸗Einnahme betrug 258,937 ℳ, davon ab Reassekuranz⸗Prämien 103,211 ℳ, Ristorni, Agentur⸗Provisionen ꝛc 22,522 ℳ, bleiben 133,204 ℳ, Zinseneinnahme 30,348 ℳ, Seeprämien⸗Reserve 26,839 ℳ, Vortrag aus 1874 1170 ℳ, Total⸗Einnahme 191,562 ℳ,. Ausgaben: Be⸗ zahlte Schäden bei der See⸗Versicherung abzüglich Rückversicherung 123,889 ℳ, hiervon ab Schadenreserve aus 1874 102 000 ℳ, bleiben 21,889 ℳ, bei der Stromversicherung abzüglich 1200 ℳ, Schaden⸗ reserve 6193 ℳ, Unkosten 26,2723 ℳ, Mobiliar⸗Abschreibung 55 ℳ, Totalausgabe 55,411 ℳ, bleiben 137,151 Davon ab Schadenreserve 77,350 ℳ, Prämienreserve 19,601 ℳ, ergiebt Reingewinn 40,200 ℳ, wovon 4020 zum Reservefonds, 2010 an die Direktion, 1017 Tantième an den Aufsichtsrath und 33,000 (5 ½ % vom Einschuß) an die Aktionäre überwiesen werden. Es bleibt dann noch Vortrag per 1876 153 Nach dem Beschluß der Generalversammlung vom 24. September 1875, welcher die mini⸗ sterielle Genehmigung erhalten hat, wird das Grundkapital von 3 Mill. auf 1 ½ Mill. ermäßigt, die Aktionäre erhalten 1,200,000 in ihren Wechseln und 20,000 baar zurück, der Rest wird dem Reservefonds zugeschrieben.

207 Stück Schwarzwild geschossen, 78 gefangen, in Summa mithin Berlin, den 24. März 1876.

Unter den in der Ausstellung des Berliner Künstler⸗ vereins befindlichen Studien und Genrebildern ist das ideale Genre durch Arbeiten von Försterling und Hoch⸗ haus vertreten. Des ersteren „Quellnymphe“, eine in zartem Fleischton modellirte, noch halb kindliche Gestalt, die auf dem über den moosbewachsenen Stein gebreiteten rothen Gewande in einer den Oberkörper in klaren Halbschatten hüllenden Felsengrotte am Rande des Wassers dasitzt und, träumerisch vor sich hinblickend, im linken Arm eine Leyer haltend, mit der aufgestützten Rechten zierlich den Schleier em⸗ porzieht, bringt es bei der weichlich koketten Auffassung, die namentlich im Ausdruck des Kopfes mit seinen fast geschlossenen Augenlidern hervortritt, zwar zu keiner be⸗ deutenderen Wirkung, läßt aber doch weder in der graziösen Bewegung noch in der frischen Farbe ein Talent verkennen, das sowohl anmuthig als auch selbständig auftritt. In der von Hochhaus gemalten, sterbend von ihrem Lager herabge⸗ sunkenen und rückwärts auf den Boden hingestreckten „Cleopatra“ erkennt man dagegen nur zu bald im Arrangement wie in Farbe und Vortragsmanier ein mißlungenes Streben nach Makartschen Effekten.

Dasselbe gilt von des Malers seltsam kostümirter, vom Rücken her gesehener weiblicher Studie, während eine Arbeit von Rohrbach, die Halbfigur eines Kardinals, der den inter⸗ essant geformten silberhaarigen Kopf sinnend auf die Hand stützt, eine fleißige und tüchtige Sorgfalt der Behandlung; die lebens⸗ große Gestalt einer Zigeunerin von Schwartz, die, gegen eine graue Wand gelehnt, sich von dieser in plastischer Rundung ab⸗ hebt, einen eminenten Fortschritt des Künstlers bekundet und nur durch eine gewisse Leere im Ausdruck des Kopfes die

Wirkung ihrer reichen malerischen Vorzüge verringert. Von

zwei halblebensgroßen Einzelgestalten Teschendorffs, einer Zigeunerin und einem Zigeuner, steht die letztere wenigstens nicht auf der Höhe früherer Leistungen des Künstlers, und auch eine von Gugel gemalte „Mignon“ vermag bei fleißiger Aus⸗ führung doch dem Beschauer kein tieferes Interesse abzugewinnen.

Sehr zahlreich sind die dem sogenannten „niederen Genre“ angehörigen Bilder der Ausstellung, von denen jedoch nur die bemerkenswerthesten hier Erwähnung finden können. Zu ihnen zählt vornehmlich eine figurenreiche Wirthshausscene von F. Schlesinger in München, eines der gelungensten Werke des talentvollen Malers, der mit einem emailartigen Schmelz der Farbe eine ruhige und klare Harmonie des reichen Kolorits zu verbinden und bei keineswegs kleinlicher Behandlung eine außer⸗ ordentliche Delikatesse der Zeichnung und Malerei zu erreichen weiß. Dazu sind die Hauptgruppen des Bildes, die aufbrechende Bauernfamilie, die der Wirth vergeblich zurückzuhalten sucht, auf der einen, die um den Tisch sitzende Gesellschaft auf der anderen Seite, mit nicht gewöhnlichem Geschick komponirt, die einzelnen Gestalten aber, vorzüglich auch die anmuthig naiven Kinder⸗ figuren der letzteren Gruppe, mit scharfem Blick betrachtet und mit innigem künstlerischen Behagen an ihrer fein nüancirten charakteristischen Erscheinung treu und lebendig geschildert. Von geringerer Kraft des Tons, aber nicht minder fein in der Farbe ist Hrn. Webers mit der Toilette einer kleinen blonden Dirne beschäftigte Bäuerin, ungleichartig durchgeführt, aber durch manches feine koloristische Detail ausgezeichnet das Interieur einer Scheune mit der Figur eines Häckselschneiders von Ziermann.

Mit gewohnter Derbheit des Vortrags wie der Auffassung malte Grünfeld zwei originelle, charakterisch bewegte Gestalten, einen kleinstädtisch gekleideten ältlichen Junggesellen und die ihn fragend anblickende Inhaberin einer Krambude, die sich mit ein⸗ ander über „das neue Geld“” nur mit Mühe zu verständigen wissen. Ein in der Farbe tief und klar gestimmtes, breit und sicher behandeltes Bild von Zimmer verbindet mit gleich schar⸗ fer Beobachtung eine ungleich liebenswürdigere, freundlich an⸗ muthende Auffassung. Es zeigt die vor der lichten Luft sich dunkel absetzende Figur einer kleinen Bauerndirne, die, „stillver⸗ gnügt“ ihr Butterbrod verspeisend, einen abschüssigen Pfad durch die sommerlich lachende Landschaft daherschreitet, und läßt bei seiner en. naiven Frische nur eine feinere Durch⸗ führung der Luft und der landschaftlichen Details vermissen.

Zu diesen Arbeiten gesellten endlich noch Hallatz, Oster⸗ loh und Treidler drei sehr verschieden geartete Bilder. Der Erstere schildert mit guter Beobachtung der landschaftlichen Stimmung einen Wilddieb auf dem Anstand im herbstlich nebeln⸗ den Eichenwald, wie er, von dem herbeikommenden Förster über⸗ rascht, sich zu verzweifelter Gegenwehr bereit hält. Osterloh mutte in gediegenster Durchführung und in schlichter, harmonischer Stimmung von Ton und Farbe die ziemlich großen, trefflich studirten Figuren einer schwarzgekleideten Alten und einer jugend⸗ lichen Braut, die in ihrem weißen Gewande vor Jener nieder⸗ gekniet ist und mit innig vertrauendem Blick ihr in das gefurchte, freundliche Antlitz schaut. Treidlers Scene „vor der Beichte“, zwei Mönche in einer geräumigen Sakristei, zu denen eben ein junges Mädchen hereingetreten ist, fesselt durch die geschlossene Ruhe des Tons und namentlich in der meisterhaft bewegten, mit niedergeschlagenen Augen neben dem jüngeren Mönche da⸗ stehenden weiblichen Gestalt durch den fein empfundenen, leben⸗ digen Ausdruck in Miene und Geberde

UMeber die Bestrebungen der 1“ „Schulwesen in Preußen zu erniedrigen, das der vatikanischen Länder dagegen zu erhöhen und den obligatorischen Schulbesuch zu verfälschen“, erhält die „Nordd. A. Z.“ unter dem 17. d. M. aus Brüssel längere Ausfüh⸗ rungen, die an der Hand der Statistik nachweisen, wie sehr das bel⸗ gische Schulwesen dem preußischen nachsteht. Wir geben diese

V

Ausführunzen ihrem wesentlichen Inhalte nach wieder: So

sagte 1872 in der preußischen Zweiten Kammer der Abg. Windthorst: „Meine Herren! Ich glaube, daß Belgien in Beziehung auf den Schulunterricht mit uns vollständig rivalisirt (Dho! links) Ja, meine Herren, Sie sagen Oho!, aber ich glaube, daß es doch gut ist, wenn wir nicht in den Fehler der Franzosen verfallen und Alles bei uns für sehr gut halten; wenn wir in diesen Größenwahnsinn verfallen, könnte es uns einmal schlecht bekommen.““ „. Uad zu derselben Zeit, den 8. Februar 1872, sagte der belgische Minister Kervyn de Leitenhove in der Kammer: „„Je me félicite, messieurs, d'apporter ici des renseignements p'écis, officiels, incont- stables, qui demontre- ront que la situation de l'enseignement primaire en Belgique est aussi satisfai ante que chez aucun autre peuple de l1'Europe.“ Und am 11. März 1876 sagte der klerikale belgische Unterrichts⸗Minister Delcour im Sennte: „Certes, nous avons des progrès à realiser; en cela, nous suivons une loi générale, mais nous pouvons affirmer que notre enseignement public et privé produit à tous les degrés de ré- sultats féconds que l'on peut gant crainte comparer à la situation des pays les plus avancés. Je ne crains même pas de dire que notre enseignement normal est supérieur sur bien des points à celui des nations les plus importantes et les plus avancées sous ce rapport.““ Und der Kanonikus de Haerne sagte den 30. November 1875 in der belgischen Kammer, daß in Brüssel im Verhältniß der Einwohnerschaft 8 % Kinder in die Schule gehen, und fährt dann fort: „„Les écoles de Berlin, existe aujourd'hui l'enseignement obligatoire, comptent moins de 7 % d'en- fants, proportionellemênt à lJa population; et cependant, si l'enseigne- ment obligatoire était exécuté à la lettre, si la théorie était mise rigou- rezsement en pratique, la population scolaire devrait être bien plus élevée, elle devrait étre au moins do 15 % Quant à ce que j'ai dit de la population scolaire de Berlin, les chiffres que j'ai cités se trouvent dans les journaux pédagogiques de l'Allemagne et sont em- pruntés aux derniers rapports de la ville de Berlin.““

Auf diesen glänzenden Zustand des belgischen Schulwesens wirft nun folgende Statistik ein seltsames Licht. Den 31. Dezember 1866 konnten von 100 Einwohnern lesen und schreihen: in der Provinz Luxemburg 63; in der Provinz Namur 57; in der Provinz Antwer⸗ pen 52; in der Provinz Lüttich 50; in Brabant 49; im Hennegau 44; in Limburg 43; in Ostflandern 42 und in Westflandern 40. Im Jahre 1868 waren Rekruten ohne alle Schulbildung in Luxem⸗ burg 5 %, in Namur 10 %, in Limburg 20 %, in Brabant 25 %, in Westflandern 28 %, in Ostflandern 30 %, im Hennegau 34 %. Aus diesem Zustande erklären sich leicht die fortwährenden bittern Klagen der liberalen Vlaminger über die unverantworliche Vernachlässigung der beiden einst so blühenden flandrischen Provinzen, aus welcher allgemeinen Unwissenheit die jährlich fortschrei⸗ tende Verarmung derselben und die gemeinschaͤdliche Macht der Priester von selbst folgt. Dieser engen Verbindung der Un⸗ wissenheit und der Armuth lieh der Senator Wincox in der Sitzung vom 11. März 1876 folgende Worte: „depuis plus de 20. ans, je me trouve, en contact presque constant avec des ouvriers et toujours j'ai pu coustater que ceux qui avaient regu une certaine instruction étaient les plus rangés, les plus honnêts, les plus labo- rieux“, und erklärte sich dann sehr warm für den obli⸗ gatorischen Unterricht. In der Stadt Bornhem bei Mecheln konnten 1869 von 52 Rekruten gerade 6 lefen, schreiben und rechnen; 16 konnten lesen und schreiben, 2 konnten lesen und die 28 übrigen konnten nichts! Und Bornhem ist eine Stadt von 4889 Einwohnern nach der Zäblung von 1868! Im Arrondissement Antwerpen konnten 1869 von 1137 Rekruten 70 lesen, 262 lesen und schreiben, 569 lesen, schreiben und rechnen und 236 nichts. Ja der Deputirte Anspach, Bürgermeister von Brüssel, er⸗ wähnte in der Kammer den 24. November 1875 einen Ort Maldegem, wo nur 947 Einwohner lesen und schreiben können, dagegen 6939 nicht darunter sind freilich auch die Kinder unter 7 Jahren; den Ort Pollar, wo 114 lesen und schreiben können und 646 nicht, und im ganzen Arrondissement Ecclo sind 18,861 im Besitz der Schulbildung und 36,848 ohne dieselbe, die Kinder unter 7 Jahren hier inbegriffen.

Dagegen befanden sich in Preußen von den Rekruten ohne Schul⸗ bildung im Jahre 1870 71: 2,29 %; 1871 721 3,42 %; 1872 73: 4,580%; 1873 74: 3,98 %; 1874 75: 3,70 %; und dieses so ungünstige Resultat hat Preußen den polnischen Rekruten zu verdanken. So waren in der Provinz Brandenburg im Jahre 1870 71 ohne Schul⸗ bildung 0,34 %, dagegen in der Previnz Posen 11,72 %; im Jahre 1871 72: in der katholischen Rheinprovinz 0,80 %, dagegen in Posen 15,59 %; im Jahre 1872 73: in dem katholischen Westfalen 1,79 %, dagegen in Posen 18,90 %; im Jahre 1873 74: in der Provinz Sachsen 0,860⁄%, dagegen in Posen 16,26 %. Hieraus erklärt es sich nun sehr leicht, warum die preußische Regierunz es jetzt mit der Schul⸗ aufsicht und dem Schulbesuch in dieser polnischen Provinz so ernst nimmt, womit die vatikanische Geistlichkeit natürlich durchaus nicht zufrieden ist. Stellen wir nun Berlin und Brüssel gegenüber, um dem Beispiel des gelehrten Kanonikus de Haerne zu folgen, so waren in Brüssel ohne Schulbildung im Jahre 1860: 23 %; 1870: 22 %; 1875: 16 %, also so viel wie in der Provinz Posen; dagegen in Berlin 1870 71: 0,1 %; 1871 72: 0,4 ; 1872 73: 0,00 % ; 1873 1874: 0,20 % ; 1874 75: 0,00 %. Also trotz⸗ dem daß nach der oben angeführten parlamentarischen Rede des Kano⸗ nikus de Haerne in Brüssel im Verhältniß zur Bevölkerung mehr Kinder in die Schule gehen, als in Berlin, jr trotzdem daß in Berlin nach de Haerne so viele Kinder nicht in die Schule gehen, so waren doch in Brüssel im Jahre 1875 16 % Rekruten ohne Schul⸗ bildung, wogegen in Berlin auch nicht einer ohne Schulbildung ge⸗ funden wurde.“ 84 8

„Das Projekt eines zweiten schiffbar Kanals Süden von Berlin wird jetzt einer näͤheren Erörterung unterzogen werden. Nach einem den Interessenten der Köllnischen Wiesen kürz⸗ lich zugegangenen Bescheide wird eine Kommission aus dem Schooße der verschiedenen betheiligten Behörden, dem Polizei⸗Präsidium, der Regierung zu Potsdam, dem Eisenbahn⸗Kommissariate, der Ministe⸗ rial⸗Bau⸗Kommission, der Direktion der Verhindungsbahn und dem hie⸗ stsen Magistrat zusammentreten, um im Auftrage des Handels⸗Mini⸗ teriums die Ausführbarkeit des zuletzt von dem Geheimen Ober⸗ Regierungs⸗Rath Hartwich aufgestellten Projekts zu prüfen und ge⸗ eignetenfalls die erforderlichen technischen Vorarbeiten ins Werk zu bee. Zu der gedachten Kommission wird, wie der Bescheid weiter besagt, auch der Landrath des Kreises Teltsw, Prinz Handjery, zuge⸗ sefenisrerden „um die Interessen seines Kreises und speziell die der Koͤllnischen Wiesen⸗Interessenten wahrzunehmen.

Theater.

Der Großherzeog und der Erbgroßherzog, sowie Prinz Fried⸗ rich von Mecklenburg⸗Schwerin besuchten am Donnerstag das Fried⸗ rich⸗Wilhelmstädtische Theater und wohnten dafelbst der Aufführung der Posse: „Die Reise durch Berlin in 80 Stunden“ bis zum Schlusse bei.

Im Victoria⸗Theater gelangte gestern, nach langer sorg⸗ fältiger Vorbereitung, zur ersten Aufführung: „Die Reise in den Mond“. Das Stück führt sich als eine „Phantastische Ausstattungs⸗ Burleeke“ ein; man darf daher an dasselbe ebenso wenig wie an seine Vorgänger dieses Genres auf der Bühne des Victoria⸗Theaters Anforde⸗ rungen stellen auf dramatischen Aufban, folgerichtige Entwick lung einer fortschreitenden Handlung und Charakteristik. Die Fabel des Stückes beschränkt sich auf ein sehr bescheidenes Maaß, das sich in wenigen Worten zusammenfassen läßt. Prinz Caprice hat, obwohl er erst 17 Jahre zählt, bererts Alles gesehen, was die Erde Neues bietet, und verlangt, nach etwas ganz Außergewöhnlichem. Er führt seinen Namen mit Recht; während er den am Himmel stehenden Mond betrachtet, kommt er plötzlich auf den Einfall, eine Reise auf den Mond machen zu wollen. Der König Flank, sein Vater, der ihn zärlich liebt, kann seinen Bitten nicht widerstehen. Der „Gelehrte“ Mikroskop erhält den Auftrag für die Ausführung des Planes Sorge zu trazen. Derselbe kon⸗ st-nirt ein Riesengeschütz; mit diesem werden der König, der Prinz und er auf den Mond geschossen, wo sie glücklich ankommen und zuerst mit Mißtrauen, dann aber mit Freundlichkeit von dem dortigen König Kosmos und seinem Volke aufgenommen werden. Der Prinz ver⸗ liebt sich in die Tochter des Mond⸗Königs und will sie entführen. Dafür werden die drei Erdenbewohner von letzterem in einer gewaltigen Mond⸗Krater geworfen. Durch einen Ausbruch des Vulkans werden sie jedoch, ohne Schaden zu nehmen, wieder zur Erde geschleudert; mit ihnen durch einen Zufall der Mond⸗ König Kosmos und die Prinzessin Fantasie, die Prinz Caprice als dann zur Gemahlin erhält.

Drei Franzosen haben an dem Libretto zusammengewirkt; für das Viktoria⸗Theater ist es von Emil Pohl bearbeitet. Der ange⸗ gebene Inhalt wird in 20 Bildern vorgeführt, denen die überaus glänzende Inscenirung nach dem Pariser Vorbilde einen wirksamen Rahmen verleiht. Der RNeichthum an neuen Maschinerien, Dekorationen, Kostümen und Lichteffekten ist überraschend. Die ein⸗ gefügten Ballets „die Artilleristen“, „Einzug und Festmarsch“, „das Königreich der Biumen“ und „der Schnee“, in denen sich besonders die Solotänzerin Signora Dorina Merante auszeichnet, sind von dem Balletmeister Gredelue mit Geschick und Geschmack arrangirt. In der von Offenbach geschriebenen Musik finden sich mehrere Piecen von anziehendem Reize und Wohlklang, die an die Darsteller weitergehende musikalische Anforderungen stellen. Frl. Tellheim, in deren Händen sich die Hauptrolle des Prinzen Caprice befand, wußte ihre nicht leichte Auf⸗ gabe mit gutem Erfolge zu lösen. Die anderen Hauptrollen, König Flank, Mikroskop und König Kosmos fanden in den HH. Hitzigrath, Ascher und Brinkmann gewandte Vertreter. Das Haus war aus⸗ verkauft. Die Novität wurde mit Beifall aufgenommen, Hr. Direktor Hahn nach jedem Aktschlusse herausgerufen.

Wie man der „Wes. Ztg.“ schreibt, beschäftigt sich Richard Wagner augenblicklich mit der Komposition des „Parcival“, dessen Dichtung längst beendet ist, und der als sein poesievollstes Werk bezeichnet wird. Außerdem arbeitet der Dichter⸗Komponist, dem ge⸗ nannten Blatte zufolge, noch an einem indischen Stoff „Buddha“, dessen dramatische Skizze indeß kaum beendet ist.

Singegangene literarische Neuigkeiten.

Nachrichten für das Publikum bei Versendung von Telegrammen. Abgeschlessen am 1 März 1876 Zu beziehen durch die Reichs Post⸗ und Telegraphen⸗Aemter. Preis 10 ₰. Ber⸗ lin, R. v. Decker.

Zeitschrift für Gesetzgebung und Praxis auf dem Gebiete des deutschen öffentlichen Rechtes, herausgegeben von W. Hartmann, Ober⸗Tribunals⸗Rath. II. Bd. 2. Heft. Februar 1876. Berlin, 1876. Carl Heymanns Verlag.

Explosion cholérique dans un péniteneier, étude étiologique de l'influence dn logement, du régime alimentaire, de l'eau potable, de l'occupatn. de l'äge, de l'’'état de santé et des relations humaines sur la marche du choléra au milieu d'une popu- lation soumise à un régime identique par Max de Pettenkofer. Berlin, 1876. Charles Heymann, libraire-éditeur.

Schlesiens Vorzeit in Bild und Schrift. 29. Bericht des unter dem Protektorate Ihrer Kaiserlichen und König⸗ lichen Hoheit der Kronprinzessin stehenden Vereins für das Museum schlesischer Alterthümer. Breslau, Februar 1876.

Jahresbericht der höheren Bürgerschule in Marne. Ostern 1876. Inhalt: 1) R. v. Holly: Die staatsmännische Thätigkeit Otto's von Schwerin unter der Regierung des Großen Kurfürsten. Abth. II. 2) Schulnachrichten, vom Rektor.

Friedrich Arnold Brockhaus. Sein Leben und Wirken nach Briefen und anderen Aufzeichnungen geschildert von seinem Enkel Heinrich Eduard Brockhaus. 2. Theil. Leipzig. F. A. Brock haus. 1876.

Brockhaus Conversations⸗Lexikon. Zwölfte umge ar⸗ beitete, verbesserte und vermehrte Auflage. Vollständig in 15 Bänden. 40. und 41. Heft. Bogen 17— 26 des vierten Bandes. Campeche⸗ holz bis Cauer. Preis des Heftes ½ 1876.

Katalog einer ausgewählten Sammlung aus dem Gesammt⸗ gebiete der Geschichte und ihrer Hülfswissenschaften, enthal tend den historischen Theil der Bibliotheken der Herren Prof. Dr. A. Anschütz in Halle, Geh. Justiz⸗Rath Prof. Dr. F. Bluhme in Bonn, Geh. Justiz⸗Rath Prof. Dr. L. E. Heydemann in Ber⸗ lin, Advokat Titus in Bamberg. Zu beziehen durch R. L. Pra⸗ ger, Berlin.

Bibliotheca juridica et politico-oeconomica Nr. 26. 1876. Katalog einer ausgewählten Sammlung von Werken aus dem Gesammtgebiete der Rechts⸗ und Staatswissenschaften. Zu beziehen durch R. L. Prager, Berlin.

Redacteur: F. Prehm. Verlag der Expedition (Kessel). Druck: W. Elsner. Vier Beilagen (einschließlich Börsen⸗Beilage).

Berlin:

zum Deuts

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—— Landtags⸗Angelegenheiten.

Berlin, 24. März. Der im §. 12 des Gesetzentwurfs, betreffend die Vereinigung des Herzogthums Lauen⸗ burg mit der preußischen Monarchie erwähnte Vertrag vom 15. März 1876 hat folgenden Wortlaut: 2

Vertrag zwischen Preußen und Lauenburg vom 15. März 1875. Für den Fall der Vereinigung des Herzogthums Lauenburg mit der preußischen Monarchie ist zur Regelung der vermögensrechtlichen Verhältnisse der nachfolgende Vertrag zwischen dem Geheimen Ober⸗Finanzrath Michelly als Kommissarius der Erane preußischen Staats⸗Regierung einerseits un

dem Landesdirektor Freiherrn v. Landsberg als Kommissarius der Herzoglich lauenburgischen Staatsregierung und dem Erbland⸗ marschall v. Bülow auf Gudow als Kommissarius der Ritter⸗ und Landschaft des Herzogthums Lauenburg andererseits unter Vorbehalt der Genehmigung der beiderscitigen Regierungen und Landesvertretungen abgeschlossen worden.

Art. I. Das im Rezesse vom 19./21. Juni 1871 (Offizielles Wochenblatt für das Herzogthum Lauenburg, Jahrgang 1871 Nr. 35 S. 175) und im Gesetze vom 7. Dezember 1872 (ebendaselbst, Jahr⸗ gang 1872 Nr. 74 S. 325) als „Landes⸗Eigenthum“ anerkannte Do⸗ manialvermögen bleibt auch nach der Einverleibung des Herzogthums ausschließliches Eigenthum des Lauenburgischen Landes Kommunal⸗ verbandes in dessen gegenwärtiger Begrenzung und wird von den gesetzlichen Vertretern dieses Verbandes unter der Oberaufsicht des Staates verwaltet.

Art. II. Außer denjenigen Verpflichtungen, Lasten und Aus⸗ gaben, welche der lauenburgische Landeskommunalverband nach dem Rezesse vom 19/21. Juni 1871 und dem vorerwähnten Gesetze vom 7. Dezember 1872 zu tragen hat, übernimmt der genannte Verband

1) die Verzinsung und Tilgung der sogenannten Landesschulden

8 Finanz⸗Etat der ständischen Verwaltung des Herzogthums

senxenbarg für das Jahr 1875 A. fortlaufende Ausgaben cap. I. lsiteir S) 2) sämmtliche Entschädigungen, welche a. auf Grund des Gesetzes vom 20. April 1874 (Offizielles Wwochenblatt für das Herzogthum Lauenburg, Jahrgang 1874 Nr. 10 S. 73) für den Verlust gewerblicher Berech⸗ tigungen, sowie der Abgaben und Leistungen, zu welchen die Berechtigten in Beziehung auf die aufgehobenen Berechti⸗ gungen verpflichtet waren, . auf Grund des Gesetzes vom 15. Februar 1875 (ebendaselbst, Jahrgang 1875 Nr. 8 S. 127) für die Heranziehung bisher befreiter oder bevorzugter Grundstücke zur Grundsteuer aus der Staatskasse zu gewähren sind. „Art. III. Nach dem Staatsbudget des Herzogthums Lauenburg für das Jahr 1875 sollte zu den Entschädigungen für den Verlust gewerblicher Berechtigungen (cfr. Art. II. Nr. 2 Litt. a.) die Summe von fünf mal hunderttausend Mark verwendet werden, was aber bis⸗ her nur theilweise geschehen ist. Dem lauenburgischen Landes⸗ kommunalverbande wird derjenige Betrag, um welchen die bis zur Einverleibung bereits gezahlten Entschädigungen für den Verlust ge⸗ werblicher Berechtigungen zusammengerechnet hinter der Summe von 500,000 zurückbleiben, von Preußen baar zur Verfügung gestellt werden, um diesen Betrag zu den gedachten Entschädigungen, welche fernerhin noch auszuzahlen sein werden, zu verwenden. Den zu diesen Entschädigungen etwa erforderlichen Mehrbetrag hat der Landes⸗ kommunalverband aus eigenen Mitteln zuzuschießen, wogegen ihm aber auch eine etwaige Ersparniß an jener Summe zu Gute kommt.

Art. IV. Der lauenburgische Landes⸗Kommunalverband über⸗ nimmt endlich sämmtliche Kosten der Veranlagung und Vertheilung der Grundsteuer, insbesondere auch die der Vermessungsarbeiten, welche durch die Ausführung des im Artikel II. erwähnten Gesetzes vom 15. Februar 1875 seit dem 1. Jantkar 1876 entstanden sind und fernerhin noch entstehen werden, insoweit diese Kosten nach dem Ge⸗ setze der Staatskasse zur Last fallen würden.

Der Landes⸗Kommunalverband verpflichtet sich, die gedachten Kosten, welche die Staatskasse fernerhin nur noch vorschußweise be⸗ richtigen wird, einschließlich der seit dem 1. Januar 1876 entstandenen, an die preußische Staatskasse zu erstatten. Die Erstattung der Kosten für das Jahr 1876 hat bis zum 1. Juli 1877, die der späteren Kosten aber vierteljährlich zu erfolgen.

Für solche Arbeiten, welche zwar schon im Jahre 1875 begonnen, aber erst später vollendet worden sind, hat der Landes⸗Kommunal⸗ verband der preußischen Staatskasse die Kosten, insoweit als die Ar⸗ beiten in die Zeit nach dem 1. Januar 1876 fallen, zu einem ver⸗ hältnißmäßigen Antheile zu erstatten.

Art. V. Die Grundstücke des lauenburgischen Landes⸗Kommu⸗ nalverbandes, welche früher zum Domanialvermögen gehört haben, bleiben nach Maßgabe des §. 6 des Gesetzes vom 15. Februar 1875 für den daselbst festgesetzten Zeitraum von der Grundsteuer befreit.

Art. VI. Dem lauenburgischen Landes⸗Kommunalverbande wird die Zusicherung ertheilt, daß ihm ohne seine Zustimmung außer den⸗ jenigen Verpflichtungen, welche er nach dem Rezesse vom 19/21. Juni 1871 und dem Gesetze vom 7. Dezember 1872, sowie nach dem gegen⸗ wärtigen Vertrage zu erfüllen hat, keine neuen besonderen Verpflich⸗ tungen oder Lasten zu Gunsten des Staates auferlegt werden sollen, von die übrigen Kreise der preußischen Monarchie be⸗ reit sind.

Art. VII. Um dem Landes⸗Kommunalverbande die Erfüllung der in den Artikeln II. und IV. dieses Vertrages über⸗ nommenen Verpflichtungen zu erleichtern, wird ihm auf seinen des⸗ fallsigen Antrag die staatliche Genehmigung ertheilt werden, die hierzu erforderlichen Mittel sich im Wege einer Anleihe zu beschaffen, zu deren Tilgung er erst nach erfolgter Amortisation der in Gemäß⸗ heit des Gesetzes vom 8. Dezember 1866 (Offizielles Wochenblatt, Jahrgang 1867, Seite 1) aufgenommenen Domanial⸗Anleihe ver⸗ pflichtet sein soll. 1

Art. VIII. Das gesammte Staatsvermögen des Herzogthums Lanenburg geht mit dessen Einverleibung in das Eigenthum des preußischen Staates über. Dies gilt insbesondere von allen bisher für Staatszwecke bestimmt gewesenen Grundstücken und Gebäuden, nebst ihrem beweglichen und unbeweglichen Zubehör, von den dem Staate gehörigen Kapitalien und Effekten, von sämmtlichen Bestän⸗ den und Betriebsfonds der Staatskassen, von allen rückständigen Staatseinnahmen und von allen sonstigen ausstehenden Forderungen des Herzogthums. 8

Auf ausdrückliches Verlangen des lauenburgischen Landes⸗ Kommunalverbandes wird anerkannt, daß Preußen mit den Grund⸗ und Gebaͤuden, welche in sein Eigenthum übergehen, zugleich

ie auf denselben ruhenden Abgaben und Lasten zu übernehmen hat.

Art. IX. Für den Fall, daß das Kreisgericht zu Ratzeburg bei der bevorstehenden Gerichtsorganisation aufgehoben werden sollte, verpflichtet sich die preußische Staatsregierung, das gegenwärtig für Gerichtszwecke benutzte Gebäude am Markt zu Ratzeburg dem lauen⸗ burgischen Landes⸗Kommunalverbande zur Benutzung als Ständehaus unentgeltlich zu übereignen und das gegenwärtig in diesem Gebände untergebrachte Amtsgericht (respektive das an dessen Stelle tretende Gericht) anderweitig unterzubringen. Die hierdurch bedingten Kosten hat der Landes⸗Kommunalverband der preußischen Staatskasse zu erstatten.

1“

Beilage

beiger und Königlich Preußischen Staats⸗Anzeiger.

Berlin, Freitag, den 24. Müärz

Alrt. X. Dem Landesbaubeamten wird, so lange der Staat von seinen Diensten auf Grund des §. 16 des im Artikel I. erwähnten Gesetzes vom 7. Dezember 1872 noch nach der Einverleibung Gebrauch macht, dafür eine monatliche postnumerando zahlbare Vergütung von Einhundert Mark aus der Staatskasse gewährt werden.

Art. XI. Endlich verzichtet 1) einerseits Preußen auf alle Ansprüche, welche gegen Lauenburg bezüglich des in den Artikeln VIII. und IX. des Wiener Frie⸗ ddeensvertrages vom 30. Oktober 1864 den Elbherzogthümern zur Last gelegten Antheils an der dänischen Staatsschuld von Neun und zwanzig Millionen Thalern dänisch und 2) andererseits Lauenburg auf alle Ansprüche, welche gegen Preußen wegen der von Lauenburg auf Grund des Artikels 9 des Gasteiner Vertrages vom 14. August 1865 an Oesterreich geleisteten Zahlung von Zwei und Einer halben Million Tha⸗ lern dänisch etwa geltend gemacht werden könnten. Diefer Vertrag ist von den beiderseitigen Kommissarien in drei⸗ facher Ausfertigung vollzogen und untersiegelt worden. So geschehen Berlin, den 1*. März 1876.

S.)

Michelly, F. v. Bülow,

Geheimer Ober⸗Finanz⸗Rath. Erblandmarschall. H. Freiherr v. Landsberg.

Statistische Nachrichten.

Die „Zeit. des Ver. D. Eisenb.⸗V.“ peröffentlicht folgende von Dr. Stürmer in Bromberg gefertigte Zusammenstellung der Länge und Anlagekosten der deutschen Staats⸗ und Privateisenbahnen in ihrer Vertheilung auf die ein⸗ zelnen Staaten für Ende 1875. Die Zahlen der folgenden Ta⸗ belle geben die Länze der auf dem Staatsgebiete befindlichen Eisen⸗ bahnen in Kilometern, inkl. der Strecken fremder Eisenbahnen, also bei den kleineren nord⸗ und mitteldeutschen Staaten meist Strecken preußischer Bahnen. Die Industrie⸗ und Pferdebahnen sind nicht mit inbegriffen. Privatb in g

8 „Privatb.in Privatb. in e Staats⸗ eigener Total verwalt. Verwalt.

Kilom. Kilom. Kilom. Kilom. 1) Preußen . 4,281,14 2,736,53 9,183,43 16,201, 0 8IEE“ 272,46 510,74 3,962,05 47,80 787,63 1,809,13 4) Württemberg. 1 1s 16,91 1,218,59 X““ 8 98,35 6,7s8 1,145,10 WJL“ 576,52 715,32 SẽyS 2 49,00 325,96 8) Mecklenburg⸗Schwerin. 374,7 374,76 9) Mecklenburg⸗Strelitz. 1 888 35,60 10) Braunschweig.. 1“ 323,34 1OJ“ 170,72 170,72 12) Sachsen⸗Weimar .. 194,71 194,71 13) Sachsen⸗Coburg⸗Gotha 117,48 117,48 14) Sac en Messanch .5 24,80 113,31 15) Sachsen⸗Meiningen.. 133,58 154,85 16) Reuß ält. Linie.. . 9,30 19,04 17) Reuß jüng. Linie .. 17,03 23,38 18) Schwarzb.⸗Sondersh. PööS— 35,62 19) Schwarzb.⸗Rudolstad 1 EEE1““ 17,54 20) Lippe⸗Detmold .. . 1 8,02 8,02 21) Schaumburg⸗Lippe. —— 32,07 JSI1X““ 3 3,82 3,82 28) Hambmg. . .. 4 30,60 30,60 1“”] 8 23,23 23,23 1116“* 25,36 5,42 30,78 26) Elsaß⸗Lothringen ... 870,00 870,00

Deutsches Reich 77,062,77 3,252,5 2,671,2 27,955,7

Wenn man bei denjenigen Eisenbahnstrecken, welche bereits am Schlusse des Jahres 1875 in Betrieb gesetzt waren, deren Baurech⸗ nung aber noch nicht abgeschlossen oder noch nicht veröffentlicht ist, in Ermangelung der wirklich verwendeten die veranschlagten Baukosten annimmt, so ergiebt sich als Gesammtsumme der Anlagekosten aller deutschen Eisenbahnen 7,038,627,661 Diese Summe ver⸗ theilt sich auf die Bahnen der einzelnen Staaten folgendermaßen: Ko san 58 r Privatbah ꝙ☛ꝙ Privatbahnen Privatbahnen

Füat in Staats⸗ in eigener Total

8 verwaltung Verwaltung

ℳ. ℳ. reußen 1,066,681,274 846,669,318 2,342,514,013 4,255,864,605 ayern. 715,436,052 34,028,571 136,064,694 885,529,317 Sachsen 307,449,281 31,135,536 137,700,000 476,284,817 Württemberg 326,755,881 2,237,764 328,993,645 Baden 316,024,905 11,461,132 327,486,037 Hessen 87,782, 82 167,905,967 205,688,149 Oldenburg . . 23,884,290 5,400,000 29,284,290 Mecklenburg 42,960,708 42,960,708 Braunschweig. 95,963,746 95,963,746

Thüringische hüringisch 63,385,699 63,385,699

Staaten ... Elsaß Lo⸗ thringen 327,186,648 327,186,648 Ganz Deutsch⸗ land 3,121,200,513 923,294,557 2,994,132,591 7,038,627,661 xro Kilo⸗ meter.. 257,758 278,447 237,436 251,067 Nach den jetzt in Nr. 10 des „Centralblattes für das Deutsche Reich“ veröffentlichten Zusammenstellungen der Einnahmen haben die Zölle im Zollgebiete des Deutschen Reichs im Jahre 1875 einen Ertrag von 120,787,499 gegen 115,201,800 im Vorjahre geliefert, so daß sich für das Jahr 1875 eine Mehr⸗ einnahme von 5,585,699 oder 4,2 % ergiebt. Dieses günstige Er⸗ gebniß ist der Hauptsache nach durch die stärkere von rohem Kaffee hervorgerufen, welche im Jahre 1875 eine Höhe erreicht hat, wie sie zuvor nie dagewesen war; sie betrug im Ganzen 2,012,241 Ctr. und übertraf die Einfuhrmenge des Vorjahres um 211,000 Ctr. oder mehr als 11 % und das durchschnittliche Einfuhrquantum der drei vorhergehenden Jahre noch um mehr als 7 %. Dieser Artikel allein lieferte 3,700,317 Eingangszoll mehr, als in 1874. Von anderen Einfuhrartikeln, welche zu dem nachgewiesenen günstigeren Einnahmeresultate beigetragen haben, sind hervorzuheben: unverarbeitete Tabaksblätter und Tabaksstengel (gegen 1874 667,918 ℳ), Wein in Fässern und Flaschen (+ 661,728 ℳ), Schweine (+ 595,210 ℳ), Gewehre aller Art (+. 433,020 ℳ), Arrak, Rum, Branntwein (+ 247,686 ℳ), Gewürze (+ 234,466 ℳ), Rohzucker (+ 230,109 ℳ), Leinöl in Fässern (+ 142,865 ℳ), Aetznatron (+ 136,992 ℳ), Bier (+ 107,226 ℳ), frische Süd⸗ früchte (+ 104,688 ℳ), getrocknete Südfrüchte (+ 101,357 ℳ) Konfitüren, Saucen, Chokolade ꝛc. (+ 95,571 ℳ), Kleider, Leib⸗ wäsche, Putzwaaren (+ 95,055 ℳ), Butter (+ 77,703 ℳ), Baumöl in Fässern (+ 75,012 ℳ), Salz (+ 47,073 ℳ), Chlorkalk (+ 46,256 ℳ), Eisenbahnfahrzeuge (+ 39,157 ℳ), Seiden⸗ und Halbseidenwaaren

bn

(+ 24,428 ℳ). Dagegen ist bei folgenden Artikeln der Zollertrag von 1875 hinter demijenigen des Vorjahres erheblich zurückgeblieben: Heringe (— 345,525 ℳ), Lokomotiven, Tender und Dampfkessel 341,333 ℳ), andere Maschinen (— 323,805 ℳ), mbereitetes leisch, Speck zc. (— 287,202 ℳ)], raffinirter Zuck r (— 230,370 ℳ), geschälter Reis (— 220,731 ℳ), rohe Leinwand (— 153,204 ℳ), Materialeisen aller Art (— 137,538 ℳ), Wollenwaaren (— 126,720 ℳ), Kupferschmiedewaaren (— 125,304 ℳ), Syrup (— 112,395 ℳ), mit Zucker eingemachte ꝛc. Konsumtibilien (s;— 112,320 ℳ), grobe I-S Eisen⸗ und Stahlwaaren (— 100,098 ℳ), Käse (— 49,550 ℳ). Abgesehen von der Einfuhr der vorstehend genannten zollpflichtigen Artikel zeigen aber auch ver⸗ schiedene zollfreie Waaren, welche als Rohstoffe für einzelne Industrie⸗ zweige von Wichtigkeit sind, im Jahre 1875 eine Zunahme des Imports gegen das Vorjahr. Als solche sind namentlich zu nennen: Steinkohlen und Koks 44,549,566 Ctr. (gegen 1874 + 1,920,551 Ctr.), Braunkohlen 48,314,090 Ctr. (+ 8,083,149 Ctr.), rohes Blei in Blöcken ꝛc. 92,730 Ctr. (+ 6646 Ctr.), Roheisen 12,128,190 Ctr. (+ 1,498,706 Ctr.), Zinn in Blöcken ꝛc. 109,276 Ctr. (+ 9661 Ctr.), Dachschiefer und Schieferplatten 2,026,901 Ctr. (+ 221,145 Ctr.), andere rohe Steine 5,024,070 Ctr. (+ 1,173,433 Ctr.), Fliesen, Mauer⸗ und Dachziegel 3,985,545 Ctr. (+ 321,073 Ctr.), rohe Schaf⸗ wolle 1,165,076 Ctr. (+ 36,763 Ctr.), Rohseide 74,353 Ctr. (+ 12,421 Ctr.), Jute 195,433 Ctr. (+ 42,653 Ctr.), Farbe⸗ holz 716,805 Ctr. (+ 31,698 Ctr.), Chilisalpeter 878,459 Ctr. (+ 19,732 Ctr.), Schwefel 286,192 Ctr. (+ 42,816 Ctr.), außereuropäische Tischlerhölzer 723,207 Ctr. (†+ 124,549 Ctr.), Mais 2,273,154 Ctr. (+ 1,115,407 Ctr.), Raps und Rübsaat 1,780,119 Ctr. (+ 1,141,673 Ctr.), Mehl 2,675,078 Ctr. (+ 660,462 Ctr.), Petroleum 6,944,763 Ctr. (+ 1,302,686 Ctr.), denaturirtes Baumöl 212,191 Ctr. (+ 44,477 Ctr.), Guano 2,107,206 Ctr. (+ 114,542 Ctr), Kuochenkohle und Knochenmehl 634,762 Ctr. (+ 179,330 Ctr.). Viel geringer ist die Zahl derjenigen zollfreien Gegenstände, bei welchen ein Rückgang des Imports im Jahre 1875 stattgefunden hat; von solchen sind na⸗ mentlich hervorzuheben: rohe Baumwolle 3,198,653 Ctr. (gegen 1874 290,285 Ctr.), Flachs 971,431 Ctr. (— 134,770 Ctr.),

anf 767,853 Ctr. (— 36,776 Ctr.), Indigo 37,107 Ctr. (— 9190 Ctr.), Eisenerze 4,418,316 Ctr. (— 542,307 Ctr.), Cement 2,679,047 Ctr. (— 104,973 Ctr.), Getreide 33,862,726 Ctr. (— 5,732,079 Ctr.), Leinsaat 906,757 Ctr. (— 303,997 Ctr.), frisches Obst 573,670 Ctr. (— 544,552 Ctr.), Schmalz 579,954 Ctr. (— 209,755 Ctr.), rohe Rin perte .99,067 Ctr. (— 53,621 Ctr.), Rohkupfer 295,957 Ctr. 21,525 Ctr.).

*

Gewerbe und Handel.

Oberschlesiens Eisenerzförderung. Nach den sta tistischen Aufnahmen des Oberschlesischen berg⸗ und hüttenmännischen Vereins, wie sie in der „Zeitschr. f. Gew. ꝛc.“ alljährlich veröffent⸗ licht werden, stellte sich die Eisenerzförderung Oberschle⸗ siens 1875 auf 10,104,628 Ctr., eine Summe, welche dem Ergeb⸗ nisse des Vorjahres ziemlich gleichkommt. Hiervon waren Thoneisen⸗ steine 174,212 Ctr. Als Nebenprodukt wurden 25,510 Ctr. Galmei gewonnen. Zum Betriebe dienten 15 Dampfmaschinen mit 147 Pfdkr. An Materialien wurden verbraucht 78,993 Ctr. Steinkohlen, 24,244 Kbm. Holz, 9,88 Ctr. Pulver, 16,509 Ctr. Dynamit, 281,82 Ctr. Oel, 5,60 Ctr. Petroleum. Arbeiter waren beschäftigt 1819 männliche, 1065 weibliche über 16 Jahre und 242 Kinder unter 16 Jahren. Der Werth der Produktion beziffert sich auf 2,045,051 ℳ, d. i. auf rund 20 pro Centner. 88

Im Kreise Iserlohn wurden 1873 an Zinkerzen ge⸗ fördert 384,363 Ctr., im Werthe von 179,368 Thlr., 8161 Cir. Bleierze, im Werthe von 8161 Thlr. und 29,900 Ctr. Schwefel⸗ kiese (4983 Thlr.). Die auf den Bergwerken beschäftigte Beleg⸗ schaft betrug 402 Mann mit 1210 Angehörigen. In den Hütten standen durchschnittlich 21,83 Oefen in Betrieb, welche au, dem gerösteten Erz 31,83 % ausbrachten und zur Gewinnung von 100 Pfd. Zink 7,8 Scheffel Kohlen, 0,12 Retorten und 1,8s Vor⸗ lagen erforderten. Produzirt wurden 297,838 Ctr. Erzen und 1234 Ctr. Zinkschaum, 79,253 Ctr. Rohzink. Arbeiter und Arbeiterinnen waren dabei 567 beschäftigt; ihre Angehörigen beliefen sich auf 1073 Personen. Außer der Zinkhütte in Letmathe befinden sich in dem zum Oberbergamtsbezirk Dortmund gehörigen Theile eine Nickelhütte und mehrere zur Fabrikation von verschiedenen Eisensorten und von Roh⸗ stahl dienende Hütten. Weiter beschäftigt sich die Fabrikindustrie zum Theil in bedeutender Ausdehnung mit der Herstellung von Messingblech und Draht, geprägten und gegossenen Bronze⸗ und Messingwaaren, Phos⸗ phor⸗Bronze, Reit⸗ und Fahrgeschirr⸗Beschlägen, Neusilberwaaren, Drahtnägeln und Nieten, Eisen⸗ und Stahldraht, Drahtgeweben und Weberriethern, Ketten, Nadeln ꝛc. Auch Kalksteinbrüche und Kalköfen sind in regem Betriebe, ebenso in Iserlohn eine Gasfabrik. Die der Administration der Berg⸗Behörden nicht unterworfenen Hüt⸗ ten urd Salinen produzirten im westfälischen Haupt⸗Bergdistrikt 1871 mit 1857 Arbeitern 446,101 Centner im Werthe von 1,835,813 Thlr., im rheinischen Haupt⸗Bergdistrikt mit 337 Arbeitern 94,400 Centner im Werthe von 444,000 Thlr. In das Handelsregister zu Iserlohn waren Ende 1873 eingetragen 270 Handelsfirmen, 118 Handelsgesellschaften und 85 Prokuren. Die 8 Postanstalten des Bezirks nahmen 1873 ein 66,485 Thaler; auf den 4 größeren Postanstalten gingen ein 803,686 Briefe, 88,372 Packete ohne deklarirten Werth im Gewicht von 841,254 Pfd., 39,240 Briefe und Packete mit einem deklarirten Werth von 4,299,174 Thlr. und 21,948 Postanweisungen in Höhe von 329,603 Thlr.

Im Hafen zu Skelleftea kamen im verflossenen Jahre, wie wir dem „Handels⸗Archiv“ entnehmen, 274 Schiffe an, fast sämmtlich leer oder mit Ballast. Davon kamen aus deutschen Häfen 38 Schiffe, darunter aber nur 7 unter deutscher Flagge, 17 unter CWE 7 unter russischer ꝛc. Ab gingen aus dem Hafen ebenfalls 274 Schiffe und zwar nach Deutschland, hauptsächlich nach Schleswig⸗Holstein, Mecklenburg und Lübeck, 58 Schiffe, die sämmt⸗ lich mit Holzwaaren beladen waren und 5 deutsche, 37 schwe⸗ dische und 16 russische Flaggen führten. Der Nationalität nach bestanden die 274 Schiffe aus 9 deutschen, 120 schwedischen, 72 norwegischen, 45 russischen, 16 dänischen, 7 französi⸗ schen, 3 britischen und 2 niederländischen von zusammen 52,460 brit. Registertonnen, von denen für zc. 2,200,000 an Holzwaaren und Theer exportirt worden ist. Die 9 deutschen Schiffe von zusammen 1872 Registertonnen kamen sämmtlich in Ballast an und gingen mit (1 zugleich mit Theer, 1 zugleich mit Eisen) aus. Der

chiffsverkehr des Hafens hat unter der allgemeinen Kalamität be⸗ deutend gelitten. 1874 gingen noch 339 Holzladungen nach dem Auslande; auch von deutschen Schiffen besuchten 1874 noch 22 die Häfen des Skellefteaer Distrikts, 1873 betrug ihre Zahl 33. 8

8 Verkehrs⸗Anstalten.

Southampton, 23. März. Das Postdampfschiff des Norddeutschen Lloyd „Amerika“, welches am 11. März von New⸗York abgegangen war, ist heute 12 Uhr Nachts wohlbehalten hier angekommen und hat nach Landung der für Southampton be⸗ stimmten Passagiere, Post und Ladung 3 Uhr Morgens die Reise nach Bremen fortgesetzt. 8

Plymouth, 23. März. (W. T. B.) Der Dampfer von der Hamburger Adlerlinie „Goethe“ ist, von Westindien kom⸗ mend, hier eingetroffen