1876 / 102 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Sat, 29 Apr 1876 18:00:01 GMT) scan diff

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Ich habe, glaube ich, nicht gesagt, daß Hr. von der Sandt erade Sozialist wäre, sondern daß die Leute, die sich um ihn grup⸗ pirt hätten, oder die Mehrzahl der Versammlung aus den dort

sehr zahlreichen Sozialisten bestanden hätte. Hr. von der

Sandt gehört nach den Nachrichten, die mir aus dem Herzogthum auf meine Anfrage zugegangen sind, der ultramontanen Partei an, und nach seinem eigenen Zeugniß soll die Sektion dieser Partei, der er angehört, 17 Mitglieder zählen. Daß sich nun an ihn, weil er

ich seiner Stellung nach in einer Opposition gegen die Staats⸗

egierung befindet, deren Berechtigung ich hier nicht erörtern will, sich nun an ihn als Krystallisationspunkt, weil er wahrscheinlich der Befähigste unter der dortigen Opposition sein wird, die sozialisti⸗ schen Oppositionselemente anschließen, das ist wohl nicht unerwartet und auch nicht beispiellos. Gewiß kann Hr. von der Sandt dies nicht verhindern, sonst kann ich mir nicht denken, daß bei seiner eben bezeichneten Parteirichtung ihm diese Elemente angenehm sein würden.

b Im Uebrigen, da der Herr Vorredner weiter keine Abänderungs⸗ anträge stellt, so glaube ich, auch die Diskussion nicht aufhalten zu sollen, und enthalte mich auf die Sache weiter einzuzehen.

. Dem Abg. Windthorst (Meppen) erwiderte der Reichskanzler Fürst v. Bismarck:

8 Ich halte den Vorwurf der Unfreundlichkeit doch nicht für be⸗ gründet. Mit der wissenschaftlichen Genauigkeit. die dem ersten Herrn Redner eigenthümlich ist, wurde der Charakter des Hrn. von der Sandt hier öffentlich untersucht und die Diagnose davon gestellt.

8 Es wurde angenommen, ich hätte ihn für einen Sozialisten gehalten und nachgewiesen aus seiner ganzen gesellschaftlichen Stellung,

dies sehr unwahrscheinlich sei, da er sich in einer zu wohlhäbigen und annehmlichen Lage befände, um Sozialist sein zu können.

Das hätte ja viel Wahrscheinliches für sich. Ich habe darauf weiter bemerkt, ich hätte gerade diesen als einen Sozialisten umso⸗ weniger bezeichnet, als ich in meinen Akten von den Lokalbehörden

einen Bericht habe, nach dessen Worten er der ultramontanen Partei

aangehört, und es wird dabei hinzugefüst: er gelte sogar als ein Organ der Zentrumsfraktion.

1 Daß der Bericht damit etwas ich weiß nicht mehr, wie der letzte Herr Redner sich ausdrückte Feindliches gegen die Cen⸗ frumsfraktion sagen weollte, glaube ich nicht; ich habe einfach die

Thatsache konstatirt. Den Ausdruck „ultramontan“ haben die Herren

nie von sich abgelehnt, sondern, wie mir aus zehnjähriger parlamen⸗

tarischer Erinnerung bekannt ist, haben z. B. der Hr. Abgeordnete

Reichensperger und sein geehrter Herr Bruder ihn wiederholt und

öffentlich auf der Tribüne für sich in Anspruch genommen, und ich wyüßte auch eigentlich nicht, wie ich die damit benannte Partei, die die Centrumsfraktion unter uns vertritt, historisch und sachlich an⸗

ers bezeichnen sollte. Eine Verletzung liegt fast in jeder Parteibe⸗ zeichnung; sobald sie aus dem Munde eines Angehörigen einer an⸗ deren Partei kommt, wird ste sehr leicht darin gefunden und damit verbunden; bei mir aber nicht! Ich habe mich nachgerade daran gewöhnt, die Sache objektiv zu betrachten Wenn der Herr Vorredner mir eine andere Bezeichnung vorschlagen will, die er lieber hört, so bin ich gerne bereit, für die Zukunft mich derselben zu bedienen.

3 Im weiteren Verlaufe der Sitzung nahm in der ersten

Berathung über den Gesetzentwurf, betreffend die Betheiligung

des Staates an dem Unternehmen einer Eisenbahn on Itzehoe über Wilster, Taterphal und Meldorf

nach Heide, der Handels⸗Minister Dr. Ach enbach den Aus⸗ führungen des Abgeordneten Windthorst (Meppen) gegenüber das Wort:

Meine Herren! Ich glaube schwerlich, daß der von dem Herrn

Vorredner angeführte Grund die Billigung dieses hohen Hauses finden

wird. Nirgends ist von der Regierungsbank der Satz aus⸗ esprochen worden, daß die Verwaltung der Eisenbahnen Sei⸗ ens der einzelnen Landesbehörden eine derart schlechte sei,

daß aus diesem Grunde es erforderlich erscheine, das Reich in den

Besitz und die Verwaltung der Bahnen zu setzen. Die Gründe, welche

für eine solche Maßregel sprechen, sind dem hohen Hause hinlänglich

bekannt, und ich brauche sie deshalb hei dieser Gelegenheit nicht zu wiederholen. Warum aber der in Aussicht genommene Uebergang der

Bahnen auf das Reich als ein Grund angeführt werden könnte, in

er Zwischenzeit alle Maßregeln, welche zur Verbesserung des Eisenbahn⸗ wesens dienen, zu sistiren, vermag ich meinerseits in keiner Weise einzusehen;

ich glaube, es ist dies nur eine Taktik der ganz entschiedenen Gegner der Vorschläge der Regierung, um ihr irgend eine Verlegen⸗ heit zu bereiten. In der That würde im vorliegenden Falle der Re⸗ gierung ein ganz empfindlicher Stoß versetzt werden, wenn das hohe

Haus aus einem solchen Grunde die zegenwärtige Vorlage ablehnen

ollte. Denn wohlgemerkt, meine Herren, es handelt sich hier, wie auch der erste Herr Redner hervorgehoben hat, um eine Vorlage, die wesentlich aus der Initiative der Interessenten selbst hervor⸗ gegangen ist; es handelt sich um ein Unternehmen, das, glaube ich, gerade aus dem gegebenen Grunde den Beifall des gesammten

Hauses finden kann. Hier ist in der That ein neutrales Gebiet vorhanden, auf dem sich alle Ansichten vereinigen kön⸗ nen. Die Interessenten selbst rufen durch eine Aufopferung, durch eine Anstrengung, die einer Nachahmung im ganzen Lande würdig ist, ein solches Unternehmen ins Leben, und ker Staat bictet seine hülf⸗ reiche Hand, damit die so lange erwartete Eisenbahn endlich zu Stande komme. Meine Herren, ich hätte in der That den Wunsch, daß das, was der Hr. Abg. Lipke gewissermaßen zu fürchten scheint, eintrete, daß das Beispiel, welches uns die Provinz Schleswig⸗Holstein bietet, im übrigen Lande reichliche Nachahmung finden möge; ich hege auch

die Hoffnung, daß in einem solchen Falle das hobe Haus jederzeit bereit sein wird, die eifrige Thätigkeit der Interessenten selbst zu unterstützen, und ich gehe ferner von der Ansicht aus, daß der Hr. Abg. Lipke sich wesentlich auf demselben Boden in dieser Frage mit mir bewegt. Hier bauen wir nicht selbst, wie der Hr. Abg. Windthorst bemerkte, son⸗ dern es ist eine Bahn der betheiligten Landestheile. Eine besondere Freundschaft werden übrigens die Schleswig⸗Holsteiner aus den

Aeußerungen des Hrn. Windthorst gerade nicht herausfühlen, da er

sie gewissermaßen zum Opfer derjenigen großen Streitfragen machen

will, welche augenblicklich die verschiedenen Parteien in diesem Hause und in anderen Kreisen erfüllen und bewegen. Es ist das in der That ein Weg, der, wie mir scheint, sicherlich nicht geeignet erscheint.

Richte doch der Hr. Abg. Windthorst seine Angriffe, seine Opposition

an eine andere Adresse, aber lasse er unsere Landsleute in Schleswig⸗

Holstein nicht unter seiner Auffassung leiden.

Ich empfehle daher diese Vorlage dem Wohlwollen des hohen

Hauses und habe selbstverständlich nichts dagegen zu erinnern, daß, wenn dieselbe in der Budgetkommission oder in einer anderen Kom⸗ mission einer näheren Prüfung unterzogen werden soll, diese Prüfung statifinde.

Der Abg. Miquel sprach hierauf den Wunsch aus, durch

die sofortige zweite Berathung der Vorlage im Plenum der

Regierung hierüber ein zustimmendes Votum des Hauses zu

eben. Demselben stimmten die Abgg. Dr. Wehrenpfennig und

r. Hänel, sowie der Handels⸗Minister Dr. Achenbach bei. Der Letztere erklärte:

Es ist richtig, daß die Vorlage des vorigen Jahres in erster und weiter Berathung in diesem Hause erledigt und nicht an die udgetkommission verwiesen worden ist. Ich“ glaube auch,

daß es recht wohl möglich sein wird, die weitere Be⸗ rathung des gegenwärtigen Entwurfs im Plenum des hohen Hauses stattfinden zu lassen, zumal die Regierung ihrerseits sich gern bereit erklärt, jeder Anforderung, welche aus diesem hohen Hause wegen Aufklärung des Sachverhaltes an sie gelangen sollte, nach allen Richtungen hin Folge zu geben. Ich bin bereit, jede gewünschte Auskunft zu ertheilen. Andererseits muß ich natürlich wiederholen, daß ich von meinem Standpunkte aus mich einem etwaigen anderen Be Hazuses nicht widersetze.

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22 Antrag auf Kommissionsberathung wurde hierauf ab⸗ elehnt. ¹ Es folgte der mündliche Bericht der Budgetkommission, be⸗ treffend den Nachweis über die Verwendung des im Etat der Eisenbahnverwaltung für das Jahr 1874 unter Titel 49 der einmaligen und außerordentlichen Ausgaben aus⸗ gesetzten Dispositionsfonds von 300,000 Thalern. Na⸗ mens der Budgetkommission beantragte der Referent Abg. Dr. Hammacher: „auszusprechen, daß die Rechenschaft über Verwendung des im Etat der Eisenbahnverwaltung pro 1874 zu unvorhergesehenen außeror⸗ dentlichen Ausgaben für die Staatseisenbahnen ausgesetzten Dispo⸗ sitionsfonds ad 300,000 Thaler durch den vorliegenden Bericht nach Vorschrift des Etatszesetzes pro 1874 ordnungsmäßig gegeben ist.“

Der Antrag der Kommission wurde angenommen und eine nochmalige Abstimmung über denselben abgelehnt.

Den mündlichen Bericht der Budgetkommission über die Rechnungen der Kasse der Ober⸗Rechnungskammer für das Jahr 1874 erstattete der Referent Abg. Osterrath. Derselbe begrün⸗ dete den Antrag der Kommission:

„Die Rechnung der Kasse der Ober⸗Rechnungskammer für das Jahr 1874 wird, nachdem sie von dem Hause der Abgeordneten ge⸗ prüft ist, hiermit, soweit sie sich auf die preußische Verwaltung be⸗ zieht, dechargirt. Gleichzeitig wird die Königliche Staatsregierung zu einer Erklärung darüber aufgefordert, weshalb der Rendant und der Controleur dieser Kasse nicht, dem Gesetz vom 25. März 1873 entsprechend, Kaution bestellt haben.“

Eine einmalige Abstimmung über den Antrag wurde für genügend erklärt, und derselbe mit der Resolution, letztere gegen den Wunsch des Regierungskommissars, Geh. Regierungs⸗Rath Böttcher, angenommen.

Hierauf trat das Haus in die erste Berathung des Gesetz⸗ entwurfs, betreffend die Umzugskosten der Staats⸗ beamten.

Die Abgg. Windthorst (Bielefeld), Löwenstein und Kallen⸗ bach machten auf verschiedene Mängel der Vorlage aufmerk⸗ sam und beantragten Verweisung der Vorlage an die Budget⸗ kommission, welche auch nach einigen Bemerkungen des Abg. Graf Bethusy⸗Huc und des Regierungskommissars Geheimen Rath Rudorff beschlossen wurde. Schluß 3 ¾ Uhr.

In der heutigen (45.) Sitzung des Hauses der Abgeordneten, welcher am Ministertische der Präsident des Staats⸗Ministeriums, Reichskanzler Fürst v. Bismarck, der Vize⸗ Präsident des Staats⸗Ministeriums, Finanz⸗Minister Camp⸗ hausen, der Minister des Innern, Graf zu Eulenburg, der Handels⸗Minister Dr. Achenbach, der Minister für die landwirth⸗ schaftlichen Angelegenheiten, Dr. Friedenthal, sowie der Ministerial⸗ Direktor Weishaupt und andere Kommissarien beiwohnten, trat das Haus in die zweite Berathung des Gesetzentw urfs, be⸗ treffend die Uebertragung der Eigenthums⸗ und sonstigen Rechte des Staates an Eisenbahnen auf das Deutsche Reich. Der Staats⸗Minister Dr. Friedenthal wies zunächst auf die Unzuträglichkeiten hin, welche die jetzigen Zustände und Verhältnisse in dem Eisenbahnwesen speziell auf die Landwirthschaft aus⸗ geübt haben. Er hob besonders die große Anzahl der ver⸗ schiedenen Tarife hervor, die Höhe derselben, die nothwendig aus der jetzigen Interessenwirthschaft resultire, die Unmöglich⸗ keit einer schnellen Verbindung der See mit den Kontinental⸗ staaten unter den jetzt herrschenden Zuständen und die dadurch entstehende Aufhebung des möglichen Nutzens der Eisenbahnen, z. B. bei Herbeiführung frischer Fische, endlich die Schäden der augenblicklichen Form der Differentialtarife. Ir Abg. Frhr. v. Schorlemer⸗Alst erklärte, daß er den besten eweis für die ihm imputirte Reichsfeindlichkeit geben würde, wenn er für die Vorlage stimmte. Er trat der Behauptung des Vorredners entgegen, daß die Landbevölkerung der Vorlage freundlich gesinnt sei, weil sie noch gar keine Gele⸗ genheit gehabt habe, sich darüber zu äußern. Die jetzigen Uebel⸗ stände würden sich auch nicht bessern, wenn an Stelle Preußens das Reich das preußische Staatsbahnsystem ühernähme. Der Redner suchte sodann den Beweis zu führen, daß die dem Gesetzentwurfe beigegebenen Motive zu demselben nicht paßten, also denselben nicht begründeten. Er tadelte das Uebereilte der Vorlage, und bedauerte, daß man einseitig die Initiative ergreife, ohne der Zustimmung des anderen Kon⸗ trahenten, des Reiches, gewiß zu sein. Der Gedanke der Erwerbung aller Bahnen durch das Reich stehe trotz der entgegen⸗ gesetzten Versicherungen immer im Hintergrunde. Das Ka⸗ pital, das sich eber erst wieder dem Grundkredit angefangen habe zuzuwenden, werde demselben durch die Ausgabe von Staatsschuldtiteln wieder entzogen werden. Die Mißstände der Differentialtarife müßten durch ein Reichs⸗Eisenbahngesetz be⸗ seitigt, nicht aber durch die Unterlassung der Emanation eines solchen ein Kompelle für den Ankauf der Bahnen durch das Reich geübt werden. Durch einen solchen Ankauf werde die Aera der Agiotage wieder eröffnet werden. Der Abg. Graf Bethusy⸗Huc glaubte, daß mit der Zustimmung zu der Vorlage Niemand eine Präjudiz für seine Haltung im Reichs⸗ tage schaffe, indem er dadurch nur für die freie Diskussion Raum schaffe, er werde aber im Reichstage seine Zustimmung zu einer weiter gehenden Vollmacht nur dann geben können, wenn er die Ueberzeugung habe, daß die allmähliche Ver⸗ wirklichung des Planes wegen Ankaufs sämmtlicher Bahnen durch das Reich angestrebt werde. Der Redner wies so⸗ dann auf die feste Koalition der Regierung mit der vereinigten nationalliberalen und freikonservativen Partei hin, welche durch die prinzipielle Opposition der Fortschrittspartei und des Centrums noch mehr gestärkt werde und welche sich auch in dieser Frage erproben werde. (Beim Schluß des Blat⸗ tes dauerte der Vortrag des Redners fort.)

Die Einnahmen im Deutschen Reich an Zöllen und gemeinschaftlichen Verbrauchssteuern haben für die Zeit vom 1. Januar bis zum Schlusse des Monats März 1876 (im Vergleich mit demselben Zeitraume des Vorjahres) betragen: 1) Zölle und gemeinschaftliche Verbrauchssteuern 73,715,797 (+ 10,410,668 ℳ). 2) Wechselstempelsteuer 1,720,098 (s— 99,989 ℳ). 3) Post⸗ und Telegraphenverwaltung 28,189,297 (+. 782,677 ℳ). 4) Reichs⸗Eisenbahnverwal⸗ tung 6,894,698 132,958 ℳ).

In den deutschen Münzstätten sind bis zum 22. April 1876 geprägt: an Goldmünzen: 1,078,220,400 Doppelkronen, 318,336,980 Kronen; hiervon auf Privat⸗ rechnung: 167,248,245 ℳ; an Silbermünzen: 36,432,590 5⸗Markstücke, 129,065,555 1⸗Markstücke, 22,256,217 50⸗Pfennigstücke, 22,713,319 20⸗Pfennigstücke; an Nickelmünzen: 15,483,824 60 10⸗Pfennigstücke, 9,097,004 20 5⸗Pfennigstücke; an Kupfermünzen: 5,348,629 10 2⸗Pfennigstücke; 2,946,214 67 1⸗Pfennigstücke. Gesammtausprägung: an Goldmünzen: 1,396,557,380 ℳ; an

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München I. wird heute,

Silbermünzen: 210,467,681 J;, an Nickelmünzen: 24,580,828 80 J; an Kupfermünzen: 8,294,843 77 ₰.

Bei der Bestätigung eines Kreis⸗Deputirten auf den Rest der Wahlperiode seines Amtsvorgängers war ein Ober⸗Präsident von der Annahme ausgegangen, daß es auf einer Zufälligkeit beruhe, wenn der die Wahlen der Kreis⸗Deputirten betref⸗ fende H. 75 der Kreisordnung vom 13. Dezember 1872 Be⸗ stimmungen über die Ersatzwahlen nicht enthält, und daß diese Lücke im Gesetze nach Maßgabe der anderweitigen Vorschriften der Kreisordnung über die Dauer der Wahl⸗ perioden für sonstige Ergänzungswahlen auszufüllen sei. Der Minister des Innern ist diesen Ausführungen nicht beigetreten. Wenn die Kreisordnung nach dem Vorgange der Städteordnung vom 30. Mai 1853 und anderer Gesetze für die Kreisvertretungen und die Verwaltungs⸗Kollegien der Kreisausschüsse regelmäßige Ergänzungswahlen einführe und dementsprechend Ersatzwahlen nur für den Rest der Wahlperiode der Ausgeschiedenen zugelassen habe (§§. 107, 108, 133 der Kreisordnung, ck. §§. 21, 31 der Städteordnung), so sei doch andererseits an dem Grundsatze festgehalten worden, daß die⸗ jenigen, welche außerhalb eines Kollegiums ein unbesoldetes Amt in der Verwaltung des Kreises als Gemeindevorsteher, Schöffen, Amtsvorsteher, Kreisdeputirte führen, ohne Rück⸗ sicht auf die Amtsdauer ihrer Vorgänger, für die im Gesetze bestimmte Anzahl von 6 Jahren gewählt, bezw. ernannt werden (§§. 24, 56, 75 der Kreisordnung). Die Beamten der letzteren Kategorie, sofern sie vor Beendigung der regelmäßigen Amtsperiode ihrer Vorgänger in ihr Amt ein⸗ treten, lassen sich überhaupt nicht als Ersatzmänner der Aus⸗ geschiedenen betrachten. Auch auf die praktische Erwägung, daß bei gleichzeitigem Ablaufe der Wahlperioden aller Kreisdeputirten einer Provinz die Anberaumung der Neuwahlen sich leichter kontroliren lasse, sei kein entscheidendes Gewicht zu legen. Eine einheitliche Amtsdauer für sämmtliche Kreisdeputirte würde jedenfalls schon um deßwillen nicht zu erreichen sein, weil dieselben gemäß §. 8 Abs. 3 der Kreisordnung, ungeachtet sie auf sechs Jahre gewählt sind, nach Ablauf des dritten Jahres jeder⸗ zeit ihr Amt niederlegen dürfen. Das gleichzeitige Aufhören der Funktionen der Kreisdeputirten innerhalb eines größeren Be⸗ zirkes müßte aber umsomehr Bedenken unterliegen, als hierdurch die Kontinuität der Verwaltung beeinträchtigt werden könnte.

Die Stadiverordneten von Elberfeld, Bonn und Duisburg haben sich für, diejenigen von Düren gegen das Dreiklassen⸗Wahlsystem bei den Stadtverordnetenwahlen erklärt. Die Stadtverordneten von Viersen haben ihren Ver⸗ tretern auf dem rheinischen Städtetage freigestellt, für welches Wahlsystem sie ihre Stimmen abgeben wollen.

Die Bundesraths⸗Bevollmächtigten Herzoglich sachsen⸗ meiningischer Staats⸗Minister Gis eke, Herzoglich sachsen⸗ coburg⸗gothaischer Staats⸗Minister Seeb ach, Fürstlich reußischer Staats⸗Minister v. Harbou und Großherzoglich sächsischer Geheimer Justiz⸗Rath Dr. Brüger haben Berlin wieder ver⸗ lassen; der Senator der freien und Hansestadt Hamburg Dr. Schroeder wird heute Abend von hier abreisen.

Der General⸗Lieutenant von Biehler, Allerhöchst be⸗ auftragt mit Wahrnehmung der Geschäfte der General⸗Inspektion des Ingenieur⸗Corps und der Festungen hat sich zur Inspizirung einiger Pionier⸗Bataillone und Festungen nach Schlesien begeben.

Die Briefsendungen ꝛc. für S. M. S. „Nymphe“ sind bis inkl. 2. Mai cr. nach Neufahrwasser, vom 3. bis inkl. 13. Mai cr. nach Kiel, vom 14. bis inkl. 20. Mai cr. nach Eckernförde, vom 21. Mai bis inkl. 27. dess. Mts nach Kiel, vom 28. Mai bis inkl. 3. Juni cr. nach Saßnitz auf Rügen, vom 4. bis inkl. 10. Juni cr. nach Neufahrwasser, vom 11. bis inkl. 17. Juni cr. nach Kiel, vom 18. bis inkl. 24. Juni cr. nach Saßnitz auf Rügen, vom 25. Juni bis 1. Juli cr. nach Warnemünde und vom 2. Juli cr. bis auf Weiteres nach Kiel zu dirigiren.

Bayern. rathung der

April. In der Be⸗ über den Antrag des Abg. F. X. Frhrn. v. Hafenbrädl, betreffend die Sonn⸗ tagsfeier: „Hohe Kammer wolle beschließen, es sei an Se. Majestät den König die Bitte zu richten: Allerhöchstdieselben wollen, gegenüber den zu Tage getretenen Mißständen, ver⸗ anlassen, daß der Allerhöchsten Verordnung vom 30. Juli 1862, „die Feier der Sonn⸗ und Festtage betreffend“, ein strenger Vollzug gesichert werde, und daß insbesondere an solchen Tagen keine Bureaugeschäfte durch Staatsbedienstete vollzogen und auch die Arbeiten an Staatsbauten zu ruhen haben“, nahm der Staats⸗Minister v. Lutz das Wort zu folgender Erklärung:

„Der Vollzug der Verordnung, betr. die Feier der Sonn⸗ tage liegt in der Hand der Polizei⸗Staatsanwaltschaft und der Kirche. Für die Regierung wäre ein Anlaß zu neuen, ver⸗ schärfenden Aufforderungen in der Richtung auf den Vollzug dieser Verordnung nur dann gegeben, wenn zu ihrer Kenntniß eine Mehrzahl von Fällen gekommen wäre, in welchen die Ver⸗ ordnung übertreten und der entsprechende Erfolg nicht einge⸗ treten ist. Ich bin aber verpflichtet zu erklären: daß weder im Kultus⸗ noch Justiz⸗Ministerium, noch im Ministerium des In⸗ nern irgend eine Andeutung darüber vorliegt, daß der von mir bezeichnete Fall gegeben sei. Ich glaube, meine Herren, daß bei den Motiven, welche uns vorgetragen wor⸗ den sind, doch ein oder das andere Mißverständniß mit unter⸗ gelaufen sein möchte. Nur einen Punkt, der auch bereits be⸗ rührt worden ist, möchte ich noch hervorheben. Es ist kein Zweifel, meine Herren, je weniger Feiertage bestehen, desto leichter wird es sein, eine strenge Handhabung der Sonntags⸗ feier einzuführen. Sie erkennen, daß ich auch hier von Abminderung der Feiertage spreche, und ich glaube nicht, daß man uns den Vorwurf der unkirchlichen Gesinnung des⸗ wegen machen kann. In anderen Staaten, wo die katholische Religion eben so hoch gehalten wird wie in Bagyern, ist mit Zustimmung der kirchlichen Obrigkeit eine bedeutende Re⸗ duktion der Feiertagszahl eingetreten. Während wir noch 17 Feiertage haben, hat die Pfalz 9, Oesterreich 16, Italien 10, die altpreußischen Provinzen 7, Frankreich 5, Belgien 4; in Württemberg und Baden allerdings giebt es noch eine größere An⸗ zahl, aber auch in Württemberg stehen nur 7, in Baden nur 6 zugleich unter staatlichem Schutze. Was die kirchliche Behörde Frankreich, Belgien und Italien zugestehen konnte, das könnte man auch Bayern zugestehen, und dann, wenn die Regierung unterstützt würde in Bezug auf die abgeschafften Feiertage, dann ist auch der Augenblick gekommen wo sie auf genauere Einhaltung der Sonntagsruhe von unserer Seite Anspruch machen kann.“

Der Antrag fand, wie schon mitgetheilt, Annahme.

Die Feststellung des Berichtes über die Wahlen die Verhandlung in der Kammer

München, 27. Abgeordnetenkammer

daß der

voraussichtlich am nächsten Dienstag erfolgen. Hauck wird erst nach dieser Verhandlung sich zu den Sitzungen der Reichs⸗Justizkommission begeben.

Sachsen. Dresden, 28. April. (Dresd. Journ.) Der Großherzog von Oldenburg, welcher gestern früh hier eingetroffen, ist heute Nachmittag zu Ihren Majeßäten zur Tafel in der Königlichen Villa zu Strehlen geladen. 1 In der heutigen Sitzung der Ersten Kammer er⸗

ssteattete der Ober⸗Bürgermeister Dr. André Bericht über das be⸗

züglich des Gesetzentwurfs über die Entschädigung der Geist⸗ lichen ꝛc. für den Wegfall von Gebühren von den Gesetzgebungs⸗ Deputationen beider Kammern gepflogene Vereinigungsverfahren. Man hat sich darüber geeinigt, das in §. 3 von der Zweiten Kammer beschlossene Verbot der Annahme von Geschenken für Amtshandlungen Seitens der Geistlichen in einer etwas präziseren Fassung in das Gesetz aufzunehmen, wogegen bezüglich aller übrigen

Differenzpunkte die Deputation der Zweiten Kammer Beitritt zu den diesseitigen Beschlüssen empfahl.

Nachdem Ober⸗Hofprediger Dr. Kohlschütter und Staats⸗Minister Dr. v. Gerber darauf hin⸗ gewiesen hatten, wie wünschenswerth das Zustandekommen des Gesetzes sei, wurde der Vereinigungsvorschlag zu §. 3 gegen 2 Stimmen angenommen. Hierauf erledigte die Kammer eine

Petitionen.

Die Zweite Kammer beschloß nach längerer Debatte,

einen Antrag des Abg. Dr. Biedermann und Genossen auf Erlaß eines Gesetzes, eine Abänderung des Landtagswahlgesetzes betreffend, in Schlußberathung zu nehmen, und nahm sodann

den Entwurf eines Gesetzes, das Mobiliar⸗ und Privatfeuerver⸗ sicherungswesen betreffend, mit den in der Sitzung vom 22. April d. J. beschlossenen Abänderungen in Schlußberathung

gegen 2 Stimmen an.

Baden. Karlsruhe, 27. April. Wie das „Frkf. J.“

mittheilt, wird die am 3. k. M. in Durlach abzuhaltende Ver⸗

ammlung der orthodoxen Partei der evangelischen Lan⸗ deskirche unter Leitung des Dr. Mühlhäußer von Wilferdingen

die Frage crörtern, „welche Mittel anzuwenden sind, um den

immer mebr zunehmenden Separationen in der evangelischen

Kirche wirksam begegnen zu können.“

Hessen. Darmstadt, 27. April. In den Jahren 1864

und 1868 wurden zu Mainz und Dieburg auf Grund der Kon⸗

vention des Ministeriums Dalwigk mit dem Bischof Ketteler

Knabenkonvikte zur Erziehung künftiger Geistlichen errichtet. Der

Artikel 3 des im vorigen Jahre in Kraft getretenen Gesetzes

über die Vorbildung und Anstellung der Geistlichen bestimmte, daß jene Anstalten in einer durch Beschluß des Ge⸗

sammt⸗Ministeriums zu bestimmenden Frist zu schließen seien. Diese Schließung ist nunmehr nach Schluß des Wintersemesters

Oesterreich⸗Ungarn. Wien, 28. April. (W. T. B.)

Die Aus gleichsverhandlungen sind, wie von unterrichteter Seite mitgetheilt wird, so weit vorgeschritten, daß die ungarischen Minister morgen nach Pest reisen dürften, um die endgültige

Zustimmung der Regierungspartei einzuholen.

In der englischen Presse, die nicht in letzter Linie zur Ver⸗ breitung der mannigfachen an die augenblickliche Lage der Dinge im Oriente geknüpften Besorgnisse beigetragen hatte, ist, führt die „Wien. Abdpost.“ aus, nach den autoritativen Kundgebungen der letzten Tage ein energischer Rückschlag im Sinne der Beruhigung eingetreten. Insbesondere sind die mannigfachen Kombinationen über eine angebliche Erschütterung des Drei⸗Kaiser⸗Bündnisses oder über eine Spannung, die zwischen Rußland und Oefeerreich⸗ Ungarn eingetreten sein follte, aus der öffentlichen Diskussion gänzlich verschwunden. „Es scheint uns,“ sagt die „Hour“, Anblick der Sitnation hoffnungsvoller ist, als

Darüber kann kein Zweifel obwalten, Zerfall des Bundes der drei Nordmächte

zum Ausbruche neuer Verwicklungen sein würde. Neuere Nachrichten machen es jedoch offenkun⸗ dig, daß die Allianz sich behauptet. Seit November 1871 ist Graf Andrassy an das Steuer der Angelegenheiten der österreichischꝛungarischen Monarchie berufen worden. Die Triple⸗ Allianz der Kaiserstaagten, welche seit dem französisch⸗ deutschen Kriege die Garantie des europäischen Friedens bildete, war das Ergebniß. Der Bund ist nicht aufgelöst und wird auch so bald nicht aufgelöst werden. Die Wirkung dieser Thatsache wird sich darin äußern, daß die Pforte sich wieder geneigt finden lassen wird, mit den Insurgenten in Unterhandlung zu treten, und wenn das der Fall ist, so liegt aller Grund zu der Erwartung vor, daß der Erfolg befriedigender ausfallen wird als die bis⸗ herigen Unterhandlungsversuche.“

Linz, 27. April. Bei der Gemeinderathswahl wählte auch der zweite Wahlkörper fast einstimmig die liberalen Kan⸗ didaten. Der dem Abg. Dr. Dürrnberger entgegengestellte kleri⸗ kale Kandidat erhielt nur eine kleine Anzahl Stimmen.

Prag, 27. April. Die in den letzten Tagen hier statt⸗ gefundenen internationalen Verhandlungen wegen An⸗ lage gemeinschaftlicher Grenzbahnhöfe auf der Pilsen⸗Eisensteiner Linie bei Elisenthal und auf der Chotzen⸗Braunauer Linie bei führten zu einer vollständigen Einigung zwischen den

etreffenden Delegationen und betheiligten Bahnanstalten.

Pest, 27. April. Ueber den Aufenthalt der Minister in Wien erhält die „Pester Correspondenz“ folgende Meldung: Um 1 Uhr Nachmittags findet die gemeinsame Konferenz beim Gra⸗ fen Andrassy statt. Von einem unter Vorsitz Sr. Majestät ab⸗ zuhaltenden Ministerrathe wurde vorläufig Umgang genommen, und werden lediglich die beiden Minister⸗Präsidenten jeweilig bei Sr. Majestät Vortrag halten. Im Verlaufe der gestern beim Fürsten Auersperg stattgehabten Konversation der beider⸗ seitigen Minister zeigte sich auf beiden Seiten ein bestimmtes Beharren auf dem bisherigen Standpunkte. 1“

Betreffs der handelspolitischen Verhandlungen wird der „Pester Correspondenz“ aus Wien gemeldet: Die Vor⸗ mittags angekündigte gemeinsame Konferenz wurde unter Vorsitz des Grafen Andrassy abgehalten. Ein mittheilbares Ergebniß wurde nicht bekanntgegeben. Ueber die Fortsetzung der Konfe⸗ renzen, welche übrigens wahrscheinlich ist, sind augenblicklich noch keine Verfügungen getroffen. Man hofft, am Sonnabend fertig geworden zu sein. 8

Der „vPester Lloyd“ meldet: Das gemeinsame Mini⸗ sterium halte an der Einberufung der Delegationen auf den 9. Mai fest. Wenn die bezüglichen Haadschreiben noch nicht veröffentlicht wurden, so hänge dies mit den schwebenden Ver⸗ handlungen zusammen, da angesichts der Eventualität einer Ministerkrise der dermalige Minister⸗Präsident nicht mehr in der Lage wäre, seinen verfassungsmäßigen Einfluß auf die Be⸗ rathung des gemeinsamen Budgets auszuüben.

er gewesen. daß der das Zeichen

Der Referent

v vb“ Schweiz. Bern, 27. April. Der schweizerisch⸗deutsch Niederlassungsvertrag ist heute unterzeichnet worden. Wie die „N. Zürch. Ztg.“ vernimmt, sollen die Ausgaben für das eidgenössische Militärwesen pro 1875 400,000 Fr.

weniger als die dafür beweilligten Kredite betragen. 28. April. (W. T. B.) Der Bundesrath hat heute

auf Grund der Verfassungsbestimmungen der altkatholischen

Synode der Schweiz die Errichtung eines Bisthums ge⸗

nehmigt. Großbritannien und Irland.

Antrag auf Zulassung der Frauen zum politischen Wahlrecht zur Debatte. Die in der Diskussion vorgebrachten Gründe blei⸗ ben dieselben, aber die Zahl der Gegner wächst. Bei der Ab⸗ stimmung wurde die Vorlage mit 152 gegen 239 Stimmen ab⸗ gelehnt. Für dieselbe stimmten von der Ministerbank Herr Dis⸗ raeli, Lord John Manners und der Attorney⸗General. Da⸗ gegen von den Männern des vorigen Kabinets die Herren Bright, Forster, Lowe, Adam, Sir W. Harcourt und Sir Henry James. Die Herren Stansfeld, Henley und Russell Gurney gingen mit der Minorität. Das Ergebniß, eine Majorität von 87, wurde von den Gegnern der Bill als ein Triumph begrüßt, da im vorigen Jahre die Zahlen sich auf 152 zu 187 stellten, somit nur eine Majorität von 35 erzielt wurde.

Wie der „E. C.“ aus Dublin gemeldet wird, wollen die ultrakatholischen Mitglieder des dortigen Stadtrathes gegen eine Glückwunschadresse an den Prinzen von Wales, anläßlich seiner Heimkehr aus Indien, stimmen und zwar deshalb, weil der Prinz es ablehnte, auf Malta den Grundstein zu einem ausschließlich für katholische Kinder be⸗ stimmten Waisenhause zu legen. Es war aber, der „EC. C.“ zu⸗ folge, der Bischof von Malta, der es dem Prinzen unmöglich machte, die Ceremonie zu vollziehen, indem er darauf bestand, die Feier zu einer religiösen und katholischen zu gestalten.

Die Nachricht der „Times“ von der Wiederbesetzung der

Insel Socotra wird von der „Pall Mall Gazette“ dahin be⸗ richtigt, daß der Eigenthümer, der Sultan von Keschin, sich An⸗ fangs dieses Jahres vertragsmäßig verpflichtet habe, die Insel keiner fremden Macht zu überlassen und auch sonst ohne die vorherige Einwilligung Englands keine Verfügung darüber zu treffen. Dafür seien ihm als Gegenleistung 1000 Dollars aus⸗ gezahlt und ein kleines Jahrgehalt zugesagt worden. „— 28. April. (W. T. B.) Das amtliche Blatt publizirt eine aus Windsor vom heutigen Tage datirte Proklamation der Königin, wonach dieselbe den Titel: „Kaiserin von Indien“ angenommen hat.

Im Unterhause machte der Unter⸗Staatssekretär Lowther auf eine Anfrage Thornhills die Mittheilung, daß nach einem von heute datirten Telegramme des Gouverneurs von Bar⸗ badoes die Unruhen daselbst schon seit Sonnabend gestillt seien. Die Zahl der sofort verhafteten Personen betrage 90, seitdem sei noch gegen 320 andere der Verdacht der Theilnahme an den Unruhen und der Aufnahme gestohlenen Gutes angeregt worden. Bei den Unruhen sei eine Person getödtet, 18 seien verwundet worden, von den letzteren seien noch 2 nachträͤglich gestorben. Die Polizei habe zwei Mal unter die Aufrührer ge⸗ schossen. Zu einer Besorgniß, daß sich die Unruhen er⸗ neuern könnten, liege nicht der geringste Grund vor.

Frankreich. Paris, 27. April. Die „Ag. Hav.“ meldet, daß die Präfekten den Auftrag erhalten haben, sehr energisch gegen alle etwaigen, von den Generalräthen zu Gunsten der Petitionen, betreffend die Amnestie oder dieser selbst ausgehenden Wünsche einzuschreiten, weil diese Körperschaften nach dem Gesetz über politische Fragen nicht zu diskutiren haben.

Wie die „Patrie“ versichert, haben bis jetzt fünf Prä⸗ fekten ihre Versetzung nicht angenommen und sind darum ent⸗ lassen worden. Diese mitgerechnet, würde als die nächste, in Vorbereitung begriffene Präfekten⸗Veränderung 20 Namen um⸗ fassen. Doch bezweifelt man, daß dieselbe vor Wiedereröffnung der Session publizirt werden wird, da der Minißtr Ricard sich zwar in der Besserung befindet, aber doch noch nicht vollständig wieder hergestellt ist und deshalb bis dahin auf seiner Besitzung zu Niort zu bleiben gedenkt.

Die „Ag. Havas“ versichert, der General de Cissey habe sich mit der Budgetkommission über alle Kredite verständigt, deren er als Kriegs⸗Minister bedürfe; der Minister und die Kom⸗ mission hätten sich im besten Einverständniß getrennt.

Die klerikalen Blätter veröffentlichen folgenden Aufruf: „Wir erfahren, daß nächsten Montag in der Kapelle des Sacré coeur auf Montmartre eine Messe gelesen wird, um Gott zu bitten, er möge die Staatsgewalten beeinflussen, damit sie das Gesetz über die Universitäts⸗Unterrichtsfreiheit aufrecht erhalten. Die Gläubigen, welche dieser Meffe nicht anwohnen können, werden nicht verfehlen ihrerseits ähnliche Gebete gen Himmel zu richten. Man kündigt an, daß auf das Verlangen mehrerer katholischen Familien in der nämlichen Absicht in Paris und der Provinz Messen gelesen werden.“

Spanien Die „Ag. Hav.“ erhält folgende Nachrichten aus San Sebastian, 23. April: „Nach stürmischen Verhandlungen und zahllosen Schwierigkeiten hat die SFunta von Gu ipuzcoadie fünf Delegirten ernannt, die sie nach Madrid zur Regierung entsendet. Es sind: Acilona, Mitglied der Provinzialdeputation, Egana, früherer Senator, Guerrico, früherer Alkade von Ohate, Marquese de Santa Cruz, früherer Fueraldeputirter, und Go⸗ rostidi. Diese fünf Persönlichkeiten sind sehr einflußreich in der Provinz und repräsentiren die intransigente Fueral⸗ partei. Die denselben von der Junta ertheilten Instruk⸗ tionen lauten: 1) Verweigerung jeder Verhandlung, welche die Zukunft Guipuzcoas verpflichten könnte; 2) der Re⸗ gierung zu antworten, daß die Miqueletes mit Vortheil die Soldaten vertreten, die man mit Gewalt ausheben würde; 3) dieselbe Antwort betreffs der freiwilligen Seeleute, welche an den Küsten dienen (also Abweisung einer Aushebung für die Ma⸗ rine, da ja der Küstendienst durch Freiwillige geleistet werde); 4) die Zahlung einer gemäßigten Beisteuer zur Unterstützung des Staatsschatzes anzunehmen, und dabei die ganze Last hervor⸗ zuheben, welche bereits wegen der durch deg Bürgerkrieg ver⸗ ursachten Auflagen auf der Provinz ruht; dann das Provinzial⸗ budget für den Kultus und die Geistlichkeit in das Licht zu setzen; 5) sich mit Protest zurückzuziehen, wenn die Fueros in ihrem Bestande durch irgendwelche Aenderung angegriffen wür⸗ den. Diese Instruktionen können nur von der Junta geändert oder modifizirt werden. Die Stimmung ist im Innern der Pro⸗ vinz noch immer sehr erregt. Die Mitglieder der Junten haben sich heute Vormittags getrennt, um in ihre betreffenden Dert⸗ lichkeiten zurückzukehren. Das Anuntamiento von San Se⸗

bastian hat seinen unversöhnlichen Charakter bewahrt.“

8 Die Sonderrechte der baskischen Provinzen lassen sich, wie folgt, zusammenfassen. Unter der Herrschaft der Fueros wählen die Basken ihre Gemeindevorstände (Ayuntamientos) selbst, aus diesen gehen die Provinzial⸗ oder Landesvertretungen (Juntas) hervor, welche alle zwei Jahre in Vizcaya, jährlich in Guipuzcoa und halbjährlich in Alava tagen. Von diesen Juntas werden alle Behörden eingesetzt und diese Beamten verkehren vollständig auf dem Fuße der Gleichheit mit den Königlichen Corregidores, welche in jeder Provinz die Verwaltung über⸗

wachen sollen, aber sich nirgend 1 deren 2 itã rlan London, 27. April. ch sich nirgendwo einer besonderen Autorität Im Unterhause kam heute, wie alljährlich seit zehn Jahren, der

erfreuen. Die Steuererhebung ist in den Händen einheimischer Beamten, und keine der baskischen Provinzen leistete bisher zu den allgemeinen Staatsausgaben mehr als eine verhältnißmäßig geringe, rund bemessene Summe. Die Aushebung, welche alle Spanier, zumal die niederen Klassen, als die schwerste ihrer Lasten betrachten, erstreckt sich nicht auf die Basken, und ihre Miqueletes sind nicht verpflichtet, außerhalb des Heimathlandes Kriegsdienste zu leisten.

Türkei. Konstantinopel, 27. April. 22. April, gehen der „Pol. Corr.“ über die Streitkräfte folgende Mittheilungen Da vations⸗Corps bei Nisch ist nunmehr in drei Divisionen getheilt. Jeder Division sind 4 Batterien sowie 3 Ka⸗ vallerie⸗Regimenter beigegeben. Der Proviant⸗ und Sanitäts⸗ Train ist vollständig organisirt. Jedes Regiment hat einen Chef⸗ arzt und zwei Assistenten. Letztere sind meist einfache Chirurgen oder Sanitätsbeamte, die ohne gründlichere medizinische Studien doch die chirurgische Praxis seit Jahren in der Türkei betrieben haben. Auch die Feldapotheken sind reichlich mit Medikamenten versehen. Proviant wird ununterbrochen zugeführt. Die Schlag⸗ fertigkeit dieser Armee läßt kaum etwas zu wünschen übrig. Im Rücken dieses Corps, welches auf 40,000 Mann Re⸗ gulärer durch Einberufung der Beurlaubten und Reservisten ge⸗ bracht wird, wird zwischen Sofia und Nisch ein zweites Corps aufgestellt. Den Kern desselben bildet das fünfte Armee⸗Corps, das bis jetzt im Aidiner Vilajet seine Standquartiere hatte. Die⸗ ses Armee⸗Corps besteht jedoch zur Hälfte aus Redifs, die zwar, was die Kriegstüchtigkeit betrifft, sich nicht mit den Nizams messen können, immerhin aber mit dem Waffenhandwerk zur Ge⸗ nüge vertraut sind. Ihre Equipirung ließe nach der „Pol. Corr.“ viel zu wünschen übrig. Das fünfte Armee⸗Corps soll

Aus Nisch, türkischen zu: Das Obser⸗

bei 20,000 Mann zählen, doch fehlt demselben noch die Kavallerie

und die Artillerie ist unvollständig. Der Seraskier hat ange⸗ ordnet, daß diese Truppen täglich im Feuer zu exerzieren ha⸗ ben, um ihre Manövrirfähigkeit zu erhöhen.

Aus Ragusa, 28. April, meldet „W. T. B.“: Eine kleine türkische Truppenabtheilung ist bei Gradac, oberhalb Klek, von einer Insurgentenschaar überfallen wor⸗ den und hat dabei 50 Militärpferde und 370 Stück Hornvieh, die von den Insurgenten erbentet wurden, eingebüßt.

Zu Besorgnissen hat in letzter Zeit die Entdeckung einer im Entstehen begriffenen Verschwörung gegeben, über welche die „Pol. Corr.“ einige Details mittheilt. Diese Ver⸗ schwörung sollte in dem Momente ausbrechen, wo türkische Truppen über die serbische Grenze rücken würden. Die türkische Regierung hat von einem solchen Complot durch die Verhaftung des Emissärs Nikolaj Slawtschoff in einem Dorfe des Orchaner Kreises Spur bekommen. Es wurden bei ihm wichtige Papiere saisirt. Man fand bei ihm eine Marschroute, wonach er sich über Orjechowo und Wratz nach dem Orchaner Kreise, welcher das Pivot des Aufstandes in Bulgarien bilden sollte, zu begeben hatte. Es wäre der „Pol. Corr.“ zufolge, sicher, daß derlei Emissäre schaarenweise nach Bulgarien geschickt wurden.

Aus Bosnien wird gemeldet, daß die gesammte Terri⸗ torial⸗Armee (Landsturm) mit Hinterladern, welche über Klek eingetroffen sind, bewaffnet wurde. Zehntausend Baschibozuks haben bereits der Einberufung Folge geleistet und unter Fazyl 1 Beys Führung die Insurgenten im Risowatz⸗Gebirge geschlagen. Dagegen soll eine türkische Abtheilung bei Motaitza von einer unter Führung des ehemaligen österreichischen Offiziers und ge⸗ wesenen Adjutanten des Ljubibratich, Petrovits, stehenden In⸗ surgentenbande zum Rückzuge gezwungen worden sein.

Schweden und Norwegen. Stockholm, 20. April Auch in diesem Jahre ist von einem hervorragenden Mitgliede der hiesigen Zweiten Kammer der Antrag auf Errichtung einer juristischen Fakultät in Stockholm und auf Herstellung einer Advokatenkammer wieder eingebracht, indessen von beiden Kammern abgelehnt worden. Auch fuüͤr deutsche Leser, welche an den hiesigen Verhältnissen Antheil nehmen, wird diese Nachricht von Interesse sein. Es hatte sich nämlich an jenen Antrag die Hoffnung auf Regelung der Advokaturverhältnisse

eknüpft, bei welcher Alle betheiligt sind, die in der Lage sind, die Huͤlfe der schwedischen Gerichte anzurufen. Bekanntlich besteht für die schwedischen Advokaten keine besondere Dis

ziplinarbehörde, die Advokaten sind vielmehr wie reine Gewerb

treibende nur den ordentlichen Gerichten verantwortlich. Es liegt auf der Hand, daß hieraus erhebliche Mißstände hervorgehen, da es viele, für eine Partei sehr nachtheilige Amtsvergehen, Ver⸗ schleppungen, nachlässige, unordentliche Geschäftsführung mancher Art giebt, für welche es schwer, wenn nicht unthunlich ist, im Wege des ardentlichen Gerichtsverfahrens Abhülfe zu snden. Deutschen Rechtsuchenden können wir daher nur rathen, die Wahrnehmung ihrer Gerechtsame in Schweden nur solchen Advokaten anzuvertrauen, die ihnen von zuverlässiger Seite empfohlen sind. Die Reichskonsulate werden ja in der Regel im Stande sein, denjenigen, welchen es an dem betreffenden Platze an Bekanntschaft fehlt, auch hinsichtlich der Wahl eines Advokaten mit ihrem Rathe zur Hand zu gehen.

Christianka, 24. April. In der heutigen Sitzung des Storthinges wurde vom Staatsrath Nissen ein Antrag der Regierung vorgelegt, betreffend die Aufnahme einer Staats⸗ anleihe im Betrage von 6,000,000 Spezies. Die Anleihe, welche zum Bau neuer Staatsbahnen bestimmt ist, . 4 ½ Prozent verzinst und in höchstens 50 Jahren zurückgezahlt werden. Die Regierung machte bei dieser Gelegenheit die Mit⸗ theilung, daß Norwegens gesammte Staatsschulden am Schlusse des Jahres 1875 12,899,000 Sp. betrugen, und daß zur Verzinsung und Amortisation derselben jetzt jährlich ca. 993,000 Sp. verausgabt würden. 8

Dänemark. Kopenhagen, 28. April. (W. T. B.) Durch offenen Brief des Königs ist der Reichstag auf den 15. k. M. zur außerordentlichen Session einberufen worden.

Amerika. Der Kaiser von Brasilien ist in San Franecisco eingetroffen.

Kabeldepeschen aus Washington vom 25. o. Mts. melden: Die Kommissäre der gegen den früheren Kriegssekretär Belknap eingeleiteten Anklage haben die Duplik des Anklagten mit einer Triplik beantwortet, worin sie die in ersterer enthal⸗