1876 / 79 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Fri, 31 Mar 1876 18:00:01 GMT) scan diff

beide Mecklenburg, Oldenburg, Braunschweig, Waldeck, beide Lippe, sowie 8. drei Hansestädte sämmtlich, mit Ausnahme von Hamburg, für die Industrie überhaupt und für die in Rede stehenden Verhältnisse insbesondere ohne größere Bedeutung bilden die letzte Gruppe. Die 15 Druckbogen umfassende Zusammenstellung enthält zu⸗ nächst eine allgemeine Vorbemerkung über die Art und Weise, wie diese Erhebungen bewirkt wurden, mit dem Programme, welches denselben zu Grunde gelegen. Sodann giebt sie eine Uebersicht der Verhältnisse der Fabrikarbeiterinnen und der ju⸗ gendlichen Fabrikarbeiter, Beides in getrennter Darstellung. Nach den beigefügten Tabellen sind in denjenigen Industrie⸗ zweigen, auf welche die Erhebungen sich zu erstrecken hatten, 226,000 Arbeiterinnen im Alter von über 16 Jahren, davon 128,500 in der Tevxtilindustrie, 566,500 männliche und 88,000 jugendliche Arbeiter, beschäftigt.

Die von den Landesbehörden an das Reichsbank⸗ Direktorium, an die Reichs⸗Hauptkasse und an die Reichsbank⸗ anstalten gerichteten Postsendungen in reinen Reichsdienst⸗ angelegenheiten genießen nach einem Cirkularreskript des Finanz⸗Ministers und des Ministers des Innern die Porto⸗ freiheit. Diejenigen Sendungen dagegen, welche sich auf Landesangelegenheiten oder auf den Geschäftsbetrieb der Reichs⸗ bank beziehen, sind von der Portofreiheit ausgeschlossen. Zur Anerkennung der Portofreiheit durch die Postanstalten ist erfor⸗ derlich, daß die Sendungen a. mit amtlichem Siegel oder Stempel und b. auf der Adresse mit dem Portofreiheitsvermerk „Reichs⸗ dienstsache“ versehen sind.

In der heutigen (36.) Sitzung des Hauses der Ab⸗ geordneten, welcher der Vize⸗Präsident des Staats⸗Ministe⸗ riums Finanz⸗Minister Camphausen und der Handels⸗Minister Dr. Achenbach mit mehreren Kommissarien beiwohnten, theilte der Präsident mit, daß die Wahl und Konstituirung der Kommission für den Gesetzentwurf, betreffend die Ver⸗ waltung der Provinz Berlin, erfolgt sei. Gewählt sind die Abgg. Dr. Techow (Vorsitzender), Dr. Virchow (Stellvertreter), v. Kehler, v. Saldern (Schriftführer), Dr. Weber, Wulfshein, Richter (Sangerhausen), Kiepert, Dr. Köhler (Göttingen), Kochann, Runge (Berlin), Richter (Hagen), Dr. Eberty, v. Loeper⸗Loepersdorf. Ebenfalls ist gewählt und hat sich konstituirt die Kommission für den Gesetzent⸗ wurf, betreffend die Besteuerung des Gewerbebetriebes im Umherziehen. Gewählt sind die Abgg. Worzewski (Vors.), Scharnweber (Stellv.), Hirsch, Gescher (Schriftf.), Siemens, Weißenborn, Hamkens, Dr. Plate, Troje, Niederschabbehard, Partheiger, Stuschke, Bender (Altenkirchen). Es folgte die erste Berathung der Gesetzentwürfe, betreffend die Ueber⸗ nahme einer Zinsgarantie des Staats für die Prioritätsanleihen der Halle⸗Sorau ⸗Gubener Eisenbahngesellschaft bis auf Höhe von 29,730,000 und den Ankauf und den Ausbau der Bahnstrecken Halle⸗Cassel und Nordhausen⸗Nixei. Gegen die Vor⸗ lagen sprach zuerst der Abg. Richter (Hagen); er beantragte die Verweisung derselben an die Budgetkommission, welchem Vor⸗ schlage auch der Abg. v. Benda beistimmte, da auch er sich nicht Der Abg. Dr. Roeckerath beantragte die Bildung einer großen Eisenbahn⸗ kommission, welcher außer diesen Vorlagen auch der Gesetzent⸗ wurf, betreffend den Ankauf der preußischen Staatsbahnen durch das Reich, zur Vorberathung überwiesen werden könnte. Beim Schlusse des Blatts hatte der Abg. Stengel das Wort.

Die Eisenbahnfrage ist durch die Vorlegung des preu⸗ ßischen GesetzentwurFs in das Stadium der parlamentarischen Verhandlung und damit noch mehr als früher in den Vorder⸗ grund der öffentlichen Diskussion getreten. Alle politischen und Fachblätter ergreifen nach ihrem wirthschaftlichen oder politischen Standpunkt für oder wider die Eisenbahnfrage Partei, doch bilden die Gegner derselben die Minorität. Indem wir uns vorbehalten, in den nächsten Tagen eine umfas⸗ sende Uebersicht über die betreffenden Kundgebungen der Presse zu geben, beschränken wir uns heute darauf, hervorzuheben, daß von hiesigen Zeitungen die „Vossische Ztg.“ und der „Berliner Börsen⸗Courier“ sich als Gegner des Projekts erweisen. Die „Schlesische Zeitung“, welche früher heftig opponirte, urtheilt schon ruhiger und billigt das ideale Ziel, wenngleich ihr die Erreichbarkeit desselben noch zweifelhaft erscheint. Die „Frankfurter Ztg.“ bekennt sich als grundsätzliche Anhängerin der Reichsbahnen, hält aber den vorläufigen Ueber⸗ gang zu den Staatsbahnen für den einzig praktischen Weg.

Das „Frankf. Journal“ faßt seine prinzipielle Ansicht dahin zusammen, daß es dem Staatsbahn⸗Systeme den Vorzug vor dem Privatbahnbau und Betrieb, namentlich jedoch vor dem gemischten Systeme einräume, und daß es nur eine Ver⸗ einigung des Eigenthums und des Betriebes der Eisenbahnen in den Händen des Reichs perhorrescire, dem es hingegen ein mögüichft weitgehendes und wirksames Aufsichtsrecht zuertheilen möchte.

Zahlreich sind die der Eisenbahnvorlage günstigen Stimmen der Presse. Wir erwähnen u. A. die „Weserzeitung“, welche hofft, daß auch jetzt wieder Deutschland der Führung Preußens folgen werde, und die „Kölnische Zeitung“, welche sich in einer Reihe eingehender Artikel zustimmend über die Vor⸗ lage ausspricht. Unter den süddeutschen Blättern ist, gegenüber den Beschlüssen der württembergischen Kammer und der Broschüre des Ministers v. Varnbüler, besonders der „Schwäbische Merkur“ hervorzuheben, der den Grund⸗ gedanken des Projekts für einen solchen erklärt, welcher sich weit eher der Zustimmung der deutschen Bundesstaaten er⸗ freuen, als ihren Widerstand hervorrufen müßte.

Auch die außerordentliche Generalversammlung des Vereins zur Wahrung der gemeinsamen wirthschaftlichen Interessen in Rheinland und Westfalen hat sich am 28. d. M. mit der in der Vorlage des Abgeordnetenhauses ausgesprochenen Absicht, die preußischen Staatsbahnen, sowie die Rechte des Staates an anderen Bahnen und das Aufsichtsrecht - Staates an das Deutsche Reich zu übertragen, einverstanden erklärt.

definitiv für die Vorlagen engagiren wollte.

1 13. d. M. hier zusaunmengetretene Kommission Möherer Kavallerie⸗Offiziere, welche Vorschläge betreffs Aenderung des Exerzier⸗Reglements der Kavallerie machen sollte, wird morgen geschlossen werden.

Ein Polizei⸗Exekutivbeamter ist, nach einem Er⸗ kenntniß DHes Ober⸗Tribunals vom 8. Marz d. J., zur so⸗ fortigen Festnahme einer Person, die ihn beleidigt, befugt, auch wenn der Betroffene dem Beamten persönlich bekannt ist. Z gegen diese sofortige Arretirung jst demnach

rafbar.

Der General⸗Major Bauer, Commandeur der 8. Feld⸗ Artillerie⸗Brigade, welcher kürzlich von Coblenz zur Abstattung persönlicher Meldungen hier eingetroffen war, ist wieder ab⸗ gereist.

Bayern. München, 28. März. Der Abg. Frhr. v. Griesen⸗ beck hat zum Etat des Staats⸗Ministeriums des In⸗ nern folgenden Antrag eingereicht: Die Kammer der Abgeord⸗ neten wolle beschließen, an Se. Majestät den König die allerunter⸗ thänigste Bitte zu richten, die Vorlegung eines die Reorganisation und das Verfahren der Verwaltungsbehörden und die Judicatur in Verwaltungsrechtssachen regelnden Gesetzentwurfs für die nächste Landtagsversammlung allergnädigst anordnen zu wollen, durch welchen Gesetzentwurf eine durchgreifende Vereinfachung des Verfahrens und des ganzen Geschäftsganges, sowie eine thun⸗ lichste Verminderung des Personals bei sämmtlichen Verwaltungs⸗ behörden, dann eine einheitliche und unabhängige Handhabung der Verwaltungsrechtspflege herbeigeführt, somit namentlich die Kompetenz der Königlichen Bezirksämter erweitert, Ausdehnung und Seelenzahl derselben mehr ausgeglichen und ein un⸗ abhängiger oberster Gerichtshof in Verwaltungssachen geschaffen werde.

29. März. Die „Allg. Ztg.“ schreibt: Da sich die Er⸗ ledigung des Budgets durch die Kammern noch weiter verzögert, so wird derselben ein Gesetzentwurf behufs der provisorischen Steuererhebung auch im zweiten Quartal d. J. vorgelegt werden. Da nun aber das betreffende Gesetz erst im Laufe des nächsten Monats wird erlassen werden können, so werden durch Ministerialerlaß die Kassen, Aemter und Stellen ermächtigt, die für die letzte Finanzperiode bewilligten Theuerungszulagen auch noch für den Monat April l. J. unter den in den früheren Entschließungen angeordneten Modalitäten verabfolgen zu lassen.

Erlangen, 23. März 1876. Bei der Feier des Geburts⸗ festes des Deutschen Kaisers, welche die Harmoniegesellschaft veranstaltet hatte, wurde von dem dzt. Prorektor Professor Dr. v. Hofmann folgender Trinkspruch auf den Kaiser aus⸗ gebracht, welchen das Erlanger Tageblatt mittheilt:

„Hochverehrte Herren! 8

Es ist mir der Auftrag und also die Ehre zu Theil geworden, in dieser Versammlung deutscher Männer den Gedanken und Empfin⸗ dungen Ausdruck zu 8 mit denen wir unsers heute vor 79 Jahren geborenen Kaisers gedenken.

Ein Auftrag, leicht und schwer zugleich. Denn jedes Kind weiß von ihm zu sagen; aber Alles zu umspannen, was sein Gedächtniß auf die fernste Nachwelt bringt, wäre auch dem kundigsten und be⸗ gabtesten Redner zu viel. 88

Welche Fülle der folgenreichsten Begebnisse ruft sein Name in Erinnerung! welch' großes Maß der Dankbarkeit schuldet ihm das deutsche Volk! 1“]

Wenn es zurückdenkt, wie es heute vor 10 Jahren in die Zukanft sah, und nun um sich schaut, welche Gegenwart es sein nennt, ein Jahrhundert scheint dazwischen zu liegen. 1

Und doch war damals der erste große Schritt schon geschehen, der es aus der Schmach herausführte, einem gelähmten Riesen zu glei⸗ chen, mit dem selbst die Fliegen ihren Muthwillen treiben. Schles⸗ wig⸗Holstein war für Deutschland gerettet, ohne daß die Scheelsucht der Fremden es hätte hindern können. 1

Aber eben dort wurden alle Gebrechen des deutschen Bundes offenbar. Sie zu heilen, gab es nur Ein Mittel, und dieses eine . so schmerzlich, daß Wenige den Muth hatten, es auch nur zu

enken

König Wilhelm empfand die Schmerzlichkeit desselben nicht weni⸗ ger, als wir; aber die Einsicht, daß es kein anderes gebe, machte ihn stark, das zu thun, wovor sein eigenes Volk zurückschrak. Es war der zweite Schritt zu des deutschen Volkes Größe.

Den dritten forderte der Mann heraus, von dessen Lippen Europa⸗ sich gewöhnt hatte, sein Schicksal zu vernehrzen, und dessen Hände die Würfel führten, die über Krieg und Frieden entschieden.

Er hatte seines gewaltigen Oheims Sturz an Rußland gerächt und an Oesterreich. Der dritte Rachezug sollte Preußen nieder⸗ werfen und Deutschland ihm zu Füßen legen.

Aber Preußen war schon nicht mehr Preußen allein. Mit Ver⸗ wunderung sah der Napoleonide ein einiges Volk der Deutschen sich erheben von der Ostsee bis zu den Alpen, um eine Wiederkehr der Schmach abzuwenden, die sein Oheim ihm angethan hatte,

So schnell waren die Wunden, welche die Ermöglichung deutscher Eintracht geschlagen hatte, über der Erkenntniß vergessen, daß sie Deutschland geheilt hatten.

Geführt von dem heldenmüthigen Greise, der die Ehre, über das Heer der Deutschen zu gebieten, nicht umsonst haben wollte, kamen die deutschen Waffen bis in das Herz, bis in die riesige Hauptstadt des feindlichen Landes, in Gebiete desselben, die seit mehr als vier⸗ hundert Jahren keine Feindeswaffen gesehen hatten.

Vor ihnen stürzte der Thron, welchen die Adler des napoleoni⸗ schen Kriegsruhms umstanden, vor ihnen mußte die Republik sich beugen, deren Heere einst Deutschland überfluthet hatten, und seit Jahrhunderten uns entwendetes, leider auch entfremdetes Land wurde seinem deutschen Namen wiedergewonnen.

Welch ein Tag ohne Gleichen in der Geschichte unsers Volks, als nach einhelligem Begehren aller Fürsten und Stämme desselben, unsers Königs voran, Wilhelm der Siegreiche im Festsaale jenes Ludwig, der es mit Fäusten geschlagen und mit Füßen getreten hat, zum Kaiser Deutschlands ausgerufen wurde!

Aber g ößer war er selbst, als er seinen Kriegsruhm vor Gott niederlegte und, den Frieden fortan erhalten zu können, für den besten Gewinn seiner Siege erklärte.

„Reich“ und „Reichstag“, längst verklungene Namen, die zuletzt nur noch die Hülfslosigkeit und Rathlosigkeit der Deutschen bezeichnet hatten, tauchten nun aus der Vergessenheit auf, nunmehr aber ein Reich der Eintracht und der Kraft und ein Reichstag aus freiester Wahl des ganzen Volkes; ein Reich, das deutscher Ehre und deutschem Geschäft in allen Welttheilen Schutz verlieh; ein Reichstag, dem in wenigen Jahren gelang, was der deutsche Bund und Bundestag in sechs Jahrzehnten nicht zu Wege gebracht hatte.

Und alle diese Erfolge umleuchten das greise Haupt, zu dessen Ehren wir hier versammelt sind. Wohl haben ihm Männer zur Seite gestanden, mit denen er den Ruhm derselben theilt. Aber sein Ruhm ist, daß er sie nicht nur gefunden und an den rechten Ort ge⸗ stellt hat, sondern ihnen auch rückhaltlos vertraut, neidlos und dank⸗ bar ihr Verdienst würdigt und ehrt.

„Er bedarf ihrer und hat dessen kein Hehl, wie das deutsche Volk seiner bedarf. Denn schwere Aufgaben sind neu erwachsen. Eine Grenze ist strittig geworden, die schwerer zu ziehen ist, als Landes⸗ grenzen, die Grenze zwischen der kirchlichen Macht des Papstes und der staatlichen Obrigkeit, zweier Gewalten verschiedenster Art, die auf einem und demselben Gebiete sich kreuzen. Und eine bittere Feind⸗ schaft ist entbrannt, die schwerer zu dämpfen ist, als der grimmigste äußere Feind, eine Zwietracht auf dem Gebiete der Arbeit, die den Wohlstand schafft, zwischen denen, ohne deren geistige und pekuniäre Mittel, und zwischen denen, ohne deren Händefleiß sie nicht ge⸗ schehen kann.

Unsers Kaisers Auge ist beiden Kämpfen sorglich zugewendet, und seine Tage werden nicht reichen, daß er ihr Ende sehe. Wie sollten nicht Alle, die ihn ehren, darauf bedacht sein, daß er getrost in die Zukunft blicken könne? Er kann es, wenn sie sich und ihm ge⸗ loben, die Tugenden im deutschen Volke zu pflegen, in denen sie ihn zu einem Vorbilde haben, die Tugenden der Gottesfurcht, der Pflicht⸗ trene und der Selbstbescheidung. 8

Lassen Sie uns dieses Gelöbniß miteinschließen, wenn wir rufen: Hoch lebe und lange lebe der siegreiche und friedensfrohe Wieder⸗

¹ bringer deutscher Reichsherrlichkeit! Kaiser Wilhelm I. lebe hoch!“

Sachsen. Dresden, 30. März. Die Zweite Kammer berieth in ihrer heutigen Sitzung den Etat des Ministeriums des Innern und bewilligte die geforderten Summen nach den Anträgen der Deputation. Eine längere Debatte entspann sich über die Pos. 21, Amtshauptmannschaften, welche mehreren Ab⸗ geordneten Gelegenheit gab, sich über die Vortheile und Nach⸗ theile der neuen Verwaltungsorganisation auszusprechen und ihre Wünsche bezüglich der weiteren Ausbildung dieser Organi⸗ sation kundzugeben. Staats⸗Minister v Nostiz⸗Wallwitz hob her⸗ vor, daß die neue Organisation sich über Erwarten schnell ein⸗ gelebt habe, und sprach den Behörden und Personen, deren Ent⸗ gegenkommen dieses Resultat mit zu verdanken sei, seinen Dank aus. Nach Erledigung der Pos. 23h wurde die Weiterberathung auf morgen vertagt.

Württemberg. Stuttgart, 29. März. Der „St. A. f. W.“ theilt die in der Eisenbahnsache vorliegenden An⸗ träge, bezw. Interpellation, noch einmal im Wortlaut mit, womit die gestrige, zum Theil ungenaue Mittheilung richtig gestellt wird:

I. Der Antrag von Schmid, Sarwey und Ge⸗ nossen lautet:

Die Kammer der Abgeordneten wolle aussprechen: 8*

Die Abhülfe der Mißstände im deutschen Eisenbahnwesen sei durch ein im Sinne der Bestimmungen der Reichsverfassung zu er⸗ lassendes Reichseisenbahngesetz anzustreben, nicht aber durch Erwer⸗ bung deutscher Eisenbahnen für Rechnung des Deutschen Reichs; es wolle daher die Königliche Staatsregierung einer auf solchen Erwerb gerichteten Vorlage, namentlich aber Maßnahmen die Zustimmung versagen, welche den Uebergang des Eigenthums oder des Betriebs

der württembergischen Eisenbahnen an das Deutsche Reich herbei⸗ 8

führen würden.

II. Der Antrag von Elben und Gen. lautet:

Die hohe Kammer wolle folgende Erklärung beschließen:

Die Kammer der Abgeordneten richtet an die Königliche Staats⸗ regierung das Ersuchen:

1) sie wolle auch im jetzigen Stadium für das Zustandekommen eines wirksamen Reichs⸗Eisenbahngesetzes, durch welches in Aus⸗ führung der Bestimmungen der Reichsverfassung (Art. ü4 Nr. 8 und Kap. VII.) die aus der Zersplitterung des Eisenbahnwesens in einem großen Theile von Deutschland entspringenden volkswirthschaftlichen Schäden beseitigt werden können, nach Kräften thätig sein;

2) sie wolle, wenn der Ausgang der Verhandlungen über die neueste preußische Eisenbahngesetzvorlage bezüglich der deutschen Eisenbahnreform nur die Wahl läßt zwischen der angebotenen Ueber⸗ nahme der preußischen Staatseisenbahnen auf das Reich, oder der einseitigen Hinlenkung der preußischen Eisenbahnpolitik auf Schaf⸗ fung eines über die preußischen Staatsgrenzen hinausreichenden Ueber⸗ gewichts des preußischen Eisenbahnsystems, sich für die Reform durch das Reich entscheiden.

III. Die Interpellation von Oesterlen u. Gen. lautet:

In Erwägung, daß in politischer, finanzieller und wirthschaft⸗ licher Beziehung das Wohl Württembergs, sowie die föderative Grundlage und gedeihliche Entwicklung des Reiches selbst gefährdet werden, wenn zunächst die preußischen Eisenbahnen und in der Folge auch die Bahnen des übrigen Deutschlands auf das Reich über⸗ tragen würden, erlauben sich die Unterzeichneten die Anfrage an den Herrn Minister der auswärtigen Angelegenheiten und der Ver⸗ kehrsanstalten:

1) Was ist der Königlichen Staatsregierung über die Absicht der Königlich preußischen Regierung in Betreff der Uebertragung deutscher Eisenbahnen auf das Reich bekannt und welche Stellung wird sie zu derselben einnehmen?

2) Welche Rechtsansicht ist die Königliche Staatsregierung in Betreff der Frage zu vertreten entschlossen, ob reichsverfassungsmäßig die Uebernahme der preußischen und anderer Eisenbahnen auf das Reich im Bundesrath mit einfacher Stimmenmehr⸗ heit beschlossen werden könne, und ob, wenn es sich um die Ueber⸗ nahme der württembergischen Eisenbahnen handelt, hierzu die Zu⸗ stimmung der württembergischen Landesvertretung nothwendig sei?

3) Welches ist der Stand der Verhandlungen über die Aus⸗ führung des Art. 41—47 der Reichsverfafsung, und welche Stellung nimmt die Regierung zu der Frage der „möglichsten Gleichmäßigkeit und Herabsetzung der Tarife“ mit Rücksicht auf die Interessen unseres Landes ein?

30. März. (W. T. B.) In der heutigen Sitzung der Ständekammer begründete, wie „W. T. B.“ mit⸗ theilt, nach Eintritt in die Tagesordnung der Abg. Schmid unter Beifall des Hauses seinen am Dienstag einge⸗ brachten Antrag, die Zustimmung zu dem Ueber⸗ gang der württembergischen Bahnen an das Reich zu versagen. Der Redner beleuchtete den Ankauf der deut⸗ schen oder auch nur der preußischen Bahnen von historischer, politischer, volkswirthschaftlich⸗finanzieller Seite und stellte den Unterschied zwischen dem in dieser Angelegenheit in der säch⸗ sischen Kammer gestellten Antrage und dem seinigen dar. Dieser wolle das politische Decorum wahren und die Schaffung eines Reichs⸗Eisenbahngesetzes, jedoch in dem Sinne, daß die Verwaltung der Bahnen nicht an das Reich falle. Nächstdem erhielt das Wort der Abg. Dr. Elben, welcher zunächst nach warmer Anerkennung der württembergischen Eisenbahnverwal⸗ tung die Zersplitterung des deutschen Eisenbahn⸗ wesens und die daraus entspringenden Schäden schilderte. Redner hob dieser Zersplitterung gegenüber die festere Organi⸗ sation des Eisenbahnwesens in Frankreich und auch in Eng⸗ land hervor, die auf weniger großen Verwaltungen beruhe. Eine Abhülfe dieser Uebelstände sollte in Deutschland das Reichs⸗Eisenbahngesetz bringen, das aber bis jetzt nicht zu erzielen war. Redner könne aus seiner Kenntniß der Dinge in Berlin beifügen, daß der Widerstand gegen das in Rede stehende Projekt nicht von der württembergischen Regierung ausgegangen sei. In Betreff der neuesten, dem preußischen Landtage zugegangenen Eisenbahnvorlage bedauerte Elben, daß man heute hier verhandle, ohne die näheren Aufschlüsse abzuwarten, welche in wenigen Tagen im preußischen Abgeordnetenhause mit Sicherheit zu er⸗ warten seien, und hob alsdann hervor, daß der bisherige Widerstand wesentlich dem Ankaufe der gesammten Bahnen gegolten habe, während jene Vorlage nur die preußischen Staatsbahnen umfasse. Auf längere Zeit könne dies Verhältniß nicht bestehen. Der Kern der preußischen Vorlage sei nur die Alternative: Reform durch das Reich oder ein⸗ seitige preußische Eisenbahnpolitik. Redner zeigte eingehend den Unterschied, führte Preußens Verkehrsgebiet auf, welches fast alle deutschen Handelsstraßen beherrsche, zeigte das alsdann entstehende Uebergewicht, welches auf das Empfindlichste die Alleinstehenden treffen müsse. Insbesondere müsse Baden der Verkehrszone des preußisch⸗rheinischen Gebiets zufallen und dadurch isolirt werden. Bei dieser Sachlage sprach Redner sich entschieden für die Reform durch das Reich aus und schloß mit einer Erinne⸗ rung an die Geschichte des Zollvereins, der auch einst hier be⸗ kämpft worden und doch jede Krisis überstanden habe. Auch dem Gedanken dieser Reform durch das Reich, wenn er auch vielleicht heute noch nicht reif sei, gehöre die Zu kunft.

Nachdem die Antragsteller ihre Anträge begründet hatten, erklärte Minister v. Mittnacht, man werde nicht fehlgehen,

wenn man das Reichseisenbahnprojekt mit dem Nichtzustande⸗

kommen des Reichseisenbahngesetzes in Verbindung bringe. In den Jahren 1874 und 1875 seien 2 Entwürfe eines Reichseisenbahngesetzes an die Regierung gelangt, keiner derselben habe aber dem Bundesrathe vorgelegen. Die Regierung habe die Entwürfe berathen, indem sie in erster Stelle auf die Reichsverfassung und dann erst auf die Landesinteressen Rücksicht genommen habe. Sie habe den ersten Entwurf im Oktober 1874 beantwortet, und nicht nur Bedenken geltend gemacht, sondern auch Gegenvorschläge ge⸗ äußert, welche vom Reichseisenbahnamte in den zweiten Ent⸗ wurf zum größten Theil aufgenommen worden seien. Der zweite Entwurf habe die Bestimmung enthalten, daß die unmit⸗ telbare Aufsicht über alle deutschen Bahnen dem Reiche zu⸗ fallen solle. Hierin habe die Regierung eine formelle und ma⸗ terielle Aenderung der Reichsverfassung erblickt, es sei ihr namentlich bedenklich erschienen, einen Grundsatz von solcher Tragweite an die Spitze zu stellen, ohne daß das Verhältniß dieses Grundsatzes zu den einzelnen Bestimmungen des Ent⸗ wurfs festgestellt wäre. Die Regierung habe geglaubt, daß dieser Grundsatz wegfallen und doch ein brauchbares Gesetz zu Stande kommen könne. Der Reichskanzler habe dem Bundes⸗

rathe die Ergebnisse dee Berathungen der Enquêtekommission

vorgelegt und sich auf Grund derselben Vorschläge zu machen vorbehalten, es seien bisher aber noch keine Vorschläge erfolgt. Württemberg sei jederzeit bereit, einem allgemeinen Tarifgesetze, das die Landesinteressen nicht gar zu empfindlich schädige, beizutreten. Gegen Schluß des vorigen Jahres habe die Regierung glaubhaft erfahren, daß nur die Privatbahnen vom Reich gekauft werden sollten, und habe er, der Minister, diese Eventualität bei dem bekannten Ulmer Toast im Auge ge⸗ habt. Gegenüber dem Standpunkte einer Bundesregierung, welche den Verkauf ihrer Bahnen an das Reich erwäge, habe die Regierung selbst als Bundesregierung über den Ankauf erwogen und vor Monatsfrist ihren Gesandten in Berlin beauftragt, zu erklären, daß Württemberg für den Ankauf deutscher oder preußischer Bahnen durch das Reich aus politischen, finanziellen und volkswirthschaftlichen Gründen seine Stimme nicht abgeben könne. Der Minister führte demnächst aus, daß die Eisenbahnen durch die Reichsverfassung nicht, wie die Post und das Telegraphenwesen, dem Reiche vindizirt seien, und hielt es nicht für wünschenswerth, daß Württem⸗ berg neben seinem eigenen Bahnendefizit noch ein Reichs⸗ bahnendefizit tragen helfe. Man sehe häufig an dem Be⸗ stehenden nur die Schattenseiten und an dem Zukünftigen die Lichtseiten, auch in der Reichseisenbahnfrage gebe man sich manchen Illusionen hin. Wenn die Frage wegen Abtretung der Eisenbahnen, des Post⸗ oder Telegraphenwesens an die Regie⸗ ung herantrete, werde dieselbe nichts ohne Zustimmung der Kammer unternehmen. Wenn Preußen die Bahnen für sich ankaufe, werde dasselbe eine gewaltige Eisenbahnmacht, er sei aber überzeugt, daß Preußen diese seine Macht nicht mißbrauchen werde, wie das der Abg. Elben glaube. Fätte Preußen rück⸗ sichtslos sein wollen, so hätte es mit oder ohne eigene Eisen⸗ bahnmacht oder Reichsbahnen alles durchführen können. Wenn der Reichskanzler dem Reiche, das er über Preußen stelle, den Ankauf der preußischen Bahnen anbiete, so müsse Jedermann annehmen, daß er dem Reiche nützen wolle. Andere Annahmen seien ausgeschlossen. Württemberg werde, hiervon ausgehend, die Sache wiederholt prüfen und seinen Standpunkt in bescheidener, bundesfreund⸗ licher Weise im Bundesrathe bis zum Ende entschie⸗ den vertreten. „Wir werden uns nicht scheuen, unsere An⸗ sicht zu vertreten, trotz des Terrorismus in der Presse, der uns Partikularismus vorwirft. Auf die Frage des Abg. Oesterlen nehme ich keinen Anstand zu sagen, daß ich die Frage, ob das preußische Projekt eine Verfassungsänderung mit sich bringe, in keinem Falle verneine. Ich ersuche die Herren, sich heute dabei zu beruhigen, daß die württembergische Regierung dieser Frage jedenfalls in keiner Weise präjudizirt hat.“ Der Abg. Mohl sprach hierauf noch gegen Reichseisenbahnen.

In der Abendsitzung der Ständekammer nahmen Wöllwardt, Elben (Kannstadt), Oesterlen, Uhl und Schmid für des Letzteren Antrag das Wort, während Pfeiffer und Wäch⸗ ter den Antrag Elbens (Böblingen) vertraten. Nachdem der Finanz⸗Minister hierauf noch den vom Abgeordne⸗ ten Pfeiffer aufgestellten Berechnungen entgegengetreten war, wurde der Antrag Elbens (Böblingen) in namentlicher Abstimmung mit 80 gegen 6 Stimmen abge⸗ lehnt, der Antrag Schmid mit 78 gegen 6 Stimmen an⸗ genommen. Von 21 Ultramontanen und Demokraten wurde die Abstimmung besonders motivirt. Dieselben vermißten im Schmidschen Antrage den Hinweis auf die politische Seite des Reichseisenbahn⸗Projekts und erklärten sich auch gegen ein Reichs⸗ Eisenbahngesetz; sie seien aber mit dem 2. Absatz des Antrages, die Regierung wolle dem Ankaufe der preußischen Bahnen durch das Reich entgegentreten, einverstanden.

Baden. Karlsruhe, 28. März. Für den evangeli⸗ schen Kultus wurden die Forderungen des Budgets im Ge⸗ sammtbetrage von rund 95,000 von der Kommission zur Genehmigung vorgeschlagen; jene für den katholischen Kul⸗ tus, einschließlich 18,000 für die kirchlichen Bedürfnisse der Altkatholiken, umfassen rund 117,000 ℳ; endlich die für den israelitischen Kultus 3600 für das Jahr.

(Fr. 2) Die katholische Geistlichkeit des Landes wird sich nur kapitelweise versammeln, um ihr volles Einver⸗ ständniß mit den Schritten und Protesten der Freiburger Kirchenbehörde gegen die den Kammern vorliegenden Gesetzent⸗ würfe über die Pfarrdotation und die gemischten Schulen zu be⸗ kunden. Bereits hat das Landkapitel Heidelberg den Anfang damit gemacht und sich einstimmig gegen beide Entwürfe und be⸗ sonders gegen den Reversparagraphen ausgesprochen.

(H. N.) Bei der Budgetberathung des Ministeriums des Innern in der Zweiten Kammer veranlaßte ein Antrag der Klerikalen auf Wiederherstellung der erzbischöflichen Tischdotation eine mehrstündige, theilweise sehr erregte Diskussion. Der Antrag wurde schließlich verworfen.

Sachsen⸗Coburg⸗Gotha. Coburg, 29. März. (Allg. Ztg.) Der Herzog von Edinburgh ist gestern Abend von St. Petersburg hier eingetroffen, um einige Tage hier zu ver⸗ weilen und sich vor Uebernahme seines Seekommandos am hie⸗ sigen Hofe zu verabschieden. Die Ankunft der Königin von Großbritannien wird für den 8. April hier erwartet. Die⸗ selbe wird während ihres hiefigen Aufenthaltes im Palais ihres Sohnes, des Herzogs von Edinburgh, residiren.

Oesterreich⸗Ungarn. Wien, 30. März.

mehrstündige Sitzungen des Ministerrathes stattgefunden, in welchen u A. auch Maßregeln zur Hebung des Eisenbahn⸗ kredits berathen und beschlossen wurden. In ihrem finan⸗ ziellen Theile meldet die „Politische Korrespondenz“, daß die Regie⸗

rung, wie versichert wird, weit davon entfernt sei, in der Eisen⸗ bahnsanirungsfrage die Politik der Passivität zu acceptiren.

Die Regierung habe vielmehr die Deckung des Defizits beim Betriebe der vom Staate garantirten Bahnen in ihr Programm auf⸗ genommen und beabsichtige bei dem Reichsrathe eine Vorlage einzubringen, durch welche sämmtlichen Prioritäten der subventio⸗ nirten Eisenbahnen der Vollgenuß der in den Titres ausgespro⸗ chenen Zinsen gesichert werden solle.

Das „Pr. A.“ schreibt: „Morgen sollen die ungarischen Minister hier wieder eintreffen, um die Verhandlungenüber die schwebenden Ausgleichsfragen fortzusetzen und womög⸗ lich ihrer Beendigung zuzuführen. Man darf es wohl als ein gutes Vorzeichen betrachten, daß nicht blos auf beiden Seiten, namentlich in der Presse, die frühere Gereiztheit einer ruhigeren und versöhnlicheren Stimmung Platz gemacht hat, son⸗ dern auch daß die ungarischen Minister sich auf eine längere Anwesenheit in Wien man spricht von vier⸗ zehn Tagen bis drei Wochen vorbereiten, ein Beweis, daß sie von der Ueberzeugung durchdrungen sind, diesmal zu einem definitiven Ergebnisse zu gelangen. Damit stimmen auch die Nachrichten überein, wonach in der Bank⸗ und Verzehrungs⸗ steuerfrage die größten Schwierigkeiten als halb überwunden zu betrachten sein sollen, während in der Zollfrage die ungarischen Regierungsmänner gleich von vorn herein einen solchen Stand⸗ punkt einnahmen, daß die Erhaltung des einheitlichen Zollgebie⸗ tes als nahezu gesichert gelten durfte.“

Brünn, 30. März. Am 4. April soll hier eine Ver⸗ sammlung hervorragender Mitglieder der Verfassungspartei in Mähren stattfinden. An derselben sollen die verfassungs⸗ treuen Reichsraths⸗ und Landtagsabgeordneten, dann zahlreiche Bürgermeister und Vereinsobmänner theilnehmen. Gegenstand der Berathung ist die Frage der Parteiorganisation und die Be⸗ stellung eines Parteicomités für die nächsten Neuwahlen zum mährischen Landtage.

Pest, 29. März. Morgen Vormittags findet der „Pester Korrespondenz“ zufolge ein Ministerrath statt, um die laufenden Angelegenheiten und die Geschäftsführung während der Ab⸗ wesenheit der Minister zu ordnen.

In der heutigen Sitzung des Abgeordnetenhauses interpellirte der Abg. Berzewiczy bezüglich der Herabminderung des gemeinsamen Budgets. Der Minister⸗Präsident erwiderte: Die Regierung wisse gut, daß es nicht nur ihr Rocht, sondern auch ihre Pflicht ist, ihren Einfluß bei Feststellung des gemein⸗ samen Budgets geltend zu machen. Sie wird dies auch so thun, wie es ihre patriotische Pflicht gebietet.

Schweiz. Der „N. Zürch. Ztg.“ wird aus der Bundes⸗ stadt geschrieben: „Am 20. März hat der Bundesrathbeschlos⸗ sen, den Regierungen des Deutschen Reichs und Italiens, sowie den betheiligten Kantonsregierungen und Eisenbahndirektionen die Berichterstattung der Gotthardbahndirektion vom 3. I. Mts. über die Finanzlage der Unternehmung zu übermitteln, und den beiden erstgenannten Regierungen auf die erste Hälfte des nächsten Mai die Abhaltung einer Konferenz in Bern vorzuschlagen, welcher die Aufgabe gestellt würde, die von dem Ober⸗Ingenieur der Gesellschaft bearbeiteten Pläne und Kosten⸗ berechnungen zu untersuchen und zu begutachten, wie überhaupt alle technischen Verhältnisse klar zu stellen, die bei den Ver⸗ handlungen in Betracht fallen werden, welche nach Ansicht des Bundesrathes unmittelbar nach dem Schlusse dieser vorbereiten⸗ den Konferenz zum Zwecke der abschließlichen Erledigung der Angelegenheit in Aussicht zu nehmen sind.“

Im Anschluß an unsere früheren Mittheilungen über den Kongreß der „Internationale“ in Bern tragen wir nach schweizer Zeitungen noch Folgendes nach:

„Ein großes Pudlikum hatte sich zur angesagten Stunde auf die Münsterplattform und die anstoßenden Plätze und Gassen begeben; man bemerkte in der Menge außerordentlich viele der arbeitenden Klasse angehörige Personen, welche ihre Antipathie gegen die Demonstration in allen Tonarten vom beißenden Spotte bis zur höchsten Entrüstung Lust machten. Was die Demonstranten selbst anbelangt, so bildeten dieselben inmitten der Menschenmenge ein nahezu verschwindendes Häuflein, welches sich in zwei Gruppen von ctwa 30 und 20 Köpfen sonderte. Die Letztere marschirte unter dem Banner des deutschen Arbeiter⸗ Bildungsvereins und dürfte wohl größtentheils aus Deutschen bestanden haben. Ein Gedicht: „Arbeiter⸗Feldgeschrei“, auf gräulich rothen Zetteln gedruckt, wurde vertheilt, und die Absingung desselben nach der Melodie „Die Wacht am Rhein“ bildete eine Nummer des Festprogramms. Jede Strophe des Gedichtes schließt mit dem Referain: „Es wirbelt dumpf das Aufgebot, Es flattert hoch die Fahne roth; Arbeitend leben oder kämpfend den Tod!“ Als sich der Zug, von etwa 20 Fackeln trüb beleuchtet, in Bewegung setzte, entstand ein großer Lärm und Tumult. Umringt und gedrängt von der Menge gerieth der Zug in vollständigste Deroute. Die rothe Fahne wurde zerrissen, der ganze Vorfall dürfte den Communards aller Schattirungen die Ueberzeugung beigebracht haben, daß sie in der Stadt Bern keinen Boden für ihre Ansichten und Be⸗ strebungen finden werden.

Das Denkmal des Reformators Wilhelm Farel (gest. 1565) wird am 4. Mai in Neuenburg enthüllt werden. Von Paris, Cap, Metz, Montbeliard, Genf, Bern, Lausanne, St. Imier und Murten sind Delegirte der dortigen Kirch⸗ gemeinden, zu deren Gründung Farel beigetragen, eingeladen.

Großbritannien und Irland. London, 29. März. Die Erörterungen über die Abreise der Königin dauern noch fort und den tadelnden Bemerkungen der „Times“ und liberaler Parteiblätter über dieselben setzen „Morning⸗Post“, „Standard“, „Hour“ u. s. w. scharfen Tadel entgegen; sie erklären es für eine bedauernswerthe Verletzung des Anstandes, der Monarchin, die zur Erfüllung einer Familienpflicht ihre Reise angetreten habe, in solcher Weise zu begegnen, und verweisen darauf, wie bei den modernen Verkehrsmitteln die alte Regel, daß der König während der Parlamentssitzung nicht aus dem Lande gehen solle, ohnehin ihre Bedeutung verloren habe.

Aus Alexandria wird berichtet, daß der Prinz von Wales seine Abreise aus Aegypten auf nächsten Montag ver⸗ schoben hat. Der österreichische Botschafterist am Montag, von Wien kommend, hier eingetroffen. Der türkische Bot⸗ schafter, Musurus Pascha ist auf einige Tage nach Paris ge⸗ gangen. Im Befinden des portugiesischen Gesandten, Herzogs von Saldanha, ist seit Sonntag eine Besserung ein⸗ getreten.

(W. T. B) Der „Politischen Korrespondenz“ zufolge haben gestern und heute

30. März. (Köln. Ztg.) In der gestrigen Sitzung des 1 Unterhauses zog Newdegate seinen Antrag auf Untersuchung

der Klostergüter zurück, weil er dem weitergehenden Antrage

von Chambers auf gänzliche Aufhebung der Klöster das Feld frei machen wollte.

(W. T. B.) Im Unterhause erwiderte der Unter staatssekretär im Departement des Auswärtigen auf die Interpellation des Deputirten O'Sullivan in der Angelegenheit des Grafen Arnim: Obschon er das be zügliche Schreiben des Fürsten Bismarck in den Zeitungen ge⸗ sehen haben dürfte, könne er doch nicht sagen, daß die Aufmerk⸗ samkeit des Auswärtigen Amtes darauf gelenkt worden wäre, weil sich keine amtliche Korrespondenz über den Grafen Arnim im Auswärtigen Amte befinde. Nach der Interpellation O' Sul⸗ livans scheine die Korrespondenz anfangs 1873 stattgehabt zu haben, bevor die jetzige Regierung ins Amt gekommen sei. Auch müsse der Schriftwechsel nothwendiger Weise einen privaten und vertraulichen Charakter getragen haben. Alles, was er über den Gegenstand sagen könne, sei: Wir besitzen darüber keinerlei In⸗ formation. Auf die Anfrage, ob die Prokla mirung des neuen Titels der Königin bis zu deren Rückkehr nach England verschoben werden würde, erwiderte Disraeli, wenn die den gedachten Titel betreffende Vorlage zum Gesetz und die Proklamirung des neuen Titels nothwendig geworden sei, werde das Kabinet der Königin denjenigen Rath ertheilen, den es mit der Würde der Königin und mit dem Wohle der Nation für vereinbar erachte.

31. März. (W. T. B.) In der gestrigen Sitzung des Oberhauses beantragte der Lord⸗Präsident, Herzog von Rich⸗ mond, zu der zweiten Lesung der Titelbill überzugehen. Lord Granville erklärte, er wolle sich nicht gegen die zweite Lesung des Gesetzentwurfs aussprechen, jedoch den von Lord Shaftesbury in Aussicht gestellten Vorschlag auf Erlaß einer Adresse an die Königin wegen Annahme eines anderen Titels statt des Titels „Kaiserin“ unterstützen. Er könne die Aeußerung Derby's, daß die Titelbill keine Verfassungsfrage herbeiführe, nicht mit der neulich von dem Premier abgegebenen Erklärung, daß der Vorlage hochpolitische Erwägungen zu Grunde lägen, vereinbaren. Er halte das betreffs Rußland an⸗ geführte Argument für eine rein rhetorische Wendung. Nachdem noch der Staatssekretär für Indien, Salesbury, für die Vorlage gesprochen und Lord Kairns erklärt hatte, der Titel „Kaiserin“ werde auf Indien beschränkt bleiben, wurde die Vorlage in zweiter Lesung angenommen.

Frankreich. Paris, 27. März. Das „Evenement“ brachte gegen Ende Januar Enthüllungen über eine große geheime kle⸗ rikale Verbindung, die in Frankreich ihren Sitz habe und auch mit dem Auslande in Verbindung stehe. Es brach aber seine Ver⸗ öffentlichung plötzlich ab und erwiderte auch nichts, als im „Soir“ folgende Note erschien: „Mehrere Blätter, das „Evenement“ an der Spitze, veröffentlichen Mittheilungen über eine sogenannte geheime klerikale Gesellschaft. Nach den von den kompetenten Behörden eingezogenen Erkundigungen besteht, wie es scheint, die genannte Gesellschaft nicht.“ Die Diskussion über die Wahl des Grafen de Mun in der Kammersitzung am Sonnabend rief die vom „Evenement“ gemachten Enthüllungen wieder ins Gedächtniß. Es wurden Nachforschungen angestellt, und die Resultate derselben werden in der „Gazette“ (einem vor einigen Monaten zum ersten Mal erschienenen neuen Blatte) mitgetheilt. Ihre Mittheilungen lauten nach der „Köln. Ztg.“ in der Haupt⸗ sache, wie folgt:

Im Monat September und Oktober v. J. fing man in den ka⸗ tholischen und reyalistischen Gruppen an, einzasehen, daß es Zeit sei, die Wahlpropaganda vorzubereiten. Der Eifer der klerikalen Legiti⸗ misten, die man nicht mit den reinen Legitimisten verwechseln darf, war von da ab nicht mehr ausschließlich der Gründung der katholi⸗ schen Arbeitervereine (Oeuvre de Jésus Quvrier) und dem Triumph der Sache Don Carlos gewidmet. Der allgemeine Schlachtruf war: „Bereiten wir die Wahlen vor.“ Die Führer der großen ul⸗ tramontanen Beweßung, denen der 24 Mai Geld und Plätze vee⸗ schafft hatte, setzten sich mit weniger bekannten, aber thätigen Leuten in Verbindung, und aus der geheimen Verbindung ging die „Société secrète de Jésus Roi“ hervor, deren Cirkulare, Statuten und geheimnißvolle „Questionnaires“ wir besitzen. Das scheinbare Oberhaupt dieser großen Verschwörung ist der Vicomte de Ponton d'Amécourt. Das erste Cirkular der Verbindung, welches den Zweck und die Aktionsmittel angiebt, trägt folgendes Zeichen 6. In der Vorrede zu diesem Dokument beißt es: „Die traurige Verwirrung der Arbeitermassen hat in Frankreich die „Oenpre de Jésus Quvrier“ hervorgerufen. Die Gleichgültigkeit oder die Schwachheit der Männer an der Gewalt mußte das „Oeuv e de Jésas Roi“ zur Folge haben. In demselben befinden sich dann noch folgende Stellen: „Zweck der Verbindung ist, von der göttlichen Vor⸗ sehung eine katholische Regiernng zu erlangen“. . . . Man fragt nas, ob das „Oeuvre de Jésus Roi“ den katholischen Comités, den roys⸗ listischen Comités und den carlistischen Comités keinen Schaden bringt, die in vielen Departements bestehen. Eben so gut könnte man einen General fragen, der bereit ist, eine Schlacht liefern, ob eine Armee, die ihn verstärkt, schaden werde. „Oeuvre de Jêésus Roi“ hat als besonderen Charakter, gleich katholisch, royalistisch und carlistisch zu sein. . . . . .. Ein anderes Cirkular Nr. 3 ertheilt den Mitgliedern der Verbindnag Instruktionen. Dasselbe enthält folgende Stellen: „Wir bitten Sie inständigst, für das „Werk“ Propaganda zu machen. Es muß in jedem Kanton ein Mitglied geben, und wir müssen später in jeder Gemeinde eins haben. Suchen Sie besonders Männer auf, welche nicht kompromitlirend sind, aber zu dem Publikum in häufigen Be⸗ ziehungen stehen. Die Aerzte, die Einnehmer, die Kondukteure, die Angestellten der Regie, die Geometer, die Handelsreisenden, die Werk⸗ meister in den Fabriken, die Briefträger ꝛc. sind treffliche Hülfs⸗ genossen, wenn sie sich zu unsern Prinzipien bekennen. Verlieren wir keinen Tag; die Dringlichkeit nimmt zu; man muß beceit sein; man wird sich später ausruhen... Wir werden dem Gesetz so lange gehorchen, bis es uns ersticken will; ein höheres Gesetz verbietet den menschlichen Gesetzen, die rechtschaffenen Gewissen zu ersticken Das gegenwärtige Werk unserer Verbin⸗ dung besteht nach wie vor in der Unterstützung der carlistischen Sache. Das Werk der Vorbereitung ist die Wahlaktion. Da alle Anstren⸗ gungen den Zweck haben, die katholischen Regierungen zu unterstützen, so konstituiren die bemerkten legitimen Fürsten und die unterdrückten katholischen Völker das gewöhnliche Werk unserer Verbindung.“ Diesem Cirkular war folgendes Questionnaire angeschlossen: „To-paf, 6. Oktober 1875. Fragen: 1) Haben Sie im Laufe des Monats September einige Subskriptionen für die carlistische Armee erhalten? 2) Haben Sie dem Werk einige neu: Anhänger ge⸗ wonnen? 3) Können Sie einige Beziehungen mit dem Ausland er⸗ öffnen? 4) Wie steht es in Ihren Departements mit den Wahlen für den Senat? Welche Kandidaten bieten uns die meisten Bürg⸗ schaften? 5) Wenn man gegenwärtig einen Aufruf an das allgemeine Stimmrecht machen würde, wie viel Stimmen auf hundert würden den katholisch⸗royalistischen Kandidaten Ihres Arrondissements wohl gesichert sein?“

Die „Gazette“ verlangt, daz die Regierung gegen diese große geheime Verbindung die bestehenden Gesetze in Anwen⸗ dung bringe und einem Treiben ein Ziel setze, welches gegen die soziale und politische Existenz des Staates gerichtet sei.