stellen, nur müssen sie im Inlande einen Vertreter bestellen oder Rechtsdomizil nehmen. 2) Neben der früher acceptirten Bestimmung, daß nach Ana⸗
logie des letzten englischen Entwurfs das Patent bei ungenügen⸗
der Ausführung im Inlande aufgehoben werden kann, wünscht die Mehrheit (14 Stimmen) einen Zusatz, daß die Einfuhr paten⸗ tirter Gegenstände dann als Beweis der ungenügenden Aus ührung anzusehen und zur Aufhebung des Patents führen soll, wenn eine qua⸗ sizirte Persönlichkeit sich zur Herstellung im Inlande bereit erklärt hat. Außerdem erklären sich 6 Stimmen für die französische Bestim⸗ mung, nach welcher das Patent verwirkt wird, wenn der Patent⸗ inhaber ähnliche Gegenstände wie die patentirten einführt oder inführen läßt, ohne dagegen einzuschreiten. Alle Mitglieder mit Ausnahme von 3 wünschen diese Maßregel wenigstens gegenüber den ein deutsches Patent nehmenden Angehörigen derjenigen Länder angewendet zu sehen, welche eine ähnliche Be⸗ stimmung in ihren Gesetzen haben.
Abgesehen hiervon wied ein Ausführungsnachweis nicht für erforderlich gehalten.
3) Für eine Dauer des Patentschutzes von 15 Jahren er⸗ klären sich alle, mit Ausnahme von 2 Stimmen, die sich für 20 Jahre aussprechen. 8
Eine Verlängerung der Patente in besonderen Fällen durch eine höhere Administranvbehörde über die Dauer von 15 Jahren hinaus wird von 10 Mitgliedern beantragt. 1
Für eine Vorschrift, die Dauer des inländischen Patents
vpon dem kurzlebigsten ausländischen Patente abhängig zu machen, erklärt sich Niemand. 1 1 4) Von 2 Mitgliedern wird eine Prüfungsgebühr von 100 Mark gewünscht. Zwei andere Mitglieder beantragen, daß der Erfi der die selbst eingeschätzte Patentprämie als Gebühr ntrichten soll. Für jährlich zu entrichtende progressive Patentabgaben nach den Vorschlägen des Patentschutzvereins sind mit oder ohne geringe Modifikationen Alle außer 2. 8
Eine Mehrheit von 12 ist ferner gegen die Zulässigkeit der Vorauszahlung der Gebühren, 7 wollen diese Vorauszahlung ür die beiden ersten Jahre gestatten. Eine Stundung der beiden ersten Jahresabgaben für arme Erfinder wird von 6 Mitgliedern beantragt.
. Einstimmigkeit herrscht darüber, daß der Patentinhaber
Nachträge und Zusätze zu seinem Patente machen darf. Solche
Zusatzpatente erlöschen mit den Hauptpatenten und bedingen nur eringere Gebühren.
5) Alle sind darin einig, daß eine Erfindung nicht als neu gelten kann, wenn sie im In⸗ oder Auslande durch Druck oder
oöffenkundigen Betrieb oder anderweit so bekannt geworden, daß ihre Ausführung danach durch jeden Sachverständigen möglich ist. Die Veröffentlichung der Erfindung durch ausländische Patentbehörden ist jeder anderen Publikation gleichzuachten. — Eine Einschränkung der obigen Bestimmung wird von 9 Mit⸗ gliedern dahin gewünscht, daß nur dasjenige als nicht neu gelten oll, was seit 50 Jahren gedruckt oder offenkundig betrieben ist. Nach einstimmiger Ansicht soll die geheime Benutzung einer Erfindung die Ertheilung des Patents an einen Anderen nicht usschließen. Derjenige, welcher die Erfindung bisher geheim be⸗ t hat, behält aber das Recht, sie fernerhin selbst zu benützen. 8 Die Priorität der Anmeldung soll auch dann entscheiden, wenn dieselbe Erfindung von Mehreren gleichzeitig gemacht ist. Der Antrag, für eine von Mehreren selbständig gemachte Er⸗ findung, wenn sie von Mehreren am selben Tage angemeldet 8 wird, ein gemeinsames Patent zu ertheilen, wird nur von drei Mitgliedern unterstützt.
6) Der Erfinder soll weder überhaupt, noch während einer
estimmten Zeit ein ausschließliches Recht haben, sich Ver⸗ besserungen an seiner Erfindung patentiren zu lassen. 7) Das Patentrecht kann durch Rechtsgeschäfte unter Leben⸗ den und von Todeswegen ganz oder getheilt übertragen werden.
8) Die Mitglieder des Patentamtes sollen nach ihrer Sach⸗ unde in verschiedene Abtheilungen geschieden werden.
9) Uebereinstimmung herrscht darüber, daß bei allen Patent⸗ streitigkeiten möglichst die ordentlichen Gerichte auszuschließen sind und ein Spezialgericht (der Patenthof) entscheiden soll, gegen dessen Entscheidung die Nichtigkeitsbeschwerde an das Reichsgericht stattfindet. Nur Klagen wegen Patentverletzungen, bei welchen die Gültigkeit des Patents nicht bestritten wird, wollen einige Mit⸗ glieder an die ordentlichen Gerichte verwiesen sehen, welche als⸗ dann verpflichtet wären, die Gutachten eines besonders zu bil⸗ denden Sachverständigen⸗Kollegiums einzuholen, ohne daß durch bieselben die Gerichte gebunden sein sollen.
— Auf Grund des §. 32 der Verordnung vom 30. Mai 1849 und des §. 3 des Gesetzes vom 11. März 1869 hat das Staats⸗Ministerium unterm 23. August d. J. bestimmt, was folgt: 1) Der H. 11 des über die Ausführung der Wahlen zum Hause der Abgeordneten für den Umfang der Monarchie mit Ausnahme der Hohenzollernschen Lande unter dem 10. Juli 1870 erlassenen Reglements tritt außer Kraft. 2) An die Stelle des letzten Absatzes im §. 14 des zu 1 gedachten Reglements tritt folgende Bestimmung: „Abwesende können in keiner Weise durch Stellvertreter oder sonst an der Wahl Theil nehmen.“ Der außer Kraft gesetzte §. 11 lautete: „Aus der Abtheilungsliste des Urwahlbezirks wird für jeden einzelnen landwehrpflichtigen Urwähler, welcher zur Zeit der Wahl zum Dienste einberufen ist, und sich in Folge dessen nicht an seinem sonstigen Wohn⸗ oder Aufenthaltsorte befindet, nach dem Muster der Anlage ein Auszug gemacht; derselbe muß enthalten: a. den Namen und Wohnort des Urwählers, b. den Steuerbetrag, mit welchem er zum Ansatz gekommen ist, c) den Bezirk und die Abtheilung, für welche er zu wählen hat, d) die Zahl der von der Abtheilung zu wählenden Wahlmänner. Dieser Auszug ist dem Bezirks⸗Commandeur des Landwehr⸗Ba⸗ taillons mit dem Ersuchen zu übersenden, ihn Behufs der Aus⸗ üllung der Namen der Wahlmänner durch die landwehrpflich⸗ tigen Urwähler an den Commandeur desjenigen Bataillons ge⸗ langen zu lassen, zu welchem dieselben einberufen sind. Auf demselben Wege gelangt der ausgefüllte Auszug zurück, und ist ie Requisition sowie die Erledigung derselben so zu beschleu⸗ nigen, daß die ausgefüllten Auszüge noch vor dem Wahltermine in den Händen des Wahlvorstehers sich befinden. Trifft dies nicht zu oder werden engere Wahlen erforderlich, so ist das Wahlverfahren ohne Rücksicht auf die Stimmen der zum Dienste einberufenen Landwehrmänner zum Abschlusse zu bringen.“
Der letzte Absatz des §. 14 hatte folgende Fassung: „Abwe⸗ sende, mit Ausnahme der zum Dienst einberufenen Landwehr⸗ pflichtigen, können in keiner Weise durch Stellvertreter oder sonst an der Wahl Theil nehmen.“
Ebenso hat das Staats⸗Minifterium unter demselben Datum
5
die Aufhebung des g leichen Paragraphen (§. 10) de hegfegnene abgehaltenen
“ 6““ 8
vom 10. Juli 1870, betreffend die Ausführung der Wahlen zum Hause der Abgeordneten in den Hohenzollernschen Laanden vnd die entsprechende Aenderung des §. 13 des Reglemeuts be⸗ schlossen.
Zur Ausführung des §. 2 des Gesetzes, betreffend die Vereinigung des Herzogthums Lauenburg mit der
preußischen Monarchie vom 23. Juni 1876, hat das Staats⸗Ministerium unter dem 23. August d. J. bestimmt, das zu der Verordnung vom 30. Mai 1849 und dem Gesetze vom 11. März 1869 über die Ausführung der Wahlen zum Hause der Abgeordneten ergangene Reglement vom 10. Juli 1870 tritt für den Kreis Herzogthum Lauenburg mit folgenden Maßgaben in Kraft: 1) der §. 11 des Reglements fällt weg; 2) an Stelle des letzten Absatzes im §. 14 dafelbst tritt folgende Bestimmung: „Abwesende können in keiner Weise durch Stellvertreter oder sonst an der Wahl Theil nehmen; 3) die besonderen Vorschrif⸗ ten des Reglements für die Provinz Schleswig⸗Holstein finden auch auf den Kreis Herzogthum Lauenburg Anwendung.
nnennnmsÜsenenn.
☚ — Das Erbschaftssteueramt zu Halle a. S., welches den bisherigen Amtsbezirk behält, wird zum 1. Oktober d. Is. nach Magdeburg verlegt werden. Von diesem Zeitpunkte an führt das schon bisher in Magdeburg befindlich gewesene Erb⸗ schaftssteueramt die Bezeichnung: „Erbschaftssteueramt I.“ und das dorthin zu verlegende bisherige Amt Halle die Bezeichnung: „Erbschaftssteueramt II.“
— Der Kaiserliche Botschafter Graf zu Stolberg⸗Wer⸗ nigerode traf gestern früh aus Merseburg hier ein und ist Abends auf seinen Posten nach Wien zurückgereist.
— Als Aerzte haben sich niedergelassen: Dr. A. Weyl in Vandsburg, Dr. Wisniewski in Mewe, Arzt Heynacher in Marienwerder, DDr. Pahlke, L. Müller, Mally, Tamm, Gottschau und Lysakowski, sowie die Aerzte Maerkel und Otto in Berlin, Dr. P. Simon in Bütow, Ober⸗Stabs⸗ arzt Dr. Regenbrecht in Belgard, Dr. Müller in Fischbach, Dr. Huth in Stendal, Dr. Freudenhammer in Lank, Dr. E. Carp in Wesel.
— S. M. S. „Ariadne“ ist, telegraphischer Nachricht zufolge, am 11. d. Mts. von Batavia kommend, in Aden ein⸗ getroffen. An Bord Alles wohl.
Hameln, 9. September. Die städtischen Kollegien beschlos⸗ sen, die beantragte Beihülfe zu den Herstellungskosten der An⸗ lagen zum Kriegerdenkmal dem Verschönerungsverein zu gewähren; es ist dies eine Summe von 1544 ℳ 62 J. So⸗ dann wurde die Uebernahme der Kosten für Instandhaltuna der Anlagen beschlossen.
A Bayern. München, 10. September. Die Königin Maria von Sachsen, welche am 7. d. über Eger von Dresden kommend hier eingetroffen war und sich mittelst Extra⸗ zuges sogleich nach Possenhofen begeben hatte, ist gestern früh nach Lindau weiter gereist. Die Königin⸗Mutter von Sachsen verweilt fortwährend zu Possenhofen.
Baden. Karlsruhe, 8. September. Die Ober⸗Schul⸗ behörde hat, dem „Frkf. J.“ zufolge, die Orts⸗Schulräthe und Lehrer des Landes aufgefordert, nur in dringenden Ausnahme⸗ fällen während der Schulzeit sich mit den Schülern an kirchlichen Feierlichkeiten zu betheiligen, die etwaigen Ausfälle an der geord⸗ neten Unterrichtszeit aber auf irgend eine Weise wieder einzu⸗ bringen. Dabei sind besonders die Beschäftigungen des Lehrers als Organist und die der Schüle bei Beerdigungen hervorgehoben. — Zu den am 11. d. M. im Ministerium des Innern beginnenden Konferenzen des Ober⸗Schulraths und der Schulräthe des Landes behufs praktischer Durchführung des neuen Gesetzes über das Schulwesen, besonders der Bestimmungen über die Aufhebung der früheren Orts⸗Schulräthe und der Ertheilung des Religionsunterrichts, sind vom Ministerium auch die beiden altkatholischen Pfarrer von hier und Konstanz berufen worden.
Hessen. Darmstadt, 9. September. (Frkf. J.) Das hessische Berggesetz erstreckt sich nicht auf die Besteuerung des Bergbaues; es blieb vielmehr die Revision der Besteuerung auf Antrag der Stände einem besonderen Gesetze vorbehalten. Gegenwärtig unterliegt der Bergbau in Hessen der Gewerbe⸗, Einkommen⸗ und Kommunalsteuer und außerdem in Rheinhessen einer fixen Bergwerkssteuer nach dem französischen Dekrete vom 6. Mai 1811; dagegen ist in den übrigen Provinzen der nach Ablauf der zehn Freijahre auf dem Bruttoertrage ruhende „Zwanzigste“ zu entrichten. Der in den letzten Tagen Seitens des Finanz⸗Ministeriums den Ständen vorgelegte Entwurf eines Gesetzes über die Besteuerung der Bergwerke beabsichtigt, ein⸗ heitliche Bestimmungen für das ganze Land einzuführen. — Der Finanzausschuß der Zweiten Kammer hat die Regierung ersucht, eine Revision der Gebäudesteuer⸗Kapitalien, namentlich in den Städten, vorzunehmen. 8
v1“
Oesterreich⸗Ungarn. Wien, 10. September. Arthur abgereist.
— Der ursprünglich für die Einberufung des Reschs⸗ rathes in Aussicht genommene Termin soll erweitert und der Reichsrath erst Mitte Oktober einberufen werden. So lautet eine der „Bohemia“ zugehende Mittheilung, welche auch der „N. Fr. Pr.“
Prinz von England ist heute Nachmittag nach Prag
mehrseitig besätigt wird. Der Grund dieser Verzögerung liegt, letzterem Blatte zufolge, darin, daß die auf den Ausgleich bezüglichen Vereinbarungen zwischen den beiden Ministerien noch keineswegs vollendet sind, sondern noch manche weitere Verhandlung nothwendig machen. Die ungarischen Minister Tisza und Szell treffen, wie aus Pest gemeldet wird, zu diesem Behufe morgen hier ein. Es soll bei dieser Gelegenheit der Zeitpunkt der mit der österreichischen Regierung neu aufzunehmenden Verhand⸗ lungen firirt werden. Namentlich soll das Aktionsprogramm für die parlamentische Herbstsession in Betreff des Ausgleichs, so viel möglich, gemeinsam festgestellt und darüber eine Einigung erzielt werden, welche gleichlautenden Gesetzentwürfe den Legis⸗ lativen vorgelegt und wann dieselben unterbreitet werden sollen. Die Verhandlungen hierüber werden wahrscheinlich am 18. Sep⸗ tember beginnen. 8
Hermannstadt, 10. September. früh im besten Wohlsein hier eingetroffen.
Triest, 10. September. Kronprinz Rudolph ist gestern Abends in Miramare angekommen.
Schweiz.
Der Kaiser ist heute
Solothurn, 11. September. Bei der gestern
katholischen
fammlung behufs Beschlußnahme
Kirchengemeinde⸗Ver⸗
v1“ 8
über die Anstellung, eventuell die Wahl eines christkatholischen Geistlichen, wurde der Antrag mit 402 gegen 320 Stimmen verworfen.
Genf, 9. September. Der katholische General⸗Vikar Dunoyer ist gestern im Alter von 75 Jahren gestorben. Der⸗ selbe machte seine Studien am Seminar von Chambéry und am Seminar St.⸗Sulpice in Paris, wurde 1846 Pfarrer von Genf und übte als solcher die Funktionen eines General⸗Vikar für den Kanton Genf aus, die er später an den Bischof Mermillod abtrat.
Niederlande. Haag, 8. September. Der Prinz von Oranien hat sich auf die Einladung des Prinzen von Wales zur Theilnahme an den von diesem veranstalteten großen Jagden von Paris nach England begeben.
— (Leipz. Ztg.) Das Geschwader, welches von den Niederlanden wegen der Verwickelungen mit Venezuela nach den karaibischen Gewässern entsendet und dort stationirt worden war, ist infolge der von der Regierung von Caracas bethätigten Einlenkung und der dadurch gesicherten Regelung jener Diffe⸗ renzen nunmehr zurückbeordert worden und wird in Kurzem im Hafen von Nieuwediep wieder anlangen. Das Schraubendampfschiff „Van Galen“ bleibt als Stationsschiff in den westindischen Gewässern.
Großbritannien und Irland. London, 11. Sep⸗ tember. (W. T. B.) Der Staats⸗Sekretär des Aeußern, Sarl of Derby, hat heute zwei Deputationen empfangen. Die eine derselben wurde von Georges Potter geführt; an der Spitze der zweiten befanden sich die Leiter der Working mens-peace society. In Erwiderung auf die An⸗ sprache Georges Potters erklärte der Minister, daß die gegen⸗ wärtige Agitation im englischen Volke gefahrdrohend sei. Die auf den Meetings vorgebrachte Beschuldigung, die englische Re⸗ gierung sei mitverantwortlich für die von den türkischen Truppen begangenen Grausamkeiten, werde im Auslande wiederholt und habe sogar Glaube gefunden. Die Gründe für die Aufrechterhaltung der territorialen Integrität des türkischen Reiches existiren nach wie vor. Die Existenz der Türkei könne heute nicht leichter ohne Krieg vernichtet werden als früher und wenn England in Folge der gegenwärtigen Agitation oder durch andere Gründe veranlaßt werden sollte, seine Bestrebungen zu Gunsten der Türkei aufzugeben, so könne dies nur zum eigenen Nachtheil Großbritanniens geschehen. Das türkische Reich sei nicht von gleichartiger Beschaffenheit. In England widerspreche Niemand einer Ausdehnung der Autonomie der türkischen Provinzen, indeß stoße die Durchführung derselben auf bedeutende Schwierigkeiten von lokaler Natur. In Gemeinschaft mit den übrigen Mächten müßten alle nur möglichen Anstrengungen gemacht werden, um thunlichst bald einen Waffenstillstand und im Anschluß daran Friedensunterhandlungen herbeizuführen. Es handele sich jetzt zunächst darum, ein allgemeines Einver⸗ ständniß unter den Großmächten zu erzielen. Die Unterhand⸗ lungen für ein solches Einverständniß seien gegenwärtig noch im Gange und lege ihm dieser Umstand die Verpflichtung auf, mit Aeußerungen darüber zurückzuhalten. Bezüglich der von den Türken begangenen Grausamkeiten erklärte Derby formell, daß ein oder das andere Mittel in Anwendung gebracht werde, um die Uebelthäter zu bestrafen und bestimmt eine Wiederholung der Gräuelthaten zu verhindern. Sodann be⸗ zeichnet der Minister den Vorschlag, die Türken gänzlich aus Europa zu vertreiben, welcher ebenfalls bei der Agitation vor⸗ gebracht sei, als unausführbar. Derselbe würde einen allge⸗ meinen Religionskrieg hervorrufen, welcher noch viel schrecklichere Gräuelthaten im Gefolge haben müßte, als die bisherigen Un⸗ ruhen. Der zweiten Deputation gegenüber wiederholte der Mi⸗ nister, daß die englische Regierung das Berliner Memorandum abgelehnt habe, weil es ihr unausführbar erschienen sei. Die englische Flotte solle nicht aus der Besika⸗Bay zurückberufen werden. Schließlich sprach Derby seine Uebereinstimmung damit aus, daß die bulgarische Bevölkerung die ihr schuldige Genug⸗ thuung erhalte. England habe das Recht, formelle Garantien gegen eine Wiederholung der begangenen Grausamkeiten zu ver⸗ langen.
Fraukreich. Paris, 10. September. Ueber den Auf⸗ enthalt des Marschall⸗Präsidenten in Lyon entnehmen wir dem „Journ. off.“ und dem „Journ. des Deb.“ folgende
Daten: .
Gestern Nachmittag vereinigte ein Galadiner im Rathhause die Stadt⸗ und Departementsbehörden, die vom Präsidenten ein⸗ geladen waren. Abends fand großer Empfang statt. Heute früh wohnte der Marschall und Gefolge der Messe bei, an der Thür der Kathedrale empfing ihn der Erzbischof mit der Geisttlichkeit. Dann besuchte er das Militär⸗Lazareth, das Krankenhaus und die Börse. Hier hielt der Präsident der Handelskammer eine Anrede, in welcher es u. A. hieß:
Indem der Glaube an die konstitutionelle Stetigkeit unserer Staakseinrichtungen überall eindringt, werden die auf längere Zeit⸗ räume berechneten Geschäfte, vor denen man noch zurückschreckt, erle ch⸗ tert. Nicht allein an den nächsten Tag, sondern an die regelmäßige Ruhe der nächsten Tage glauben zu dürfen, ist eine wesentliche Lebens⸗ und Fortschrittsbedingung für Handel und Gewerbe. Wir wollen an diese Stetigkeit glauben, Herr Präsident; es bürgen dafür Ihr Name, Ihr Charakter und die ruhmreichen Dienste, welche Sie dem Lande geleistet und die Sie demselben noch täglich leisten.
Auf diese Worte antwortete der Präsident der Republik:
Ich danke Ihnen für die mir im Namen der Lyoner Handels⸗ kammer ausgedrückten Gesinnungen. Sie haben Recht, zu slauben, daß die militärischen Interessen nicht der ausschließliche Gegenstand meiner Fürserge sind. Es sind sicherlich sehr ernste Interessen, deren Entwicklung und Fortschritte dem Lande und dem Staatsoberhaupt am Herzen liegen müssen. Handel und Gewerbe sind aber zu wichtige —tützen des nationalen Wohlstandes, als daß ich ihnen nicht meine Aufmerksamkeit widmen sollte. Deshalb, Herr Präsident, freut es mich, Sie sagen zu hören, daß der Lyoner Handel selbst nach den schwierigen von uns durchgemachten Zeiten sich in einer be⸗ friedigenden Lage befindet. Es freute mich, als ich bei meinem gestrigen Besuch einiger Ihrer bedeutendsten Werk⸗ stätten alte Werkführer, alte Arbeiter vorfand, die nicht allein seit Langem in der nämlichen Fabrik waren, sondern dort auch ihre Kinder und ihre Familien untergebracht hatten. Es ist dies ein Be⸗ weis des zwischen den Arbeitern und Arbeitgebern von Lyon be⸗ stehenden Einvernehmens und der Zuneigung. Sie sind zu gute Bürger, um nicht mit patriotischem Gefüͤhl die Lasten zu tragen, welche die Nothwendigkeit, für die Bedüfnisse der Wiederaufrichtung unserer militärischen Kräfte zu sorgen, dem Handel und dem Gewerbe auferlegt. Ich habe die fee Hoffnung, daß die Aufrechterhaltung des Friedens und der Ordnung und die von Ihnen so eben angerufene Stetigkeit der Regierung den Aufschwung des Handels und die Ent⸗ wickelung der Industrie begünstigen wird. Die Regierung wünscht wie Sie, Herr Präsident, die Frage der Handelsverträge in der für die Entwickelung unserer Geschäftsbeziehungen günstigsten Weise zur Lösung zu bringen. Gegenwärtig beschäftigt diese Studie sie auf das eifrigste,
und sie hofft, die zu erneuernden rüheren Verträge und die noch in
Vorbereitung begriffenen in einem gemeinschaftlichen Texte zusammen⸗ fassen zu lönnen. Die Regierung erinnert sich der von der Lyoner Industrie auf den Ausstellungen zu Wien und Philadelphia errunge⸗ nen Siege. Ihre Erzeugnisse werden von Neuem gegen die fremde Konkurrenz bei jener aͤllgemeinen Ausstellung zu kämpfen haben, welche sich unter glänzenden Auspizien ankündigt und der die Unter⸗ stützung der fremden Nationen in großertigem Maße grsichert ift. Die Mächte haben uns das Interesse bezeigt, welches sie für unser Unternehmen haben, indem sie die Präsidentschaft ihrer Abtheilung Privzen der Kaiserlichen und Königlichen Familien übertrugen. Wir werden Sie, meine Herren, dort wiederfinden, und es wird mir zur Freude gereichen, mich nochmals von Ibren Erfolgen überzeugen zu können. Der Ruhm des Lyoner Handels ist die Ehre Ihrer Stadt, und Sie werden ihm dadurch einen neuen Glanz verleihen, daß Sie als Sieger aus diesem neuen Wettstreit hervorgehen.
Die Rede des Marschalls wurde mit großem Beifall aufge⸗ nommen, und als er die Börse verließ, ertönte vielfach der Ruf „Es lebe Mac Mahon!“ Um 4 Uhr reiste der Marschall weiter, nach Poligny im Jura⸗Departement, wo ihn der Herzog von Aumale mit seinem Corps erwartete.
— Wie telegraphisch bereits gemeldet, ereignete sich gestern beim Empfang der Behörden in Lyon folgender Zwischenfall: Der Generalrath des Departements hatte sich auf dem Rathhause im Berathungszimmer versammelt, wurde aber vom Beginn des Empfanges nicht in Kenntniß gesetzt. Da er nun nach dem Dekret vom Messidor des Jahres XII. den Vorrang vor allen andern Körperschaften und Beamten hat, so nahm er den Umstand, daß der Präsident schon mit dem Empfange begonnen hatte, sehr übel auf und beschloß, obgleich der Präfekt ihm anbieten ließ, den Empfang zu unterbrechen und ihn sofort vorzulassen, nicht vor dem Präsidenten der Republik zu erscheinen. Zugleich verfaßte er folgenden Protest:
Da der Generalrath und der Arrondissementsrath sich zu der auf dem Einladungeschreiben des Präfekten bezeichneten Stunde auf die Präfektur begeben hatten, um dem Präsidenten der Republik ihre Huldigung darzubringen, dieser Körperschaft aber kein Platz für ihre Vorstellung angewiesen worden ist, so sehen sie sich zur Wahrung ihrer Würde genöthigt, sich zurückzuziehen, indem sie gegen den den Erwählten des Departements angethanen Schimpf protestiren.
Der Präsident des Generalraths, der sich unter den vom Marschall zu Tisch Geladenen befand, richtete an denselben fol⸗ gendes Schreiben:
Herr Präsident! Angesichts der Verletzung des Anstandes, welcher den Generalrath der Ehre beraubt, Ihnen vorgestellt zu werden, bitte ich Sie, mich entschuldigen zu wollen, wenn ich Ih⸗er Ein⸗ ladung keine Folge leiste.
“
8 8 Terver.
In Folge dessen ist auch die Rede Tervers, die vorher, im Entwurf, den Journalen durch die „Corr. Havas“ telegraphirt worden war und nun von den Blättern als wirklich gehalten, besprochen und kritisirt wird, gar nicht gehalten worden. Ebenso hat auch der Vorsitzende des Arrondissementsraths, Mr. Favier, seine beabsichtigte Rede nicht gehalten. Einige Mitglieder des Generalraths riefen, als sie das Stadthaus verließen: „Es lebe die Republik! Es lebe die Amnestie!“ Der Empfang selbst wurde durch diesen Zwischenfall nicht gesört. — Inzwischen war die Behand⸗ lung, welche dem Generalrath widerfahren, in Lyon bekannt gewor⸗ den und hatte ziemlich große Erregung hervorgerufen. Eine zahllose Menschenmenge hatte sich vor dem Stadthaus angesammelt und bis 1 Uhr Nachts ertönten ohne Aufhören die Rufe: „Es lebe die Republik!“ „Es lebe die Amnestie!!“ Um 11 Uhr fand sich eine Bande von ungefähr hundert jungen Leuten ein, welche eine Fahne trugen und die Marseillaise sangen. Dreißig der⸗ selben wurden festgenommen, 28 davon aber gleich wieder frei⸗ gelassen. Weitere ernstliche Kundgebungen fanden nicht statt; die radikalen Blätter aber behaupten, der Generalrath sei be⸗ schimpft und müsse eine glänzende Genugthuung erhalten; der Zweck des ganzen Manövers sei gewesen, die Reden der Herren Terver und Favier zu verhindern.
Türkei. Konstantinopel, 9. September. Wie hier verlautet, wird in einigen Tagen ein Abgesandter von hier nach Central⸗Asien abgehen, um den Beherrschern von Chiwa, Bokhara und Kaschgar die Thronbesteigung Abdul Hamids zu notifiziren und dem Beherrscher des letzteren Landes, der noch unter der Regierung Abdul Aziz die Oberhoheit des türkischen Reiches anerkannt hat, auch einige Geschenke zu über⸗ bringen.
— 11. September.
(W. T. B.)
(W. T. B.) Mittelst eines heute feierlich bei der hohen Pforte verlesenen Hat bestätigt der Sultan sämmtliche Minister und Beamte in ihren Stellungen. Das Dekret legt besonderes Gewicht auf gute Justizpflege, auf die Finanzkontrolle und Ausdehnung des
öffentlichen Unterrichts, sowie auf Reformen der Verwaltung im
Allgemeinen, und bezeichnet alle diese Gegenstände als Grund⸗ lagen des Fortschritts und der Civilisation der Völker. Die Minister werden angewiesen, alle durch die gegenwärtige Zeit gebotenen Maßregeln zu ergreifen und einen General⸗ rath einzusetzen, welcher die Ausarbeitung der neuen Gesetze, sowie das Einnahmen⸗ und Ausgabenbudget zu überwachen haben wird. Das Dekret bestimmt, daß sämmtliche Beamte ver⸗ antwortlich und in ihren Stellungen befestigt werden sollen. Die Minister werden aufgefordert, Mittel und Wege zu suchen, um so bald wie möglich den Uebeln des Krieges, welche die Be⸗ völkerungen eines und desselben Vaterlandes verwüsten, ein Ende zu machen. Das Dekret empfiehlt endlich strenge Beob⸗ tung aller mit den besreundeten Mächten bestehenden Verträge.
— (W. T. B.) Wie von gut unterrichteter Seite ver⸗ sichert wird, ist von Seiten der Pforte eine definitive Eröffnung in Betreff des Waffenstillstandes und der Mediation an die hiesigen Vertreter der Großmächte noch nicht erfolgt. Der Ministerrath ist vielmehr noch mit der Berathung dieser Angele⸗ genheit beschäftigt.
„Wien, 10. September. Das „Wiener Fremdenbl.“ schreibt: „Ein von einem akkreditirten Korrespondeten der „Köln. Ztg.“ in Wien ausgehendes Telegramm versichert, die Pforte wolle unter die Friedensbedingungen aufnehmen: die Neuwahl und Neu⸗Investitur des Fürsten von Serbien, die Auflösung der Milizen, das Besatzungsrecht in Belgrad, das Verbot der Er⸗ richtung neuer Befestigungen, das Recht für die Pforte, in Serbien auch ohne Zustimmung der Mächte einzumarschiren, den Ausbau der Eisenbahn und Entschädigung für alle auf türkischem Boden angerich⸗ teten Verwüstungen. Ein Wiener Blatt fügt dem noch bei, der Sultan verlange auch das Recht der Bestrafung der serbischen „Re⸗ bellen“ und des „jrregeleiteten“ serbischen Volkes. Alle diese Meldungen sind nichts als Kombinationen, können nichts Anderes sein. Am Sonnabend Abend fand erst in Kon⸗ stantinopel das große “ statt, in dem die Friedens⸗ bedingungen formulirt werden sollten, frühestens im Laufe des Sonntag konnte die Genehmigung des Sultans für die Beschlüsse seiner Minister eingeholt werden; hält man es unter so be⸗
wandten Umständen für wahrscheinlich, daß das, was in Kon⸗ stantinopel Sonnabend Abends beschlossen wurde, an demselben Sonnabend Abend schon mit allen Details in Wiener oder Cölner Redaktionen bekannt sein konnte?“
Kalafat, 9. September. Gestern Morgens um 4 Uhr stieß unterhalb Lom⸗Palanka der Remorqueur „Pannonia“ mit dem türkischen Personendampfer „Mehemed Akif“ zusammen. Letzterer sank nach drei Stunden; auch die „Pannonina“ ist am Kiel beschädigt und ankert vor Widdin. Menschenleben sind nicht zu beklagen. Der türkische Kapitän soll die ganze Schuld an dem Unglück tragen.
„Presse“
— Vom Kriegsschauplatz unterm 10.: .
Nach und nach dringen einzelne Privatberichte über die Vorgänge bei Alexinatz seit der Schlacht am 1. September in die Oeffentlichkeit. Am 1. und 2. zog sich bekannt lich Tschernajeff nach Alexinatz und Deligrad zurück; seine Vor⸗ posten hielten den Brückenkopf bei Presiloviza am linken Morawa⸗Ufer besetzt. Am 3. wurden türkische Streif⸗ patrouillen, welche die Morawa übersetzten, wieder zurück⸗ getrieben. Am 3. und 4. September verstärkte Tschernajeff die serbische Aufstellung von Krusewatz⸗Djunis⸗Deligrad am rechten Flügel durch Detachements und passagere Befestigungen. Major Jovo Popovics blieb als Kommandant in Alexinatz, Oberst Horvatovics rückte von dort nach Topolniza und säuberte das rechte Ufergebiet der Morawa gänzlich von kleineren türkischen Ab⸗ theilungen. Am 5. und 6. September versuchten die Türken einen Angriff auf Djunis, jedoch ohne Erfolg. So lauten wenigstens die von allen Ueberschwänglichkeiten und Unwahrscheinlichkeiten entkleideten Belgrader Depeschen. Wie viel sich auch davon be⸗ wahrheiten sollte, immerhin scheint nach der Schweigsamkeit des Konstantinopeler Preßbureaus festzustehen, daß die Türken seit dem 1. September keine weiteren Erfolge erzielt haben.
Die Türken halten also auf serbischem Boden nur Saitschar und einen etwa zwei Quadratmeilen betragenden Landstrich am linken Morawa⸗Ufer besetzt. Die militärische Situat on ist dem⸗ nach nicht geeignet, jene harten und seltsamen Friedensbedin⸗ gungen zu motiviren, mit welchen die Sonntagsblätter ihre Leser überrascht haben.
Ein Telegramm aus dem türkischen Hauptquartier in Pod⸗ gorizza bestätigt die Niederlage, welche die sechs Bataillone unter Derwisch Pascha bei Roganj erlitten haben. Wenn auch dieser Sieg der Montenegriner nicht die Konsequenzen der Schlachten von Vuesidol und Kucfi nach sich ziehen wird, so kann doch das negative Resultat der gegen Roganj ausgeführten türkischen Rekognoszirung von keiner günstigen Einwirkung auf den mora⸗ lischen Zustand der Truppen Derwisch Paschas sein.
— Ueber die Befestigungen von Alexinatz spricht sich der Berichterstatter des „Pester Lloyd“ folgendermaßen aus:
Die nach Osten gekehrte Hauptvertheidigungsfroat der Serben reicht vom Brückenkopfe an der Mosrawa über die immer steiler an⸗ steigenden Höhen von Bujmir und Prugovaz bis Crnabara. Die beiden Flügel haben eine feste Anlehnung einerseits an den Fluß, andererseits an die steilen kahlen Hänge des Osren. Die Be⸗ wegungsfreiheit innerhalb der Stellung und zwischen den Werken ist vollkommen gesichert und endlich gestattet auch das Vorterrain der Redouten und Schanzen überall nur schwer eine Annäherung, weil dasselbe theils kahl, theils mit wenige Deckungen bieten⸗ den Weingärten bepflanzt ist. Die Stadt Alexinatz selbst liegt etwa eine halbe Meile hinter dem die Hauptfront der Stellung bilden⸗ den Bergrücken, der hier füglich mit einer Brustwehr verglichen werden darf. Er trägt fünf geschulterte Batterien, zwei kleine und zwei große Redouten. Die eine dieser Redouten, zugleich das nördlichste und wichtigste Werk, liegt auf einer kahlen, die Gegend weithin beherrschen⸗ den Kuppe westlich von Prugowatz; eine Viertelmeile südlicher befindet sich die zweite Redoute. Endlich waren in einem Walde zwischen Prugowaz und Crnabara, am äußersten linken serbischen Flügel zwei, die Vorrückungslinie der Türken gegen die nördliche Hauptredoute flankirende Schanzen errichtet. Es sind also im Ganzen elf Erdwerke größerer und kleinerer Gattung, die wir am rechten Morawa Ufer zu Gesichte bekamen; nun soll aber Alerxinatz einschließlich der Brücken⸗ köpfe und der auf dem linken Ufer erbauten Schanzen zusammen deren achtzehn zählen.
Aus dieser flüchtigen Schilderung dürfte die Schwierigkeit des direkten Angriffs der Alexinatzer Wecke zur Genüge erhellen; dazu tritt der Umstand, daß die Türken, wie gesagt, nur Feldgeschütze und kaum 30,000 Monn Infanterie zur Verfügung hatten. Die vor⸗ handene Kavallerie konnte in diesem Terrain bei der bevorstehenden Operation nicht in Rechnung gezogen werden; sie bildete hier kaum etwas Anderes als Ballaft und diente nur dazu, die Sorgen der Ja⸗ tendanz zu vermehren. Es blieb unter solchen Bewandtnissen nicht aus, was unfehlbar kommen mußte: die Zurückweisung der türkischen Angriffe auf allen wichtigeren Punkten. Vom frühen Morgen bis in die sinkende Nacht wurde auf der ganzen Linie mit ungeheurer Er⸗ bitterung gefochten. Es war der heißeste und blutigste Kampf wäh⸗ rend des bisherigen Feldzuses. Das ottomanische Armeekommando becing — sit venia verbo! — ein „Hirschauer Stückt“, als es sich unterfing, mit kaum 30,000 Mann und mit bloßen Feldgeschützen ge⸗ gen eine ieposante, modern armirte und fortificirte Stellung anzu⸗ reunen. Die Serben selber mußten doch, gering gerechnet, auch 30,000 Mann hinter ihren Werken am rechten Morawaufer stehen haben.“
— Nach der Darstellung des „Pest. Lloyd“ hat inzwischen Tschernajeff Zeit gefunden, das Gros der serbischen Armee auf das linke Morawa⸗Ufer zu schaffen. Tschernajeff soll sich nämlich auf die Linie Deligrad⸗Djunis, Siljegovatz⸗Vukanja, auf einer Längenausdehnung von circa fünf Meilen postirt haben, also den Schwerpunkt seiner im Bogen von Djunis aus süd⸗ wärts streichenden Stellung offenbar nach dem in der Eile ver⸗ schanzten Djunis verlegt haben, welcher Ort nur mehr 1 ½ Mei⸗ len von Krusewatz entfernt liegt. “ 1
— Der „N. Fr. Pr.“ wird telegraphirt:
Widdin, 9. September. Vorgestern griffen neun ser⸗ bische Bataillone mit einer Batterie und zwei Kolonnen die Vorposten Osman Paschas bei Zwezdan und Nikolicevo an. Nach siebenstündigem Kampfe wurden die Serben von Assaf und Hassan Pascha an der Spitze von sieben Bataillonen zurück⸗ geworfen. Zahlreiche Gewehre, Mäntel und Revolver fielen den Türken in die Hände. Die Bedeutung des am 1. September bei Alexinatz erfochtenen Sieges wurde anfangs von den Türken selbst unterschätzt. Erst allmählich gelangen sie durch die Bel⸗ grader Berichte zur vollen Kenntniß ihrer Erfolge und der Wirkungen, welche die Schlacht am 1. d. M. auf die Serben hatte. Nach einer Mittheilung Rifad Paschas war Alexinatz gestern noch nicht von den Serben geräumt.
Semlin, 10. September. Gestern wurde ein Gesetz pu⸗ blizirt, welches die Selbstverstümmelung mit der Todesstrafe be⸗ droht. In jüngster Zeit sind über 600 Fälle von Selbstver⸗ stümmelungen vorgekommen. Der Kriegs⸗Minister ist an die Drina abgereist. Privatnachrichten aus dem Lager von Pogled am Javor melden heftige Kämpfe vom 4. und 5. September. Die Türken seien in alle ihre Positionen zurückgedrängt worden. Serbischerseits wären 32 Kanonen ins Feuer gekommen. Major
schreibt die
Ilic sei gefallen. Weiter wird gemeldet, daß die Bewohner von Pozarevatz und Umgebung flüchten.
Rußland und Polen. St. Petersburg, 10. Septem⸗ ber. Der Kaiser hat 15,000 Rbl. zur Unterstützung der ärm⸗ sten Bewohner des Königreichs Polen bewilligt.
— Der Kaiser von Brasilien hat gestern Abend St. Petersburg verlassen, um sich nach Moskau zu begeben. Bekanntlich reist derselbe incognito und hat dasselbe auch in den zwölf Tagen, die er in St. Petersburg verweilte, nicht auf⸗ gegeben. Auch hier haben ihn vor Allem die wissenscha tlichen Institute und die von allgemeinem Nutzen interessirt.
— Ueber die türkischen Umtriebe in der Krim enthält der „Odess. Westn.“ Folgendes: Beim tatarischen Dorfe Taraktasch, nicht weit von Ssudak, landete kürzlich ein türkisches Fahrzeug und setzte mehrere Softas ans Land. Diese kamen ins Dorf und predigten vor den Dorfbewohnern, lauter Tataren, den Krieg gegen die Ungläubigen. Einer von den Dorfbewohnern trat vor und erklärte ihnen, die Tataren hätten es unter dem russischen Scepter in der Krim sehr gut und seien weder geneigt, die Waffen gegen die Russen zu ergreifen, noch auch in die Türkei auszuwandern. Beides hätten sie während und nach dem Krimkriege versucht, aber schlechten Dank dafür geerntet. Namentlich den ausgewanderten Tataren gehe es sehr schlecht. Zum Schluß forderte er die Softas auf, sie in Frieden zu las⸗ sen. Durch diese Worte wurden diese in eine solche Wuth ver⸗ setzt daß einer von ihnen einen Dolch zog und den Redner nieder stieß. Ehe die Dorfbewohner sich von ihrem Schrecken erho⸗ len konnten, hatten die Bösewichter ihr Fahrzeug bestiegen und sich entfernt. Auch einem in der Nähe kreuzenden Kriegsschiffe gelang es der einbrechenden Nacht wegen nicht, das Schiff einzuholen. Auch an anderen Plätzen sollen ähnliche Landungen vorgekommen sein, wobei die Softas den Bart, die Zähne und den Mantel Mohameds vor⸗ gezeigt haben sollen, um den Fanatismus zu reizen. — Dem „Rikol. Westn.“ schreibt man aus Balaklawa: Haufen von Türken überschwemmen täglich die Küsten der Krim. Ueberall vernimmt man Klagen über die von ihnen verübten Ungehörigkeiten und die Einwohner, denen die Ankunft der Muselmänner unverständlich ist, befinden sich in der größten Aufregung. Die Kühnheit der Türken geht so weit, daß sie sogar auf friedliche Strandbewohner Angriffe machen; auch Morde sind schon vorgekommen. Maßregeln zur Verstärkung der Grenzwache sind getroffen worden. — Der „Now. Wr.“ wird mitgetheilt, daß zur Verstärkung der Kordonlinie eine Rotte des Wilnaschen Infanterie⸗Regiments nach Ssudak abgegangen ist. Außerdem sollen dahin auch noch Kosaken konsignirt werden. Diese Maßregel sei hauptsächlich dadurch hervorgerufen worden, daß von türkischen Schiffen aus in mehreren Fällen die mohamedanischen Einwohner der Krim mit Waffen versehen worden seien.
Nr. 70 des Amtsblatts der deutschen Reichs⸗Post⸗ und Telegraphenverwaltung hat folgenden Inhalt: Verfügun⸗ gen: Vom 6. September 1876: Briefbeförderung vach Persien und Kleinasien. Vom 7. September 1876: Verbot des Einlegens von Briefen in die nach Frankreich bestimmten Geld⸗ und Päckereisendun⸗ gen. Bescheidung: Vom 5. September 1876: Adressirung der Telegramme.
Statistische Nachrichten.
Das Kaiserliche statistische Amt veröffentlicht in dem jetzt herausgegebenen Heft III. Abthl. 1 der Werteljahrshefte zur Statistik des Deutschen Reichs für 1876 u. A. Uebersichten über die Branntweinbrennerei und die Branntweinbesteuerung im Deutschen Zollgebiete während des Jahres 1875. Danach sind am Schlusse dieses Jahres in den an der Reichssteuer partizipirenden Staaten 40,420 Vranntweinbrennereien, davon allein in Elsaß⸗Lothringen 29,577, in Preußen 8839 und in den übrigen Staaten 2004 vorhanden gewesen. Die Gesammtproduktion derselben an Branntwein kann auf 4,341,500 Hektol. zu 50 % nach Tralles gegen 4,154,000 Hektol. in 1874 angenommen werden. Auf den Kopf der Bevölkerung berechnet sich die Produktion durchschnittlich auf 13,4 Liter; am stärksten ist dieselbe in Preußen im Reg.⸗Bez. Frank⸗ furt (34,9 Lit. pro Kopf), in Posen (31,9 Lit.), im Reg.⸗Bez. Potsdam (28,9 Lit), in den Provinzen Pommern (23, Lit), Sachsen (22,0 Lit), Schlesien (18,9 Lit.) und Westpreußen (20,9 Lit.), außer⸗ halb Preußens in Anhalt (42,s8 Lit) und Braunschweig (24,3 Lit.). In den westlichen Theilen des Steuergebiets, insbesondere in der Rheinprovinz (3,7 Lit. pro Kopf), Hessen⸗Nassau (3,7 Lit.), Thüringen (2,3 Lit.), Hessen (47 Lit.) und in Eisaß⸗Lothringen (5,1 Lit.) wurde verhältnißmäßig am wenigsten Branntwein hergestellt. Auch insofern zeigt sich zwischen den östlichen und westlichen Theilen des Steuergebiets ein Unterschied, als in den ersteren der Großbetrieb, in den letzteren der Kleinbetrieb vorherrscht. Insbesondere besteht die enorme Menge der Brennereien in Elsaß⸗ Lothringen fast durchweg in Betrieben von ganz geringem Umfange. — Rechnet man der für 1875 angegebenen Produktion von 4,341,500 Hektol. die Zufuhren aus Süddeutschland und dem Zollauslande mit 9000 bezw. 92,000 Hektol. hinzu und bringt dagegen die Ausfuhren aus dem Reichssteuergebiete und die nach⸗ weisbaren steuerfreien Verwendungen mit 811,000 Hektol. in Abzug, so ergiebt sich ein Verbrauchsquantum von 3,631,500 Hektol. oder 10 ¾ Lit. pro Kopf der Bevölkerung. Für die einzelnen Verwaltungs⸗ bezirke des Reichssteuergebiets lassen sich indeß keine Verbrauchszahlen angeben, weil der Versand von dem einen zum andern jeder Kontrolle entzogen ist; aus diesem Grunde bieten auch die oben angegebenen Proeuktionsziffern keinerlei Anhaltspunkte für den Verbrauch der einzelnen Bezirke. Der Brutto⸗Ertrag der Branntweinsteuer be⸗ lief sich im Jahre 1875 auf 56,873,0900 ℳ (1,65 ℳ vpro Kopf) gegen 54,521,757 ℳ (1,33 ℳ pro Kopf) in 1874. Die absolute Zunahme des vom Branntweinverbrauch in die Reichskasse fließenden Steuerertrages betrug von 1872 auf 1875 etwa 22 %, während die relative Steuerbelastung der Bevölkerung in diesem Zeit⸗ raum um etwa 15 % gestiegen ist. — Der Materialverbrauch sämmt⸗ licher Branntweinbrennereien war im Jahre 1875 folgender: Kar⸗ toffeln 25,707,925 H-ktol. (77,8 % aller zur Brennerer verwendeten Rohmaterialien), Getreide 5,217,082 Hektol. (15,s %), Melasse 767,956 Hektol. (2,3 %), Wein, Weinhefe und Weintreber 666,342 Hektol. (2,0 %), Obst und Obsttreber 638,852 Hektol. (1,9 %), andere Materialien zusammen 89,546 Hektol. (0,2 %).
— Dem Verwaltungsbericht der städtischen Schuldeputa⸗ tion für das Jahr 1875 entnehmen wir folge de Daten: Die Ge⸗ sammtzahl der hiesigen Schulen vermehrte sich im vorigen Jahre von 230 mit 2278 Klassen auf 245 mit 2366 Klassen, welche von 51,627 Schülerinnen und 57,277 Schülern besucht wurden, während im Jahre zuvor die Gesammtzahl der Schüler nur 103,158 betrug. Die 245 Schulen zergliederten sich in 12 Gymnasien mit 5506 Schülern, 10 Real⸗ und öffentliche höhere Knabenschulen mit 4993 Schülern, 4 öffentliche höhere Mädchenschulen mit 2593 Schülerinnen, 19 öffentliche Mittel⸗· und Elementarschulen mit 4053 Schülern, 89 Gemeindeschulen mit 62,070 Schülern, 17 unter der speziellen Aufsicht von Vereinen, Kirchen ꝛc. stehenden Schulen mit 2686 Schülern, 2 jüdischen Schulen mit 960 Schülern und 92 Privat⸗ schulen mit 26,033 Schülern. Unter der Aufsicht der städtischen
Schuldeputation standen am Ende des vorigen Jahres 90 Privat⸗