1876 / 234 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Wed, 04 Oct 1876 18:00:01 GMT) scan diff

RNeichskassenscheine sind, außer von der Reichshauptkasse, auch von den übrigen Sammelstellen gegen umlaufsfähige Reichs⸗ kassenscheine oder baares Geld umzutauschen. 2) Die zu 1) gedachten Sammelstellen haben die bei ihnen eingegangenen einzuziehenden Scheine, nach erfolgter Prüfung der Umtauschfähigkeit am Schlusse jedes Vierteljahres, un⸗ mittelbar an die Königlich Preußische Kontrole der Staatspapiere (Berlin SW, Oranienstraße 94) einzusen⸗ den. Die Einsendung kann auch schon im Laufe des Quartals erfolgen, wenn sich ein Bestand von 5000 oder mehr an⸗ gesammelt hat. 3) Die Kontrole der Staatspapiere leistet, nach erfolgter Prüfung der Umtauschfähigkeit der eingeliefer⸗ ten Scheine den Ersatz für dieselben aus den ihr zu diesem Behufe von der Reichs⸗Hauptkasse vorschußweise zur Ver⸗ fügung gestellten Mitteln, und entwerthet die solchergestalt eingezogenen Scheine mittelst einer Durchschlagmaschine. 4) Sobald eine Summe von 300,000 in eingezogenen und entwertheten Scheinen sich angesammelt hat, beantragt die Kontrole der Staatspapiere bei der Reichs⸗Schuldenverwal⸗ tung die Vernichtung derselben und empfängt nach erfolgter Vernichtung, welche unter der Kontrole der Reichs⸗Schulden⸗ kommission stattzufinden hat, aus dem bei der Reichsschulden⸗ verwaltung beruhenden Formular⸗-Reservebestande eine nach Betrag und Abschnitten der vernichteten Summe ent⸗ sprechende Menge von Formularen mit der Ermächtigung, dieselben auszufertigen und der Reichs⸗Hauptkasse zur Deckung des erhaltenen Vorschusses zu verabfolgen. Der Be⸗ trag der eingezogenen und vernichteten Scheine ist dem Reichs⸗ kanzler⸗Amt alljährlich anzuzeigen. 8 8

II. Auf Reichskassenscheine, deren Umlauffähigkeit zweifel⸗ haft oder deren Ersatz nach §. 6 des Reichsgesetzes vom 30. April 1874 dem Ermessen der Reichsschuldenverwaltung überlassen ist, finden die Bestimmungen unter IJ. 1 und 2 keine Anwendung, vielmehr ist der Einlieferer solcher Scheine mit dem Antrage auf Ersatz an die Reichsschuldenverwaltung zu verweisen. 8

Wird von dieser Ersatzleistung verfügt, so findet dasselbe Verfahren, wie bei den üͤbrigen eingezogenen Reichskassen⸗ scheinen (J. Ziffer 3 und 4) statt. Wird die Ersatzleistung verweigert, so sind die Scheine mit dem Werthlosstempel ver⸗ sehen den Einlieferern zurückzugeben.

C. Portofreiheit. Postsendungen, welche in Aus⸗ führung der gegenwärtigen Bestimmungen zwischen Landes⸗ behörden und Landeskassen einerseits, sowie der Reichsschulden⸗ verwaltung und der Königlich preußischen Kontrole der Staats⸗

apiere andererseits erfolgen, sind als Reichsdienstsachen porto⸗ rei zu befördern.

Der Ausschuß für Handel und Verkehr hat bei dem Bundesrath beantragt, die Festsetzung des Zeitpunkts für die Ermittelung der Viehhaltung weiterer Beschluß⸗ fassung vorzubehalten, die Ermittelung der landwirthschaft⸗ lichen Bodenbenutzung aber auf das Jahr 1878 zu verlegen und vorher in nochmalige Erwägung zu ziehen, ob die dabei anzu⸗ wendenden Formulare nicht eine wesentliche Vereinfachung ge⸗ statten.

Der Ausschuß des Bundesraths für Justizwesen und der Ausschuß desselben für Zoll⸗ und Steuerwesen hielten heute Sitzungen.

Die in der Allerhöchsten Ordre vom 27. Mai 1875

für die Bewaffnung der Kavallerie gegebenen Festsetzungen

1 IUIUvUIE Nech einer Ordre vom 31. August v. J. in g. eichem für dio Romaffaung der Ulanen⸗Regi⸗

Umfange ah Geltung.

menter

Mittelst gemeinschaftlichen Erlasses des Finanz⸗Ministers, der Minister für Handel ꝛc., Landwirthschaft und des Innern vom 20. Oktober 1864 (Nr. 274 des Staats⸗Anzeigers pro 1864) ist bestimmt worden, daß bei Einberufungen von Militär⸗Invaliden zur Anstellung oder Beschäfti⸗ gung im Civildienst die anstellenden Behörden sich der im Staats⸗Ministerialbesc=hluß vom 30. Mai 1844 gebrauchten Ausdrücke zu bedienen haben, um durch die Fassung der Be⸗ rufungs⸗Ordres für die Entscheidung über den Fortbezug oder den Wegfall der Invalidenpensionen eine sichere Grundlage zu gewinnen. Da jedoch seit dem Inkrafttreten des Reichs⸗ gesetzes vom 27. Juni 1871, betreffend die Pensionirung und Versorgung der Militärpersonen des Reichsheeres ꝛc., sowie der Novelle zu diesem Gesetze vom 4. April v. Is. bezüglich der Voraussetzungen für den Fortbezug oder Wegfall der In⸗ validenpension eine wesentliche Veränderung eingetreten ist, so haben die Bestimmungen des gedachten Erlasses zum Theil ihre Bedeutung verloren. Den veränderten Verhältnissen ist bereits insoweit Rechnung getragen, als in den von dem Bundesrathe zu den §§. 101 bis 108 des angezogenen Gesetzes und den §§. 15, 16 und 22 der Novelle vom 4. April v. Js. beschlossenen Ausführungsbestimmungen bestimmt dasjenige Verfahren vorgezeichnet ist, welches nach erfolgter Einberufung eines Militär⸗Invaliden zum Civildienst Seitens der anstellen⸗ den Behörde zu beobachten ist. Nach einer Zirkularverfügung der genannten Minister vom 30. Dezember v. J. soll zur Vermeidung von Unzuträglichkeiten in gleicher Weise auch schon bei der Einberufung auf die bezüglichen neuen Gesetzes⸗ bestimmungen Rücksicht genommen werden. Es sind demnach die in dem Erlasse vom 20. Oktober 1864 für die Einberufung von Militär⸗Invaliden vorgeschriebenen Ausdrucksweisen nicht mehr für maßgebend zu erachten, vielmehr sind die anstellen⸗ den Behörden angewiesen worden, künftig darauf Bedacht zu nehmen, daß den Einberufungs⸗Ordres eine Fassung gegeben werde, aus welcher mit Bestimmtheit ersehen werden kann: 1) ob durch die Anstellung oder Beschäftigung dem Anwärter die Eigenschast eines Beamten im Sinne des §. 106 des Ge⸗ setzes vom 27. Juni 1871 und der zugehörigen Ausführungs⸗ bestimmungen beigelegt wird oder nicht; 2) wie hoch das Diensteinkommen (Entgelt), welches für die Wahrnehmung der Stelle oder für die Beschäftigung gewährt wird, sich beläuft, ob dasselbe in festen oder ungewissen Hebungen besteht, welchen Geldwerth die etwa einbegriffenen Naturalien und Nutzungen haben, und wie viel vom Gesammtbetrage des Ein⸗ kommens zu Ausgaben für Dienstbedürfnisse in Abrechnung zu bringen ist, sowie endlich, von welchem Zeitpunkte ab die Gewährung des Diensteinkommens stattfindet.

In einer strafgerichtlichen Untersuchung gegen einen Rechtsanwalt, welcher eine mit dem gesetzlich dazu erfor⸗ derlichen Stempel nicht versehene Prozeßvollmacht vor Gericht produzirt hatte und deshalb wegen Stempelsteuer⸗ kontravention ange lagt worden war, hat der Strafsenat des Ober⸗Tribunals in seinem Erkenntniß vom 14. Septem⸗ ber d. J. folgende Rechtssätze ausgesprochen: Die in der

Allerhöchsten Kabinetsordre vom 24. Februar 1830 ausge⸗ sprochene Straflosigkeit eines Mandatars, welcher unge⸗ stempelte Urkunden für seine Mandanten bei Gericht einreicht, bezieht sich nur auf solche Urkunden, welche der Mandatar lediglich im Interesse des Mandanten, zum Erweise streitiger Rechte oder der Sachlegitimation desselben, also nur für den Mandanten und als dessen Vertreter einreicht, nicht aber auf Vollmachten, durch die sein eigenes Recht zu dieser Vertretung begründet und nachgewiesen wird. Bezüglich dieser Vollmachten ist vielmehr die rechtliche Lage des Prozeßmandatars den Vorschriften des Stempelgesetzes gegenüber keine andere als die jedes sonstigen Produzenten einer ungestempelten Urkunde, nur mit dem Unterschiede, daß, wenn von ihm die Vollmacht innerhalb der 14tägigen Frist ungestempelt zu den Gerichts⸗ akten eingereicht wird, der Betrag des Stempels als Gerichts⸗ ebühr zu liquidiren und einzuziehen ist und daß, wenn die Collmacht nach Ablauf der Frist mit dem erforderlichen Stempel versehen von einem Rechtsanwalt eingereicht wird, es einer Bescheinigung des Zeitpunkts, in welchem der Stempel kassirt worden, nicht bedarf. Hat aber der Rechtsanwalt nach Ablauf der Frist die Vollmacht ohne den Stempel einge⸗ reicht, so kann ihn weder der Antrag schützen, den Stempel mit den Gerichtskosten zu liquidiren, da die Stempelkontra⸗ vention bereits vollendet ist, noch auch die Behauptung, daß er sich zur Annahme der Vollmacht erst nach Ablauf der Frist entschieden habe.

In der heutigen Ersten Beilage befindet sich ein Be⸗ richt über die nordamerikanische und die deutsche Bessemer⸗Flußeisenerzeugung von Dr. H. Wedding.

Der General⸗Feldmarschall und Chef des General⸗ stabes der Armee Graf von Moltke hat sich zur Fortsetzung des ihm Allerhöchst bewilligten Urlaubs wieder nach Creisau begeben.

Der Kaiserlich deutsche Botschafter von Keudell ist auf seinen Posten in Rom zurückgekehrt und hat die Leitung der Kaiserlichen Botschaft daselbst wieder übernommen.

Der Königlich belgische Gesandte hierselbst, Baron Nothomb, hat einen mehrwöchentlichen Urlaub angetreten, während dessen der Legations⸗Rath Herr Emil de Borchgrave als interimistischer Geschäftsträger fungirt.

Königsberg i. Pr., 3. Oktober. (W. T. B.) Der Provinzial⸗Landtag hat in seiner heutigen Sitzung die auf die Theilung der Provinz gerichteten Petitionen mit 75 gegen 52 Stimmen abgelehnt.

Kiel, 2. Oktober. Die Marinebauten in Friedrichs⸗ ort haben in diesem Sommer erhebliche Fortschritte gemacht. Die Kaserne dürfte, wie die „Kiel. Ztg.“ mittheilt, in etwa 8 Tagen gerichtet werden.

Bayern. München, 2. Oktober. Die „Allg. Ztg.“ schreibt: „Nachdem die in allen unseren ultramontanen Blättern ergangene sehr energisch gefaßte Aufforderung, bei der Inskription an den hiesigen Volksschulen gegen die mit Genehmigung der Kreisregierung vom Magistrat eingeführte neue Eintheilung der Schulbezirke, resp. gegen die weiter errichteten Simultanschulen, Protest zu erheben, einen kaum nennenswerthen Erfolg hatte da in allen Schulen Münchens nur 97 solcher Proteste gegen die Zu⸗ theilung von Kindern zu Simultanschulen und Gesuche dieselben elner Konfessfinnescheails guguthetlen 2 eingereicht murden. hiervon 90 durch gedruckte gleichlautende Formulare, welche die betreffenden Eltern nur unterschreiben durften ist vorige Woche eine Berufung und Beschwerde an das Kultus⸗Ministerium ins Werk gesetzt worden. Dieselbe ward in der Expedition der drei ultramontanen Blätter und im katholischen Casino zur Unterzeichnung aufgelegt und alle katholischen Mitbürger, ob bereits Familienväter oder nicht, wurden aufgefordert, zu unterzeichnen. Von den vielen Tau⸗ senden unserer katholischen Mitbürger haben aber, wie wir eben vernehmen, nur etwa 130 die Beschwerde unterzeichnet. Die hiesigen Parteiführer haben sonach eine neue eclatante Niederlage zu verzeichnen und daß dieselbe in der hochwichtigen Schulfrage erfolgte, ist von um so größerer Bedeutung.“

Der Kultus⸗Minister Dr. v. Lutz kehrte nach beende⸗ tem Urlaub gestern von Niederpöcking am Starnberger See hieher zurück und übernahm heute die Leitung seines Ministe⸗ riums. Der Finanz⸗Minister v. Berr wird seinen Urlaub am 10. d. Mts. beendigen.

Württemberg. Schloß Friedrichshafen, 1. Okto⸗ ber. Der König und die Königin sind gestern von Stutt⸗ gart hier wieder eingetroffen.

„Stuttgart, 1. Oktober. Der Prinz August von Württemberg ist gestern von hier wieder abgereist.

Bladen. Karlsruhe, 2. Oktober. Der Großherzog, die Großherzogin und der Erbgroßherzog sind heute früh von Baden nach Freiburg abgereist.

Die Generalsynode der badischen Landes⸗ kirche die achte seit dem Bestand der Union (1821), die dritte, welche auf dem Boden der neuen Kirchenverfassung ge⸗ halten wird ist auf den 5. d. Mts. hierher einberufen worden.

Hessen. Darmstadt, 1. Oktober. Der gegenwärtige Stand der Berathungen über den Hauptvoranschlag der Staatseinnahmen und Ausgaben pro 1876—78 mit den Ausschüssen beider Kammern läßt dem Vernehmen nach erkennen, daß es zur Bestreitung der Staatsausgaben wohl nicht erforderlich sein wird, die vermehrten Staatseinnahmen

in Anspruch zu nehmen, welche aus der Einführung der dem gegenwärtigen Landtage vorgelegten Gesetzentwürfe, die Ka⸗ pitalsteuer und die Revision des Einkommensteuergesetzes betr., erwartet werden. Die Regierung hat es daher, wie man der „Darmst. Z.“ mittheilt, für wünschenswerth erachtet, daß die Be⸗ rathung der gedachten Gesetzentwürfe nicht bei dem bevor⸗ stehenden, sondern bei einem für das nächste Frühjahr in Aus⸗ sicht genommenen Wiederzusammentritt der Zweiten Kammer stattfinden möge und ist dieser Wunsch in einem an den Prä⸗ sidenten der Zweiten Kammer in diesen Tagen gerichteten Schreiben des Präsidenten des Gesammt⸗Ministeriums mit dem Anfügen ausgesprochen worden, daß die Regierung be⸗ absichtige, auf Grund der durch die erstatteten Ausschußberichte gegebenen Anregungen weitere Prüfungen und Erwägungen

hinsichtlich der erwähnten Gesetzentwürfe eintreten zu lassen. An die Zweite Kammer war von einer Anzahl frei⸗ religiöser Gemeinden das Ersuchen gerichtet worden, dahin zu

wirken, daß aus der Eidesformel jede Beziehung auf das

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dogmatische Bekenntniß entfernt werde, es war aber nach dem

Vorschlage des Ausschusses, diesem Ersuchen keine Folge zu geben, beschlossen worden. Nach dem nunmehr von dem Ausschuß der Ersten Kammer erstatteten Bericht wird vor en, diesem Beschlusse beizutreten. „Nachdem die Partikularge etz⸗ gebungen so heißt es im Bericht in Prinzipienfragen Hand in 8 mit der Reichsgesetzgebung gehen, aber zur Stunde noch jegliche Gewißheit mangelt, welchen Charakter die allgemeine deutsche Legislation der Formel des Eides einverleiben werde, so kann nur empfohlen werden, den Eingaben keine Folge zu geben.“

Anhalt. Dessau, 2. Oktober. Der Erbprinz und der Prinz Friedrich sind aus der Schweiz über München hier eingetroffen und begeben sich heute nach Berlin. Se. Hoheit der Herzog wird mit der Herzogin und den beiden Prinzessinnen vor seiner Rückkehr von der Weinburg einen

Umweg über Genf machen.

Oesterreich⸗Ungarn. Wien, 2. Oktober. Wie die „Presse“ mittheilt, begiebt sich der Kaiser morgen nach Gödöllö und kehrt Anfangs nächster Woche wieder nach Wien zurück.

3. Oktober. Graf Sumarokoff ist heute Vormittag von hier nach Livadia abgereist.

(W. T. B.) Der „Polit. Corr.“ zufolge sind die nachstehenden Personen zu lebenslänglichen Mitgliedern des Herrenhauses ernannt worden: Der Reichsfinanz⸗ Minister Frhr. v. Hofmann, der Sektions⸗Chef im Ministerium des Innern Frhr. v. Wehli, der Sektions⸗Chef im Ministerium des Aeußern Frhr. Vesque v. Puettlingen, der Präsident des Verwaltungsgerichts Frhr. v. Staehlin, der Senats⸗Präsident beim obersten Gerichts⸗ und Kassationshof Napadiewics v. Wiezkowski, der Gouverneur der Boden-Kreditanstalt Moser, die Generale Frhr. v. Koller und Frhr. v. Mamula, der Prälat des Melker Stiftes Karl und die Großgrundbesitzer Frhr. v. Apfaltrern, Graf Emmanuel Thun⸗Hohenstein und Wilhelm Pace.

Pest, 2. Oktober. In der heutigen Sitzung des Ab⸗ geordnetenhauses wurden Ergänzungswahlen vorgenom⸗ men. Das Gesuch des Ober⸗Staatsanwalts Kozma um Aus⸗ folgung gewisser auf den Prozeß Miletics bezüglicher Akten wurde dem Immunitätsausschusse zugewiesen. Der Minister⸗ Präsident Tisza zeigte an, daß er die gestellten Inter⸗ pellationen am 4, eventuell fortsetzungsweise am 5. beant⸗ worten werde.

Der Immunitäts⸗Ausschuß verhandelte in 4 ½(stündiger Sitzung die Affaire Miletics. Von Seite der Regierung waren die Minister Tisza und Perczel anwesend. Referent Horanszky trug den aktenmäßigen Thatbestand vor. Hiernach wurden die Zeugen vernommen. Nach eingehender Debatte ward schließlich die Suspension des Immunitätsrechtes angenommen, so wie nach einer längeren Rede Tisza's und nach lebhafter Debatte, an welcher sämmtliche Ausschuß⸗ mitglieder Theil nahmen, die Gutheißung des Vorgehens des Ministeriums beschlossen. Der Ausschuß erklärte, daß im Allgemeinen die Immunität auch während der Parlaments⸗ ferien aufrecht bestehe, und billigte im gegebenen Falle das Vorgehen der Regierung nur als durch Rothrecht indicirt. Vor der Beschlußfassung verlangte Simonffay zur Begründung des Nothrechts die Vorlage der Korrespondenzen. Minister Tisza erklarte, viefe vertraulichen Schriften nicht publiziren zu können. Es handle sich eben um eine Vertrauensfrage. Von einer Beschlußfassung über die Kodifizirung der Im⸗ munität sah der Ausschuß ab,

(W. T. B.)

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nachdem Tisza erklärte, daß das Immunitätsrecht besser gewahrt werde, wenn es von Fall zu Fall durch das souveräne Parlament geübt wird. Indessen betrachte er diesen seinen Ausspruch nicht als unerschütterlich feststehend, sondern sei bereit, die Frage eingehend zu erwägen.

4. Oktober. (W. T. B.) In einer gestern stattge⸗ habten Konferenz der Mitglieder der liberalen Partei machte Minister⸗Präsident Tisza kurze Mittheilung von den Antworten, die er morgen auf die eingebrachten Inter⸗ pellationen ertheilen werde. Insbesondere bezeichnete er bezüglich der Interpellation Csernatonys über den Durchzug russischer Freiwilligen nach Serbien als seine Antwort, daß die letzteren detinirt worden seien, weil sie schon in den Eisenbahnwaggons und dann auf den Straßen gegen die polizei⸗ lichen Bestimmungen verstoßende Ausschreitungen be⸗

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gangen hätten. Da indeß ihre Pässe in Ordnung gewesen, seien dieselben wieder freigelassen worden, weil zwei in Frie⸗

den mit einander lebende Staaten die von ihnen ausge stellten Pässe gegenseitig respektiren müßten. Bezüglich de Interpellation über die orientalische Frage werde er wegen der noch schwebenden Verhandlungen eine Antwort auf die einzelnen Punkte nicht ertheilen, wohl aber erklären, daß die ungarische Regierung sich mit dem Ministerium des Aeußeren stets in vollstem Einverständniß befunden habe und noch befinde, weil sie die Verantwortlichkeit mit trage. Was die Annahme des Königstitels durch den Fürsten Milan anbelange, so betrachte die Regierung den status quo ante als das Non plus ultra dessen, wozu sie sich verstehen könne. Die Nachrichten über den Durchzug russischer Freiwilligen durch Rumänien seien übertrieben. 8 1 Bankfrage hätten seit dem vorigen Jahre keine neuen meri⸗ torischen Abmachungen stattgefunden, dagegen sei die Frage wegen der Achtzig⸗Millionen⸗Schuld hinzugekommen. Die ungarische Regierung halte, im Gegensatz zu dem österreichischen Ministerium, an der Ansicht fest, daß diese Angelegenheit mit dem Ausgleich von 1867 zum Austrag gebracht worden sei. Der Minister⸗Präsident rechtfertigte die bezüglich der Frage getroffene Vereinbarung, nach welcher Deputationen event. Schiedsgerichte die endgültige Lösung derselben versuchen sol⸗ len, und theilte schließlich mit, daß beide Theile überein⸗ gekommen seien, die Bankfrage bis spätestens zum Frühjahr ihrer Lösung zuzuführen; ihre Nichtlösung würde das Schei⸗ tern des ganzen wirthschaftlichen Ausgleiches und den Rücktritt der ungarischen Regierung zur Folge haben. Die Erklärun⸗ gen des Minister⸗Präsidenten wurden von der Konferenz zur Kenntniß genommen.

Niederlaunde. Haag, 30. September. Leipz. Ztg.) Die Verwickelun it Venezue d W gen mit Venezuela werden, wie von

gutunterrichteter Seite verlautet, nun wohl in Kurzem ihre

vollständige Regelung und ihren definitiven Abschluß durch Wiederanknüpfung der diplomatischen Beziehung zwischen dem niederländischen Kabinete und der Regierung von Caracas erhalten. Von der einen wie von der anderen Seite sind bereits so weitgehende annähernde Schritte gethan worden,

Betreffs des Zollbündnisses und der

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daß die baldige formelle Wiederherstellung der früheren guten Beziehungen zwischen den beiden Staaten außer allem Zweifel steht. Den versöhnlichen Maßnahmen Venezuelas gegenüber hat die niederländische Regierung es —2 nicht an Be⸗ thätigung ihres Wunsches, der Unterbrechung des alten freund⸗ schaftlichen Verhältnisses ein Ende gemacht zu sehen, fehlen lassen; sie hat dies namentlich durch „Maßnahmen auf Curacao“ vornehmlich durch Entfernung venezuelanischer Flüchtlinge, gegen welche die Regierung von Ca⸗ racas Beschwerden wegen fortgesetzter aufwieglerischer politischer Umtriebe erhoben, und durch Verbot der Ausfuhr von Kriegswaffen von dieser Insel bewiesen, sowie durch die im vorigen Monate angeordnete Zurückberufung des Uebungsgeschwaders aus den karaibischen Gewässern nach den Niederlanden. Auch in Caracas betrachtet man die Differenz als nunmehr ihrer völligen Beseitigung nahe. Der Präsident der venezuelanischen Republik hat in einem jüngsthin ver⸗ öffentlichten Erlasse erklärt, er werde bei dem bevorstehenden

Ablaufe seiner Amtsperiode keine internationalen Schwierig⸗

keiten hinterlassen.

Nach einem dem Kolonien⸗Ministerium zugekommenen Telegramme des General⸗Gouverneurs von Niederländisch⸗ Indien hat General⸗Major Wiggers van Kerchem am 17. d. aus Atchin Folgendes gemeldet: „Am 11. September wurden die Befestigungen von Tonga und Lamnjong vollendet. Bei der Rekognoszirung des Terrains fiel auf unserer Seite 1 Soldat und wurden 1 Lieutenannt und 8 Soldaten ver⸗ wundet. Am 12. wurde nach Lamara vorgerückt. Der Feind wurde aus seinen Verschanzungslinien im Osten von Kurung⸗ Tjut vertrieben; es wurden ihm schwere Verluste beigebracht; 13 Stück Geschütze, worunter eines von 30 und zwei von 12 Pfund, wurden von unsern Truppen vernagelt. Durch

die Lagune im Osten von Lamara wurden Passar Kurung⸗

Tjut, am Ausgange des Weges von Njablang, erreicht, wo das Bivouak aufgeschlagen und die Kommunikation über den Kurung⸗Tjut zu Stande gebracht wurde. Auf unserer Seite fielen an diesem Tage 2 Soldaten und wurden 17 verwundet. Der Gesundheitszustand unter den agirenden Truppen war gut, ihr Geist vortrefflich. Es fiel sehr viel Regen.“

Großbritannien und Irland. London, 3. Oktober. (W. T. B.) In der heute stattgehabten Versammlung der Besitzer ägyptischer Schuldtitres erklärte Goschen, er sei bereit, der Aufforderung des Khedive nach Aegypten zu kommen, Folge zu leisten, wenn sich die Inhaber der Schuldtitres einstimmig dafür aussprächen. Er hoffe, daß die Mächte die Autorität des internationalen Gerichtshofes, vor dem jede Verletzung der der Schuldenkom⸗ mission gegenüber eingegangenen Verpflichtungen zum Aus⸗ trag gebracht werden müsse, aufrecht erhalten würden. Die Versammlung nahm hierauf einen Antrag an, durch welchen Goschen aufgefordert wird, sich nach Aegypten zu be⸗ geben und dort im Interesse der Besitzer ägyptischer Schuld⸗ titres zu handeln.

In Chatham ist man noch immer besorgt, daß die gefangenen Fenier einen Fluchtversuch machen möchten. Da in letzter Zeit einige fenische Agenten ihr Quartier in der Stadt aufgeschlagen haben sollen, so sind jetzt auch bei Tage Posten um das Gefängniß aufgestellt worden.

In der Mitte Oktober soll zu Maynooth eine Zusammenkunft der katholischen Bischöfe Irlands stattfinden. Zur Vorlage kommen die vom Papst nach Ab⸗ änderung einiger Stellen genehmigten Beschlüsse der vor⸗ jährigen außerordentlichen Nationalsynode. Die Promul⸗ irung erfolgt demnächst. Nachrichten der „Köln. Ztg.“ zu⸗ olge betreffen sie die von katholischer Seite einzuhaltende Unterrichtspolitik.

Frankreich. Paris, 2. Oktober. Der Präsident Marschall Mac Mahon wird morgen in Paris ein⸗ treffen, um im Ministerrathe den Vorsitz zu führen. Fürst Orlow hatte heute Morgen wieder eine lange Be⸗ sprechung mit dem Herzog Decazes. Der Staatsrath beschloß, die katholischen Gesellenvereine nicht als Wohlthätigkeits⸗Anstalten zu betrachten und die nämlichen Steuern bezahlen zu lassen, wie die übrigen gesellschaftlichen Vereine. General Chancy, Gouverneur von Algerien, ist, jedoch nur für einige Tage, in Paris angekommen. Alle hier einlaufenden Berichte bestätigen, der „Köln. Ztg.“ zufolge, daß die Aufregung der Muselmänner in Afrika und Asien steigt.

Wie das „Journal officiel“ heute meldet, haben die vielen bei der Polizei⸗Präfektur über die Fälschung der Weine eingelaufenen Klagen diese Verwaltung bestimmt, eine strenge Ueberwachung aller Weinwirthschaften, aller Wein⸗ großhändler und Makler anzustellen. Alle Polizeikommissare haben Befehl, in ihrem betreffenden Viertel mit Hülfe eines Sachverständigen die von Weinwirthen und Händlern ver⸗ kauften Weine zu untersuchen und die Stücke, welche ihnen verdächtig vorkommen, unter Siegel zu legen. Eine Probe

wird alsdann der Analyse einer chemischen Kommission der

„Arts et Metiers“ unterbreitet und das gerichtliche Verfahren gegen die Schuldigen eingeleitet, der Wein selbst aber in die Rinnsteine oder die Seine gegossen. Eine größere Masse ge⸗ fälschter Weine wurde in Paris bereits mit Beschlag belegt und führte auch zu Beschlagnahmen bei den Händlern in den Departements, welche die Weine nach Paris geliefert hatten.

3. Oktober. Der Arbeiterkongreß, den die Re⸗ daktion der „Tribüne“ und die Delegirten der verschiedenen Arbeitervereine organisirt haben, ist gestern Abend eröffnet worden. Der erste Gegenstand der Tagesordnung war die Frauenarbeit. Um 11 ¼ Uhr wurde die Sitzung aufgehoben, nachdem die nächste auf 8 ½ Uhr Dienstags anberaumt worden. Die Provinz schickte 99, Paris 253 Stimmen.

Spanien. Madrid, 3. Oktober. (W. T. B.) Nach aus Cuba hier eingegangenen Nachrichten haben die Auf⸗ ständischen am 25. v. M. eine Truppenabtheilung von gegen 200 Mann überfallen und gefangen genommen.

Italien. Rom, 4. Oktober. (W. T. B.) Aus Anlaß des vorgestern gefeierten Jahrestages des Plebiszits hat der König für einige Preßvergehen, die politischen Ver⸗ gehen und gewisse Kontraventionen, darunter die Zuwider⸗ handlungen gegen das Mahlsteuergesetz, eine Amnestie er⸗ assen. Heute konferirt der König in Turin mit dem Minister⸗Präsidenten Depretis.

Griechenland. Athen, 3. Oktober. (W. T. B.) Die

Angeklagten in dem Prozeß Bulg aris haben die Annulli⸗ rung der Anklageakte beantragt, der Gerichtshof ist über diesen Antrag in Berathung getreten. Einer Deputation der neulich stattgehabten Volksversammlungg erklärte der v ö1“

über 100,000 Pud einnehmen wird.

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Minister⸗Präsident, daß die Vorbereitungen Opfer er⸗ heischten, welche das Kabinet von der Kammer verlangen werde; die Klugheit lasse übrigens die Neutralitat angezeigt erscheinen und man dürfe vertrauen, daß Europa den gerech⸗ ten Forderungen der griechischen Nation Rechnung tragen werde, ein Abgehen von der Haltung, welche Griechenland bisher beobachtet habe, würde Gefahren nach sich ziehen.

Türkei. Konstantinopel, 2. Oktober. Wie der Wiener „Presse“ gemeldet wird, besiehlt eine Ordonnanz des Sultans, daß im Kaiserlichen Palaste zu Dolmabagtsche selbst ein Zeitungsbureau errichtet werden soll, dessen Aufgabe es sein wird, die angesehensten Blätter des Aus⸗ landes zu lesen und daraus Auszüge für seine Person zu machen. .

In der „Turquie“ vom 29. September befindet sich eine Note, aus welcher hervorgeht, daß man hier damals schon rücksichtlich des glatten Verlaufes des bevorstehenden Minister⸗ Conseils einige nicht unerhebliche Bedenken hegte. Die „Turquie“ bemerkt nämlich im Hinblick auf das bevorstehende Ministerkonseil und die in denselben zu ergreifenden Be⸗ schlüsse Folgendes: „Die Ereignisse schreiten mit solcher Hast vorwärts, daß sie bis zum letzten Augenblicke noch Modifikationen herbeizuführen vermögen. Jetzt schon be⸗ finden wir uns der Verletzung der Waffenruhe gegen⸗ über, indem von Alexinatz die Wiederaufnahme der Feind⸗ seligkeiten längs der ganzen Morawa⸗Linie gemeldet wird. Die versöhnliche Stimmung der Hohen Pforte ist sicherlich für Niemanden ein Geheimniß. Möchte man indeß behaup⸗ ten, daß die von beiden Seiten aufgestellten und angenomme⸗ nen Friedensgrundlagen wirklich das Ende des Aufstandes und die Zustimmung der gegenwärtig gegen die Hohe Pforte im Kriegszustande befindlichen Fürstenthümer herbeiführen werden? Für Alle, welche den Lauf der Ereignisse aufmerk⸗ sam verfolgen, liegt darin der Knoten der Frage.“

3. Oktober, Abends. (W. T. B.) In der gestrigen außerordentlichen Sitzung des großen Rathes wurde der Entwurf, betreffend die einzuführenden Reformen und die Errichtung eines aus 120 Mitgliedern bestehenden National⸗ raths einstimmig angenommen. Der gedachte Beschluß ist dem Sultan zur Sanktion unterbreitet worden und soll nun⸗ mehr die offizielle Mittheilung desselben an die Mächte er⸗ folgen.

Cöln, 3. Oktober. (W. T. B.) Mittheilungen der „Kölnischen Zeitung“ aus Paris bestätigen, daß die Pforte auf die Friedensvorschläge Englands eine mehr aus⸗ weichende, als ablehnende Antwort gegeben und statt derselben eine Reihe von Reformen vorgeschlagen habe, welche die Sicher⸗ stellung der Interessen der christlichen Bevölkerung der Türkei bezwecken und auf das ganze Reich ausgedehnt werden sollen. Wenn die Verwaltungsreformen zur Durchführung gelangten, sei eine gleiche Autonomie für die drei aufständischen Pro⸗ vinzen zwecklos. Diese Vorschläge, in 5 Artikeln zusammen⸗ gefaßt, enthalten aber, wie gesagt, keine formelle Ablehnung der Friedensvorschläge der Garantiemächte.

Wien, 3. Oktober. (W. T. B.) Die Pforte hat, wie der „Politischen Korrespondenz“ aus Konstantinopel gemeldet wird, bereits am 27. September c. der dortigen englischen Botschaft vertraulich die Antwort auf die Friedensbedin⸗ gungen der Mächte mitgetheilt. In derselben wird zuge⸗ standen: Für Serbien und Montenegro der status quo und ferner eine Verfassung für das ganze Reich mit Anwendung der von dem Grafen Andrassy vorgeschlagenen Reformen auf alle europäischen Provinzen der Türkei. Die Grandlagen dieser Verfassung sollen sein: eine gewählte Nationalversammlung mit dem Sitz in Konstantinopel; das Volk wählt Deputirte für den Sandschakatsrath, das Sandschakat Deputirte für den Pre⸗

vinzialrath, letzterer Delegirte für die Nationalversammlung

in Konstantinopel. Sonach werden Bosnien 6, die Herzego⸗ wina 4 und Bulgarien 8 Vertreter in Konstantinopel haben und zwar je zur Häfte aus der christlichen, zur Hälfte aus der muselmännischen Bevölkerung. Während der parlamen⸗ tarischen Ferien wird eine permanente zur Hälfte aus Musel⸗

männern, zur Hälfte aus Christen bestehende Ueberwachungs⸗ Kommission die Akte der Lokalregierung und die Entscheidun⸗ gen des Nationalrathes kontroliren. Zweige der Verwaltung reorganisirt werden.

Endlich werden alle

Wien, 3. Oktober. (W. T. B.) Die offizielle Mit⸗ theilung der Antwort der Pforte auf die Friedensvor⸗ schläge der Mächte wird, sicherem Vernehmen nach, morgen hier erfolgen.

Paris, 3. Oktober. (W. T. B.) Nach den der „Agence Havas“ bezüglich der Antwort der Pforte auf die Friedensvorschläge der Mächte zugegangenen Nachrichten hat die Pforte ihre Bereitwilligkeit ausgesprochen, Reformen im ganzen Reiche einzuführen, um eine vollständige Befreiung aller christlichen Unterthanen zu erreichen. Die Bewilligung einer lokalen Autonomie für die drei aufständischen Provinzen wird von der Pforte für nutzlos erklärt, ohne daß jedoch die bezügliche Forderung der Mächte formell abgelehnt wird. Gleichzeitig erbietet sich die Pforte zur Waffenruhe, aber nicht zu einem Waffenstillstande. Die Pforte hat den Vertretern der Mächte in Konstantinopel gestern Abend einen ausge⸗ arbeiteten Reformentwurf für das ganze türkische Reich zustellen lassen.

Rumänien. Bukarest, 1. Oktober. Fürst Karl wohnte heute dem Herbstrennen des Bukarester Jokeyklubs bei und geht morgen nach Sinai zurück. Basil Georgian wurde zum diplomatischen Agenten Rumäniens in Rom ernannt.

Rußland und Polen. St. Petersburg, 2. Oktober. Der „Regierungs⸗Anzeiger“ veröffentlicht folgendes Tele⸗ gramm: Livadia, 17. (29.) September. Se. Majestät der Kaiser besuchte gestern Morgen den am Tage vorher in Jalta angelangten Kaiser von Brasilien, welcher an demselben Tage das Frühstück und das Diner bei Ihren Majestäten in Livadia einnahm. Heute Morgen setzte der Kaiser Dom Pedro seine weitere Reise über Sewastopol und Odessa nach Konstantinopel fort.

Se. Kaiserliche Hoheit der Großfürst General⸗Admiral hat am 26. September das Panzerschiff „„Peter der Große“ besucht. Die Ausrüstung des Panzerschiffes schreitet rüstig vorwärts und steht seine Vollendung demnächst bevor. Am 28. begann, wie der „Kronst. Westn.“ schreibt, bereits die Einschiffung der erforderlichen Kohlen, von welchen das Schiff Demnächst wird das Schiff auf eine Probefahrt zur Prüfung der Maschinen und do sschü 8 7 der schüte auslaufen. 1“

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Taschkent, 29. September. (Int. Tel. Ag.) Der General⸗ Gouverneur Kauffmann ist in das Fe ge⸗Sesies ab⸗ gereist. Derselbe beabsichtigt, alle Städte zu bereisen und nach dem von ihm vorgestellten Verwaltungsprojekt für das Land Organisationsarbeiten bezüglich der Agrar⸗ und Steuerfragen ausführen zu lassen.

Schweden und Norwegen. Srocholm, 30. Sep⸗ tember. Der König wird sich am 4. Oktober von Drotting⸗ holm nach Sophienruh begeben, während die Prinzen noch länger daselbst verweilen werden. Der Kronprinz widmet sich augenblicklich mit besonderm Eifer seinen Studien, da er noch vor Weihnachten das Maturitäts⸗Eramen abzulegen be⸗ absichtigt. Wie „Stockholms Corresp.“ erfahren, wird der⸗ selbe im nächsten Frühling nach Upsala gehen, um Vor⸗ lesungen beizuwohnen.

Dänemark. Kopenhagen, 30. September. „Fädre⸗ landet“ schreibt: „Se. Majestät der König von Griechen⸗ land hat, wie mitgetheilt, seine Abreise auf unbestimmte Zeit verschoben. Die „eingetroffenen Umstände“, welche der „Berl. Tid.“ zufolge diesen Aufschub veranlaßt haben und worin Manche politische Verhältnisse erblicken wollen, bestehen in der Krankheit des ältesten, Sjährigen Sohnes, des Herzogs von Sparta. Dieser ist nämlich von einer Lungenhaut⸗ Entzündung, welche indeß keine beunruhigenden Symptome zeigt, heftig angegriffen.“

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Amerika. Washington, 3. Oktober. (W. T. B.) Der Minister des Auswärtigen erklärt, daß ihm von einem (durch die Wiener „Neue freie Presse“ gemeldeten) Ver⸗ trage zwischen Rußland und Nordamerika, wonach letzteres gegen Abtretung eines russischen Hafens in Kamtschatka eine Anzahl Kriegsschiffe an Rußland überlasse, absolut nichts bekannt sei.

Philadelphia, 1. Oktober. (Times.) General Babcock, ehemals Privatsekretär des Präsidenten, der in Washington wegen seiner Verbindung mit einem Einbruche im Jahre 1874 angeklagt war, ist am Sonnabend freigesprochen worden.

Nr. 21 des Armee⸗Verordnungs⸗Blattes, herausge⸗ geben vom Kriegs⸗Ministerium, hat folgenden Inhalt: Bestimmungen über Bewaffnung der Ulanen⸗Regimenter. Einberufungen von Militär⸗Invaliden zur Anstellung oder Beschäftigung im Civildienste Seitens der anstellenden Behörden. Vergütung der Reisen zur Untersuchung rotzverdächtiger Pferde. Ertraordinäre Verpflegungs⸗ Zuschüsse pro 4. Quartal 1876. Nachlaßsachen deutscher Soldaten.

Neichstags⸗Angelegenheiten.

Von den drei Berichten der Justizkommission ist, wie hiesige Zeitungen mittheilen, derjenige des Abg. Becker über die Civilprozeß⸗Ordnung (Korref. Abg. Forcade de Biair) ebenso wie der⸗ jenige des Abg. Miquel (Korref. Abg. Hauck) bereits gedruckt und den einzelnen Kommissionsmitgliedern zur Durchsicht zugeschickt; eine definitive Feststellung der Berichte kann erst stattfinden, sobald die Kommission gegen Mitte Oktober wieder zusammentritt. Der dritte vom Abg. v. Schwarze (Korref. Abg. Klotz) zu erstattende um⸗ fangreiche Bericht über die Strafprozeß⸗Ordnung ist erst theilweisse in Druck gegeben worden. Bekanntlich sollen nach dem Beschluß der Kommission diese Berichte keine er⸗ schöpfende und eingehende Begründung aller einzelnen Be⸗ schlüsse der Kommission enthalten, da diese in den gedruckten Pro⸗ tokollen niedergelegt ist. Die Berichte sollen vielmehr nur eine er⸗ läuternde übersichtliche Darstellung der wichtigsten zur Erörterung gelangten Fragen und der wesentlichsten Differenzpunkte zwischen der Kommission und dem Bundesrath geben und dadurch das Verständniß der Ergebnisse der Berathungen dem Reichstage und dem deutschen Volke selbst erleichtern.

Statistische Nachrichten.

Ueber die Realschulen des preußischen Staates enthält das August⸗Heft des „Centralblattes für die gesammte Unterrichts⸗ Verwaltung in Preußen“ folgende statistische Mittheilungen:

Realschulen I. Ordnung besitzt die Provinz Preußen 9 mit 95 Direktoren, Ober⸗ und ordentlichen Lehrern, 19 wissen⸗ schaftlichen Hülfslehrern und 16 technischen Lehrern. Diese Anstalten wurden im Wintersemester 1875/76 von 3024 Schülern besucht, von denen 2685 der evangelischen, 103 der katholischen und 236 der jüdischen Konfession angehörten. Die Provinz Brandenburg hat 12 Realschulen I. Ordnung mit 162 Direktoren, Ober⸗ und ordent⸗ lichen Lehrern, 15 wissenschaftlichen Hülfslehrern und 29 technischen Lehrern. Im Wintersemester 1875/,76 betrug die Frequenz 5251. Schüler, von denen 4548 evangelisch, 109 katholisch und 594 jüdisch waren. In Pommern giebt es 4 Realschulen I. Ordnung mit 49 Direktoren und Lehrern, welche im Winter⸗Semester 1875/76 von 1235 Schülern besucht wurden. Davon waren 1157 evangelisch, 8. katholisch und 70 jüdisch. Die Provinz Posen besitzt ebenfalls nur 4 Realschulen I. Ordnung, an denen 76 Lehrer unterrichten. Besucht wurden diese 4 Anstalten von 1357 Schülern, von denen 869 evangelisch, 187 katholisch und 301 jüdisch waren. In Schlesien befinden sich 9 Realschulen I. Ordnun mit 105 Direktoren, Ober⸗ und ordentlichen Lehrern, 11 wissenschaft lichen Hülfslehrern und 22 technischen Lehrern. Die Frequenz hatt im Wintersemester 1875/76 die Höhe von 2845 Schülern, von denen 1921 evangelisch, 581 katholisch und 343 jüdisch waren. Die 6 Real schulen I. Ordnung der Provinz Sachsen wurden im Wintersemester 1875/76 von 2828 Schülern besucht, von denen 2637 evangelisch, katholisch, 15 Dissidenten und 107 jüdisch waren. An diesen Schulen waren 81 Direktoren, Ober⸗ und ordentliche Lehrer, 9 wissenschaftliche Hülfslehrer und 20 technische Lehrer thätig. Schleswig⸗Holstein besitzt nur 2 Realschulen I. Ordnung, welche im Wintersemester 1875 76 von 226 Schülern besucht wurden, die bis auf 4 sämmtlich der evan⸗ gelischen Konfession angehörten. Die Provinz Hannover zählt 10 der gedachten Schulen mit 94 Direktoren, Ober⸗ und ordentliche Lehrern, 12 wissenschaftlichen Hülfslehrern und 18 technischen Lehrern. Im Wintersemester 1875/76 frequentirten diese Anstalten 2891 Schüler, von denen 2614 evangelisch, 116 katholisch und 161 jüdisch waren. Westfalen hat 9 Realschulen J. Ordnung mit 80 Direk toren, Ober⸗ und ordentlichen Lehrern, 14 wissenschaftlichen Hülfslehrern und 10 technischen Lehrern. Die Zahl der Schüler belief sich in Wintersemester 1875,76 auf 2079 Schüler, von denen 1394 de evangelischen, 536 der katholischen und 148 der jüdischen Konfession 5 Die Provinz Nassau besitzt nur 3 Realschulen I. Ord. mit im Ganzen 60 Lehrern. Schüler hatten diese Anstalten im Wintersemester 1116, von denen 969 evangelisch, 72 katholisch und 75 jüdisch waren. In der Rheinprovinz befinden sich 12 der genannten Anstalten mit 158 Direktoren, Ober⸗ und ordentlichen Lehrern, 14 wissenschaftlichen Hülfslehrern und 26 technischen Lehrern, und 3736 Schülern, von denen 2054 evangelisch, 1372 katholisch und 310 jüdisch waren. 11“ 1

1“ preußischen Staate beläuft sich die Zahl der Realschulen I. Ordnung auf 80. An denselben sind 910 Direktoren Ober⸗ und ordentliche Lehrer, 110 wissenschaftliche Hülfslehrer, 159 technische Lehrer, 55 Ortsgeistliche, welche den Religionsunterricht ertheilen und 67 Probe⸗Kandidaten thätig. Außerdem unterrichten an den mit den Realschulen verbundenen Vorschulen 119 Lehrer f im Wintersemester 1875/76 betrug auf der

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