1876 / 150 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Wed, 28 Jun 1876 18:00:01 GMT) scan diff

Gewerbe und Handel.

In der Generalversammlung der Commanditisten der Preu⸗ Bischen Bank⸗Anstalt Henkel⸗Lange von 26. d. M. wurde auf Verlesung des Geschäftsberichtes pro 1875 verzichtet und der Di⸗ rektion demnächst Decharge ertheilt. Das Geschäftsergebniß war durch die ungünstigen Konjunkturen des verflossenen Geschäftsjahres be in⸗ flußt. Es konnte deshalb nur eine Dividende von zwei Prozent fest⸗ gesetzt werden. In dem Piltzschen Prozesse ist zur event. Deckung eines Verlustes aus dieser Angelegenheit ein Aversum von 200,000 M. dem Spezial⸗Reservefonds überwiesen worden. Die Umsätze in den einzelnen Zweigen des Geschäfts waren folgende: Wechselverkehr 17,373,688 M., Effektengeschäft 12,417,453 M., im regelmäßigen Conto⸗Corrent⸗Verkehr wurden umgesetzt 66,983,731 M., gegen Verpfändung von Effekten und Hypotheken waren ult. 1875 ausgeliehen 6,460,590 M. Von den der Bank anvertrauten Depositengeldern waren ult. 1875 1,245,786 M. im Bestande, und zwar bis zu dreimonatl. Kündigung 726,914 M. und auf mehrere Jahre fest 518,871 M. Der Gesammtumschlag be⸗ trug 128 225,237 M. Der Reservefonds beziffert sich auf 291,297 M. und auf 200,000 M. auf Special⸗Reservefonds.

Cöln, 27. Juni. (W. T. B.) Das öffentliche Ministerium be-— antragte in der heutigen Schlußsitzung des Prozesses gegen die Direktion und den Aufsichtsrath der Rheinischen Effek⸗

tenbank für jeden der 13 Angeklagten Gefängnißstrafe von 4 Jahren bis zu einem Monat.

Cöln, 27. Juni. An der heute hierselbst abgehaltenen General⸗Versammlung der Aktionäre der Kheinischen Eisenbahn⸗ Gesellschaft betheiligten sich 70 Aktionäre mit 18,349 Actien, 2188 Stimmen vertretend. Sämmtliche Anträge der Direktion wurden genehmigt. Die Dividende für das Betriebsjahr 1875 wurde auf Prozent festgesetzt. 8 3

Paris, 27. Juni (W⸗ T. B.) Die von den Aktionären der Suez⸗Kanal⸗Gesellschaft abgehaltene Versammlung verlief in vollkommener Ordnung und oöne bemerkenswerthen Zwischenfall. In die Administration wurden 3 Engländer: Rivers Wilson, Stokes und Stauden gewählt. Nach dem Bericht von Lesseps ergiebt sich für das Jahr 1875 eine Dividende von 1,88 Frcs. per Aktie. Der Gesammtertrag beträgt 1,100,147 Fres. In dem Bericht wird ferner hervorgehoben, daß es in Folge des Ankaufs der Aktien des Khedive durch England als nahe liegend erschienen sei, auch den englischen Interessenten einen Antheil an der Verwaltung zu gewähren und sei eine dahingehende Proposition seitens Englands günstig aufgenommen.

New⸗York. 27. Juni. (W. T. B.) Der Dampfer „Italy“

der National⸗Dampfschiffs⸗Compagnie (C. Messingsche

Linie) ist hier eingetroffen

Die heutige Börse characterisirte sich in Stimmung und Haltung als matt; von den fremden Börsenplätzen waren niedrigere Notirungen gemeldet, die im Vereine mit beunruhigendes politischen Nachrichten auf eine weichende Tendenz hinwirkten. Die Course zeigen auf dem gesammten speculativen Gebiet weitere Reductionen. Das Geschäft und die Umsätze bewegten sich ganz allgemein in engen Grenzen; nur durch Prolongationen wurde eine regere Thätigkeit verursacht. Der Geldstand hat sich nicht wesentlich verändert.

Im Privatwechselverkehr betrug der Discont 3⸗ ½ %. Von den Oesterreichischen Speculationspapieren traten Creditactien zu matte-

ren Coursen am meisten in Verkehr; auch Franzosen und Lombar-

den mussten nachgeben. Fremde Fonds und Renten waren wei-

chend; Türken matter, auch Oesterreichische Renten etwas schwächer.

Deutsche und Preussische Staatsfonds sowie landschaftliche Pfand-

und Rentenbriefe blieben fest und ruhig. Von Prioritäten waren Preussische gefragt und steigend, Oesterreichische und Russische weichend. Eisenbahnactien gingen nur inländische Hauptdevisen lebhafter und zu meist etwas ermässigten Preisen um. Berlin-Dresden war niedriger angeboten. Industriepapiere un4 Baakactien waren

schwach behauptet und still; deren speculative Devisen etwas leb-

hafter.

Li quidationscourse p. ult. Iun i 1876. Italienische Rente

71,75. Französische Rente Oesterr. Credit-Actien 229. 1860 er

Loose 97,75. Papier-Rente 54. Silber-Rente 56. Galizier 83,50. Oesterr.-Franz.-Staatsbahn 444. Lombardische Eisenbahn 144. 1865er Türken 9,75. König- und Laurahütte 56,50. Disconto-Com- mandit 107,50. Reichsbank-Antheile 154. Amerikaner de 1882, Rumänische Eisenbahn-Actien, Dortmunder Union, Gelsenkirchener, Hibernia und Shamrock, Preussische Eisenbahn-Actien. Bank-Actien heutiger Durchschnittscours. Wechsel p. Petersburg, kurz und lang. Wien Durchschnittscours vom 29. Juni.

Auszahlungen.

Krakau Oberschlesische Eisenbahn. Am 1. Juli cr. fällige Coupons der Obligationen sowie ausgelooste Stücke bei E. Heimann in Breslau; s. Ins. in Nr. 149.

Aotlen-Bangesellschaft Alexandra-Stiftung. Dividende mit 15 vom 1. bis 31, Juli bei M. Borchardt jun. in Berlin; s. Ins. in Nr. 149. b

Berliner gemeinnützige Baugeseilschaft. Dividende mit 12 89 cn 1. bis 15. Juli bei M. Borchardt jun. in Berlin; s. Ins. in

r.

Die Militärbauten bei Dresden.

Der Dresdener Gewerbeverein hat am 17. Mai d. J. einen Ausflug nach den neuen Militärbauten bei Dresden gemacht. Der Sächs. Gew. V. Z.“ entnehmen wir über diese Bauten folgende Mittheilungen: Von dem Umfang dieser Militärbauten erhält man

eine Vorstellung, wenn man erfährt, daß die an den Militärbauten hin⸗ führende Militärstraße vom Waldschlößchen bis über den neuen Neustädter Kirchhof ¾ Stunde lang ist. Nach dem Plane wird die ganze Soldatenstadt in zwei Theile zerfallen die durch die Königsbrückerstraße getrennt wer⸗ den. Eine andere Theilung bringt der Prießnitzbach hervor, der in einem tiefen Thale psrallel mit der Königsbrückerstraße fließt. Zwi⸗ schen dem Waldschlößchen und der Prießnitz befinden sich zwei Infan⸗ teriekasernen, in deren Mitte die Hauptwache nebst dem Exerzierhaus. Zede dieser Kasernen faßt ein zanzes Regiment und hat vier nach dem Prieß⸗ nitzwalde gehende Flügel. Die Kasernen selbst enthalten in dem Hauptge⸗ bäude und den vier nach dem Walde gerichteten Flügeln ein Sou⸗ terrain, ein Parterre und drei Etagen. Das Souterrain wird zu Wirthschaftszwecken verwandt, in das Parterre, die zweite und dritte Etage kommt je ein Bataillon zu liegen, die erste Etage enthält Wohnungsräume und das Offizierskasino. Die Wohnungsräume der Mannschaften sind theils ein⸗, theils zweifenstrige Zellen, die vier Seeitenflügel enthalten die Schlafsäle. Die Ausgänge führen auf den hinter den Kasernen gelegenen Exerzierplatz. Auf dem Arbeitsplatze selbst sind mehrere Dampfmaschinen thätig, theils mit Zubereitung des Mörtels, theils mit Hinaufbeförderung der Baumaterialien in die einzelnen Etagen beschäftigt. Ueberall liegen Schienengeleise, auf denen mittelst Pferdebahn die Baumaterialien hin⸗ und herbefördert werden. Die Plätze hinter den Kasernen sind vollstandig geebnet. Welche kolossale Erdmassen mußten da bewältigt und bewegt werden. Die Brücke über die Prießnitz ist in allen Theilen vollendet. Tief unten im Theale schlängelt sich der Prießnitzbach dahin,z der sich auch eine Re⸗ gulirung seines Bettes gefallen lassen mußte. Waren auf der durch⸗ wanderten ersten Fläche kolossale Abtragungen nöthig, so erforderte der Brückenbau außer den Steinbauten bezeutende Aufschüttungen. Zwischen der Brücke und der Königsbrüͤckerstraße eigt sich den An⸗ kommenden zuerst das ebenfalls vierflügelige, vierstöckige Montirungs⸗ depot und das Beamtenhaus oder Administrationsgebäude.

Das Administrations⸗ und das Montirungsdepot⸗Gebäude ähneln

1 sich äußerlich in vielen Stücken. Beide bestehen aus einem Langbau

und zwei Flügelbauten, und der Hof liegt bei beiden nach dem Arsenal zu; beide sind drei Stockwerke hoch; beide haben 27 Fenster Front im Langbau, der 85 Meter lang ist, und 15 Fenster Front in den beiden Flügeln, deren jeder eine Länge von 52 Metern besitzt; beide haben endlich dasselbe mit Schiefer gedeckte Man⸗ ardendach. Dagegen ist in dem Administratiorsgebäude, welches im Parterre die verschiedenen Bureaus und in den Etagen 44 Familienwohnungen erste Ctage für höhere Offiziere, wie Bau⸗ direktor, Arsenalmajor u. s. w., zweite Etage für Subalternofftziere und Inspektoren und dritte (Dach⸗) Etage für Feldwebel und ähn⸗ liche Chargen enthält, hier und da ein Balkon angebracht oder der Fensterfries etwas verziert. Das Montirungsdepot⸗Gebäude ent⸗ hält im Langbau durch alle Etagen Lagerräume, während sich in den Flügelbauten durch alle Etagen die Werkstätten der betreffenden Hand⸗ werker befinden.

Zu dem eigentlichen Arsenalgebäude führen eine breite Freitreppe und zwei Rampen als Auffahrten für die Geschütze. Das Arsenal ist ein dreistöckiges Gebäude und besteht aus einem Mittelbau von 121,42 Meter Länge und zwei denselben begrerenden Flügelbauten von je 66,82 Meter Länge. Die großen Parterrefenster mit Rund⸗ bogen sind von antiken Helmen der verschiedensten Art überragt und die Fenster der ersten Etage die Front beträgt im Mittelbau 25, in den Seitenflügeln je 13 Fenster von korinthischen Säulen ein⸗ gerahmt, die sich über dem großen eisernen Thore des Mittelbaues zu einer in Dachhöhe von einem triumphbogenartigen Aufbau über⸗ ragten Säulenhalle zusammenschieben, welche einen kleinen einfenstrigen Balkon überwölbt und an der Hinterwand auf einer Tafel mit ver⸗ goldeten Buchstaben die Worte enthält: Auspiciis Alberti Regis IDCCCLXXIV MDCCCLXXV.

(Dieselbe Aufschrift tragen auch die beiden Infanteriekasernen.)

Das Dach zeigt auf der Außenseite der Flügel wie des Mittel⸗ baues aus Siderolith hergestellten Schmuck antiker Waffen und Rüstungen in mannigfacher Zusammenstellung, welche über der Säulenhalle in der Mitte der Arsenalfront näher an einander ge⸗ rückt sind und in ihrer Anordnung mit dem Arrangement der Säulen in der ersten Etage übereinftimmen. Die Giebelfelder der beiden Seitenflügel zeigen als Hautrelief je einen Reiter in antikem Waffenschmuck. Die großen hallenartigen Parterreräume des Arsenals, zu denen anch in den Flügeln am hinteren Ende gewaltige eiserne Thore führen, sind zur Aufnahme der Geschütze bestimmt; in die erste Etage kommen die Gewehre und in die zweite Seiten⸗ gewehre, Säbel, kleine Armaturstücke und das Leder eug. In einem Se ne betreffenden Säle befinden sich zugleich die entsprechenden

Hinter dem Arsenal, und zwar inmitten des von 11 großen Schuppen umschlossenen weiten Raumes, steht ein kleineres Gebroßen uarree mit der Front nach der Rückseite des Arsenals: die Artillerie⸗ Verkstätten. Das Vorderhaus, welches aus Erdgeschoß und einem weiteren Stockwerk besteht, enthält die Bureaus für das Train⸗Depot. Rechts und links von diesem Gebäude und mit iym durch eine Verbindungs⸗ neauer in Zusammenhang stehend, befinden sich die Werkstätten für die Schlosser, Wagner und andere hier beschäftigte Handwerker. Diese beiden einstöckigen Werkstättengebäude stehen an ihrem

hinteren Ende mit der das Quarree schließenden Schmiede in Verbindung, diese Schmiedewerkstätte enthält 6 Ventilatorschmieden mit je zwei Feuern, an denen je zwei Arbeiter Platz haben; in der Mitte der Werkstätte legt man eben das Fundament zu einem Dampfhammer. Das Heben desselben, sowie das Gebläse für die Ventilatorschmieden ꝛc. besorgt eine 96pferdige Dampfmaschine, deren drei riesige Dampfkessel (einer Reservekessel) ein besonderes Gebäude füllen. Dicht daneben erhebt sich eine hohe Dampfesse. Inmitten des Werkstättenvierecks steht noch ein einfaches zweistöckiges Gebäude von oblonger Form, welches die Lagerräume für Eisen, Holz und Leder enthält.

Sämmtliche vorgenannte Gebäude, Arsenal. Montirungsdepot und Administrationsgebäude mit eingeschlossen, stehen innerhalb der theils von den Schuppenflügeln, theils von einer Mauer gebildeten Um⸗ wallung, welche von außen mit ihren schießschartenartigen Oeffnungen einer Festungsanlage ähnlich steht. Der westliche wie der östliche Theil der Schuppenanlage, welche zur Aufnahme der Transport⸗, Kranken⸗ und Munitionswagen, wie aller sonstigen militärischen Fahrzeuge be⸗ stimmt ist, zerfällt in je zwei Flügel zu jie zwei Schuppen und ent⸗ hält jeder Flügel nach innen zu 6 Thore und 34 Fenster. Der westliche wie östliche Schuppen⸗Doppelflügel ist vorn von je einem mit Söller und Spitzdach versehenen, das Arsenal noch überragenden viereckigen Thurm flankirt, in welchem sich die Wohnungen der Zeug⸗ Sergeanten befinden. Jeder Thurm ist 10 ½ Meter lang und ziemlich doppelt so breit. An den westlichen Thurm stößt sodann Schuppen 1 und 2 an den östlichen Thurm Schuppen 11 und 10 deren jeder 82 Meter lang ist. Hierauf kommt ein von einem Kuppeldach über⸗ ragter pavillonartiger Mittelbau, welcher 13 Meter lang ist. An den Mittelbau schließen sich die beiden folgenden Schuppen westlich Nr. 3 und 4, östlich Nr. 9 und 8. Dann kommt eine 50 Meter lange Steinmauer, welche die Verbindung herstellt zwischen den noch verbleibenden drei, die Nordfront bildenden und von den den beschriebenen völlig gleichen Eckthürmen flankirten Schuppen 5, 6 und 7. Jenseits der 113“ liegen Futtermagazine Von den Gebäuden ist nur das Hafermagazin massiv gebaut. Die Hafermassen werden durch ein Paternosterwerk (Elevator) nach oben befördert. Nach unten gelangen dieselben durch weite Röhren, unter welche die Säcke gehalten und mittels zierlich einfacher Maschinerie gefüllt werden. Auf jeder Seite der einzelnen Abthei⸗ befinden sich sechs Röhren, so daß 12 Mann fortwährend füllen önnen.

Von dem Arsenal aus sieht man noch weiter im Norden in der Dresdener Feise die Pulverfabrik, das Laboratorium und im Westen über der Königsbrückerstraße und der schlesischen Eisenbahn die Anfänge zu den Artillerie⸗, Train⸗, Kavallerie⸗ und Pionierkasernen, we mlibeawfett. und Militärstrafanstalt, Magazinen und anderen

ilitärbauten. .

Im Anschlusse an die in Nr. 132 d. Bl. gemachten Mit⸗ theilungen über die in neuerer Zeit erschienenen Karten der Türkei sollen in Folgendem eine Anzahl der bedeutenderen neueren Schriften über die Türkei genannt werden:

v. Hammer⸗Purgstall: Staatsverfassung und Staatsver⸗ waltung des Osmanischen Reiches. 2 Bände. Wien 1815; und Desselben: Geschichte des Osmanischen Reiches. 10 Bände. Gef R inkeisen: eschichte des Osmanischen Reiches in Europa. 7 Bände. 1863. 8 8 8 8

Ferner:

Eugone Boré: Souvenirs d'Orient. Paris 1840 und A. Bou: la Turquie d'Europe, 4 Bände, Paris 1840. Juchereau de St. Denis: Histoire de l'Empire Ottomane. M. Ubicini: Lettres sur la Turquie.

„Zuverlässige eingehende Mittheilungen über die heutige Türkei

bringen weiter die Reisehandbücher von: 8 .1 Isambert, Paris (Hachette) 1873 und Murray, kondon.

Vovn diesen letzteren giebt namentlich das Buch von Isambert über die Staatsverfassung, Geschichte, das Herrscherhaus, die Sitten, Land und Leuten u. s. w. ausreichende Notizen, während das Haupt⸗ gewicht dem Zwecke des Buches entsprechend auf Beschreibung der Oertlichkeit, Angabe von Kommunikationen und sonstigen dem Rei⸗ senden besonders nützlichen Details gelegt wird.

Murray hat mehr die asiatische Türkei zum Gegenstande, behan⸗ delt jedoch auch die Geschichte und Einrichtungen der Türkei im Allgemeinen. Beide Handbücher enthalten eine große Anzahl von Situationskarten.

Den Eintritt der Türkei in die europäische Politik des 18. Jahr⸗ hunderts schildert eine von Hermann Abeken, ehemaligem Vor⸗ stande des statistischen Bureaus zu Hannover, verfaßte Schrift, die im Jahre 1856 in Berlin erschienen ist.

Die „Geschichte der Türkei von dem Siege der Reform i. F. 1826 bis zum Pariser Traktat vom Jahre 1856“ behandelt Dr. G. Rosen in seinem in den Jahren 1866 und 1867 in Leipzig erschie⸗ nenen zweibändigen Werke.

Der erste Theil beginnt mit der Vertilgung der Janitscharen

durch Sultan Mahmud II. am 15. Juni 1826, und reicht bis zu dem am 30. Juni 1839 erfolgten Tode dieses Herrschers.

In dem Vorwort heißt es: „Bei der Wahl des An⸗ Anfangs⸗ wie des Endpunktes konnte ich, da weder der Wiener Kongreß, noch der Regierungsantritt des Sultans Mahmud eine bemerkenswerthe Umgestaltung der inneren oder äußeren Verhältnisse des Reichs zur Folge hatte, nur den äußeren Triumph der Reformidee durch die Niederschmetterung des Janitscharenthums im Jahre 1826 als die Thatsache betrachten, mit der die alte, in ihren Eigenthümlichkeiten so schroff ausgeprägte Türkei vom Schau⸗ platze abtrat und die neue Zeit sich einleitete. Der Tod Mahmuds ergab den Abschnitt, wodurch mein bis zum Frieden von Paris fortge⸗ führtes Werk sich in zwei Theile zerlegt, während der Thronwechsel, der mit Abdul Medji's Ableben seinen Bruder Abdul ohs zur Regierung brachte, ron zu wenig Gewicht erschien, als daß sich die Erzählung über das eben erwähnte denk würdige Begebniß hinaus bis dahin führen zu müssen geglaubt hätte Der besagte Friedensschluß vom 30. März 1856, welcher die refor mirte Türkei als ebenbürtiges Mitglied in das Konzert der civilisirten Staaten aufnimmt, ist der letzte große Erfolg, der durch die ener⸗ gische That vom 15. Juni 1826 in der Türkei möglich gewordenen Bestrebungen; durch ihn rundet sich die von mir behandelte Epoche zu einem in sich abgeschlossenen Ganzen ab. Also die Geschichte der Reform in der Türkei von ihrem erstern innern Siege bis zu dem höchsten auf internationalem Gebiete zu erringenden Vortheil ist der Gegenstand dieses Werkes.“ Und weiter: „Ueber das Wesen der türkischen Reform, welches v. Eichmann in seinem gelehrten und geistreichen Werke so eingehend behandelt hat, mich mit gleicher Umständlichkeir auszulassen, gestattete mir der Raum nicht. Ich müßte mich darauf beschränken, sie als historische That⸗ sache zu charakteristren.“

Gleichsam eine Ergänzung zu dem Rosenschen Buche bildet das 1875 in Leipzig erschienene Werk von E. Schmeidler, welches die Geschichte des Osmanischen Reiches im letzten Jahrzehnt behandelt.

„Eine umfassende und eingehende Darstellung der Reformen, welche größtentheils auf Grund des Hatti⸗Houmayouns vom 18. Februar 1856 von der türkischen Regierung angestrebt wurden, giebt F. Eich⸗ mann in seinem Werke: Die Reformen des osmanischen Reiches. Berlin, 1858.

„Mit besonderer Berücksichtigung des Verhältnisses der Christen des Orients zur türkischen Herrschaft werden nach einer allgemeinen Ein⸗ leitung in besonderen Abschnitten folgende Gegenstände behandelt: Die griechische Kirche und das Patriarchat von Konstantinopel. Rußtands Einfluß im Orient. Seine Beziehungen zur griechisch⸗ orthodoxen Kirche. Die katholische Kirche und der Einfluß Frankreichs. Die Frage der heiligen Stätten. Die Stellung Englands zu dem osmanischen Reiche. Die Wiener Note. Der Hatti⸗Houmgyoun vom 18. 1“ 1856. Einen Anhang bilden 19 diplomatische Doku⸗ mente.

Der Verfasser hat es sich zur Aufgabe gemacht: „die neuesten reformatorischen Bestrebungen der Pforte von dem doppelten Gesichtspunkte zu beleuchten, der sich einerseits aus dem durch eine lange Vergangenheit starken Prinzip der Trennung der Racen ergiebt, andererseits aus der Tendenz der tür⸗ kilchen Staatsmänner, durch die Civilisation, die verfchiedenen Nationalitäten des Orients zu verschmelzen und um die nach europäischen Begriffen umgestaltete Souveränetät des Sultans zu einem neuen Staate zu vereinigen. Zu diesem Zwecke sind in einer möglichst vollständigen Sammlung die betreffenden Dokumente zu⸗ sammengestellt, unter denen der Hatti⸗Houmayoun vom 18. Februar 1856 gewissermaßen als die Charte, als das Grundgesetz gelten kann.“ Eine weniger zugängliche Quelle ist das im Jahre 1868 in Paris erschienene Huch; La Turquie sous le règne d'Abdul Aziz 1862—67. Der Verfasser, ein in Konstantinopel geborener Engländer, hat unter dem Namen Osman Bey 11 Jahre in der türkischen Armee ge⸗ dient und ist daher als ein wohl unterrichteter Beurtheiler der tür⸗ kischen Armee und Verhältnisse zu betrachten, über welche er in sei⸗ nem Buche eingehende Mittheilungen giebt.

Eine umfassende Zusammenstellung aller für die orientalischer Verhältniße richtiger Actenstücke aus den Jahren 1850 58 bietet da Werk: „Actenstücke zur orientalischen Frage. Nebst chronologische Uebersicht hesagtnre g en von Dr. Jvon Jas mend. Berlin, 1855 bis 59. 3 Bde. Die Verträge von 1856. 57. 58 nebst den Protocollen, welche für die momentane Crisis noch immer von enischeidender Be Pt s sind, finden sich in jenem Werk vollständig u. in unthantisgne Text.

Ueber die ceesc Armee hat auch der italienische Oberst Boselli in der „Rivista militare italianas einen bemerkenswerthen, auf persönlichen Wahrnehmungen basirten Aufsatz veröffentlicht, der im Auszuge im Berliner „Militärwochenblatt“ mitgetheilt worden ist.

Im Friedrich⸗Wilhelmst. Theater verabschiedet sich am Freitag Frl. Hermine Meyerhoff und zwar als „Adele“ in der aber mals auf vieles Verlangen wiederholten Operette: „Die Fledermaus.“ Diese Aufführung, mit welcher die Künstlerin einen Cyklus von 31

Gastspielabenden beschließt, soll gleichzeitig ihr Abschiedsbenefiz bilden.

An demselben Abend wird Frl. Irma v. Terré vom Stadttheater in Würzburg, deren Auftreten durch Krankheiten im hiesigen Pers bisher verhindert wurde als „Frau von Eisenstein“ debütiren.

Leben gerufen worden sind, und läßt zugleich durch Wiedergabe der auf die Regelung der Fabrikarbeit bezüglichen Gesetze, In⸗ struktionen und Verordnungen den Standpunkt erkennen, von welchem aus die staatlichen Organe die ihnen auf diesem Gebiete entgegentretenden Aufgaben aufgefaßt haben. Die Arbeit giebt ein Bild der betreffenden thatsächlichen und rechtlichen Zustände innerhalb des preußischen Staates, wie es in dieser Vollständig⸗ keit und Authentizität bisher noch nicht geboten worden ist. Aus derselben geht hervor, daß die Bestrebungen zur Ver⸗ besserung der Lage der arbeitenden Klassen Seitens der Arbeit⸗ geber je länger je mehr einen thatkräftigen Ausdruck finden; insbesondere hat sich aus den angestellten Ermittelungen ergeben, daß an den Fortschritten auf diesem Gebiete des sozialen Lebens die industriellen Gesellschaften einen nicht geringen Antheil ge⸗ habt haben.

8 Einen Auszug aus einem amtlichen Bericht vom 24. d. M. über den sehr bedeutenden Scha den, welchen das letzte Hoch⸗ wasser in Elsaß⸗Lothringen verursacht hat, werden wir morgen veröffentlichen.

Die Einlösungsfristen für die Großh. Sächsischen Kassenanweisungen vom Jahre 1859 und vom Jahre 1870, sowie diejenige für die auf Grund des Gesetzes vom 25. Febr. 1876 emittirten Schwarzburg⸗Sondershausenschen Einthaler⸗ Kassenanweisungen sind bis zum 30. Dzbr. 1876 (incl.) ver⸗ längert worden.

Der Gemeinde⸗Vertretung von Rixdorf ist zur Be⸗ streitung der Kosten von Straßenpflasterungen, des Baues eines neuen Schulhauses und der Abbürdung von Kapitalschulden der Gemeinde Rixdorf unterm 29. v. M. das Privilegium zur Ausfertigung auf den Inhaber lautender Obligationen im Betrage von 300,000 verliehen worden.

Der General⸗Lieutenant von Bülom, Inspecteur der 2. Feld⸗Artillerie⸗Inspection hat sich zur Musterung und Inspizirung des 2. Brandenburgischen Feld⸗Artillerie⸗Regiments Nr. 18 (General⸗Feldzeugmeister) auf Dienstreisen begeben. Der General⸗Lieutenant Wolff⸗ von Linger, Inspecteur der Ge⸗ wehrfabriken ist von seiner Inspizirungsreise hierher zurückgekehrr.

Der Kaiserl. russische Generaladjutant Für st Boris Ga⸗ litzin, ist gestern Abend auf der Durchreise nach Jugenheim, hier eingetroffen und im Hotel Royal abgestiegen.

Lauenburg. Ratzeburg, 26. Juni. Das „Off Wochenbl.“ veröffentlicht das Gesetz, betreffend die Vereinigung des Herzogsthums Lauenburg mit der Preußischen Mo⸗ narchie, vom 23. Juni 1876. Die „Lauenb. Ztg.“ knüpft hieran folgende Worte:

„Seit der König von Preußen, Herzog von Lauenburg wurde änderte sich die ganze Verwaltung sehr zum Vortheil des Landes, dem alle Fortschritte und Verbesserungen in Staats⸗Verwaltung nunmehr auch zu Theil wurden, und hat sich in den letzten zehn Jahren eine ungeahnte Hebung des Wohlstandes der Bevölkerung eingestellt. Nicht genug dankbar kann man dem Königlichen Herrscher für die Bildung des Landesverbandes sein, durch welchen ein ganz bedeutender Theil der Verwaltung dem Lande selbst über⸗ tragen wird. Das bevorstehende Aufhören der Selbständigkeit des Landes, die Verschmelzung desselben mit einem großen Staate wird freudig begrüßt, denn schon der Gedanke, die Vor⸗ stellung, einem ruhmreichen Gemeindewesen anzugehören, wirkt erhebend auf das Gefühl der Bewohner. Glück und Heil dem künftigen Kreise: Herzogthum Lauenburg. Hoch lebe Preußen und sein König! Gott segne ihn.“ 8

Bayern. München, 26. Juni. Die heutige Sitzung der Kammer der Abgeordneten begann mit der Verlesung des Königl. Dekrets, betreffend die Verlängerung des Landtags bis zum 12. Juli. Hierauf wurde die Berathung des Gesetzent⸗ wurfs, betreffend die Vervollständigung der Staats⸗ bahnen, fortgesetzt. Der Antrag des Abg. Hennemann auf Einsetzung der Linie Landau⸗Straubing wurde abgelehnt. Bei namentlicher Abstimmung wurde der ganze Gesetzentwurf mit 76 gegen 64 Stimmen verworfen, worauf der Abg. v. Schlör seinen angekündigten Antrag auf Vorlage eines Gesetzentwurfes über die Vervollständigung des bayerischen Eisenbahnnetzes zu⸗ rückzog. Die Nachweisungen über das Finanzministerium und über die Ausgaben zu Reichs zwecken wurden genehmigt und der Etat bezüglich der letzteren festgesetzt.

Die „Allg. Ztg.“ schreibt: „Die Wiederernennung eines Bischofs von Würzburg dürfte sich wohl noch einige Zeit verzögern, denn, wie wir vernehmen, besteht höchsten Orts die Absicht, daß gleichzeitig auch der erledigte Speyerer Bischofssitz wieder besetzt werden soll. Es dürfte das erste⸗ mal sein, daß in Bayern zwei Bischöfe zu gleicher Zeit ernannt werden. Für die beiden hohen Kirchenstellen nennt man neuer⸗ dings einige Candidaten; allein wir glauben annehmen zu dürfen daß es sich in dieser Beziehung lediglich um Vermuthungen handelt.“

Sachsen. Dresden, 27. Juni. Die Zweite Kammer bewilligte heut nach längerer Diskusstion unter verschiedenen Vor⸗ aussetzungen und Bedingungen das Nachpostulat von 712,000 zur Vollendung des Hoftheaterbaues in Dresden und genehmigte an Stelle des von der Regierung zur Verzinsung der neuen Rentenanleihe geforderten Nachpostulates von 4,575,000 als Pos. 32 des außerordentlichen Budgets ein Berechnungsgeld von 3,375,000 zu Deckung muthmaßlicher Zinsenausfälle in der laufenden Finanzperiode bei den zum Neubau, Ankauf und Ausbau von Eisenbahnen bewilligten Anleihen. Schließlich gelangte ein Kommunikat des Gesammtministeriums zur Ver⸗ lesung, in welchen der Kammer mitgetheilt wurde, daß die feier⸗

liche Verabschiedung des Landtags S end ü⸗

tag 1 Uhr erfolgen werd.

Württemberg, Stuttgart 25. Juni. Kammer hat am 22. das von der Regierung eingebrachte Ministerverantwortlichkeitsgesetz abgelehnt. Die Erste Kammer hatte an demselben Amendements vorgenommen, welche die zweite dann zur Verwerfung der ganzen Vorlage veranlaßte. Der Minister des Innern v. Sick war mit dieser Ablehnung ein⸗ verstanden.

Hessen. Darmstadt, 27. Juni. (W. T. B.) Wie die „Darmstädter Zeitung“ meldet, ist Ministerialrath Dr. Neid⸗ hardt zum Gesandten in Berlin ernannt worden.

28. Juni. (W. T. B.) Auf eine Anfrage des Refe⸗ renten des Ausschusses bezüglich des von dem Abg. Frhrn. Nordeck zur Rabenau in der Zweiten Kammer eingebrachten Antrages wegen der Durchführung des Titels 7 der Reichs⸗ verfassung über das Eifennahnwesen, hat die Regierung dem

Vernehmen nach geantwortet, daß sie sich der Pflicht nicht ent⸗ ziehen werde, die auf die Durchführung des Titels 7 gerichteten Bestrebungen der Reichsregierung im Bundesrathe zu unter⸗ stützen. Sie müsse sich aber die Prüfung der zu diesem Zweck an den Bundesrath gelangenden Vorlagen vorbehalten und könne sich über ihre Stellung zu denselben erst nach Prüfung der be⸗ züglichen Vorschläge schlüssig machen.

Lübeck, 27. Juni. Als Berichtigung der gestrigen Notiz über die Durchreise der schwedischen Prinzen theilt die „Lüb. Ztg.“ mit, daß nicht drei, sondern nur die zwei jüngsten Prinzen hier ankamen, nämlich die Herzöge Carl (15 Jahre alt) und Eugen (11 Jahre alt), begleitet von ihrem Lehrer Dr. Broleén.

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Oesterreich⸗Ungarn. Wien, 26. Juni. Der „Pester Correspondenz“ wird von hier gemeldet, daß die leitenden Staatsmänner der Monarchie es an der nöthigen Umsicht nicht haben fehlen lassen, um jeglicher Ueberraschung oder Ueber⸗ rumplung durch die Ereignisse möglichst vorzubeugen.

Wiener⸗Neustadt, 26. Juni. Auf dem gestern hier ab⸗ gehaltenen niederösterreichischen Parteitage wurden die in der Vorversammlung berathenen drei Resolutionen an⸗ genommen, in deren erster die den 6. Mai 1876 kundgemachten Ausgleichs⸗Vereinbarungen für Oesterreich beschwerend und für unannehmbar erklärt werden, während die zweite für die größtmögliche Herabminderung der Heeresauslagen plaidirt und die dritte Resolution die auf die Bankfrage bezüglichen Punktationen vom 6. Mai verwirft.

Schweiz. Bern, (W. T. B.) 27. Juni. Der Nationalrath und der Ständerath haben den Niederlassungsvertrag mit Dutschland genehmigt.

Großbritannien und Irland. London, 27. Juni. (W. T. B.) Im Oberhause erklärte auf eine Anfrage Lord de la Warrs der Unterstaatssekretär im Departement des Krieges, Earl Cadogan, die Wichtigkeit, die Festungswerke Maltas mit Geschützen neuesten Kalibers auszurüsten, die den Kampf mit Allem, was ihnen gegenüber gestellt werden könnte, aufzunehmen vermöchten, werde von ihm durchaus nicht verkannt. Das Haus werde nicht erwarten, daß er Details mittheile, aber die Arbeiten zur Verstärkung der Ausrüstung nähmen einen kräftigen Fort⸗ gang und die Befestigungen von la Valette seien in dem be⸗ friedigendsten Zustande.

Im Unterhause antwortete der Kanzler der Schatzkammer, Northceote, auf eine Anfrage O’'Reilly's die Nachricht, daß ein englisches Kriegsschiff Lebensmittel, Waffen und Geld in Klek für die türkischen Truppen gelandet habe, entbehre jeder thatsächlichen Begründung. Northcote fügte dann weiter hinzu, die englische Regierung habe weder direkt noch indirekt Waffen oder Geld an die in der Herzegowina stehenden Streit⸗ kräfte der Türkei geliefert, die Regierung halte vielmehr die strengste Neutralität aufrecht und erwarte ein Gleiches von den übrigen Mächten.

Im weiteren Verlaufe der Sitzung erklärte der Unterstaats⸗ Sekretair des Aeußern, Bourke, in Folge eines Antrages Richards, betreffend die Revision des chinesischen Handels⸗ vertrages, die englische Regierung habe bereits bei den Re⸗ gierungen von Frankreich, Deutschland und Amerika Erkundi⸗ gungen eingezogen, um sich zu vergewissern, was dieselben zu thun beabsichtigen.

An Stelle des bisherigen Deputirten für Birming⸗ ham, Digxon, welcher sein Mandat niedergelegt hat, ist Cham⸗ berlain (radikal) ohne Opposition zum Mitgliede des Unter⸗ hauses gewählt worden.

Frankreich. Paris, 26. Juni. Der Kriegsminister hat in die Bestimmungen über den Einjährig⸗Freiwilligen⸗ Dienst einige Veränderungen eingeführt. Der heute unter Dufaure's Vorsitz gehaltene Ministerrath hat beschlossen, den Komissionsentwurf anzunehmen, wonach der Regierung einstweilen die Ernennung der Maires in den Hauptkantonsorten zu⸗ stehen soll.

Wie die „Patrie“ berichtet, wird die erste Liste der Begnadigten, die nächstens im „Journal officiell“ erschei⸗ nen soll, (s. unten) blos solche enthalten, die in Frankreich sich befinden. Die in contumaciam Verurtheilten und die Depor⸗ tirten würden ausgeschlossen bleiben. Was jene betrifft, so ver⸗ langt die Regierung, sie sollten sich in Frankreich richten lassen, bevor sie auf die Milde des Staats⸗Oberhaunptes Anspruch machen. Hinsichtlich der Deportirten hat der Marine⸗Minister vom Gouver⸗ neur von Neu⸗Caledonien eine Liste aller derer, die sich durch gutes Benehmen und Reue ausgezeichnet haben, erhalten; sobald diese Liste geprüft ist, soll der Justizminister dem Präsidenten der Republik ein Dekret vorlegen.

Das Panzer⸗Geschwader des Kanals hat heute Cherbourg verlassen, um 3 Monate sich in Evolutionen zu üben.

28. Juni. (W. T. B.) Das „Journal officiel“ veröffentlicht ein Dekret des Präsidenten der Republik, nach welchem 87 an dem Kommune⸗Aufstande des Jahres 1871 Be⸗ theiligte begnadigt werden. Nach einer ebenfalls veröffentlich⸗ ten Zuschrift des Präsidenten soll wegen der Theilnahme an dem Aufstande fernerhin keine gerichtliche Verfolgung eintreten, aus⸗ genommen nur, wenn es sich um solche handelt, die in Aus⸗ nahmefällen in contumaciam verurtheilt sind.

Italien. Rom, 27. Juni. (W. T. B.) Bei der fortgesetzten Berathung der Eisenbahnvorlage in der Deputirtenkam⸗ mer kündigte Sella an, daß er demnächst einen Antrag einbringen werde, dahin gehend, die Berathung der Betriebsfrage aufzuschieben. Peruzzi bezeichnete als den Grund seiner Trennung von seinen früheren politischen Freunden das Projekt, betreffend die Uebernahme des Bahnbetriebs durch die Regierung, welches gefährlich sei und sprach sich für die Annahme der durch den Zusatzvertrag modifizirten Baseler Konvention aus. Im weiteren Verlaufe der Sitzung wurden die drei ersten Artikel der Baseler Konvention angenommen. Zu Artikel 4 brachte der Deputirte Cadolini ein Amendement ein, welches je⸗ doch mit 251 gegen 163 Stimmen abgelehnt wurde, nachdem sich das Ministerium gegen dasselbe ausgesprochen hatte. Die Artikel 4 und 5 wurden hierauf in der Fassung der Regierungsvorlage genehmigt, und bei der schließlichen Abstimmung über den Gesetz⸗ entwurf im Ganzen der letztere mit 344 gegen 35 Stimmen angenommen.

Türkei. Die „Wiener Abendpost“ vom 27. Juni schreibt in ihrem Tagesbericht: Den Belgrader Nachrichten über um⸗

fassende serbische Kriegsrüstungen folgen jetzt Detailangaben überdie von Seiten der Pforte gegen die aggrefsive Politik dieses Vasallenstaates getroffenen Anstalten. Man scheine in Konstan⸗ tinopel einen Zusammenstoß für nah und unvermeidlich zu halten und es verlaute demgemäß von den Reformplänen Midhat Paschas nichts Näheres. Es sei selbstverständlich, daß die Regierung Murads in dem Augenblicke, in welchem sie ihre ganze Aufmerksamkeit dem Ernste der äußeren Lage und der

drohenden Störung des Friedens zuwende, von einer Verwirk⸗

lichung ihrer wohlwollenden Bestrebungen auf dem Gebiete der inneren Politik fürs Erste absehen müsse. Die „Politische Korrespondenz“ vom 27. Juni meldet aus Belgrad: Die Abreise des Fürsten Milan zur Armee ist auf den 30. d. festgesetzt. An demselben Tage wird das Kriegsmanifest erscheinen. Am 1. Juli soll für ganz Serbien der Belagerungszustand verkündet werden. Aus Cettinje meldet dasselbe Blatt die Einberufung sämmtlicher Mon⸗ tenegriner vom 17. bis zum 60. Lebensjahre und die bevor⸗ stehende Uebernahme der Regierung durch den Senat im Name des Fürsten bis zum Ende des Krieges. Nach Mittheilungen des „W. T. B.“ aus Ragusa über Wien, 28. Juni, welche jedoch noch der Bestätigung bedürfen, hätte sich eine Deputation der Insurgenten in der Herze gowina nach Cettinje begeben, um den Fürsten von Monte⸗ negro, welcher gestern von den Insurgenten zum Fürsten der Herzegowina proklamirt worden sein soll, zur Annahme der Herrschaft zu veranlassen. b Wie ein Telegramm aus Konstantinopel, vom 27., mel⸗ det, haben die türkischen Truppen an der serbischen Grenze und die Donauflotille Befehl erhalten, sich bei dem ersten Signal zum Beginne der Feindseligkeiten bereit zu halten. Dem Für⸗ sten von Montenegro hat, wie die Journale versichern, die Pforte ihre Befriedigung über seine Neutralität unter den gegen⸗ wärtigen Verhältnissen zu erkennen gegeben und die Versicherung hinzugefügt, daß dieser neutralen Haltung des Fürsten Rechnung werde getragen werden. Abdul Kerim übernimmt das Trup penkommando an der serbischen Grenze. Die D. A. C. erhält über die Militairzustände Ser⸗ biens und der Türkei nachstehende Mittheilungen: Die serbische Armee ist eine durchaus slavisch nationale. Jeder Serbe ist vom 18. bis 50. Jahre zum Millitärdienst verpflichtet; dennoch aber besteht das stehende Heer nur aus 350 Mann und wird aus der gesammten wehrpflichtigen Menge aus⸗ geloost. Die Ausbildung zum Wehrdienst erfolgt in jeder Gemeinde an Sonn⸗ und Feiertagen durch beurlaubte Soldaten der Linie. Im Frühjahr findet zweimal, und während 2 Tagen jedesmal, die Samm⸗ lung aller Militairpflichtigen in ihren Compagnie⸗ und Bataillons⸗ bezirken statt), und im Herbst werden die Wehrmänner auf 14 20 Tage Kh eroßen Manöver einberufen. Für die Miliz giebt es zwei Auf⸗ ebote. 8 3 Serbien mit 1,250,000 Einwohnern und einem Kriegsbudget von 800,000 Fl. stellt 70 Bataillone, 20 Escadronen, 100 Geschütze und 30,000 Mann Reserven ins Feld. Die Wehrmänner Serbiens in der Nationalarmee erbalten nur Waffen und Munition, aber keinen Sold. Türkische Armee. Reguläre Truppen: 80,000 Mann In fanterie der Nizam und 90,000 Mann Infanterie der Redif oder Reservpe; 20,000 Mann Kavallerie der Nizam (Linie) und 10,000 Mann Kavallerie der Redif; 10,000 Mann Feldartillerie der Nizam; dann 12,000 Mann Gensdarmen zu Fuß und zu Pferde, welche eine Elitentruppe bilden; und 3000 Mann Genie⸗Truppen, also im Ganzen ein reguläres Heer von ungefähr 200,000 Mann, wenigstens einigermaßen in taktischen Bewegungen geübt. Irreguläre Trup⸗ pen: 1) Baschi⸗Bozuks zu Fuß 50 bis 55,000 Mann, zu Pferde 8 bis 9000 Mann; 2) berittene Beduinen aus Asien und Afrika etwa 10,000 Mann; 3) albanesische Miliz, 2000 Mann Schützen; 4) Miliz der bosnischen Mahomedaner 14,000 Mann zu Fuß 2, und 2 3000 Mann zu Pferde. Hierzu kommen noch⸗3 4000 Mann tüchtiger Soldaten zu Fuß und zu Pferde, aus eingewanderten Tscher⸗ kessen bestehend; im Ganzen also ungefähr 100,00. Mann. Amerika. New⸗York, 27. Juni. (W. T. B.) Die von der demokratischen Konvention in St. Louis ins Auge gefaßten Präsidentschafts⸗Kandidaten sind: Tilden (New⸗ Vork), Hendricks (Indiana), Bayard (Delaware), General Hancock (Pensylvanien), Parker (New Jersey), Allen (Ohio), Davis (Illi⸗ nois), Curtin (Pensylvanien), J. L. Adams jun. (Massachusetts)

27. Juni. (W. T. B.) Die demokratische Konven⸗ tion in Saint Louis hat den General Mac Lerland (Illinoig) zum Präsidentschafts⸗Kandidaten gewählt.

Philadelphia, 24 Juni. Mr. Edwards Pierrepont, der neue bevollmächtigte Minister Nordamerikas beim englischen Hofe, fuhr am Sonnabend mit dem Dampfer „Britannir“ von der White Star Line nach England ab.

Aus dem Volffschen Telegraphen⸗Bureau.

London, Mittwoch 28. Juni. Die Nachrichten auswärtiger Journale über ein angebliches Entgegenkommen Montenegros gegenüber der Pforte erscheinen nach türkischen Nachrichten als unbegründet; die Haltung Montenegros lasse vielmehr annehmen, daß dasselbe sich der von Serbien beabsichtigten Bewegung an⸗ schließen werde. Die Türkei hat, wie an der serbischen Grenze, auch Montenegro gegenüber die nöthigen Sicherheitsmaßregeln getroffen.

AKunst, Wissenschaft und Literatur⸗

Gestern ist hierselbst der Geh. Medizinalrath Profefso Dr. Ehrenberg im 82. Lebensjahre verstorben.

Statistische Nachrichten. 1..“

In der letzten Versammlung der „United Service Institution’”“ in London hielt der Ingenieur Brassey, Parlamentsmitglied für Sandwich, einen Vortrag über „die Handelsflotte als Hülfs⸗ müacht der Kriegsflotte“. Der Vortragende setzte auseinander, daß die englische Handelsmarine 8 Dampfer über 3000 Tonnen, 24 zwischen 2500 und 3000, 55 zwischen 2000 und 2500, 165 zwischen 1500 und 2000 und 167 zwischen 1200 und 1500 Tonnen zähle, gan abgesehen von den Schiffen mit geringerem Tonnengehalt, nämli 5530 Dampfer unter 50 Tonnen, 4173 über 50 und unter 100 Tonnen und 1670 über 100 und unter 200 Tonnen, die im heimischen Handel Verwendung fänden. Diese Schiffe mit Torpedos und, soweit ihre Größe gestatte, auch mit Geschützen ausgerüstet, vermöge ihrer Schnellig⸗ keit vor Verfolgung von schweren Kriegsschiffen sicher, würden ein wichtiger Faktor für die Küstenvertheidigung werden und wesentlich zum Ueberzgewicht der britischen Flotte beitragen.

(Stat. Corr.) Nachweisungen des französischen Finanz⸗ ministerium zufolge wurden während der 15 Jahrse 1860—74 in Frankreich zusammen für 2,654,681,815 Fr. Gold⸗ und 724,819,645 Fr. Silbermünzen geprägt. Die meisten Gold⸗ münzen (428 ½ Mill.) lieferte das Jahr 1860, die meisten Silber⸗ münzen (156 ¼ Mill.) das Jahr 1873; 1872 und 1873 wurde Gold gar nicht, 1863 Silber nur in Höhe von ¼ Mill. Fr. ausgemünzt. Im Durchschnitt wurden jährlich ausgeprägt: 1860 64 Goldmünzen 245,0 Mill. Fr., Silbermünzen 4,1 Mill. Fr., 1865 69 Goldmünzen 260,0 Mill. Fr., Silbermünzen 73,1 Mill. Fr., 1870 74 Goldmünzen 26,0 Mill. Fr., Silbermünzen 67,7 Mill. Fr. ö“