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Vergütigung, auf ungefähr 3 Fr. belaufen. Dieses einfache Verfahren exleichtert die rechtzeitige Protesterhebung an entlegenen Orten erheblich und führt zugleich die bei Wechseln auf Neben⸗ plätze oft unverhältnißmäßig hohen Protestkosten auf das rich⸗ tige Maß zurück.
— Durch das Gesetz, betreffend die Veränderung der Grenzen einiger Kreise in den Provinzen Preu⸗ ßen, Pommern, Schlesien und Sachsen, vom 5. Juli 1876, sind folgende Vereinigungen angeordnet worden:
I. Provinz Preußen: 1) die Landgemeinde Kamanten, unter Abtrennung von dem Kreise Pillkallen, mit dem Kreise Ragnit, 2) der Gutsbezirk Broszeitschen, unter Abtrennung von dem Kreise Angerburg, mit dem Kreise Darkehmen, 3) der Guts⸗ bezirk Gurren und die Landgemeinde Alt⸗ und Neu⸗Gurren, unter Abtrennung von dem Kreise Darkehmen, mit dem Kreise Angerburg, 4) die zum Regierungsbezirk Danzig gehörigen Theile des frischen Haffs mit dem Landkreise Elbing, 5) die Besitzung Trettinkenhof in der Größe von 18 Hektar 42 Ar, unter Ab⸗ trennung von dem Landkreise Elbing, mit dem Stadtbezirke und
Sctadtkreise Elbing.
II. Pommern 6) der Gutsbezirk Cunsow mit dem Vor⸗ werk Cothelow, die Landgemeinde Cunsow, der Gutsbezirk und die Landgemeinde Quakenburg, der Gutsbezirk und die Land⸗ gemeinde Scharsow, unter Abtrennung von dem Kreise Rum⸗ melsburg, mit dem Kreise Stolp, 7) die Gutsbezirke Dünnow, Muddel, Lindow und Saleske, sowie die Landgemeinden gleichen Namens, unter Abtrennung von dem Kreise Schlawe, mit dem Kreise Stolp, 8) die Gutsbezirke Schlackow, Goershagen, Mar⸗ sow und Vietzke, sowie die Landgemeinden gleichen Namens, un⸗
ter Abtrennung von dem Kreise Stolp, mit dem Kreise
Schlawe, 9) der Gutsbezirk und die Landgemeinde Jannewitz, unter
Abtrennung von dem Kreise Rummelsburg, mit dem Kreise Schlawe,
III. Schlesien: 10) der Gutsbezirk Cunnersdorf, sowie die Landgemeinde Cunnersdorf, jedoch mit Ausschluß der an den Gutsbezirk Ober⸗Rengersdorf angrenzenden Ländereien des
Beauergutes Nr. 19, welche mit dem Gutsbezirke Ober⸗Rengers⸗ dorf vereinigt werden, unter Abtrennung von dem Kreise Rothen⸗ purg, mit dem Landkreise Görlitz,
IV. Sachsen: 11) die zum Gemeindebezirke der Stadt Hett⸗ stedt gehörige sogenannte Hettstedt⸗Gerbstedter Stadtflur in der
Größe von 611 Hektar 25 Ar, unter Abtrennung von dem
Mansfelder Seekreise, mit dem Mannsfelder Gebirgskreise, 12) die Landgemeinde Kurzlipsdorf, unter Abtrennung von dem
Kreise Schweinitz, mit dem Kreise Wittenberg, 13) die Land⸗
gemeinde Mahlitzsch, unter Abtrennung von dem Kreise Witten⸗
berg, mit dem Kreise Torgau.
— Aus Anlaß einer strafgerichtlichen Untersuchung wegen Störung einer Begräbnißfeier hat das Ober⸗Tribunal
in einem Erkenntniß vom 5. d. M. folgende Entscheidung ge⸗
fällt: Das kirchliche Begräbniß gehört zu den gottes⸗ dienstlichen Verrichtungen einer Religionsgesellschaft und die Störung desselben ist als Störung des Gottesdienstes auf Grund des §. 167 des Strafgesetzbuches mit Gefängniß bis zu 3 Jahren zu bestrafen, selbst wenn der bezügliche Fried hof
gleichzeitig zu weltlichen Geschäften, wie dieses die Beerdigung
von Leichen den Umständen nach wohl sein lann, bestimmt ist.
— Ein Schuldner, welcher dem Gläubiger eine von ihm ausgestellte Quittung über die Schuld wegnimmt, ohne die Schuld vollständig abgetragen zu haben, begeht, nach einem Er⸗
1“ kenntniß des Ober⸗Tribunals vom 27. Juni d. J., mit dieser Handlung einen Diebstahl.
. — Nach amtlicher Mittheilung ist dem Apotheker M. Delhougne zu Lindlar die Konzession zur Fortführung der Schuelerschen Apotheke daselbst, dem Apotheker Kohli in Coppenbrügge die Konzession zur Anlage einer neuen Apotheke in der Stadt Hannover und dem Apotheker Kyrieleis die Konzession zur Errichtung einer selbständigen Apotheke in Duin⸗ gen ertheilt worden.
— Am 26. d. M. ist der Ober⸗Konsistorial⸗Rath Dr. theol. Joh. Friedr. Bachmann, Pfarrer zu St. Jacobi in Berlin,
in Cassel gestorben. Von seinen Schriften sind die hymnologischen Studien hervorzuheben, deren letzte „Das Osterlied Jesus meine
Zuversicht“ in Nr. 12 der Bes. Beil. des R.⸗ u. St.⸗A. vom
J. 1875 besprochen worden ist.
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—= Briefsendungen für S. M. S. „Medusa“ sind von jetzt ab bis auf Weiteres nach Malta zu dirigiren.
Bonn, 27. Juli. (Köln. Ztg.) Gestern Nachmittag gegen 6 Uhr
trafen Ihre Majestäten der Kaiser und die Kaiserin von Brastilien nebst Gefolge: Josefina de Fonseca Costa, Vicomte de Bom Retiro, Vize⸗Admiral de Lamare, Dr. Sonza Fontes, Sekretär Arthur de Macedo, Professor Dr. Brown Seguard und Graf und Gräfin de Barral hier ein und nahmen im Hotel Bellevue Absteigequartier.
Bayern. München, 26. Juli. Unter dem Vorsitze Sr. Königlichen Hoheit des Prinzen Luitpold wurde bereits diesen Abend eine Sitzung des Staatsrathes abgehalten, in welcher über den Landtagsabschied berathen wurde.
— In der heutigen Sitzung der Abgeordnetenkammer theilte der Präsident die Königliche Anordnung bezüglich des am 29. d. Mts. durch den Prinzen Luitpolo zu voll⸗ ziehenden Landtagsschlusses mit. Die Kammer lehnte den Antrag der Reichsrathskammer auf Vorlegung eines Gesetzes über die Ablösung der sogenannten Komplexlasten ab, hielt, wie schon gemeldet, gegenüber den Postulaten, betreffend die Pläne für ein Justizgebäude in München, für den obersten Schulrath, die 8 Lateinklassen, das Schullehrerseminar in Regensburg, ihre früheren abweisenden Beschlüsse aufrecht und lehnte auch den Beschluß der Reichsrathskammer be⸗ züglich einer pragmatischen Gehaltszulage von 210 ℳ ab. Der Abg. Frankenburger hatte Namens seiner politischen Freunde vergebens die Zustimmung zu den Beschlüssen der Reichs⸗ räthe beantragt. — Die Budgetberathung schloß mit Bilanzirung für ein Jahr der XIII. Finanzperiode in Einnahmen und Aus⸗ gaben mit 257,360,763 ℳ Das Finanzgesetz wurde mit 130 gegen 2 Stimmen (Rittler und Seitz) angenommen.
— Ihre Königliche Hoheit die Herzogin Carl Theodor wurde gestern (Dienstag) Mittag 1 ½ Uhr auf Schloß Possen⸗ hofen von einer Prinzessin glücklich entbunden.
— Die Königin von Neapel ist gestern Morgen hier angelangt. Ihr Gemahl König Franz, welcher vor⸗ gestern von Garatshausen hier eingetroffen war, hatte die⸗ selbe am Bahnhofe empfangen. Die hohen Gäste stiegen im
1 Hotel „Bellevue“ ab, wo ihnen bald nach Ankunft der Prinz
Ludwig einen längeren Besuch erstattete. Gestern Abends 6 ½ Uhr begaben sich die hohen Herrschaften zum Besuche ihrer Verwandten nach Possenhofen, wo sie bis zur Abreise der
Kaiserin von Oesterreich, welche Ende dieses Monats er⸗ folgen wird, zu verweilen beabsichtigen.
— Der General⸗Major Friedrich Frhr. v. Steinling ist heute Morgen hier gestorben.
— 27. Juli. (W. T. B.) In der heutigen Sitzung der Abgeordnetenkammer wurden die Wahlen für Würz⸗ burg und Schweinfurt, wo zwei resp. ein liberaler Ab⸗ geordneter gewählt waren, kassirt. Dagegen wurden die Wahlen der beiden liberalen Abgeordneten für Günzburg für giltig erklärt.
Württemberg. Friedrichshafen, 25. Juli. Der König und die Königin haben sich gestern nach der Insel Mainau begeben, um der Deutschen Kaiserin einen Besuch abzustatten.
Hessen. Darmstadt, 25. Juli. Heute trat die Erste Kammer und zwar zunächst zur Berathung des Budgets zu⸗ sammen. Auf der Tagesordnung stand die erste Hälfte des letz⸗ teren, die meist ohne jede Debaite wesentlich im Sinne der Aus⸗ schußanträge zur Erledigung kam. Nur in einem nicht unwesent⸗ lichen Punkte wurde der Ausschußantrag nicht genehmigt. Be⸗ züglich des Polytechnikums hatte nämlich der Ausschuß, entgegen dem Beschluß der Zweiten Kammer, das Ersuchen an die Re⸗ gierung befürwortet, die Ausgaben für Landesuniversität und Polytechnikum thunlichst zu beschränken, „nöthigenfalls durch Verlegung des Polytechnikums nach Gießen.“ Für diesen Zusatz ergaben sich nur vier Stimmen.
— Wie das „N. H. V.⸗Bl.“ vernimmt sind die Groß⸗ herzogliche Ober⸗Steuer⸗Direktion und die Steuer⸗Kommissariate zur Zeit mit Erhebungen beschäftigt, die darauf gerichtet sind, zu ermitteln, welche Resultate die Veranlagung der Kirchen⸗ Steuer auf das ganze Einkommensteuer⸗Kapital und nur auf dieses liefern würde.
Oester reich⸗Ungarn. Wien, 27. Juli. Der Kaiser ist vorgestern aus dem Brucker Lager zurückgekehrt und gestern Nachmittags 6 Uhr nach Ischl abgereist. — Erzherzog Albrecht wird bis heute im Brucker Lager verweilen.
Pest, 26. Juli. Wie man dem „Pester Lloyd“ berichtet, werden die großen Feldmanöver, welche in diesem Jahre auf dem Marchfelde projektirt waren, nicht stattfinden. Auch die bei Kaschau beabsichtigt gewesenen Uebungsmanöver werden unterbleiben. Der „Lloyd“ glaubt nicht zu irren, wenn er diese Maßnahmen mit dem im gemeinsamen Kriegs⸗ Ministerium vorherrschenden Bestreben in Zusammenhang bringt, die durch die Ereignisse an unserer Süd⸗ und Südwestgrenze nothwendig gewordenen größeren Aus⸗ gaben im Heeresetat auf diesem Wege wenigstens annäherungs⸗ weise zu kompensiren. Der Wiener Korrespondent des „Prag. Abbltt.“ bemerkt zu dieser Nachricht des „Pest. Lloyd“: „Ich habe an kompetenter Stelle Erkundigungen über die Sache ein⸗ gezogen und bin zu der Erklärung autorisirt worden, daß die Meldung des „Pester Lloyd“ jeder Begründung entbehrt. Es scheint also, daß das Pester Blatt Etwas, was ihm aus diesem oder jenem Grunde wünschenswerth erscheinen mag, etwas vor⸗ schnell als Thatsache verkündet hat.“
— Entgegen den ausgesprochenen Kriegsbesorg⸗ nissen warnt „Ellenör“ davor, durch allzu große Besorgniß sich in den Krieg hineinzureden. Die Regierung habe allen Even⸗ tualitäten gegenüber die nöthigen Verfügungen getroffen. Man müsse kriegsbereit sein, aber nicht jede Verfuͤgung der Regierung erschreckt ansehen.
Großbritannien und Irland. London, 256. Juli.
Ein Blaubuch von 220 Seiten, enthaltend „weitere Papiere,
betreffend die letzten Unruhen in Barbadoes“, ist ausgegeben worden. Die darin befindlichen Schriftstücke erstrecken sich vom 9. Mai bis zum 5. Juli. Die späteste Depesche des Gouver⸗ neurs Hennessy ist vom 7. Juni datirt und ward empfangen am 29. Juni; die späteste Depesche des Lord Carnarvon an Mr. Hennessy ist vom 5. Juli datirt.
— Im Anschlusse an die Debatte in der Freitagssitzung des Unterhauses bespricht die „Times“ die türkischen An⸗ leihen und insbesondere die Anleihe vom Jahre 1854.
Für letztere, meint sie, habe die englische Regierung unbedingt eine gewisse Verantwortlichkeit übernommen, warnt aber das Publi⸗ kum, diese Auffassung als Präjudiz für zukünftige Anleihen fremder Staaten aufzufassen, da England weder ein Recht noch ein Interesse daran besitze, einem Theile seiner Unterthanen das Spekuliren in unsicheren, aber hohe Zinsen tragenden, fremden Werthpapieren durch sein Eintreten für dieselben zu erleichtern. Den Unterschied zwischen der Anleihe vom Jahre 1854 und den späteren türkischen Anleihen, welcher nicht scharf genug hervorgehoben werden koͤnne, sucht das Blatt durch 858 Darstellung der geschichtlichen Entstehung der ersteren klar zu machen.
Die Geschichte dieser Anleihe, so sagt dasselbe, führe eines der be⸗ merkenswerthesten Ereignisse, deren sich Engländer erinnern können, ins Gedächtniß zurück. Sie wurde im Jahre 1854 abgeschlossen, gerade in dem Augenblicke, als nach Unterhandlungen von mehr als Jahres⸗ länge England sich in den Krimkrieg gestürzt hatte. Die tapfere Ver⸗ theidigung der Türken hatte allgemeine Bewunderung erregt und den Glauben hervorgerufen, daß die Türkei sich noch werth der englischen Allianz beweisen würde. Allgemein ward an eine neue türkische Aera geglaubt. In solch einem Augenblick hieß der Türkei helfen den Engländern so viel wie ihrem eigenen Lande helfen und eine Folgerung dieses Gefühls war es, daß der Türkei es zum ersten Male gluͤckte — was sie im vorhergehenden Jahre vergeblich versucht hatte — eine Anleihe in England zu effektuiren. Lord Clarendon, damaliger Minister des Auswärtigen, gestattete die Bekanntmachung, daß die Regierung die Anleihe billige und schrieb zur Bestäti⸗ sung dessen am 15. August 1854 aus dem auswärtigen Amte: der Kontrakt zwischen den Herren Black & Durand und den Herren Goldsmid & Palmer ist unter Kenntnißnahme Lord Clarendons abgeschlossen worden, welch letzterer volles Vertrauen in den guten Willen der türkischen Regierung setzt, die eingegangenen Verpflich⸗ tungen zu erfüllen.“ Der Inhalt eben dieser Verkündigung gewähre, so meint das Blatt, die besten Anhaltspunkte für das Maß von Ver⸗ antwortlichkeit, welches die Regierung sich auferlegt habe. Es sei nicht eine Garantie, wie sie für die Anleihe des folgenden Jahres seitens Eng⸗ lands und Frankreichs übernommen wurde und nicht eine solche, welche die Vorsicht von Geschäftsleuten beruhigen würde. Es sei eine Versicherung, daß die Regierung in den guten Willen der Kontrahenten Vertrauen setze. Nachdem dann einmal das Eis gebrochen, sei es der Pforte aller⸗ dings möglich gewesen, zu besseren Bedingungen Gelder aufzunehmen. Von der ursprünglichen Anleihe von 3,000,000 Pfd. Sterl. seien nur noch 1,896,000 Pfd. Sterl. übergeblieben, eine kleine Summe im Verhältnisse zu der türkischen Gesammischuld; aber es sei eine Summe, deren Zahlung zu sichern die großbritannische Regierung jedenfalls sich bemühen müsse.
— 27. Juli. (W. T. B.) Im Unterhause erklärte auf eine bezügliche Anfrage des Deputirten Biggar der Premier⸗ Minister Disraeli, es befänden sich 20 englische Kriegs⸗ schiffe in den türkischen Gewässern, darunter 11 Panzer⸗ fahrzeuge; aber weder jetzt, noch früher habe aus dem Personal oder Material der englischen Flotte irgend eine Ueberweisung in
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den Dienst des Sultans stattgefunden. Auf eine fernere An⸗ frage Wolffs erklärte Disraeli, er habe niemals eine genaue Information über die Pläne der serbischen Regierung er⸗
halten und könne daher nicht sagen, ob dieselben mißglückt
seien; was aber die Frage anbetreffe, ob die Zeit nicht gekommen scheine, den Mächten eine Mediatisn vorzuschlagen, so halte er für besser, die (auf nächsten Montag angesetzte) Debatte über die orientalische Frage abzuwarten. Er werde dann die Gründe hören, die sich zu Gunsten eines solchen Vorschlags anführen ließen.
— (W. T. B.) In Folge einer von Lewis Farley ergangenen Einladung fand heute zu Gunsten der Christen in der Türkei eine Versammlung statt, an welcher auch gegen 20 Parlamentsmitglieder theilnahmen. Es wurde einstimmig eine Resolution angenommen, die sich gegen eine Unterstützung der Türkei und gegen die von den Türken in Bulgarien verübten Grausamkeiten ausspricht und sich für eine autonomische Stellung der aufständischen Provinzen erklärt. Von Farley wurde eine Depesche der serbischen Regierung ver⸗ lesen, in welcher gesagt ist, daß die Serben bis auf den letzten Blutstropfen kämpfen würden und daß die Regierung auf die Unterstützung fremder Mächte und das Ausbrechen eines allge⸗ meinen Krieges ihre Hoffnungen setze.
Frankreich. Paris, 26. Juli. Das Waddingtonsche Gesetz wegen Verleihung der Grade hat nach dem „Journal des Débats“ nur eine untergeordnete Bedeutung gegenüberdem Reor⸗ ganisationsplan der französischen Fakultäten. „Die Absicht des Ministers, sagt das Blatt, ist, in Frankreich fünf oder sechs große Universitäten zu schaffen, die den deutschen ähnlich sein sollen, sich selbst verwalten, eigene Einnahmen haben und welche alle die jungen Leute durchzumachen haben, die sich den freien Karrieren widmen. Wenn dieser Plan zur Ausfüh⸗ rung kommt, läßt er Großes für die zukünftige Entwickelung des höheren Unterrichts in Frankreich hoffen. Nichts ist in der Thar mehr geeignet, den öffentlichen Geist zu wecken und zu erheben, als die weiteste Verbreitung wissenschaftlicher Kenntnisse durch Universitäten, welche volle Freiheit genießen, aber durch ihre Verbindung mit dem Staat einen nationalen Charakter bewahren. Preußen, welches in seinem vorwiegend praktischen Geiste sich wohl gehütet hat, die moralischen Kräfte zu vernachlässigen, die ebenso wirksam, vielleicht noch wirksamer für die Größe des Staates sind, als die materiellen, hat stets den Unterricht, und besonders den höheren, als die Hauptstütze des Patriotismus und den bedeu⸗ tendsten Hebel des politischen Fortschrittes erkannt. Am Tage nach dem Frankfurter Frieden hat Preußen zu Straßburg eine Universität geschaffen, für welche es Millionen verausgabt, und wo 31 Professoren die 11 unsrer Fakultäten und 63 Kurse die 37 Unterrichtsstunden unserer Fakultäten ersetzen. Hr. Lavisse hat in seinem Buche: „Die Gründung der Berliner Uni⸗ versität“ berichtet, wie dieselbe während der französischen Okkupation geschaffen und vom Könige selbst als die Revanche für Jena angesehen worden. Man kann nicht ohne wahre Be⸗ wunderung und nicht ohne bitteren Rückblick auf unsere eigene Lage und unseren inneren Zwiespalt den Bericht der Berathungen und Anstrengungen lesen, welche der Errichtung dieser Universität vorangegangen. Man ist überrascht von der Weite der Gesichts⸗ punkte, der Freiheit der Gesinnung, welche damals die Vertreter
des preußischen Staates bewiesen haben. Allerdings waren es
Humboldt, Fichte, Schleiermacher! Und wunderbar, diese so un⸗ abhängige Universität, in der volle Denkfreiheit herrscht, ist die Chrenwäüchterin des Hauses Hohenzollern geworden, während man in anderen Staaten sich der Freiheit nur bedienen zu wollen scheint, um die Prinzipien des Staates und der Kegierung selbst zu erschüttern.“
— Der Ausschuß des Senates für das Gemeinde⸗ gesetz besteht, wie sich jetzt genauer ergiebt, aus vier Mitglie⸗ dern, welche gegen, vier, welche für das Gesetz sind, und aus einem, welches für das Gesetz, aber gegen den Art. 3 desselben
ist, der neue Wahlen der Maires anordnet. Nach dieser Zu⸗
sammensetzung ist anzunehmen, daß das Gemeindegesetz im Senat durchgehen wird, aber ohne die Bestimmung wegen der allge⸗ meinen Wahlen der Maires nach Verkündigung des Gesetzes. Daß die Lage des Kabinets eine sehr mißliche wird, wenn der
Senat sein Nein erklären sollte, setzt heute auch der „Moniteur“
auseinander, empsiehlt aber gleichfalls die Verwerfung des Art. 3 des neuen Gesetzes, von dem er nebenbei sagt, es sei viel schlechter als das jetzt in Kraft stehende Gemeindegesetz. Der „Moniteur“ deutet an, daß der Senat am besten thun würde, wenn er die Entscheidung über dieses Gesetz bis zur nächsten Session vertagte.
— Der Minister des Innern hat angeordnet, daß ein telegraphischer Auszug aus den Berichten über beide Kammern den pariser Abendblättern unentgeltlich zugehen soll, ferner daß die Benutzung des Telegraphendrahts zwischen Paris und Versailles für Spezialdepeschen an die Blätter fortan nur 25 Fr. die Stunde kosten soll statt 50 wie bisher. Marcere ordnete diese Erleichterungen auf Possards Vorschlag an.
— Der „Köln. Ztg.“ wird geschrieben: „General Chanzy ist keineswegs nur deshalb nach Paris gekommen, wie er sagte, weil er es für seine Pflicht hielt, bei Gelegenheit des Gesetzes Waddington für die Regierung einzutreten; der eigentliche Grund seiner Reise war, daß in Algerien, wo die Muselmänner gegenwärtig eine großartige Propaganda zu Gunsten des „hei⸗ ligen Krieges“ machen, große Erregung herrscht und ein all⸗ gemeiner Aufstand zu befürchten ist. General Chanzy hielt es für nothwendig, der Regierung über die Lage der Dinge in der französischen Kolonie mündlich zu berichten, und er setzt es auch durch, daß ganz außerordentliche Maßregeln getroffen werden. Der Kriegs⸗Minister befahl, alle Anstalten zu treffen, daß sofort 50,000 Mann Verstärkungen nach Algerien geworfen werden können und ernannte einen Generalstabschef, der sich unverzüglich nach Marseille begeben wird, um dort das Weitere abzuwarten.“
— Die Streichungen, welche der Budgetausschuß gegenüber dem von der Regierung aufgestellten Ausgabebudget beantragt, stellen sich so: Justiz und Kultus 2,388,450 Frs., Aeußeres 728,500 Frs., Inneres und Algerien 2,489,426 Frs., Krieg 5,528,474 Frs., Marine 7,883,291 Frs., Ackerbau und Handel 163,000 Frs., Finanzen und Unkosten der Steuer⸗ einnahmen 8,325,925 Frs. Dagegen schlägt der Ausschuß eine Mehrbewilligung von 630,000 Frs. für die öffentlichen Arbeiten, von 7,695,925 Frs. für den öffentlichen Unterricht vor.
— Nach dem vom „ZJournal officiel“ gebrachten Tableau der direkten und indirekten Steuern im ersten Se⸗ heset d. J. haben die ersteren 334,239,800 Fr., d. h. 45,867,000 mehr als das Vorjahr ergeben. Die indirekten Steuern ergaben in diesem Semester 983 ½ Mill., der Voranschlag betrug 913, d. h. 70 Mill. weniger als der wirkliche Ertrag ist. — Die 3 proz. Abgabe von den Mobilien hat 18 Mill. eingebracht,
eiwas mehr als die Hälfte der für das ganze Jahr veranschlagten Summe.
— 27. Juli. (W. T. B.) Wie aus Deputirtenkreisen ver⸗ lautet, hat der Präsident Mac Mahon in einem heute früh abgehaltenen Ministerrath den Wunsch ausgedrückt, daß vor der bevorstehenden Vertagung der Kammern das Budget noch vollständig durchberathen und zu dem Ende die Session bis zum 20. k. M. verlängert werden möchte. Iese zusseeeertte
Versailles, 27. Jult. (W. T. B.) Die Deputirten⸗ kammer begann heute die Budgetberathung. Bei der rasch zu Ende geführten Generaldebatte wurde von den Bona⸗ partisten mehrfach Widerspruch erhoben und besonders geltend gemacht, daß das Budget der Republik sich viel höher belaufe, als dies bei den Budgets der Monarchie jemals der Fall ge⸗ wesen sei. Der Finanz⸗Minister gab zu, daß das Budget höher sei, hob aber hervor, daß es sich nicht um imaginäre Ausgaben oder solche nach Lust und Laune, sondern um nothwendige und um Nutzen bringende Ausgaben handele. Ueberdies sei es die Schuld des Kaiserreichs, wenn das Budget sich erhöht habe, denn unter ihm sei die Staatsschuld um 700 Millionen gewachsen. In der Spezialdebatte wurden hierauf mehrere Kapitel des Etats für den öffentlichen Unterricht genehmigt. Die Berathung des Etats wird morgen fortgesetzt.
Italien. Rom, 25. Juli. Die „Opinione“ widmet dem Handelsvertrage, welcher mit Rumänien abgeschlossen werden soll, einen Artikel, und spricht ihre Freude darüber aus, daß Italien dadurch mit dieser entfernten römischen Kolonie in Verbindung trete.
— Bei den Wahlen zur Ergänzung der Kommunal⸗ und Provinzialräthe haben in Venedig die gemäßigt Libera⸗ len und in Rovigo die Fortschrittsparthei gesiegt. Die Klerikalen unterlagen in Rovigo wie in Venedig trotz aller Anstrengungen.
— Ueber die Maßregeln zur Aufhebung der Klöster oder das Aufhören der Anerkennung religiöser Orden und Ver⸗ eine als bevorrechtigter, insbesondere des Besitzes und einer eximirten Disziplin fähiger juristischer Personen entnehmen wir der „Köln. Ztg.“ Folgendes:
Im Königreich Italien war in dieser Beziehung bereits in der Mitte der sechsziger Jahre gleiches Recht geschaffen worden. Als nun Rom zur Hauptstadt des Landes wurde, konnte die Einführung des anderwärts geltenden Rechtszustandes nur eine Frage der Zeit sein. Im Sommer 1873 ist die bezügliche Vorlage Seitens der Kammer und des Senats angenommen und nun die „Aufhebung“ der Römi⸗ schen Klöster einem besonderen Ausschusse anvertraut worden, der jetzt im Begriffe steht, seine Arbeit zu vollenden. Es erhellt schon, aus der großen Anzahl der Gegenstände und ihrer Verschiedenartigkeit, daß die Arbeit des Ausschusses eine sehr umfangreiche und verwickelte gewesen sein muß. In der Beilage, welche der damalige Justiz⸗ Minister de Falco 1872 mit der gedachten Vorlage zugleich der Kam⸗ mer einreichte, beziffert sich die Anzahl der in Rom vorhandenen Klöster und Häuser religiöser Orden auf 232. Davon kamen auf die männlichen Orden und Vereinigungen 126 Klöster (114 von besitzenden, 12 von Bettelorden), 5 Hospitäler und 3 Pönitentiarien; auf die weib⸗ lichen Orden 90 Häuser, 6 Hospitäler und 2 Strafanstalten. Die Mitglieder der ersteren beliefen sich auf 2375, und zwar 1936 Priester und 739 Laienbrüder, die der letzteren auf 2183, und zwar 1778 Choristen und 405 Konversen. Zusammen ergab dies die Zahl von 4558 Mitgliedern religiöser Orden oder bei der damaligen Bevöl⸗ kerungszahl der Stat eins derselben auf je 53 Bewohner. Dem in Folge des Gesetzes vom 19. Juni 1873 durch Königliche Verordnung eingesetzten Ausschusse lag nun die Aufgabe ob, bei diesen sämmtlichen Orden und Vereinen das Vermögen zu ermitteln, eine Reihe von Vorfragen zu erledigen, nach welchen dessen Ertrag auch fernerhin verwendet werden soll, ferner die Jahrgehälter fur die einzelnen Ordensmitglieder zu bestimmen, ihnen die einst ins Kloster gebrachte Mitgift herauszubezahlen und die öffentlichen Verkäufe des Grundeigenthums einzuleiten beziehentlich zu erledigen, welche der Umwandlung desselben in Staatsrente voran⸗ gehen müßten.
Der Ausschuß hat bei 151 Ordenshäusern diese Ob⸗ liegenheiten im Verlauf der drei Jahre zu Ende geführt. Bei 75 Häͤusern ergab sich, daß sie nicht unmittelbar unter das be⸗ treffende Gesetz der Aufhebung, sondern unter die allgemeinen Bestimmungen über das Vereinswesen fallen, da ihre Mit⸗ glieder nicht durch Klausur oder besondere Gelübde gebunden oder nicht auf Lebenszeit verpflichtet sind, kurzum, da die Kennzeichen, welche das erwähnte Gesetz voraussetzt, nicht zutrafen. Aus beson⸗ derer Rücksicht für Rom, als den Mittelpunkt der katholischen Kirche und Wohnsitz des Papstes, wurde von den Klöstern kein einziges an Privatleute verkauft. Dieselben sind entweder in den Besitz des Staates übergegangen und dienen der öffentlichen Verwaltung oder sie sind in die Hände der Römischen Stadtgemeinde gelangt, um für Schul⸗ und andere Zwecke verwandt zu werden, oder harren noch ihrer Bestimmung. Alle Gesuche von Privaten, welche beabsichtigten, die zum Theil ungemein ausgedehnten Gebäulichkeiten früherer Klöster zu ge⸗ werblichen oder kaufmännischen Zwecken zu verwenden, hat man abgewiesen⸗
Die zu meist niedrigen Anschlägen ausgebotenen Grundstücke
haben einen Verkaufspreis von 23 Millionen Lire erzielt und damit das Ausgebot um 4 Millionen überstiegen. Zu diesem Klostergut von 23 Millionen an baarem Vermögen, welches der Ausschuß vor⸗ fand, also eine Gesammtsumme von 72 ½ Millionen im Haben, der dann freilich 31 Millionen im Soll gegenüberstehen. Da das Gesetz vom 13. Juni 1873 ausdrücklich festsetzt, d. alle etwaigen Ueber⸗ schüff für den Kalt, und Parochialfonds in Rom verwandt werden ollen, so wird auch nach dem jetzigen günstigen Stande der Dinge der Fiskus noch keinen Vortheil von der Aufhebung der Klöster haben, sich aber allerdings die geleisteten Vorschüsse zurückerstatten lassen können. Der Ausschuß selbst steht nun vor dem Schlusse sei⸗ ner Die Arbeit der Besitzergreifung, Umwandlung und Anweisung der Dotationen und Pensionen an die Bewohner ist nur noch bei sechs Klöstern zu vollziehen. Dann ist noch eine Reihe von Prozessen, meist über streitige Zuständigkeit, zu erledigen.
Was die Versorgung der Mönche und Nonnen betrifft, sind nach dieser Seite hin selten begründete Klagen laut geworden. Inrem man den einzelnen Nonnen ihre Jahrgehälter anwies und ihre Mit⸗ gift zurückzahlte, stellte man ihnen frei, entweder in ihre Familien zurückzukehren oder, falls sie dies nicht könnten oder wollten, in einem der ausdrücklich für diesen Zweck zur Verfügung gestellten Klöster, in welchem die Mitglieder verschiedener weiblicher Orden neben einander Aufnahme fanden, ihre Wohnung zu nehmen. Beides ist denn auch geschehen, und noch einen dritten Weg hat man in einigen Fällen damit eingeschlagen, daß man der Aebtissin und den Schwestern einen kleinen aber hinreichenden Theil ihres eigenen Klosters auf Lebenszeit überließ. Mit den Ordensbvrüdern ist man ähnlich verfahren, jedoch hat man nur den Alten und Schwachen unter ihnen eine kleine Anzahl von Asylen geöffnet, in denen nun Angehörige aller Arten von Orden sich zufammenfinden. Andere sind entweder zur Bedienung der Kirche oder zur Pflege der Kranken, oder aber bei einigen Bibliotheken als Beamte in ihren bisherigen Stellungen geblieben, so z. B. bei den drei größten römi⸗ schen Bibliotheken gedruckter Bücher diejenigen Mitglieder des Domi⸗ nikaner⸗, Augustiner⸗ und Oratorianer Ordens, welche bis dahin diese Stellen versehen hatten. Noch andere find ins Privatleben zurück⸗ gekehrt, während endlich eine nicht unbeträchtliche Anzahl sich in Privathäusern gesellschaftlich eingemiethet hat und dort ihr Leben in der gewohnten Weise weiterführt. Diese Leute zehren denn von den Gehältern, welche allen, die vor 1870 bereits in einen Orden einge⸗ treten waren, zuerkannt worden sind. Erweist sich die allerdings nicht übergroße fährliche Summe als ungenügend, so steht auch nichts im Wege, daß der Einzelne sich nebenbei etwas verdiene.
— 27. Juli. (W. T. B.) Der Papst empfing am Dienstag die Zöglinge der ausländischen Kollegien. Bei der an dieselben gerichteten Ansprache redete der Papst von Unordnungen, die in Rom herrschen sollten und von an⸗ geblichen Plänen von Sektirern, die eine künftige Papst⸗ wahl mittelst einer Volksabstimmung bewirken wollten. Zum Schluß ermahnte der Papst die Zöglinge, würdige Diener Gottes zu werden.
Türkei. Der „Neuen freien Presse“ wird laut Telegramm vom heutigen Tage nunmehr ebenfalls von zuverlässiger Seite gemeldet, daß Sultan Murad schwer krank und daß seine Krankheit die Ursache sei, weshalb die Investitur desselben und ein Empfang der fremden Botschafter bisher nicht statt⸗ gefunden habe.
— Aus Serajevo, 19. Juli, wird der „Pol. Corr.“ ge⸗ schrieben:
Der neue Vali Nazif Pascha hat gestern allen hier an⸗ wesenden Generalkonsuln offizielle Besuche gemacht. Bei diesem An⸗ lasse trug der Generalgouverneur eine sehr zuversichtliche Stimmung ur Schau. Einem der Generalkonsuln gegenüber äußerte sich Nazif
ascha, daß „mit Gottes Hülfe der serbisch⸗türkische Krieg in vier⸗ ehn Tagen zu Ende sein werde.“ Die türkische Behörde organisirt sett auch katholische Legionen gegen die Serben. Aus Travnik sind 500 Katholiken zur Drina abgegangen. b 8
Die Kaiserlichen Kommissäre für die Durchführung der Reformen in der Herzegowina und Bosnien, Ali Pascha und Hajdar Effendi, bereiten sich vor, Mostar und Serajevo zu verlassen. Ali Pascha soll abermals in das diplomatische Corps ein⸗ treten und als Gesandter des Sultans am italienischeu Hofe nach Rom gehen.
In einer Versammlung, welche im Konak des Vali abge⸗ halten wurde, berieth man über die Beschaffung von 100,000 Livres, die man für die Armeecorps des Djelalvin und Moukhtar Pascha unbe⸗ dingt braucht. Auch die hiesigen christlichen Notablen sowie der Metropolit Antimus waren anwesend. Die Serajever Kaufleute zeichneten eine namhafte Summe. Metropolit Antimus versprach, die Geistlichen seiner Umgebung in das Vilajet zu schicken, um das orthodoxe Volk zur Leistung einer Kriegssteuer zu bewegen.
Vom Kriegsschauplatze liegen heute folgende Tele⸗ gramme vor:
Belgrad, 27. Juli. (W. T. B.) Die Regierung ver⸗ öffentlicht folgende Nachricht vom Kriegsschauplatze: Gestern Mittag versuchte ein Theil der türkischen Armee den Timok bei Vraecesogernitza (ungefähr 1 ½ Meilen nördlich von Saitschar) zu überschreiten, wurde jedoch von unserer In⸗ fanterie gehindert, sich dem Flusse zu nähern. Unsere Verluste sind unbedeutend, die Verluste der Türken sind bedeutend größer, da unser Feuer auf die feindlichen Angriffskolonnen gerichtet war, während die Türken unsere Bat⸗ terien erfolglos beschossen. — Am 24. d. M. wurde Derwisch Pascha von Tscholak Antitsch bei Dugapoljana (un⸗ gefähr in der Mitte zwischen Sjenitza und Novibazar) voll⸗ ständig geschlagen. Die Unsrigen machten große Beute. Die Ernennung von Tscholak Antitsch zum Kommandirenden an Stelle des Generals Zach, der erkrankt ist, wurde von der Iba⸗Armee enthusiastisch aufgenommen.
Wien, 27. Juli. (W. T. B.) Die „Politische Korrespon⸗ denz“ meldet aus Ragusa: In Folge der bedeutenden am 23. cr. zwischen Zalom und Newesinje erlittenen Niederlage zogen sich die Montenegriner anfänglich nach Gacko, dann weiter bis Korito zurück, wo sich Fürst Nikita gestern befand; dieselben haben sich inzwischen bei Krstac am Dugapasse in der Herzegowina wieder konzentrirt, wo einem neuen Zusammenstoße entgegengesehen wird. — Das Blatt bringt ferner Details über das am 24. d. an der albanisch⸗montenegrinischen Grenze durch Montenegriner und Kuccianer den Türken gelieferte Gefecht, wobei nicht 1500, sondern 15,000 Türken bis Podgorizza zurückgedrängt worden seien und fügt hinzu, daß, nachdem die Türken seit vor⸗ gestern in Antivari frische Truppen ausgeschifft, ein Angriff der Türken, der die Invasion Montenegros einleiten solle, sich sehr wahrscheinlich in den nächsten Tagen erneuern werde.
— Die „N. fr. Presse“ vom 26. Juli schreibt:
Heute herrscht absoluter Mangel an Nachrichten vom Kriegs⸗ schauplatze. Es ist aber, wenn nicht etwa der Kampf schon entbrannt ist, jenes Stadium der Vorbereitung zur Entscheidungs⸗ eingetreten, in welchem beide Theile über ihre Bewegungen
as größte Stillschweigen beobachten. In Belgrad, wo man sich endlich in die Defensive gefunden hat, herrscht die Ueberzeugung, daß der Hauptangriff Abdul Kerim Paschas bei Zajcar erfolgen werde. Ein solcher hätte allerdings im Falle des Ge⸗ lingens den großen Vortheil für die Türken, daß die von dort nach dem Morawathale ziehende Straße be Paracin und Cuprija nörd⸗ lich von Deligrad, also bereits in den Rücken der hier angelegten B⸗feftigungen führt. Serbische Berichte wollen glauben machen, Zascar sei so stark befestigt, daß die Türken dasselbe nur schwer werden nehmen können. Abgesehen davon, daß keiner der vielen Korrespondenten, welche das türkische Lager bei Veliki⸗Izvor besucht haben, etwas von diesen formidablen Befestigungen bemerkt hat, muß noch darauf aufmerksam gemacht werden, daß die Höhen von Veliki⸗Jzvor die Stellungen der Serben vollständig dominiren, daß es somit der türkischen Artillerie nicht schwer fallen kann, die serbi⸗ schen Werke in Schutt zu schießen. Allerdings wird die Eroberung von Zajcar den Türken viel Blut kosten, und das tückische Ober⸗ Kommando mag es gewiß schon bereut haben, daß Osman Pascha, der wiederholt den Timok überschreiten und Zajcar okkupiren konnte, in seinem Siegeslauf gehemmt wurde.
Ein zweiter für die Türken günstiger Angriffspunkt an der Ostgrenze ist das mehrerwähnte, im oberen Timokthale liegende Kutjazevac. Durch die Besitzergreifung dieser Stadt, bei welcher sich die Straßen von Zajcar, Aleksinac⸗Banja, Nisch und Pirot ver⸗ einigen, würden den Türken auch große strategische Vortheile erwach⸗ sen. Von Kujazevac aus könnte Abdul Kerim Pascha einerseits über Banja in das Morawathal, und zwar im Rücken der Stellung von Aleksinac, debouchiren und andererseits die Po⸗ sition von Zajcar, gegen Norden vorrückend, aufrollen. Die Straße von Kujazevac nach Zajcar wird allerdings durch das histo⸗ risch berühmte Defité von Vratarnica gesverrt; da jedoch Osman Pascha gleichzeitig vom Osten gegen die Timoklinie vorrücken würde, se verliert selbstverständlich dieser sonst sehr schwierige Thalpaß einen Werth für die serbische Vertheidigung. Bedenkt man ferner, daß von der türkischen Frontlinie Nisch⸗Ak⸗Palanka Pirot drei Straßen⸗ züge nach Kujazevac führen, nämlich: 1) Nisch⸗Gramada, 2) Ak⸗ Palanka⸗Babina⸗Glava⸗Pandiralo und 3) Pirot⸗Cerova⸗Pandiralo⸗ Kujazevac, daß somit die Zugänge zu diesem Angriffspunkte für die türkische Armee viel leichter sind, als jene von Adlis und Izvor nach Zajcar, so kann man sich der Erwägung nicht verschließen, daß Kujazevac als Angriffe punkt für die türkische Armee vortheilhafter liegt, als Zatcar. Endlich mußte bei der Wahl des Angriffspunktes im türkischen Hauptquartier noch ein anderes Moment in Berücksich⸗ tigung gezogen werden. Das Gros der türkischen Truppen hat nun einmal seinen strategischen Aufmarsch in der Linie Risch⸗Ak⸗Palanka⸗ Pirot vollführt. Um den Hauptangriff bei Zascar zu unter⸗ nehmen, hätte das Gros der Türken um die Suͤdostspitze Serbiens herum nach Norden roquiren müssen, zu welchem Zwecke nur eine einzige brauchbare Straße (Pirot⸗Widdin) vorhanden ist. End⸗ lich muß Abdul Kerim Pascha auch den Fall der Niederlage in Be⸗ rücksichtigung gezogen haben
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Eine Niederlage bei Zajcar müßte v.
Rückzug der Türken nach Widdin, das heißt die Trennung von ihrer Basis und Operationslinie zur Folge haben.
Alle diese Gründe sprechen für die Wahl von Kujazevac als Hauptangriffspunkt, was allerdings nicht ausschließt, daß Osman Pascha bei Zascar und ein anderes Corps von Nisch aus bei Alek⸗ sinac die serbische Grenze forciren dürften.
„— Die „Presse“ vom 26. stellt die Lage auf dem Kriegsschauplatze, von militärischen Gesichtspunkten aus, folgendermaßen dar:
Wienn sich die glücklichen Vorpostengefechte der Jbar⸗Divi⸗ sion auch bestätigen sollten, so können sie doch nur ein schwacher Trost für die allgemeine Situation sein, in der sich die serbische Armee dermalen befindet. Auch scheinen die taktischen Bewegungen dieser Diviston in den letzten vierzehn Tagen nicht für die Umsicht und klare Anschauung der thatsächlichen Verhältnisse Seitens ihres Kommandanten General Zach zu sprechen. Es ist bekannt, daß Archimandrit Ducsics am 7. und am 14. Juli gegen Novavarosch operirte. Ebenso hatte Tscholak⸗Antics am 7. Novi⸗ Bazar angegriffen und „bombardirt“. Und nun erfahren wir, daß am 24. d. M. Duesics die Türken aus ihren Blockhäusern bei dem Brunnen Basiljina Tschesma verjagt habe. Er muß also einen augenscheinlich nicht sehr bequemen Marsch von sechs bis sieben Meilen im hochbewaldeten Mittelgebirge hinter den Truppen Zachs ausgeführt haben. An demselben Tage operirte auch Tscholak⸗ Antics gegen Sjeniza. Mit dem „Bombardement“ und mit der Einnahme von Novibazar hatte es also auch eine eigene Bewandtniß, sonst hätte auch er einen Marsch von sieben bis acht Meilen nach Westen nicht zu unternehmen gebraucht, um die Türken anzugreifen. Man fragt sich aanz unwillkürlich, welche Angriffsdispositionen waren die richtigen: die vom 7. Juli gegen Novavarosch, Sjeniza, Novi⸗ bazar und Mittrovitz, oder die konzentrischen Bewegungen vom 24. Juli gegen Sjeniza? Wir möchten die Zweckmäßigkeit beider Disposi-⸗ tionen, ob sie zum Siege geführt haben oder nicht, bezweifeln. Wir kommen immer wieder darauf zurück, daß Novibazar das wahre Opera⸗ tions⸗Objekt des Generals Zach war und bleibt. Der Vorstoß gegen Sieniza, um den Montenegrinern die Hand zu reichen, ist um so weniger zu rechtfertigen, als Fürst Nikita eine unüberwindliche Ab⸗ süicung gegen eine Kooperation mit der serbischen Armee zu haben
eint.
Die Niederlage der Montenegriner zwischen Blagaj und Nevesinje wird nun auch von serbischer Seite bestätigt. Fürst Nikita fcheint in den Wäldern der Bischina von dem beweg⸗ lichen Moukhtur Pascha überrascht worden zu sein. Wir haben schon vor mehreren Tagen darauf hingewiesen, daß Fürst Nikita durch die Cernirung von fünf befestigten Punkten seine kleine Armee über⸗ mäßig geschwächt und seine Vorrückung gegen Mostar zu sehr be⸗ schleunigt habe. Seine vor zehn Tagen gegen Nevesinje vorgeschobe⸗ nen Abtheilungen mußten ihm doch darüber berichtet haben, daß Mostar nicht im Handumdrehen zu nehmen sei.
Bei Podgorizza scheinen die beiderseitigen Streitkräfte unze⸗ nügend zu sein, um eine entscheidende Operation zu unternehmen. Die Montenegriner suchen auf dem östlichen und westlichen Ufer gegen Scutari vorzurücken, ohne bisher größere Erfolge erzielt zu haben. Wenigstens wurde bisher die Fortsetzung der Vorrückung des Mascha Gjurovics von Seoze nach Murics und die durch den Paß Sut⸗ turman gegen die Ebene von Antivari nicht gemeldet. Bozo Pe⸗ trovies shat noch immer Medun cernirt und steht vor Podgorizza.
— Aus Belgrad, 23. Juli, erhält die „Pol. Corr.“ fol⸗ gende Nachrichten:
Der Kriegs⸗Minister hat neuerlich ein Artillerie⸗Regi⸗ ment aus drei Batterien formiren lassen. In Kragujevatz werden die Kanonen laffettirt. Seit dem Ausbruche des Krieges ist es das zweite Artillerie⸗Regiment, welches gebildet wird. Die serbische Artillerie wird dadurch um sechs Batterien vermehrt. Man legt hier das größte Gewicht auf eine zahlreiche Artillerie. Wo die serbische Artillerie eingreifen konnte, haben die Serben Vortheile errungen. Man will nun aus diesem Grunde zumeist Artillerie in Anwendung bringen. Mit der Formation der neuen Batterien gehen fortwährende Einkäufe von Pferden Hand in Hand. Täglich werden 40 bis 50 Pferde der betreffenden Kommission vorgeführt. Bei dieser Feeleseh et sei bemerkt, daß die Regierung alle Lieferungen baar ezahlt.
Die hiesige Festung wird armirt. Auf den Wällen der unteren, an der Wasserseite liegenden Festung sieht man kolossale Festungs⸗ geschütze placirt. Es sind dies dieselben Geschütze, welche die Pforte nach dem Krimkriege von England gekauft und nach Belgrad bringen ließ. Bekanntlich machte der Sultan sämmtliche Festungsgeschütze von Belgrad 1867 dem Fürsten Michael zum Geschenke.
Wie bereits berichtet wurde, ist der Oberst Kirejeff, der die bulgarischen Freiwilligen kommandirte, am 18. bei Saitschar gefallen. Kirejeff war eine große, stattliche Persönlichkeit und zeichnete sich zurch besondere Tapferkeit aus. Für den Gefallenen wird ein Requiem mit großem Pompe vorbereitet. Der Oberst Komaroff ist hier angekommen.
Ein Theil der Südostarmee ist an den Timok dirigirt worden. Dort soll die Entscheidungsschlacht geschlagen werden. Aus allen türkischen Bewegungen soll hervorgehen, daß Ab dul Ke⸗ rim Pascha die Heeresstraße über Saitschar forciren will. Wie man behauptet, soll Tschernajeff jetzt persönlich das Kommando bei Saitschar führen. Wiewohl man hier einsieht, daß man nicht gerade glänzend steht, so ist man doch andererseits weit davon entfernt, zu verzweifeln. Die Armeen mögen bis jetzt an Todten und Verwunde⸗ ten bei 8000 Mann verloren haben, dadurch ist aber die Heeresmacht keineswegs stark geschwächt worden. Seit dem Beginne des Krieges sind bei 30,000 Mann frischer Truppen der Armee zugeführt worden, abgesehen von den Freiwilligen und Aufständischen, deren Zahl auch ziemlich groß ist und die wesentliche Dienste leisten. Ueberall haben die exponirten Corps starke Defensivstellungen. Man giebt noch keineswegs die Hoffnung auf einen günstigen Ausgang des Krieges auf. — Aus Rußland, Oesterreich, Italien, Deutschland, England und Nordamerika sind Aerzte angelangt, welche der Armee zum größ⸗ ten Theile unentgeltliche Dienste leisten wollen.
— Ueber die im serbischen Hauptquartier zu Pa⸗ racin herrschende Stimmung telegraphirt der Korrespondent der „Daily News“ seinem Blatte vom Freitag den 21. d. M. Fol⸗ gendes:
Es wäre nutzlos, sich zu verhehlen, daß die gegenwärtige Lage Serbiens eine sehr kritische ist. Alles scheint von dem glücklichen Ausgange des Versuchs, Ozman Pascha einen zerschmettern⸗ den 8 zu versetzen, ihn nach Widdin zurückzuwerfen und so die Ostgrenze frei zu machen, abzuhängen. Die Türken entwickeln eine unerwartete strategische Geschicklichkeit und vereinen plan⸗ mäßiges Vorgehen mit raschem Erfassen der Situation. Sie waren vollkommen unterrichtet von der Absendung eines Viertheils der bei Nisch gestandenen serbischen Truppen behufs Unterstützung Ljeschanins in der Front von Zajcar. Die Türken benützten am Mitt⸗ woch diese Verringerung der serbischen Streitkräfte, um Uzun Mirko⸗ witz anzugreifen, und ovwohl behauptet wird, daß sie zurückgeschlagen worden seien, werden sie doch waͤhrscheinlich die Offensive an der süd⸗ östlichen Front, vielleicht unter Mitwirkung der Besatzung von Nisch, erneuern. Die Haltung, welche die Türken in jüngster Zeit einge⸗ nommen haben, ist ersichtlich eine energische, überall schreiten sie zur Offensive, und dies ist eine Politik, welcher der unvortheilhafte Charakter des serbischen, nach drei Seiten für den Angreifer offen liegenden Gebiets ein noch stärkeres Relief verleiht. Wena die Serben auf Offensive sinnen, wie in dem Falle Ducic gegen Nova⸗Varos, so kommen die Türken der Bewegung durch einen Angriff zuvor. Sie scheinen entschlossen, zu versuchen, die Serben auf allen Punkten innerhalb ihrer Grenz⸗ linien zurückzudrängen. Ohne Zweifel war dies auch bei dem Angriffe auf Alimpits Stellung zwischen Bjelina und der Drina ihre Absicht. Nirgendwo stehen die Serben mehr als einen Tagmarsch weit über ihre Grenze hinaus. Nirgendwo haben sie über die ursprünglichen, seit Beginn des Monats eingenommenen Stellungen hi
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