Zemerkungen.
1) Die Reihenfolge der Eisenhahnen ist nach der Größe der mittleren Verhältnißzahl (geometr. Mittel) zwischen der auf je Eine Verspätung der Courier⸗, Schnell⸗, Personen⸗ und gemischten Züge auf eigener Bahn entfallenden Anzahl von Zügen dieser -vS und der auf je Eine Verspätung entfallenden Zahl der von diesen Zuggattungen zurückgelegten Achskilometer bestimmt (Col. 34, 35 u. 36).
8 2) Es entfällt: a. die größte Zahl der beförderten Züge auf die Sächsischen Staatsbahnen mit 23,310 Zügen (lfde. Nr. 41, Col. 5 — 10);
b. die größte Zahl der zurückgelegten Achskilometer aller Züge auf die⸗
selbe Bahn mit 55,628,490 Achskilometern, und der Courier⸗, Schnell⸗,
Personen⸗ und gemischten Züge mit 11,369,241 Achskilometern (lfde. Nr. 41, Col. 31 und 32); e. die größte Leistung pro Kilometer Bahn⸗ länge auf die Niederschlesisch⸗Märkische Bahn mit 51,500 Achskilo⸗
metern (lfde. Nr. 35, Col. 3, 31 u. 33).
3 3) Durchschnittlich beträgt: a. die auf jeden Kilometer Bahn⸗ länge von der Gesammtsumme der Achskilometer entfallende Zahl 23,200 Achskilometer (Col. 3, 31 und 33): b. die mittlere Verhältnißzahl zwischen der auf je Eine Verspätung entfallenden Zugzahl und der auf je Eine Verspätung entfallenden Zahl von Achskilometern 3941 (Col. 34,
4) Die größte Fahrgeschwindigkeit (inkl. Aufenthalt auf den
Stationen) haben: a. von den Courier⸗ und Schnellzügen diejenigen der Magdeburg⸗Halberstädter Bahn mit 58 Kilometern pro Stunde Fahrzeit (lfde. Nr. 4, Col. 38); b. von den Personenzügen diejenigen der Ober⸗ lausitzer und Cottbus⸗Großenhainer Bahn mit 42 Kilometern vro Stunde Fahrzeit (lfde. Nr. 61, Col. 39); «. von den gemischten Zügen die⸗ jenigen der Eutin⸗Lübecker Bahn mit 32 Kilometern pro Stunde Fahr⸗ zeit (lfde. Nr. 50, Col. 40). —
5) Durchschnittlich legen pro Stunde Fahrzeit incl. Aufenthalt auf den Stationen zurück: a. Courier⸗ und Schnellzüge 46 Klm., b. Per⸗ sonenzüge 33 Klm., c. gemischte Züge 24 Klm. (Col. 38, 39 u. 40).
6) Die Zahl der zurückgelegten Achskilom ist von den Verwaltungen (lfde. Nr. 6, 8, 9, 12, 26, 38 und 43) nach approximativem Ueber⸗- .- von allen übrigen Verwaltungen nach genauer Berechnung angegeben.
7) Von den Gesammtverspätungen in Col. 22— 27 wurden her⸗
vorgerufen: 1 a. durch Betriebsstörungen in Folge des am 12. und 13. März in Min. Fällen.
herrschenden Orkans: bei der lfd. Nr. 3 (Hessischen Ludwigs⸗Bahn 313 9 er lf 3 (Hessis 9 8 2873 14
„„ 1e
bei der lfd. Nr. 9 (Berlin⸗Görlitzer „ „ „ 13 (Rheinischen „ „ „ 15 (Main⸗Neckar „ „ „ 23 (Magdeb.⸗Leipziger „ „ „ 35 (Niederschl.⸗Märkische „ „ „ 41 (Sächsische Staats⸗ b. durch Betriebsstörungen in Folge von Ueberfluthungen, Damm⸗ beschädigungen ꝛc. in Min. Süpen.
573 1122 44 1238 36
bei der lfd. Nr. 3 (Hessischen Lenieah nhn) ) ) 1715 64 ) ) )
„ „ „ 4 (Magdeburg⸗Halberstädter „ „ 6 (Elsaß⸗Lothringischen
„ 8 (Bergisch⸗Märkische
„ 11 (Breslau⸗Schweidn.⸗Freib. „ 17 (Berlin⸗Stettiner
„ 24 (Württembergische Bahnen 177 9 „ 25 (Berlin⸗Hamburger Bahn ) 1309 14
laufenden Nr. 63 (Berlin⸗Potsdam⸗Magdeburger
284 7 894 19
8) Bei der
Bahn) ist der regelmäßige Betrieb auf der Strecke Berlin⸗Magdeburg
erst seit dem 22. März wieder vollständig hergestellt.
35 und 36). Nichtamtliches.
Großbritannien und Irland. London, 6. Mai. Der „Economist“ erkennt die große politische, strategische und wirthschaftliche Tragweite der dem preußischen Abgeordnetenhause gemachten „Reichseisenbahn⸗Vorlage an. Politisch erstrebe sie eine festere Einigung Deutschlands, strategisch größere Kriegs⸗ tüchtigkeit; aber auch ihr ökonomoscher Erfolg sei wahrscheinlich, wie sich dies aus dem günstigen Beispiele schließen lasse, welches die Staatsbahnen in Belgien und anderen Staaten geben. — Dem Kommandanten der australischen Flotten⸗ station wird demnächst die Aufgabe zufallen, die Einge⸗ bornen einer Insel der Aurora⸗Gruppe zu züchtigen, auf welcher vor einigen Monaten die Mannschaft des Kaͤuffahrers „Laelia“ niedergemacht wurde. — Die „Times“ enthalten einen Artikel über den Hirten⸗ brief des Kardinals Cullen, welchem wir Folgendes ent⸗
nehmen:
— Der Ton, in welchem Kardinal Cullen in seinem vor Kurzem erlassenen Hirtenbriefe sich über die Erziehung in Irland äußert, ist kein unklarer. Unzufriedenheit im Allgemeinen mit Allem, was bis jetzt für die Erziehung in Irland geschehen ist,
äußert sich darin und zugleich wird der Rath ertheilt, daß kein Ver⸗
besserungsplan angenommen werden dürfe, durch welchen nicht dem Kardinal Cullen und seinen Untergebenen absolnte Gewalt in die Hände gegeben würde Das jetzt in Irland eingeführte System des Elementarunterrichts flößt dem Kardinal die ernstesten Besorg⸗ nisse ein. Nicht sowohl in dem Sinne, daß es kein Gutes wirken könne, in der gewöhnlichen Laienauffassung des Wortes, als vielmehr darin, daß er es für sehr wahrscheinlich hält, es könne durch dasselbe kirchliches Unheil angestiftet werden. Ebenso unzufrie⸗ den ist der Kardinal mit der Universitätsausbildung. Der Zustand, in dem sich dieselbe befindet, ist seiner Ansicht nach, ein schmachvoller. Die Protestanten hätten seit Jahrhundert ein Monopol dafür besessen, und, wenn sie auch somit keinen Vortheil davon gehabt hätten, doch wenigstens das Einkommen der Universitäten für sich genossen. Die von Gladstone eingebrachte Bill hätte insofern eine falsche Richtung verfolgt, als darin der katholischen Hierarchie nicht die vollständige Kontrole über Alles gegeben worden wäre. Die Katholiken, meint der Kardinal, müßten eine gute Uni⸗ verfität für sich baben, obgleich die dafür erforderlichen Mittel natür⸗ lich aus protestantischen Quellen beschafft werden müssen. Kein Plan⸗ dürfe angenommen werden, der den Katholiken nicht eine wahrhaft katholische Ausbildung sichert, oder, wie diese Worte später erklärt werden, der die katholische Hierarchie nicht als den alleinigen Inbegriff aller geistigen Wahrheit für Irland anerkennt und ihr nicht die Macht perleiht, alle die Lehren auszuschließen, welche in irgend einer Weise in Widerspruch zu ihren eigenen stehen.
8 Die irische Erziehungs frage ist verhältnißmäßig eine neue. Zu Kardinal Whately's Zeiten, als Dr. Murray die Ansprüche der irischen Geistlichkeit vertrat, schien die Sache auf dem besten Wege zu einer schließlichen Erledigung zu sein. Die Regierung hatte damals auch die entfernteste Idee aufgegeben, sich in den katholischen Elementar⸗ unterricht einzumischen. Sie war bereit, unter gewissen Garantien das dafür nöthige Geld vorzustrecken und für alle Glaubenebekennt⸗ nisse in Irland so viel zu thun, wie die Katholiken wenigstens
im Stande gewesen sind, für sich selbst zu thun. Auch war Murray durchaus nicht unbillig. Damals hörte man nichts von
den übermäßisen Ansprüchen, welche Kardinal für bloße Gerechtig⸗ keit gegen seine Glaubensgenossen hält. Das System der irischen
3 National⸗Schulkollegien war allerdings ein Kompromiß, aber einer für beide Parteien, und was Seitens der Protestanten dabei aufgegeben wurde, war keineswegs unbedeutend. Der Unter⸗ schied zwischen De. Murray und Kardinal Cullen ist kein geringer. Derselbe ist, wie wir meinen, in der neuen
Stellung, welche die katholische Hierarchie in letzter Zeit überall ein⸗
8 genommen hat, und in den neuen Beziehungen derselben zu weltlichen
Dingen, die auf natürliche Weise immer schroffer geworden sind, be⸗ gründet. Dr. Murray, der vor den letzten vatikanischen Dekreten auftrat, war ein Mann von Welt und von praktischem Verstande. Er wünschte das irische Volk erzogen zu sehen und war nur besorgt, daß dabei nicht unbillig gegen seinen eigenen Glauben verfahren würde. Kardinal Cullen, der erst nach jenen Dekreten auftritt, ist gleichfalls ein Mann von Welt und Talent und hat genug praktischen Verstand, um die Beziehungen zwischen Mittel und Zoeck klar erkennen zu können. Die starke
e: besser gesagt die schwache Seite der Stellung, die er einnimmt, ist die, daß es ihm gleichgültig zu sein scheint, ob seine Landsleute eine Schulausbildung genießen oder nicht, und vor Allem besorgt ist, daß, soll dies zweifelhafte Verfahren zur Anwendung gebracht werden, dies ohne Nachtheil für die „katholische Wahrheit“ geschehe. Damit stimmen auch seine Ansichten über Uni⸗ versitätsausbildung vollständig überein. Hierin, wie in allen anderen Dingen, darf kein Kompromiß zu Stande kommen. Wenn die Arländer nicht grade so ununterrichtet werden sollen, wie Kardinal
Cullen es für sie am besten hält, so können sie, soweit es den Kardinal betrifft, ebenso gut unterrichtet bleiben. Unterricht scheint der Kardinal, anstatt ihn für den größten Segen, den der Staat bieten kann, zu halten, eher als einen Einfluß an⸗ zusehen, der denen, die ihn empfangen, ebenso gut schaden als nützen kann. Aller Unterricht muß daher mit der größten Sorgfalt über⸗ wacht und alle seine möglichen erratischen Tendenzen mit rüͤcksichts⸗ loser Energie unterdrückt werden. Selbst in seiner einfachsten Ge⸗ stalt läuft er stets Gefahr mit den Lehren der katholischen Seehe in Konflikt zu gerathen. Schon die bloße Gesellschaft protestantischer Kinder ist voller Gefahren für ihre Mitschüler. Kann der Unter⸗ richt also kein katholischer sein, so darf er überhaupt gar nicht statt⸗ finden. Alle „Projekte“ durch welche er nicht den katholischen Geist⸗ ichen vollständig unterworfen wird, müssen deshalb von allen getreuen Gliedern der frommen Heerde des Kardinal Cullen einstim⸗ mig verworfen werden. Eigenthümlich ist dabei aber, daß Kardinal Cullen nichts über die Quellen der Unterrichtsmittel sagt, die er auf diese Weise von ihrer ursprünglichen Bestimmung abzuleiten vor⸗ schlägt. Das Einkommen der irischen National⸗Schulkollegien fließt bekanntlich aus den jährlichen vom Parlamente gemachten Bewilli⸗
ungen. Aus Kardinal Cullens Sprache dürfte man aber schließen, daß dasselbe vielmehr aus den freiwilligen Beiträgen frommer Katho⸗ liken stamme, über die der katholischen Hierarchie nafürlich das aus⸗
“
Wir können nur auf das Tiefste bedauern, daß Kardinal Cullen einen solchen Ton in seinem Hirtenbriefe angeschlagen hat. Als eine Appel⸗ lation an die Vernunft, oder als ein Hinweis auf das, was wün⸗ schenswerth ist, verdient derselbe natürlich keinerlei Beachtung. Nichts⸗ destoweniger aber kann dadurch in Irland großer Schaden angerichtet werden. Wir wünschen das irische Volk gut unterrichtet zu sehen und bedauern deshalb, * Kardinal Cullen so bereit ift, dieser Aufgabe Hindernisse in den Weg zu legen und sich dem schließlichen Erfolte gegenüber so vollständig indifferent zeigt. Die Klasse von Leuten, denen er seinen Befehl gegeben hat, werden kein Bedenken tragen, denselben wörtlich auszuführen. Für sie, wie für ihren Führer, ift der Unterricht eine Sache von un Bedeutung. Was ihnen wirklich am Herzen liegt, ist die Aufrechterhaltung eines geistigen Systems, welches ihnen vortrefflich zusagt und für welches sie eine unbegränzte Hingebung zeigen und ohne Zweifel auch fühlen. Das Interesse, welches ihre Heerden daran haben, ist aber weit weniger klar. Sollen die Irländer ununterrichtet bleiben, bis daß ihre geistlichen Fuͤhrer ihren Streit mit der modernen Welt ausgeglichen oder letztere sich unterworfen haben, so dürften sie, unserer Ansicht nach, noch auf lange Zeit in Unwissenheit verharren. Aber gerade dies wünschen wir nicht und können kaum glauben, daß es in ihrem eigenen Interesse liegen sollte. Wir haben uns bereit gezeigt, den halsstarrigen Ver⸗ tretern des Katholizismus große Konzessionen zu machen, aber was wir auch thun mögen, nichts will ihre stets wachsenden An⸗ sprüche befriedigen. Das Schlimmste bei der Sache ist, daß die modernen Streiter der Kirche weit davon entfernt sind, in der Wahl ihrer Waffen oder in ihrem ganzen Feldzugsplane sehr wählerisch zu sein. Wir sprechen hier nicht nur von den Beschuldigungen, welche Kardinal Cullen auf das Andenken des Dr. Whately und Diejeuigen gehäuft hat, die ihm auf seinem Wege folgten. Derartige Anzriffe sind so wirkungslos, daß sie kaum eine Abwehr verdienen. Aber eine strenge Blockade des Schulunttrrichts ist ein unheilvolles Ding und Kardinal Cullen scheint bestrebt zu sein, sie über Irland zu ver⸗ hängen, damit er sie unter den von ihm gestellten Bedingungen wieder aufheben könne. Die Irländer selbst geht dies am meisten an. Kardinal Cullen nebst Gefolge haben gerade so viel Macht, Unheil zu stiften, als ihnen das etwas leichtgläubige Vertrauen ihrer Anhänger giebt. Sobald das irländische Volk einmal zu der Ueberzeugung gelangt, daß diese Leute sich um ihre wahren Interessen nicht kümmern, und daß ihnen die Sorge dafür nicht anvertraut werden kann, wird ihre jetzige scheinbare Regierungsgewalt ein Ende nehmen. Augenblicklich aber ist sie nur zu wahr und nachtheilig. Kardinal Cullen verkündet uns drohend Krieg und andere Strafen als die nothwendizen Folgen unseres sündhaften Zustandes. Unserer eigenen Ansicht nach stehen Ursache und Wirkung in einem natürlicheren Zusammenhange mit einander, können Bigoterie und die damit verbundene Unwissenheit nirgends lange ohne ihre entsprechende Strafe bestehen und kann kein Volk sich erheben, welches nicht im Stande ist, sie abzuschütteln. Wäre ein Beweis nöthig, um uns in unserer Ansicht zu bestärken, so brauchten wir nur auf Irland zu blicken wie es jetzt ist und wie Kardinal Cullen es auch in Zukunft gern haben möchte.
Landtags⸗Angelegenheiten.
Berlin, 8. Mai. Die Rede, welche der Minister der geistlichen zꝛc. Angelegenheiten Dr. Falk in der Sitzung des Hauses der Abgeordneten am 5. d. M. über den, den Massenaustrirt aus der evangelischen Landeskirche betreffenden Antrag der Abg. Dr. Virchow und Klotz hielt, hatte folgenden Wortlaut:
1 Es dürfte, meine Herren, wohl angemessen sein, wenn ich ber its in diesem Stadium der Erörterunz über den Antrag der Herren Klotz und Virchow das Wort ergreife. Sie werden sich am wenigsten wun⸗ dern, wenn ich dasjenige, was der Hr. Regierungskommissarius in der Kommission als Endresultat seiner Erwägungen aussprach, auch meinerseits mit der dringenden Bitte wiederhole, dem Antrage keine Folge zu geben. Ich kann dem Hrn. Abgeordneten gern darin bei⸗ treten, daß er und seine Freunde nicht die Absicht gehabt haben, einen provokatorischen Antrag zu stellen; ich glaube aber, wie die Dinge jetzt liegen, daß er provokatorisch wirkt, und das ist für mich in Bezug auf meinen Widerstand das Entscheidende, nicht der Wille der Antragsteller. Ich kann auch dem Hrn. Abgeordneten weiter darin Recht geben, daß der Hr. Regierungskommissarius, der von früheren Vor⸗ gängen in diesem hohen Hause aus unmittelbarer Wahrnehmung Kenntniß nicht besaß, die Urheberschaft des Gedankens zu dem Antrage einer viel zu naheliegenden Zeit zugemessen hat. Ich weiß mich wenigstens zu er⸗ innern, daß bei Berathuns des späteren Gesetzes vom 14. Mai 1873, 8b ich glaube sogar, bei früheren Petitionsberathungen in diesem
ause der Gedanke schon angeregt worden ist, daß man wenigstens durch die Entwickelung der Dinge. dahin kommen kann, ein derartiges 8% 88 machen, welches man kurz bezeichnete als ein Gesetz für den Fall des Massenaustritts aus der Kirche. Wenn aber der Hr. Abg. Klotz heute als den eigentlichen Urheber des Antrags den nicht anwesenden Abg. Schumann bezeichnet hat, so möchte ich dem Satz nur soweit Richtigkeit beimessen, daß vielleicht der Hr. Abgeordnete durch den von Hrn. Schumann gestellten Antrag dahin gelangt ist, die jetzige Zeit als die rechte für seinen Antrag aufzufassen, während ich den großen Unterschied zwischen den beiden Anträgen dahin fasse, daß der Antrag des Hrn. Schumann der künftigen Entwickelung der Dinge Raum läßt und auf Grund deren eine gesetzzeberische Rege⸗ lung verlange und anstrebe, während Sie gegenwärtig, wie ich meine, aus weit überwiegend, ja vielleicht allein aus theoretischen Gründen Ihren Antrag stellen.
Meine Herren! Es ist uns gesagt worden, auf Grund dieser Synodalordnung ist die Frage des Bekenntnisses nicht von den kirch⸗ lichen Faktoren ferngehalten, und da das nicht ist, so kann eine Zeit kommen, wo auf die Gewissen Druck geübt wird; da diese Zeit ein⸗ mal kommen kann, so ist es gut, in Zeiten Vorsorge zu treffen. — Ich weiche von dem Hrn. Antragsteller insoweit ab, als ich meine, daß diese Dinge viel zu ernst und viel zu zart sind, um ohne zwin ende thatsächliche Verhältnisse blos Vorbeugungsmittel zu Sr Die Sache liegt, wenn ich mich an die Argumentation des Hrn. Abg. Klotz schließe, folgendermaßen: der §. 1 der General⸗Synodalordnung in seinem zweiten Absatz — das ist das vorliegende konkrete Gesetz — läßt den Bekenntnißstand der einzelnen Gemeinden und Landestheile und ihre Union unberührt. Man hat gefragt, was das zu bedeuten habe. Nun, meine Herren, die istorüsche Entwickelung bezüglich der Auf⸗ nahme dieses Satzes in die General⸗Synodalordnung ist eine ganz klare. In dem Allerhöchsten Erlaß vom 10. September 1873, welcher
die kirchliche Sanktion an die Gemeinde⸗ und Synodalordnung er⸗
theilte, findet der Satz:
Die dadurch herbeigeführten Aenderungen beschränken sich auf
die kirchliche Verfassung; der Bekenntnißstand und die Union in den genannten Provinzen und werden daher, wie Ich ausdrücklich erkläre, durch die neue Ordnung in keiner Weise berührt.
Sie finden hier in dem zweiten Theile des Satzes dieselben Worte wieder, die in dem zweiten Absa nodalordnung sich finden, und wenn die ersten Worte, die durch den Ge⸗ gensatz den Sinnklar hinstellen, weggelassen sind, so hat das seinen Grund
in der materiellen Festsetzung des §. 1 Absatz 1 der General⸗Syno⸗ dalordnung, wo das
8 Gebäude, diese Ordnung tangirt in keiner Weise das Be enntniß. Nun, meine Herren, hat der Hr. Abg. Klotz sich auf hervor⸗
ragendste Autorität berufen, daß, wenn auch nicht durch diese schon gegebene General⸗Synodalordnung das Bekenntniß bedrückt werden könne, die Moöglichkeit in dieser Beziehung doch in Zakunft obwalte. Er führt uns in dieser Beziehung eine Reihe von einzelnen Vorschrif⸗ ten der General⸗Synodalordnung, sowie auch der früheren Ordnungen
vom September 1873 vor. Meine Herren! Wenn er für die Mög⸗
lichkeit, daß auf dem Boden des Bekenntnisses eine gewisse Fixirung
später eintreten koͤnnte, andere Gründe nicht hätte als diese, so schiene mir seine Argumentation eine außerordentlich schwer haltbare; denn, meine Herren, die von ihm vorgetragenen Bestimmungen des g. 55, des §. 68 der älteren Synodalordnung, des §. 36 der gegenwärtigen Syno⸗ dalordnung ordnen nichts weiter, als daß über die betreffenden Fragen nicht mehr allein eine kirchenregimentlich berufene Behörde entscheide,
sondern nur eine kirchenregimentliche Behörde, welche verstärkt sei An der Materie wird in der
durch die betreffenden Spezialorgane. Sache also nichts geändert.
Und nun, meine Herren, weise ich auf die Debatten der ersten Berathung hin.
seiner Kirche lehren kann, und daß er aus diesem Grunde in das Amt weder eintreten noch in demselben belassen werden darf. Und ist das etwa etwas Neues? Ist das nicht auch das von Ihnen in der Kommission angerufene Landrecht, in welchem dies mit dürren
und runden Worten steht? Ist es nicht eine landrechtliche Bestim⸗
munz, die der Gemeinde Einspruch giebt gegen die Lehre und sagen
nicht landrechtliche Bestimmungen, darüber sollen geordnete kirchliche
Organe erkennen? Meine Herren, lautet nicht der §. 73 des 11. Titels II. Theils desselben Landrechts dahin:
In ihren Amtsvorträgen und bei dem öffentlichen Unterrichte müssen sie zum enstos⸗ der Gemeinde nichts einmischen, was den Grundbegriffen ihrer Religionspartei widerspricht.
Meine Herren! Ich denke, insoweit ist durch die Sy⸗ nodalordnung nicht das Geringste neu eingeführt worden. Die bezeichneten Bestimmungen beziehen sich auf Dinge, die bereits
jetzt vorhanden sind, und die, wie Sie sagen: in dem milderen —
Landrechte bereits erwähnt sind. Meine Herren, es ist wahr, es befindet sich in der General⸗
Synodalordnung der Satz nicht, das Bekenntniß und die Lehren sind 1
kein Gegenstand kirchlicher Gesetzgehbung — das ist ein Punkt, der erwähnt worden ist in der Generaldebatte, und der auch heute, wenn auch nicht in einer solchen direkten Weise, wie ich es formulirt habe, hervorgehoben ist. Aber, meine Herren, wenn Sie Blick zurückwerfen auf die Verhandlungen der Generalsynode, so werden Sie finden, daß diese Formulirung verworfen worden ist weitaus aus praktischen Gründen, weil eine nichts nützen, ja, weil sie umgekehrt der
hervortritt — schädlich wirke, weil nach mannigfachen Erfah⸗ rungen an einen solchen Satz die Lähmung jeder Entwicklung ge⸗ knüpft werden kann, weil es, — ich sage: leider! — heutzutage in weiten Kreisen Mode geworden ist, alle möglichen Dinge mit dem Bekenntniß zu verbinden, die ganz und gar nicht dazu gehören. Das
sind Erwägunzen gewesen, die zur Verwerfung dieses Satzes geführt 8
haben. Daß aber die synodalen Organe über die Bekenntnisse der evangelischen Kirche nicht hinweggehen können, ist ausgesprochen in §. 5 der Synodalordnung; auf dem Grunde des evangelischen Be⸗ kenntnisses, und was das heißt, das ist in der beredtesten Weise und mit der größten Energie ausgeführt worden von verschiedenen Rednern auf der Generalsynode — auf dem Grunde des evpanselischen Bekenntnisses soll die Synode mit dem Kirchenregiment aufbauen die weitere Entwickelung der Kirche. Damit ist die Grundregel gegeben, und was sie sonst zu thun da das ist im §. 7 enthalten, über den ich bereits in der ersten Be⸗ rathun antragfteller Dr. Virchow. Ich habe damals ausgeführt, daß die Garantie, die diese General⸗Synodalordnung in einer unrichtigen und die Gewissen bedrückenden Regetung der Bekenntnißfrage giebt, sei es in Bezug auf die zu enge Ziehung der Grenzen der Lehrfreiheit, sei es in Bezus auf andere Schritte, in Bezug auf die Kultusakte, in Bezug auf die religiösen Akte, wo diese Gemeinden mitzu⸗ wirken haben, tzrößer ist, daß dieser §. 7 Ihnen ganz andere Garantien giebt, als gegenwärtig die Gesetzgebung schafft. Die Sache liegt also meiner Meinung nach 8. daß ganz und gar kein Bedürfniß vorhanden ist, im gegenwärtigen Augenblicke ein derartiges Gesetz zu erlassen, daß die Möglichkeit — wer möchte das bestreiten — allerdings existirt, aber nur die Möglichkeit, keine Wahrscheinlichkeit. Sie sehen mehr und berufen sich auf den einen Fall in dieser Stadt, auf den Fall, den ich nicht anders nennen
kann, — ich halte mich frei von einer persönlichen Aeußerung oder
Meinung in der Sache — als eine der bedauerlichsten Erfahrungen, die wir in der gegenwärtigen Entwickelung unseres kirchlichen Lebens gemacht haben, denn an diesen Fall ist so viel angeknüpft worden zum Schaden der evangelischen Kirche nach rechts und nach links, als man eizentlich niemals hätte denken können. Dieser eine Fall ist aber nicht in dem Sinne erledigt worden, wie der Hr. Abg. Klotz befürchtet, sondern umgekehrt, und ich meine daher, daß
es keinen Grund hat, aus diesem einzelnen Fall die Gefahr als eine
so nahe und große uns hinzustellen.
Meine Herren! dagegen arbeiten, die die General⸗Synodalordnung nicht ins Leben treten lassen wollen, sie kommen von den entgegengesetzten Richtungen. (Hört! hört! links.) Ja, meine Herren, da brauchen Sie nicht
den dazu gehörenden Gemeinden des §. 1 der General⸗Sy⸗
Moment, daß es sich um die Verfassung handle, hingestellt ist. Es bedeutet also der Satz: diese Ordnung baut nur
Daran wird doch Niemand einen Zweifel haben., daß allerdings ein Geistlicher möglicherweise gegen die Grundlehren
einen
solche Formulirung Entwickelung der Dinge nur schädlich werden könne, — nichts nütze — weil in den Gebieten der Synodalordnungen, in welchen sich eine ähnliche Bestimmung findet, doch die Bekenntnißfrage auf das Allerschärfste
zesprochen habe, insbesondere gegenüber dem Herrn Mit⸗
Wir wissen ja Alle, es sind Strömungen, die
erst zu hören, Sie wissen das ja, alle Tage lesen Sie es, und wer hören wollte, konnte es auch in diesem Hause, und nicht erst heute, ausgiebig hören. 8 Ich bin allerdings der wiederholt ausgedrückten Ueberzeugung, daß geschehen wird, was von der einen, der kirchlich orthodoxen Seite — um den gestern hier gebrauchten Ausdruck zu wiederholen — oder richtiger: durch den Mund hervorragender ihr angehörender Persön⸗ lichkeiten ausgesprochen ist: wenn diese General⸗Synodalordnung ins Leben tritt, dann werden wir in Treue mitarbeiten und nicht die Büchse ins Korn werfen und hinausgehen! Ich bin auch überzeugt, daß die Bemühungen des Hrn. Abg. Klotz und seiner Freunde ihren Erfola nicht verfehlen werden. Ich habe ja sogar unter Hinzufügung des Wortes „Gott sei Dank“ in Bezug auf den in einem Bezirksvereine gestellten Antrag, in Masse aus der Kirche zu treten, bei der ersten Berathung gesagt, er sei verworfen worden. (Ruf: Er ist nicht ver⸗ worfen worden!) — Dann allerdings würden der Hr. Abg. Klotz und seine Freunde noch etwas mehr Thätigkeit ansetzen müssen, um die Neigung zum Austritt aus der Kirche zu unterdrücken. Ich meine, ich habe diese Sorge vor dem Massenaustritt nicht, aber, meine Herren, es ist viel Reizung auf diesem Gebiete vorhanden, und keine Frage giebt es ja, vor allen Dingen bei uns Deutschen, die so leicht u lebhaften — und ich mag sagen leidenschaftlichen Schritten fübren ann als die religiöse im weitesten Sinne. Nun, meine Herren, sind die centripetalen Kräfte, die zusammenfassen, doch nicht so uͤbermächtig in unserer evangelischen Kirche; es ist doch nicht zweifelhaft, daß es überall Kräfte giebt, die eben das Centrum fliehen, — meine Herren zum entrum), es wac diesmal unbewußt! — umsich ihre Selbständigkeit zu retten. Und nun werfen⸗Sie in solche Verhältnisse hinein ohne thatsäch⸗ liches Bedürfniß eine solche Ermächtigung, wie die Herren Abg. Klotz und Genossen sie wollen! Ich frage Sie: muß das nicht die sonst vorhandenen sittlichen Bedenken gegen den Austritt aus der Kirche abschwächen? um so mehr abschwächen, als — wir können es nicht leugnen — bei einem großen Theil unserer Bevölkerung finan⸗ ziellen Beziehungen gegenüber ein Idealismus gar nicht vor⸗ handen ist? Muß man nicht besorgen, daß solche Elemente bei der⸗ artiger Reizung, die vielleicht getragen wird von einem beredten Munde irgend eines religiös begeisterten Mannes — und ich könnte solche Ihnen it Namen nennen — leicht in die Gefahr kommen, ihr zu folgen? — und das nicht sowohl um seiner Befürchtung des Gewissensdruckes — das werden Sie freilich sazen, als in Wahrheit aus rein r Kirche herauszugehen? Und das will Augenblick, wo wir uns bemühen, die widerstrebenden Richtungen in der evangelischen Kirche zusammen⸗ zufassen, damit sie Raum haben auf einem Boden, um sich zu messen, auszugleichen und in gemeinsamer Arbeit die evangelische Kirche innerlich zu befestigen! 1. 3 3 Diese letzte Tendenz und die Herbeiführung seiner erstern — nicht sage ich Möglichkeit, sondern — große Gefahr vereinigen sich
mit einander nicht, ich sage um deswillen große Gefahr, weil ich nach Richtung hin wenigstens vor meinen Augen habe, welche gering⸗ 8 fügigen rein äußerlichen Gründe es sein können, um sich von dem gegliederten
Organismus der Kirche zu trennen. Gehen Sie nach Hessen, sehen Sie sich die sogenannten Renitenten an, ist es da wohl eine Be⸗ schränkung der Glaubensfreiheit, was in Betracht kommt? Nein, blos weil die vorhandenen Konsistorien, ohne ihre Bedeutung und Macht u ändern, in eines zusammengefaßt sind, da sind sie in Menge hinausgegangen. — Und wissen Sie auch, wie zu diesem Ende agi⸗ tirt worden ist? Lesen Sie sich die Schilderungen der Spezialfälle, sie sind ja weit genug verbreitet in der Presse — und nun setzen Sie hierauf noch eine Prämie durch die Bestimmung über die Ver⸗ mögensverhältnisse. Nein, meine Herren, wenn Sie das Alles zu⸗ ammen erwägen, dann werden Sie begreifen, wenn die Regierung agt, da kann sie nicht mitgehen. 8 Nun, meine Herren, komme ich auf den anderen Grund, den der Parität. Es ist mir ja recht erfreulich, von dem Hrn. Abg. Klotz bereits gehört zu haben, daß er eigentlich nur eine gewisse Parität in Anspruch nimmt und selbst der Meinung ist, die Verhältnisse paßten eigentlich nicht überall zu einander. Und in der That, meine Herren, die Verhältniffe passen nicht. 1 Centrum.) Warten Sie doch noch. Daß Sie Gum Centrum) nicht anderer Meinung werden, weiß ich längst, Sie haben die Ihrige schon in Ihrer Zeitung p-oklamirt, und ich möchte mit
goldenem Muede reden und die überzeugendsten Gründe bringen, Sie vBbürden es doch nicht zugestehen. — Also der Hr. Abg. Klotz hat
bereits anerkannt, daß die Sache richt gleich liegt. Das sogenannte Altkatholikengesetz betraf — und das ist die prinzipielle Seite — nicht Personen, die ausschieden aus der Kirche. (Widerspruch aus dem Centrum.) — Sie sagens zwar immer, aber der Boden des Gesetzes ist das doch nicht, und darum dreht sichs ganz allein. (Unruhe im Centrum.)
Ja, meine Herren, Sie können es doch wirklich nicht leugnen, in
8
8 angesetzt worden. 88
anschlagt mit 35,675 ℳ, .
8 Ihnen ist es das hunderiste Mal nicht zu viel,
steht das mit dürren Worten drin. fängt aber das Amendement der Abgg. Klotz und Virchow an: Für Diejenigen, die ausscheiden aus der Kirche. Nun, meine Herren, die Staatsregierung ist bei dem Alt⸗ katholikengesetz so verfahren, wie es, so scheint mir, der Hr. Abg. Schumann wollte — nach der Entwickrlung der Dinge. Als das Vatikanum gekommen war, entwickelte sich vor den Augen der Welt und damit auch der Staatsregierung ein Zwiespalt ianerhalb der ka⸗ tholischen Kirche, ein Streit. Dieser thatsächliche Zustand allein, ohne in irgend welcher Richtung eine Entscheidung zu treffen 8 (Lebhafter Widerspruch aus dem Centrum) sa, meine Herren, hundert Mal habe ich es Ihnen gesagt, 8 bei — ohne eine Entscheidung zu treffen, welches das Richtige sei und welches nicht, hat die Staatsregierung für ihre Entschließung maßgebend
Altkatholikengesetz
8 sein lassen; sie
(Widerspruch aus
hat beide Theile anerkannt als Mitglieder eirer und derselben Kirche. Die Staatsregierung war der für sie allerdings, wie die Dinge liegen, nicht lösbaren Aufgabe überhoben, eine Ent⸗ scheidung ü Glaubensfragen zu treffen, sie hat sie nicht getroffen. Sie aber mit Ihrem Antrag — die Herrez Klotz und Dr. Virchow — fordern eine solche Entscheidung von der Staats⸗ regierung, indem sie den Satz hinstellen: „wenn am Bekenntnißstand nichts geändert ist.“ Abstrakt von vornherein soll die Staatsregierung entsche den über eine solche rein kirchliche Frage ohne Rücksicht auf thatsächliche adäquate Entwicklungen und darin liegt wiederum ein großer Unterschied. 3
Und seit wann hat denn die Staatsregierung ihre Zustimmung er⸗ theilt zu dem Altkatholikengesetze? Seit die Majorität der Katho⸗ liken diese Allkatholiken aus ihrer Kirche verbannte, als sie nicht bloß erklärt hatte, Ihr gehört nicht mehr zu uns, Ihr dürft nicht mehr theilnehmen an denjenigen Mitteln, die wir brauchen zur Uebung der Religion, sondern als das als etwas nicht mehr zu Aenderndes konstatirt worden war, als im Interesse der Alrkatholiken das Be⸗ dürfniß nach Entwicklung zu einer besonderen Organisation, also wiederum zu einer thatsächlichen Darstellung besonderer Erschei⸗ nungen, als das dahin geführt hatte, eine solche Organisation herzu⸗ stellen, — da hat die Staatsregierung anerkannt, jetzt ist der Zeit⸗ punkt gekommen, daß das Recht, was die Altkatholiken nach Auffassung der Staatsregierung und aller gesetzgebenden und rechtsprechenden Faktoren im Lande haben, ihnen auch gewährt werden muß. Wenn — und ich hoffe, daß das nie sein wird — ähnliche Zustände in der evan⸗ lischen Kirche die Hülfe des Staats fordern, dann, meine Herren, wird die Staatsregierung gerade so helfend eintreten, wie sie einge⸗ treten ist in Bezug auf die Altkatholiken; aber um Peßers theoretischer Bestrebungen willen, in denen die größte Gefahr liegt, die Kirche vieler ihrer tüchtigen Mitglieder aus nichtigen Gründen zu berauben, blos weil ihnen vielleicht ein Ober⸗Kirchenrath oder ein Prästdent nicht gefällt, aus solchen, rein äußerlichen Gründen, aus — ich wiederhole — theore⸗ tischen Gesichtspunkten ihre Zustimmung zu einem solchen Antrag geben, das kann sie nicht im Interesse der evangelischen Kirche, — dab kann sie nicht im Interesse des Staates, weil sie überzeugt ist, sie hat auch um des Staates willen das Ihre zu thun, die evan⸗ gelische Landeskirche zu schützen, die Kräfte dieser acht Provinzen zu. sammen zu fassen zu einer gedeihlich wirkenden Einheit. Ich bitte noch einmal, lehnen Sie dieses Amendement ab.
— In der Sitzung des Hauses der Abgeordneten am 6. d. M. behauptete in der zweiten Berathung des Gesetz⸗ entwurfes, betreffend die Vertheilung der öffentlichen Lasten bei Grundstückstheilungen und die Gründung neuer Ansiedelungen in den Provinzen Preußen, Brandenburg, Pommern, Posen, Schlesien und Sachsen der Abg. Hundt v. Hafften unter An⸗ derem: Dreiviertel Jahre seien es schon her, daß auf dem Po⸗ senschen Provinziallandtage bei dem Minister die Begründung eines selbständigen Kreditverbandes beantragt worden sei; bis heute sei noch nicht einmal eine Antwort gekommen. Der Minister für die landwirthschaftlichen Angelegenheiten, Dr. Friedenthal, erwiderte: .
Ich werde auf die Ausführungen des Herrn Vorredners materiell nicht eingehen, ich will nur eine Thatsache berichtigen, welche in seiner Ausführung enthalten ist, in Betreff des Antrages des posenschen Provinziallandtages über die Begründung eines Kreditverbandes für die kleineren Besitzer. Erstens ist es nicht ganz richtig, daß dieser Beschluß vor bereits ¼ Jahren gefaßt worden ist, son⸗ dern die Zeit ist eine kürzere, bin ich recht unterrichtet, so war es im Sktober v. J.; hierher an die Staatsregierung ist dieser Beschluß erst vor nicht langer Zeit gelangt. Es sind sofort Schritte geschehen, um dassenige zu veranlassen, was vorhergehen muß, näm⸗ lich die Bereitwilligkeit der bisherigen Kreditverbände zu kon⸗ statiren, in irgend einer Weise eine neue Kreditorganisation im Anschluß an die vorhandenen vorzunehmen, da nach aller Sachverständigen Urtheil die Begründung eines selbständigen Kreditverbandes in formeller und materieller Beziehung, Schwierig⸗ keiten und Bedenken haben würde. Diese Verhandlungen müssen ihre Zeit haben, und zwar hauptsächlich deshalb, weil die Vertretungen der Kreditverbände nur periodisch zusammentreten. Es ist von Seiten der Staatsregierung nicht die mindeste Zeit versäumt worden, u d der Here Vorredner würde, glaube ich, gut thun, bei seinen Kollegen an diesen Kreditverbänden sich der v SSee an⸗ zunehmen, statt unbegründete Vorwürfe gegen die Staatsregierung
auszusprechen.
Die russische Provinz Ferghanah. II.
(Vergl. Nr. 108 d. Bl.) Hr. Kuhn geht nun zur Beschreibung der bedeutendsten Städte
des Khanat über, die er befucht hat. 1 Der Anblick Khokands, sagt er, macht keinen besonderen Ein⸗ druck. Außer seinem Bazar, der ansehnlich ist, und dem Palast des Khans, unterscheidet sich die alte Hauptstadt in nichts von den an⸗ deren großen Städten Mittelasiens, Khodjent, Taschkent ꝛc.; die Lage dieses letzteren ist sogar malerischer als die von Khokand; die
asiatische Prunkliebe hat diesem jedoch die Bezeichnung „Kukandi liatib“, das Sse vee Khokand, gegeben, die sich auf allen in der Haupt⸗ stadt geprägten Münzen wiederfindet. Wie die meisten der asiatischen Städte ist Khokand mit einer Mauer umgeben; diese ist von einem
Dutzend Thore unterbrochen, 2 Landes g8 allen Punkten der Welt“ öffnen; die Stadt und die Gärten
werden mit Wasser durch einen Gebirgsstrom gespeist, der in eine große Zahl von Bewässerungskanälen hineinfließt.
wegen der rm. Tag in dieser Jahreszeit wehen, unerträglich! In den umliegenden Ortschaften ist der Kropf eine ziemlich verbreitete Krankheit. will den Grund davon im langen Gebrauch einem kleinen See südlich von der Stadt nahe bei dem Thor von Mulmubarak sehen.
tirt, daß
die nach dem Ausdruck des Landes sich
Die Bewohner betrachten Khokand als einen der in Bezug auf
das Klima am meisten begünstigten Orte des Eö während eines Theils des Sommers
jedoch ist der Aufenthalt hier
itze und der Westwinde (harm-sal), die dort fast jeden
Man des Trinkwassers aus
Der Palaft (ourda) von Kudokar ist im südlichen Theil der
Fenpkstadh errichtet, auf einem von Menschenhand gemachten kleinen Hügel.
Seine Hauptfagade ist mit Steingutfeldern von verschiedenen Farben geschmückt, die durch ihr Muster an die alten Bauten von Samarkand erinnern. Eine am Giebel angebrachte Inschrift konsta⸗ dies Gebäude von Seid⸗Muhamed⸗Kudolar⸗Khan im Jahre 1287 (1870) erbaut ist. Seine interne Aus⸗ stattung ist kostbar; mehrere Piecen haben ein reiches europäisches Möblement, ohne Zweifel in St. Petersburg oder Moskau gekapft. Im Hauptsaale, der offenbar für Empfangsfeierlichkeiten bestimmt ist, hing ein Kronleuchter von solcher Ausdehnung, daß er fast den Fußboden berührte und die ganze Weite des Saales einnahm, indem nur ein ganz schmaler Weg an der Mauer entlang frei blieb. In einer der Ecken war eine Art von vergitterter Loge, wo wahr⸗ scheinlich der Khan saß. Die Mauern dieses Saales sind mit Stuck⸗ Arabesken geschmückt und die Zwischenthüren mit heimischer Malerei, Bäumen mit goldenen Aepfeln, Rosenbouquets u. s. w. darstellend.
Der Bazar ist durch die Zahl seiner Buden der bedeutendste des Khanats; diese Buden sind von Holz und bilden Straßen, die mit einem Zeltdach bedeckt sind; die meisten sind von Koudolar Khan er⸗ richtet, der seiner Würde nichts zu vergeben glaubte, indem er für seine eigene Rechnung Handel trieb. Zweimal wöchentlich ist Markt im Bazar und hier konzentrirt sich dann fast die ganze Geschäftsbe⸗ wegung, zu welcher die aus Rußland eingeführten und dann den De⸗ 8.eg in Kommission gegebenen Manufakturwaaren Veranlassung
eben. 8 Die Hauptstadt umfaßte in ihrem Distrikt ungefähr 400 Dörfer und Meiereien, die ihr administrativ beigezählt wurden, und die aus ihrer Umgebung einen der beliebtesten Kantone Mittelasiens machen. Dieser Distrikt ist nicht weniger ausgezeichnet durch den Reichthum der Vegetation als durch die Dichtigkeit der Bevölkerung; von den Mauern der Stadt an bis mehr als 10 Werst im Innern des Lan⸗- des hinein ist der Weg, soweit man sehen kann, von wohl kultivirten Feldern, von Baumwoll⸗Plantagen, von üppigen Obstgärten umgeben, die alle von den kleinen Wasserströmen, die von den Bergen im Süden der Stadt herabkommen, umgeben sind. Das Bild, welches diese Landschaft dem Reisenden bietet, ist wahrhaft wundervoll.
Marghelan und Andidjan sind nach Khokand die bedeutendsten Städte der Provinz; trotz ihres großen Alters . sie aber kein Denkmal der Vergangenheit; alle ihre Bauten sind modern. In Marghelan bietet keines derselben irgend ein Interesse; der Palast Sultan⸗Murad⸗Beks, den die Bewohner als ein bemerkenswerthes Gehäude rühmen, unterscheidet sich wenig von einem reichen Haufe in Taschkent oder Samarkant. Die Stadt ist von einer Mauer umgeben, hat aber keine Citadelle.
Marghelan wird als der Haupt Seidenmarkt von Khokand an- gesehen und besitzt zahlreiche Haspeleien und Webereien; sein Bazar war einer der bedeutendsten des Khanat.
Zu Andidjahn verdienen nur zwei Gebäude erwähnt zu werden: eine Waffenfabrik und der Palast des Nassr Eddin⸗Khan, beide von einem Afghanen erbaut, der in Indien das Ingenieurfach studirt
atte. 1 Trotz des Reichthums seiner Felder hat Scharikhan die kommer⸗ ielle Bedeutung verloren, welche sie früher besaß. Man schreibt ihren Verfall der Erbauung von Assake zu, welches von Rudoiar⸗ Khan in geringer Entfernung von dieser Stadt gegründet wurde. Scharikhan besitzt keine Umfassungsmauer.
Assake liegt malerisch, acht Werst füdlich von Scharikhan, auf dem Abhanz eines Berges, in einem Thal, das ein kleiner Fiuß, Nebenfluß des Sy.⸗Darja, bewässert. Assake ist ein Beispiel der Willkür der Khane, welche Städte nur nach ihrem Gatdünken schufen, ohne den örtlichen Bedingungen oder den wirthschaftlichen Bedürfnissen Rechnung zu tragen. So ist also neuerdings auch Assake von Kudosar⸗Khan gegründet. Auf der Höhe des Berges, auf einer Terrasse, erhebt sich das Palais des Khan, dessen Garten sich über den Abhang des Berges ausdehnt; unten gruppiren sich die Häuser der Bewohner darum. Von einer der Terrassen des Palastes genießt man einer herrlichen Aussicht; das Auge umfaßt hier ein Meer von grünem Laub, das der silberne Lauf der Wasser des Syr durch⸗ durchschneidet und welches am Horizont die letzten Hügelreihen des Tian⸗Schan begrenzen, dessen Gipfel sich fern am blauen Himmel abheben. Die Gewässer eines Baches, der ungestüm im Thale ein⸗ herfließt, werden durch ein Wasserrad gehoben, um die oberen Gärten des Palastes zu besprengen.
Das Klima von Assake ist, wie man sagt, ausgezeichnet, und diesem Umstande hatte es vielleicht die Stadt zu verdanken, daß sie vom Khan zur Residenz gewählt wurde; Kudelar verbrachte hier die Zeit der grohen Hitze und wandte seine ganze Muße an, in den be⸗ nachbarten Bergen zu jagen. Ebenso wie Scharikhan ist Assake eine offene Stadt; das einzige beachtenswerthe Gebände ist der Palast der im asiatischen Style erbaut tst, aber europäische Fenster mit far⸗ bigen Scheiben besitzt. Für den Handel ist Assake ohne Bedeutung
IFInserate für den Deutschen Reichs⸗ u. Kgl. Preuß. Stzats⸗Anzeiger, das Central⸗Handelsregister und das pestblatt nsimmt ann die Königliche Expedition des Deutschen Reichs-Anzeigers und Königlich Preußischen Atants-Anzrigers: Berlin, 8. 7. Wilhelm⸗Straße Nr. 32.
1. Steckbriefe unc Untersuchangs-Sachen.
2. Subhastationen, Aufgebote, Vorladungeas u. dergl.
3. Verkäufe, Verpachtungen, Subaissionen etc.
4. Verloosung, Amortisation, u. s. w. von öfentlichen Fapieren.
8 De entlicher Anzeiger. Inserate nehmen an: das Central⸗Aunoncen⸗ 8 Bureau der deutschen Zeitungen zu Berlin,
5. Inqustrielle Etablissements, Fabriken und
Grosshandel.
7. Literarische Anzeigen.
inszahlun s 8 9. Familien-Nachrichten.
6. Verschiedene Bekanntmachungen.
8. Theater-Anzeigen. In der Pörsen- beilage NR
Mohrenstraße Nr. 45, die Annoncen⸗Expeditionen des „Invalidendank“, Rudolf Mosse, Haasenstein & Vogler, G. L. Danbe & Co., E. Schlotte, Büttner & Winter, sowie alle übrigen größeren Annoncen⸗Bureaus. ”
Submissionen ꝛc.
Bekanntmachung.
Die zum Bau der Umwährung des Marine⸗ Lazareths erforderlichen Arbeiten ꝛc. sollen verdungen werden; hierzu ist Termin auf:
Freitag, den 12. Mai cr., Vormittags 11 Uhr,
Verkäufe, Verpachtungen, B
“
[37311 Die Umwährung besteht zum Theil aus einer massiven Mauer, zum Theil aus einer Brüstungs ⸗- mauer mit darauf stehendem Eisengitter, und sind die Arbeiten resp. Lieferungen eingetheilt in:
A. Erd⸗ und Maurer⸗Arbeiten, inkl. Material, ver⸗
die Lieferung der ornamentirten Werksteine aus Natur⸗ oder Kunstsandstein, veranschlagt mit 6125 ℳ, C. die Eisenarbeiten inkl. Material, veranschlagt mit 5950 ℳ, 8 1 D. die Anstreicher⸗Arbeiten inkl. anschlagt mit 250 ℳ 1 1 Die Offerten können auf die vorbezeichneten Loose einzeln oder auf das Gesammtobjekt abgegeben
Material, ver⸗ werden.
werden und zwar in Prozenten zur Anschlagssumme. Die Submissions⸗Bedingungen anschlägen und Zeichnungen Bureau zur Einsicht aus; gegen Erstattung der empfangen werden.
Wilhelmshabven, den 20. April 1876. Kaiserliches Marine⸗Lazareth.
Bedingungen, Massen⸗ und KostenberechnungenL nungen liegen im Bureau des Abtheilungs⸗ im “
nebst den Kosten⸗ liegen im diesseitigen dieselben können auch, daselbst
bezogen werden.
Kopialienkosten, Der Submissionstermin,
mit der Aufschrift:
Peitz und Müllrose“ eingereicht sein müssen, ist auf
den 15. Mai 1876, Vormittags 11 Uhr, 3 im obengenannten Bureau angesetzt worden. hat, 8 vom 1. Oktober d. J. ab im Weze des
Cottbus, den 26. April 1876.
Wattirleinwand, Futter⸗ 1 Drillich zu Jacken und Hosen,
zweier Güterschuppen auf Bahn⸗ S 1 Sohlennägeln,
E — emden, Pelzmützen, Striegeln, Fangschnüre,
“ 11
Baumeisters Mehrtens, Tiegelstraße 5, II. hierselbst zur Einsicht aus, können auch mit Ausnahme der Zeichnungen gegen Erstattung von 1,25 ℳ von hier
Eö bis zu welchem die Offerten vorschriftsmäßig, portofrei und versiegelt
„Ausführung auf Hochbanten, Güterschuppen
Die Direction.
— 2 Das Regiment beabsichtigt den Bedarf pro 1876 S fan grauer und blauer Futterleinwand,
Cottbus⸗Großenhainer Eisenbahn. Neuban Coitbus⸗Frankfurt a. O.. 32 Die Ausführung hof Peitz und Mülltose, jeder auf rot. 11,770 ℳ veranschlagt, sollen im Wege der öffentlichen Sub⸗ mission inkl. Materiallieferung im Ganzen vergeben
und Unterhosen⸗Callicot, Platt⸗ und Kanten⸗ schnur, Hosenborte, Knöpfen, silbernen Tressen, Sohl⸗ und Brandsohlleder, Stiekeleisen mit Gummi⸗ und Stiefelstrippenband, Hosenbesäßen, braunem Blankleder, 1 8 Schirmmützen für Unteroffiziere, Kochgeschirren, Feldzeichen und Sch Submissionswege zu vergeben.
Proben werden bis zum 13. d.
genommen. Nicht beantwortete Offerten sind als
abgelehnt zu betrachten. öe“ [39811
Frankfurt a. M., den 2. Mai 1876. 8 1. Hessisches Husaren Regiment Nr. 13.
Sg26 Bekanntmachung.
Die Schulökonomie im hiesigen Königlichen Gymnastum, deren Unternehmer die tägliche Spei sung von anschlagsmäßig 50 Alumnen zu liefern
Herabgebots weiter verdungen werden.
Zu diesem Behufe steht im Registraturzimme des Unterzeichneten Mittwoch, den 17. Mai, Nachmittags 2 Uhr, Bietungstermin an, in welchem kautionsfähige und in der Speisewirthschaft erfahrene Unternehmer zu erscheinen eingeladen werden.
Die Bedingungen für die Gebote sind in den Kassenzimmer des Herrn Landschulkastenverwalter Leipold hier täglich während den Dienststunden ein zusehen, auch gegen Erstattung der Schreibgebühren abschriftlich zu beziehen.
Schleusingen, den 3. Mai 1876. ärpen Der Königliche Gymnastal⸗Dirrktor. Offerten nedst Dr. Weicker. 8
“ 8 88
Steif⸗ und ahl⸗, ägel, Halsbinden,
Woylachs,