1876 / 171 p. 3 (Deutscher Reichsanzeiger, Sat, 22 Jul 1876 18:00:01 GMT) scan diff

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alsbald seinen Anfang und wurden die Türken von den Mon⸗

wohl die Gesammtheit der höchsten Würdenträger im ottomanischen

mit Gerichtshof oder Residenz eines hohen Beamten identificirt finden. Wie man in Persien schon vor der Zeit der Sefeviten

versteht man die verschiedene betreffenden Behörden. Die Minister werden in Folge ihres

hoͤchsten Staatsrath, an dem sich die Chefs der verschiedenen Ministerie Ketheiligen, 4) das Medschlisi ahkiame adlie, sgg ae.IFhassterzgs

Justiz, mit der Befugniß, die Gouverneure und die subalternen

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lich sogar eine Französischen, die ebenso wie das Uebersetzungsbureau zum Ministerium

der Finanzen, des Handels, des

Zwischen den Behauptungen der türkischen Behörden, daß trotz der serbischen Invason die bulgarische Bewegung ins Stocken gerathen sei, und den serbischen Angaben, daß ganz Bulgarien im Aufstande sei, muß die rechte Mitte gefunden werden. Ungeachtet der Unzulänglichkeit der serbischen Macht am Timok ist es deoch That⸗ sache, daß es im Widdiner Sandschakate genug Aufständische giebt. Da aber die serbische Timok⸗Armee mit ihrem Gros über die Grenze nicht weit hinauskam, so konnte eine Vereinigung der Insurgenten mit den Serben nicht stattfinden. Nur die Bevölkerung der am Donau Ufer gelegenen Dörfer gewann mit der Avantgarde Leschjanins Fühlung. Daher beläuft sich die Zahl der zu Leschjanin gestoßenen Insurgenten kaum auf 2000 Mann, während wohl gegen 3000 Bulgaren im Ruͤcken die bei Veliki⸗Jzvor stehenden Türken von Belgradzik aus beunruhigen. Auch von Wratscha aus bedrobt eine größere bulga⸗ rische Insurgentenschaar die Stellung Osman Paschas. Die großen Städte in Bulgarien, wie Rustschuk, Varna, Phi⸗ lippopel, Sophia, Schumla ꝛc., verhielten sich bis jetzt ziemlich ruhig. Seit wenigen Tagen aber gährt es auch in diesen Centren der tür⸗ kischen Macht. Die Regierung kann sich nicht anders als durch zahl⸗ reiche Verhaftungen helfen. Bei Schumla sind gleichfalls einige hundert Insurgenten. „Die türkischen Verwattungsbeamten können es nicht mehr riskiren, sich ohne Bedeckung aufs flache Land zu begeben. Den größten Succurs aus Bulgarien haben die Serben unter Tschernajeff erhalten. Der größte Theil kam aus der Sucha⸗Planina, einem Plateau südlich von Nisch, dessen Einwohner sämmtlich zu den Waffen gegriffen haben. Philippopel und Sophia haben starke Garnisonen erhalten. Die dünn gesäete 1““] Bevölkerung des flachen Landes flüchtet in die

ädte.

Aus Serajewo, 15. Juli, erhält dieselbe Korrespon⸗ denz folgende Meldungen: 111 Hier wird eine große Thäͤtigkeit entwickelt. Man verschanzt die Stadt in einem weiten Umkreise und befestigt den nahen Berg, der die Stadt wie die große Ebene ringsherum beherrscht. Waffen und Mu⸗ nition giebt es genug, aber an Previant dürfte sich in der kürzesten Zeit ein Mangel fühlbar machen. Die hiesigen Einwohner haben keine Vorräthe. Der General⸗Gouverneur hat die reichen Kaufleute um Vorschü se angegangen. Er verlangte von der Hauptstadt 10,000 Livres. Es basf daß aus Konstantinopel Vorräthe gebracht werden sollen.

Moukhtar Pascha, der hier mit der Organisirung der Redifs beschäftigt war, geht morgen nach Mostar ab, um die Vertheidigung dieses Platzes zu übernehmen. In Mostar werden ihm im Ganzen bei 9000 Mann, darunter 3000 Redifs und 2500 arnautische Baschi⸗ bozuks, zur Verfügung stehen. .

Der „VPol. Corr.“ gehen aus Ragusa unter de 20. Juli u. A. folgende Nachrichten zu: Se 8 An der montenegrinisch⸗albanesischen Grenze stehen die Dinge seit dem letzten größeren Gefechte zwischen Medun und Podgorizza so ziemlich auf demselben Punkte. Die zwischen den genannten Punkten gelegenen vier stark be⸗ festigten rürkischen Blockhäuser wurden von den betreffenden Garni⸗ sonen, zu welchen die bewaffnete muhamedanische Bevölkerung des Distriktes von Podgorizza und der Malisoren gestoßen war, in der Gesammtstärke von 8000 Mann mit 8 Geschützen vertheidigt. Nach⸗ dem der Kampf am 17. den ganzen Tag gedauert hatte, ließen die türkischen Besatzungstruppen die vier bei Ortjevo oberhalb Doljani, dann ober⸗ und unterhalb Stubica gelegenen Blockhäuser gegen Abend im Stiche und zogen sich gegen Podgorizza zurück. Auf dem fluchtartigen Rückzuge rissen sie auch die gesammten irregulären Hülfs⸗ truppen mit sich fort. Noch in der Nacht besetzten die Montenegriner die verlassenen Blockhäuser, beeilten sich aber am darauf folgenden Tage, dieselben vom Grunde aus zu zerstören und niederzubrennen. Seitdem ist die Verbindung zwischen Podgorizza und Medun vollständig unterbrochen. Der montenegrinischen Erove⸗ rung gingen aber schon in der verflossenen Woche einige heftige Kãmpfe voraus, bei welchen der kriegerische Stamm der türkischen Malisoren in der Stärke von 5⸗ bis 6000 Mann die Offensive g⸗gen den mit den Montenegrinern verbündeten Stamm der Kucci ergriff Die ganze Aktion war mit einem Theile regulärer türkischer Trupper aus dem Lager von Podgorizza kombinirt. Letztere sollten nämlich nach dem Angriffe der Malisoren auf die Kuccianer den Montene⸗ grinern, welche hinter der Moraca an der Grenze gegen Doljane postirt waren und voraussichtlich den bedrängten Kuccianern zu Hülfe eilen würden, in den Rücken fallen. Die Kombination scheiterte jedoch an der außerordentlichen Wachsamkeit der montenegrinischen Vorposten, welchen das im Zuge befindliche Manöver nicht ent⸗ 1 war. gischen Abtheil ie montenegrinischen eilungsanführer trafen sofor

nothwendigen Gefechtsdispositionen, um die von 1“ Mie rücken befindlichen Nizams mit Ungestüm anzugreifen. Die monte⸗ negrinischen Stellungen waren solche, daß auf eine sichere Nieder⸗ lage der Türken gerechnet werden konnte. Das Gefecht nahm

tenegrinern, welche mittlerweile durch ein Bataillon des Gubotinjer Bezirkes und eine andere, 300 Mann starke Schaar verstärkt waren, geschlagen. Die regulären türkischen Truppen wurden bis gegen Podgorizza zmückgeworfen und die Malisoren von den durch starke montenegrinische Abtheilungen verstärkten Kuccianern bis zum Kakaritengebirge jenseits Podgorizza verfolgt. Die Montenegriner Ses 829 ere Benea ngahen 88 Todte und über 120 Ver⸗ ete, wogegen der Verlust der Türken und Malisore 1 300 Todte nnd Verwundete beträgt Vom Kriegsschauplatze in der Herzegowina verlautet heute, daß in Folge der Zusammenziehung starker türkischer Streitkräfte oberhalb Mostars und des Widerstandes, welchen die Montenegriner bei den Bleckhäusern vor Nevestnse und Metochia finden, die Gefahr eines montenegrinischen Angriffes auf Mostar vorläufig beseitigt sei. 819s 18 feindlichen Angriff vor⸗ reitet. Die dortige Garnison wurde durch zwei Bataillone Bielek verstärkt. 1“

„Rußland und Polen. Aus St. Petersburg, 17. Juli, wird der „Allg. Ztg.“ telegraphirt: „Die großen Manb⸗ ver der in Südrußland um Kiew zusammengezogenen Lager⸗ truppen finden auf Kaiserlichen Befehl vom 15. d. nicht statt. Die Gesammtziffer der in diesem Jahre für Armee und Flotte auszuhebenden Ergänzungsmannschaften ist auf 196,000 Mann festgesetzt gegen 220,000 im vorigen Jahre.

Amerika. Aus Washington wird unterm 19. ds. per Kabel gemeldet: Das Armeebndget hat beide Häuser des Kongresses passirt. Es zeigt eine Reduktion von nahezu 2,000,000 Dollars im Vergleich mit dem im vorigen Jahre votirten Betrage.

Der „New⸗York Herald“ behandelt die Frage, ob

unter dem allgemeinen Jubel über den Fortschritt der Ver⸗ inigten Staaten in allen materiellen Dingen irgend Grund sei zu dem „weithin verbreiteten Gefühl, die Bürger der eUnion hätten in moralischen Eigenschaften, durch die eine Nation erst wahrhaft groß wird, nachgelassen.“ Wenn dem so wäre, so würde nach der Auseinandersetzung des „Herald“ wenig Grund zur Freude sein, insofern ein Verfall von Männ⸗ lichkeit, Tugend, Vaterlandsliebe und Anhänglichkeit an freien Einrichtungen ein Uebel sein würde, das kein Fortschritt in phy⸗ sischem Wohlsein gut machen könnte. Dennoch kommt nach sorgsamer Ueberlegung des Gegenstaudes das Blatt zu dem Schlusse, das Land sei nicht in einem Zustande mora⸗ lischen Verfalles und seine Bürger nicht eentartete Söhne würdiger Herren.’“ Gewiß seien jüngst Beispiele amt⸗ licher Korruption vorgekommen; in Anbetracht aber, daß die Vereinigten Staaten 80,000 öffentliche Beamte besitzen, beweise die Korruption „eines Dutzends oder 50“ nicht den Verfall des ganzen öffentlichen Dienstes oder die Entartung der großen Masse der Bürger. Der „Herald“ erwähnt einige Beispiele nationaler Tugenden, die zeigen, daß die Amerikaner von 1776 keinen moralischen Vortheil vor der gegenwärtigen Generation hätten und erklärt, dieses Verzeichniß könnte leicht ausgedehnt werden. Uebrigens giebt er zu, daß im offiziellen Leben einige Reformen nothwendig seien. Mexiko. (A. A. C.) Der am 5. Juli in Havanna ein⸗ getroffene Dampfer „Cith of Havana“ überbrachte bis zum 28. Juni reichende Nachrichten aus der Hauptstadt Mexiko. Zwischen den Regierungstruppen und den Revolutionären haben keine weiteren wichtigen Gefechte stattgefunden, da letztere jeden Zusam⸗ menstoß zu vermeiden suchen und die eingetretene Regenzeit militärische Operationen verhindert. Kleinere, unbedeutende Schar⸗ mützel fielen zu Gunsten der Regierung aus. Für die Prä⸗ sidentenwahl, deren Urwahlen auf den 9. Juli angesetzt sind, ist Präsident Lerdo bis jetzt der einzige Kandidat, doch bemühen fich die Revolutionäre, die Abhaltung der Wahlen zu stören, und dürfte in der Mehrheit der Distrikte eine konstitutionelle Wahl nicht zu Stande kommen. Die Revolutionären behaupten, die Wiedererwählung Lerdo's werde sicher dessen Sturz herbei⸗ führen. General Santa Anna ist am 20. Juni im Alter von 84 Jahren gestorben.

Hayti. (A. A. C.) Der Gesandte von Hayti in Washington hat offizielle Depeschen aus Port⸗au⸗Prince vom 1. Juli erhalten, daß General Voisrond Canal vom 24. v. Mts. Besitz von Cape Hayti genommen. General Alexis Nord hatte daselbst am 14. v. Mts. rebellirt, mit dem Plan,

eine Föderal⸗Union herzustellen, welche aus den fünf Provinzen der Insel als unabhängigen Staaten bestehen se. Genezal Rord hat sich in ein fremdes Konsulat geflüchtet, von wo aus man ihm freien Abzug aus dem Lande gestatten wird. CIX Domingo. (A. A. C.) Westindische Blätter ver⸗ öffentlichen einen Brief aus Cape Hayti vom 29. Juni, wonach die von Gonzales proklamirte Revolution in St. Domingo trotz der Anstrengungen der Regierung zu deren Unterdrückung Fortschritte macht. Man glaubte allgemein, Gonzales würde schließlich triumphiren. Nach anderen Berichten aus St. Domingo wurde General Villaneuva, der frühere Kriegs⸗Minister, auf Befehl der Behörden von St. Domingo an Bord des Vereinigten Staaten Dampfers „Iybec“ verhaftet und trotz des Protestes Seitens des Kapitäns, sowie des gerade anwesenden ameri defiseen Konsuls gewaltsam von Bord des Schiffes weg⸗ efü

Land⸗ und Forstwirthschaft.

Zur Förderunz! des Hopfenbaues und namentlich um eine sorgfaltigere Behandlung des Hopfens beim Pflücken, Trocknen und Verpacken herbeizuführen, wird auf Veranlassung des landwirthschaft⸗ lichen Provinzialvereins für Posen am 21. und 22. September d. J. im Schützenhause zu Neutomischel eine mit Prämienvertheilung verbundene Hopfenausstellung veranstaltet werden.

Gewerbe und Handel.

Auf die Aktien der Berliner Bank in Liqu. gelangt nunmehr eine fernere Abschlagszahlung von 12 ½ % oder 12 ½ Thlr. pro Aktie zur Vertheilung. Durch diese fernere Zahlung erhöht sich die Summe der bisher den Aktionären zurückgewährten Beträge auf 82 ½ % für die alten Aktien und 22 ½ % für die mit 40 % einge⸗ zahlten Interimsscheine der neuen Aktien⸗Emission

Der Eröffnungstermin für die Bahnstrecke Marienburg⸗ Deutsch⸗Eylau der Danzig⸗Mlawkaer Eisenbahn ist auf den 1. August d. J. ö festgesetzt. Die Bahnverwaltung wird von da ab sowohl Personen als Güter auf dieser Strecke befördern. Die landespolizeiliche Abnahme derselben soll am 22. d. M. stattfinden.

In dem Konkarse der Norddeutschen Papier⸗Fabrik⸗ Aktiengesellschaft (Direktion und Fabrik in Cöslinz stand gestern vor dem Kommissar des Konkurses, Stadtgerichts⸗Rath Pfeil, der erste Termin an. Der einstweilige Verwalter der Masse, Kauf⸗ mann Sieg, wurde als solcher bestätigt und ihm zur Seite 3 Ver⸗ waltungsräthe erwählt. Dem Vortrage des Verwalters ist zu ent⸗ nehmen, daß 69 % für die Gläubiger nach Abzug der bevorrechtigten Forderungen in der Masse liegen, die Aktivu beziffern sich auf 900,600 ℳ, die Passiva auf 1,302,375 Beschlossen wurde, alle angefangenen Arbeiten und Vorräthe in Cöslin aufzuarbeiten und die Vorräthe in den Niederlagen Königsberg, Hamburg, Hannover.

und Berlin bis zur Räumung derselben in gewohnter Weise weiter

zu br

„— Um vielfachen Anfragen zu begegnen, theilen wir hierdur mit, daß die Gewinnliste der Floralotterie zwar im vnch u. St.⸗A.“ veröffentlicht werden wird, jedoch erst, wenn die Zusammen⸗ stellung der Liste erfolgt sein wird. Dem Vernehmen nach ist der Vorstand der Gesellschaft mit dieser Arbeit bereits beschäftigt.

Königsberg i. Pr., 18. Juli. Während des diesjährigen Wollmarkts sind im Aschhof 448 Ctr., in der Vorderwaage 330 Ctr., in der Mittelwaage 908 Ctr., in der Hinterwaage 810 Ctr., durch das Wiegeamt 10,864 Ctr., in Privatspeichern ca. 3640 Ctr., in Summa 17,000 Ctr. Wolle gewogen, deren Durchschnittspreis zu 106 Pfd. sich für die Kammwolle auf 52 58 ℳ, feine Tuchwolle auf 56 62 ℳ, gewöhnliche Tuchwolle 51 56 herausgestellt hat. Circa 1000 Ctr. fam degen mißlungener Wäsche und geringer Qualität unverkauft

eben.

Die Halberstadt⸗Blankenburger Eisenbahn hat 1875: 137,781 vereinnahmt und incl. Verzinsung der Prioritäts⸗ anleihe mit 3351 128,953 verausgabt, also einen Betriebs⸗ überschuß von 8827 erzielt. Derselbe wurde mit 8356 zur Bedeckung des 1874er Betriebsverlustes und mit 470 als Vortrag auf neue Rechnung verwendert. Das Grundkapital besteht aus 1,200,000 Stammaktien, 1,200,000 Stammprioritäten und 300,000 Prioritätsoebligationen.

In der außerordentlichen Generalversammlung der Weimar⸗ Geraer Cisenbahn⸗Gesellschaft wurde der Antrag auf Kon⸗ trahirung einer schwebenden Schuld in Höhe von 600,000 einstim⸗

mig genehmigt.

Verkehrs⸗Anstalten. New⸗York, 21. Juli. Das Postdampfschiff des Nordd. Lloyd „Neckar“, Kapt. W. Willigerod, welches am 8. Juli von Bremen und am 11. Juli von Southampton abgegangen war, ist heute 5 Uhr Morgens wohlbehalten hier angekommen,

Berlin, den 22. Juli 1876.

Ueber die Bedeutung des Ausdruckes „Hohe Pforte“ entnehmen wir dem Buche „Sittenbilder aus dem Morgenlande“ von Prof. Hermann Vämbéry folgende e een

Unter der Hohen Pforte, Bab Ali, versteht der heutige Türke so⸗

Reiche, als auch den Ort, wo diese zu ihren Berathungen zusammen⸗ kommen. Von jeher galt im Orient, im Gegensatze zum Abendlande, die Pforte oder das Thor für den Herrnplatz des Hauses. Aus dieser Sitte erklärt es sich, weshalb wir im Türkischen das Wort „Pforte“

mit dem Ausdruck „Ali Kapi“ den Sitz der höheren Beamten bezeich⸗ nete, so mit „Pforte“ in der Türkei. Nicht nur jede Hauptstadt, sondern jeder Sitz eines Provinzial⸗Guberniums hat einen „Kapi“, und wenngleich europäische Neuerungen heute dies alte Wort durch die Bezeichnungen: Ministerium, Tribunal u. s. w. zu verdrängen suchen, so wird es doch den Türken und anderen Völkern Asiens schwer fallen, sich für einen hohen Gerichtshof oder ein sonstiges höheres Amt einer anderen Benennung zu bedienen als Kapi, oder Bab: Pforte. Unter den Ausdrücken: „Festes Thor“ oder „Hohes Thor“ Stellung und Befugniß der

Amtes „Erkiani⸗Dewlet“, Säulen der Regierun enannt. Auf ihnen lastet das Amt der Staatsregierung und 88 89 ihrer Spitze Stehende führt den Namen „Vezir“, d. h. Lastträger. Die Pforte, in der Volkssprache „Pascha Kapist“ genannt, umfaßt heut⸗ utage folgende Aemter: 1) Den Sitz des Großveziers und seiner

ureaus, 2) das Ministerium des Aeußern mit seinem Sekretariate und dem Uebersetzungsbureau, 3) das Medschlisi Wala, oder den aller⸗

obersten Gerichtshofes, zugleich das Ministerium des Innern und der

Offiziere zu ernennen und abzusetzen, 5) das Amedi diwani humajum, ein Bureau, das in direkter Verbindung mit der Privatkanzlei des Sultans und der Pforte steht. Die übri⸗ gen Dicasterien der Verwaltung, als: Ministerium der Polizei, 5 eges, der Marine, des Unterrichts, des Wakfs (fromme Stiftungen) u. s. w. sind in verschiedenen Ge⸗ bäuden untergebracht und die betreffenden Chefs begeben sich nur dann auf die H ohe Pforte, wenn das Aufgebot des Medschlisi Wala ste zu einer wichtigen Berathung ladet. Außer diesen giebt es noch einige nicht strikt hierher gehörige Aemter: das Bureau der vier verschiedenen Religionsgesellschaften, naͤmlich der Katholiken, unirten und nicht unirten Griechen und Junden, das Bureau des Ceremonienmeisters und des der Kaiserlichen Unterschriften (Tugra) und schließ⸗

staatliche Schule und Bibliothek zum Unterrichte im

trifft, so nimmt bei der Civilbehörde den höchsten Rang der Muschir, Marschall ein; ihm geziemt der Titel „Dewleti“, de h. der Glückselige. Ein Muschir pflest sich auf das Amt in einer europäischen Equipage zu begeben; ist er Großvezier, so begleiten ihn zwei Offiziere aus der Armee und zwei Kawassen (Polizeimänner) zu Pferde, außerdem folgen ihm ein oder zwei Diener und der ebenfalls berittene Tschibuktschi. Muschire giebt es auch im Mil tärstande, doch stehen diese weit hinter den Ersteren zurück, da hier sowohl ihre Anzahl größer, als auch der Gehalt geringer ist. Die dem Muschir nächst⸗ stehende Beamten⸗Hierarchie ist die Rüthe⸗i⸗Bala (hoher Rang), die in zwei Klassen zerfäslt. Ihr Titel ist Utufetli (huldvoll). Ihr folgen: Rütberi⸗Ula, ebenfalls zwei Klassen umfassend, mit dem Titel Seadetlu (glückselig), ferner Mutemafsiz oder Rütbei⸗Sanie, ein Rang, in dem die meisten Bureau⸗Chefs stehen und der mit Izzetlu Efendim (mein herrlicher Herr) betitelt wird; dann die zweite Klasse der Sanie, denen ebenfalls der Titel Izzetlu Efendi zukommt. Hieran schließen sich die Rang⸗ ordnungen der Unterbeamten: Rütbe⸗i⸗Salise (dritte Klasse), die mit Rifatlu (der Erhöhte) und Rütbe⸗i⸗Rabie (vierte Klasse) die mit Futuwetli (der Edelmüthige) titulirt wird; den minores gentium der Beamtenwelt ist der Titel Hamijetli (der Eifrige) zuerkannt. Unter den Kultusbeamten ist der höchste der Scheich ul Islam, ihm folgen die Sudurs und die fünf verschiedenen Pajes (Grade) von Stambul, den heiligen Städten, vom Bilade Arbaa, von Rumeli und Anatoli. Die Stellung der Militärs in der Beamten⸗Hierarchie ist zumeist in dem Range der Offiziere ausgedrückt. Es giebt in der Armee Muschire in großer Anzahl; selbst Paschas, Divisions⸗ und Brigade⸗Generale stehen in ihrem Range unter manchem Efendi der Civilbehörde. Ueber die Bezeichnung Pascha ist zu erwäh⸗ nen, daß dieser sowohl Civilbeamten wie Militärs verliehene Titel unter den Ersteren nur den Muschiren und Mutesarrifs (Gouverneure zweiten Ranges) der Provinzen, auch wenn sie ihrem Range nach nur Mutemajjis sind, zusteht; bei Militärbehörden jedoch wird er jedem Offizier vom H aufwärts ertheilt. Auf Pascha folgte früher der Titel Bey, den Europäer irriger Weise den Fürsten beilegen, wie dies in alten Zeiten allerdings Sitte war. Heute folgt auf den Pascha: Efendi, Herr, und auf Efendi: Aga. Unter Efendi versteht man im gewöhnlichen Leben einen Schriftkundigen, in der Beamtenwelt oft eine ganz hochgestellte Person, ja selbst Königliche Prinzen hängen ihrem Namen nur den Titel Efendi an.

1 In einem Schreiben aus Paracin vom 8. d. schildert der Korrespondent des „Temps“ die Befestigungen von Deligrad folgendermaßen:

Nachdem wir einen steilen Abhang überstiegen hatten, versenkten wir unsere Blicke in das wunderbare Thal der bulgarischen Morawa, welche wir r Zeit später auf einer Schiffbrücke übersetzten. Drei von gelblichen inien gekrönte Erhöhungen zeigen sich uns, es sind die Verschanzungen von Deligrad. Im Hintergrunde der

des Aeußern ressortiren. Was die verschiedenen Beamtenklassen be⸗

Von Deligrad aus hat Fürst Milan seine Kriegsproklamation vom 30. Juni veröffentlicht. Der Name ist berühmt in der Ge⸗ schichte der Kämpfe um die serbische Unabhängigkeit. Im Jahre 1806 hielt Peter Dobriniak in dem Fort Deligrad eine sechsmonatliche Be⸗ lagerung durch die Türken aus. Der Wojwode Miloje fand dort 1809, nach der Niederlage der Serben bei Nisch, eine Zuflucht. Im Jahre 1810 vertheidigte sich daselbst Vujica auf das Tapferste gegen das Corps Kurschid Paschas.

Das alte Forr verfiel in Ruinen; man hatte sogar die Steine davon abgetragen, um damit die neue Straße nach Aleksinac zu bauen. Ganz in neuester Zeit haben die Serben in Deligrad wichtige, durch die strategischen Vortheile dieser Position gebotene Arbeiten ausge⸗ führt. Die Linien von Deligrad werden im Falle einer entscheidenden Niederlage bestimmt sein, den Rückzug der serbischen Armee zu decken und die Türken zu verhindern, dem Lauf der Morawa entlang vorzu⸗ rücken Diese tritt in der That ein wenig weiter unten in die Defileen ein; Deligrad ist der Schlüssel zu diesem engen Thor. Weiter oben, in der Richtung nach Aleksinac nämlich, erweitert sich das Morawathal bedeutend, um sich bald darauf wieder zu verengen, so daß eine Art Kreis gebildet wird; dieses ganze Bassin kann durch die Kanonen von Deligrad bestrichen werden. Die drei Werke neh⸗ men auf dem rechten Ufer der Morawa drei gut gewählte Höhen ein; ohne Zweifel könnte man sie von den nahe gelegenen Bergen be⸗ herrschen; aber auf die bestimmten Punkte Stücke von einer Trag⸗ weite zu schaffen, die ausreichend wäre, um durch ein vernichtendes Feuer die Batterien von Deligrad zum Schweigen zu bringen, wäre eine schwierige Operation.

Diese Redouten sind in Erde aufgeworfen und sehr regelmäßig gebaut. Sie schienen uns verlassen zu 9 Man bemerkte blos einen Wachtposten neben einem Schilderhäuschen. Nicht Eine Ka⸗ none streckte ihre Mündung durch irgend eine Schießscharte hervor. Man hatte uns gesagt, daß die Artillerie der Forts zu Zwecken der Belagerung vor Nisch geschafft worden sei. Das zeigt auf jeden Fall an, daß die serbische Armee für den Augenblick an keinen Rückzug denkt. Eine Unmasse von Bäumen ist bei Deligrad gefällt worden, und der Boden ist in großer Ausdehnung von Stämmen und Aesten bedeckt, mit Hülfe deren man im Nothfalle die Straße ungangbar machen könnte. Wir bemerkten auch einige Tranchéen mit Bruft

wehren am Eingang der Defiléen.

Basel, 21. Juli. (W. T. B.) In dem Dorfe Albeuve im Kanton Freiburg hat gestern Nachmittag eine große Feuers⸗ brunst gewüthet, durch welche in einer Stunde über 100 Gebäude in Asche gelegt worden sind. Die Bewohner sind obdachlos. Zwei Personen styd in dem Brande erstickt. Redacreur: F. Preym. Vertag der Expedinon (Kessel). Druck: W. Elsner. Vier Beilagen (einschließlich Börsen⸗Beilage).

Berlin:

Landschaft gewahrt man Aleksinac

. 89

Ausßerdem eine Extra⸗Beilage „Zur D

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1. *.

einen bereits im Jahre 1858 veröffentlichten Aufsatz. Derselbe sollte, in einer wenig bekannten deutschen Zeitschrift erschienen, die Einleitung bilden zu einer nachher nicht veröffentlichten Kritik

wenig beachtete und jetzt bereits vergessene Aufsatz Manches ent⸗ halte, das für den kirchlichen Kampf der Gegenwart von Be⸗

katholischer Seite vorgeschlagenen Weges, zum Frieden zwischen Staat und Kirche zu gelangen.

gemeint. In der That ist diese Ausführung weitaus das Be⸗

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eeine Rechtsgestaltung und ihre Geltung voraus.

thatsächlicher Uebereinstimmung? Für die abendländische Christen⸗

Kirche geschlossen werden?

zum Deutschen Reichs⸗ nzeiger und Königlich Preußischen Staats⸗Anzeiger.

Staat und Kirche. XVI. (Vgl. Nr. 168 d. Bl.)

Zur Fragestellung über Staat und Kirche. Eine Stimme aus dem Jahre 1858. Berlin, 1876. Die obengenannte Schrift enthält dem Vorwort zufolge

des österreichischen Konkordats von 1855 und des württem⸗ bergischen von 1857. Der Herausgeber glaubt, daß der s. Z.

ang sei, namentlich angesichts des neuerdings von römisch⸗

Wie wir annehmen müssen, ist mit dieser Stelle des Vor⸗ wortes die in dem Aufsatz enthaltene Ausführung über die rechtliche Bedeutung der Vereinbarungen zwischen Staat und römischer Kirche, die man Konkordate nennt, vorzugsweise deutendste in der ganzen Schrift. Wir geben dieselbe in der Kürze wieder:

Der Vertrag ist ein Rechtsgeschäft und setzt folglich Welches ist das Recht, auf dessen Boden Verträge zwischen Staat und 8 Es darf allerdings nicht be⸗ hauptet werden, daß ein Konkordat schon deshalb un⸗ wirksam sei, weil der höhere Richter über Staat und Kirche fehlt. Derselbe fehlt auch bei den ööhlkerrecht⸗

lichen Verträgen, und doch giebt es anerkanntermaßen solche und ihre Verletzung ist unzweifelhaft eine Rechtsverletzung. Dies hat darin seinen Grund, daß völkerrechtliche Pakte auf Grund posi⸗ tiven Völkerrechts geschlossen werden, das, wiewohl kein be⸗ stimmtes Tribunal über Staaten vorhanden ist, dennoch die Be⸗ deutung einer Rechtsordnung hat, an welcher alle theilnehmenden Stlaaten gemeinschaftlich interessirt sind. Wo aber ist die Rechtsordnung, deren Regeln maßgebend sind für Staat und Kirche und vermöge deren die Uebereinkunft eines Staates mit der römischen Kirche jenen wie diese bindet bei aufhörender

heit des Mittelalters war eine solche Ordnung in dem römisch⸗ kanonischen Recht gegeben. Seitdem dieses Recht aber aufgehört hat, die gemeinsame Regel der christlichen Nationen zu sein, seitdem beansprucht der Papst nicht mehr, das Eine Haupt der Christenheit zu sein, sondern die Befugnisse der beiden Häupter der christlich⸗mittelalterlichen Staatengemeinschaft zu vereinigen. Der Papst will, wie unser Aufsatz dies ausdrückt, nach modern⸗römischer Theorie, wonach schon Bonifacius VIII. die Hand ausstreckte, zugleich der Cäsar sein. Als nach dem zweiten Pariser Frieden der deutsche Bund ins Leben nat, protestirte hiergegen der Kardinal Consalvi, weil das heilige römische Reich nicht wieder hergestellt worden, „politicae unitatis centrum jure habitum et religionissanctitate consecratum.“ Nach modern römischer Theorie ist die Basis der christlichen Rechtsordnung dieselbe geblieben, wie im Mittelalter, nämlich das römisch⸗kanonische Recht, nur mit dem Wegfall der Institution des Kaisers. Auf diesem Boden giebt es gar keine Staaten, welche selbständige Rechtssubjekte gegenüber dem Haupt der Christenheit bilden können. Auf diesem Boden sind die Konkordate nur Anweisungen, nur Vollziehungen der geistlichen Regentenpflicht. Stellt man sich nun für die Theorie der Konkordate auf den ganz entgegengesetzten Standpunkt, nach welcher jeder Staat in seinen Grenzen das höchste und ursprüng⸗ lich alleinige Rechtssubjekt bildet, so sind die Konkordate nur Vollziehungen politischer Regentenpflichten. Als zweiseitige Verträge sind die Konkordate unmöglich

auf dem Boden des römisch⸗kanonischen Rechts, denn dieses erkennt den Staat nicht als ursprüͤngliches Rechtssubjekt an. Ebenso unmöglich aber auf dem Boden des Staatsrechts, denn von diesem wird die Kirche nicht als ursprüngliches vom Staat unabhängiges Rechtssubjekt anerkannt. Die vorliegende Schrift führt nun weiter aus, wie um der

eben geschilderten Verlegenheit zu entgehen, der Ausweg er⸗ griffen worden ist, die Konkordate als völkerrechtliche Verträge aufzu⸗ fassen, welche der Papst als Souverän eines weltlichen Fürsten⸗ thums mit andern Souveränen geschlossen habe. Es leuchtet jedoch auf den ersten Blick ein, wie unhaltoar diese theoretische Auskunft ist ganz abgesehen von der Säkularisation des Kirchenstaats, welche seither stattgefunden hat. Die Konkordate sind alles Andere eher, als Verträge weltlicher Souveräne über Beziehungen weltlicher Staaten. Nachdem der Aufsatz ausgeführt, daß den Konkordaten theoretisch jede Grundlage eines Rechtes fehlt, auf dessen Boden sie erwachsen könnten, weist er an der Pragxis der rnömischen Kurie nach, was von anderen Seiten schon oft nachgewiesen worden, daß die römische Kurie Konkordate stets nur betrachtet als durch die Noth der Zeiten abgedrun⸗ gene Schmälerungen ihres ganzen und vollen Rechtes, Schmä⸗ lerungen, die keinen Augenblick länger zu dulden sind, als der Druck der Zeiten dauert, der die Rechtsverkürzung auferlegt hat. Das praktische Resultat des Verfassers ist, daß das rechtliche Verhältniß zwischen Staat und Kirche durch die Staatsgesetz⸗ gebung allein geordnet werden muß unter Berücksichtigung der inneren und geistigen Natur der Kirche, sofern sie sich auf dieses Gebiet beschränkt. Der Verfasser faßt seinen Gedankengang über das Verhältniß zwischen Staat und Kirche in das Wort des Kaisers Constantin zusammen, er sei der Aufseher der äußeren Dinge⸗ die kirchlichen Gewalten seien die Aufseher der inneren e:

„Aus eigner schöpferischer Kraft zeugt die Kirche sich das Lebensgesetz und waltet darüber ohne Einmischung von außen. Aber insoweit dieser an sich freie Organismus sich einfügt in die Lebensordnung der Menschheit, insoweit die Kirche mit der Außemwelt sich berührt, und, eingefriedigt in andere Kreise, den äußeren Frieden findet, ohne den sie Segen zu spenden unver⸗ mögend ist, darüber wacht der Staat.“

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Die Einrichtungen für die Wohlfahrt der Arbeiter der größeren gewerblichen Anlagen

personals am Reingewinn mit einer Quote und am Ge⸗

Berlin, Sonnabend, den 22. Juli

preußischen Staate.

88 6“ (Vergl. Nr. 170 d. Bll) Bei der 1. Rubrik: Betheiligung des Geschäfts⸗

schäfte mit Kapital ergiebt sich aus der stattgehabten Enquete, daß die ausgesprochenen Ansichten der Industriellen überwiegend absprechend gegen die ganze Einrichtung gerichtet find, soweit sie auf die eigentlichen Arbeiter erstrecken soll. Jede andere Art der Aufmunterung und Belohnung, wie durch Sparkassen und Wohnungen u. s. w., halten sie für zweckentsprechender und nützlicher. 3 Versuche zeigen sich nur bei folgenden Fir⸗ men: Windhoff, Deeters u. Co. zu Lingen a. d. Ems; EE“ K. & Th. Möller zu Kupferhammer bei rackwede, Kreis Bielefeld; Aktiengesellschaft „Neue Berliner Messingwerke“ zu Berlin, hervorgegangen aus der Privat⸗ firma „Wilh. Borchert jun.“ Außer den systematischen Ver⸗ suchen dieser Fabriken zur Organisation einer Betheiligung der Arbeiter am Gewinn, ist als hierher gehörig nur Folgendes be⸗ kannt geworden: 8 G“ In Berlin gewährt: die Maschinenbau⸗Anstalt von Borsig den Beamten und Werkmeistern 5 Proz. vom Reingewinn seit 1865; die Maschinenbau⸗Anstalt von Egells dagegen nur den Beamten einen Antheil von 5 Proz. Reingewinn seit 1871; die Norddeutsche Gummiwaaren⸗Fabrik (Fon⸗ robert) sichert den Beamten und Werkmeistern einen Antheil bis 8 ½ Proz. des Reingewinns zu. Ein solcher ist aber noch nicht erreicht worden; 1b die Beamten der erwähnten Messingwerke (Borchert) beziehen 8 ½ Proz. des Reingewinns; . die Druckerei der Staatsbürger⸗Zeitung läßt nach Abzug von 26 Proz. des Reingewinns sämmtliche Beamte und Werkmeister am Reste des Reinertrages nach Maßgabe des jähr⸗ lichen Arbeitslohnes partizipiren. Das Recht hierzu wird auf Grund eines schriftlichen Vertrages nach 6monatlicher Thätigkeit und tadelloser Führung beigelegt; die Fabrik von Siemens & Halske gewährt Beamten und Werkmeistern, auch Arbeitern, wenn sie dauernd in Lohn beschäftigt werden, Antheile am Reingewinn. Nähere Angaben hierüber sind jedoch nicht gemacht worden: die Hutfabrik von Nössell giebt Gewinnantheile von 75 auch für besondere Verdienste umsonst aus und verzinst sie mit 5 Proz.; die Steinnußknopf⸗Fabrik von E. M. Siegel gewährt den Werkmeistern 1 Proz. vom Reingewinn; die Cigarrenfabrik von C. Keilpflug & Co. hat unter dem 1. April d. J. ihren Arbeitern eine Betheiligung an dem Reingewinn des Detailgeschäfts in Höhe der Hälfte des⸗ selben zugesichert. Auch im Regierungsbezirk Frankfurt a. O. wird eine Quote vom Reingewinn von dem Geschäftspersonal in ver⸗ einzelten Fällen bezogen. Bei der Verwaltung der „Ilseder Hütte“ im Amtsbezirke Peine, Kreis Hildesheim, beziehen eine Quote vom Reingewinn die 8 höheren Beamten der Gesellschaft. Die Quote richtet sich nach der dienstlichen Stellung, bezw. den Gehaltssätzen der betreffenden Personen. Eine ganz ähnliche Einrichtung besteht in der chemischen Fabrik von Kalle u. Co. zu Beebrich. Im Umfange des ganzen preußischen Staates findet die Betheiligung am Reingewinn und mit Kapital statt: in sämmt⸗ lichen Gewerhegruppen bei 474 Betrieben. Von diesen gewähren 141 nur den Vorstandsbeamten eine Quote des Reingewinns, 209 ihren Beamten allgemein, 120 den Werkmeistern, Vormän⸗ nern ꝛc., 10 den Arbeitern. Die Einrichtung besteht bei 205 Betrieben seit ½ 143 Jahren, bei 14 seit dem Bestehen. Eine Betheiligung mit Kapital gewähren von jenen Betrieben: den Beamten 52, den Werkmeistern, Vormeistern zze. 32, den Arbeitern und zwar allen sogleich 30, nach einer gewissen Zeit 2. Der Betheiligung ist eine Grenze gesetzt bei 8. Die Einrichtung besteht bei 19 seit 1—38 Jahren, bei 2 seit Be⸗ stehen. Eine Betheiligung der erwähnten Personen als Anerken⸗ nung treuer Dienste findet statt bei 35 Betrieben, und zwar bei 16 seit 1 57 Jahren. Bei Rubrik II. Sparkassen⸗Einrichtungen ergiebt das gesammelte Material, daß unter dem gemeinschaftlichen Namen von Fabrik⸗Sparkafs en eine Zahl ziemlich weit von einander abweichender Einrichtungen begriffen sind. Es werden im Ganzen bei 216 Betrieben solche Kassen auf⸗ geführt. Bei 135 derselben war die Zahl der Einleger 17,931, welche 3,339,930 Einlagen machten. Das Minimum dieser Einlagen beträgt 0,05 wöchentlich, als Maximum des Einzel⸗ guthabens ergab sich 4757 ℳ. Der Zuschuß variirt zwischen 3 und 6 Prozent. Die Entnahme der Guthaben kann bei 101 Betrizben ohne Beschränkung geschehen; bei 52 nach einer bestimmten Kündigungsfrist, nach der Lohnzeit, nach dem Ab⸗ gang von der Fabrik, nach dem Tode des Einlegers, in Noth⸗ fällen u. s. w. Bei 22 Betrieben bewirkt der Abgang des Arbeiters theils Verlust der Zinsen, auch wohl der Einlagen. Die Verwaltung der Sparkasse geschieht bei 26 Betrieben von eigenen Organen, bei 107 lediglich von dem Arbeitgeber. Die Einlagen sind gesichert bei 73 Betrieben durch die Firma, bei 17 durch Effekten, städ⸗ tische Verwaltung, Niederlegung bei Sparkassen, Schuldschein u. s. w, die Einlagen sind bei 23 Betrieben durch eigene Verwal⸗ tung, Wahl des Vorstandes oder Deputationen oder Vertrauens⸗ männer an der Verwaltung betheiligt. Die Rechenschaftslegung erfolgt bei 102 Betrieben öffentlich oder durch Abschluß in Ge⸗ neralversammlungen, Sparbücher, Arbeitsbücher u. s. w. Ein⸗ richtungen zur Beförderung der Benutzung öffentlicher Spar⸗ kassen bestehen bei 23 Betrieben theils durch Verpflichtung zum Beitritt, theils durch Prämien und durch Errichtung besonderer Annahmestellen. Die III. Rubrik behandelt die Fürsorge für Beschaffung von Arbeiterwohnungen und deren erleichterten Eigenthumsübergang an die Arbeiter. Unter allen

1876.

Arbeiterbevölkerung ins Leben ruft, sind die auf Beschaffung von Wohnungen die nothwendigsten und deshalb am häufigsten

zu finden.

Es bestehen Einrichtungen dieser Art im preußischen Staate

bei im Ganzen 1655 Betrieben, bei 43 derselben existiren eigene Baugenossenschaften. Zur Beförderung des Erwerbes eigener Wohnungen für Arbeiter haben 54 Betriebe 441 Häuser, mit Gärten zum Preise von 750 bis 118,500 und 14 Be⸗ triebe 88 Häufer ohne Gärten von 2000 bis 45,500 gebaut. Hausbauprämien haben 12 Betriebe, Darlehne 135 gewährt. Zur Beschaffung von swo 1

für die Dauer des Arbeitsverhältnisses von 719 Betrieben 6339 Häuser mit Gärten hergestellt. Von diesen gewährten ihren Ar⸗ beitern 117 ganz freie Wohnung, 585 gegen einen Miethszins der zwischen 8 580 variirt. är wurden von 414 Betrieben 2412 mit 11,981 Familien⸗ wohnungen errichtet; von diesen gewährten 101 Betriebe

Miethswohnungen find zur Miethe

Häuser ohne Gärten

ganz freie Wohnungen und 314 für einen Miethspreis von 6 360 pro Wohnung. Wohnungen für einzelne Arbei⸗ ter befanden sich auf 135 Betrieben 1943, darunter 61 ganz frei und 60 gegen einen Miethspreis von 4 180 Logis und Schlafhäuser (Schlafsäle) für Arbeiter, welche nicht täglich nach Hause gehen können, sind errichtet von 555 Betrie⸗ ben mit 1512 Logis und 34,407 Schlafstellen; bei 369 Betrie⸗ ben wurden dieselben frei gewährt, bei 126 gegen einen Preis von 0,50 bis 9 Die Vermiethung von Schlafstellen an ledige Arbeiter ist gestattet bei 446 Betrieben und wird verlangt bei 57 Betrieben. Der Preis der Schlafstelle beträgt bei 132 Betrieben von 0,40 bis 9 ℳ, bei 57 von 10 bis 45 inkl. Kost, bei 11 wird die Schlafstelle ohne Entgelt gewährt. Trans⸗ porterleichterungen für den Weg zu und von der Arbeitsstätte bestehen bei 33 Betrieben. 8

Bei Rubrik IV.: Einrichtung für Ernährung, billige Beschaffung von Lebensbedürfnissen aller Art, Klei⸗ dung und Wäsche erscheint die verhältnißmäßige Isolirtheit dieser Einrichtungen und die häufig trotz billigst gestellter Preise konstatirte nur geringe Benutzung derselben wohl nur als Aus⸗ druck einer Uebereinstimmung zwischen der größeren Zahl der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer in dem Empfinden, daß die individuelle Befriedigung des Nahrungsbedürfnisses nur da, wo

zwingende Gründe allen anderen Rücksichten vorangesetzt werden

müssen, durch gemeinschaftliche Anstalten auf die Dauer ersetzt werden darf. Dergleichen Einrichtungen gewähren ihren Arbeitern, wenn auch nur immer theilweise, im Ganzen 1179 Fabriken. Speiseanstalten, Volksküchen oder Fabrikmenagen bestehen bei 255 Betrieben. Es stellt sich das Frühstück bei 76 Betrieben auf 0,03 050 pro Poction; das Mitta essen bei 162 Betrieben auf 0,10 1,25 ℳ, das Abendbrod bei 82 Betrieben auf 0,05 0,60 Die Zahl der durchschnittlich täglich ausgegebenen Portionen be⸗ trägt bei 187 Betrieben 14,942. Für Arbeiter, welche zum Essen nicht nach Hause gehen können, bestehen Speisezimmer bei 692 Betrieben, Speise⸗Wärmvorrichtungen bei 791. Zur billigen Beschaffung von Lebensbedürfnissen aller Art befinden sich Konsumvereine bei 118 Betrieben, Vereins⸗ bäckereien bei 25, Vereinsschlächtereien bei 8. Anlagen, welche Verbrauchsgegenstände an die Arbeiter zu Einkaufspreisen ver⸗ abfolgen, existiren 159 ohne besondere Einrichtungen, 27 durch Fabrikmagazine, 13 durch Fabrikbäckerei, 3 durch Fabrikschlächte⸗ rei. Bei 77 Betrieben nehmen die Arbeiter an der Verwaltung dieser Einrichtungen Theil. Unter Rubrik V. werden die Einrichtungen behandelt, welche der Fürsorge für Kleidung, Wäsche und Gesundheitspfege dienen. Im Ganzen bestehen bei 1995 Betrieben solche Ein⸗ richtungen. Besondere Arbeitskleidung erhalten die Arbeiter bei 156 Betrieben, und zwar bei 137 umsonst. Wasch⸗, Trocken⸗ und Bügelanstalten befinden sich bei 86 Betrieben; Räume zum Waschen für Arbeiter Mittags und nach Feierabend bei 638 Be⸗ trieben und zum An⸗ und Ablegen der Arbeitskleidung bei 667. Für ärztliche Hülfe sorgen durch Anstellung eines Geschäfts⸗ arztes 1415 Berriebe mit 1525 Aerzten; durch Geschäftsapotheken 308 Betriebe; durch Krankenhäuser 184 Betriebe. Aerztliche Untersuchung des Gesundheitszustandes findet bei 645 Betrieben statt. Fortzahlung des Lohnes an Schwangere vor der Entbin⸗ dung findet bei 95 Betrieben, an Wöchnerinnen bei 30 Betrie⸗ ben während der Dauer von 14 Tagen bis 26 Wochen statt. Bade⸗Anstalten bestehen bei 179 Betrieben, Turnanstalten bei 28, Turnvereine bei 20 Betrieben. Mäßigkeitsvereine sind bei 10 Betrieben vorhanden. 2 . Rubrik VI.: Der Fürsorge für Seelsorge, Erziehung, Unterricht, geistige und sittliche Ausbildung der Erwachsenen, Geselligkeit und Erholung gewidmete Ein⸗ richtungen bestehen bei 509 Betrieben. Zur Seelsorge besitzen 24 Betriebe besondere Kirchen und Kapellen; besondere Geist⸗ liche sind bei 4 Betrieben angestellt; 32 Betriebe veranstalten einen besonderen Gottesdienst für ihr Personal. Zur Erziehung und zum Unterricht sind eingerichtet und zwar während des ersten Lebensjahres bei 19 Betrieben Kleinkinderbewahranstalten, bei 1 24 Kleinkinderschulen, bei 17 Kleinkindergärten, bei 9 Waisenhäuser. Zum Schulbesuche bestehen Fabrikschulen bei 94 Betrieben, und zwar bei 37 mit freiem Schulbesuch und bei 40 gegen Entrichtung von Schulgeld, Schulgeldbeihülfe gewähren 62 Betriebe. Zur Aus⸗ bildung der Halberwachsenen existiren bei 77 Betrieben Fort⸗ bildungsschulen, bei 62 Betrieben Schulen für weibliche Arbeiten, bei 52 Betrieben Sonntagsschulen, bei 53 Betrieben Zeichnen⸗ schulen. Zur geistigen und sittlichen Ausbildung der Er⸗ wachsenen befinden sich Bibliotheken bei 23 Betrieben mit, bei 45 ohne Lesezimmer. Die Kosten dafür werden aufgebracht be 47 Betrieben durch die Firma, bei 10 durch die Arbeiter und belaufen sich bei 29 Betrieben von 24 1000 jährlich. Zur Geselligkeit und Erholung existiren bei 13 Betrieben eine Musik⸗ schule, bei 106 ein Gesangsverein, bei 41 ein Musikcorps. Ge⸗ sang⸗ und Mustkaufführungen werden bei 37. Betrieben ver⸗ anstaltet, Theateraufführungen bei 8, gesellige Zusammenkünfte bei 40, sonstige Erholungen bei 82, Berg⸗, Sommer⸗, patriotisch und besondere Feste bei 46 Betrieben. Unter der Rubrik VII.: „Anderweite Wohlfahrts⸗ einrichtungen“ find die Kranken⸗ und Wittwenkassen aufgeführt. Die zusammenfassende Schilderung dieser Verhält⸗ nisse hat bereits in dem im vorigen Jahre herausgegebenen Werk

Einrichtungen, welche die Fürsorge für das Wohlbefinden der

„Die unter staatlicher Aufsicht emer gewerblichen Hülfskassen 8 b