1876 / 97 p. 3 (Deutscher Reichsanzeiger, Mon, 24 Apr 1876 18:00:01 GMT) scan diff

icht die Neutralität gewahrt werden würde. Jedoch wür⸗ größere türkische Streitkräfte bei Scutari in Albanien konzentrirt werden und sollen die militärischen Operationen in der Herzegowina und in Bosnien nachdrücklicher geführt werden. Dem gegenüber bestreiten in Wien eingegangene Berichte aus der Herzegowina, dem „W. T. B.“ zufolge, die Richtigkeit der Bulletins Moukhtar Paschas, betreffend die Betheiligung der Montenegriner an den letzten Kämpfen und fügen hinzu, daß Fürst Nikita neuerdings noch sich erboten habe, die Festung Niksic zu verproviantiren. 1 .

Die „Agence Havas“ meldet weiter aus Konstantinopel vom 23., der russische Botschafter Ignatieff und der englische Botschafter Elliot hätten eine Konferenz mit dem Großvezier ge⸗ habt und hätte die Pforte nach dieser Konferenz erklärt, es sei eine Kriegserklärung gegen Montenegro gar nicht in Frage ge⸗ kommen. Im Anschluß daran wird ferner mitgetheilt, man er⸗ warte in Konstantinopel den Abschluß eines neuen Waffensill⸗ standes behufs Regelung der Ausführung der vom Grafen Andrassy vorgeschlagenen Reformen. 1

Ueber das türkische Lager bei Nissa oder Nisch berichtet die „Pol. Corr.“ Nachstehendes: „Seit drei Wochen herrscht hier ein reges militärisches Leben. Es vergeht fast kein Tag, an dem nicht neue Tabors (Regimenter) regulären Militärs hier ankämen. Was die Armee betrifft, die bei Nisch in Zelt⸗ lagern kampirt, so kann nicht geläugnet werden, daß sowohl Offiziere wie Soldaten einen guten Geist zeigen. Bis jetzt find hier noch keine Redifs eingerückt, wiewohl beschlossen ist, 25,000 solche Reservisten hierher zu senden. Es befinden sich hier nur Nizams⸗Regimenter, die aber noch nicht auf Kriegsstärke gebracht sind. Ein solches Regiment besteht durch⸗ schnittlich aus 12 bis 1400 Mann. Das Aussehen der Sol⸗ daten ist im Allgemeinen ein gutes. Es sind meist stark ge⸗ baute, kräftige und schöne Leute, besonders die aus Anatolien stammenden. Die Bewaffnung ist eine durchwegs gute. Hinter⸗ lader besitzt die gesammte hier lagernde Infanterie. Die Artil⸗ terie ist mit Kruppschen Kanonen ausgerüstet. Mindeßens 90 solcher Geschütze befinden sich hier. Die Zahl der hier lagernden Truppen kann nicht präcisirt werden. Durchaus nicht zu hoch gegriffen dürfte es indeß sein, die hier konzen⸗ trirten Truppen auf 40,000 Mann zu veranschlagen. Von diesen entfallen etwa 32,000 Mann auf die Infanterie, während Kavallerie und Artillerie etwa 8000 Mann zählen. Die Pferde sind meistens kleinen Schlages, weil anatolischer Race. Man versichert hier, daß das Ober⸗Kommando entweder Hamdi Pascha oder Hussein⸗Avni⸗Pascha übernehmen soll. Die Armee hat ihre Zeltlager auf ziemlich weite Strecken ausgedehnt, weil in den letzten Wochen viele Erkrankungen vorkamen.“

Nachrichten der „Pol. Corr.“ aus Serajewo vom 17. April zufolge würde die Lage der Dinge im bosnischen Vilajet von Tag zu Tag eine trübere. In Nord⸗Bosnien gãäbe es fast keinen Strich, wo nicht Insurgenten auftauchen. Allent⸗ halben gehen Marktflecken und Dörfer in Flammen auf. Vali Ibrahim Pascha habe beunruhigende Nachrichten auch aus dem Zworniker Kreise erhalten, wo eine Masse fremder Agenten er⸗ schienen sei und zum Aufruhr reize. Bei der Erbitterung, die unter der türkischen Bevölkerung Bosniens jetzt gegen Serbien herrsche, sei das Leben der nach Bosnien kommenden Serben gefährdet. Die Behörden seien den Leidenschaften der Bevölkerung gegenüber ohnmächtig. Aller Voraussicht nach werde auch bei Zwornik bald Alles insurgirt sein. So chen Verhältnissen gegen⸗ über reichten die dem Vali zur Verfügung stehenden Mittel nicht aus. s 3

Da man in Konstantinopel keine genügende reguläre Truppen⸗ macht nach Bosnien senden könne, so sei das bosnische Vilajet arg gefährdet. Der Vali thue, was er könne. Er lasse alle Festungen ausbessern und die offenen Städte mit Schanzen um⸗ geben. Aber auch dazu fehle das nöthige Geld. Jede Be⸗

wegung sei durch Geldmangel gelähmt und die Offiziere der Nizams⸗Tabore erklären, die Disziplin nur mühselig aufrecht erhalteu zu können, da die Soldaten davonzulaufen drohen, wenn ihnen kein Sold gezahlt werde. Die Stimmung in den mohammedanischen Kreisen sei eine überaus deprimirte.

Ein Telegramm des „W. T. B.“ aus Ragusa vom 24. April lautet: Nach einer gestern Abend eingegangenen Nach⸗ richt hat bei Bitelica auf der Straße von Plana nach Krstac ein größeres Treffen zwischen den Türken und Insurgenten stattgefunden. Details über dasselbe sind noch nicht bekannt.

Rußland und Polen. St. Petersburg, 22. April. In Bezug auf die Depesche Mukhtar⸗Pascha's, nach welcher 7000 militärisch organisfirte Montenegriner am Kampfe gegen die Türken Theil genommen, fragt das „Journal de St. Peters⸗ bourg“ nach dem Zweck einer so positiven Behauptung. Sie hätte den Vorwand zu einem Angriff auf das längst als An⸗ stifter der ganzen Bewegung hingestellte Montenegro abgeben können, wenn Mukhtar⸗Pascha gesiegt hätte; so aber habe sie wohl nur seinen Mißerfolg entschuldigen sollen. Wenn er aber der⸗ artige offizielle Bülletins erlasse, könne Mukhtar⸗Pascha sich nicht wundern, wenn man auch seinen Nachrichten von „brillanten Erfolgen“ nicht mehr Glauben beimesse, als dieser Beschuldigung von den 7000 Montenegrinern.

Amerika. (A. A. C.) Kabeldepeschen aus Washington vom 21. d. melden: Der frühere Generalanwalt Williams konstatirt privatim, daß die 30,000 Doll., welche er auf Befehl des Präsidenten Grant dem Ober⸗Controleur der Wahlen in New⸗York, Mr. Davenport, behändigte, in Gemäßheit des Gesetzes zur Ver⸗ hinderung und Ermittelung betrügerischer Stimmabgaben ge⸗ zahlt wurden. Mr. Davenport erklärt, daß er das Geld für diesen Zweck benutzte, es werden indeß seine Beläge dafür ver⸗ mißt. Die von dem Ausschusse des Repräsentantenhauses für auswärtige Angelegenheiten geleitete Untersuchung der Angelegenheiten der Emma⸗Mine ist geschlossen worden mit Ausnahme der Erörterung gewisser Papiere, die aus London erwartet werden. Ehe sich der Aus⸗ schuß vertagte, verlas General Schenk eine Grklärung, aus der erhellt, daß ihm durch seine Börsen⸗Transaktionen in den Aktien der Emma⸗Mine⸗Company ein Verlust von 41,700 Doll. erwuchs. Das Repräsentantenhaus hat eine Bill passirt, welche die Verwaltung der Indtanerangelegenheiten an das Kriegs⸗Departement überträgt. Silbermünzen fangen an sich im Verkehr zu zeigen. Sämmtliche Unter⸗Schatzämter tau⸗ schen die papiernen Werthzeichen gegen Scheidemünze aus.

Aus Washington wird unterm 22. ds. weiter gemeldet: Mr. Davenport, der Ober⸗Controleur der New⸗Vorker Wahlen, er⸗ klärte während seiner heutigen Vernehmung vor dem Ausschusse des Repräsentantenhauses, daß er ein Registrirungssystem zur Verhinderung von Wahlbetrügereien in New⸗YVork vorbereitet hätte. Präsident Grant billigte diesen Plan und wies Mr. Williams, den damaligen Generalanwalt, an, die dafür nöthigen Unkosten aus dem geheimen Dienstfond zu zahlen.

EUEAsien. China. Die „Overland China⸗Mail“ vom 9. Dezember v. J. enthält einige interessante Notizen über die Thätigkeit der protestantischen Mission in Hongkong und Canton. Danach giebt es in jenen Distrikten jetzt 2201 chinesische Konvertiten.

Von diesen eingeborenen Christen fallen auf

1) die Baseler Mission mit 8 deutschen und 2 eingeborenen Missionären und Kirchen in Hongkong, im Sun⸗on und Ch'ong⸗ lok Distrikt, 968; .

2) die London Mission of Hongkong mit zwei fremden und zwei chinesischen Missionären, einer Kirche in Hongkong, einer in Fatshan und sechs im Poklo⸗Distrikt, 648 (399), davon 216 (142) in Hongkong, 100 in Fatshan und 332 (175) im Poklo⸗Distrikt; 8

3.,)] die Barmen⸗Mission seit einiger Zeit mit dem Berliner Män322.veremn verbunden, mit fünf deutschen und einem chinesi⸗ schen Missionär und Kirchen im Sunon, Tungkun, Fayuen u. a. Distrikten (eine in Nanchung; 350 englische Meilen nördlich von Canton), 400; ; 8 4) das Berliner Findlinghaus, mit einem Missionär, Pastor Klitzke, und vier deutschen Frauen unter ihm, 87 meistens Kin⸗ der (14); 828 1 S 5) die Chureh Missionary Society mit zwei englischen und einem eingebornen e2 2 Gottesdienst in der St. Ste Kirche in Hongkong 8 ¹ b van e .,,eebne in 1842 gegründet, in 1860 aufgegeben und erst seit Kurzem durch einen fremden Missionär (Frau) wieder eröffnet 11. 1 2 An die rein kirchliche Thätigkeit schließt sich die Ertheilung des Unterrichts an chinesische, meistens heidnische Kinder; an der⸗ selben betheiligen sich: G „H 1) die Society for the Promotion of female Education in the East, mit zwei Missionärinnen; dieselbe hat vier Tag⸗ schulen. Die sogenannten Baxter⸗Vernacular Schulen mit 160 eingebornen Mädchen. 1 2) St. Pauls College mit 60 eben me hn of Eng⸗ 3) St. Stephens College mit 70 Knabenf land Missionären, 4) die London Mission; zwei Tagschulen mit zusammen 140 Knaben, 1 5) die Baseler Mission, eine Tagschule mit Alumnat für 60 Hakka Mädchen. beas. 4 Hierzu kann man füglich noch zählen: 6) das Berliner Findlinghaus mit 73 Kindern, obgleich dieselben schon mit unter den eingebornen Christen aufgeführt worden sind, so daß im Ganzen 563 eingeborne Kinder durch die Vermittlung der Missionäre in Hongkong Unterricht erhalten. Persien. Wie der „Russ. Invalide“ meldet, hat sich der Schah in Person mit einem Truppencorps von 5 Bataillonen, 10 Kavallerie⸗Regimentern und einer Batterie nach Mesch⸗ched begeben, um von hier nach Vereinigung mit den in Chorassan stehenden Truppen seinen auf Anrathen der englischen Gesandt⸗ schaft beschlossenen Kriegszug gegen Merw zu beginnen. Merw ist die Hauptstadt des räuberischsten aller Turkmenenstämme und liegt zwischen Persien und Bochara.

Afrika. Aegypten. (W. T. B.) Der „Agence Havas“ wird aus Kairo vom 22. d. M. mitgetheilt, die von Wilson betrefks Reorganisation der ägyptischen Finanzver⸗ waltung gemachten und zur Ausführung vorbereiteten Vor⸗ schläge seien nach wiederholten Konferenzen von dem Khedive genehmigt und sofort nach London übermittelt worden, so daß man einer demnächstigen Lösung der Frage entgegensehe. Vor den Gerichten sei bezüglich der Dairabons eine große Anzahl. von Prozessen anhängig.

Gewerbe und Handel. Berlin. Ihre Königliche Hoheit die Prinzessin Friedrich Carl von Preußen hat den Pianofabrikanten B. Schleip hierselbst zu Höchstihrem Hoflieferanten ernannt.

Aulus dem Wolffschen Telegraphen⸗Bureau. Wiesbaden, Montag, 24. April, Nachmittags. Der Kaiser nimmt heute bei dem Landgrafen von Hessen das Diner ein und hat für den Abend den Besuch der Dilettantenvorstellung im Kurhause, an welche sich eine Beleuchtung des Kurparks an⸗ schließen wird, zugesagt.

Wien, Montag, 24. April, Mittags. Wie von bestunter⸗ richteter Seite versichert wird, ist begründete Aussicht vorhanden, daß die morgen hierher zurückkehrenden ungarischen Minister sich

bereit erklären werden, den hier besprochenen Ausgleichs⸗Prälimi⸗ narien definitiv zuzustimmen.

Berlin, den 24. April 1875. Königlich Preußische Lotterie (Ohne Gewähr.) 1

Bei der heute fortgesetzten Ziehung der 4. Klasse 153.

Königl. Preuß. Klassenlotterie fielen:

1 Gewinn à 120,000 auf Nr. 9460. 8

3 Gewinne à 30,000 auf Nr. 30,270. 48,571. 62,093.

3 Gewinne à 15,000 auf Nr. 60,734. 60,901. 67,306.

3 Gewinne à 6000 auf Nr. 36,071. 55,146. 85,893.

53 Gewinne à 3000 auf Nr. 230. 4573. 7743. 8506. 14,359. 16,428. 17,453. 17,514. 19,942. 20,572. 20,816. 23,376. 24,876. 29,818. 32,824. 34,114. 34,901. 36,715. 37,284. 39,319. 39,585. 40,046. 41,031. 42,833. 45,781. 48,963. 53,782. 53,954. 54,732. 55,257. 55,919. 56,139. 58,351. 59,087. 59,979. 64,864. 64,973. 66,393. 68,574. 69,430. 71,228. 72,520. 73,155. 73,448. 74,753. 77,528. 80,100. 83,212. 85,811. 89,539. 89,763. 89,948. 93,936.

52 Gewinne à 1500 auf Nr. 103. 444. 1845. 4056. 5346. 6716. 6889. 7878. 10,580. 13,800. 17,192. 21,647. 26,389. 31,282. 31,352. 32,343. 33,575. 35,368. 36,148. 40,199. 45,862. 48,369. 49,214. 49,623. 49,942. 50,307. 52,448. 57,073. 57,105. 58,208. 59,892. 62,157. 64,049. 64,395. 65,174. 68,403. 69,589. 71,652. 72,866. 73,643. 80,349. 80,555. 81,566. 81,588. 82,930. 84,354. 86,620. 87,957. 88,382. 91,812. 92,922. 93,891.

78 Gewinne à 600 auf Nr. 1177. 1707. 1956. 2371. 2499. 3722. 4593. 4837. 10,519. 11,057. 12,285. 13,190. 15,979. 15,985. 17,594. 18,831. 20,438. 20,509. 21,965. 23,420. 25,214. 25,535. 25,725. 25,868. 26,495. 27,217. 29,999. 37,423. 39,677. 40,528. 40,936. 43,349. 43,569. 45,807. 46,009. 46,945. 47,387. 48,586. 48,890. 49,410. 50,097. 51,376. 51,598. 52,279. 52,847. 54,549. 55,349. 55,983. 57,310. 57,340. 60,713. 61,197. 63,629. 63,741. 64,669. 65,923. 67,328. 64,142. (½) 70,107. 70,807. 71,504. 73,058. 73,550. 73,883. 75,967. 77,242. 77,437. 81,792. 82,105. 82,294. 84,694. 84,734. 86,556. 88,165. 91,026. 91,113. 92,918. 94,399.

Die erste Sitzung des Verbandtages deutscher Frauen⸗ bildungs⸗ und Erwerbvereine in Hamburg begann am Freitag mit einer Besichtigung der Polyklinik. Um 10. Uhr ward die öffentliche Versammlung in der „Gewerbeschule für Mädchen“ eröff⸗ net mit einer Ansprache des Präfidenten, Hrn. Dr. H. A. Meyer. Derselbe erwähnte, daß beiläufig 36 Vereine zum Wohte von Frauen in Hamburg theils allein von Frauen, theils unter der thätigen Mit⸗ wirkung von Männern geleitet würden. Dieser Einleitung folgte die Berichterstattung aus den verschiedenen Vereinen. Um 1 Uhr begann der Vortrag des Hrn. A. Lammers aus Bremen „über den Schutz alleinstehender Frauen und Mädchen beim Auswandern“. Später wurde in der Delegirtenversammlung folgender Autrag von

rn. Lammers gestellt und angenommen: „Der geschäftsführende Verein hat zu untersuchen 1) ob ein solcher Schutz Bedürfniß, und 2) dies zugegeben: was die greigneten Schritte seien, einen solchen zu

erwirken.“ Um 2 Uhr begann der Vortrag der Fr. Lina Morgen⸗ stern über „Hausfrauenvereine.“ Rednerin berichtete, daß der Verein gegenwärtig ungefähr 4000 Mitglieder, und die „Hausfrauen⸗ Zeitung“, das Organ des Vereins, einige Tausend Abonnenten zählt. Nachdem Fr. Lina Morgenstern zum Schluß noch einige Worte über die Volksküchen gesagt, begann der Vortrag von Frl. Louise Büchner „Gedanken über die Protokolle der im August 1873 zu Berlin abge⸗ haltenen „Konferenz uͤber das höhere Mädchenschulwesen.“ Dieser Vortrag verdankt, wie die Rednerin mittheilte, seine Entstehung einer Aufforderung des Staats⸗Ministers Dr. Falk, und sprach sich im Zesent⸗ lichen gegen die gangbare Methode der Mädchenschulen und über den zu frühen Abschluß der Bildung der Mädchen aus.

Der im vergangenen Jahre zu Dresden versammelt gewesene XVII. Kongreß für innere Mission der deutsch⸗evangelischen Kirche hat einen Mahnruf ergehen lassen, dahin zu wirken, daß unserem Volk der Segen der Sonntagsruhe und Sonntagsheiligung wiedergewon⸗ nen werde. Demgemäß soll die Konstituirung eines Vereins für Sonntagsfeier in Berlin am Mittwoch, den 26. April, Abends 7 Uhr, im Saale des evangelischen Vereinshauses, Oranienstraße 106, stattfinden. Der Zutritt steht Jedem frei. Die Einladung zu dieser Versammlung ist unterzeichnet von den Herren Baur, Hof⸗ und Domprediger. Berndt, Hauptlehrer de la Creix, Geh. Ober⸗ Regierungs⸗Rath. Dr. Dorner, Ober⸗Konsistorial⸗Rath. Graf von Egloffstein, Königlicher Kammerherr. Eichmann, Wirklicher Geheimer Rath und Ober⸗Präsident a. D. Engel, Redacteur. Fischer, Pastor. Hapke, Pfarrer. Hoppe, Fabrikbesitzer. Dr. Kögel, Ober⸗Konsistorial⸗Rath, Hof⸗ und Dom⸗Prediger. Lietz⸗ mann, Kommerzien⸗Rath. Lösche, Banquier. v. Meyeren, Ober⸗ Verwaltungs⸗Gerichts Rath. Oldenberg, Prediger. Pank, Pastor. Stämmler, Justiz⸗Rath. Stöcker, Hof⸗ und Dom⸗Prediger. Baron von Ungern⸗Sternberg. von Westhofen, Konsistorial⸗Rath.

Der dritte deutsche Gastwirthstag wird am 14. und 15. Juni in Hamburg abgehalten werden. Außer vielen anderen Angelegenheiten, welche auf der Tagesordnung stehen, wird auch die Beschaffung eines Verbandshauses in Berlin berathen werden.

Aus Rom berichtet eine Depesche des „W. T. B.“ vom gestrigen Tage Folgendes: In der heutigen Sitzung der Akademie dei Lincei unter dem Vorsitz Sella's wurden die neuen Mitglieder Marsh und Mommsen von Sella eingeführt. Als auch Feldmarschall Graf Moltke in Begleitung des deurschen Botschafters von Keudell im Sitzungssaal erschien, erhoben sich zur feierlichen Begrüßung desselben auf Sella's Vorschlag sämmtliche Mitglieder von ihren 6- Im Fortgang der Sitzung hielt Mommsen seine Antrittsrede. em vom Präsidenten der Akademie veranstalteten Festmahle wohnten Feld⸗ marschall Graf Moltke, der Botschafter von Keudell und Mommsen gleichfalls bei

Theater. Hr. Ludwig Chronegk, der Ober⸗Regisseur des Herzog⸗ lich Sachsen⸗Meiningenschen Hoftheaters, ist bereits hier eingetroffen, um die Vorarbeiten, welche durch die am 1. Mai im

Friedrich⸗Wilhelmstädtischen Theater beginnenden Vor⸗ stellungen der Meininger Gäͤste bedingt sind, persönlich zu leiten.

Am Mittwoch findet im Woltersdorff⸗Theater die 96. Aufführung der Posse „Luftschlösser“ statt und zwar mit Frl. Josephine Pagey in der Rolle der Fr. Grillhofer. Hr. Direktor Thomas, der nach mehrtägigem Unwohlsein am Sonntag zum ersten Mal wieder aufgetreten ist, wird auch am Mittwoch wieder die Rolle des Pinneberg spielen.

Stadt⸗Theater. Der „historische Abend“, den das Stadt⸗ Theater am Sonnabend zum ersten Male und voraussichtlich, nach dem Beifall, den das übervolle Haus gespendet, zum ersten einer langen Reihe von Wiederholungen veranstaltet hatte, hat vielen Beifall gefunden. Nach einem „Trompeter⸗Aufzug“ des 16. Jahr⸗ hunderts eröffnete die Reihe das Fastnachtsspiel von Hans Sachs „Das heiß Eysen“ (hier von dem Gastspiel der Frau Seebach schon bekannt). Aber das Stadt⸗Theater gab es historisch treu; auf einem von altdeutschem Publikum besuchten Marktplatz stand das Schau⸗ gerüst, hinter dessen Vorhängen die Mitspielenden hervortreten, und alle drei, Hr. Vischer, der Bawr, Hr. Tewele, die Bawrin, Hr. Panzer, die Gevatterin, waren sehr komisch in ihrer steifen und doch lebensvollen Deklamation und Gestikulation. In diesem und dem folgenden Scherz, der nach einer Sarabande von Bach an die Reihe kam: „die ehrlich Bäckin mit ihren drei vermeinten Liebsten“ (von Jacobus Ayrer, 1619) wurden alle Frauenrollen von Männern gege⸗ den, nicht in absichtlicher Karrikatur, sondern treu nach der Geschichte der Schauspielkunst, weil es eben damals so Sitte war. Es ist ein übermüthiges Possenspiel, (welches seitdem in den Besitz der Clowns über⸗

egangen ist,) die Geschichte der Bäckin resp. Müllerin, die ihre

hisohaber in Säcke steckt —, welches nicht nur durch das treffliche Spiel des Hrn. Fritsche als Bäckerin, sowie das muntere Zu⸗ sammenwirken Aller, sondern auch noch durch die Einfachheit der Dekorationen viel Heiterkeit erregte; es wurden näm⸗ lich: Straße, Backstube, Markt, sogar Finsterniß nur durch herab⸗ elassene Schilder angedeutet. Nach Haydn's „Ochsenmenuett’ folgte aus dem 18. Jahrhundert „Hans Wurst, der traurige Küchel⸗ bäcker und sein Freund in der Norh“ (von Gottlieb Prehauser 1729), eine einfache Hanswurstiade, in der Hr. Tewele die Titelrolle sehr drastisch gab, Frl. Montegri ein Wiener Kind, und Frl. Gerber eine schwäbische Magd so prächtig gab, daß sie dreimal gerufen wurden. Dann folgte die Neuzeit: nach einem Walzer von Strauß das bekannte Lustspiel „Der letzte Kuß“, in dem Hr. Fritsche, Frl. Schröder und Frau v. Racowitza ein treffliches, feines Ensemble herstellten, lebendig und frisch in ihrem Spiel, und zuletzt die Satire: Eine reiche Erbin.

Auch das Belle⸗Alliance⸗Theater gab am Sonnabend vor ausverkauftem Hause zum 1. Male einen Historischen Lustspiel⸗ Abend, der so gefiel, daß das lebhaft animirte Publikum die Dar⸗ steller wiederholt, zum Theil bei offener Scene, hervorrief. Der Historische Lustspielabend, über den wir demnächst eingehender refe⸗ riren werden, dürfte auf längere Zeit seine Anziehungskraft be⸗ währen.

Redacteur: F. Prehm. Verlag der Expedrtion (Kessel).

Vier Beilagen

Berlin:

1

Druck: W. Elsner.

(einschließlich Börsen⸗Veilage).

zum Deutschen Reichs⸗Anzeiger und Königlich Preußisch

Landtags⸗Angelogenheiton.

Berlin, 24. April. Dem Hause der Abgeordneten ist der Entwurf eines Gesetzes, betreffend die Ver⸗ legung des Etatsjahres und die Feststellung des Staathaushalts⸗Etats für das Vierteljahr vom 1. Ja⸗ nuar bis 31. März 1877, vorgelegt worden. Derselbe lautet:

Wir Wilhelm, von Gottes Gnaden König von Preußen ꝛc. mit Zustimmung beider Häuser des Landtags der Msnarchie, was folgt:

§. I. Das Etatsjahr für den Staatshaushalt beginnt vom 1. April 1877 ab mit dem 1. April und schließt mit dem 31. März jedes Jahres. . §. 2. Der diesem Gesetze als Anlate beigefügte Staatshaus⸗ halts⸗Etat für das Vierteljahr vom 1. Januar bis 31. März 1877 wird in Einnahme ““ in Ausgabe 11131“ nämlich 8 v““ fortdauernden und

——

156,643,303 und 156,643,303 ℳ, 154,607,433 an

ö—..5“ einmaligen und außerordentlichen Ausgaben festgestellt.

§. 3. Die im §. 2 des Gesetzes vom 25. März d. J. (Ges. Samml. S. 35) für das Jahr 1876 ertheilte Ermächtigung zur Aus⸗ gabe von verzinslichen Schatzanweisungen wird auf die Zeit dis zum 31. März 1877 ausgedehnt.

§. 4. Der Finanz⸗Minister ist mit der Ausführung dieses Ge⸗ setzes beauftragt.

Urkundlich ꝛc. ꝛc.

Den Motiven entnehmen wir Folgendes:

Durch das Reichsgesetz vom 29. Februar d. J. ist die Bestim⸗ mung getroffen worden:

„Das Etatejahr für den Reichshaushalt beginnt vom 1. April

1877 ab mit dem 1. April und schließt mit dem 31. März jedes

Jahres.“

Die Staatsregierung ist der Meinung, daß hierdurch die Noth⸗ wendigkeit gegeben ist, auch für Preußen von dem gleichen Zeitpunkt ab das Etatsjahr auf den Zeitraum vom 1. April bis ult. März jedes Jahres zu verlegen.

Der Preußische Landtag hat sowohl im Jahre 1875 wie im Jahre 1876 erst im Januar berufen werden können, weil jedesmal der Deutsche Reichstas den vorangegangenen Herbst für seine Sitzun⸗

en in Anspruch genommen hatte. Es hat dies dazu genöthigt, für jedes dieser Jahre ein besonderes Gesetz zu erlassen, durch welches die Staatsregierung für das erste Quartal zur Fortleistung der Staats⸗ ausgaben ermächtigt wurde.

Auch im laufenden Jahre wird der Reichstag wieder im Herbst zusammentreten müssen, weil das Reichsbudget nur für die Zeit bis zum 31. Dezember 1876 festgestellt ist und der Etat für das Quartal, welches zwischen das Jahr 1876 und das mit dem 1. April 1877 be⸗ ginnende neue Etatsjahr fällt, vor dem Eintritt in diese Periode fest⸗ gestellt werden muß.

Für die weitere Zukunft ist allerdings in Aussicht ge⸗ nommen, die regelmäßigen Sessionen des Reichstages in die ersten Monate des Jahres zu verlegen. Es würden dann für die Sessionen des preußischen Landtages wieder die Monate vor Weihnachten frei bleiben. Aber auch wenn man diesen Zustand für die Folge als den regelmäßigen ansieht, wird darin kein Grund ge⸗ funden werden können, für Preußen das jetzige Etatsjahr beizubehal⸗ ten. So lange in Preußen Staatshaushalts-Etats unter Mitwirkung der Landesvertretung festgestellt werden, ist es nur zwei Mal gelun⸗ gen, die Feststellung vor dem Beginn des Etatsjahres zu erreichen, nämlich für das Jahr 1867 und das Jahr 1870. In allen anderen Jahren, auch vor der Errichtung des Norddeutschen Bundes und des Deutschen Reiches, also auch zu der Zeit, wo die Sessionen der preußischen Landesvertretung noch nicht durch Rücksichten auf die Vertretung des Nord⸗ deutschen Bundes resp. des Deutschen Reiches beschränkt waren, ist die Feststellung des Staatshaushalts⸗Etats immer erst erfolgt, nachdem schon ein mehr oder weniger großer Theil des Etatsjahres ver⸗ strichen war.

„Es ist dies unverkennbar ein nicht regelrechter Zustand. Er ent⸗ spricht weder der Natur der Sache noch der Absicht des Artikels 99 der Verfassungsurkunde, welcher bestimmt:

eAlle Einnahmen und Ausgaben des Staats müssen für

jedes Jahr im Voraus veranschlagt und auf den Staatshaushalts⸗

Sach rücht werden. Letzterer wird jährlich durch ein Gesetz fest⸗

gestellt.“

Dem Wesen eines Staatshaushalts⸗Etats entspricht es, daß 5 vor der Periode, für welche er gelten soll, festgestellt ein muß.

Diese Erfahrungen aus der Vergangenheit führen zu dem Er⸗ gebniß, daß auch dann, wenn die Monate vor Weihnachten für die Sitzungen des preußischen Landtages frei bleiben, der Regel nach nicht erwartet werden kann, daß der Staatshaushalts Etat vor dem 1. Ja⸗ nuar zur Feststellung gelangen würde. Es folgt daraus, daß nach Lage der bei uns bestehenden Verhältnisse die Eimichtung, welche das Etatsjahr mit dem 1. Januar beginnen läßt, keine zweckmäßige ist. Es würde daher, ganz abgesehen von der Rücksicht auf das Reich, schon allein durch die hier hervorgehobenen Umstände für Preußen früher oder später die Nothwendigkeit eingetreten sein, eine Verlegung seines Etatsjahres ins Auge zu fassen.

Zu diesen Gründen tritt nunmehr, gen das Reich mit dieser

Maßregel vorangegangen ist, das wesentliche Moment hinzu, daß es von dem erheblichsten Interesse ist, daß Preußen mit dem Reich ein und dasselbe Etatsjahr hat. Der Reichshaushalt steht mit dem Staatshaushalt Fashen⸗ im engsten Zusammenhang, zunächst durch die Einrichtung der Maͤ⸗ trikularbeiträge, sodann dadurch, daß die Einnahmen des Reichs an Zöllen und indirekten Steuern nach der Reichsverfassung von den Einzelstaaten erhoben und verwaltet werden, und daß die Ausgaben für Militärzwecke in den preußischen Provinzen überall durch die preußischen Staatskassen geleistet und verrechnet werden. Wollte man für Preu⸗ ßen ein anderes Etatsjahr festhalten als das für das Reich bestimmte, so würde dies zu großen Unzuträglichkeiten fer die Verwaltung führen, und es würde 3 für die Statistik ein sehr erschwerender und stö⸗ render Umstand sein, wenn die Jahresergebnisse für das Reich sich auf einen anderen Zeitabschnitt bezögen, als die in Vergleichung zu ziehenden Ergebnisse für die Einzelstaaten.

„Eine Verlegung des Etatsjahres für den Haushalt des Staates wird nicht ohne Rückwirkung auf manche Beziehungen des bürgerlichen und geschäftlichen Lebens bleiben.

Das Veranlagungsjahr für die direkten Staatssteuern wird mit dem neuen Etatsjahr in Uebereinstimmung zu bringen sein. Dadurch werden voraussichtlich die Stadtkommunen und nicht minder auch die uͤbrigen kommunalen Verbände im Lande, welche vielfach ihre Steuern in der Form von Zuschlägen zu den Staatssteuern erheben, genöthigt sein, auch ihrerseits das veränderte Etatsjahr anzunehmen.

Daß ferner die Privateisenbahnen möglichst bald ihr Verwal⸗ tungsjahr mit dem Etatsjahr in Uebereinstimmung setzen, welches für die Staatsbahnen gilt, kann nur lebhaft gewünscht werden.

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Erste Beilage

Berlin M

Dem Abgeordnetenhause ist ein Gefetzentwurf vorgelegt worden, nach welchem sich der Staat an dem Unternehmen einerd- 58 Itzehoe über Wilster, Taterphal und Meldorf nach Heide führenden Verlängerung der Glückstadt⸗Elms⸗ horn⸗Itzehoer Eisenbahn durch Uebernahme von 1,014,750 der zu diesem Zweck auszugebenden Stammaktien der Glückstadt⸗ Elmshorner Eisenbahngesellschaft betheiligt.

Zur Eisenbahnfrage. 1 (Vergl. Nr. 90 d. Bl.) „Das neueste 6. Heft von Hirth's Annalen bringt in einem längeren Artikel „Versuch einer objektiven Erwägung der entgegen⸗ zesetzten Standpunkte“ instruktive Materialien zur Eisen⸗ ahnfrage, ans denen wir die folgende „Skizze der geschichtlichen Ent⸗ wicklung des Eisenbahnwesens in den Heutschland benachbarten Län⸗ dern“ im Wesentlichen wiedergeben.

In England ist das Eisenbahnwesen darauf gegründet, daß das Parlament für jeden einzelnen Fall die Konzession ertheilt. Solcher Konzessionen wurden von 1825, dem Eröffnungssahrf der Eisenbahn Stockton⸗Darlington, bis 1830, wo als zweite Bahnstrecke diejenige von Liverpool nach Manchester eröffnet wurde, 30 ertheilt, von 1831 1835: 49. Zu jener Zeit aber ging man noch von der Vorstellung aus, daß die Bahngesellschaften nur als Besitzer der Ver⸗ kehrsstraße, nicht als Monopolisten des Frachtverkehrs figuriren sollten; erst 1839 wurde durch eine Parlamentskommission die Un⸗ durchführbarkeit dieses Gedankens anerkannt. 1836 wurde ein Eisen⸗ bahngesetz erlassen, welches allerdings nur gewisse Feeen für die Post den Bahnen auferlegt und ein sehr oberflächliches Ueberwachungs⸗ recht des Staates über sie in Anspruch nimmt. Im Jahre 844 waren schon 3300 Kil. in Betrieb. Nun kam die Zeit des Eisen⸗ bahnschwindels, während deren (1844 1847) 637 für eine Strecke von zusammen 15,000 Kil. und ein Kapital von über 250 Mill. Pfd. Sterl. ertheilt wurden. Die Reaktion machte sich nicht nur in dem Fallenlassen vieler Projekte und den schlechten Erträgen vieler Linien, sondern auch in einem Konkurrenzkampfe der verschiedenen Linien fühlbar; während desselben wurden z. B. die Personentarife zwischen London und Manchester auf ¼ % herabgedrückt. An diesen Konkurrenzkampf schloß sich nun wieder die Periode der Fusio⸗ nirungen, welche heute noch fortdauert. Die London⸗North⸗Western⸗ Bahn z. B. umfaßt die Linien von 60 früher selbständigen Gesell⸗ schaften. Ohne Zweifel hat dies einen rationellen Betrieb sehr ge⸗ fördert und dabei die Finanzlage der Bahnen sowohl, wie ihre Leistungsfähigkeit ungemein verbessert; andererseits aber ist die Kon⸗ kurrenz zwischen den einzelnen Bahnen hierdurch auf ein geringes Maß reduzirt und eine wirksame Staatsaufsicht außerordentlich erschwert worden. Inzwischen sind die großen Eisenbahngesellschaften immer mächtiger geworden und die Versuche zur Erreichung besserer Sicher⸗ beits⸗Vorkehrungen und dgl. sind zurückgewiesen worden. Das Einzige, was die Selbstherrlichkeit der Basnen sehr beschränkt, ist ihre sehr aus⸗ gedehnte, dabei energisch gehandhabte Ersatzpflicht bei Schädigungen von Personen und Eigenthum. In neuerer Zeit hat in Folge dieser Umstände die Forderung, daß der Staat die Bahnen an sich ziehen solle, sehr an Boden gewonnen.

In Frankreich, wo das Eisenbahnwesen ziemlich spät ein⸗ drang (erst 1832 wurde die erste kleine Lokomotivbahn eröffnet und 1841 stand Frankreich in der Länge der im Betrieb befindlichen Linien weit hinter Deutschland zurück), suchte die Regierung durch Zins⸗

arantien und sonstige Formen eines direkten Eingreifens den Eisen⸗ ahnbau zu unterstützen. Als die von der Regierung übernommenen Lasten auf diese Weise sehr hoch angeschwollen waren und zudem die Stürme des Jahres 1848 den Stand der Bahnen verschlechtert hatten, ergriff man ein anderes Mittel: man verlängerte die Konzessionen auf 99 Jahre, erzwang aber zugleich die Fusionirung sämmtlicher Bahnen in sechs große Gesellschaften, wie sie heute noch (mit ver⸗ Flcschamense geringen Ausnahmen) in Kraft ist. Da nun diese Ge⸗ ellschaften ein faktisches Monopol besaßen bezw. erhielten, so glaubte man ihnen auch starke Lasten auferlegen zu können, und zwar nament⸗ lich betreffs Erbauung von Sekundärbahnen. Später mußte der Staat allerdings doch wieder eine Zinsengarantie für diese Sekundär⸗ bahnen übernehmen, tauschte aber dafür die Gewährung sehr weit⸗ gehender Aufsichtsrechte ein.

Oesterreich machte Anfangs den Versuch mit dem Staats⸗ bahnsastem, vermochte dasselbe aber nicht durchzuführen, verkaufte seine Bahnen und ist damit zum Privatbahnensystem übergegangen; doch tritt neuerlich ein starkes Streben hervor, die urspruͤngliche Idee wieder aufzunehmen. Italien ist schon durch den Um⸗ ftand, daß seine Privatbahnen durchgehends in den Händen ausländi⸗ scher Gesellschaften sind, dazu gedrängt, dieselben für den Staat zu erwerben, und hat dies in jüngster Zeit in Angriff genommen. Die Schweiz, welche ursprünglich nur Privatbahnen hatte, ist im Be⸗ griffe, ein ansehnliches System von Staatsbahnen zu erhalten, und wird dann also ein gemischtes System, jedoch immerhin mit Vor⸗ wiegen des privaten Charakters, haben. Belgien hat zwar nominell ein gemischtes System und in neuerer Zeit hat die Zahl der dortigen Privatbahnen zugenommen, doch stehen dieselben alle unter Staats⸗ verwaltung. Die Niederlande haben umgekehrt der Hauptsache nach Staatsbahnen, dieselben sind aber verpachtet. Was endlich die Vereinigten Staaten betrifft, so besitzen dieselben nur Privat⸗ bahnen; doch macht sich gegenwärtig Seitens der sog. Grangers (Farmerpartei) eine lebhafte Agitation für Uebergang zum Staats⸗ bahnensystem fühlbar.

Die Nr. 8 des Centralblatts der Abgaben⸗, Ge⸗ werbe⸗ und Handels⸗Gesetzgebung und Verwaltung in den Königlich preußischen Staaten hat folgenden Inhalt: Erkenntniß des Königlichen Obertribunals, Zollbeamte sind befugt, in Ausübung ihres Dienstes auch Privatwege zu betreten. Wegfall der Brustschilder des Grenzaufsichtspersonals. Umwechselung von Reichsgoldmünzen und coursfähigen Landessilberscheidemünzen. Veränderungen in den Zoll⸗ und Steuerstellen. Verzollung ge⸗ tragener seidener und halbseidener Herrenhüte. Steuerbefreiung des zur Fabrikation von Bleiweiß und Bleizucker zu verwendenden Spiritus. Denaturirung sogenannter Abfallsalze.

Nr. 3 des „Ministerial⸗Blatts für die gesammte innere Verwaltung in den Königlich preußischen Staaten“, herausgegeben im Bureau des Ministeriums des Innern, hat folgenden Inhalt: Cirkular, die Einführung von Geschäfts⸗ Kontrolbüchern bei den Verwaltungsgerichten betreffend, vom 13. Fe⸗ bruar 1876. Verfügung, die Bekanntmachung der Königlichen Verordnungen wegen Enteignung des Grundeigenthums betreffend, vom 5. März 1876. Statistische Uebersicht über das Verhältniß der Taufen zu den Geburten und der kirchlichen Trauungen zu den bürgerlichen Eheschließungen bei den evangelischen Gemeinden der älteren preußischen Provinzen im 4. Quartal 1874. Verfügung, die polizeilichen Anordnungen wegen der mit Finnen den e Schweine betreffend, vom 16. Februar 1876. Cirkular, die Be⸗ folgung der Vorschriften wegen Anfertigung von Rezepten Seitens der Apotheker betreffend, vom 31. Januar 1876. Erkenntniß des Kö⸗ niglichen Gerichtshofes zur Entscheidung der Kompetenz⸗Konflikte vom 13. November 1875. Für Streitigkeiten der Armenverbände über die öffentliche Unterstützung Galfsbedürftiger sind nicht die ordentlichen

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Gerichte, sondern die Verwaltungsgerichte zuständig. Cirkular,

die Veröffentlichung der Marktpreise durch die Amtsblätter betreffend, vom 26. Januar 1875. Verfügung, die Vereinnahmung des Erlöses aus dem Verkaufe konfiszirter Maße, Gewichte ꝛc. be⸗ treffend, vom 25. Januar 1876. Cirkular, die Auslieferung von Verbrechern zwischen Preußen und Oesterreich betreffend, vom 31. Dezember 1875. Cirkular, das Verfahren bei Abnahme der Legitimationspapiere nordamerikanischer Staatsangehöriger betreffend, vom 18. Januar 1876. Verfügung, die Berechtigung der Medizinal⸗ beamten für Untersuchung und Bescheinigung der körperlichen Brauch⸗ barkeit der als Gensdarmen anzustellenden Unteroffiziere, Gebühren liquidiren zu können, betreffend, vom 11. Dezember 1875. Erlaß, die Zulässigkeit, Kindern unter 14 Jahren das Feilbieten von Waaren, das Musikmachen und Darbieten von Schaudarstellungen in öffentlichen Schanklokalen zu untersagen, betreffend, vom 29. De⸗ zember 1875. Cirkular, die Behandlung von Begnadigungs⸗ gesuchen solcher Personen, welche wegen unbefugten Betriebes der Gast⸗

wirthschaft ꝛc. bestraft sind, betreffend, vom 16. Februar 1876. 8

Erkenntniß des Gerichtshofes zur Entscheidung der Kompetenz⸗Kon⸗ flikte, vom 8. Januar 1876. Cirkular, die Vertheilung der Ein⸗ quartierungslast betreffend, vom 4. Februar 1876. Cirkularerlaß die amtliche Feststellung und Veröffentlichung der Schlachtviegpreise betreffend, vom 31. Januar 1876. Cirkular, die Behandlung der

Gestüt⸗Bausachen und die eventuelle Remunerirung der Baubeamten 8 8

betreffend, vom 4. März 1876.

Land⸗ und Forstwirthschaft. 8

Aus Caub wird dem „Rhein. Kur.“ unterm 21. April ge⸗ schrieben: „Der gegenwärtige Stand der Weinberge berechtigt für dieses Jahr wiederum zu den schönsten Erwartungen.

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Das Holz, 8

welches durch die überaus gute Witterung des verflossenen Herbstes

zur vollständigen Reife gelangt war, hat durch die strenge Kälte des

Winters nicht gelitten. Beim Schneiden der Weinberge hat es viele, dabei schöne und kräftige Tragreben, die erste Bedingung eines gesea- neten Herbstes, gegeben. Treten keine Nachtfröste mehr ein und ver⸗

läuft die Zeit der Bluͤthe gut, so ist in quantitativer Beziehung wie-⸗

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Durch die trockene Witterung

der ein guter Herbst zu erwarten. während der letzten vier Wochen sind die Hauptfrühjahrsarbeiten in

den Weinbergen, Schneiden, Sticken, Binden ꝛc, schon so weit 961 G 8

fördert, daß soeben die letzte Hand an dieselben angelegt wird.

Gewerbe und Handel.

Köln, 23. April. Mindener Eisenbahngesellschaft macht bekannt, daß der Rechnungsabschluß pro 1875 eine Dividende von 4 %⁄10 % ergebe. 8

Die Provinzial⸗Gewerbe⸗Bank hierselbst vertheilt füuür Das Gewinn⸗ und Ver.

das Jahr 1875 eiue Dividende von 1 %.

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lustkonto ergiebt einen vertheilbaren Reingewinn von 474,370 Der Bruttogewinn beziffert sich auf 575,764 ℳ, wovon 452,065 44 auf die aus dem Rückkauf eigener Aktien gezogenen Erlös enthalten.

(W. T. B.) Die Direktion der Köln-

Der Gewinn von 474,370 wird in folgender Weise verwendet: Abschreibung auf Konto⸗Korrentkonto 75,000 ℳ, auf Grundstücks.

konto 60,000 ℳ, Uebertrag auf Spezial⸗Reservefondskonto 300,000 ℳ,

1 % Dividende auf 3,750,000 Aktienkapital 37,500 und Vor-

trag auf neue Rechnung 1870

In der Generalversammlung der Großen Berliner 8

Pferde⸗Eisenbahngesellschaft

M. 94 Aktionäre anwesend,

vom 22. d.

tragte Erhöhung des Anlagekapitals um 3 Mill. Mark. Die Häͤlfte der neu auszugebenden Aktien ist Seitens der ersten Zeichner den Aktionären zum Paricourse überlassen worden. Dem Geschäftsbericht der Pfälzischen Eisenbahnen entnehmen wir folgende Daten: Die fusionirten Bahnen umfassen folgende Limen: Ludwigsbahn mit 6 Zweigbahnen 35,40 Meilen, Max⸗ bahn mit 3 Zweiglinien 12,64 Meilen, Nordbahnen (Landstuhl⸗Kusel,

Alsenzbahn, Zellerthalbahn, Donnersberger Bahn, Neustadt⸗Dürkheim, 21,2s8 Meilen. Die Gesammtlänge beträgt sonach Ende 1875: 70,02 Meilen gegen 59,73 Meilen in 1874. Die Gesammteinnahme in 1875 betrug 7,317,241 Fl. gegen 1874 mehr 204,946 Fl. Be⸗ triebseinnahmen betragen 1,745,830 Fl. aus dem Personenverkehr und 5,286,474 Fl. aus dem Güterverkehr. An Miethertrag aus Grundstücken fließen 10,172 Fl., Pachtertrag von Lager⸗ plätzen ꝛc. 46,153 Fl. Erlös von veräußerten Mobilien 129,411 Fl. zu. An zufälligen Einnahmen figuriren 60,158 Fl. und die Zinsen der Bestände betragen 7,317,241 Fl. Die Betriebsaus⸗ Pesn betragen für die allgemeine Verwaltung 171,629 Fl., für die ahnverwaltung 1,688,957 Fl., für die Transportverwaltung 649,885 Fl. Auf die Verzinsung des Aktienkapitals der Ludwigs⸗ bahn kommen 464,290 Fl., auf die Maximiliansbahn 304,830 Fl. und die Nordbahnen 435,343 Fl. Die Prioritätszinsen der Ludwigs⸗ bahn kosten 598,501 Fl., die der Maximiliansbahn 81,411 Fl. und die der Nordbahnen 236,239 Fl. Für Amortisation werden 82,600 Fl. gebraucht, für verschiedene Passivzinsen 120,570 Fl. Die Ausgaben betragen zusammen 6,741,687 8r wonach ein Aktivrest von 575,554 Fl. zur Verfügung der Generalversammlung verbleibt.

München, 22. April. (Bayer. Hand. Ztg.) Das Ministerium des Innern hat von der oberpfälzischen Handels⸗ und Gewerbekam⸗ mer die Mittheilung von Fälschung französischer und elsässischer Mehle mit Schwerspath erhalten, die besonders in Altbayern massenhaft zum Verkauf kommen. Der Minister hat deshalb die Regierungen beauftragt, die Distrikts⸗ und Ortspolizeibehörden anzu⸗ weisen, im Einvernehmen mit den Bezirksthierärzten technische Prü⸗ fungen vornehmen zu lassen und etwaige Wahrnehmungen zur Anzeige zu bringen.

Wien, 22. April. (W. T. B.) In dem zwischen der Regie⸗ rung und der Prag⸗Duxer Bahn getroffenen Uebereinkommen verspricht die Regierung, wie die „Presse“ meldet, ein Dar⸗ lehen von einer Million Gulden behufs Ausbau der Bahnstrecke Bruex⸗Mulde und zum Zweck der Tilgung der schwebenden. Schuld und sichert die Einbeziehung der Bahngesellschaft in die Eisenbahnsanirung zu. Das Darlehen soll vor Schluß des lauf en⸗ den Jahres ausgezahlt werden, mit 5 vom Hundert verzinslich sein und in 24 gleichen Halbjahrsquoten, vom Juli 1880 ab bits zum Jahre 1892, zurückgezahlt werden. Das Darlehen besitzt s. 9. eisen⸗ bahnbuchmäßigen Vorrang vor den Prioritäten, der Aus vau der Strecke Bruexr⸗Mulde muß am 1. Juni d. J. beginnen. Um letzte⸗ res zu ermöglichen, hat der Kurator Lederer bereits eine Ver⸗ einbarung mit der Anglobank und den Bankhäuserr“ Springer u. Erlanger wegen eines von letzteren zu gewährende’n Vorschusses von 600,000 Fl. abgeschlossen, der s. Z. aus dem Voeschuß der Re⸗ se anns zurückgewährt werden soll. Diesem Vorschufse muß, falls der

eichsrath etwa die bezügliche Regierungsvorlage später ablehnen sollte, gleichfalls der eisenbahnbuchmäßige Vorrarlgg vor den Priori⸗ täten gewährt werden und hat der Kurator die zu allen diesen Ver⸗ einbarungen erforderliche Genehmigung und Ermächtigung beim Prager Handelsgerichte bereits nachgesucht.

Brüssel, 22. April. (W. T. B.) Die Nati den Diskont von 3 auf 2 ½ % herabhgesetzt. 8

Verkehrs⸗Anstelten. Triest, 23. April. (W. T. B.) Der Lloyddampfer

„Progresso“ ist mit der ostindisch⸗chinesischen Ueverlandpost heut Nachmittag 1 Uhr hier eingetroffen. vinesisch verlandpost heute

waren 1 die 3,691,500 Aktienkapital vertraten. Bilanz und Geschäftsbericht wurden genehmigt, wie auch die bean-.—

lbank hat