FZeichnen landschaftlicher Skizzen zur Aufgabe machen.
des Abgeordnetenhauses auf windestens vierzehn Tage ein⸗ treten und dem Herrenhanse überlassen bleiben, über die gedachten Vorlagen sein Votum abzugeben. Eine Witder⸗ aufnahme der Arbeiten des Hauses würde dann für den Zweck zu erfolgen haben, sich über etwaige Abänderungen des Herren⸗ dauses schlüssig zu machen. Das letztere nimmt seine Berathungen am 15. d. Mts. sofort mit dem Entwurfe, betreffend die Einverlei⸗ vung Lauenburgs in die preußische Monarchie auf; unmittelbar daran werden sich die Berathungen über die Eisenbahnvorlage schließen. Ein beträchtl cher Theil von Vorlagen dürfte unerledigt bleiben, da senst die Session bis tief in den Juli hinein währen müßte. Hierzu werden wahrscheinlich die Städte⸗Ordnung, die Provinz Berlin und abermals die Wege⸗Ordnung gehören.
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Vereinswesen. DOer Allgemeine Erziehungsverein wird in den letzten Tagen des Monats September in Wiesbaden tagen.
Statistische Nachrichten.
Nach den von dem Direktor des statistischen Bureaus
Dresden, Dr. Jannasch, herausgegebenen Mittheilungen dieses Bureaus
waren 1874 in Dresden an Wohnungen vorhanden: 35,626 Miethwohaungen, 4492 von Hauzeigenthümern innegehabte, 730 un⸗ vermiethete Wohnungen, zusammen 40,848 Wohnungen, während an Gewerbelokalitäten vorhanden waren zu gedachter Zeit 9174 ge⸗ miethete, 2040 von Hauseigenthümern innegehabte, 135 unvermiethete, zusammen 11,349. Nach ihren Miethpreisen vertheilen sich die Wob⸗ nungen so, daß 28,74 %, das sind 11,739 Wohnungen nicht über 36 Thaler kosten, während nur 0,02 % über 1600 Thlr. kosten. Ven den Gewerbslokalen kosten 23,99 %, das sind 2723 nicht unter 51 und über 100 Thlr., 17,08 % nicht über 36 Thlr. Miethszins, wäh⸗ rend nur 0,87 % im Preise von über 1600 Thlr. vermiethet waren. Mit Gewerkslokalen verbundene Miethwohnungen gab es 4178, eben⸗ solche nicht mit Gewerbelokalen verbundene 31,448 und unvermiethete 730; mit Wohnungen nicht verbundene gemiethete Gewerbslokale gab es 4996, unvermicthete 135. Mitte des Jahres 1874 zählte Dresden 182,594 Personen, d. h. jede der 40,118 Wohnungsvarteien durch⸗ schnittlich 4,56 Personen. Von allen vorhandenen Miethwohnungen hatten 78,08 % einen Preis von 1-— 100 Thlr. und wohnten in ihnen 126,846 Personen, das ist 69 32 % der gesammten Civilbevölkerung. Nur 35,661 Personen wohnten in Wohnungen von über 100 Thlr. Die Zahl der Haushaltungen ist mit Zugrundelegung der sich aus den 1871er Verhältnissen ergebenden Durchschnittsziffer von 4,42 Mit⸗ glieder pco 1874 auf 41,402 zu fixiren. 1 6
— Der „Moniteur de l'Armée“ hat soeben eine vollständige Rangliste der französischen Kavallerie (d. d. 1. März 1876) veröffentlicht. Danach umfassen die Cadres dieser Waffe 3440 Of⸗ fiziere und zwar 20 Divisions Generalc, 44 Brigade⸗Generale, 79 Obersten, 82 Oberst Lieutenants, 279 Escadrens-Chefs, 1007 Ritt⸗ meister, 866 Lieutenants und 1063 Unter⸗Lieutenants.
Kunst, Wissenschaft und Eftergtur.
Auf Anregung des Vereins der Alterthumsfreunde in Cöln wied eine Ausstellung von älteren kunstgewerblichen und Kunstgegenständen stattfinden, welche mit dem nächsten Monat in den oberen Sälen des Kasinos eröffnet werden soll. Die Aus⸗ stellung wird in so fern einen lokalen Charakter haben, als sie haupt⸗ sächlich die künstlerischen Produkte des Niederrheines aufnehmen wird, doch werden sich diesen auch solche aus den benachbarten Gegenden, namentlich der Niederlande, anschließ n. Se. Könialiche Hoheit der
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Fürst von Hohenzollern hat das Protektorat übernommen und ein Ausschuß von kompetenten Personen leitet das Unternehmen.
— Von Rich. Schillmann, dem Verfasser der Geschichte der Stadt Brandenburg, ist eine Schrift unter dem Titel „Grund⸗ steinlegung zum brandenburgisch⸗preußischen Staate um die Mitte des zwölften Jahrhunderts“ (Brandenburg g. H. 1875. In Kommission bei J. Wiesike) erschienen. Dieselbe ist ein Separat⸗ abdruck aus des Verfassers Geschichte der Stadt Brandenburg und enthält die Geschichte des Markgarafen Albrecht des Bären, insbe. sondere eine genaue Darstellung, wie durch Albrecht den Bären 1157 die Gebiete, welche einst den Hauptbestandtheil der nördlichen Mark gebildet hatten, mit der alten Hauptstadt Brandenburg dem deutschen Reiche wieder erworben und so die Mark aufs Neue gegründet wurde. Albrechts Mark bestand aus der Altmark, der Priegnitz (Vormark), dem Havellande, der Zauche, Gebiete, welche nach der als Hauptstadt allgemein anerkannten Hauptstadt unten dem Namen „Mark Branden⸗ burg“ zusammen begriffen wurden. Beigefügt sind die Abbildungen der Marienkirche auf dem Harlunger Berge bei Brandenburg und des Krieger⸗Denkmals auf dem Marienberge bei Brandenburg.
Gewerbe und Handel.
Elberfeld, 5. Mai. (W. T. B.) Die Dividende der Bergisch⸗Märkischen Eisenbahn esellschaft ist in der
heutigen Sitzung der Deputation unter starker Dotirung des Reserve-
und Erneuerungsfonds auf 4 % festgesetzt worden.
— 6. Mai. (W. T. B.) Die Vertheilung einer vier⸗ prozentigen Dividende an die Aktionäre der Bergisch⸗Mär⸗ kischen Eisenbahn basirt der „Elberfelder Zeitung“ zufolge auf folgendem A schluß. Die Zweigbahn Finnentrep⸗Rothemüble hat in ihrem Betriebe auf der bis jetzt eröffneten Theilstrecke ein Defizit von 206,463 ℳ ergeben, welches vorläufig mit dem Betrage von 166,964 ℳ aus dem Ueberschusse der Ruhr⸗Sieg⸗Betriebsrechnung und mit dem Restbetrage von 39,499 ℳ aus der Bergisch⸗Märkischen Betriebs⸗ rechnung hat gedeckt werden müssen. Die Ruhr⸗Sieg⸗Bahn hat einen Ueberschuß von 524,002 ℳ ergeben, welcher mit dem Be⸗ trage von 270,000 ℳ zur Amortisirung von Serie 2 und 3 Litt. B. der Prioritätsobligationen und mit dem Betrage von 166,964 ℳ zur Deckung des Defizits bei der Zweigbahn Finnentrop⸗Rothemühle be⸗ stimmt ist. Der Restbetrag von 87,038 ℳ ist in Gemäßheit der Be⸗ stimmung in §. 12 des Ruhr⸗Sieg⸗Vertrages vom 14. Februar 1856 in die Bergisch⸗Märkische Betriebsrechnung eingestellt worden, um daraus theilweise diejenigen Zuschüsse zu decken, welche bereits in früheren Jahren die Bergisch⸗Märkische Bahn für Rechnung der Ruhr⸗Sieg Bahn hat leisten müsser. Die Bergisch⸗Märkische Abthei⸗ lung hat unter Berücksichtigung des Zuschusses zu der Zweigbahn Finnentrop⸗Rothemühle, sowie des Ueberschusses von der Ruhr⸗Sieg⸗ Bahn einen Ueberschuß von 8,587,457 ℳ ergeben, welcher zur Zah⸗ lung einer Dividende von 4 % und der Staatssteuer hinreicht und noch einen Ueberschuß von etwas über 40,000. ℳ ergiebt. Der Ar⸗ schluß muß im Allgemeinen als ein günstiger betrachtet werden, da die Gesammteinnahmen gegen das Vorjahr um annähernd 3,300,000 ℳ gewachsen sind. Ebenso haben sich die Betriebskosten gegen das Vorjahr um 3,436,000 ℳ verringert, die regulativmäßige Rücklage zu dem Reserve⸗ und Erneuerungsfonds ist gegen das Vor⸗ jahr sehr beträchtlich gestiegen, auch hat an Zinsen und zur Amor⸗ tisirung der Prioritäts⸗Obligationen der Betrag von 3,310,000 ℳ mehr als im Jahre 1874 verausgabt werden müssen. Eadlich ist in die Betriebsrechnung von 1875 ein Kapital von 54 Millionen Mark mehr zur Verzinsung eingestellt und damit das ge⸗
fammte bis jetzt emirtirte Prioritätätskapital in die Betriebsrechnung
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übernommen, mit Ausnahme von annähernd 40 Millionen Mark der 8. Serie, welche sich aus dem Bestande des Baufonds zu Anfang des neuen Jahres und aus den Ausgaben für die dem Betrieb noch nicht übergebenen Neubauten zusammensetzen. — In der heutigen General⸗ versammlung dieser Bahn wurde der Antrag, die Gesellschaftsdeputation und die Königliche Direktion zu bevollmächtigen, behufs Ausbaues der im Betriebe befindlichen Linien und der im Bau begriffenen neuen Strecken und auch für den Ansbau kouzessionirter Linien, das Gesellschaftskapital durch Aufnahme einer Prioritätsanleibhe 9. Serie zum Nominalbetrage von 36 Millionen Mark zu vermehren, einstimmig durch Akklamation angenommen.
— Der Abschluß der Darmstädter Bank für Handel und Industrie eraiebt einen Gewinn von 6 — 6 ½ %, der jedoch durch Abschreibungen vollständig absorbirt wird. Zur Zahlung der 4 % Aktienzinsen und einer Superdividende von 2 % wurde der Reserve⸗ fonds herangezogen, der nach dieser Entnahme noch ca. 20 % des ge⸗ sammten Aktienkapitals repräsentirt.
Wien, 5. Mai. (W. T. B.) Nach dem Rechnungsabschluß der Galizischen Karl⸗Ludwigsbahn betragen die Einnahmen der Linie Krakau⸗Lemberg 7,711,655 Fl., diejenigen der Linie Lemberg⸗Podwoloczyska 2,120,746 Fl. Die gesammten Be⸗ triebsausgaben belaufen sich auf 4,783,591 Fl, mithin 598,496 Fl. weniger, als im vorigen Jahre. Die Betriebsausgaben für die Linie Krakau⸗Lemberg betragen 3,283,531 Fl., diejenigen für die Linie Lemberg⸗Podwolocmwska 1,512,097 Fl., für letztere Linie ist sonach ein Staatszuschuß von 1,014,745 Fl. in Silber erforderlich. Nach Ver⸗ zinsung des gesammten Anlagekapitals verbleiben 1,005,413 Fl. zur Disposition der Generalversammlung. 8
— (W. T. B.) Der Rechnungsabschluß der Böhmischen Westbahn ergiebt eine Totaleinnahme von 3,062,508 Fl., mithin 105,845 Fl. mehr, als im vorhergehenden Jahre, und einen Betriebs⸗ kostenbetrag von 1,259,877 Fl., demnach 12,807 Fl. weniger, als in dem vorigen Jahre. Die Gesammtausgaben betragen 1,438,587 Fl., also 39,327 Fl. weniger, als 1874. Nach Verzinsung des gesammten Anlagekapitals verbleiben 150,522 Fl. zur Disposition der General⸗ Versammlung. 1
Antwerpen, 5. Mai, Abends. Bei der heutigen Wollauktion wurden 2362 Ballen angeboten und 976 Ballen verkauft. Das Ge⸗ schäft war ohne Leben, die Preise die nämlichen wie gestern.
Leondon, 4. Mai. Der Korrespondent des „Standard“ in Alexandria telegraphirt unterm 3. d. M.: „Der Appelhof hat entschieden, daß das Besitzthum der Daira der Exekution unter⸗ liegt. Das französische Finanzprojekt ist angenommen worden. Mr. Rivers Wilson kehrt nach England zurück. .
Paris, 4. Mai. (Köln. Ztg.) Aus Cairo wird gemeldet, daß die gemischten Gerichte den Khedive zur vollständigen Zahlung der Schatz⸗ und Dairascheine verurtheilt haben. 1
— Der jetzt in Paris weilende General Prado, der zukünf⸗
tige Präsident der Republik Peru, beräth, wie der „K. Z.“ telegraphirt
wird, mit Pariser Finanzleuten über die Finanzlage Perus.
Verkehrs⸗Anstalten.
5. Mat. (W. T. B.) Der Lloyddampfer „Aurora“ ist mit der ostindisch⸗chinesischen Ueberlandpost heute Vormittag um 10 ½ Uhr aus Alexandrien hier eingetroffen.
Plymsuth, 5. Mai. (W. T. B.) Der Hamburger Post⸗ dampfer „Goethe“ ist im Schlepptau des „Sir Francis Drake“ heute Nachmittag hier eingetroffen.
New⸗York, 5. Mai. (W. T. B.) Der Hamburger Post⸗ dampfer „Lessing' ist heute Nachmittag 2 Uhr hier eingetroffen.
Berlin, den 6. Mai 1876.
Ueber die von dem Verein für deutsche Nordpolarfahrt in Bremen ausgeschicke Expedition zur Erforschung Westsibiriens bria‚t die Zeitschrift „Natur“ folgende Mittheilungen: Am 10. Januar ö“ beschloß der Verein auf Aurcgung Dr. Liedemanns eine wissen⸗ schaftliche Forschungsreise nach Westsibirien, besonders nach dem noch so wenig bekannten Obigebiet zu veranstalten, und beauftragte Dr. Otto Finsch, Konservator des naturwissenschaftlichen Museums in Bremen, mit der Ausführung derselben, indem er ihm überließ, sich einen geeigneten Begleiter zu wählen. Dr. Alfred Brehm erklärte sich auf eine Anfrage zur Theilnahme bereit. Graf Karl v. Waldburg⸗Zeil⸗Trauchburg, Königlich württem⸗ berg scher Premier Lieutenant, entschloß sich, auf eigene Kosten sich den beiden Reisenden anzuschließen. Am 6. März ward die Reise bereits angetreten; sie ging uͤber St. Peterséburg, wo ein achttägigee Aufent⸗ halt beabsichtigt wurde, auf der greßen russischen Eisenbahn bis Nischnei⸗Nowgorod, von wo die Reisenden am 22. März zu Schlitten auf der sibirischen Straße nach der wichtigen Handelsstadt Tjumen von da nach Semipolatinsk reisen wollten. Diese Schlitten⸗ war auf etwa 17 Tage berechnet. Da der Obi ber erst gegen Ende Juni eisfrei wird, so beabsichtigen ie Rei enden, die freie Zeit bis dahin zu einem Ausfluge in den Altai zu benutzen und dessen Alpengipfel zu ersteigen, danng aber sich nach Barnaul zu begeben und den Obi auf einem Boote bis zu seiner Mündung zu befahren. Graf Waldburg⸗Zeil, der überdies auch den Obi⸗Busen durch eine Bootfahrt za erforschen gedenkt, wird vor⸗ zugsweise sich mit Ortsbestimmungen, mit der Feststellung der hydrographischen Verhältnisse des Landes und mit meteorolo⸗ gischen Beobachtungen beschäftigen. Dr. Brehm wird besonders dem landschaftlichen Charakter der durchstreiften Gegenden und ihrem Thierleben seine Aufmerksamkeit zuwenden. Dr. Finsch wird außer mancherlei wissenschaftlichen Untersuchungen sich des Sammeln von Naturobjekten und ethnologisch interessanten Gegenständen und dgas Gegen Ende
Oktober hoffen die Reisenden zurückzukehren.
Was die Persönlichkeit der drei Reisenden betrifft, so enthält „Die Natur“ nachstehende biographische Notizen über dieselben: Alfred Brehm, durch sein Werk „Illustrirtes Thierleben“ be⸗ kannt, ist zu Renthendorf in Thüringen am 2. Februar 1829 geboren. Schon sein Vater Christian Ludwig Brehm war, ein hervorraßender Ornithologe. Vom Jahre 1847 bis 1852 durchreiste Alfred Brehm das nordöstliche Afrika, machte später Reisen in Europa, namentlich in Spanien und Lappland, und begleitete im Jahre 1862 den Herzog Ernst von Sachsen⸗Coburg⸗Gotha auf dessen Wunsch in die Bogos⸗ länder an der Nordgrenze Abessiniens. Im Jahre 1863 folgte er einem Rufe als Direktor des zwologischen Gartens nach Hamburg. Im Jahre 1867 siedelte er nach Berlin über und gründete hier das Aquarium.
Otto Finsch wurde am 8. August 1839 in Warmbrunn in Schlesien geboren, wo sein Vater Kaufmann war. Er war bestimmt, in das väterliche Geschäft einzutreten, aber seine Vorliebe für die Beobach⸗ tung der Thierwelt erwarb ihm Freunde, die ihn der Wissenschaft zu erhalten wußten. Im Jahre 1858 begab er sich nach Ungarn, wo er am Museum zu Pest arbeitete, dann als Hauslehrer in die Türkei; er benutzte den 2 ½ jährigen Aufenthalt in diesen Ländern zu Sammel⸗ reisen in den Balkan und an die untere Donau. Nach der Heimat zurück⸗ gekehrt, erhielt er im Jahre 1860 eine Stellung als Assistent am Königlich niederländischen Museum zu Leyden. Später besuchte er England, um seine Monographie über die Papageien, die ihn fast 5 Jahre lang beschäftigt hatte, zu vollenden. Im Jahre 1864 wurde er nach Bremen als Konservator des dortigen naturhistorischen Mnuseums berufen. Von seinen zahlreichen Abhandlungen sind hervor⸗ zuheben: „Neu⸗Guinea und seine Bewohrer“; „die Ornithologie Central⸗Polynesiens“ und „die Vögel Ostafrikas,“ beide mit Dr. Hartlaub zusammen herausgegeben. Die Universität Bonn er⸗ nannte ihn bei Gelegenheit ihrer Jubelfeier im Jahre 1868 ehrenhalber zu ihrem Doktor. Im Jahre 1872 unternahm er eine größere Reise in die Vereinigten Staaten auf der er besonders den Fischereien Aufmerksamkeit schenkte und die er bis in die Felsengebirge und nach Californien ausdehnte. Im Jahre 1873 besuchte er Nor⸗ wegen und Lappland.
Graf Karl von Waldburg⸗Zeil studirte in den Jahren 1862
5 in Hohenheim und Tharaandt Land⸗ und Forstmwissenschaft, 6 8 “
ging dann 1865 nach Leipzig, um Nationalökonomie zu hören und sich weiter naturwissenschaftlich auszubilden, und hatte die Absicht, wissenschaftliche Reisen zu unternehmen, als der Krieg von 1866 seine Pläne kreuzte. Er wurde Offizier. Im Jahre 1870 machte er zusammen mit dem Ornithologen Theodor v. Heuglin einen Ausflug nach Spitzbergen. Diese Reise führte zur Entdeckung des König Karls⸗Landes, das eine Zeit lang als Luft⸗ spiegelung angezweifelt, in letzter Zeit aber durch den Besuch eines norwegischen Kapitäns bestätigt worden ist. Von Spitzbergen zurück⸗ gekehrt, eilte Graf v. Waldburg am 4 Oktober von Hammerfest nach Sturtgart, reiste von dort am 19. Oktober nach Paris ab und stand bereits am 28. Oktober auf Vorposten an der Marne, Nogent gegenüber. An den Gefechten vom 30. November und 2. Dezember nahm er thätigen Antheil, und gehörte zu den drei unverwundeten Offizieren des 2. Jäger⸗ bataillons, das sich dort in der Brigade Reitzenstein auszeichnete. Nach kurzer Krankheit übernahm er dann bis zur Heimkehr ins Vaterland eine Compagnie; er erhielt mehrere Orden und das eiserne Kreuz, das ihm der deutsche Kronprinz persönlich überreichte. Im Jahre 1873 wurde ihm für sein⸗ Entdeckung des Karlslandes die württembergische goldene Medaille für Kunft und Wissenschaft extheilt.
In den letzten Jahren wurde er zum Commandeur der Schloß⸗ garden Compagnie ernannt, ist aber jetzt auf sein Ansuchen dieses Dienstes enthoben und ihm auf zwei Jahre Urlaub für Reisen in Rußland und Norwegen bewilligt worden.
Seit dem 1. April d. J. erscheint monatlich zwei Mal im Auf⸗ trage des Centralausschusses für innere Mission eine „Evangelische Correspondenz für Deutschland“ unter der Redaktion des Pastor Krummacher zu Brandenburg a. H. Dieselbe steht auf dem Grunde und im Dienste der evangelischen Kirche, wird sich aber nicht in die innerkirchliche Debatte über Lehre, Verfassung und Liturgie mischen, will also kein Kirchenblatt, am wenigsten ein kirchenpoliti⸗ sches sein; vielmehr beabsichtigt sie, der inneren Misston im weitesten Um⸗ fange zu dienen, so daß Alles in ihren Gesichtskreis fällt, was die religiöse und sittliche Gesundheit des evangelischen Volkes zu schädigen und zu untergraben droht, oder zu schützen und zu fördern geeignet ist. Za diesem Zwecke bietet die „Evangelische Correspondenz“ das von ihr gesammelte Material — Thatsachen, Nachrichten, anregende und auf⸗ klärende Gedanken, praktische Vorschläge und Rath chläge — in mög⸗ lichst objektiver und gedrungener Fassung den Tageblättern zur Be⸗ nutzung an, um dasselbe auf diese Weise, soviel wie möglich, zum Gemeingut zu machen. Die uns vorliegenden bis jetzt erschienenen drei ersten Nummern enthalten eine Reihe ansprecheuder Artikel über „Bibelverbreitung“, „Rettungs⸗ und Brüderanstalten“, „Herbergen zur Heimath“, „Berliner Stadtmission“, „Deutsche Dia⸗ konissen in Florenz“, „Rettungsanstalten“, „Der Zuzug Arbeit und
Dienste suchender Mädchen und Frauen nach den großen Städten“ zc.
Zu beziehen ist die „Evangelische Correspondenz“ durch J. Wiesike's Buchhandlung in Brandenburg a. H. Der Abonnementspreis beträgt für das laufende Jahr 1876 6 ℳ
Die Einführung des zum Propst zu St. Petri ernannten Ober⸗Konsistorial⸗Raths und Professors Dr. Frhrn. von der Goltz wird am Sonntag, den 14. dieses Monats, Vormittags 10 Uhr, in der St. Petrikirche durch den General⸗Superintendenten von Berlin, Propst Dr. Brückner, stattfinden.
Morgen (Sonntag) findet auf der Rennbahn zu Hhne. †.
garten der zweite Meetingstag der Frühjahrsrennen stat ei dem⸗ selben werden folgende Konkurrenzen gelaufen werden: Jungfernrennen um den Staatspreis von 1200 ℳ für inländische Pferde, die noch nie gesiegt haben Zu demselben sind 11 Pferde genannt. Zu dem hierauf folgenden Rennen um den Staatspreis IV. Klasse von 1500 ℳ sind 7 Pferde genannt. Die dritte Konkurrenz des Tages bildet der Staatsgestütspreis von 3000 ℳ Hier sind ebenfalls 7 Unterschriften eingegangen. Von den 14 Pferden, welche zu dem Flibustier⸗Handikap genannt sind, werden voraussichtlich 6 oder 7 starten. Das Verkaufsrennen um den Klubpreis von 1200 ℳ hat bis jetzt nur zwei Unterschriften, es sind jedoch Nennungen zu demselben bis heut Abend 10 Uhr noch zulässig. Den Schluß des Tages bildet ein Hürdenrennen um den Staatspreis von 1200 ℳ, ein Herrenreiten auf eine Distanz von 1800 Meter auf der Hürdenbahn, zu dem 6 Pferde genannt sind.
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In Washington wurde am 14. April das Standbild Lincolns enthüllt. Der Kongreß und sämmtliche Regierungs⸗ bureaus waren geschlossen. Auf den Regierungsgebäuden und auf vielen Privathäusern waren die Flagzen auf Halbmast gezogen. Im Lincoln⸗Square, wo die Statue errichtet wurde, hatte sich schon zu früher Stunde eine große Menschenmenge versammelt. Die Feierlichkeiten wurden durch eine Prozeission eingeleitet, die ich in der K.⸗Straße formirte und nach dem Lincoln⸗Square mar⸗ sich ie Daselbst angelangt, schaarten sich die Zugtheilnehmer im Halbkreis um das verhüllte Standbild, und nachdem von der Militärmusik „Hail Columbia“ vorgetragen worden war, eröffnete Professoe Langdon die Feier mit einer Rede, worin er die Geschichte des Denkmals und der zu seiner Beschaffung ver⸗ anstalteten Sammlung erläuterte. J. Henri Burch von Louisiana hielt eine kurze Rede und verlas die Emanzipationsproklamation. Die Militärmnsik trug die Marseillaise vor, und dann hielt James E. Peatmann von St. Louis eine Rede, nach deren Beendigung die Hülle von dem Standbild gezogen wurde. Diese Ceremonie wurde von dem Präsidenten Grant vorgenommen, welcher mit mehreren Kabinetsmitgliedern der Feier beiwohnte. Sobald die Hülle gefallen, wurde ein Salut von 37 Schüssen abgefeuert. Die Statue zeigt Lincoln, in der Linken die Emanzipationsproklamation hbaltend, während seine Rechte, wie Erlösung bringend, auf der knieenden Ge⸗ stalt eines Sklaven ruht, zu dessen Füßen die Kette liegt, die ihn an die Sklaverei fesselte. Die Statue ist das Werk des in Flerenz wohnenden amerikanischen Bilhauers Thomas Ball. Die Feier schloß mit einer Festrede von Frederick Dauglaß.
Theater. “
Im Königlichen Opernbause gastirt gegenwärtig Frl. Linda unter außerordentlichem Beifall. Das Gastspiel der Dame wird sich indessen auf nur wenige, bis zum 13. Mai währende Dar⸗ stellungen beschränken. Die Künstlerin ist bekanntlich auf zwei Jahre in Wien engagirt. G
— Das umfanareiche Repertoir der kleinen Dora Friese im Woltersdorff⸗Theater gestattet derselben bereits am Sonntag wie⸗ der in einigen neuen Piecen aufzutreten. Es ist dazu das komische Inter⸗ mezzo „Der kleine Heirathsvermittler“ gewählt. Den Abend eröffnet der im Laufe der Woche mehrmals mit Beifall aufgenommene Schwank „Eine vollkommene Frau“ und wird das Repertoir durch die an dieser Bühne zum ersten Male zur Aufführung gelangende Operette „Hanni weint, Hanst lacht“, vervollständigt, in welcher die Haupt⸗ partien, Hannchen und Mosthuber, durch Frl. Josephine Pagay und Hrn. Direktor Thomas besetzt find.
— Fr. Claar⸗Delia hat vorgestern mit bedeutendem Erfolge im Residenztheater als „Messalina“ debütirt.
— Fr. Leopoldine Borsdorf⸗Fachini vom Fürstlichen Theater in Detmold wird, am 17. d. M. beginnend, einen Cyklus von 3 Vorstellungen am Nationaltheater geben. Der Künstlerin geht aus Detmold ein günstiger Ruf voran.
— In der Singakademie hatte gestern Abend die König⸗ lich Akademische Hochschule für Musik ihre neunte Auf⸗ führung unter Leitung des Prof. Joachim veranstaltet und dazu⸗ Haydn’'s Oratorium „Die Jahreszeiten“ gewählt. Die Chöre mit ihrer lieblichen Heiterkeit, ihrem Jubel und auch ihrem kindlich frommen Ernst, kamen, wie stets bei den Aufführungen der Hochschule, durch Präzision und kunst⸗ sinnige Auffassung zur vollen Wirkung und fanden vielen Beifall; ebenso die Soli, Frl. Helene Otto mit ihrem leicht an⸗ gebenden, für die hohe Partie des Hannchens vollkommen ausreichen⸗ den Sopran, Hr. Rusack (Lucas) und vor Allem Hr. Georg Henschel (Simon), dessen gebildeter, edler Vortrag, verbunden mit der Schönheit seiner Stimme, einen vollendeten Eindruck machte. Der Saal war vollstäneig gefüllt.
Redacteur: F. Prehm.
Verlag der Expedition (Kessel). Druck: W. Elsner. Vier Beilagen 8
e“ seinschließlich Börsen⸗Beilageh, “
außerdem ein Fahrplan der Berlin⸗Anhaltischen Eisenbahn,
Berlint
Erste Beilage
schen Reichs⸗Anzeiger und Königlich Preußischen Stnat
Nichtamtliches.
Preußen. Berlin, 6. Mai. Die in der gestrigen
Sitzung des Hauses der Abgeordneten angenommenen
Artikel 15— 19 des Gesetzentwurfs, betreffend die evan⸗ gelische Kirchenverfassung in den acht älteren Pro⸗ vinzen der Monarchie, lauten nach den Beschlüͤssen der Kommission, deren Abänderungsvorschläge durch gesperrten Satz hervorgehoben sind:
Art. 15. Kirchengesetze, durch welche die Einkünfte des Kirchen⸗ vermögens oder der Pfarrpfründen zu Beiträgen für kirchliche Zwecke herangezogen werden (§. 15 der General⸗Synodalordnung vom 20. Javuar 1876), dürfen die Pfründeninhaber in ihren schon vor Erlaß dieses Gesetzes erworbenen Rechten nicht schmälern, müssen die Heranziehung in den einzelnen Kategorien der Kirchenkassen oder Pfründen nach gleichen Prozentsätzen anordnen und bedürfen der Zustimmung des Staats⸗Ministeriums. Die Zustimmung ist in der Verkündigungsformel zu er⸗ wähnen.
Die Zustimmung darf nicht versagt werden, wenn das Gesetz ordnungsmäßig zu Stande gekommen ist und der Inhalt desselben dem § 15 der General⸗Synodalordnung vom 20. Januar 1876 und diesem Artikel entspricht.
8 Kirchengemeinden, welche den Nachweis führen, daß sie dievollen Ueberschüsse ihrer Kirchenkassezubestimm⸗ ten innerhalb der nächstfolgenden Jahre zu befriedi⸗ genden Bedürfnissen nicht entbehren können, sind von dieser Beitragspflicht zeitweilig zu entbinden.
Die Beiträge können im Wege der Administrativ⸗Exekution bei⸗ getrieben werden.
Zur Abwendung der Exekution steht den Betheiligten binnen 21 Tagen seit Empfang der Zahlungsaufforderung die Beschwerde dahin zu, daß die Heranziehung nicht dem Gesetz entspricht oder die Berechnung des Beitrags unrichtig, oder die Kirchenkasse nach Absatz 2 von der Beitragspflicht zu entbinden ist.
Urber die Beschwerde entscheidet die Staatsbehörde.
Art. 16. Der General⸗Synodalvorstand übt die ihm in den §§. 11, 12 der General⸗Synodalordnung vom 20. Januar 1876 zugewiesenen Rechte und verwaltet die General⸗Synodalkasse (§. 34 Nr. 6).
Die zur Ausübung dieser Rechte erforderlichen Beschlüsse werden
35 Absatz 2 gefaßt.
Irt. 17. Die Vertretung der evangelischen Landeskirche in ihren
vermögensrechtlichen Angelegenheiten erfolgt durch den Evangelischen rchenrath unter Mitwirkung des General⸗Synodalvorstandes Nr. 4 der General⸗Synodalordnung vom 20. Jannar 1876). Befugniß zur Aufnahme von Anleihen ist darin
cht einbegriffen.
Schriftliche Willenserklärungen, welche die Landeskirche Dritten gegenüber rechtlich verpflichten, bedürfen in ihrer Ausfertigung des Vermerks, daß der General⸗Synodalvorstand bei dem Beschluß mit⸗ gewirkt hat, der Unterschrift des Präsidenten des Evangelischen Ober⸗ Kirchenraths oder dessen Stellvertreters und der Beidrückung des Amtssiegels.
Art. 18. Für die Kosten der Generalsynode, deren Vorstände, Ausschüsse und Kommissionen, sowie des Synodalraths kommen die §§. 38 bis 40 der General⸗Synodalordnung vom 20. Januar 1876 zur Anwendung.
Art. 19. Die Verwaltung der Angelegenheiten der evangelischen Landeskirche geht, soweit solche bisher von dem Minister der geist⸗ lichen Angelegenheiten und von den Resierungen geübt worden ist, auf den Evangelischen Ober⸗Kirchenrath und die Konsistorien als Organe der Kirchenregierung über.
Der Zeitpunkt und die Ausführung des Ueberganges bleibt Kö⸗ niglicher Verordnung vorbehalten. 1
Veränderungen in derkollegialen Verfassung dieser Organe bedürfen der Genehmigung durch ein Staats⸗ gesetz (General⸗Synodalordnung vom 20. Januar 1876, EEE5
Im weiteren Verlaufe der Sitzung knüpfte sich eine längere Diskussion an den Antrag der Abgg. Dr. Virchow und Klotz, in einem Zusatzparagraphen 19a. Bestimmungen über die Aus⸗ einandersetzung bei stattfindendem Massenaustritt aus der Lan⸗ deskirche in das Gesetz aufzunehmen, wie sie das Altkatholiken⸗ gesetz enthält. Nachdem der Abg. Klotz seinen Antrag motivirt, nahm der Staats⸗Minister Dr. Falk das Wort. (Da uns diese Rede bis zum Schluß des Blattes noch nicht vollständig zuge⸗ gangen ist, so werden wir dieselbe am Montag veröffentlichen. Red.)
Nachdem noch der Abg. Dr. Virchow für seinen Antrag und der Referent Dr. Gneist dagegen gesprochen, wurde der Antrag abgelehnt. ““
Art. 20 und 21: G
Art. 20. In Beziehung auf die Patronatsverhältnisse, sowie auf die kirchlichen Angeleßenheiten bei dem Militär und den öffentlichen Anstalten wird in den Zuständigkeiten der Behörden durch dieses Gesetz Nichts geändert.
Art. 21. Den Staatsbehörden verbleibt:
1) die Anordnung und Vollstreckung der zur Aufrechthaltung der ugeren kirchlichen Ordnung erforderlichen polizeilichen Vorschriften.
2) die Regelung der streitigen Kirchen⸗, Pfarr⸗ und Küsterei⸗ bausachen, sowie die Vollstreckung der einstweiligen Entscheidungen in diesen Sachen;
3) die Beitreibung kirchlicher Abgaben;
4) die Leitung der Kirchenbuchführung, soweit die Kirchenbücher noch zur Beurkundung des Personenstandes dienen;
. 5) die Ausstellung von Attesten über das Vorhandensein der⸗ jenigen Thatsachen, welche den Anspruch auf Kostenfreiheit begründen;
6) die Mitwirkung bei der Veränderung bestehender, sowie bei der Bildung neuer Pfarrbezirke;
7) die Mitwirkung bei der Besetzung kirchenregimentlicher Aemter oder bei der Anordnung einer kommissarischen Verwaltung derselben. Diese Mitwirkung bleibt in dem bisherigen Umfange bestehen. Insbesondere hat die Anstellung der Mitglieder der kirchenregimentlichen Behörden
Gegenzeichnung des Ministers der geistlichen Angelegenheiten zu erfolgen;
8) die Mitwirkung bei der Einführung oder Ab⸗ schaffung allgemeiner kirchlicher Feiertage (§. 7 Nr. 4). wurden nach kurzer Debatte unverändert genehmigt.
Den von der Kommission beantragten Zusatzparagraphen 21la.
Art. 21a. Die Verwaltung der evangelisch⸗theolo⸗ ischen Fakultäten der Landesuniversitäten, insbe⸗ ondere die Anstellung der Professoren steht ausschließ⸗ lich den Staatsbehörden zu. lehnte das Haus als überflüssig ab, und nahm statt dessen den Antrag der Abgg. Dr. Virchom und Klotz an, welcher lautet:
„Den Organen der Landeskirche steht eine Mitwirkung bei An⸗ stellung der Professoren an den evangelisch⸗theologischen Fakultäten der Landesuniversitäten und der Direktoren der Lehrerseminarien, sowie bei der Verwaltung der evangelisch⸗theologischen Fakultäten und der Lehrerseminarien nicht zu.“
Berlin, Sonnabend, den 6. Mai
An der Debatte hierüber betheiligten sich außer dem Mini⸗ sterial⸗Direktor Dr. Förster die Abgg. Dr. Wehrenpfennig und
Dr. v. Sybel. Die übrigen Artikel wurden ohne Diskussion ge⸗
nehmigt. Dieselben lauten:
Art. 22. Die Beschtüsse der kirchlichen Organe bedürfen zu ihrer Gültigkeit der Genehmigung der staatlichen Aufsichtsbehörde in fol⸗ genden Fällen:
1) bei dem Erwerb, der Veräußerung oder der dinglichen Be⸗ lastung von Grundeigenthum; 3
2) bei der Veräußerung von Gegenständen, welche einen geschicht⸗ lichen, wissenschaftlichen oder Kunstwerth haben;
3) bei Anleihen, soweit sie nicht blos zu vorübergehender Aus⸗ hülfe dienen und aus der laufenden Einnahme derselben Voranschlags⸗ periode zurückerstattet werden können;
4) bei der Einführung und Veränderung von Gebührentaxen;
5) bei der Errichtung neuer, für den Gottesdienst, die Geistlichen oder andere Kirchendiener bestimmter Gebäude;
6) bei der Anlegung oder veränderten Benutzung von Begräb⸗ nißplätzen;
7) bei der Ausschreibung, Veranstaltung oder Abhaltung von 1.“ außerhalb der Kirchengebäude, unbeschadet des Artikels 9 Nr. 4;
8) bei einer Verwendung des kirchlichen Vermögens zu anderen,
ls den bestimmungsmäßigen Zwecken.
Bewilligungen aus der Kirchenkasse an andere Gemeinden oder zur Unterstützung evangelischer Vereine und Anstalten, sofern die⸗ selben einzeln zwei Prozent und im Gesammtbetrage eines Etatjahres fünf Prozent der Solleinnahme nicht übersteigen, bedürfen nicht der Genehmigung der Staatsbehörde.
Art. 23. In Betreff der Schenkungen und letztwilligen Zuwen⸗ dungen bewendet es bei dem Gesetz vom 23. Februar 1870.
Art. 24. Die kirchlichen Organe bedürfen zur Führung von Pro⸗ zessen keiner Ermächtigung von Seiten einer Staatsbehörde.
Art. 25. Die Staatsbehörde ist berechtigt, von der kirchlichen Vermögensverwaltung Einsicht zu nehmen, zu diesem Behuf die Etats und Rechnungen einzufordern, sowie außerordentliche Revisionen vorzunehmen und auf Abstellung der etwa vorgefundenen Gesetz⸗ widrigkeiten durch Anwendung der gesetzlichen Zwangsmittel zu dringen.
In Beziehung auf die verantwortliche Verwaltung und Verwendung der Staatsfonds zu den bestimmten kirchlichen Zwecken wird durch dieses Gesetz nichts geändert.
Art. 26. Durch Königliche Verordnung werden diejenigen Staats⸗ behörden bestimmt, welche die in den Artikeln 3, 5 und 8 des Ge⸗ setzs vom 25. Mai 1874 und in den Artikeln 3, 4, 7, 8, 10, 15, Absatz 5, Artikel 21, 22, 25 dieses Gesetzes erwähnten Rechte aus⸗ zuüben haben.
Art. 27. Alle, diesem Gesetz, der Kirchengemeinde⸗ und Syno⸗ dalordnung vom 10. September 1873 Abschnitt 2—5 und der an⸗ liegenden General⸗Synodalordnung vom 20. Januar 1876 entgegen⸗ stehenden Bestimmungen, mögen dieselben in den allgemeinen Landes⸗ gesetzen, in Provinzial⸗ oder Lokalgesetzen und Lokalordnungen ent⸗ halten, oder durch Observanz oder Gewohnheit begründet sein, treten außer Kraft. “ 8
Urkondlich ꝛc. 8
Die Rede, welche der Staats⸗Minister Dr. Falk zu Art. 14a. (Umlagen für kirchliche Zwecke) nach dem Abg. Miquel hielt, hatte folgenden Wortlaut:
Meine Herren! Es scheint mir, als ob vielleicht von beiden Seiten — ich nehme gerade den de Abg. Miquel nicht aus — die Sache in eine etwas lebhaftere Farbe gekleidet worden wäre, als eigentlich ihrer Natur nach angemessen war. Ich betrachte diese An⸗ gelegenheit nicht kühl. Es ist neben einem grundsätzlichen Gesichts⸗ punkte allerdings ein praktischer, der mir Bedenken eingiebt gegen das sehr positive Amendement der Hrrn. Abgg. Richter und Dr. Techow. Der prinzipielle Gesichtspunkt wie der praktische haben beide bereits ihre Erwägung in der heutigen Verhandlung gehabt. Ich glaube, es ist allerdings richtiz, daß man in Ziehung der Grenzen, in welchen der Staat sich gegenüber der in gewissen Richtungen von ihm zu befreienden Kirche zu bewegen hat, so weit vorsichtig sein muß als möglich, und daß man nicht weiter gehen sollte, als es vom staat⸗ lichen Interesse aus geboten ist. Es scheint mir freilich, als habe der Hr. Abg. Migquel gemeint, ein gewisses staatliches Interesse darin zu finden, daß die Provinzialsynode nicht vergewaltigt würde durch die Generalsynode, und in der Allgemeinheit dieses Gedankens kann ich mich ihm gewiß anschließen. Es haben beide Körper ihre Sphären in dem kirchlichen Leben, und es wäre Unrecht, wenn die Provinzial⸗ synode darunter litte in denjenigen Beziehungen, wo ihr Recht ist, sich selbständig zu bewegen, uneingeengt von der Allgemeinheit. Ist es denn nun aber wirklich richtig, daß eine solche unzulässige Beengung eintreten würde, wenn eine Bestimmung bliebe, wie sie der zweite Absatz Ihrer Kommission vorschlägt? Ich muß da von dem Hrn. Abg. Miquel abweichen. Um was handelt es sich? Um Fixirung einer Theilungsquote, nicht um eine immerwährende, sondern um eine nach den konkreten Verhältnissen sich ändernde, und aus dieser einzigen Thatsache wird denn nun gefolgert, daß alle Selbständigkeit der Provinz aufhört, daß die Budgets von der Gene⸗ ralsyvnode gemacht würden. Ja, wenn ein anderer Wahlmodus für die Generalsynode begründet wäre als Derjenige, der in der Synodal⸗ ordnung vorgeschrieben ist, — da könnte ich recht symmpathisch werden mit dem Hrn. Abg. Miquel, wie ich denn auch seine mangelnde Sympathie gegen die Urwahlen aus der Gemeinde heraus vollkommen theile. Aber, wenn es sich darum 8 weitaus den größten Theil der Generalsynode zusammengesetzt zu sehen aus Mitgliedern der P oder aus Personen, die von den Mitgliedern der
rovinzialsynode gewählt sind — denn das ist das allein Richtige — wenn ich mir ferner vorstelle, daß es keine willkürliche, sondern eine auf die verschiedenen Landestheile nach Maßgabe der Bedeutung der evangelischen Bevölkerung gleichmäß’g vertheilte Zahl von Männern ist, die so gewählt worden, so bin ich in der That nicht in der Lage anzuerkennen, daß diese Synode, die wesentlich auf der Basis der Provinzialsynode verwachsen ist, sich nun plötzlich gegen die pro⸗ vinziellen Interessen kehren sollte; wie sie dazu kommen sollte, das kann ich in der That nicht verstehen. Ich tann nur mit den Herren Vorrednern der Meinung sein, es wäre das wohl ganz richtig, wenn man die verschiedenen Pro⸗ vinzen im Verhältniß zu einander verschieden bedenken wollte, denn dann könnte sehr leicht zwischen einem Theile der Provinzen ein Kom⸗ promiß herbeigeführt werden zum Schaden einzelner Provinzen. So liegt aber die Sache nicht. Ich glaube also, daß man hier auf Grund einer mehr zu Gunsten für die Provinzialkörper gehenden Neigung, — verzeihen Sie mir den Ausdruck, — das Kind mit dem
Bade ausschüttet. 1 1
Was den praktischen Gesichtspunkt betrifft, so bin ich durchaus, ich wiederhole es, weit davon entfernt, zu meinen, daß die propinziellen Zwecke leiden müßten unter den gesammten kirchlichen Interessen. Es bleibt eben noth⸗ wendig, zwischen den beiden einen angemessenen Ausgleich zu finden, und das wird, ich wiedechole es nochmals, nach meiner Mei⸗ nung am besten erzielt durch eine solche Synode, wie sie nach der General⸗Synodalordnung zusammengesetzt ist. Aber, meine Herren, es ist ganz zweifellos, daß es Niemand giebt, der in diesem Augen⸗
blicke in der Lage wäre zu sagen, welche Zwecke dürften in der näch⸗ sten Zeit vorzugsweise zu fördern sein? Denn,zmeine Herren, Sie werden doch nicht glauben, daß alle jemaligen Bedürfnisse der evangelischen Kirche mit den Vier Prozenten erfüͤllt werden, wenn sie auf einmal erfüllt werden sollten, sie müssen eben v rtheilt werden auf den Lauf der Jahre und man muß sich vergegenwärtigen, welche Badürtnisse sind drängendere und welche können einstweilen noch verschoben werden, und dabei wird sich auch wieder zeigen, welche Mittel sind zunächst der Provinz zu überweisen, weil da drin⸗ gendere Bedürfnisse vorliegen, und welche Mittel sind in der Hand der Centralbehörde zu lassen, weil die allgemeinen Bedürfnisse, die die Kirche nur in ihrer Totalität zu erfüllen in der Lage ist, vielleicht gegenwärtig mehr in den Vordergrund treten. Nun gieb es, und gewiß wird es immer einen Satz geben, der für beide Zweck ein nothwendiger ist, man wird immer sagen können, unter allen
Umständen brauchen die Provinzen beispielsweise 1 %, braucht die
Landeskirche 1 %; aber, meine Herren, was ich an dem Techowschen Antrag so bedenklich finde, ist, daß er für das dazwischenliegende flüssige Element, wo gerade die Bewegung sich befindet, keinen Raum läßt, sondern uns einfach, wenn ich so sagen darf, festnazelt auf der einen Seite auf 3, auf der andern Seite auf 1 %. Ich könnte mich sehr wohl mit einem Amendement einverstanden erklären, welches ohne Weiteres einen bestimmten Satz, nicht zu hech gegriffen, den Provin⸗ zialsynoden überwiese, — schon weil die nächsten Provinzialsynoden
2.
der ordentlichen Generalsynode vorangehen — für eine über diesen Satz hinausgehende Summe sber die Entscheidung der Generalsynode vorbehielte. Ich könnte mich einverstanden erklären mit einem Satz: bis zu einer anderweitigen Beschlußfassung der Generalsynode mag es bei einer jetzt bestimmt festzusetzenden Vertheilung bewenden. Natürlich kann ich mich aber durchaus nicht er värmen für den Satz: jetzt muß eine bestimmte Summe fixirt werden, und wenn sie geändert wird, muß wieder ein Staats⸗ gesetz kommen. Der Hr. Abg. Wehrenpfennig hat ganz recht, es ist unerwünscht, wenn wir uns immer wieder mit dieser Sache befassen müssen; ich glaube, es ist völlig richtig: daß, wo wir die deutliche Gefahr sehen, daß uns wieder ein neues Staatsgesetz kommen wird, — wir sind ohnehin lange noch nicht aus ihnen heraus — wir suchen müssen, diese Gefahr zu vermeiden in jeder Weise, und so, daß wir über den betreffenden Punkt mit ziemlicher Gewißheit sagen können: wir müssen nicht schon nach Ablauf einer kurzen Frist anders darüber bestimmen. 1
Der Hr Abg. Miquel ist nun der Meinung gewesen, daß wir die Abmessung der kirchlichen Bedürfnisse richtiger beurtheilen würden, weil wir diesen Sachen objektiver gegenüberständen, wie die kirchlichen Organe setbst. Meine Herren, ob ein solcher Ausspruch wohl recht vereinbar ist mit dem Prinzip der Selbstverwaltung, das auch in dieser Angelegenheit zur Anwendung kommen soll, gestatte ich mir, Ihrer eigenen Erwägung zu überlassen. Der Hr. Abg. Miquel hat gesagt, wenn wir auch mit den 1 und 3 Prozent irren möchten — so habe ich ihn wenigstens verstanden — so liegt die Sache ganz anders, als mit der Abmessung von 4 Prozent überhaupt. Meine Herren, da scheint mir doch ein Unterschied zu sein: die 4 Prozent sollen vor allen Dingen ziehen die Grenze für die staatlichen Verwaltungsbehörden, und ausdrücken, daß die Gesetzgebung ein⸗ zutreten hat, wenn größere Bedürfnisse vorhanden sind, ein Weiter⸗ gehen in Anspruch nehmen. Nicht aber scheint mir dieser Satz auf demselben Gebiete zu stehen, auf welchem die Frage der Theilung der betreffenden Summen innerhalb der kirchlichen Organe sich befindet. Wenn ich das Alles erwäge, so komme ich allerdings zu dem Ergeb⸗ niß, daß, wenn zwischen den beiden Vorschlägen zu wählen ist, die heute gemacht worden sind, daß es dann besser ist, den Vorschlag der Kommission anzunehmen, als den Vorschlag, welchen die Herren Abgg. Richter und Techow gemacht haben.
Die russische Provinz Ferghanah. 8 1 9
Die „Revue Militaire“ hat in ihrer letzten Lieferung eine inter essante Studie über die bisher noch für Europa verschlossene Gegend, die jetzt unter dem Namen „Provinz Ferghanah’ einen Theil des russischen Reiches ausmacht. Der Verfasser dieser Studie, Hr. Kuhn, hat, mit einer wissenschaftlichen Mission betraut, den Feld⸗ zug von Khokand mitgemacht; er war oft im Stande, die Nach⸗ richten, die er in seiner Studie bringt, direkt von den früheren Be⸗ amten der Verwaltung des Khan oder aus den offiziellen Doku⸗ menten des Landes zu schöpfen. Hr. Kuhn nimmt zuerst kurz die Geschichte des Khanats durch, die nur der Bericht der internen Kämpfe, der Palastrevolutionen und der Unruhen ist, welche dasselbe fast ununterbrochen bis auf unsere Tage heimgesucht haben.
Die geschichtlichen Nachrichten, die man über Khokand besitzt, sind nicht ausreichend, um ein Gesammtbild zu geben, nicht allein von den politischen Ereignissen, deren Schauplatz es früher gewesen, sondern auch von seiner neueren Vergangenheit.
Obgleich die Thronbesteigung der letzten Dynastie von Khokand erst aus dem Ende des 18. Jahrhunderts datirt, wissen wir doch nicht eben mehr von den ersten Fürsten dieser Dynastie als von ihren Vor⸗ gängern. Die Tradition und die Münzen allein haben uns einige vereinzelte Auskunft über ihre Regierungen bewahrt.
So wissen wir, daß der Gründer der letzten Dynastie einer der ältesten der Ouzbek⸗Tribus der Ming oder Min Namens Narbuta⸗ biy war, der den Ursprung seines Geschlechtes auf den Kaiser Baber zurückführte. Man weiß auch, daß dieser Biy sich an der Spitze der Ouzbek⸗Tribus, unter denen er sich eine große Popularität erworben hatte, in den letzten Jahren des 18. Jahrhunderts Khokands und der Nachbarstaaten bemächtigte; aber da hören unsere Nachrichten auf, und wir kennen seine Regierung und die seiner Söhne nur durch die widersprechenden und unvollständigen Zeugnisse seiner Zeitgenossen.
Erst nach 1830 macht sich die Geschichte Ferghanahs frei von dem geheimnißvollen Schleier, welcher die früheren Ereignisse des Landes verhüllt Um diese Zeit wurde das auf den Ruinen der Monarchie Timurs errichtete Khanat von einem Enkel des Narbuta⸗ biy, Mohamed⸗Ali, oder abgekürzt Mad ⸗Ali, beherrscht, der seine Macht befestigte, indem er seinen jüngeren Bruder Sultan⸗Mavmound be⸗ siegte. Nach seiner Niederlage floh dieser Letztere nach Bockhara, wo er alle Intriguen spielen ließ, um den Emir, Nassr⸗Ullah, zu einem Kriege gegen Khokand zu bewegen.
Die Bestrebungen Sultan⸗Mahmouds wurden durch das Be⸗ nehmen Mad⸗Ali⸗Khans unterstützt, der, nachdem er sich in den ersten Zeiten seiner Regierung thätig und tapfer gezeigt, plötzlich die Geschäfte aufgab, um sich Ausschweifungen zu über⸗ lassen. Diese Veränderung in dem Charakter des Khan hatte eine Unordnung der Verwaltung zur Folge, über welche das Volk murrte und die obersten Beamten unzufrieden waren; ein Komplot entstand unter den letzteren, um Muhamed⸗Ali vom Throne zu stoßen und durch einen anderen Enkel Narbuta⸗miy's, Schir⸗Ali, den Sohn Aliw⸗ Khans, des ältesten seiner Kinder, zu ersetzen. Da sie sich nicht für 8e. genug hielten, um allein ihren Plan auszuführen, riefen die
erschworenen die Hülfe des Emir von Bockhara an, der eifrig diese Gelegenheit, in den Angelegenheiten von Khokand zu interveniren, ergriff. Naffr⸗Ullah 58 mit seiner Armee vor Khokand im Jahre 1841, und nachdem er die Stadt eingenommen, die Muhamed⸗
Ali schleunigst verlassen hatte, beschloß er die Annexion des Khanats