1876 / 118 p. 3 (Deutscher Reichsanzeiger, Fri, 19 May 1876 18:00:01 GMT) scan diff

Landtags⸗Angelegenbeiten.

Der Bericht der X. Kommission des Herrenhauses zur Be⸗ rathung des Gesetzentwurfs, betreffend die evangelische Kirchenverfassung in den acht älteren Provinzen der Monarchie ist ausgegeben. Die Kommission hat mehrfache Abän⸗ derungen des vom Abgeordnetenhause angenommenen Entwurfs be⸗

She bereits erwähnte Kommissionsbericht über das Kompetenzgesetz beschränkt sich auf die Mittheilung der grund⸗ sätzlichen Gesichtspunkte, welche für die Beschlüsse maßgebend gewesen sind und umfaßt folgende fünf Abschnitte: 1) die Anordnung des Gesetzentwurfs nach den Beschlüssen der Kommission, 2) das Ver⸗ hältniß der Beschlüsse zur künftigen Landgemeindeoronung und zur Reorganisation der Allgemeinen Landes verwaltung, 3) Organisation des Stadtausschusses, 4) Rechtsmittel gegen polizeiliche Ver⸗ fügungen und das Zwangsverfahren der Orts⸗ und Kreis⸗ polizeibehörden, 5) Vertheilung der Zuständigkeit unter die Verwaltungs⸗- und die Verwaltungsgerichtsbehörden, vorzugsweise in Rücksicht auf die Abweichung der Beschlüsse der Kommission von dem Regierungsentwurf. Referirt haben über die ersten beiden Abschnitte der Abg. Dr. Hänel, über den dritten der Abg. Srhr. v. Heereman, über den vierten der Abg. Dr. Lasker und über den fünften der Abg. Pe sius. Indem der Regierungsentwurf die Absicht verfolgte, den Umkreis der Zuständigkeit jeder einzelnen beschließenden und recht⸗ sprechenden Behörde zu bezeichnen, vertheilte er die betreffenden Verwaltungsgebicte und den Stoff der in denselben hervor⸗ netenden Spezialgesetze unter die Rubriken der einzelnen Be⸗ hörden nach der Scheidung in Beschlußbehörden und Ver⸗ waltungsgerichte. Die Kommission erachtete dieses Schema nicht für ausreichend. Sie faßte zunächst die unter verschiedenen Ru⸗ briken verstreut aufgeführten Bestimmungen über Kreis⸗ und Stadt⸗ ausschüsse und das Verfahren vor denselben, über Beschwerde⸗In⸗ stanzen und Verfahren und über die Rechtsmittel gezen polizeiliche Verfügungen sowie über das Zwangsverfahren zusammen und schied diefelben als besondere Titel aus. Für die Anordnung des Gesetzes in seinem zweiten, speziellen Theile wurden als Eintheilungsgrund die einzelnen Zweige der Verwaltung und bezw. die ein Ver⸗ waltungsgebiet umfassenden Gesetze genommen. Der vierte Ab⸗ schnitt wird in dem Kommissionsbericht am eingehendsten be⸗ handelt. Die Regelung der Exckutivbefugnisse ist dem wesent⸗ lichen Inhalte nach aus der Kreisordnung unverändert übernommen und nur dadurch erweitert worden, daß auch die Orrspolizei in Stadtkreisen denselben Regeln’unterstellt und daß den mit Exekutiv⸗ kraft ausgestatleten Polizeibeamten die Befugniß beigelegt worden ist, bis zu dem gesetzlich bestimmten Höchstbetras für den Unvper⸗ mögensfall Haft anzudrohen. Dagegen sind die Vorschriften über die Rechtsmittel einer durchgreifenden Revision unterworfen und für den ganzen Umfang aller Polizeiverfügungen, für welche nicht ausdruüͤcklich andere Bestimmungen gegeben sind, nach gleichmäßigen Grundsätzen geregelt worden. In Betreff der Ab⸗ grenzung der Zuständigkeit zwischen den Verwaltungs⸗ und Verwal tungsgerichtsbehörden erkannte die Kommission an, daß eine Sonde⸗ rung der reinen Verwaltungssachen und der Verwaltungsstreitsachen sich nicht überall einfach nach der Beschaffenheit der Gegenstände vor⸗ nehmen lasse, daß dieselbe indeß unter Festhaltung des wohl erkenn⸗ baren ideellen Gesichtspunktes und unter gleichzeitiger Beachtung der⸗ jenigen Rücksichten, welche eine praktische Durchführung der neuen Institution erforvert, in der Vorlaze im Allgemeinen richtig erfolgt sei Dagegen hat sich die Kommission veranlaßt gesehen, in größerem Umfange Abänderungen derjenigen Bestimmungen der Re⸗ gierungsvorlage vorzunehmen, welche sich auf die Vertheilung der den „Verwaltungsbeschlußbehörden“ überwiesenen Angelegenheiten zwischen den Kreisausschüssen, den Bezirks⸗ und Provinzialräthen, bezw. auf die Regelung des Beschwerdezuges von der einen an die andere dieser Behörden oder an die Ministerien beziehen. Als Anlage ist, wie be⸗ merkt, dem Kommissionsberichte eine Tabelle über die Vertheilung der Kompetenzen an die verschiedenen Verwaltungsbehörden urd Verwal⸗ tungsgerichtsbehörden beigegeben.

Sbatistische Nachrichten.

Nach Mittheilung des statistischen Bureaus der Stadt Berlin sind bei den hiesigen Standesämtern in der Woche vom 7. bis inkl. 13. Mai cr. zur Anmeldung gekommen: 258 Eheschließungen, 810 Lebendgeborene, 27 Todtgeborene, 458 Sterbefälle.

Kunst, Wissenschaft und Literatur⸗

Leipzig, 17. Mai. Heut ist die alljährlich mit dem Beginne der Buchhändlermesse eröffnete Ausstellung der neuesten Eczeug⸗ nisse auf dem Gebiete des Buch⸗ und Kunst handels und ver⸗ wandten Industriezweige im kleinen Saodle der Buchhändlerbörse auch dem größeren Publikum zugängig gemacht worden.

(Jahrbücher des Vereins von

Hr. W Roßmann, der im Jahre 1872 die Ebene von Troja besuchte, füͤhrt in einem Artikel der „Deutschen Rundschau⸗ be⸗ achtenswerthe Gründe für die Zuverlässigkent der Schliemannschen Troja⸗Forschungen an. Ec stützt sich namentlich auf die Er⸗ gebnisse weiterer Nachgrabungen, welche zur Zeit, als Curtius und Bernhard Stark ihre Bedenken gegen Schliemanns Unternehmun äußerten, noch unbekannt waren. „Nicht weniger für das Verständniß der Ilias, als im Interesse der historischen und der archäologischen Forschung“ so heißt es am Schlusse des Aufsatzes „ist drin⸗

end zu wünschen, daß Schliemann seine Ausgrabungen auf dem oden Neu Jlions wieder aufnimmt, und es ist sehr zu beklagen, daß er zu seinem Unternehmen bei seinen Landsleuten so wenig Auf⸗ munterung fand. Englische Forscher, unter ihnen namentlich Glad⸗ stone, sind ihm mit Recht freundlicher entgegengekommen.“ Vor einigen Jahren wurde eine römische Villa von etwa 130 Fuß Geverte unweit ven Ravensbeuren aufgedeckt, deren Ausgrabung eben beendet ist. Wenn auch werthsolle Einzelfunde nicht zu Tage kamen, so führte doch die Thatsache, daß ein römisches Wohngebäude in einer abgelegenen Thalsenkung des Hunsrückens er⸗ richtet worden, zu der Vermuthung, daß hier auch eine römische Straße vorbeiführen müsse, welche Vermuthung sich durchaus be⸗ stätigte. Professor aus'm Weerth, unter dessen Leitung die Aus⸗ grabungen stattfanden, stellte fest, daß von der Römerstraße, die auf der Höhe des Hunsrückens von Trier zum Rheine läuft, zwei Quer⸗ straßen auf die römische Moselstraße hinabführen und überhaupt Verkehr und Bevölkerung auf dem Hunsrücken in römischer Zeit weit bedeutender waren, als man nach dem späteren Zustande der betreffen⸗ den Gegend vermuthen kennte. Das Nähere werden jedenfalls die Alterthumsfreunden im Rheinlande bringen. Land⸗ und Forstwirthschaft.

Die Wintersaaten im Regierungsdezirk Cöln, welche gegen den Einfluß des ungewöhn lich lange andauernden Frostes durch eine starke Schneedecke geschützt waren und beim Abgange des Schnees einen recht befriedigenden Stand zeigten, sind leider nach dieser Zeit vielfach den Einfluͤssen der anhaltend regnerischen Witterung, den Nachtfrösten und an den größeren Füüssen den Ueberschwemmungen erlegen, so daß die Neubestellung vieler Winterfelder mit Sommer⸗ frucht nothwendig geworden ist. Dabei ist zu beklagen, daß in Folgze der Nässe die Sommerbestellung große Verzögerungen erlitten hat. In einigen Gemeinden macht sich auch der Mangel an Saatgut, vamentiich an Saathafer, in empfindlicher Weise gel⸗ tend. In den Gebirgskreisen der rechten Rheinseite jedech karn der Stand der Feldfrüchte als befriedigend bezeichnet werden und konnte daselbsi auch mit der Sommerbestellung zu gewähnlicher Zeit vorgegangen werden. Kleefelder und Wiesen stellen ganz allgemein einen guten Futterertrag in Aussicht. Der Gesundheitszustand der landwirthschaftliches Hausthiere läßt Vieles zu wünschen übeig. Es ist in allen Kreisen die Lungenseuche unter dem Rindvieh. meist jedoch sporadisch, vorgekommen. Nicht selten, jedoch überall nur sporadisch, sind auch Erkrankungen von Rindveh an der Maul⸗ und Klauen⸗

seuche und von Schafen on Klauenseuche und Pecken vorgekommen. * 8

Im Kreise Wipperfürth haben neuerdings wieder Erkrankungen von Pferden am Rotz startgefunden; die erkrankten Thiere sind sofort ge⸗

tödtet. Gewerbe und Handel.

Der französische Code de Commerce, wie er bei den tür⸗ kischen gemischten Handelsgerichten (Tidjarets) in Aunwen⸗ dung kommt, ist auch für die Gerichtshöfe der in der Türkei bestehen⸗ den persischen Konsuln eingeführt worden.

Der Brennereibetrieb im Regierungsbezirk Potsdam hat nach wie vor mit Schwierigkeiten zu kämpfen. Die Spirituspreise balten sich anhaltend auf der Höhe von 44 bis 45 pro 1000 Liter Prozente, dem drittniedrigsten Satze seit 50 Jahren. Der dessen unge⸗ achtet ziemlich allgemein rege Betrieb der Brennereien, die nach der Verarbeitung des Kartoffelmatersals wieder in größerem Umfange Mais verwenden, erklärt sich aus dem durch die vorjährige Ernte an Futtergewächsen bei Weitem nicht befriedigten Futter⸗ bedürkniß der La dwirthschaft. Auch Klagen der Spiritus⸗ fabrikanten über den mangelhaften Spiritusexport werden laut. Die Brauerei unterjähriger Biere ist im verflossenen Quartal lebhaft betrieben, obwohl in einigen Gegenden eine Abnahme des Bierkonsums sich bemerkbar gemacht hat. Die Kälte des Januar ist den Brauereien durch den erleschterten Eisbezug sehr zu Statten gekommen. Trotz der nicht hohen Gerstenpreise hat der Verkauf an Malzsurrogaten, namentlich Stärke und Traubenzucker, eher zu⸗ als abgenommen. Die Tabaksindustrie ist insbesondere in der Gegend von Schwedt in Folge des mangelhaften Auzsalles der vorjährigen Ernte und der immer mehr hervor⸗ retenden Abnahme des Absatzes des in der Qualität sehr geringen Produktes im Ivlande wie nach dem Auslande bemerkbar zurückgegangen. Die Preise der getrockneten Blätter sind gegen das

Frübjahr 1875

von 22 bis 32 vpro Ceniner auf 12 ½ bis 25 ½ zurückgezangen und der größte Theil der vorjährisen Ernte ist erst im Fevruar d. J. und zwar meist nach außerhalb verkauft worden, da die Tabaksindustrie in Schwedt sich fast ausschließlich den ameri⸗ kanischen Tabaken zugewendet hat. Die Rübenzuckerfabrikation hat ihre Campagne Anfangs Februar d. J. geschlossen. Im Bezirk des Haupt⸗Steueramtes Neu⸗Ruppin sind in dieser Campagne 10,610 Ctr. Rüben mehr als in der vorjährigen, mit einem Mehr⸗ betrage an Stever von 8488 verarbeitet. Dagegen haben die Fabriken des Haupt. Steueramtsbezirks Prenzlau in der letzten Cam⸗ pagne 25,450 Ctr. Rüben weniger, als in der vorjährigen verarbeitet. Die Indnstrie leidet sehr unter den niedrigen Zuckerpreisen.

Nach der Bilanz des Banvereins Königsstadt pro 1875 sind durch Parzellenverkäufe im Laufe des vorigen Jahres hinreichende Avancen erzielt worden zum Ausgleich der aus 1874 stammenden Unterbilanz im Betrage von 600,000 Auch die schwebenden Schul⸗ den aus der 1874 ger Bilanz, die ca. 6,7,000 betragen hatten, ist der Bauverein im Stande gewesen, abzulösen. Der Gesellschaft sind aus den Resultaten des Vorjahres, wie die Bilanz ausw ist, an im Bestande befindlichen Hypotheken, Restkaufgeldern, Baar⸗ und Wechselbeständen ca. 1,100,00027 zur Verfügung geblieben, welche Beträge ca. 37 pCt. des Aktienkapitals repräsentiren. Den Haupt⸗ Aktivposten in Grundwerthen bildet das Terrain vor dem Schön⸗ haufer Thor mit ca. 1,120,000 Hierbei steht die Quadratruthe zu Buch mit 471,50 ℳ, wogegen eine hypothekarische Belastung von ca. 140 pro Quadratruthe figurirt.

Die Verwaltungsorgane der Köpnicker chemischen Fabrik berufen eine außerordentliche Generalversammlung auaf den 2. Juni, in welcher Anträge über Liquidation des Gesellschaftsver⸗ mögens und über Verkauf verschiedener Werthobjekte zur Verhand⸗ lung kommen werden.

Telegraphisch wird aus Wien berichtet, daß zwischen der Unionbank und der Handelsbank Fusionsverhandlungen statt⸗ finden, die einen baldigen Abschluß in Aussicht stellen. Die „Presse“ meldet hiecrüber, die Unionbank habe 10,000 Aktien der Handelsbank zum Course von 80 gegen Unionbankaktien zum garantirten Course vom Bankhause Reitzes erworben. Auf Grund dieser Transoktion werde die Unionbank, die ihre Aktien um 40 Fl. auf 100 Fl. ab⸗ stempele, im Wege der Fusion die Handelsbank aufnehmen und jede Aktie der Handelsbank von 100 Fl. gegen eine Aktie der Unionbank umtauschen.

Das „Journal officiel“ veröffentlicht folgende Daten über die außerordentlichen Fortschritte, welche die Austernkultur in dem Wasserbecken von Arcachon, das mit de⸗- Se durch eine enge Mündung kommunizirt, zweimal täglich die Fluth aufnimmt und dabei gegen Stürme wohl geschützt ist, in den ltzten Jahren gemacht hat. Die Aufternzucht in dieser Gegend ist schon alt, war aber unter dem Kaiserreich durch schlechte Methode beinahe genz zu Grunde gerichtet worden. Im Jahr 1870/71 belief sich das Erträgniß nur noch auf 4,897,500 Austern, welche 268,32⸗2 Fr. einbrachten; seitdem stieg es von Jahr zu Jahr progressiv, und betrug im Jahre 1874/75 112,705,233 Austern, die mit 2,317,630 Fr. bezahlt wurden. In dem letzten Jahrgang, dessen Resu tate noch nicht vollständig vorliegen, sind aus den Parken von Arcachon über 200 Millionen Austern her⸗

vorgegangen. Verkehrs⸗Anstalten⸗

Southampton, 17. Mai. Das Postdampfschiff des Nord⸗ deutschen Lloyd „Mosel“, welches am 6. Mai von New⸗York abgegangen war, ist keute wohlbehalten hier angekommen, und hat nach Landung der für Southampten bestimmten Passagiere, Post und Ladung 10 Uhr Abends die Reise nach Bremen fortgesetzt. Die „Mosel“ überbringt 494 Passagiere und volle Ladung.

Aus dem Wolffschen Telegraphen⸗Bureau.

Magdeburg, Freitag, 19. Mai, Nachmittags. Das hiesige Appellationsgericht hat in dem Sudenburger Gründerprozeß gegen Zulius und Simon Leöy, Meyer, Heniges, Sommerguth und Plauth wegen Betrugs auf je 6 Monate Gefängniß und je 3000 Geldstrafe event. weitere 200 Tage Gefängniß, gegen Klusemann wegen Theilnahme am Betruge auf 3 Monate Gefängniß und 1500 Geldbuße, event. 100 Tage Gefängniß, gegen Julius Lepy, Meyer, Heniges und Klusemann wegen Aufstellung einer falschen Bilanz auf je 1500 Geldbuße event. 50 Tage Ge⸗ fängniß erkannt.

Konstantinopel, Freitag, 19. Mai, Mittags. Der Regierung geht von ihren außerordentlichen Kommissaren aus Salonichi die telegraphische Meldung zu, daß die Beerdigund der beiden ermordeten Konsuln heute unter großen Feierlich⸗ keiten und in der vollkommensten Ruhe und Ordnung statt⸗ gefunden habe.

Berlin, den 19. Mai 1876. Weltausstellung Philadelphia 1876.

Die Reichskommission für die Weltausstellung in Philadelphia hat mittels Cirkulars vom 2. d. M. an die deutschen Aussteller einen Fragebogen versendet, dessen Beantwortung der General⸗Direktor zur Information der Jury wünscht. In dem Fragebogen werden folgende fünf Fragen zur Beantwortung gestellt: 1) Kurze Beschreibung der ausgestellten Gegenstände. 2) Ort der Produktion. 3) Stellt der Aussteller die von ihm ausgestellten Gegenstände zur Konkurrenz? 4) Ge⸗ bäude, in welchem die Artikel aufgestellt sind, und ihr Platz in demselben. 5) Besondere Vorzüge, welche der Aussteller für die von ihm ausgestellten Gegenstände in Anspruch nimmt.

Die Stadtverordnetenversammlung lehnte in ihrer gestrigen Sitzung den Antrag des Magistrats, zu den Kosten der Niederlegung der Schloßfreiheit einen Beitrag von einer Million Mark aus städtischen Mitteln zu bewilligen, mit schwacher Maäjorität ab und genehmigte mit derselben Majorität (46 gegen 37 Stimmen) den Antrag des Stadtverordneten Langerhans: „die Bereitwilligkeit zur Gewährung eines solchen Beitrags zu erklären, den Beschluß über die Höhe desselben aber so lange auszusetzen, bis der Plan für die Umgestaltung vorliegt und feststeht, ob und in welchem Umfange die Mitwir’ung des Staates als gesichert angesehen werden kann;“ ebenso ein Amendement des Stadtverordneten Kaufmann, „bis auch ein be⸗ stimmter Plan über die zukünftige Gestaltung des Platzes vorliegt“.

Die Dr. Strousbergsche Bibliothek wird vom Montag, den 12. Juni d. J. ab, in öffentlicher Versteigerung verlauft werden. Der Katalog umfaßt 3395 Nummern mit ca. 20,000 Bänden; eine Durchsicht desselben ergiebt, daß es eine der schönsten und reich⸗ haltigsten mode nen Bibliotheken ist, die unter den Hammer gelangt. Die meisten Fächer sind in feltener Vollständigkeit vertreten und ebenso glänzend als geschmackvoll ist die überwiegende Mehrzahl der Einbände. Der Bibliothek geht in der Versteigerang voraus der Verkauf einiger Kunstwerke, darunter das aus der Kunstausstellung bekannte Bild von Knaus: Die Strousbergsche Familie und mehrere Marmorstatuen von R. Begas. Die Auktion wird durch den Buch⸗

ändler Hrn. Leo Liepmannssohn und Hrn. R. Lepke abgehalten.

Theater.

4 Im Königlichen Opernhause trat am Donnerstag Abend Frl. Zucchi als Myrrha in Taglioni's Ballet „Sardanapal“ auf; es war die zweite Gastrolle der Künstlerin, welche auch in dieser vertg bewies, daß sie über eine sehr bedeutende Fertigkeit zu gebieten at. Nur verlangt eben die Myrrba neben dem choreographischen Theil auch die Darstellunz der Leidenschaft, und hinsichtlich der Mimik un) der Wiedergabe seelischer Empfindungen stand die Leistung nicht

ümit Recht dorch stürmischen Beifall und unzäͤhlige

ganz auf gleicher Höhe. Während die erste Liebesscene mit Sar⸗ danapal die südliche Gluth fast ganz vermissen ließ, zeigte die Dame im dritten Akt in cinem von Hrn. Guillemin trefflich sekundirten Pas de deux eine staunenswerthe, fast bis zur Vollendung reichende Tech⸗ nik. Es scheint demnach, daß das Talent des Gastes das Gebiet äußerer Kunstfertigkeiten nicht überschreitet, in diesen Grenzen indeß kann Frl. Zucchi's Name getrost neben dem des Damen David und Linda genannt werden. Dem bis auf denu letzten Platz gedrängt vollen Hause gefiel jenes Pas de deuxr am meisten und hier erntete Frl. Zucchi vollen und für die mit Verve und Grazie getanzten schwierigen Pas auch gerechten Beifall. Die Pracht des Taglioni'schen Werkes, die auch diesmal wieder meister⸗ haft ausgeführten Ensemble⸗Tänze sind binreichend bekannt und ge⸗ würdigt; es erübrigt nur noch zu konstatiren, daß die Hauptdarsteller wie das Gros der ausübenden Künstler die Sympathien der Zuschauer rasch und dauernd sich zu erwerben wußten.

Die Gesellschaft des Herzogl. Sachsen⸗Meiningen⸗ schen Hoftheaters hat am Donnerstag zum ersten Male den, Wil⸗ helm Tell“ zur Aufführung gebracht und damit einen Erfolg er⸗ zielt, der noch den im ersten Jahre ihres hiestgen Gastspiels mit dem „Julius Casar“ erzielten übertrifft. Denn diesmal kam zu einer trefflichen Ausstattung auch eine durchweg teeffliche Darstellung. Was die erstere betrifft, so zeigten die Dekorationen neben der größten Naturwahrheit auch vollendet schöne Effekte. Das Rütli mit dem Mondregenbogen und dem Alpenglühen, der Vierwaldstädter See, die hohle Gasse nach Küßnacht, die Baustätte des Zwing⸗Uri mit ihren Arrangements, dazu die Volksscenen in ihrer Lebendigkeit, dies Alles zusammen genommen bildete ein so vorzügliches Ganze, daß einstimmiger anhaltender Beifall den Regisseur Hrn. Chronegk mehrfach zum Vortreten zwang. Was die Darstellung betrifft, so wich Hr. Barney als Tell von Allen ab, die bisher in dieser Rolle aufgetreten, er gab Eigenes und, wie es scheint, das Richtige. Er war natürlich, realistisch in seinem Wesen, einfach und herzlich in der Sprache, ohne alle Sentimentalität und ohne alles Pathos; nur so wird sein Benehmen vach dem Schuß dem Landvogt gegenüber begreiflich, nur so die Rachethat ent⸗ schuldbar. Darum hielt er den verühmten Monolog nicht gedanken⸗ voll grübelnd denn dann erscheinen dessen innere Inkonsequenzen als Fehler sondern in unruhigster Hast; selbst auf der „Bank von Stein“ duldete es ihn nicht, er wurde, von seinen Gedanken auf⸗ geregt, hin und ber getrieben. Mit einem Wort: zum ersten Male trat hier ein Tell in voller menschlicher Wahrheit vor das Auge des Publikums. Alle Schönrednerei war ihm fern und doch wußte er schön, herzlich und menschlich zu reden. Und daß man in ihm auch den Helden schätzen lernte, dafür hatte er in seinen Worten zu Stauffacher im A⸗fange gesorgt, wo er das Mittagen auf dem Rütli ablehnt, aber in einer Weise, die mehr andeutete, als gewöhnlich darin zu liegen scheint. Es war eine Leistung, die vom Publikum Hervorrufe

gelohnt wurde. Gleich vorzüglich war Hr. Teller (Geßler); er gab nicht nur das Bild eines strengen, sondern des mit Lust grausamea, gewalttthätigen Mannes; die volle Kraft und der volle Hohn kamen in Sprache, Erscheinung und in jeglicher Bewegung gleich vollendet zum Ausdruck. Hr. Weilenbeck (der alte Frei⸗ herr) war etwas zu larmoyant, aber eberfalls einfach und innig; Hr. Rinald, sein Neffe, frisch und lebendig. Hr. Hellmuth⸗ Bräm gab den würdigen Werner Stauffacher mit Kraft und edler Wärme, und seine beiden Erzählungen, die geschichtliche auf dem Rütli und die vom Tode des Königs, wurden ganz vorzüglich vorgetragen. Hr. Prasch, Arnold, war ebenso rührend in seinem Schmerze, wie wacker in seiner energischen Thaten⸗ lust Auch erschien es sehr richtig, daß er die Rede von der edlen Himmelegabe der Augen nicht, wie sonst, plötzlich dozirend, sondern mitten aus dem Schluchzen heraus, den Kopf auf den Tisch gebeugt, in kurzen Sätzen schmerzvoll hervorstoßend, vortrug. Von den mitwirkenden Damen gab Fr. Berg die verständige Frau des Stauffacher treffend wieder; Frl. Habelmann war rührend in ihrem Mutterschmerz, ihrer Liebe zum Gatten wie im Stolz auf ihn; Fr. v. Moser⸗Sperner (Armgart) verdient volles Lob; letztere gestaltete die kleine Scene mit ihren Kindern vor Geßler und dann an seiner Leiche zu einem kleinen Meisterstück der Leidenschaftlichkeit; Frl. Dohm aber reichte mit ihren Mitteln und ihrer küastlerischen Ausbildung noch nicht ganz an die in der Bertha v. Brunneck gestellte Aufgabe heran. Reizend und viel versprechend war Kl. Godeck als Tells Knabe, und selbst die Söldner, wie Frießhard und Leuthold, waren so gut, daß man wohl sagen kann: In der ganzen Darstellung störte nichts und Niemand, sie war in Allem eine musterhafte.

Das Friedrich⸗Wilhelmsstädtische Theater bringt, um den Wünschen vieler Thraterfreunde Rechnung zu tragen, am nächsten Sonntag eine Reprise der „Fledermaus“ und zwar die 199. Aufführung dieser beliebten Operette. Das Jubiläum der 200. Vor⸗ stellung, welches bekanntlich unter persönlicher Leitung des hier wei⸗ lenden Komponisten Johann Strauß stattfinden soll, dürfte erft gegen Ende dieses Monats in Aussicht stehen.

Die „Perle der Wäscherinnen“ wird nach dem entschiedenen Erfolge, welchen Frl. Lori Stubels erstes Auftreten in dieser Operette hatte, vorläufig das Revertoir des Woltersdorff⸗Theaters be⸗ herrschen. Die Gastin mußte nach verschiedenen Nummern den Dacapo-Rufen des animirten Publikums Folge leisten und wurde nach jedem Akt mit den übrigen Vertretern und Vertreterinnen der Haupipartien zweimal hervorgerufen. .

Redacteur: F. Prehm. Verlag der Expedition (Kessel). Druckt W. Elsner. Drei Beilagen (einschließlich Börsen⸗Beilage)

Berlin:

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zum Deutschen Rei

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Erste Beilage

8 bes

tzeiger und Königlich Preußischen

Berlin, Freitag, den 19. Mai

Nichtamtliches.

Preußen. Berlin, 19. Mai. Die Rede, welche in der gestrigen Sitzung des Herrenhauses der Handels⸗Minister Dr. Achenbach in der ersten Berathung über den Gesetz⸗ entwurf, betreffend die Eigenthums⸗ und sonstigen Rechte des Staats an Eisenbahnen auf das Deutsche Reich, nach dem Grafen zur Lippe, hielt, hatte folgenden Wortlaut:

Meine Herren! Der Herr Vorredner hat mit den Worten ge⸗ schlossen, daß er der Vorlage der König ichen Staats egierung viel⸗ leicht in dem Falle zustimen könnte, wenn derselben die K ausel beigefügt wäre, deß nur mit Zustimmung der anderen Bundesstaaten und unter gleichzeitiger Uebertragung der Eisenbahnen derselben, die vorgeschlagene Maßreg zur Ausführung gelange. Ich will diesen Staadpunkt, der ein abweichender von demjenigen der Königlichen Staatsregierung ist, hier nicht weiter bekämpfen. Nur das gestatten Sie mir hervorzuheben, daß ich in der That nicht verstehe, wie die verschie⸗ denen Einwendungen, welche von dem Herrn Vorredner gegen die Vorlage der Königlichen Staatsregierung gemacht worden sind, auf dasjenige nicht ebenfalls zutreffen sollten, zu welchem er sich am Schlusse seiner Rede bereit erklärt hat. Er spricht z. B. aus, die Vorlage der Kö⸗ niglichen Staatsregierung, wie er sie auffasse, enthalte in ihrem imersten Kern eine Bekämpfung des Privat⸗Eisenbahnwesens. Er knüpft daran die Betrachtung, daß dies eine Schädigung des National⸗ wohlstandes und damit eine Schädigung des ganzen Landes herbei⸗ führen werde. Ich frage aber billig, würde die Sachlage anders stehen, wenn mit Zustimmung der anderen Staaten auch deren Eisenbahnen auf das Reich ühergehen? Der Herr Vorredner erwähnte sodann der Tarife und wies darauf hin, zu welchen Uebelständen der sogenaunte Raumtarif in Elsaß⸗Lothringen angeblich ge⸗ führt habe; er hebt warnend hervor, daß man von Seiten des Reichs vielleicht zu Maßregeln übergehen würde, welche die finanzielle Kraft desselben schädigen könnten. Ich frage wieder, wenn sämmtliche Staatsbah en sich im Besitze des Reiches befinden, ist dann eine solche Tarifmaßregel ausgeschlossen, oder wenn sie eintritt, hat sie nicht einen weit schädlicheren Erfolg, als derjenige ist, welcher gegenwärtig ein⸗ treien koͤnnte, und wenn der Herr Vorredner schließlich sogar die Per⸗ spektive eröffnet, das die direkten Steuern in Folge der gegenwärtigen Gesetzesvorlage in Zukunft von dem Reiche erhoben werden könnten, so wird dieser Fall, wenn er überhaupt möglich wäre, bei der einen wie der anderen Eventualität in der That nicht abweichend sein. Derselbe Herr Redner machte darauf aufmerksam, daß die Staats⸗ regierung ja eigentlich einer Autorisation Seitens der hohen Häuser des Landtages nicht bedürfe; der innere Kern ihrer Anforderungen an die hohen Häuser des Landtages bestehe daher eigentlich darin, daß die Regierung eine Zustimmung zu dem Prinzipe, das die Vorlage involvire, verlange. Auch hier kann die Frage aufgeworfen werden, ob für den Fall, welchen der Herr Vorredner in Aussicht nahm, dem er zustimmen zu wollen erklärte, nicht das von ihm bekämpfte Prinzip ganz ebenso in der Vorlage enthalten sein würde, wie im gegenwärtigen Falle. Ich muß deshalb annehmen, daß gerade durch die Schlußausführungen des Herrn Vorredners er im Grunde genommen seine eigenen Darlegungen sämmtlich bekämpft hat, denn in einem anderen Sinne bin ich in der That nicht im Stande, die sen Abschluß der Rede zu verstehen.

Meine Herren! Ich kann nun im Uebrigen ja vollkommen anerkennen, daß der Herr Vorredner ganz objektiv die Vor⸗ lage von seinem Standpunkte aus beurtheilt, obschon freilich mir gegenüber er diesen objektiven Standpunkt, wie ich zusätz⸗ lich bemerken will, nicht überall eingenommen bat, denn er verglich mich ja in seiner Rede mit dem Demagogen der Straße vom Jahre 1848. Vielleicht komme ich in den folgenden Worten auf diesen Punkt noch einmal zurück. Ich erkenne also an, der Herr Vorredner hat sich bemüht, von seinem Standpunkte aus der Vorlage gegenüber. sich objektiv zu verhalten, wenn er auch alle denkvaren Gründe, die gegen das Vorgehen der Staatsregierung geltend zu machen sind, nach einander in Schlachtreihe vor Ihnen aufgeführt hat. Der Herr Vorredner warf dabei einen Rückblick auf die preußische Vergangenheit; er schilderte, was wir waren und knüpfte daran eine Darstellung über das, was wir geworden sind.

Ich kann durchaus mit ihm anerkennen, daß wir gewaltige Fortschritte in dem Verkehrswesen konstatiren können, wenn wir auf die letzten 40 oder 50 Jahre zurückblicken. Ich leugne kein Wort dessen, was in Anuerkennung dieser Entwickelung gesagt worden ist. Aber, wenn der Herr Vorredner daran die weitere Bemerkung an⸗ knüpft, daß wir im Begriffe seien, einen kühnen Sporung zu thun, um gewissermaßen den Boden, auf dem wir in der Vergangenheit ge⸗ standen haben, nunmehr gänzlich zu verlassen, so ist das der irrige Standpunkt, der von den Gegnern der Vorlage überall eingenommen wird. Ich behaupte, daß wir unter Berücksichtigung der veränderten Verhältnisse, die durch die Schaffung des Reichs entstanden sind, im Uebrigen in der Vorlage nur unseren besseren Traditionen folgen. Ich bitte dabei diejenigen Herren, welche Freunde der Vorlage sind, sich nicht durch den Straub beirren zu lassen, der bei dieser Vorlage nach rechts und links aufgewirbelt worden ist, sondern einfach dasjenige ins Auge zu fassen, warum die Staatsregierung die Meinung der beiden Häuser des Landtages sich erbeten hat. Ich hobe hervor, daß alle Ver⸗ dächtigungen und Ausstreuungen über beabsichtigte Gewaltthätigkeiten egen die einzelnen Bundesstaaten völlig unbegründet und unberechtigt ind, ich werde nachzuweisen suchen, wie gerade die entgegengesetzte Tendenz hier vorwaltet, ferner, daß die Auffassung, die zum Theil von Freunden, zum Theil und zwar noch mehr von Gegnern unserer Vorschläge geltenb gemacht wird, daß es sich nämlich darum handle, die sämmtlichen Privatbahnen zu beseitigen, und an Stelle der bisher in Preußen maßgebenden Prinzipien ein System aufzu⸗ Füses wonach in Zukunft ausschließlich der Staat die Eisenbahnen be⸗

eibe, eine durchaus der Königlichen Staatsregierung und, was meine Person anbetrifft, meiner Anschauung fremde ist. Ich theile diesen Standpunkt nicht, die Königliche Staatsregierung beabsichtigt nicht, durch diese Vorlage ein derartiges System zu inaugu⸗ riren, wenn sie auch, wie ich näher darlegen will, ganz entschieden an dem Standpunkt festhält, daß der Staat im Besitz dominirender Linien nach den verschiedenen Verkehrsgebieten hin sein müsse, und daß dies eine Aufgabe sei, die sowohl der preußische Staat, wie das Reich mit aller Energie anzustreben habe. In Verbindung mit jener Behauptung wird dann von den Gegnern ausgeführt, daß die Pflege der Lokalbahnen in Zukunft nicht mehr möglich sein werde. Wie eine derartige Auffassung berechtigt sei, vermag ich nicht zu erkennen. Zunächst werden viele Lokalbahnen ganz un⸗ zweifelhaft in Zukunft durch die Hauptbahnen selbst ins Leben ge⸗ rufen werden, denn diese werden, wenn sie auch eine besondere Renta⸗ bilität der Lokalbahnen sich nicht versprechen dürfen, doch ein Inter⸗ esse daran haben, sich neue Zubringer zu verschaffen, sie werden daher dafür sorgen, daß Landestheile, welche noch nicht aufgeschlossen find, in Zukunft aufgeschlossen werden. Aber wir nähern uns auch gegenwärtig schon einem System, wo mit Hülfe der Lokal⸗ interessenten untrx Beiträgen Seitens des Staates wichtige Lokalbahnen ins Leben gerufen werden. Die gegenwärtige Vor⸗ lage nöthigt durchaus nicht, dieses System abzuschwächen, im Gegentheil haben wir die Hoffnung und den Wunsch, daß in Zu⸗ kunft diese Richtung weiter erstarken, dies System mächtiger er⸗ blühen möge als in der Vergangenheit. Es liegt auch durchaus

1.

zu bauen, so finde ich gerade

kein Hinderungsgrund vor, daß, wenn die Hauptlinien im Besitz des Reiches sind, die Uebernahme der Verwaltung solcher Lokalbahnen in Zukunft auf größere Schwierigkeiten stoßen sollte, als es gegen⸗ wärtig der Fall ist. Es ist also auch ein Einwand, der aus diesen Gesichtspunkten hergeleitet werden könnte, nach meiner Ansicht unbe⸗ rechtigt und, wenn der Herr Vorredner glaubte, gewissermaßen ein Symptom der Verwirrung, die in Zukunft herrschen würde, darin er⸗ kennen zu können, daß wir den Einzelstaaten das Recht vorbehalten wollen, auch in Zukunft noch Eisenbahnen zu konzesstoniren und selbst in einer derartigen Bestin mung die vor⸗ herrschende Absicht, sich der Pflege der Lokalbahnen auch in Zukunft mit aller Kraft widmen zu können. Gerade diese Bedeutung wellen Sie der hier vorliegenden Intention zuschreiben.

Meine Herren! Ich darf auch dies noch hinusetzen: ich meines⸗ theils stehe nicht auf dem Boden, daß ich dem Lande dies ist auch von mir im Abgeordnetenhause erklärt worden ein Eldorado in Aussicht stelle, wenn wir mit den beabsichtigten Maßregeln vorgehen. Ich sage nur: wenn in den Händen des Reichs ein größerer Komplex von Bahnen vereinigt und dasselbe in den Besitz der dominirenden Linien gelangt ist, so müßte es doch ein Wunder sein, falls durch einen derartigen Vorgang nicht wesentliche Verbesserungen eintreten könnten, und wenn es nicht möglich sein sollte, selbst finanziell bessere Refultate zu erreichen als in der Vergangenheit. Ich habe gewarnt vor Illusion, denn wir werden selbstverständlich auch in Zukunft mit den Mängeln, die an allen Dingen kleben, zu kämpfen haben, und niemals ist von der Staatsregierung ein anderer Standpunkt einge⸗ nommen worden.

sagte ich, bei dieser Vorlage in der Hauptsache Ich habe nicht zurückzugreifen auf ich will die Herren nicht damit wie es der Herr Vor⸗

Wir folgen, besseren Traditionen. vergangene Zeit, ermüden; aber ich darf gerade so, redner gethan hbat, daran erinnern, daß wir im Jahre 1873 die Zustimmung der beiden Häuser des Landtages dahin gefunden haben, daß große Eisenbahnlinien auf Staatskosten neu gebaut werden sollen, und zwar sind die Häuser des Landtages, wie sowohl die Regierungsvorlage und mehr noch der Bericht der Kommission ergiebt, von der Auffassung ausgegangen, daß es sich weniger darum handele, einen fiskalischen Besitz zu erweitern, als dem preußischen Staate die verstärkte und erweiterte Möglich⸗ keit zu geben, durch seinen eigenen Eisenbahnbesitz vortheilhaft auf die Gestaltung unseres Eisenbahnwesens zu wirken, mithin den Eisenbahnbesitz im öffentlichen Interesse zu benutzen und da⸗ durch diejenigen Gesichtspunkte wahrzunehmen, die sonst in das Ge⸗ biet der sogenannten Hoheitsrechte fallen. Das war die Bedeutung, der Sinn der Vorlaze vom Jahre 1873 und der sich an dieselbe dann weiter anschließenden Gesetze. Wenn dem nun so ist, wenn wir in der Ausführung von Maßregeln begriffen sind, welche wesentlich mit dahin gerichtet sind, die von dem preußischen Staat geübte Auf⸗ sicht, die von ihm wahrzunehmenden öffentlichen Interessen zu stärken und mehr zu berücksichtigen, so mußte doch vor Allem in einer Zeit, wo das Reich damit beschäftigt ist, seinerseits die Reichsaufsicht über das Eisenbahnwesen neu zu gestalten, zu erweitern und zu kräftigen, für die preußische Staatsregierung die Frage nahe liegen, ob sie auf dem richtigen Wege sei, wenn sie ihrerseits dauernd mit der⸗ artigen Maßregeln vorginge. Ein Bedenken ergab sich schon aus dem Grunde, weil der preußische Staat durch die Art seiner Gestaltung gar nicht in der Lage ist, eine energische Entwickelung seines Eisenbahnnetzes eintreten zu lassen, ohne weithin über seine Grenzen hinauszugreifen und auf die Schicksale und Inter⸗ essen seiner Nachbaren einzuwirken. Es war also die Frage: Ist es richtig, wenn die Eisenbahnpolitik von einem Einzelstaate energisch weiter betrieben wird, oder ist es richtiger, wenn die Regelung der Sache sich in den Händen des Reiches befindet, wo allen ein⸗ zelnen Staaten eine Einwirkung auf die Gestaltung der Dinge ermöglicht ist. Schon darin liegt eine wesentliche Berück⸗ sichtigung der anderen Staaten Deutschlands. Es war also ein Ent⸗ gegenkommen, welches in dieser Auffassung der preußischen Regierung liegt. Abgesehen aber biervon, wäre es doch in der That eine sehr einseitige, ja partikularistische Maßnahme, wenn die preußische Re⸗ gierung, ohne daß Verhandlungen mit dem Reiche eingeleitet wurden, chrerseits für alle Zeit mit einer kolossalen Erweiterung des Staats⸗ eisenbahnnetzes behufs Erreichung der eben angedeuteten Zwecke vor⸗ ginge.

Wir haben geglaubt, daß Zweck in erster Linie verfolgt, rufene Träger derjenigen ins Auge gefaßt haben. das Reich seit mehreren

unseren be eine längst

wenn jene Erweiterung den angegebenen in der That auch das Reich der be⸗ Maßregeln sein müsse, die wir Es kommt aber noch dazu, daß Jahren mit Erlaß eines Reichs⸗ eisenbahngesetzes befaßt ist. Der Herr Vorredner hat die ironische Bemerkung gemacht, das Reichseisenbahnamt befinde sich in Liquidation, es habe die von ihm intendirten Maßregeln nicht zur Ausführung brinzen können; es sähe sich das Wort selbst hat der Herr Vorredner allerdings nicht ausgesprochen halb und halb bankerott, und da man mit Kleinem nicht habe wirthschaften können, so mache man einen Versuch, ob nicht mit größeren Dingen ein besseres Resultat erzielt werden könne. So liegt die Sache indeß nicht. Das Reichseisenbahn⸗Amt hat allerdings zweimal den Versuch gemacht, ein Reichseisenbahn⸗Gesetz herzustellen, es ist das zuerst im Jahre 1873 oder 1874 geschehen. Offenbar mußte sich die Reichs⸗ regierung ernstlich die Frage vorlegen: wenn ich mit Reformen des Eisenbahnwesens vorgehe, welche Maßregeln sind zu ergreifen, um einmal materiell die erforderlichen Aenderungen der bestehenden Ein⸗ richtungen und Gesetze zu erreichen, und zweitens, um die Zustim⸗ mung der Reichsvertretung zu sichern. Die Reichsvertretung hat nun ihrerseits gar keinen Zweifel daran gelassen, daß sie eine ganz energische Ausübung der Aufsicht Seitens des Reichs ver⸗ langt, und daß sie das wesentlichste Prinzip der zukünftigen Vorlage, welche an den Reichstag gelangen möͤchte, sein müsse. Die Reichs⸗ regierung hätte daher nie eine Vorlage einbringen können, die etwa nur dahin lautete: es müssen gewisse gemeinsame Einrichtungen auf den deutschen Eisenbahnen getroffen werden, diese und jene Normen haben gleichmäßig Anwendung zu finden, und die Aufsicht über das Garze wird von den einzelnen Regierungen unter Kontrole des Bundes roths ausgeübt. Eine solche Lahmlegung des Deutschen Reichs würde die Zustimmung des Reichstages sicherlich nicht gefunden haben, wie dies die wiederholten Beschlüsse desselben klar er⸗ geben. Wenn man aber andererseits fragt: welche Folgen werden denn recht ausgedehnte Aufsichtsrechte des Reiche auf die Gestaltung der Eisenbahnen in den einzelnen Staaten haben, so läßt sich nicht verkennen, daß ein derart weit ausgedehntes Aufsichtsrecht mit Nothwendigkeit zu Reibungen mit den Regierungen der einzelnen Staaten füͤhren muß. Es ist dies bei den Verhandlungen des ande⸗ ren Hauses schon bestimmt hervorgehoben, und Manche haben irr⸗ thümlicherweise angenommen, daß, indem diese Thatsachen klar und entschieden auegesprochen worden sind, darin ein Vorwurf gegen die leitenden Persönlichkeiten gefunden werden könne. Es sind dies indeß nicht Vorwürfe gegen Persoͤnlichkeiten, sondern gegen Einrichtungen, welche derart bestehen werden, daß Reibungen naturgemäß, selbst beim besten Willen der Persönlichkeiten, eintreten müssen. Wenn also gegenwärtig die preußische Negierung den Vorschlag macht, ihr Eisenbahnnetz auf das Deutsche Reich zu übertragen, so will sie damit der wirksamen Ausbildung der Reichsaufsicht eine recht ge⸗ cherte Grundlage verschaffen, sie will zunächst jede Schwierigkeit be⸗ eitigen, welche von der wichtigsten Macht, dem preußischen Staate, ausgehen könnte Diese Reibungen sind ja auch nach anderer Seite

Wenn, wie der Reichs⸗ Seitens des Reichs That auf der Hand,

hin durch die Verhältnisse leicht ermöglicht. tag verlangt, ein auszedehntes Aufsichtsrecht zur Ausübung gelangt, so liegt es in der daß durch einen soschen Einfluß recht tief in die Rechte, in die finanziellen Verhältnisse der einzelnen Staaten eingegriffen werden kann, daß Einwirkungen auf das Budget ausgeübt werden können, die gegenüber den Beschlüssen der Landtage, gegenüber den festgestellten Etats vielleicht zu Abweichungen führen müssen. Es ist daher nicht ausgeschlossen, daß die Vertreter des Einzelstaats bezüglich dessen, was von Seiten der Reichsregierung in einzelnen Fällen von Aufsichts⸗ wegen verlanzt werden möchte, sich mitunter abwehrend verhalten könnten.

Meine Herren! Darch die vorgeschlagene Maßregel wird dies gänzlich beseitigt, es ist ermöglicht, daß eine Gesetz⸗ gebung im Reich erlassen werden kann, welche den berech⸗ tigten Intentionen der Reichsvertretung entspricht. Meine Herren, ich habe bei der früheren Verhandlung im anderen Hause gesagt, es böte sich ein doppelter Weg für die Reichsgesetzzebung dar. Der eine Weg wäre der, daß man die Verhältnisse selbst hinter das Niveau zurückschraube, welches wir gegenwärtig einnehmen, daß man das Reichseisenbahanmt beseitige und die ganze Aufsicht dem Bundes⸗ rathe übertrage, wie sie vor der Errichtung des Reichseisenbahn⸗ amtes demselben zugestanden hat. Ich hae dann meine Meinung dahin ausgesprochen, daß ich eine solche Maßregel für absolut un⸗ möglich hielte; denn jede Regierung, welche gegenuüͤber dem Reichstage einen solchen Plan verfolge, werde auf den heftigsten Widerstand stoßen und sich dem Vorwurfe aussetzen, daß sie die Isteressen des Reiches vernachlässige. Damit habe ich jenes Wort verbunden, daß das deutsche Volk eine Regelung des deutschen Eisenbahnwesenso in einem aadecen Sinne verlange, als unsere Einri xtungen noch hister das bisher Erreichte zurück uführen. Es war das nicht eine Phrase, welche der Gasse entnommen ist und an Zustände von 1848 erianert, sondern ein Wort, welches mit den Beschlüssen im Zusammenhange steht, welche der deutsche Reichstag gefaßt hat; und ich weiß mich auch heute darin mit den Gefühlen des deutschen Volkes eins, und ich wage auch heute es noch einmal auszuspeeches, daß das deutsche Volk eine einheitliche und energische

Regelung des gesammten Eisenbahnwesens verlangt, und daß der von

uns eingeschlagene Weg der sicherste sein dürfte, um zu diesem Ziele zu führen.

Meine Herren! Es wird nun von verschiedenen Seiten darau hingeweesen, daß, wenn eine größere Ausdehnung der Staatseisen⸗ bahnen norhwendig sei, diese Maßregel sich ganz einfach in der Art durchführen lasse, daß der Preußische Staat diejenigen Bahnen, die ihm erwünscht erscheinen, in seinen Besitz bringe und damit die Re⸗ form abschließe. Ich glaube ausgeführt zu h ben, daß dieses Be⸗ streben ein solches sein würde, welches theilweise sich der Aufgaben des Reiches bemächtigt, und audererseits die Aufgaben, welche sich das Reich gestellt ha, wesentlich erschwere, wenn nicht gänzlich ver⸗ hindere. Wenn von den Herren Vorrednern angeführt worden ist, sie begriffen den Standpunkt der Regierung nicht, wenn sie behaupte, daß durch den Uebergang der preußischen Bahnen auf das Reich der Erlaß eines Reichseisenbahngesetzes überhaupt nicht mehr er⸗ forderlich wäre, so ist dieser der Regierung zugemuthete Standpunkt nicht der ihrige. Auch die Regierung geht von der Ansicht aus, daß ein allgemeines Eisenbahngesetz zu erlassen sei, aber sie ist sich be⸗ wußt, daß unter den gegenwärtigen Verhaltnissen dieses Ziel schwer⸗ lich erreicht werden könne; auch sie betrachtet es als eine wichtige Aufgabe, dieses Gebiet gesetzlich zu reguliren, und wenn der Herr Abg. Beseler, welcher sich für die Vorlaze ausgesprochen hat, in dieser Beziehung bemerkt, daß er nicht verstehe, wie die Auf⸗ sicht des Reiches über die preußischen Bahnen zunächst ausgeübt werden solle, so muß ich bemerken, daß, soweit ich die Sachen über⸗ sehe, Nichts daran hindert, auf diese Bahnen das preußische Gesetz anzuwenden.

Es besteht keine gesetzliche Bestimmung, welche die preußische Ge⸗ setzgebung aufhebt; dieselbe gilt vorläufig fort, und Uebelstände können nach dieser Richtung hin daher nach meinem Dafürhalten nicht entstehen. Nach allen meinen Darlegungen zu, was Herr Dr. Beseler so eine Vorlage in bundesfreundlichem haben; denn unser: Motive sind . Ziel erstreben wir, ein gutes Einvernehmen zwischen den ein⸗ zelnen Staaten fortdauernd zu erhalten. Befürchtungen, daß der gegenwärtige Augenblick nicht geeignet sei, um mit den beabsichtigten Maßregeln vorzugehen, finde ich aus diesen Gründen nicht für gerecht⸗ fertigt, da wir ja gerade denjenigen Weg einzuschlagen gedenken, der am meisten geeignet ist, im Laufe der Zeit eine völlige Uebereinstim⸗ mung Aller herbeizuführen.

Meine Herren! Von dem als er über das System der hingewiesen, daß, wenn wir vor etwa Eisenbahn⸗Varnbüler in Preußen gehabt hätten, wir auch hier das Staatseisenbahnnetz so abgerundet haben würden, wie in Württemberg, und daß er sich alsdann auf den Standpunkt stellen könnte, der gegenwärtigen Vorlage überhaupt nicht bedürfen, cs vielmehr bei den bestehenden Zuständen zu belassen Insoweit dieser Rückblick die vergangene Eisenbahnpolitik betrifft, will ich auf den Gegenstand nicht weiter eingehen; das müssen wi aber doch anerkennen, um der Gerechtigkeit ihren Tribut zu zollen, daß ein Eisenbahn⸗Varnbüler schwerlich im Stande gewesen wäre, das erstrebte Ziel zu erreichen, weil in den Häusern des Landtages über die einzuschlagende Eisenbahnpolitik bekanntlich oftmals ver-⸗ schiedene Ansichten bestanden haben. Es ist noch nicht sehr lange her, daß beispielsweise im Hause der Abgeordneten ein Mitglied bezüglich des Eisenbahngesetzes vom Jahre 1838, was be⸗ kanntlich in einem erheblichen Umfange das öffentliche Interess bei den Eisenbahnen wahrzunehmen sucht, die Worte aussprach: „das Eisenbahngesetz vom 3. November 1838 ist in meinen Augen ein wahres Wunderwerk einer büreaukratischen Gesetzgebungskunst«; und es ist das nicht etwa eine vereinzelte Aeußerung, sondern eine Bemer⸗ kung, die mehr oder weniger von der damaligen Stimmung getragen wurde. Ich will auch daran erinnern, daß, als es sich darum han⸗ delte, die Eisenbahnsteuer nicht ferner zur Amortisation der Eisenbahnaktien zu verwenden, in diesem Hause der Vorschla gemacht wurde, die betreffenden Bestimmungen des Gesetzes vom Jahre 1838, welche eine allmälige Erwerbung der Pri⸗ vatbahnen durch den Staat sicherten, aufzugeben. Es heißt in dem Kommissionsberichte: „Die Aufhebung des §. 40 des Ge⸗ setzes vom 3. November 1838 entfernt einen Grundsatz aus der Ge⸗ setgebung, den man nur nach den mangelhaften Erfahrungen für richtig halten konnte, die im Jahre 1838 über die Erfolge der Eisen⸗ bahnen erst vorlagen.“ Dies beweist, wenn man es sonst nicht wüßte, daß die Stimmungen der Menschen wechseln, und man nicht sagen kann, daß die leitenden Persönlichkeiten, die in den fünfziger Jahren vorhanden waren, also vorzugsweise Herr Minister von der Heydt, die Ursache gewesen seien, daß nicht ähnliche Zustände bei uns, wie in Württemberg, entstanden sind. Inzwischen haben sich allerdings die Meinungen mehr und mehr geklärt; es ist dies Gebiet, wie kein anderes, sowohl in Streitschriften als auch in den Diskussionen der politischen Körperschaften, und zwar nicht blos in einem Staate ausführlich erörtert worden; im ganzen Lande haben

trifft das also vollkom⸗ lebhaft wünschte, daß wir Sinne Ihnen unterbreitet bundesfreundliche, und al

men

ersten Herrn Vorredner wurde, Staatsbahnen sprach, darauf 20 bis 30 Jahren einen

sich die besten Kräfte dieses Gegenstandes bemächtigt, so daß in der