1876 / 147 p. 3 (Deutscher Reichsanzeiger, Sat, 24 Jun 1876 18:00:01 GMT) scan diff

beantragte egen die Regierung gerichtete Tages⸗ 8 82 gegen 24 Stimmen zur Annahme. Zehn Mitglieder des Folkething enthielten sich der Abstimmung. Morgen erfolgt der Schluß der Session.

Amerika. Washington, 21. Juni. Das Reutersche Bureau bringt den Wortlaut der Botschaft des Präsi⸗ denten Grant an den Kongreß. In derselben werden zu⸗ nächst die näheren Umstände der Winslow'schen und Brent⸗ schen Auslieferungsfälle rekapitulirt und von der Frei⸗ lassung der Flüchtlinge Seitens Englands Anzeige gemacht, wo⸗ durch, wie der Präsident bemerkt, letztgenannter Staat es unter⸗ lassen habe, den Bestimmungen des mit den Vereinigten Staaten bestehenden Auslieferungsvertrages nachzukommen. Dann fährt

ie Botschaft fort: 1“

„Der von England in der Angelegenheit eingenommene tandpunkt muß, wenn dabei verharrt wird, als eine Kündi⸗ ung und Annullirung des zwischen den zwei Ländern in Kraft

bestehenden Vertrages betrachtet werden. Unter den Umständen verträgt es sich nicht mit der Würde der Vereinigten Staaten, von England die Auslieferung flüchtiger Verbrecher zu verlangen oder irgend ein Begehren Englands für einen ähnlichen Zweck in Erwägung zu ziehen. Es würde uns tiefes Bedauern verursachen, wenn ein so that⸗ sächlich vortheilhafter Vertrag plötzlich zu einem Ende gebracht werden sollte, da er dem Schutz der Gesellschaft und den besten Interessen beider Länder dienstlich ist. Ich habe mich ange⸗ legentlich bestrebt, seinen Spielraum zu erweitern und einen neuen und wirksameren Vertrag zu schließen, aber Angesichts der Weigerung Englands, die bestehenden Vertragsbedingungen zu erfüllen, habe ich es für meine Pflicht erachtet, dessen Vorschlag, den Vertrag dahin zu amen⸗ diren, daß England Bedingungen zugestanden werden, die mit denjenigen identisch sind, die es in Gemäßheit der Parlaments⸗ akte verlangte, abzulehnen. Neben der Unmöglichkeit auf Seiten der Vereinigten Staaten, sich in Unterhandlungen einzulassen unter der Drohung einer beabsichtigten Verletzung des Vertrages oder Weigerung dessen Bestimmungen auszuführen, erachtete ich es für nicht räthlich, wegen nur eines einzigen Amendements in Unterhand⸗ lungen zu treten, während die Vereinigten Staaten die Liste von auslieferungsbaren Verbrechen zu erweitern und andere Verbesserungen des Vertrages vorzunehmen wünschte. Ich über⸗ lasse es der Weisheit des Kongresses, zu bestimmen, ob der Aus⸗ lieferungsvertrag irgendwie länger bindend für die Vereinigten Staaten sein soll. Sollte die Haltung der britischen Regierung unverändert bleiben, so werde ich, falls der Kongreß nicht einen gegentheiligen Wunsch ausdrückt, Gesuche um die Auslieferung von Verbrechern in Gemäßheit der Bestimmungen des Vertrages von 1842 weder stellen noch berücksichtigen.“

Aus New⸗Orleans meldet eine Kabeldepesche vom 20. ds.: „Die „Daily Picaynne“ berichtet, daß in Mount Pleasant, Distrikt Caldwell, Louisiana, fünf Neger von „Regulators“ (einer Art Vehme) gehenkt wurden.“ In Nevada ist, wie die „A. A. C.“ mittheilt, unter dem Titel „Sonnen⸗Ritter“, ein neuer geheimer antikatholischer Orden entstanden, dessen ausgesprochener Zweck es ist, dem Umschgreifen der römischen Lehre im Lande entgegenzuarbeiten. 8

Preußischer Beamten⸗Verein. t Zu unserer Freude können wir den Mitgliedern und Freunden des preußischen Beamten⸗Vereine die Mittheilung machen, daß die im §. 38 der Statuten für die Eröffnung der Geischäftsthätigkeit des Vereins vorgesehenen Bedingungen, nämlich die Beschaffung des Garantiefonds nach Maßgabe des §. 31 der Statuten, sowie der Nachweis von Versicherungsanträgen bei der Lebensversicherung in Höhe von 1,200,000 erfüllt worden sind. Aus allen Provinzen

der Monarchie, sowie aus den Reichslanden sind uns die namhaften Beträge, welche den Garantiefonds bilden, bereitwillig anvertraut worden und täglich mehren sich über das ursprünglich erwartete Maß hinaus die Anträge auf Abschluß von Lebens⸗ und Kapital⸗ versicherungen. Dieses Vertrauen, welches der Verein noch vor seiner förmlichen Konstituirung gefunden hat, giebt Zeugniß davon, daß eine aus der freien Initiative der Beamten selbst hervorgegangene Ver⸗ einigung zur Wahrnehmung unserer materiellen Interessen als ein dringendes Bedürfniß allgemein anerkannt wird. Für das uns ent⸗ gegen gebrachte Vertrauen, welches wir durch prompte Erledigung der bisherigen, oft recht umfangreichen Geschäfte, soviel an uns war, zu rechtfertigen gewesen sind, sagen wir allen Betheiligten unsern ichtigen Dank. 2. Dene⸗ sind nach Maßsabe des §. 36 der Statuten die Mitglieder des ersten Verwaltungsraths gewählt worden. Die Wahl ist auf folgende Herren gefallen: 1) Ober⸗Präsident der Provinz Hannover, Graf zu Eulen⸗ burg, in Hannover, 8) 8 Henn⸗ Ober Regierungs⸗Rath und vortragender Rath im Ministerium des Innern, Dr. Forch in Berlin, 88 3) Regierungs⸗Präsident von Boetticher in Schleswig, 4) Konsistorial⸗Rath Grisebach in Hannover, 5) Senator O. Wülbern daselbst, b 8 6) Ober⸗Gerichtsrath Hoppenstedt daselbst, 8 7) Schatzrevisor Bode daselbst, 8) Kanzlei⸗Rath Riechers daselbst, 8 9) Kege ans. 89 C Bosse daselbst. ieselben haben die Wahl angenommen. Zlebdea sich der Verwaltungsrath am 6. d. Mts. konstituirt hat, haben nach § 36 der Statuten die Funktionen des unterzeichneten Gründungscomités aufgehört. Möge der Verein das Vertrauen, aus dem er hervorgegangen ist, jederzeit rechtfertigen und möge er sich zu immer reicherem Segen für den gesammten deutschen Beamtenstand gedeihlich entfalten. Hannover, im Juni 1876. 1 Das Comité zur Preußischen Beamten⸗ Vereins. von Boetticher, Regierungs⸗Präsident in Schleswig. Bosse, Regierungs⸗Rath, Stellvertreter des Vorsitzenden. Broockmann, Rechnungs Rath. Bode, Schatzrevisor. Drape, Stadtsekretär. Dr. Grelle, Professor. Grieser, Rechnungs⸗Rath. Hoffm ann, Regierungs⸗Sekretär. Hoppenstedt, Ober⸗Gerichtsrath. Kühne⸗ mann, Regierungs⸗Rath. von Linsingen, Kreishauptmann. Müller, Schatzrath. Ostermeyer, Senator. Riechers, Kanzlei⸗Rath.

Nr. 25 des „Central⸗Blatts für das Deutsche Reich“, herausgegeben im Reichskanzler⸗Amt, hat folgenden Inhalt: Allge⸗ meine Verwaltungssachen: Verweisung von Ausländern aus dem Reichsgebiet. Handels⸗ und Gewerbewesen: Kündigung der Han⸗ dels⸗ und Schiffahrtsverträge mit Italien Zoll⸗ und Steuerwesen: Kompetenz einer Steuerstelle. Münzwesen: Uebersicht über die Ausprägung von Reschsmünzen. Finanzwesen: Nachweisung über die bis zum 31. Mai 1876 präkludirten, ferner über die an diesem Tage im Umlaufe bezw. im eigenen Bestande der deutschen Noten⸗ banken vorhanden gewesenen, sowie über die nach erfolgter Einlösung vernichteten Banfnoten; Goldankäufe Seitens der Reichsbank. Militärwesen: Anerkennung der höheren Lehranstalt zu Barmen⸗ Wupperfeld als berechtigt im Sinne der Wehrordnung. I. §. 90 2. b. Eisenbahnwesen: Eröffnung der Strecke Gießmannsdorf⸗Neiße. Konsulatwesen: Ermächtigungen zu Eheschließungen ꝛc.

Die Nr. 47 des „Amtsblatts der Deutschen Reichs⸗ Post⸗ und Telegraphenverwaltung“ hat folgenden Inhalt: Verfügungen: vom 16. Juni 1876: Annahme der außer Cours ge⸗ setzten Scheidemünzen der Thalerwährung; vom 14. Juni 1876: Post⸗ auftragsbriefe und Postanweisungen im Verkehr mit der Schweiz; vom 16. Juni 1876: Zeitungsüberweisungen des Wechselverkehrs.

Kunst, Wissenschaft und Literatur.

Vom Kunstmarkt. In der Markgrafenstraße 87 findet am Dienstag, den 27. Juni, und an den folgenden Tagen, jedesmal von 10 2 Uhr, die 196. Lepke'sche Kunstauktion statt, in welcher ungefähr 200 Delgemälde und Aquarellen, zu einem großen Theile aus dem

Nachlaß des verstorbenen Tb. Hosemann stammend, nebst einer An⸗ zahl von gerahmten Kupferstichen, einer Kollektion von Stichen und Albumblättern in Mappen und einer kleinen Sammlung ver⸗ schiedenartiger Antiquitäten zur Versteigerung gelangen. Unter den Oelgemälden und Aquarellen sind fünfzehn landschaftliche und fizürliche Blätter zum Theil vorzüglicher Qualität von Ed. Hildebrandt, ferner Landschaften von Blechen, Ch. Hoguet, Eschke, Flamm u. A., Thierstücke von Bren⸗ del und F. Voltz, figürliche Darstellungen von Th. Hilde⸗ brandt, Vautier, 2 v. Hagn, Hosemann u. A. hervorzuheben. Neben Abumblättern, Zeichnungen und Skizzen von Hosemann und verschiedenen älteren Bildern ist endlich noch auf ein interessan⸗ tes Reiterbildniß König Friedrich Wilhelms III. von Franz Krüger besonders aufmerksam zu machen.

Die neueste Nummer der „Illustrirten Zeitung“ ent⸗ hält u. A folgende Illustrationen: Botho v. Hülsen, General⸗Inten⸗ dant der preußischen Hoftheater. Wilhelm Eduard Albrecht, 22. Mai. Die Ausgrabungen in Olympia. 3 Abbildungen: 1) Blick auf die Ebene von Olympia von Druva aus. Nach einer Zeichnung von Prof. C. Häberlin. 2) Arbeiter auf dem Ausgrabungsfeld. Nach einer Zeichnung von Prof. C. Häberlin. 3) Uebersichtsplan des Aus⸗ grabungsfeldes und seiner Umgebungen. Entworfen vom Banrath Prof. Adler. 8

Gewerbe und Handel.

Die General⸗Bilanz der Hannover⸗Altenbekener Eisenbahn vom 31. Dezember 1875, zusammengestellt mit der Bilanz des Vorjahres, weist folgende Positionen auf: I. Aktiva. Bahn Hannover⸗Altenbeken und Deister Zweigbahn (in 1874 47,306,929 ℳ), 48,915,863. Löhne⸗Vienenburg (in 1874 35,345,184 ℳ) 41,327,023. Hildesheim⸗Braunschweig (gegen 2,030,862) 2,137,695. Effekten 951,577. Debitoren 103,119 (gegen 1,894,826). Kassa (segen 169 602) 45,163 ꝛc. II. Passiva. Stammaktien 27,750,000. Stamm Prioritäten 25,750,000. Obl. I. Em. 6,750,000. Obl. II. Em. 10,500,000 (diese vier Posten wie im Vorjabre). Obl. III. Em. bis „jetzt“ emittirt (gegen 15,000,000) 16,222,200 Fonds zur Zahlung rückständiger Zinsen (gegen 259,176) 960,837, Erneuerungsfond (gegen 61,304) 287,320, Kreditoren 3,384,349, Be⸗ triebsüberschuß (gegen Unterbilanz) 205,879. Die Bilanzsumme be⸗ trägt 93,810,587 gegen 88,290,006 im Vorjahre. Die Ge⸗ sammtergebnisse des Betriebes sind die folgenden: Einnabmen aus dem Personenverkehr 852,183 (gegen das Vorjahr + 242,963 ℳ), Güterverkehr 2,528,402 (+ 984,476 ℳ), sonstige Erträge 124,996 (+ 31,676 ℳ), in Summa 3,505,492 (+ 1,259,116 ℳ). Be⸗ triebsausgaben: Allg. Verwaltung 155,761 (+ 48,708 ℳ), Bahn⸗ verwaltung 874,068 (+ 361,288 ℳ), Transportverwesen 1,305,038 (+ 431 855 ℳ), zum Erneuerungsfonds 296,818 ℳ) (+ 199,776 ℳ), in Summa 2,631,687 (+ 1,041,627 ℳ) oder 75 % der Brutto⸗Einnahme gegen 71 % im Vorjahr. Durch die im Monat Mai, resp. Juni erfolgte Eröffnung der Bahnstrecke Löhne⸗ Vienenburg ist das Hannover⸗Altenbekener Eisenbahnnetz von 139 auf 296 Kilometer Bahnlänge angewachsen.

Der erste Maschinenmarkt zu Halle a. S. findet in den Tagen vom 28. Juni bis zum 2. Juli d. J. statt; der dazu um⸗ zäunte Platz hat einen Flächenraum von 21,000 Qu.⸗M., von denen 9000 Qu. M. mit Maschinen bestellt werden. Eine verdeckte Halle von 600 Qu.⸗M. dient ebenfalls zur Aufstellung von Maschinen. Zwoeck des Marktes ist, dem Verkäufer das Bekanntwerden seiner Fa⸗ brikate zu erleichtern und eine günstige Gelegenheit zu Vergleichen zu bieten. Halle a. S. hat mit 39 Ausstellern 22 %, Leipz g mit 11 Ausstellern 14 %, Berlin mit 11 Ausstellern 8 % des ganzen Rau⸗ mes. Die entferntesten Aussteller sind aus Frankfurt a. M., Mann⸗ heim, Stettin, Dresden, Kiel, Bremen, Hamburg, Altona, Gladbach, Braunschweig, Breslau, Sonthofen in Bayern.

Meiningen, 23. Juni. (W. T. B.) In der heutigen außer⸗ ordentlichen Generalversammlung der Mitteldeutschen Kredit⸗ bank wurde der Antrag des Verwaltungsrathes auf Genehmigung eines mit der Herzoglichen Staatsregierung abzuschließ nden Uber⸗ einkommens, betreffend die künftigen Beziehungen der Bank zu der⸗ selben genehmigt und das neue Statut festgestellt. 8

Wien, 23. Juni. (W. T. B.) Der Verwaltungsrath der

Eperies⸗Tarnowbahn hat der „Presse“ zufolge die Fusion mit der Kaschau⸗Oderberger Bahn genehmigt.

Berlin, den 24. Juni 1876.

Unter der Ueberschrift: Die Opfer der österreichischen Korvette „Friedrich“ gerächt, veröffentlicht die „Tages Presse folgenden Artikel: . 8 8eCs dürfte unseren Lesern noch der Ueberfall erinnerlich sein, den Angehörige des Piratenstaates Sulu es mag ein Jahr ber sein auf ein an der Küste gelandetes Boot der österreichischen Fregatte „Erzherzog Friedrich“ ausgeführt, bei welcher Affaire meh⸗ rere unserer wackeren Matrosen das Leben eingebüßt haben. Dieses Piratennest wurde nun vom General⸗Gouverneur der Philippinen⸗Inseln, nach einer höchst beschwerlichen Expedition, gezüͤchtigt und zerstört.

Am 21. Februar Abends ging das vom General⸗Gouverneur der Philippinen, Don José Malcampo y Monge, Marques de San Rafael, in Person befehligte spanische Geschwader im Angesicht der Insel Sulu vor Anker. Am nächsten Morgen wurde die Landung, unter dem Schutze der Schiffsbatterien, welche ein lebhaftes Feuer unterhielten, bewerkstelligt. Die Truppen, welche zuerst das Ufer betraten, wurden von den „Morros“ angegriffen, die im dicken Rohrdickicht, das sich bis zur Küste erstreckt, verborgen waren. Nach dieser Begegnung, in welcher die Spanier vierzehn Todte und Verwundete perloren, lagerten sie im Patikolo. Die „Morros ließen fünfzehn Todte auf dem Platze. Die Schwierigkeiten, welche sich der Verpflegung der Truppen in den Weg stellten, ver⸗ zögerten ihr weiteres Vorrücken in das Innere bis zum 25., wo Ge⸗ neral Malcampo mit drei Halbbrigaden, von den vier aus welchen die Expedition bestand, in der Richtung der Hauptstadt Sulu auf⸗ brach. Der Rest des Armee⸗Corps erhielt den Befehl längs des Ufers ebenfalls auf Sulu zu marschiren, um in Verbindung mit der Haupttruppe 5 1e Wir lassen hier einen Auszug aus dem Berichte des Generals folgen. 1

2882 mußten uns mit Hauen und Hacken einen Weg durch die dichten Gebüsche und Waldpartien bahnen, welche dieses glühende Land bedecken. Von allen Seiten ward ein lebhaftes Feuer auf uns gerichtet, welches uns mehrere Leute tödtete und verwundete. Viele der Verwundeten blieben auf dem Wege liegen, weil die Träger nicht die Kraft hatten, sie weiter zu tcagen. Ich weiß nicht, wo wir die Kraft hernahmen, unserm Bataillon zu folgen und die Mannschaft aufzumuntern, welche sich mühsam fortschleppte. Um 5 ½¼ Uhr Abends gelangten wir an eine lichte Stelle, an der Seite eines Berges, wo der Ge⸗ neral uns zu halten befahl. Er hatte den Verdacht gefaßt, daß die Führer uns irre führten. Die Kugeln dezimirten uns, und der unerträgliche Durst bedrohte uns mit einer Katastrophe. Wäh⸗ rend dieser qualvollen Momente übergab der General das Kommando der Brigade dem Obersten Rate, der auch die Ambulanz und das Hau täquartier zu schützen hatte. Dieser formirte sein Regiment (Xr 2) in ein ausgedehntes Viereck, die Kranken und Verwun⸗ deien wurden unter dem Schutz einer Baumgruppe in der Mitte des Vierecks untergebracht. Oberst Villalon mwil dem Rezi⸗ ment Nr. 4 und der europäischen Arfillerie deckte die Vor⸗ hut, konnte jedoch nicht verhindern, daß die Kugeln in die Mitte des Vierecks fchlugen, wo mehrere Verwundete ein zweites Mal verwundet wurden. Der Ober⸗Befehlshaber ritt von einem Platze zum andern, sprach den Soldaten Muth und Ausdauer ein und eiferte die Marine⸗Artillerie an, welche alle zehn Minuten Kartätschen und Vollkugeln ins Dickicht feuerte. Die Nacht, die nicht enden zu wollen schien, ging vorüber, und beim ersten Grauen des Tages brachen wir nach dem Seegestade auf, indem wir uns

nach dem Kompaß richteten. Während dieser rückgängigen Bewegung wurden wir von den Sulus mit einem unausgesetzten Feuer verfolgt: es gelang uns jedoch, sie mit dem Beistand der Marine⸗Artillerie in Entfernung zu halten und einen Bach zu erreichen, wo wir unser Lager aufschlugen und uns laben konnten. Beim Anblick des Wassers brach Alles in lauten Jubel aus. Es ist unmöglich, die Freude zu be⸗ schreiben, welche wie ein elektrischer Funke die ganze Kolonne durch⸗ zuckte. Alle Leiden, alle Mühseligkeiten waren vergessen. Am Abend wurde der Marsch fortgesetzt, bis die Kolonne das Meerufer bei Tandu erreichte. Während des ganzen Marsches ward die Truppe von den Sulus belästigt, welche die Nachhut fortwährend angriffen, obwohl sie durch un ere Kugeln und Bajennete manchen Verlust erlit⸗ ten. In Tandu vereinigte sich die vierte Halbbrigade mit uns, die wir in Paticolo zurückgelassen hatten. Ihr Marsch längs dem See⸗ ufer war ganz unbehelligt gewesen, weil die ganze Aufmerksamkeit des Feindes auf unsere Kolonne gerichtet war. ie Erfahrungen, die ich auf dem Marsche durchs Dickicht, wo ein Theil der Truppe den Weg verfehlte, gemacht hatte, veranlaßten mich, meinen Plan zu ändern und Sulu entweder von der Seeküste her oder im Rücen, von einer Stellung aus, welche die Stadt beherrschte, anzugreifen.

Weitere Erwägungen bestimmten den General, den Angriff von der Seeküste aus zu unternehmen. Er besorgte nämlich, die Terrain⸗ Schwierigkeiten dürften ihn zu einem abermaligen Rückzug nöthigen; dann mußte man das Klima als den Hauptfeind ansehen, da es die Ursache des größten Theils der erlittenen Verluste gewesen war. „Ich verabredete daher“, heißt es im Berichte weiter, „die nöthigen Maßregeln mit dem Geschwader, welches am 29. früh angefangen hatte, die Kottas (Fortsh. von Sulu mit gutem Erfolge zu beschließen, und ließ gleichzeitig eine halbe Brigade und vier Kanonen vorrücken, um von einer passenden Stellung auch die Kottas östlich von Sulu anzugreifen, welche die ersten Angriffsobjekte sein sollten. Nach⸗ dem einstweilen alle Streitkräfte versammelt worden waren, rückte die erste Halbbrigade, ihren Kommandanten an der Spitze, entschlossen vorwärts, um die Blokade zu stürmen. Bald darauf war dieses Objekt und das umliegende Terrain in den Händen unserer Truppen, welche sie zum Theile mit Hülfe von Leitern erklettert hatten. Gleichzeitig drangen die anderen Truppen rasch gegen das Centrum von Sulu und die anderen Kottas vor, ohne daß die Terrainhindernisse, Sümpfe und Bäche ihren Vor⸗ marsch aufzuhalten im Stande gewesen wären. Alle Kottas auch die des Sultans selbst wurden erstürmt und ganz Sulu besetzt. Doch leistete noch eine namhafte Anzahl Piraten, die sich theils in die Häuser, theils ins Dickicht geflüchtet hatten, hartnäckigen Widerstand, bis sie vom Obersten Marquez mit einer Abtheilung seiner Halbbrigade und zwei Marinekanonen bewältigt wurden. Die spanische Flagge wehte abermals auf den Forts von Sulu. Die des Sultans und alle seine Kottas und Kanonen bhefinden sich in unsern Händen...

Der Sieg wurde freilich nicht ohne schwere Opfer erkauft. Ich sah an meiner Seite fünf Mann von meiner Eskorte und zwei meiner Diener fallen. Gestern während des ganzen Tages (1. Mätz) belästigten einzelne Piratenschwärme, die im Dickicht verborgen waren, unsere Vorposten; aber während ich meinen Bericht aufsetze, ist noch eine Kotta, an der Straße, die ins Innere führt, genommen worden, und seitdem scheint das Feuern aufgehört zu haben.“ Der Verlust der Spanier wird auf etwa 300 Mann ge⸗ schätzt. In der Nachricht eines Privatbriefes heißt es: „Es sind noch

wei Kottas genommen worden, in denen sich einige muselmännische Weiber befanden, die respektirt wurden. Sulu steht noch in Flammen.

Die „Strait Times“ sagt: „Der ostensible Zweck der Expe⸗ dition war die Züchtigung der Piraten, der wirkliche ist aber die Annektirung der Sulu⸗Inseln kraft der Verträge von 1836 und 1851. Im letzteren ward ausdrücklich erklärt: Die Inseln von Sulu und ihre Dependenzen werden der spanischen Krone einverleibt. Die Mohren haben sich stets der Erfüllung dieser Clausel wiedersetzt, und dies führte zum jetzigen Kriege. Unparteiischen Nachrichten zufolge ollen die Spanier über 500 Mann verloren haben, und General

Kalcampo's tollkühnes Vorgehen wird streng getadelt.“ Der Räuber⸗ staat Sulu besteht nicht mehr, und die Opfer der österreichischen Korvette „Friedrich“ sind wirklich, wie die Spanie versprochen hat⸗ ten, durch sie gerächt worden.“ 8 1

SSg 858

Ein Seitens der Theilnehmer an der westsibirischen Expe⸗ dition von Dr. Finsch in Bremen am 23. d. Mts. eingegangenes Telegramm lautet: Wir sind gestern wohlbehalten über den Saisan⸗ See und den chinesischen Hoch⸗Altai in Barnaul (am Obi) angelangt und gehen nach Abfertigung der reichen Sammlungen, die wir gemacht haben, sofort nach Tomsk weiter.

8 Theater. 8

Im Friedrich⸗Wilhelmsstädtischen Theater macht heute eine Unpäßlichkeit des Hrn. Bollmann die Einschaltung der Operette „Giroflé⸗Girofla’“ an Stelle der bereits angekün⸗ digten komischen Oper „Joconde“ nothwendig, und muß nunmehr

Mal wiederholten Novität vorläufig in die nächste Woche verlegt werden. Inzwischen soll, um den Wünschen vieler mementan hier weilender auswartiger Theaterfreunde Rechnung zu tragen, am Sonn⸗ tag und Montag die „Fledermaus“ wiederholt werden, worin, neben der Wiener Gastin Frl. Hermine Meyerhoff, welche an beiden Aben⸗ den die „Adele“ spielt, eine neue Sängerin, Frl. Irma v. Terré, vom

der Partie der „Frau von Eisenstein“ zu debütiren.

die „Berliner in Philadelphia“ nachlassen sollten, sofort in Scene gehen kann.

Juli und August. Es finden somit nur noch sechs Vorstellungen von „Arria und Messalina“ staͤtt.

ieder des Residenz Theaters, sowie die zur Vervollständigung des

en zu der am 1. September stattfindenden Wieder⸗Eröffnungs⸗Vor⸗ gtellung beizuwohnen. In der Wintersaison des Residenz⸗Theaters

Minister“ zur ersten Aufführung kommen.

Redacteur: F. Prebm. Verlag der Expeofrion (Kesselh.

Fünf Beilagen

(einschließlich Börsen⸗Beilage).

8. 87 der Städteordnung,

bhealtsetais über die Organisation des städtischen Polizeidienstes

8 zeiliche Anordnungen eine Belastung der Stadtgemeinde herbei⸗ 18 geführt werden soll.

die Wiederaufnahme dieser, mit steigendem Erfolge bereits sieben

Stadttheater in Würzburg, am Montag Gelegenheit haben wird, in

Die nächste Novität des Krollschen Theaters wird eine große Operette von Bial sein, mags es 5 9 Sne .. ind bereis so weit vorgeschritten, daß die Operette, sobald

Nrobes fsn shape in der bisher bewaͤhrten Zugkraft

Mit 1. Juli beginnen die Sommer⸗Ferien des Residenzz Theaters und begeben sich sämmtliche Mitglieder auf Urlaub, unter Fortbezug der für diesen Fall stipulirten Gagen während der Monate Am 20. August treffen die Mit⸗

nsembles neu engagirten Kräfte in Berlin ein, um den Vorbereitun-

wird ein dreiaktiges Schauspiel von Adolf Berger, betitelt „Der

Truck: W. Elsner. .

Anzeiger.

Nichtamtliches.

Berlin, 24. Juni. Im weiteren Verlauf der gestrigen Sitzung des Herrenhauses entspann sich bei welchen die Kommission in fol⸗ gender Fassung zur Annahme vorschlug:

„Die Anstellung der nicht lediglich zu vorübergehenden oder zu mechanischen Dienstleistungen berufenen Gemeindebeamten erfolgt auf Lebenszeit. Anderweitige Vereinbarungen über die Dauer der Dienstzeit sind zulässig.

Die Verpflichtung der Städte zur Anstellung von Militär⸗ Invaliden erstreckt sich nicht auf solche Stellen, welche eine höhere oder eigenthümliche Geschäftsbildung erfordern.

Die Gemeindebeamten erhalten Pension, gemäß den für die unmittelbaren Staatsbeamten geltenden Vorschriften. Die Stadt⸗ gemeinde ist jedoch in allen Fällen zur Gewaͤhrung einer Pension

nur nach Maßgabe der in ihrem Dienst zugebrachten Zeit verpflich⸗

tet. Anderweitige Vereinbarungen darüber, in wie weit auch die nicht im Dienste der Stadtgemeinde zugebrachte Zeit in Anrechnung zu bringen ist, sind zulässig.

Der §. 56 kommt gleichmäßig zur Anwendung.“

eine Diskusson. Der Regierungs⸗Kommissar Oberst⸗Lieutenant

Blume beantragte Namens der Staatsregierung die Wiederher⸗

stellung der Fassung der Regierungsvorlage, während Herr von Winterfeld und der Referent Herr Hasselbach sich dagegen aus⸗ sprachen. Bei der Abstimmung wurde dann der Vorschlag der Kommission angenommen.

Die §§. 88 bis 100 uwrden ohne Debatte nach den Vor⸗ schlägen der Kommission angenommen. Bei §. 101, welchen die Kommission in nachstehender Fassung zur Annahme empfahl:

„Der Bürgermeister kann den Magistratsmitgliedern auf sechs Wochen Urlaub ertheilen; zu einer längeren Urlaubsertheilung ist die Genehmigung der Aufsichtsbehörde erforderlich.

. Der Bürgermeister, der erste Beigeordnete, das im §. 119 er⸗ wähnte Mazistratsmitglied, sowie die §. 120 erwahnten oberen. Gemeindebeamten bedürfen zu einer, steben Tage übersteigenden Abwesenheit der Genehmigung der Aufsichtsbehörde.“ wurden unter Befürwortung des Regierungskommissars auf Antrag des Herrn Hobrecht die Worte „der Aufsichtsbehörde“ in „des Magistrats⸗Kollegiums“ umgewandelt und dann die §§. 102 bis 116 nach den Anträgen der Kommission genehmigt. 88 dien §. 117 hatte die Kommission folgende Fassung empfohlen: Der Magistrat beschließt innerhalb der Grenzen des Haushalts⸗ etats über die Organisation des städtischen Polizeidienstes und über die erforderlichen ortspolizeilichen Einrichtungen. Er stellt die Polizeibeamten an, mit Ausnahme jedoch der im §. 120 erwähnten oberen Beamten. Er beschließt über den Erlaß ortspolizeilicher Verordnungen. (§. 5 ff. des Gesetzes vom 11. März 1850 und §. 5 ff. der Verordnung vom 20. September 1867.)

Hierzu beantragte Herr Hobrecht dem ersten Satze die nach⸗ stehende Fassung zu geben:

„Der Magistrat beschließt innerhalb der Grenzen des Haus⸗

und über die erforderlichen ortspolizeilichen Einrichtungen, er be⸗ schließt mit derselben Maßgabe in allen Fällen, in denen durch poli⸗

Er stellt die Polizeibeamten ꝛc.“

Dieser Antrag wurde nach unwesentlicher Diskussion ange⸗ nommen, ebenso auch §. 118. Zu §. 119, der nach dem Vor⸗ schlage der Kommission lautet:

„Der Bürgermeister kann die ihm nach §. 118 obliegenden Geschäfte auch auf ein anderes Magistratsmitglied ganz oder theil⸗ weise dauernd übertragen; dies Mitzlied bedarf zur ebernahmne dieser Geschäfte der Genehmigung der Aufsichtsbehörde“

hatten die Herren Brüning und v. Voß beantragt:

nach dem Worte „kann“ hinzuzufügen: „mit Zustimmung des Magistrats“. 8

Dieser Antrag wurde jedoch nach kurzer Diskussion abgelehnt, dagegen nach Genehmigung des §. 120 nach dem Vorschlage der Kommission ohne bemerkenswerthe Diskussion dem §. 121 auf Antrag des Herrn Hobrecht folgende Fassung ertheilt:

„In größeren Städten können durch Ortsstatut die dem Mazistrat nach §. 117 obliegenden Geschäfte für einzelne Zweige der Polizeiverwaltung ganz oder theilweise den im §. 90 erwähnten Behörden vr werden; dieselben haben diese Geschäfte nach Anordnung des Magistrats zu führen.

In gleicher Weise kann den Vorsitzenden dieser Behörden für diese Verwaltungszweige das sonst dem Bürgermeister zustehende Recht der Anwendung polizeilicher Zwangsmittel beigelegt werden.“

Die §§. 122 bis 136 wurden ohne Diskussion genehmigt. Dem §. 137 beantragte die Kommission folgende Fassung zu geben:

„Die Klage im Verwaltungsstreitfahren findet innerhalb ein⸗ undzwanzig Tagen statt gegen die im §. 85 erwähnten Beschlüsse des Magistrats beziehungsweise der im §. 91 gedachten Deputa⸗ tionen (Kommissionen), betreffend das Recht zur Theilnahme an den Nutzungen und Erträgen des Gemeindevermögens beziehungs⸗ weise die Verpflichtung zur Theilnahme an den Gemeindelasten.

gt in erster Instanz ist das Bezirksverwaltungsgericht.

o die Gemeindesteuern durch Zuschläge zu den Staats⸗ steuern erhoben werden, oder so weit die Veranlagung der Ge⸗ meindesteuern von der Veranlagung zur Staatssteuer abhängig ist, sind in Bezug auf die Höhe der Steuern die in der Reklamations⸗ beziehungsweise Rekursinstanz ergangenen Entscheidungen in Betreff der Staatssteuer auch für die Gemeindesteuern maßgebend, so daß wegen der Höhe dieser Steuern die Klage im Verwaltungs⸗ streitverfahren nicht stattfindet.“

Hierzu beantragte Herr v. Voß, dem Paragraphen folgendes Alinea 4 zuzufügen:

„Auch ber allen übrigen Gemeindesteuern kann im Wege der Klage nur die erfolgte Anwendung der ggseßlichen oder statutarischen Bestimmungen, nicht aber die Höhe und Angemessenheit der statt⸗ gehabten Einschätzungen angefochten werden.“

Der Antragsteller befürwortete diesen Antrag und der Re⸗ gierungskommissar, sowie der Referent erklärten sich gegen den⸗ selben, worauf er vom Hause einstimmig abgelehnt wurde. Die folgenden §§. 138 154 wurden ohne Debatte nach den Anträ⸗ gen der Kommission angenommen.

Fünfter Gegenstand der Tagesordnung war die zweite Be⸗ rathung über den Gesetzentwurf, betreffend den Aus⸗ tritt aus den jüdischen Synagogengemeinden. Die 88 1 bis 5 wurden nach den Beschsüssen der ersten Berathung

ebattelos angenommen. Bei §. 6 wurde dem Absatz 2, welcher vn. den Beschlüssen der ersten Berathung folgendermaßen autete:

an Begräbnißstellen werden durch den Austritt nicht

erührt;“

auf Antrag des Herrn Friedländer folgende Fassung gegeben:

„Das Recht der Mitbenutzung des Begräbnißplatzes der Syna⸗

gogengemeinde und die Pflicht der Theilnahme an den Lasten, welche der Synagogengemeinde aus dem Begräbnißplatze erwachsen, verbleiben dem Ausgetretenen so lange, als ihm nicht die Berech⸗ tigung zusteht, einen anderen Begräbnißplatz zu benutzen. Erwor⸗ bene Privatrechte an Begrähnißstellen werden durch den Austritt nicht berührt;“

und sodann die übrigen Paragraphen des Gesetzes nach den Be⸗

schlüssen der ersten Lesung genehmigt.

Der letzte Gegenstand der Tagesordnung war die einmalige Schlußberathung über den Gesetzentwurf, betreffend die Befähigung für den höheren Verwaltungsdienst. Das Abgeordnetenhaus hatte bekanntlich dem §. 10, entgegen den Beschlüssen des Herrenhauses, folgende Fassung gegeben:

„Diejenigen Personen, welche von einem Kreistage zur Be⸗ setzung eines erledigten Landrathsamtes vorgeschlagen, beziehungs⸗ weise präfentirt werden, sind auch dann für befähigt zur Beklei⸗ dung der Stelle eines Landraths zu erachten, wenn sie die zweite furistische. Prüfung abgelegt haben, oder wenn sie nach bestandener erster Prüfung bei den Gerichts⸗ und Verwaltungsbehörden im Vorbereitungsdienst, oder in Selbstverwaltungsämtern des Kom⸗ munal⸗, Kreis⸗ und Provinzialdienstes zusammen mindestens vier Jahre beschäftigt gewesen sind.

Alle anderweitig bestehenden Beschränkungen in Bezug auf den Kreis der Personen, welche von einem Kreistage für die Besetzung eines erledigten Landrathsamtes in Vorschlag gebracht werden kön⸗ nen, sind aufgehoben.“ 1“

Der Referent Herr Dr. Dernburg beantragte nun: 8 den §. 10. Abs. 1 in folgender Fassung,

S. 10. Diejenigen Personen, welche von einem Kreistage zur Besetzung eines erledigten Landrathsamts vorgeschlagen, beziehungs⸗ weise präsentirt werden, sind auch dann für befähigt zur Bekleidung dieser Landrathsstelle zu erachten, wenn sie die zweite juristische Prü⸗ fung abgelegt haben,

oder wenn sie nach bestandener erster Prüfung bei den Gerichts⸗ und Verwaltungsbehörden im Vorbereitungsdienst, oder wenn sie auch ohne die erste Prüfung abgelegt zu haben, in Selbstverwal⸗ tungsämtern des Kommunal⸗, Kreis⸗ und Provinzialdienstes zu⸗ sammen mindestens vier Jahre beschäftigt gewesen sind;

im Uebrigen den vorangeführten Gesetzentwurf in Ueberein⸗ stimmung mit den Beschlüssen des Hauses der Abgecrdneten an⸗ zunehmen. 8

Hierzu beantragte:

1) Herr Becker (Dortmund): die Worte: „wenn sie auch ohne die erste Prüfung abgelegt zu haben“ zu streichen.

2, Herr von Wedell: den Absatz 2 des Beschlusses des Abgeordnetenhaufes zu streichen.

3) Graf Udo zu Stolberg⸗Wernigerode: statt der Worte: „vier Jahre“ zu setzen „zwei Jahre“.

An der Diskussion betheiligten sich die Herren v. Wedell, Bredt, v. Winterfeld, Graf Udo zu Stolberg⸗Wernigerode, der Referent Dr. Dernburg und Freiherr v. Maltzahn. Eine Aeuße⸗

rung des Letzteren gab dem Minister des Innern Grafen zu Eulenburg Veranlassung, ebenfalls in die Debatte einzugreifen. Dann wurde der Antrag des Referenten und der Antrag des Herrn v. Wedell angenommen, die beiden anderen Anträge aber verworfen und hierauf um 4 Uhr 35 Minuten die Sitzung geschlossen.

In der gestrigen Sitzung des Hauses der Abgeord⸗ neten erklärte in der Debatte uͤber das Schreiben des Staats⸗Ministeriums, betreffend die Er⸗ nennung des Staatssekretärs im Auswärtigen Amt v. Bülow und des Präsidenten des Reichs⸗ kanzler⸗Amts Hofmann zu preußischen Staats⸗ Ministern und Mitgliedern des Staats⸗Ministeriums nach dem Abg. Windthorst (Meppen) der Vice⸗Präsident des Staats⸗ Ministeriums Finanz⸗Minister Camphausen:

Meine Herren! Ich habe, um den Ausführungen des Hrn. Red⸗ ners folgen zu können, soeben unten gesessen und mir verschiedene Notizen aus seinem Vortrage gemacht. Ich will den Versuch machen, ob es mir gelingt, ihm sofort auf die meisten der von ihm angeregten Punkte die gewünschte Auskunft zu ge⸗ ben. Als der geehrte Redner damit begann, daß eigentlich das hohe Haus über die Ernennung der Minister nicht unterrichtet sei, und daß es namentlich in bedenklichem Zweifel darüber wäre, ob der Herr Minister Friedenthal wirklich Minister wäre, so habe ich zuerst befürchtet, es möchten in dieser Beziehung vielleicht Nachlässig⸗ eiten vorgefallen sein. Da die Ausführung sich auf den Minister Friedenthal beschränkt, so ist mir in den Sinn gekommen, daß dessen Ernennung erfolgt ist zu einer Zeit, wo die hohen Häufer des Landtages nicht versammelt waren, daß sie publizirt ist durch den Staats⸗Anzeiger, und daß vielleicht übersehen worden ist, noch eine schriftliche Aeußerung über diese Ernennung zu machen. Wegen dieses Unterlassens, was vielleicht mich persoöͤnlich trifft, ich fage, vielleicht, würde ich ergebenst um Entschuldigung bitten.é Ich will dafür sorgen, daß eine solche Unterlassung, so lange ich dabei mitzuwirken habe, nicht mehr eintreten möge. Dann hat der Hr. Redner auf die abweichende Stellung des Ministers Delbrück hingewiesen und hat eine Frage wegen des Marine⸗Ministers von Stosch erhoben. .

Um zunächst den letzten Punkt zu berühren, will ich erklären, daß Hr. von Stosch nicht Mitslied des preußischen Staats⸗ Ministeriums bisher war, noch gegenwärtig ist, daß Hr. Delbrück

auch nicht Mitglied des preußischen Staats⸗Ministeriums war, und daß er nur theils an unseren Berathungen Theil genommen hat, theils in gewissen Fällen den Fürsten Bismarck mit seinem Votum vertreten durfte. Dieses Ver⸗ hältniß hat mit dem Ausscheiden des Hrn. Ministers Delbrück auf⸗ gehört. Wenn, wie der Herr Vorredner bemerkte, über die Theilnahme des Hrn. Delbrück an den preußischen Staats⸗Ministerialsitzungen, dem preußischen Abgeordnetenhause seiner Zeit eine Mittheilung nicht gemacht worden ist, so hat auch von seinem Ausscheiden eine besondere Mittheilung nicht gemacht werden dürfen. Gegenwärtig sind nun die Herren von Bülow und Hofmann zu Mitgliedern des Staats⸗Ministeriums mit Sitz und Stimme ernannt worden. Der Herr Vorredner scheint selbst anzuerkennen, daß die formelle Befugniß der Krone zu einer solchen Ernennung nicht bestritten werden kann; er hat mit Recht angeführt, daß die Verfassung in dieser Beziehung eine bestimmte Vorschrift nicht enthält, und er hat mit Recht daran erinnert, daß gerade, wie er sich aus⸗ drückt, das Ministerium der neuen Aera, dasjenige Ministerium, was sich die Wahrnehmung der konstitutionellen Verfassung besonders an⸗ gelegen sein ließ, kein Bedenken getragen hat, Minister ohne Porte⸗ feuille in seiner Mitte zu haben. Wenn geglaubt wird, daß nunmehr die eben ernannten Minister sich niemals im preußischen Abgeord⸗ netenhause zeigen würden, so würde ich das meinerseits für eine irrige Unterstellung erachten. Wenn beispielsweise der Etat des Ministeriums

„Das Recht der Mitbenutzung des Begräbnißplatzes der Sy⸗ nagogengemeinde bleibt dem Ausgetretenen vo behalt E worbene

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der auswärtigen Angelegenheiten, so weit er noch in unserem Staats⸗

haushalts⸗Etat Platz hat, berathen wird, wenn es sich um die Besol⸗ dung der in den deutschen Staaten noch angestellten preußischen Gesandten handelt, dann zweifle ich nicht im Geringsten, daß der Minister von Bülow seinen Etat vor dem Hause vertreten wird. Wie dem aber auch sein mag, meine Herren, so ist es unzweifelhaft, daß die beiden Herren als preußische Staatsdiener auf die preußische Verfassung vereidigt sind und daß sie das ihnen von Sr. Majestät dem Könige übertragene Amt nur unter Wahrung der preußischen Interessen führen dürfen und werden. Der Herr Redner hat dann darauf hingewiesen, daß wir, wie er sich ausdrückt, bereits die allerkuriosesten Bildungen erlebt hätten. Ich kann das in einem gewissen Sinne bereitwillig anerkennen, aber worin liegt der Grund? Darin, daß wir ein Staatswesen successive sich haben entwickeln und bilden sehen, wie dessen gleichen in der Geschichte noch nicht vorgekommen ist, und daß es Niemanden gegeben hat, auch nicht den Mann an der SEpitze dieser Bildung, der im ersten Augenblicke den Ausspruch hätte thun können: das muß nun so und nicht anders gemacht werden, und was heute gemacht worden ist, das soll für alle Zukunft bleiben. Nein, meine Herren, das ist gerade der Gang einer genetischen Entwickelung, daß untersucht wird, in welcher Weise sich die Dinge gestalten, in welcher Weise diesen Dingen Rechnung getragen werden kann, und daß danach die Ver⸗ suche der Staatsbildung gemacht werden, bald mit größerem, bald mit geringerem Glück, aber unter allen Umständen Maßnahmen, wie sie den jeweiligen Verhälinissen zu entsprechen scheinen. Wenn an⸗ genommen wird, daß durch diese Ernennung eine Unsicherheit in die höchste Landesbehörde getreten sei, so muß ich das meinerseits voll⸗ ständig bestreiten. Wir, die Mitglieder des Staats⸗Ministeriums, sind davon durchdrungen, daß wir die gemeinschaftlichen Ziele nach wie vor verfolgen werden, daß wir in den neuernannten Mitgliedern sun ErreicZ ung dieser gemeinschaftlichen Ziele eine werthvolle Unter⸗ stützung finden werden.

Wenn geglaubt wird, die preußischen Interessen müßten unter solchen Kombinationen leiden, es sei also beispielsweise nicht möglich, daß die speziellen Interessen Preußens bet der Eisenbvahnfrage durch das nunmehrige Staats⸗Ministerium wahrgenommen wurden, so halte ich diese Auffassung für eine irrige. Wenn es sich um diese Spezial⸗ interessen Preußens handelt, dann meine ich, daß der preußische Chef der Eisenbahnverwaltung und der preußische Finanz⸗Minister nach wie vor, der ihnen obliegenden Verpflichtung gegen das Land sich bewußt sein werden und daß es ihnen nicht in den Sinn kommen wird, einem Staats⸗Ministerialbeschluß, der ihrer persönlichen Ueberzeugung wider⸗ strebt, sich zu fügen, daß dann vielmehr beispielsweise der preußische Finanz⸗Minister erklären würde: dieser Beschluß verletzt nach meiner Ueberzeugung die Interessen Preußens, ich werde zu dessen Ausführung nicht mitwirken. Meine Herren, glauben Sie denn, daß das in allen anderen Fragen in dem Staats⸗Ministerium anders zuginge? Glauben

Sie, daß der einzelne Minister sich seiner Verantwortlichkeit über⸗ hoben halten kann, wenn er die Majorität des Staats⸗ Ministeriums auf seiner Seite hat? Natürlich in manchen untergeordneten Fragen, wo es oft nicht viel verschlägt, ob man etwas gerade aus, links oder rechts geht, da wird ja die nach sorgfältiger Berathung von der Mehrheit der das gleiche Ziel verfolgenden Männer getroffene Entscheidung den Einzelnen veran⸗ lassen können, sein Uͤrtheil in einer Spezialfrage unterzuordnen und zu sagen, ich habe zwar eine etwas andere Auffassung gehabt, ich sehe aber, daß die Mehrheit meiner Kollegen diese Ansicht nicht hat, es handelt sich nicht um wichtige Differenzpunkte und es kann nicht ein Jeder auf seiner Meinung bestehen. Denn das brauche ich doch wohl nicht zu versichern, daß ein Staats⸗Ministerium aus lauter Personen, die in jedem einzelnen Punkte, in jeder ein⸗ zelnen Frage genau derselben Ansicht wären, nicht denkbar ist. Aber, meine Herren, wenn dann wichtige Fragen kommen, für die der einzelner Ressortchef mit seiner ganzen Persönlichkeit einzustehen hat, 1 glauben Sie denn, daß er in einem solchen Falle seine Stellung da- von abhängig macht, ob er die Majorität oder Minorität des Staats⸗ Ministeriums sich gegenüber hat? Da setzt der Einzelne seine Ver⸗ antwortung ein, kann er mit seiner Ansicht nicht durchdringen, nun mein Gott, dann überläßt er es anderen Kräften.

Nnun, meine Herren, bei dieser Darlegung, die sich bemüht hat, die vermeinten Gefahren und Schattenseiten als nicht vorhanden dar⸗ zuthun, bin ich noch nicht darauf eingegangen, worin denn nun der posttive Gewinn zu suchen ist. Meine Herren, der positive Gewinn ist darin zu suchen, daß die Entwickelung des preußischen Staats⸗ wesens nicht zu denken ist, ohne die Entwickelung der großen deutschen Nation, daß wir bei jeder Maßregel, die wir bei uns berathen und zu treffen wünschen, uns zu fragen haben: wie wirkt das ein auf die Verhältnisse des gesammten Deutschland? Daß wir für diese Aufgabe, die an jeden Ressortchef herantritt, nun zwei Männer unserem nhca einverleibt sehen, die gerade diese Aufgabe sich vorzugsweife zu stellen haben, daß an Stelle meines vortrefflichen ee Delbrück, der auf allen Gebieten der Staatsverwaltung zu

ause war, der zwar nicht bei uns Sitz und Stimme hatte, als nur in gewissen Fällen, der aber den moralischen Einfluß einer wohlbe⸗ ründeten und wohlgeltend gemachten Ueberzeugung üben konnte, nun seen⸗ Nachfolger mit einem bestimmten Rechtsverhältniß eintreten.

Ich glaube, meine Herren, Sie werden ruhig abwarten können, ob diese Anordnung, zu der die Krone nach ihrer Prärogative unbe⸗ dingt befugt war, sich auch in der Erfahrung als zweckmäßig bewäh⸗ ren wird. Wir, die Mitglieder des Staats ⸗Ministeriums, find der Ansicht, daß dieser Anordnung konstitutionelle Beden⸗ ken nicht entgegengestanden, und wir leben der Hoffnung, daß das preußische Staats⸗Ministerium nach wie vor seine Aufgabe nicht auf die Interessen Preußens beschränken, sondern die allgemeinen In⸗ teressen des großen deutschen Vaterlandes unverwandt im Auge be⸗ halten wird.

Nach dem Abg. Dr. Virchow, welcher sich im Sinne des Abg. Windthorst (Meppen) ausgesprochen hatte, nahm der Finanz⸗ Minister Camphausen noch einmal das Wort:

Meine n Als ich vorhin der Rede des Hrn. Abg. Windt⸗ horst einige Bemerkungen entgegenstellte und in Erwiderung auf den Satz, daß wir die allerkuriosesten Dinge schon hätten anordnen sehen, darauf hinwies, wie die Bildung des Norddeutschen Bundes, die Bildung des Deutschen Reiches, zu einer genetischen Entwickelun

geführt habe, habe ich nicht die leiseste Abnung davon gehabt, da

ein Redner von dem Scharfsinn des Herrn Vorredners sich, ich glaube 20 Mal, an dieses Wort anklammern würde.

Wenn er gegen das, was ich gesagt habe, nichts Anderes vor⸗ zubringen wußte, als das ewige Anführen dieses einzelnen Ausdrucks, dann würde es mit seiner Sache sehr schlecht bestellt gewesen sein. Er hat allerdings neben dem ewigen Fauvre enn dieses Ausdrucks sich auch auf mancherlei Gründe eingelassen. Von diesen Gründen muß ich einige vorab eliminiren. Wenn es ihn gefallen hat, gegen meinen Kollegen, den Minister des Innern, mit einem so lebhaften Angriff vorzugehen, dann kann ich ihn nur bitten, daß er diesen An⸗ griff wiederholen moöge, wenn der betreffende Minister, der im Augenblick im Herrenhause anwesend sein muß, hier in diesem Hause zugegen ist; ich zweifle nicht daran, daß mein geehrter Kollege dann die Antwort nicht schuldig bleiben wird. Wenn ferner angeführt wird, daß man während des Ministeriums der neuen Aera nichts Anderes hätte vorbringen können um sich gegen die damaligen Einrichtungen zu wehren, als Worte, so will ich das einmal unterstellen, aber man hat die Worte eben nicht vorgebracht,

man hat die Einrichtung nicht als unzulässig betrachtet, und deshalb