1876 / 75 p. 3 (Deutscher Reichsanzeiger, Mon, 27 Mar 1876 18:00:01 GMT) scan diff

Berlin, den 27. März 1876.

In einem Vortrage, den der Ober⸗Hofprediger Dr. Kögel über die Hochselige Königin Luise in Gegenwart der König⸗ lichen Familie hielt, erwähnte der Redner die Worte, welche die Königin an ihre beiden ältesten Söhne, an den damaligen Kron⸗ prinzen und an des jetzt regierenden Kais.rs Majestät auf der zu Schwedt gerichtet haben

Fluchtreise nach Stettin im Schlosse

soll. Die Worte wurden also angegeben:

einen preußischen Staat mehr.

uns jetzt heimsuchen, fassen und fühlen kann; ruft künftig, in Euer Gedächtniß zurück; weinet meinem Andenken Thränen, wie ich sie jetzt in diesem schmerzlichen Augenblicke dem Um⸗ sturz meines Vaterlandes weine! Aber begnügt Euch nicht mit den Thränen allein; entwickelt Eure Kräfte, werdet Männer, handelt, laßt Euch nicht von der Entartung dieses Zeitalters hin⸗ reißen. Befreiet dann Euer Volk von der Schande, dem Vor⸗ wurf und der Erniedrigung, worin es schmachtet, suchet den jetzt verdunkelten Ruhm Eurer Vorfahren von Frankreich zu rück zu erobern. Könnt Ihr mit aller Anstrengung den nie⸗ dergebeugten Staat nicht wieder aufrichten, so sucht den Tod wie ihn Louis Ferdinand gesucht hat.“ 3 Se. Majestät der Kaiser und König haben darauf dem Ober⸗Hofprediger Dr. Kögel mitgetheilt, daß die angeführten Worte, trotzdem sie in allen Biographien der Hochseligen Kö⸗ nigin angefüͤhrt sind, in jener Stunde nicht von ihr gesprochen sind. Der Ober⸗Hofprediger Dr. Kögel hat nunmehr den Vor⸗ trag in der Zeitschrift „Daheim“ erscheinen lassen und dabei den Vorgang in Schwedt nach den Allerhöchsten Angaben Sr. Miajestät des Kaiser und Königs wie folgt dargestellt: „Als die Königin uns im Schloß von Schwedt’ auf unserer Fluchtreise einholte und wir ihr auf der großen Treppe entgegen eilten, blieb sie stehen, umarmte sie uns und sagte etwa folgende Worte zu uns: „»Ihr seht mich in Thränen; ich beweine das schwere Geschick das uns getroffen hat! Der König hat sich in der Tüchtigkeit seiner Armee und ihrer Führer geirrt und so haben wir unterliegen sollen und müssen flüchten.““ Die Gedanken und Worte, welche die genannten Seiten wiedergeben, mag die Königin zu unserem Erzieher Delbrück dort und wohl auch später gesagt haben, denn wir haben sie später ebenso von ihm zu uns äußern hören.“

Der Bergrutsch bei Caub.

Bei der von der Königlichen Regierung zu Wiesbaden unter Zuziehung von Technikern, insbesondere auch von Kom⸗

missarien des Königlichen Ober⸗Bergamts zu Bonn am 25. März v. J. veranlaßten kommissarischen Berathung wurde die Frage, wie die der Stadt Caub, aus der fortschreitenden Bewegung des Berggehänges oberhalb der Stadt Caub drohende Gefahr zu beseitigen sei, dahin beantwortet, daß es zur Beseitigung der unmittelbaren Gefahr nöthig sei, die im obern und untern Ab⸗ sturze befindlichen Schuttmassen und anstehenden Felsen ab⸗ zutragen, sowie am Fuße des Berges auf dem feststehenden heile Fangdämme in trockener Mauerung aufzuführen. Zur nachhaltigen Abwendung der Gefahr aber wurde empfohlen, aus der Dachschiefergrube Carlszeche unterhalb der Kreuz⸗ linie der beiden Gebirgsklüfte, auf welchen die Erdbewegung vor sich gehe, eine Strecke aufzuführen, von welcher aus die Kreuzlinie der Klüfte durch Unterbrechen zu lösen sei. Die durch diese Maßregeln entstehenden Kosten wurden von dem Bergrathe Giebeler auf ungefähr 150,000 veranschlagt, unter der Voraussetzung, daß die bei den Abtragungsarbeiten ent⸗ fallenden und zur Aufführung von Schutz⸗ und Stützmauern nicht erforderlichen Mauersteine nur bis an den Rhein gebracht und dort von der Eisenbahn⸗ oder Strom⸗ bau⸗Verwaltung unentgeltlich übernommen würden. Nachdem durch die stattgefundenen Verhandlungen die Möglichkeit der Ablagerung der Stein⸗ und Schuttmassen am Rhein aus⸗ reichend gesichert erschien, kam mit der Stadtgemeinde Caub ein Abkommen über die Ausführung der gedachten Arbeiten zu Stande. In der Verhandlung vom 14. Oktober v. Is. über⸗ nahm nämlich die Stadtgemeinde Caub die Ausführung des Projekts auf ihre Gefahr und Kosten gegen eine ihr von dem Staate zu gewährende Beihülfe von 135,000 Sie nahm sofort ein Darlehn von 22,000 auf, um unver⸗ züglich mit den diesfälligen Arbeiten beginnen zu können. Die Stolfenarbeit wurde hiernächst rüstig gefördert, die Fangdämme und zwei Futtermauern, deren eine ein Fundament von 10 Meter Stärke erhielt, wurden, die letztere Mauer wenigstens zum Theil, aufgeführt und die Gefahr drohenden einzelnen Felspar⸗ tien durch Planirung und Herabschaffung der Fels⸗ massen beseitigt. Gleichwohl konnten die Arbeiten nicht mit der wünschenswerthen Beschleunigung fortgeführt werden, da der lang andauernde Frost dies verbot; ebenso war bei dem sehr plötzlich eintretenden Thauwetter und dem darauf folgenden Regenwetter eine energische Inangriffnahme der Ar⸗ beiten ausgeschlossen. Ende Februar fand der Regierungs⸗Prä⸗ dent, als er mit dem Bürgermeister von Caub die Oertlichkeit besichtigte, die hauptsächlichste Gefahr beseitigt, und diese Ansicht theilte der Regierungs Baurath Cuno, als er am 8. d. Mts. eine gleiche Besichtigung vornahm.

Am 10. d. M., Abends 11 ½ Uhr, erfolgte trotzdem die Kata⸗ strophe eines Bergrutsches, muthmaßlich in Folge des anhal⸗ tenden Regenwetters. Schon vorher sollen an diesem Abend Erschütterungen an einzelnen Scheunen bemerkt worden sein und wurden in Folge dessen die Bewohner der an den Berghang sich anlehnenden Häuser gewarnt. Aber nur We⸗ nige schenkten der Warnung Gehör. Das Unglück ereig⸗ nete sich nicht durch Abrutschung eines Theils der seit längerer Zeit in Bewegung befindlichen Felsmassen, sondern in der Art daß an einer Stelle des unteren Berggehänges, die man bisher V von technischer Seite für fest und außerhalb der Bewegung stehend angesehen hatte, große Wassermassen durchbrachen und die am Fuße des Berges lagernden Schuttmassen fortrissen. Dort löste sich plötzlich in Folge des Wasserdrucks das Gerölle des Schieferberges auf eine Breite von 200 bis 250 Fuß, riß die Schutzmauern mit sich fort und ver⸗ schüttete fünf Vorderhäuser in der Hochstraße und drei 62 Diese Häuser wurden zu⸗

gedrückt und mit einer S 5 bi Höhe beßenr. chuttmasse von 15 bis 20 Fuß

Sofort begannen die Arbeit verschütteten

„Ihr seht mich in Thränen; ich beweine den Untergang meines Hauses, den Untergang unseres Ruhmes; es giebt 8 Ach, meine Söhne, Ihr seid in dem Alter, wo Euer Verstand die großen Ereignisse, die

wenn Eure Mutter nicht mehr lebt, diese unglückliche Stunde

8

bald nach dem Eintritte des

Personen sind 25 Personen verschüttet worden. Der Bürgermeister requirirte in der Nacht die Militär⸗ behörden in Coblenz und Mainz um Absendung von Pionieren. Am anderen Morgen um 8 Uhr traf ein Kommando von 48 Mann von Coblenz und Abends um 7 Uhr ein Kom⸗ mando von 60 Mann aus Mainz ein. Am 11. d. M. wurden von den Kellern und Ställen der verschütteten Häuser her 5 Leichen durch Einwohner des Orts und durch die Coblenzer Pioniere aus den Trümmern hervorgezogen. Der Fortsetzung der Rettungsarbeiten stellten sich be⸗ sondere Schwierigkeiten entgegen. Die von der Straße her begonnenen Arbeiten mußten von den anwesenden Beamten wegen ihrer großen Gefährlichkeit untersagt werden. Die von den Kellern und Stallräumen aus gleichzeitig unternommenen Rettungsarbeiten wurden bis zum Nachmittage des 11. fort⸗ gesetzt, wo auch sie sistirt werden mußten, weil eine weitere An⸗ näherung an die verschütteten Personen nur nach Beseitigung des in viele Splitter zerrissenen Holzwerks der eingestürzten Häuser hätte erreicht werden können. Dieses Holzwerk war mit Mauerbruchstücken, zertrümmerten Hausgeräthen aller Art und hereingebrochenen Schuttmassen derartig dicht vermengt und durch hohes Steingeröll so überlagert, daß ein Nachstürzen der Massen unter Eintritt neuer Ungluͤcksfälle unvermeidlich gewesen wäre. Bei der außerdem noch drohenden Gefahr einer Ablösung von Felsmassen am oberen Berggehänge und bei den aus dem Bergsturz ununterbrochen abfließenden starken Wassermengen konnte die sofortige Aufnahme von Abräumungsarbeiten nicht eintreten. Am 12. d. Mts. nahm das Kommando der Pioniere aus Mainz den Versuch zur Rettung der Verschütteten durch unterirdische Arbeiten wieder auf, dasselbe mußte jedoch diesen Versuch nach einstündiger Arbeit wegen der damit für die Pioniere verbundenen hohen Gefahr auf⸗ geben. Da die Nacht vom 11. zum 12. ohne weitere Unfälle verlief, so wurde am 12. die Vornahme von Ausgrabungs⸗ arbeiten von oben gestattet; diese Arbeiten konnten aber mit Rücksicht auf die hierbei anzuwendende Vorsicht und da sie nur auf einem sehr kleinen, schwer zugänglichen Raume vor⸗ genommen werden konnten, nur langsam vor sich gehen. Es war auch kaum mehr zu hoffen, Verschüttete noch lebend auf⸗ zufinden, da anzunehmen war, daß dieselben, wenn nicht er⸗ drückt, doch in Folge des Staubes bei dem Einsturze der Häuser erstickt wären. An den Arbeiten nahmen am 13. bezw. am 14. d. Mts. Bergleute aus zwei Bergwerken Theil. Am 12. wurden eine, am 14. eine, am 16. fünf, am 17. drei, am 18. acht Leichen aufgefunden, von Schutt und Trümmern bedeckt. Am 23. wurde die letzte Leiche ausgegraben. Mit dem stattgefundenen Bergrutsche sind für die Siadt Caub die Gefahren noch keineswegs beseitigt, indem der größte Theil der Schuttmassen noch über der Stadt hängt. Schon am 12. wurde es von technischer Seite als nothwendig anerkannt, die oberste Spitze des Rutschkegels ab⸗ zutragen und den Abraum in ein Seitenthal fortzu⸗ schaffen. Zu diesem Zwecke ist eine Transportbahn auf dem Berge 700 Fuß über der Stadt angelegt worden. Vor Vollen⸗ dung dieser Abtragungsarbeiten ist die Aufräumung der auf den verschütteten Häusern lagernden Massen nicht thunlich. Die Vorrichtungsarbeiten zur Abtragung des obersten Theiles der Felsmasse werden kräftig fortgesetzt, ebenso die Sicherungsarbeiten am Mundloch des Stollens der Grube Carlszeche. Dagegen sind die Aufräumungs⸗ arbeiten an den verschütteten Häufern am 24. d. Mts. eingestellt und die Pioniere entlassen worden. Am 25. d. Mts. waren 192 Arbeiter bei diesen Arbeiten beschäftigt.

1 Welche weiteren Sicherungsmaßregeln sich noch ergreifen lassen, ist eeine schwierige technische Frage, welche gegenwärtig einer sorgfältigen Prüfung unterliegt.

„Fünfzehn Häuser am Fuße des Berges sind polizeilich ge⸗ räumt und gesperrt.

Es liegt die Frage nahe, weshalb die am 10. d. Mts. verschütteten Häufer nicht rechtzeitig Seitens der Polizeibehörde geräumt und gesperrt worden sind. Der Königlichen Regierung zu Wiesbaden ist bereits durch einen Erlaß vom 26. Juni 1875 zu erwägen gegeben worden, ob nicht schon damals die Sperrung der bedrohten Häͤuser und Wege zum Schutze der Bewohner und des dort verkehrenden Publikums zu. veranlassen sei. Die ge⸗ nannte Regierung hat indeß hierauf angezeigt, daß der Gemeinderath von Caub sich entschlassen habe, unverzüglich mit den nothwendigsten Arbeiten vorzugehen, um die sofortige Sper⸗ rung der Häuser zu verhüten. Im August v. J., als die Pla⸗ nirungsarbeiten an der unteren Rugschfläche vorgenommen wur⸗ den, hat der Regierungs⸗Präsident persönlich in Begleitung des Verwalters des landräthlichen Amtes des Rheingaukreises die Meisten der jetzt Verschütteten aus ihren Häusern ausgewiesen und dieselben, da sie ihre Häuser durchaus nicht verlassen wollten, eingehend auf die Größe der Gefahr aufmerksam ge⸗ macht. Es lag indeß, nachdem die oben gedachten Arbeiten ausge⸗ führt worden und ein nach menschlicher Berechnung relativ sicherer Zustand hergestellt war, keine so dringende Veranlassung mehr vor, die Häuser am Fuße des Berges räumen zu lassen und den Bewohnern nicht nur die Wohnung, sondern, da sie fast sämmtlich Gewerbetreibende waren, auch die Möglichkeit des Erwerbes auf ganz unbestimmte Zeit zu entziehen.

Am 12. d. Mts. ist der Ober⸗Staatsanwalt aus Wiesbaden in Caub eingetroffen, um Recherchen über etwa begangene Fahr⸗ lässigkeit bei der stattgehabten

Bergrutsches geretteten

„In Verfolg des vom brandenburgischen Städtetage in der Sitzung am 21. Juni v. J. gefaßten Beschlusses, für den Fall der Vorlegung einer Städteordnung einen außerordentlichen brandenburgischen Städtetag einzuberufen, ladet der betr. Vorstand die Magistrate und Stadtverordneten⸗Versamm⸗ lungen der Provinz Brandenburg zur Abhaltung eines Städte⸗ tages in Berlin (im Provinz'al⸗Ständehause Spandauer⸗ straße 59) und zwar am 19. April, Nachmittags 2 Uhr, und 20. April i ein. Der einzige Gegenstand der Tagesordnung ist die Berathung über den dem Landtage vorgelegten Entwurf der Städte⸗ ordnung und über die einschlägigen Bestimmungen des Kompetenz- e Gesetzentwurfes. Es werden referiren über a. Titel 1. und 2 der „Städteordnung Bürgermeister Meidam in Lands⸗ berg a. W., b. Titel 3, 5, 7 Bürgermeister Gerhard in Frark⸗ furt a. O. c. Titel 4, 6, 8 Oberbürgermeister Reuscher in Branden⸗ burg g. H. zu b. und c. mit wechselseitigem Korreferat. 10, 11 und die einschlägigen Bestimmungen des Kompetenz⸗Gesetzes Stadtrath Dr. Adolph in Frankfurt a. O. als Referent und Bürger⸗ meister Fritsche in Guben als Korreferent. Zu a. bis d. zugleich über die betreffenden Bestimmungen des Titel 12 der Städteordnung.

1 scchen aufhalten. gehofft hatte, aus Gesundheitsrücksichten geschlossen werden, nämlich schon im April. Der Sommer 8 n K. asien verwandt werden.

Da die hervorragendsten künstlerischen Kräfte so fand fall. mäßigen Gesangsstücken noch das Haideröslein von Schubert zu gab. d. Titel 9, Hr. Kapellmeister Taubert, der eine Improvisation vortrug und dess en

Ihre Vertreter und Leiter sind angesehene Männer in den wich⸗ tigsten Städten des noordwestlichen Deutschlands. Zweck und Ziel dieses Unternehmens ist die Verbreitung einer gesunden und bildenden Unterhaltungs, und Belehrungslektüre in solchen Volks⸗ und Bürgerkreisen, die der Gefahr ausgesetzt sind durch Kol⸗ portage mit verderblicher Geistesnahrung versehen zu werden, was in einem sehr großen Umfange geschieht. Unter den in diesem Verlage bisher erschienenen vaterländischen Schriften sind hervorzuheben: Nie⸗ dersächsischer Volkskalender für 1876: Berliner Bilder von Ferdinand Shazt⸗ Hausschatz deescher Erzählungen; die von Ferdinand Schmidt in neuerer Bearbeitun erausgegebenen Schrif

Jeremias Gotthelf. 8 h 1X“

Gleiche Bestrebungen verfolgt ein Unternehmen in Süddeutschland. Der Verlag der „Neuen illustrirten Jugend⸗ und Volksbibliothek“, in deren Prospektus es heißt: „Die „Neue illustrirte Jugend⸗ und Voiksbibliothek“ sucht dem Leser nicht blos durch eine unterhaltende Lektüre hie und da eine angenehme Stunde zu bereiten, sondern zu⸗ gleich auch durch volksthümliche Bearbeitung der wichtigsten Gebiete des Wissens in zwanglosen Schriftchen, wovon jedes nur 20 kostet, Eitwas zur Förderung der Bildung unter Jung und Alt in Stadt und Land und eben damit auch Etwas zur Lösung der brennenden sozialen, kirchlichen und politischen Fragen unserer Zeit beizutragen.“ Als Mitarbeiter werden die Professoren Kupler, v. Noorden, v. Palmer, v. Queestedt, Schönberg und Städel an der Universität Tübingen, ferner Dr. Bücheler, Pesfessor Dscar Fraas, Professor Oelschläger in Stuttgart und andere namhafte Ge⸗ lehrte und Schriftsteller genannt.

In dem Laufe des Jahres 1875 sind u. A. erschienen: der deutschefranzösische Krieg. Von Einem, der dabei gewesen. Die Civilehe innerhalb der evangeiischen Christen⸗ heit von Prof. v. Palmer. Das heilige Land. Nach eigener An⸗ schauung von Dr. J. Paulus. Das Deutsche Reich zu Luthers Zeiten. Kaiserthum und Papstthum im Mittelalter. Die sittlichereligiose Seite der sozialen Frage. Bilder aus der Physik. Die Himmelskörper. Die sieben Rettungen Deutschlands. Die Kindersterblichkeit und Winke in Beteff der Kinderpflege. Eine Schrift über Kirche und Staat von Dr. v. Palmer. Friedrich Wilhelm IV., König von Preußen. Ein geschichtliches Charakterbild von Dr. W. Hoffmann. Monatlich er⸗ scheinen 2—3 Lieferungen, wovon jede ein für sich abgeschlossenes Ganzes bildet und einzeln bezogen werden kann. Mit der Abhand⸗ lung des Prof. Rustige über „das Poetische in der bildenden Kunst“ hat die Bibliothek eine neue, die zweite Serie begonnen. 8

folgende Schriften

8 Wie die „Leipz. Ill. Ztg.“ und die „Grenzboten“ vor Kurzem hat auch das „Magazin f. d. Liter. d. Ausl.“ vom 26. v. M. über „Olympia“ einen Artikel gebracht, in dem sich interessante Mitthei⸗ lungen finden über die früheren Bestrebungen, die dort vergrabenen Schätze altgriechischer Kunst und altgriechischen Lebens aufzudecken. Der Engländer Chandler war der erste, welcher die Ruinen besuchte und in seinen im Jahre 1776 erschienenen „Travels in Grecce“ we⸗ nige, doch interessante Nachrichten gab. Winkelmann konnte seinen oft ausgesprochenen Wunsch, Griechenland zu besuchen, nie ausführen. Französische Reisende brachten unzuverlässige Kunde mit, bessere Dod⸗ well und Gell. Stanhope untersuchte im Jahre 1813 vierzehn Tage lang die Gezend von Olympia und lieferte zuverlässige Pläne und Ansichten, die er im Jahre 1824 in seinem Buche „Olympia“ niederlegte. Sickler in Hildburghausen theilte die Resultate mit und knüpfte daran den Wunsch, Winkelmanns glückliche Idee durch eine internationale Subskription zu verwirklichen und für die wiedergewon⸗ nenen Werke der alten Kunst in einer Hauptstadt Deutschlands ein durch Architektur und Skulptur würdig ausgestattetes Lokal als ein Winkelmannsdenkmal in Deutschland aufzustellen. Der Plan ist nie verwirklicht worden. Dagegen beschloß die französische Akademie die Aussendung einer Schaar von Gelehrten und Technikern nach Olym pia. Das großarlig geplante Werk wurde jedoch überstürzt ausge führt. Die Expedition hatte mit Geldmangel, üblem Klima und den Widerstreben der Eingebornen zu kämpfen. Trotzdem war das Resul tat bedeutend (wenn auch beeinträchtigt durch eine gewisse Oberflächlich keit und zu große Willkür, welche sich in dem von Abel Bloue 1831 herausgegebenen Prachtwerke „Expédition scientifique de Morée“ äußert), besonders durch den Fund von mehreren Relieftafeln vom Zeustempel mit Thaten des Herakles. Diese wurden nach Paris ge⸗ bracht und im Louvre aufgestellt. Später untersagte ein griechisches Staatsgrundgesetz die Ausführung aller historischen Denkmäler, und die Forschungen auf dem Boden des alten Olympia unterblieben seitdem. Da nahm im Jahre 1852 der Professor C. Curtius, welcher lange in Griechenland gelebt hatte, den alten Winkelmanaschen Plan wieder auf und stellte in einem im hiesigen Wissenschaftlichen Verein am 10. Januar gehaltenen Vortrage, der auch in seinem „Peloponnesus“ erschien, die Forderung, den Boden Olympias wieder zu öffnen, um die Werke der Alten an das Licht des Tages zu fördern. Durch das Deutsche Reich ist jetzt die Verwirklichung dieses Planes in Anzriff genommen. Es wurden von Seiten des Reiches zunächst 171,000 dafür aus⸗ zesetzt. Unter dem Vorsitz eines Direktoriums in Berlin: den Herren Professor Curtius, Baurath Professor Adler und Legations⸗Rath Dr. Busch, wurde eine aus einem Architekten, dem Bauführer Bötticher und einem Archäologen, Dr. Hirschfeld, bestehende Exekutiv⸗ behörde nach Olympia gesendet, welcher als Oberaufseher ein Dal⸗ matiner Danese untergeordnet wurde. Die wirthschaftliche Ausstat⸗ tung übernahm der Konsul Hamburger in Patras, während das be⸗ nachbarte Städtchen Pyrgos ärztliche und sonstige Unterstützung bietet. 8 Anfange Oktober v. J. begannen die ersten Arbeiten, über deren Fortgang wir bereits vier aus führliche Berichte veröffentlicht haben. Der „Köln. Ztg.“ schreibt man unter dem 24. d. M. von hier Folgendes: Morgen wird Professor Adler nach Griechenland ab⸗

ꝛeisen. In Korfu wird er mit den bisherigen Leitern der Ausgrabungen in Orlympia zusammentreffen, Hrn. Dr. Hirschfeld, dem Archäo⸗

logen, und Hrn. Böttcher, dem Techniker. Beide Herren sind nämlich ernstlich erkrankt, da in Folge der nassen Witterung in Olympia und

im Thal des Alpheios früher, als sonst, Fieberluft sich gebildet hat.

Es mögen sich auch bei der Umwühlung des Bodens Miasmen ent⸗

wickelt haben. Auch der griechische Bevollmächtigte bei den Ausgrabun⸗ gen ist erkrankt und befindet sich in dem Gebäude, das die griechische Re⸗

gierung in dem hochgelegenen, von Olympia ein wenig mehr als eine halbe

Stünde entfernten Druva errichtet hat. HE nur r. an Ort und Stelle, er seinen archäologischen Studien oblag, nach Oiympia berufen ist. Katastrophe anzustellen. Fr Adler hat den Auftrag, die nöthigen baulichen Eenetn gen in

Zur Leitung der Arbeiten ist der von Athen, wo ruva anzuordnen und einzuleiten; er wird sich dort jedenfalls meh⸗ Die Ausgrabungen müssen früher, als man

wird zu den Ausgrabungen in Klein⸗

Theater.

Die zweite Aufführung der Oper „Tristan und Isolde“ hat m Königlichen Opernhause am Sonnabend unter anhaltendem

Beifall des ausverkauften Hauses stattgefunden.

Gestern Mittag fand im Opernhause die Matinée des ngagirten Königlichen Theater⸗Chor⸗Personals statt. hierbei mitwirkten, 8 Nummer der Aufführung wohlverdienten reichen Bei⸗

Besonders ausgezeichnet wurde Frl. Hauck, die den prog ramm⸗

ogelstimmen⸗Terzett von den Damen Grossi, Lehmann und Brandt

in trefflichster Weise ausgeführt wurde, ward mit den genannten Künstlerinnen durch Hervorruf geehrt.

Der Nordwestdeutsche Volksschriften⸗Verlag zu Bre⸗ men, welcher den „Abenteuerlichen Simplicius Simpiciift⸗

n zur Rettung der Menschen unter Leitung des Bü⸗ germmeistess

Außer drei di

Berlin: 11“ 1

Redacteur: F. Prehm. Verlag der Expedition (Kessel). 8 Vier Beilagen

Druck: W. Elsner.

mus“ herausgegeben hat, verdankt seine Entstehung einer Gesellschaft e sich im Jahre 1873 bildete und ihren Hauptsitz 8 vr.efenschafth 1

(einschließlich Börsen⸗Beilage). (319

zum Deutschen Re⸗

Anzeiger und Königlich Preuß

Erste Beilage

Berlin, Montag, den 27. Mär⸗

—jüVFFneeegg—

Preußen. Berlin, 27. März. Dem Hause der Ab⸗ geordneten ist folgender Entwurf eines Gesetzes, betreffend die Uebertragung der Eigenthums⸗ und sonstigen Rechte des Staats an Eisenbahnen auf das Deutsche Reich vorgelegt worden:

§. 1. Die Staatsregierung ist ermächtigt, mit dem Deutschen Reiche Verträge abzuschließen, durch welche 1) die gesammten im Bau oder Betriebe befindlichen Staatseisenbahnen nebst allem Zubehör und allen hinsichtlich des Baues oder Betriebes von Staatseisenbahnen bestehenden Berechtigungen und Ver⸗ pflichtungen des Staates gegen angemessene Entschädigung kaufweise dem Deutschen Reiche übertragen werden; 2) alle Befugnisse des Staates bezüglich der Verwaltung oder des Betriebes der nicht in seinem Eigenthum stehenden Eisenbahnen, sei es, daß dieselben auf Gesetz, Konzession oder Vertrag beruhen, an das Deutsche Reich über⸗ tragen werden; 3) im gleichen Umfange alle sonstigen dem Staate an Eisenbahnen zustehenden Antheils⸗ und anderweiten Vermögensrechte gegen angemessene Entschädigung an das Deutsche Reich abge⸗ treten werden; 4) ebenso alle Verpflichtungen des Staates bezüglich der nicht in seinem Eigenthum stehenden Eisenbahnen vom Deutschen Reiche gegen angemessene Vergütung übernommen werden und 5) die Eisenbahnaufsichtsrechte des Staates auf das Deutsche Reich über⸗ ehen. g §. 2. Bezüglich der im §. 1 unter 1, 3 und 4 erwähnten Ver⸗ einbarungen bleibt die Genehmigung der beiden Häuser des Landtages vorbehalten.

1“¹“ 8

Die eigenthümliche Gliederung der Eigenthumsverhältnisse der preußischen Eisenbahnen hat seit langer Zeit das Bedürfniß einer ge⸗ setzlichen Regelung des Cisenbahnwesens lebhaft empfinden lassen.

Die Zersplitterung des Gesammtkomplexes in Staatsbahnen und ausgedehnte Privatbahnverwaltungen birgt die Gefahr einer für die Gesammtheit nachtheiligen Ausbeutung von Sonderinteressen und zugleich einer nicht genützend beschränkten Ausbildung der Eigenart bei den einzelnen Verwaltungen in sich.

Die Reichsverfassung hat zwar das Eisenbahnwesen im Interesse der Landesvertheidigung und des allgemeinen Verkehrs der Beaufsich⸗ tigung Seitens des Reiches und der Gesetzgebung desselben unterstellt und die Bestimmungen in den Artikeln 41 bis 47 würden, wenn sie vollständig zu praktischer Durchführung gelangten, für die in Preußen empfundenen Uebel⸗ stände ebenfalls wesentliche Abhülfe gewähren. Auch hat, um dieser Durchführung der Verfassungsbestimmungen näher zu treten, die Er⸗ richtung des Reichs⸗Eisenbahnamtes durch das Reichsgesetz vom 27. Juni 1873 stattgefunden, wobei unter vorläufiger Regelung der Be⸗ fugnisse des ersteren der Erlaß eines Eisenbahngesetzes vorbehalten wurde.

Pllein es ist seitdem wiederholt der Entwurf eines solchen Ge⸗ setzes aufgestellt worden, ohne daß es bei der vorläufigen Erörterung und Berathung gelungen wäre, auf das für die weitere reichsgesetz⸗ liche Regelung erforderliche Einverständniß Aussicht zu gewinnen.

Wenn die preußische Regierung hiernach der Befürchtung Raum geben muß, daß die reichsgesetzliche Regelung, von welcher eine Ab⸗ hülfe der in ihrem Verkehrsgebiete zu Tage tretenden Uebelstände erwartet werden könnte, einstweilen nicht erreichbar sei, so liegt ihr die Pflicht ob, wenigstens innerhalb ihres eigenen Verkehrsgebietes den vorhandenen Uebelständen auf anderem Wege thunlichst Abhülfe zu verschaffen.

Während in den süddeutschen Staaten und ebenso im Königreich Sachsen auf den ausschließlichen Betrieb der Eisenbahnen durch den Staat mit Erfolg bereits hingewirkt worden ist, beläuft sich in Preu⸗ ßen die Gesammtausdehnung der im Betriebe befindlichen Privat⸗ eisenbahnen auf mehr, als das Doppelte der Gesammtlänge der Staatseisenbahnen. Gerade innerhalb des preußischen Staatsgebiets tritt daher die Zersplitterung der Verwaltungsgebiete, die Verschieden⸗ heit in den Einrichtungen, sowie in der Tarifbildung am schaͤrfsten hervor.

Die äußere Gestaltung des preußischen Staats ist zudem für eine Partikulargesetzgebung über das Eisenbahnwesen im hohen Grade ungünstig. Das Verkehrsgebiet der preußischen Eisenbahnen beschränkt sich nicht auf das Landesgebiet. Die Durchsetzung des letzteren mit Gebietstheilen anderer Bundesstaaten hat die natürliche Folge, daß die Limen der preußischen Eisenbahnverwaltungen vielfach die Landes⸗ grenzen überschreiten und eine Reihe verschiedener Landesgebiete durch⸗ ziehen. Die Natur des Eisenbahnbetriebes macht es aber für die Eisenbahngesetzgebung zu einem auf die Dauer unabweislichen Be⸗ dürfniß, 1- das Geltungsgebiet derselben sich auf ein zusammenhän⸗ gendes Verkehrsgebiet erstrecke. b

Die Abgrenzung des Geschäftsgebiets der Landesaufsichtsbehörden durch die Landesgrenzen steht mit der Natur des Eisenbahnbetriebes nur da nicht im Widerspruch, wo die einzelnen Territorien mit ab⸗ gegrenzten Verkehrsgebieten sich decken. 8 8

Für alle an dem Verkehrsgebiete der preußischen Eisenbahnen betheiligten Bundesstaaten ist daher bezüglich der Gesetzgebung und Beaufsichtigung des Eisenbahnwesens eine Gemeinsamteit der Inter⸗ essen gegeben, durch welche eine partikulare Regelung innerhalb des einzelnen Bundesgebietes so gut wie ausgeschlossen wird. Die Mit⸗ wirkung dieser Bundesstaaten für Herstellung einer gemeinsamen durchgreifenden Gesetzgebung und einer gemeinsamen wirkungsvollen Organisation der Aufsichtsgewalt über das Eisenbahnwesen kann nicht leicht anders, als auf dem Wege der Reichsgesetzgebung in Anspruch genommen werden. Seitdem dieser Weg nach dem Ergebniß der bisherigen Versuche wenigstens für längere Zeit als nicht zum Ziele führend zu betrachten ist, erscheint Preußen genöthigt, dem Beispiele anderer deutschen Staaten zu folzen und die für seine Verhältnisse nothwendige Reform mit Hülfe seines eigenen Eisenbahnbesitzes mit aller Energie zu versuchen, ein Weg, welcher bei den heutigen Zu⸗ ständen zugleich als der wirksamste anzusehen ist.

Bereits in den Motiven des Regierungsentwurfs zu dem Gesetze vom 11. Juni 1873, betreffend die Aufnahme einer Anleihe von 120,000,000 Thlr. zur Erweiterung, Vervollständigung und besseren Ausrüstung des Staatseisenbahnnetzes (Gesetzsammlung pro 1873 S. 305), ist dem Gedanken Ausdruck gegeben, daß die Regierung zu erfolgreicher Pflege des Verkehrs des Einflusses nicht entbehren könne, welchen sie durch den Besitz und die Verwaltung der Staatsbahnen auf die Privatbahnen auszuüben in der Lage sei. Mit der dichteren Verzweigung des Eisenbahnnetzes und der komplizirteren Gestaltung der Betriebs⸗ und Verkehrsverhältnisse gestaltet sich die Aufgabe für die Gesetzgebung und Beaufsichtigung des Eisenbahnwesens zu einer immer schwierigeren.

Die Gesammtlänge der preußischen Eisenbahnen, welche am Schlusse des Jahres 1844 sich auf 861 Kilometer belief, betrug am Schlusse des Jahres 1849 2742, 1854 3696, 1859 5002, 1864 6429, 1869 10,321 und am Schlusse des Jahres 1874 15,188 Kilo⸗ meter. Das auf die Herstellung derselben verwendete Aulage⸗ Kapital stieg in dem angegebenen Zeitraum von 101,600,000 auf 3,542,680,000 und die Jahreseinnahme von 10,600,000 auf 515,610,000 ℳ; die Zahl der Lokomotiven wurde

683 auf 9077, der Güterwagen von 1351 auf 132,497 vermehrt; die Zahl der im Laufe eines Jahres beförderten Personen wuchs von 3,910,000 auf 109,570,000, die Zahl der beförderten Güter von 7,845,000 auf 1,719,590,000 Centner. Die Gesammtzahl der im Betriebe befindlichen Stationen der preußischen E senvahnen be⸗ trug am Schlusse des Jahres 1874 1942, die Gesammtzahl der im Eisenbahnbetriebe beschaftigten Beamten einschließlich des Hülfsperso⸗ nals 44,441, die Gesammtzahl der Arbeiter 33,473. Im Laufe des Jahres 1875 sind weitere 1507 Kilometer Bahn dem Betriebe über⸗ geben. Die Gesammtlänge der zur Zeit im Bau begriffenen Bahnen und der außerdem noch konzessionirten oder zur Ausführung bestimm⸗ ten Strecken beläuft sich auf 4683 Kilometer, so daß nach Voll⸗ endung derselben das gesammte preußische Eisenbahnnetz eine Ausdehnung von 21,378 Kilometer (2850 Reichsmeilen) ge⸗ winnen wird. In den übrigen deutschen Staaten und ebenso in den angrenzenden ausländischen Gebieten hat die Entwickelung des Eisenbahnwesens und die Verdichtung des Schienennetzes einen ähnlichen Verlauf genommen; gleichwohl kann der Ausbau des vater⸗ ländischen Eisenbahnnetzes keineswegs als abpeschlossen betrachtet wer⸗ den. Dazu tritt der allmählich beginnende Ausbau an die Haupt⸗ linien sich anschließender Lokalbahnen, welcher wesentlich dazu bei⸗ tragen wird, den Verkehr auf den Hauptlinien zu steigern und an die Transportleistung der Bahnen wachsende Anforderungen zu stellen. Je dichter nun aber die Verzweigung der Linien, desto schwieriger wird die Konstruktion und Innehaltung des Fahrplanes der einzelnen, an einander anschließenden Strecken; je größer die Zahl der Züge, welche täglich auf einer Station ankommen und abgehen, desto um⸗ fangreicher und verantwortlicher der Dienst auf den Stationen; je größer die Verkehrsmassen und je zahlreicher die Verkehrsrichtun⸗ gen sind, nach welchen sich die ersteren bewegen, desto mühevoller und umständlicher die exakte Ordnung des Transportsgeschäfts. Die Schwierigkeiten, welche beispielsweise auf den Linien des rheinisch⸗ westfälischen Industriegebiets der Regelung des Fahrdienstes aus der Menge der Anschlüsse und Uebergänge erwachsen, sind so außer⸗ ordentlich, daß bei einem außergewöhnlichen Verkehrsandrange sich die planmäßige Anbringung der Züge, oft als unaus⸗ führbar erweist. Die Zahl der Züge, welche auf verkehrs⸗ reichen Stationen täglich aufgenommen und abgelassen werden, beläuft sich vielfach auf weit uͤber 100, und die Gesammtlänge der Geleise, welche für die Aufstellung und Zusammensetzung derselben bestimmt sind, auf mehrere Meilen. Auch die verschiedenen Verkehrs⸗ relationen, in welchen einzelne Stationen ihre Güter versenden und empfangen, berechnen sich nicht selten nach Hunderten.

Ebenso wie eine erhöhte Leistungsfähigkeit der einzelnen im Eisenbahnbetriebe zu verwendenden Personen, ist auch ein erhöhter Kostenaufwand erforderlich, um den durch die Vermehrung der Eisen⸗ bahnverbindungen und die Zunahme des Verkehrs bedingten Anfor⸗ derungen zu genügen. Abgesehen davon, daß sich die Baukosten neu anzulegender Bahnen in Folge der nothwendigen Einfügung in das vor⸗ handene Eisenbahnnetz durch den Bau kostspielige⸗ Anschlüsse und Ueber⸗ führungen, gemeinsamer Bahnhöfe u. s. w. von Jahr zu Jahr höher stellen, werden auch die bereits vorhandenen Bahnen zu neuen und be⸗ deutenden Kapitalaufwendungen genöthigt, um den Anforderungen in Bezug auf die Sicherheit des Betriebes und die Befriedigung des Verkehrsbedürfnisses zu genügen. Die Vermehrung der vorhandenen Geleise, die Anlage neuer Stationen und Haltestellen, der Umbau und die Erweiterung der Bahnhöfe, die Vermehrung der Betriebs⸗ mittel und die Beseitigung bestehender Niveaukreuzungen und Niveau⸗ übergänge erfordern einen Kostenaufwand, durch welchen das Anlagekapital einer Bahn mitunter auf das Doppelte seines ursprünglichen Betrages erböht wird. Ein großer Theil der durch die bisherige Verkehrs⸗ entwickelung oder durch die nothwendige Rücksicht auf die Sicherheit des Betriebes erforderlich werdenden Anlagen, z. B. die Herstellung von Ueber⸗ oder Unterführungen und vielfach auch der Umbau der Bahn⸗ höfe erscheint aber als eine für den Bahneigenthümer unproduktive Aufwendung, insofern dieselbe nicht zugleich die Vorbedingung der Auf⸗ nahme eines künftigen wachsenden Verkehrs ist. Für die durch die Zunahme des Verkehrs bedingten oder mit Rücksicht auf die künftige Verkehrsentwickelung bewirkten Anlagen und Beschaffungen ist zwar die Möglichkeit gegeben, daß die aufgewendeten Kosten in der stei⸗ genden oder mindestens nicht zurückgehenden Rente der Bahn ihre Deckung finden. Allein die Rente beruht häufig auf wenig sicherer Grundlage, denn die Entwickelung des Verkehrs, zu dessen Vermitte⸗ lung die Eisenbahnen berufen sind, ist keine durchaus stetige und gleichmäßige; dem raschen Aufschwung folgt eine Stockung oder gar ein Rückgang. Die jüngste Vergangenheit hat zur Genüge bewiesen, daß die Eisenbahnen auch mit der Möglichkeit eines solchen Rück⸗ ganges zu rechnen haben. Während noch vor wenigen Jahren die Forderungen an die Transportleistung der Bahnen keine Grenze kannten, stehen jetzt die in Folge derselben beschafften Transportwagen in großer Zahl unbenutzt, und vielfache Mindereinnahmen lassen er⸗ kennen, wie weit der Erfolg hinter früheren Erwartungen, wenigstens gegenwärtig, zurückgeblieben ist. Eine besondere Gefahr für die Er⸗ haltung und die regelmäßige Steigerung des Verkehrs auf den ein⸗ zelnen Eisenbahnlinien liegt außerdem in der Verschiebung der Ver⸗ kehrsrouten, wie solche durch den Abbau einzelner Strecken und durch die Eröffnung von Konkurrenzlinien bedingt wird. Wiederholt sind Bahnstrecken, welche früher in den Routen des großen Weltverkehrs lagen, in Folge dieser Verschiebung zu Nebenrouten, welche fast nur noch dem Lokalverkehr dienen, herabgedrückt worden. Andere haben durch die Herstellung von Konkurrenzlinien einen so bedeutenden Theil ihres bisherigen Verkehrs verloren, daß die für die Bewältigung des⸗ selben mit großen Kosten ausgeführten Anlagen weit über das vor⸗ handene Bedürfniß hinausgehen. Auch ist nicht anzunehmen, daß diese für die Eisenbahn nachtheilige Verschiebung der Verkehrswege früher zum Abschluß gelangen wird, als bis die Hauptlinien sowohl des deutschen, wie des Eisenbahnnetzes in den unmittelbar angrenzen⸗ den Ländergebieten ausgebaut sind.

Wenn nach diesen Ausführungen die Aufgabe der Eisenb hn⸗ verwaltungen mit dem wachsenden Verkehr und der zunehmenden Ver⸗ dichtung des Eisenbahnnetzes sich schwieriger und verantwortlicher ge⸗ staltet, so steigern sich in gleichem Verhältnisse die Schwierigkeiten und Hindernisse für eine wirksame Ausübung der Aufsichtsgewalt über das Eisenbahnwesen. 8 1 8

Nicht allein die genaueste Kenntniß des Eisenbahnbetriebes in allen Zweigen des Dienstes und mit allen Besonderheiten der Auf⸗ gabe aller bei dem Eisenbahnbetriebe mitwirkenden Organe, sondern auch eine umfassende Kenntniß der gesammten Betriebs⸗ und Verkehrs⸗ verhältnisse der einzelnen Bahnen sind die ersten und unerläßlichen Vor⸗ aussetzungen einer gedeihlichen Wirksamkeit der Anfsichtsbehörden. Die rasche und sachgemäße Untersuchung und Entscheidung eingehender Be⸗ schwerden, die Ermittelung der Bedeutung und des ursächlichen Zu⸗ sammenhangs vorhandener Mißstände, die gründliche und dauernde Beseitigung derselben, zweckentsprechende Anordnungen der Aufsichts⸗ gewalt für die bessere und einheitliche Gestaltung der Betriebs⸗ und Verkehrseinrichtungen, endlich die von der oberen Aufsichtsinstanz aus⸗ gehende Initiative einer mit dem wachsenden Bedürfniß fortschreiten⸗ den gesetzlichen Regelung des Aufsichtswesens sind nur denkbar auf der breiten Grundlage einer die Verkehrs⸗ und Betriebslage der Eisenbahnen durchaus beherrschenden Kenntniß. Diese praktische Kennt⸗ niß im vollen Umfange zu gewinnen und zu erhalten, ist für die außerhalb der Verwaltung der Eisenbahnen stehenden Aufsichtsorgane um so schwieriger, je mehr es die Eisenbahnverwaltungen in ihrem

ischen Staa

Die im Betriebs⸗ oder Verkehrsinteresse von der Aufsichts⸗ behörde getroffenen Anordnungen sind andererseits in manchen Fällen nicht ohne Verletzung finanzieller Interessen und deshalb 8 nicht ohne lebhaften Widerspruch Seitens der dadurch Betroffe⸗ nen kurchzuführen. Es ist die Aufgave der Aufsichtsbehörde, darüber zu wachen, daß die Erweiterung der Babnanlagen in dem Maße stattfindet, als es die Sicherheit des Betriebes und der bestimmungsmäßige Zweck der Eisenbahnen, als öffentliche Verkehrsstraßen zur alggemeinen Benutzung zu dienen, mit dem wach⸗ senden Verkehr erfordert, und daß ebenso die Ausrüstung der Bahnen mit Betriebsmitteln dem Verkehrsbedürfniß entspricht. Da nun der bedeutende Kostenaufwand, mit welchem diese Anlagen und Be⸗ schaffungen verbunden sind, nach der obigen Ausführung zum Theil abs unproduktiv, zum Theil keinesweges mit Sicherheit als dauernd ertragbringend anzusehen ist, so begegnen die Anordnungen der Auf⸗ sichtsgewalt leicht einer Abneigung der Eisenbahnen, denselben recht⸗ zeitig und in vollem Umfange zu genügen. Diese Abneigung ist um so größer, je ungünstiger die finanzielle Lage der Bahneigenthümer ist, und je mehr in der Vertretung der einzelnen Unternehmungen die Rücksicht auf deren augenblickliche Lage die Sorge für die künftige Entwickelung überwiegt. In solcher Lage befindet sich gegenwärtig eine erhebliche Zahl der Privateisenbahnen. Gegenüber dem Wider⸗ spruche der Verwaltungen übernimmt die Aufsichtsbehörde durch An⸗ ordnungen der bezeichneten Art eine um so schwerer wiegende Ver antwortung, als die Erhaltung der Leistungsfähigkeit der einzelnen Unternehmungen zugleich im öffentlichen Interesse erforderlich ist.

Die Inanspruchnahme des Kredits durch Unternehmungen von geringer Kreditfähigkeit ist erfahrungsmäßig mit so schweren Verlusten verbunden, daß sie wiederholt den gänzlichen Ruin derselben zur Folge gehabt hat. Das Maß der Anforderungen der Aufsichtsgewalt an die Eisenbahnen kann daher auch nicht ausschließlich durch das Betriebs⸗ und Verkehrsinteresse bestimmt werden. Die Bestimmung desselben ist vielmehr insoweit, als es sich nicht um unaufschiebbare Maßregeln handelt, ohne die gleichzeitige Berücksichtigung der Leistungsfähigkeit des Bahneigenthümers nicht wohl möglich.

Nicht minder schwierig und verantwortlich ist die Stellung der Aufsichtsbehörde gegenüber den kollidirenden Interessen der Eisen⸗ bahnen und der inländischen Produktion. Die ersteren haben an der Einfuhr ausländischer, wie an der Ausfuhr inländischer Produkte im Allgemeinen das gleiche Interesse, während das Interesse der letzteren nur die Erweiterung ihres eigenen Absatzgebietes erheischt. 8

Es ist möglich, daß die inländische Produktion in Folge der Eisenbahntarife durch die Konkurrenz des Auslandes in einzelnen Fällen gelitten hat. Andererseits ist der Schutz derselben, soweit ein solcher mit den Interessen des Inlandes überhaupt vereinbar ist, ohne Schädigung der Interessen der Eisenbahnen nicht in jedem Falle ausführbar.

Die Aufgabe der gesetzlichen Regelung sowohl, wie der Beauf⸗ sichtigung des Eisenbahnwesens wird überdies wesentlich durch den Um⸗ stand erschwert, daß bei der dem Eisenbahnwesen eigenthümlichen schrelle⸗ ren Wandlung der Verhältnisse die gesetzlichen und reglementarischen Vorschriften sich oft in kurzer Zeit als unzulänglich erweisen. Durch die wachsenden Bedürfnisse des Verkehrs, die erhöhten Anforderungen an die Betriebsleistung der Eisenbahnen, die zunehmende Gefahr für die Sicher⸗ heit des Betriebes, die Erfahrungen auf dem Gebiete der Organisation des Dienstes und die Vervollkommnung in der technischen Konstruk⸗ tion der Bahnanlagen und der Betriebsmittel werden die Voraus⸗ setzungen schnell und oft erheblich verändert, auf welchen jene Vor⸗ schriften beruhen. Sowohl das Betriebsreglement, wie das Bahn⸗ polizeireglement für die Eisenbahnen Deutschlands haben seit ihrem Erscheinen im Jahre 1870 bereits eine zweimalige Revision und Umarbeitung erfahren. Die Wandlungen auf dem Gebiete des Tarifwesens vollziehen sich sowohl hinsichtlich der Grundsätze, wie des Umfanges der Tarifbildung so schnell, daß manche der bestehenden Bestimmungen hereits ihre thatsächliche Grundlage verloren haben und selbst die Möglichkeit einer gesetzlichen Regelung in Frage ge⸗ stellt werden kann. b

So schwer es ist, in der Gesetzgebung sowohl, wie in der admi⸗ nistrativen Regelung des Eisenbahnaufsichtswesens mit den Bedürf⸗ nissen der Zeit gleichen Schritt zu halten, so schwierig erscheint zu⸗ gleich die Ausübung der Kontrole über die Beachtung der gesetzlichen und reglementarischen Vorschriften. Die Umgehung derselben wird vor Allem durch die Ausdehnung der Verkehrsbeziehungen über die örtlichen Grenzen ihres Geltungsbereichs erleichtert. Die Zahl der direkten Verkehre ist außerordentlich gewachsen. Dieselben erstrecken sich von Deutschland nach allen Ländern des europäischen Kontinents, von den holländischen Häfen nach Oesterreich und Ungarn, von Frank⸗ reich und Belgien nach dem Innern Rußlands. Das Prinzip der gleichheitlichen Behandlung aller Transportinteressen gegen die Gewährung unzvlässiger Frachtvergünstigungen an einzelne Versender sicher zu stellen, erscheint hier nicht überall erzwingbar. Die Erkennt⸗ niß der Unzulänglichkeit der Einwirkung der Aufsichtsgewalt für die Regelung des Eisenbahnwesens ist daher für die bedeutenden Erwei⸗ terungen des preußischen Staatseisenbahnbesitzes, wie solche durch die Kreditbewilligung der letzten Jahre herbeigeführt worden, der wefent⸗ lichste Impuls gewesen. 8 Ohne den Besitz und die Verwaltung eigener Eisenbahnen ist in der That eine wirkungsvolle Ausübung der gesetzlichen Aufsichts⸗ gewalt dauernd nicht wohl denkbar. In dem Umfange, wie es die obere Leitung des Aufsichtswesens erfordert, können praktische Erfahrungen und die erschöpfende Kenntniß aller Theile des Eisenbahnbetriebes von den dem Betriebe selbst fern⸗ stehenden Organen der Aufsichtsverwaltung weder gewonnen noch erhalten werden. Aus der Leitung des Betriebes und der Ver⸗ waltung selbst ergiebt sich die praktische Anregung für alle Ver⸗ besserungen im Eisenbahnwesen. Durch den Betrieb und die Ver⸗ waltung eines ausgedehnten eigenen Eisenbahnbesitzes wird daher die Staatsbehörde sich von den Bedürfnissen, den Wandlungen und der fortschreitenden Entwickelung des Eisenbahnwesens in Kenntniß er⸗ halten, durch sachgemäße Anordnung Störungen vorzubeugen und den hervortretenden Mängeln Abhülfe zu schaffen in der Lage sein.

Durch den Besitz und die Verwaltung eigener Eisenbahnen wird außerdem der Staatsaufsicht die Möglichkeit gegeben, die von Auf⸗ sichtswegen getroffenen Anordnungen gleichzeitig innerhalb des eigenen Bahngebiets zur Ausführung gelangen zu lassen. Dieselben erhalten dadurch das Gepräge aus dem wirklichen Bedürfniß hervorgegangener, nothwendiger Maßregeln, deren Ausführbarkeit nicht zu bestreiten ist, durch den Vorgang der Staatsverwaltung selbst einen ebhafteren Impuls erhält.

Von überwiegender Bedeutung aber ist der Einfluß, welchen der Staat abgesehen von der gleichzeitigen Ausübung seiner Aufsichts⸗ befugnisse durch die Konkurren; eigener ausgedehnter Linien auf den Betrieb der sämmtlichen übrigen Bahnen gewinnt. Gerade da, wo die Einwirkung der gesetzlichen Aufsichtsgewalt aufhört oder sich als unzulänglich erweist bei der Festsetzung der Fahr⸗ und Fracht⸗ preise, der Verbesserung der Betriebseinrichtungen, der Gewährung von Verkehrserleichternngen aller Art, deren Einführung gesetzlich nicht erzwungen werden kann, oder doch dem lebhaftesten Widerstand Seitens der Bahneigenthümer begegnen würde macht sich der Ein⸗ fluß geltend, welchen der Staat durch die in seinem Besitz befindlichen dominirenden Eisenbahnlinien auf die übrigen Bahnen auszuüben vermag. Derselbe vollzieht sich sicher, nachhaltig und wider⸗ spruchslos, weil das eigene Interesse die Bahnverwaltungen

Interesse finden, Ersteren den Einblick in die Verhältnisse nicht zu

von 142 auf 6162, die Zahl der Personenwagen von 8 8 u“ v

erleichtern.

zwingt, dem Verkehr in gleicher Weise zu dienen, wie die Staatsbahnen. Gerade hier ist daher der Staat in der

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