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beantragt hiernach einstimmig: die Kammer wolle 1) ihre verfassungsmäßige Zustimmung zu dem Entwurf nicht er⸗ theilen; 2) an Stelle der, gelegentlich der Berathung über den Hauptvoranschlag der Staats⸗Einnahmen und⸗ —— vorbehaltlich der Beschlußfassung über den vorbezeichneten Gesetzentwurf und der aus dieser Beschlußfassung folgenden Konsequenzen eingestellten Summe von 174,257 ℳ 42 ₰ an die evangelische Kirche, bezw. an den zu bildenden evangelischen Kirchenfonds, für die Finanzperiode einen Staatszuschuß von 175,000 ℳ jährlich als Pauschsumme mit der Maßgabe ver⸗ willigen, daß damit für diese Zeit alle Ansprüche an den Staat zur Bestreitung der seither von dem Staat getragenen Aus⸗ gaben für die evangelische Kirche vertreten werden; und weiter die Kammer wolle 3) die Regierung ersuchen, baldthunlichst dafür zu sorgen, insoweit etwa nöthig, durch eine Vorlage noch an diesen Landtag, daß die Verwaltung des evangelischen Kirchenvermögens durch rein staatliche Behörden erfolgt und damit die dermalige Doppelstellung des Ober⸗Konsistoriums und seiner Mitglieder und Beamten überhaupt und nament⸗ lich auch in der Richtung beseitigt wird, daß diese Behörde mit ihren Mitgliedern und Beamten keinerlei staatliche Funk⸗ tionen mehr zu verrichten hat, auch wegen solcher Funktionen keinerlei besondere Ansprüche an den Staat und staatliche In⸗ stitute und Einrichtungen mehr erheben kann.
Sachsen⸗Weimar⸗Eisenach. Weimar, 1. Oktober. Die Landtagswahlen im Großherzogthum Weimar sind in vollem Gange. Die Betheiligung an dem Wahlakte ist neuerdings etwas reger geworden. — In Eisen 9* ist gestern der Schulrath Schmidt, hochbetagt, gestorben. — Am 4. d. be⸗ geht die 1867 begründete „Konferenzfür innere Mission“ ihr Jahresfest. Hofprediger Dr. Kögel aus Berlin wird die Felerens. Pastor Hesekiel aus Sudenburg den Hauptvortrag alten.
Reuß j. L. Die Handelskammer in Gera, von dem Fürstlichen Ministerium zu einem Gutachten über die even⸗ tuelle Erneuerung des Handelsvertragesmit Oester⸗ reich aufgefordert, hat sich für eine Erneuerung „mit mög⸗ lichster Gegenseitigkeit in den Zollsätzen“ ausgesprochen.
Lippe. Detmold, 4. Oktober. Der Termin zur Wahl der Landtags⸗Abgeordneten ist für die zweite Abthei⸗ lung der Wahlberechtigten auf den 18. d. M., für die dritte Abtheilung auf den 19. d. M., für die erste Abtheilung auf den 20. d. M. festgesetzt worden.
Bremen, 3. Oktober. (H. N.) Die Steuerdepu⸗ tation hat über mehrere Projekte neuer Steuern Bericht erstattet. Sie verwirft die von Cigarren, Kaffee, und Schmalz bei der Einfuhr, sowie von Photographien.
efe schlägt sie vor, mit 20 ₰ für das Kilogramm zu be⸗ legen. Eine Erhöhung des Bierzolls und der Malzsteuer soll dazu dienen, daß den hiesigen Brauereien für ihr Bier eine Ausfuhrvergütung gewährt werden könne. Die Konsumtions⸗ abgabe auf Geflügel wird empfohlen zu verdoppeln, von 5 auf 10 und von 15 auf 30 ₰J das Stück, wovon 9 — 10,000 ℳ mehr zu erwarten stehen.
Hamburg, 3. Oktober. Gestern fand die Wahl eines Senatsmitgliedes an Stelle des verstorbenen Senators Hermann Albert Hübener statt. Es fielen von 147 Stimmen 111 Stimmen auf O. H. Framhein und 36 Stimmen auf H. E. Meister. Ersterer ist also zum Senator gewählt.
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Oesterreich⸗Ungarn. Wien, 4. Oktober. Der Kai ist gestern, den 3. d. M., Abends nach Gödöllö abgereist.
— Die drei Klubs der Verfassungspartei des Abgeordnetenhauses werden sich, wie gewöhnlich, am Vorabende des Wiederzusammentritts des Hauses, am 18. d. M. zu einer Vorbesprechung hier versammeln. Der Obmann des Fortschrittsklubs, Dr. Boster, hat bereits die Einladungen zu dieser Klubversammlung versendet. 1
— Die „Wien. Abendpost“ vom 2. d. M. enthält folgendes Communiqué bezüglich der Mission des russischen General⸗Adjutanten Grafen Sumarokoff: „Das zweite Objekt lebhafter öffentlicher Diskussion bildet die Sendung des russischen General⸗Adjutanten Grafen Sumarokoff an den hiesigen Hof. Wir haben uns enthalten, auf die zahl⸗ reichen Gerüchte einzugehen, welche sich an diese Sendung und die Angabe knüpfen, Graf Sumarokoff sei mit der Uebergabe eines eigenhändigen Schreibens Sr. Majestät des Kaisers Alexander an Se. Majestät den Kaiser und König beauftragt gewesen. Wir sind nämlich ganz der Ansicht, welcher is enahe „Presse“ Aus⸗ druck giebt, daß derartige autographe Schreiben von Monarch zu Monarch sich ihrer Natur nach der Oeffentlichkeit ent⸗ ziehen, und daß von all denen, die da behaupten, von dem Inhalte des fraglichen Briefes Kenntniß zu haben, wohl Nie⸗ mand in der Lage ist, sich auch nur auf Einen Gewährsmann zu berufen, der seinerseits die Behauptung machen könnte, Einblick in dasselbe genommen zu haben. Auch der Mah⸗ nung des genannten Blattes schließen wir uns an, daß das Publikum hiernach beurtheilen möge, wie arg man auf seine Leichtgläubigkeit gesündigt, wenn man ihm Auszüge oder In⸗ haltsangaben dieses Schreibens auftischt.“
— 5. Oktober. (W. T. B.) Nach Informationen aus bester Quelle kann versichert werden, daß in hiesigen Regie⸗ rungskreisen nicht im Entferntesten daran gedacht wird, mit Rußland zu brechen.
Das ,Fremdenblatt“ bringt einen ausführlichen Artikel über die durch die Ablehnung der Friedensvorschläge Seitens der Pforte hervorgerufene neueste Phase der orien⸗ talischen Frage; derselbe geht davon aus, daß die diplo⸗ matische Aktion nunmehr als beendet anzusehen sei. Die österreichische Regierung habe sich der von England ge⸗ leiteten und von ganz Europa unterstützten Vermittelung 2S. und zwar in einer Haltung, welche überall, selbst in der Türkei, ven inung. fand. Wenn daher die Mächte die Haltung der serbischen Regierung verurtheilten, so seien sie jetzt um so mehr verpflichtet, auszusprechen, daß in dem entscheidenden Momente die Hindernisse für die Wieder⸗ “ des Friedens auf der Balkanhalbinsel nicht von Serbien ausgehen dürfen. Die Pforte berufe sich bei Zurück⸗ weisung des maßvollen Begehrens Europas auf den von dem fanatisch moslemitischen Element auf sie ausgeübten Druck. Rußland habe allen Kabineten schon vor längerer Zeit mitge⸗
theilt, daß, falls die Pforte die Propositionen Derby's ablehne, dasselbe sich zu ernsten Entschlüssen gedrängt fuhle. Die Aufgabe Europas sei, den serbisch⸗türkischen Krieg zu Ende zu bringen und einen russisch⸗türkischen Krieg nicht 5 zu lassen. Diese Aufgabe sei varsanden in einem Augenblick, wo die Türkei sich ins Unrecht gesetzt habe. Die österreichische Regierung könne den Details der Antwort der Pforte, die vac; ausstehe, sowie den Gegenvorschlägen und den Reform⸗ maßregeln, mit denen die türkische Regierung ihre christlichen Unterthanen beglücken wolle, keinen aktuellen Werth mehr beilegen, müsse vielmehr nunmehr mit den anderen Großmächten Mittel suchen, die Pforte, die sich starrsinni dem Willen eines Welttheils entgegensetze, zu erzwingen. Sol⸗ cher ernste Schritt könne aber nur durch ein einiges Europa vollzogen werden. Wie er in Scene gesetzt werden müsse, sei zu vereinbaren. Zur Stunde fänden hierüber Pourpalers zwischen den Kabineten statt. Nach dem Erachten des genannten Journals müsse eine gemeinsame Sommation der Mächte die Ein⸗ leitung der Aktion sein, eine gemeinsame Flottendemonstration vor Konsta tinopel könnte dann folgen. Die Panzerfregatten der sechs Großmächte würden den alttürkischen Fanatismus in seine Schranken zurückführen und der christlichen Bevölkerung des Orients die langentbehrte Sicherheit geben. Oesterreich, so schließt der Artikel, das glänzende Proben seiner Mäßigung gegeben habe, nehme nur mit lebhaftestem Bedauern Zuflucht u den äußersten Maßregeln; es habe kein anderes Ziel ver⸗ lgt als die Wiederherstellung des Friedens. Nicht auf
esterreich, nicht auf Europa, auf die Pforte falle daher die Verantwortung.
Prag, 3. Oktober. In den letzten Tagen haben neuer⸗ lich in Wien Verhandlungen der altczechischen Abgeord⸗ neten mit den Führern der „Rechts“partei wegen des Ein⸗ tritts der Czechen in den Reichsrath stattgefunden. Die Verhandlungen haben sich nach einer Mittheilung meh⸗ rerer von Wien hierher zurückgekehrten czechischen Abgeordneten zerschlagen..]
Pest, 3. Oktober. Der „Hon“ meldet: „Der Gesetzentwurf über die Achtzig⸗Millionen⸗Schuld wird nicht nur über die Lösung dieser Frage durch Deputationen oder ein Schieds⸗ gericht Vorsorge treffen, sondern auch über das Verhältniß und die Weise, wie Ungarn zur Schuldtilgung beiträgt, falls ihm ein Theil zur Last fällt.“
— In der gestern Abend stattgefundenen Konferenz der liberalen Partei gelangte zunächst ein an den Prä⸗ sidenten gerichtetes Schreiben des Abg. Ludwig Csernatony zur Verlesung, in welchem derselbe anzeigt, daß er wieder in den Verband der liberalen Partei eintrete. „Jeder Abgeord⸗ nete — heißt es in dem Schreiben — müsse, wenn er auch nicht in allen Fragen mit der Regierung übereinstimme, die⸗ selbe in Anbetracht der schwierigen Vergäͤltnifse, insbesondere der bedrohlichen europäischen Lage, unterstützen.“ Die Zuschrift ward zur Kenntniß genommen.
Schweiz. St. Gallen, 1. Oktober. (N. Zürch. Ztg.) Die gemeinnützige Gesellschaft der Stadt St. Gallen hat letzten Freitag die in Aussicht genommene Verschmelzung der
8 er konfessionell getrennten Schulen der dortigen Staßt zu einem gemeinsamen Schulverband besprochen und ist dabei nach eingehender Erörterung zu folgendem Beschlusse gekommen: Die gemeinnützige Gesellschaft der Stadt St. Gallen erklärt sich mit der Idee der Verschmelzung unserer konfessionellen Schulen zu einer bürgerlichen Gemeindeschule einverstanden und setzt in alle betheiligten Schulbehörden das Vertrauen, daß sie diese Idee gehörig, und zwar ausdrücklich so verwirklichen, daß auch die Realschulen in die Verschmelzung mit einbegriffen werden. ö1 Großbritannien und Irland. London, 2. Oktober. Ueber die Reise Sr. Majestät des Deutschen Kaisers nach Leipzig und Stuttgart theilt die „Times“ eine Bemerkung ihres Berliner Korrespondenten mit, die sich auf die Entwickelung des deutschen National⸗ gefühls bezieht. „Es ist ein beachtenswerther Zug der deut⸗ schen Geschichte“, lautet das Urtheil, „daß nun, nachdem die Einigkeit hergestellt worden, die Bewohner der kleineren Staaten, früher so partikularistisch, die neue Errungenschaft mehr, als ihre Zeitgenossen im Norden schätzen. Es zeigt sich ein Bewußtsein wiedererlangter Würde und Stellung in Dresden und Stuttgart, welches natürlich nicht ganz so leb⸗ haft in Berlin mit seinem langbefestigten Einfluß sein kann.“
— (A. A. C.) Der mit dem Quartalschluß veröffentlichte detaillirte Ausweis über die Staatseinnahmen vom 1. Juli bis 30. September d. J. zeigt durchaus günstige Ziffern. Die gesammten Einnahmen für das verflossene Quartal betragen 16,734,607 £ oder 352,390 £ mehr als die Einkünfte im entsprechenden Vierteljahr in 1875. An diesem Zuwachs der Staatseinkünfte sind fast sämmtliche Einnahmequellen be⸗ theiligt, mit alleiniger Ausnahme der Diversen. Die größte Zunahme weist der Ertrag der Accise — ein Prüfstein für die Wohlfahrt der großen Volksmasse auf — nämlich 135,000 £, während auch Zölle, Stempelgefälle, das Postamt und der Tele⸗ n vst sowie die Vermögens⸗ und Einkommensteuerlletztere wohl in Folge ihrer zum Beginn dieses Finanzjahres erfolg⸗
ten Erhöhung um einen Penny auf das Pfund) ansehnliche 8
erträge aufzuweisen ba ben. Für das am 30. September be⸗ endete Jahr belaufen sich die Staatseinnahmen auf 77,564,833 f, d. i. 1,648,196 £ mehr als in dem entsprechen⸗ den Zeitraum von 1875.
Am 30. September traten die Bestimmungen des in voriger Parlamentssession angenommenen neuen Handels⸗ schiffahrtsgesetzes in Kraft.
— Daß Sir Bartle Frere zum Gouͤverneur von Bombay ernannt werden solle, wird amtlich dementirt.
— Nach telegraphischen Nachrichten aus Calcutta hat die indische Regierung ihre Ansichten über die Silber⸗ frage ausgedrückt. Eine in Simla am 22. September ver⸗ öffentlichte „Gazette extraordinary’“ enthält einen langen Finanzartikel, der hauptsächlich den Gründen der bengalischen Handelskammer entgegentreten soll. Diese nämlich rieth zur Aufhebung des Gesetzes, nach welchem die Münze verpflichtet ist, Silber, das von Privatpersonen eingereicht wird, auszu⸗ münzen. Die Regierung entgegnet darauf, daß ein solches Verfahren größeres Uebel herdger würde, als das jetzige sei, indem dadurch den Rupien ein künstlicher Werth verliehen würde. Die Regierung giebt zu, daß die Ersetzung der Silberwährung durch Goldwährung
wünschenswerth sei, sagt aber, daß die gegenwärtigen Um⸗
stände eine so kostbare Maßregel nicht erheischten. — Die Mohamedaner in Bombay hielten am 24. eine große Versammlung zur Besprechung der orientalischen Frage. Sie einhellig Adressen an die Königin an, in denen die⸗ selbe gebeten wird, keine Politik zu billigen, die auf die Zer⸗ stückelung des türkischen Reiches hinziele. Die indischen mohamedanischen Zeitungen drücken warme Sympathie mit den Türken aus.
— Der „Times“ wird aus Calcutta vom 1. d. Mtz. telegraphirt: Der Punjab⸗Stamm der Akalies ist in briti⸗ sches Territorium eingefallen.
Frankreich. Paris, 3. Oktober. Das „Journal officiel“ bringt ein Dekret, wodurch die Gemeinderäthe des Doubs auf den 15. Oktober zur Vornahme von Delegirten⸗ wa eit
gL
hlen für die auf den 19. November anberaumte Wahl nes Senators zusammenberufen werden.
— Der „Moniteur“ versichert heute, daß die 3Zusammen⸗ berufung der Kammern für — 30. Oktober, anstatt auf den 15. November, mit der äußeren Politik nichts zu thun habe. — Der Prinz Napoleon ist in Paris angekommen.
— Die auf vorgestern angeeh Wahlen von sechs Abgeordneten haben folgendes Resultat geliefert: Hautes Alpes, Arrondissement Embrun: Ferrary, Republikaner; Nord, Arrondissement Cambrai: Bertrand⸗Milcent, Republikaner: Gers, Arrondissement Auch: Peyrusse, Bonapartist; Haute⸗ Garonne, Arrondissement Saint⸗Gaudens: Trou, Konserva⸗ tiver; Oise, Arrondissement Senlis: Franck⸗Cheauveau, Repu⸗ blikaner; Meurthe⸗et⸗Moselle, Arrondissement Toul: Petitbien, Republikaner.
Italien. Rom, 3. Oktober. der projektirten Tiberarbeiten, die seinen Ideen nicht ent⸗ sprechend waren, hatte General Garibaldi beschlossen, als Deputirter des 1. Kollegiums seine Demission zu geben und kein anderes Mandat mehr anzunehmen. Auf dringendes An⸗ suchen hat derselbe nun diesen seinen Entschluß aufgegeben. — Der Minister der öffentlichen Arbeiten, AI begeg⸗ net auf seiner Reise in Sizilien überall der freudigsten Auf⸗ nahme.
— 5. Oktober. (W. T. B.) Der russische Gesandte, Baron Uexküll, hat mit dem Minister des Aeußern, Melegari, eine lange Besprechung gehabt.
Türkei. Konstantinopel, 2. Oktober. Der Kaiser von Brasilien ist hier angekommen. — Die Herzogin von Edinburgh wird morgen auf der Fahrt nach Malta hier durchreisen. — General Ignatieff wird gleichfalls mor⸗ gen hier eintreffen.
— 3. Oktober. Der Bey von Tunis benachrichtigte telegraphisch den Großvezier, daß er seinen Kriegs⸗Minister Rustem Pascha hieher senden werde, um dem Sultan zu seiner Thronbesteigung grutuliren zu lassen. — Wie man aus verläßlicher Quelle mittheilt, steht Nahmud Pascha jetzt nicht zum ersten, sondern schon zum siebenten Male vor einem Kriegsgerichte.
„Politischen
— Der diplomatische Berichterstatter der Korrespondenz“ in Konstantinopel sendet ihr das folgende Schreiben vom 29. September:
In dem Dienstag, den 26., Abends abgehaltenen Ministerrathe wurden die Bedingungen der Mächte in Erwägung gezogen, und am nächsten Tage ließ die Pforte dem englischen Botschafter Sir Henry Elliot in vertraulicher Weise die Antwort zukommen, die sich, wie folgt, resumirt: 8
Die Regierung des Sultans hat beschlossen:
Für Serbien und Montenegro den Status quo.
odann wird eine Verfassung dem ganzen Reiche gegeben und die von dem Grafen Andrassy beantragten Reformen auf alle Provinzen der europäischen Türkei angewendet werden. Da nun das ganze Reich diese Reformen genießen wird, so werden auch Bosnien, die Herzegowina und Bulgarien dieselbe n genießen.
Die Grundlagen der Verfassung sind:
Die Errichtung einer gewählten Versammlung mit dem Site in Konstantinopel.
Das Volk wählt Deputirte in den Sandschakats⸗Rath, das Sand⸗ schakat entsendet Deputirte in den Provinzialrath und dieser ernennt Delegirte für die Nationalversammlung in Konstantinopel. Sonach werden Bosnien 6 Vertreter (3 Muselmänner und 3 Christen), die Herzegowina 4 (2 Muselmänner und 2 Christen), Bulgarien 8 (4 Muselmänner und 4 Christen), Smyrna 5 (3 Muselmänner und? Christen) u. s. w. in Konstantinopel haben. Während der parlamen⸗ tarischen Ferien wird eine permanente gemischte Ueberwachungskom⸗ mission (zur Hälfte Muselmänner und zur Hälfte Christen) mit dem Sitze in Konstantinopel die Akte der Lokalregierung und die Ent⸗ scheidungen des Nationalraths kontroliren.
Endlich werden alle Zweige der Verwaltung reorganisirt.
Dieses Dokument wurde, wie gesagt, in vertraulicher Weise Sir Henry Elliot mitgetheilt, welcher dasselbe den anderen Botschaftern vorlegte. Diese ausweichende Antwort der Pforte befriedigte Nie⸗ manden und mit einem gestern gemachten identischen Schritte ver⸗ langten die Vertreter der Mächte, daß die Bedingungen in der Ant⸗ wort rekapitulirt werden mögen, daß die Pforte genügende Garantien wegen Ausführung der versprochenen Reformen gebe und daß die der⸗ gestalt formulirte Entscheidung den Mächten offiziell notifizirt werde. Savfet Pascha nahm dieses Verlangen zur Kenntniß und ein für morgen Nachmittags einberufener außerordentlicher Rath von Nota⸗ beln des Reiches wird über das Verlangen der Mächte berathen, wonach die Pforte eine definitive Antwort ertheilen wird.
In russischen Kreisen glaubt man eine formelle Weigerung Seitens der Serben und Montenegriner befürchten zu sollen, die Friedensbedingungen zu unterfertigen. Die seit gestern Nachmittags eingelaufenen Nachrichten lassen diese Befürchtungen gerechtfertigt er⸗ scheinen, welche auch vielseitig getheilt werden.
Der Sultan, dessen Absichten die vortrefflichsten sind, hat leider in den öffentlichen Geschäften noch nicht genug Erfahrung erlangt, um seine Minister zu zwingen, die dunkeln und krummen Wege in der orientalischen Politik zu verlassen. Mit Ausnahme Midhat Paschas sind die gegenwärtigen Minister an Körper und Geist abge⸗ nützt und unfähig, den sie umgebenden Schwierigkeiten mit Erfols zu begegnen ¹ er Sultan Abdul Hamid hat den Wunsch ausgedrückt, daß im Palais selbst ein Preßdienst mit regelmäßiger Korrespondenz unter Bezug der großen Journale in London, Wien Paris u. s. w. organisirt werde. Die Organisirung dieses Bureaus, das unabhän⸗ ig von jenem des Ministeriums des Aeußern sein soll, wäre schon in ngriff genommen worden, wenn die eben nich wäre. Mit Ausnahme der Geschäfte, die mit gebieterischer Noth⸗ wendigkeit erledigt werden müssen, bleibt Alles während dieses Mo⸗ nats in suspenso, zum großen Nachtheile der betheiligten Parteien. „— Als Hauptgrund ihrer ablehnenden Haltung gegen⸗ über dem Waffenstillstandsansinnen und den Friedensvor⸗ schlägen der Mächte bezeichnet, wie das Wiener „Fremden⸗ latt“ vernimmt, die Pforte die gereizte Stimmung in musel⸗ männischen Kreisen. Sie könne es Angesichts der nicht nur
(Ital. Nachr.) In Folge
in Konstantinopel, sondern auch in den Provinzen herrschen⸗
8 den Aufregun
nicht riskiren, die moslemitische Bevölkerung noch mehr aufzureizen. Als weiteren Grund ihrer Ablehnung führt die Pforte an, daß durch die Gewährung von Reformen in den insurgirten Provinzen sie gewissermaßen auf erfolg⸗
reiche Revolutionen eine Prämie aussetze und die treugeblie⸗ benen Provinzen aufs Tiefste verletze, ja vielleicht zu Auf⸗
ständen treibe.
Man bestätigt dem genannten Blatte übrigens auch von anderer Seite, daß in Konstantinopel unter den Ulemas eine große Aufregung herrscht.
— 5. Oktober. (W. T. B.) Die formelle Mittheilung der Antwort der Pforte auf die Friedensvorschläge der Mächte an die hiesigen Botschaften wird gutem Vernehmen nach heute erfolgen.
Paris, 4. Oktober. (W. T. B.) Dem Vernehmen des „Temps“ zufolge hat der russische Botschafter, Fürst Orloff,
8 bei Unterredungen, welche derselbe gestern mit dem Marschall Mac Mahon, dem Herzog Decazes und Thiers gehabt t hat⸗ wiederholt hervorgehoben
n, daß der Wunsch des Kaisers von
zußland dahin gehe, durch das Einvernehmen sämmtlicher Mächte den Frieden baldigst wieder hergestellt zu sehen. Ein formeller Vorschlag für den Zusammentritt einer Konferenz der Mächte sei zwar noch nicht gemacht worden, do sei ein solcher in Kurzem zu erwarten. — Wie dasselbe Blatt erfährt, hätte die russische Regierung heute an ihre Vertreter in Paris, London, Berlin, Rom und Wien eine Mittheilung erlassen, in welcher sie ihr Bedauern darüber ausspricht, daß seitens Serbiens die Feindseligkeiten wieder aufgenommen worden sind, nachdem es die Verlängerung der Waffenruhe abgelehnt hat.
Belgrad, 5. Oktober. (W. T. B.) Bei der gestrigen eier des Namenstages des Kaisers Franz Josef and in der katholischen Kirche ein Festgottesdienst statt, dem
auch der Minister⸗Präsident Ristics beiwohnte. Es bestätigt sich, daß der Generalstabs⸗Chef Oberst Komaroff wegen einer Differenz mit Tschernajeff seines Postens enthoben ist.
— Vom türkisch⸗serbischen Kriegsschauplatze be⸗ richtet das Wiener „Fremdenblatt“ vom 4.: Der heutige Tag . keine neue Meldung über die kriegerischen orpünge in
erbien gebracht. Auch darüber, ob Abdul Kerim Pascha in der That die angekündigte Offensive ergriffen hat, liegt bis zur Stunde keine Andeutung vor. Es scheint, daß der tür⸗ kische Offensivstoß die Richtung gegen Kru und in diesem Falle dürfte es bei Djunis, welches von den Serben stark verschanzt wurde, zu einem blutigen und ent⸗ scheidungsschwerem Rencontre kommen. Was die Kämpfe am 30. September anbelangt, so geht aus neueren Meldungen eror. daß sowohl die Depesche aus Belgrad, als die aus Konstantinopel von derselben Affaire sprachen. Eine beson⸗ ders energische Attaqhue unternahmen die Serben wider den türkischen linken Flügel. Dieselbe wurde nach vierstündigem Kampfe mit sehr großen Verlusten für die Angreifer entschie⸗ den zurückgewiesen. Die Türken nahmen die serbischen Po⸗ sitionen östlich Djunis und Kavnik, rückten aber Abends frei⸗ willig wieder in ihre frühere Aufstellung zurück.
Semlin, 3. Oktober. Belgrader Privatnachrichten melden, daß die Serben Krusewatz und Djunis aus „strategischen Rück⸗ sichten“ geräumt haben. Die letzten Kämpfe waren für die
2à
Serben mit großen Verlusten verbunden.
Nisch, 2. Oktober. Aus besonderer Quelle wird dem Wiener „Fremdenblatt“ berichtet, daß der Serdar Ekrem (Ge⸗ neralissimus) vorgestern eine Kaiserliche Ordonnanz erhalten, des Inhalts, es sei der Wille des Sultans, daß den kriegsgefangenen Serben täglich ein ihrem militärischen Grade entsprechender Sold und ebenso eine entsprechende Ration verabfolgt werde.
Rußland und Polen. St. Petersburg, 2. Oktober. General⸗Adjutant Ignatjew, der russische Botschafter bei der Pforte, sollte, wie die „Ag. gén. Russe“ berichtet, heute, am Montag, mit dem ,Eriklik“ auf seinen Posten zurück⸗ kehren. Mit ihm begiebt sich auch seine Familie wieder nach Konstantinopel. „Diese Nachricht“, sagt die Ag. gén. Russe“, „ist wohl an und für sich und besonders noch durch ihre Einzeln⸗ heiten geeignet, die pessimistischen Gerüchte zu zerstreuen, wo sie überhaupt noch bestehen, und die Aufregung da zu be⸗ schwichtigen, wo sie noch herrscht.“
Taschkent, 2. Oktober. (Int. Tel. Ag.) Die Truppen des General Skobelewschen Corps sind von dem Berg⸗ gebiete Pamir und von den Alaischen Bergen zurückgekehrt. Der Feldzug ist vollständig erfolgreich beendet. Die Berg⸗ stämme haben sich unterworfen; deren Verwaltung ist bereits organisirt worden.
Dänemark. Kopenhagen, 2. Oktober. Der König empfing heute in besonderer Audienz auf Schloß Amalien⸗ burg den bisherigen Ministerresidenten für die Vereinigten Staaten von Nordamerika, Hrn. Cramer, welcher dem König ein Schreiben des Präsidenten der Vereinigten Staaten überreichte, worin er von seiner diplomatischen Stellung am dänischen Hofe abberufen wird. — Mit dem gestrigen Tage aben die älteren Münzen ihre Eigenschaft als gesetzliches haban dirnittnt im allgemeinen Verkehr verloren, während sie jedoch noch in den nächsten vier Wochen bei ver⸗ schiedenen öffentlichen Kassen zum Umtausch in Empfang ge⸗ nommen werden. Die Münzreform, schreibt der Kopenhagener Korrespondent der „Dannevirke“, ist also vollständig durch⸗ geführt, und zwar in weit kürzerer Zeit als man gehofft und erwartet hatte, nämlich in drei Jahren, während die Münz⸗ konvention eine Frist von acht Jahren zuließ.
— 3. Oktober. (Hamb. Nachr.) Der Finanz⸗Minister legte im Folkething das neue Budget vor. Die Ein⸗ nahmen beziffern sich danach auf 47, die Ausgaben auf 45 Millionen Kronen; der Vermögenszuwachs beträgt 2,230,000 Kronen; mit dem Abtragen von 4,355,000 Kronen Staats⸗ schulden ist gegenwärtig ein abgeschlossener Zuwachs von 8 Millionen Staatsvermögen vorhanden.
Amerika. New⸗York, 4. Oktober. (W. T. B.) Bei den in Colorado stattgehabten Wahlen wurden sowohl für die Staatsämter, wie für den Kongreß die republikanischen Kandidaten gewählt. Die Majorität der Legislatur von Colo⸗ rado ist ebenfalls republikanisch. — Nach einem der „Associated Preß“ aus der Havanna zugegangenen Telegramm vom 3. d. M. hat auf Hayti ein Mordversuch gegen den Prütedenten stattgefunden. — Salamon, der frühere Präsident von Hayti, hat Jamaika verlassen und sich nach Port au Prince begeben.
“
ewatz haben wird,
— Aus Anlaß der Neuwahl des Präsidenten der Republik San Domingo hat der dortige Minister des Außeren ein Rundschreiben an die Agenten im Auslande erlassen, welches nach der „Pol. Corr.“ folgendermaßen lautet:
„Mit der Uebernahme der Geschäfte hält es die neue Regierung der Republik für ihre Pflicht, ihr Wirken in allen Akten der Admi⸗ nistration an feste und unveränderliche Regeln zu knüpfen. Was die auswärtigen Angelegenheiten betrifft, we Fe Se. Ex. der Präsident meiner Leitung anvertraut hat, sosind diese Regeln geboten eine allseitige Achtung der Vorschriften der mit den fremden Nationen un⸗ sererseits ö Verträge, als auch durch eine gewissenhafte Uebung der völkerrechtlichen Prinzipien, welche, wie allgemein anerkannt, die Verkehrsbeziehungen der civilisirten Völker der Erde regeln, ent⸗ weder ausdrücklich auf Grund besonderer Stipulationen oder einfach als Folge des natürlichen Rechtes, gemäͤßist durch Rücksichten, welche als geheiligte und unverletzliche Gesetze allen Menschen die Gefühle der Humanität und den Fortschritt der Civilisation auferlegen. Ab⸗ gesehen von diesen Rücksichten und allgemein stets angewendeten Prin⸗ zipien stellt sich die Regierung des Präsidenten Espraillat auch un⸗ vermeidliche Regeln fest, nach welchen dieselbe als Vertheidigerin und Wächterin der ihr anvertrauten Interessen die Leitung der Administra⸗ tion einrichten wird. Ohne Kontraste aufstellen, noch gegen die frühere Administration Anklagen erheben zu wollen, ist sie verpflichtet, die traurige Wahrheit laut anerkennen und proklamiren zu müssen, daß der Kredit der Republik im Auslande schwer geschädigt und die reichen Produktionsquellen unseres civilisirten Bodens ins Stocken gerathen sind, welche der materiellen Wohlfahrt und dem guten Rufe der Verwaltung dienen können und sollen. Thatsächlich liegen diese Ursachen zu Tage und reduziren sich auf die beklagenswerthe Bereit⸗ willigkeit und die Unbedachtsamkeit, mit welcher es gestattet wird, daß der industrielle Name der dominikanischen Republik wie ein flüchtiger Laut im nichtswürdigen Munde gehaltloser Regentenmacher ohne Ruf und Geld geführt wurde. Die gegenwärtige Regierung ist fest und offen entschlossen, nicht mehr in die Fortdauer solcher Miß⸗ bräuche zu willigen, welche uns in diese beklagenswerthe Lage geführt und zu diesem Ende ladet sie Ew. ꝛc. ein, mit allen möglichen Mitteln der Publicität zur Kenntniß aller industriellen und Finanzkreise des Landes zu bringen, daß weder von Seiten der Exekutive des Landes, noch irgend einer der Ministerien ein Projekt entgegengenommen oder in Berücksichtigung gezogen werden wird, welches nicht in allen jenen Fällen, wo es sich um den Reichthum und den Kredit der Republik bnndl. durch eine vorgängige Bürgschaft gestützt wird im ver⸗
ältnißmäßigen Betrage zu der Größe des durch das Unter⸗
nehmen beabsichtigten Gewinnes. Dergleichen müssen es Ew. ꝛc. als ausgemacht betrachten, und allen zu wissen thun, daß diese Regierung keineswegs für die eingegangenen Transaktionen irgend welche Darlehen aufzunehmen beabsichtigt, daß dieselbe im Gegentheile ihre Schulden ins Gleichgewicht zu bringen wünscht, indem sie die Art, denselben die Stirne zu bieten, studirt, und end⸗ gültig über jene gesetzlichen Kompromisse schlüssig wird, welche am meisten dem Kredite des Staates entsprechen. Außer diesen, in vor⸗ stehender Deklaration enthaltenen Fällen, können Sie, Herr Konsul, Jedem, dem daran liegt, die Versicherung geben, daß diese Regie⸗ rung, geleitet von den Ideen des Fortschrittes und der Freiheit, bereit ist, jede Art nationalen und fremden Unternehmens zu fördern, welches auf die thatsächliche Entwicklung des nationalen Reich⸗ thums zielt.“
Afrika. Marokko. (A. A. C.) Den neuesten Be⸗ richten via Gibraltar zufolge wird der Kaiser von Ma⸗ rokko auf seiner Rückkehr von der Expedition nach dem Riff⸗ Lande Anfangs November Tangier besuchen.
— (A. A. C.) Von der Westküste Afrikas melden bis zum 7. v. M. reichende Nachrichten: Der Handel an der Südküste liegt darnieder. Unter den Eingeborenen längs des Gabun hatte eine Revolte stattgefunden, in Folge dessen der Handel ins Stocken gerieth. Die französische Behörde hatte die benachbarten Fluͤsse, wo der Kampf ausgebrochen, blockirt und Truppen abgesandt, um die Unruhen zu dämpfen. Die Blockade von wird von sieben britischen Kriegs⸗ schiffen aufrecht erhalten. Die Expedition den Niger hinauf hat das Ergebniß gehabt, die Eingeborenen zu beruhigen, und Oel kommt nun in großen Quantitäten den Fluß hinunter.
Aus dem Wolffschen Telegraphen⸗Bureau. Wien, Donnerstag, 5. Oktober. Die von mehreren
Blättern gebrachte Nachricht, daß die diplomatische Führung bei den weiteren Friedensverhandlungen nunmehr, nach Ablehnung der englischen Friedensvorschläge, Rußland überlassen worden sei, wird von der „Presse“ für ünbegründet erklärt. Es seien deshalb auch alle Schlußfolgerungen, die man an jene Meldung geknüpft habe, hinfällig. Der eng⸗ lische Botschafter habe, in seiner Eigenschaft als Hauptadvokat für die Vorschläge der Mächte, am Montag abermals eine Besprechung mit Safvet Pascha gehabt und um eine Privat⸗ audienz beim Sultan gebeten, um demselben neuerdings die unveränderte Annahme der Vorschläge der Mächte ans Herz zu legen. Hieraus ergebe sich, daß die Mächte nach wie vor in vollster Uebereinstimmung handelten. — Nach einer Meldung des „Tageblatt“ aus Pest hätte Mi⸗ nister-Präsident Tisza auf den Wunsch des Grafen Andrassy die Beantwortung der auf die Orientfrage be⸗ züglichen Interpellationen bis nächsten Montag vertagt.
Paris, Donnerstag, 5. Oktober, Vormittags. Nach hier vorliegenden Berichten aus London würden augenblicklich auf diplomatischem Wege die lebhaftesten Anstrengungen gemacht, um einen einmonatlichen Waffenstillstand zu Stande zu bringen, der durch verschiedene Garantien gesichert wäre. Bestimmte Vorschläge über den Zusammentritt eines Kon⸗ gresses sollen bis jetzt noch nicht gemacht sein.
Konstantinopel, Donnerstag, 5. Oktober. Der Su⸗ ltan hat der letzten Entscheidung des außerordentlichen Rathes seine Sanktion ertheilt; die offizielle Mittheilung der Ert Fel unc an die Botschafter erfolgt noch heute. — „Levant Herald“ wi wissen, daß an Stelle des zuerst beabsichtigt gewesenen National⸗ raths ein gesetzgebender Körper von 150 gewählten Mitgliedern, sowie ein Senat von 50 durch die Regierung ernannten Mit⸗ gliedern gebildet werden soll. Die Kontrole der Provinzial⸗ verwaltung würde durch gemischte Räthe ausgeübt werden, welche aus Beamten und Delegirten der verschiedenen Ge⸗ meinden bestehen sollen. Dieses System, über welches den Mächten Mittheilung gemacht sei, würde für das ganze Reich c “
Statistische Nachrichten.
Nach einer vom Kaiserlichen statistischen Amte aufgestellten und im Band XXI. Abth. 1 der Statistik des Deutschen Reichs jetzt veröffentlichten Uebersicht des Bestandes der deutschen Seeschiffe am 1. Januar 1876 zählte die deutsche Bundesflotte im Ganzen 4745 Seeschiffe mit einer Tragfähigkeit von 1,084,882
d einer Besatzung von 42,362 Mann. Unter den
Schiffen waren 4426 Segelschiffe mit 901,313 R.⸗T. und 33,215
Mann Besatzung und 319 Dampfschiffe mit 183,569 R.⸗T., 50,756
Pferdekräften und 9147 Mann Besatzung. Dieselben vertheilen sich
auf das Ostsee⸗ bez. Nordseegebiet folgendermaßen: DSDOOOstsee⸗ Nordsee⸗ Zusam⸗ gebiet. gebiet. men.
1) Segelschiffe: 4
Fabl bö“; 1,964 2,462 4,426 ragfähigkeit in Reg.⸗Tons 437,382 463,931 901,313 Zahl der Besatzung 16,612 16,603 33,215 2) Dampfschiffe:
Zahl derselben.. 137 182 319
Tragfähigkeit in Reg.⸗Tons 33,486 150,083 183,569
Pferdekraͤfte der Maschinen 10,262 40,494 50,756
Zahl der Besatzung . 1,708 7,439 9,147
Eine Vergleichung der Gesammtzahlen mit denjenigen des Vor⸗ jahres weist in der deutschen Handelsflotte eine Zunahme der Schiffs⸗ zahl um 143 (123 Segel⸗ und 20 Dampfschiffe) und der Tragfähig⸗ keit um 16,499 R.⸗T. nach, indem letztere bei den Segelschiffen um 22,928 R.⸗T. zu⸗, bei den Dampfschiffen aber um 6429 R.⸗T. abge⸗ nommen hat.
Die am 1. Januar d. J. vorhandenen Schiffe vertheilen sich auf 263 Heimathshäfen, von welchen 59 an den Küsten der Ostsee und 204 an denen der Nordsee liegen. Die bedeutendsten Rhedereiplätze sind: Hamburg (433 Sch. 217,190 R.⸗T.), Bremen (237 Sch. 176,143 R.⸗T.), Rostock (3655 Sch. 104,873 . Danzig (122 Sch. 50,769 R.⸗T.) und Stettin (231 Sch. 49,699 R.⸗T.). — Was die Größe (Ladungsfähigkeit) der Schiffe betrifft, so waren vorhanden mit einem Netto⸗Raumgehalt von: unter 50 R.⸗T. 1244 Sch. mit 37,035 R.⸗T., von 50 bis unter 100 R.⸗T. 717 Sch. mit 50,781 R.⸗T., von 100 bis unter 200 R.⸗ T. 810 Sch. mit 120,816 R.⸗T., von 200 bis unter 300 R.⸗T. 777 Sch. mit 191,153 R.⸗T., von 300 bis unter 400 R.⸗T. 460 Sch. mit 159,028 R.⸗T., von 400 bis unter 500 R.⸗T. 298 Sch. mit 132,147 R.⸗T., von 500 bis unter 600 R.⸗T. 115 Sch. mit 62,781 R.⸗T., von 600 bis unter 800 R.⸗T. 131 Sch. mit 90,841 R.⸗T., von 800 bis unter 1000 R.⸗T. 83 Sch. mit 73,631 R.⸗T., von 1000 bis unter 1200 R.⸗T. 37 Sch. mit 40,303 R.⸗T von 1200 bis unter 1400 R.⸗T. 15 Sch. mit 19,047 R.⸗T., von 1400 bis unter 1600 R.⸗T. 13 Sch. mit 19,633 R.⸗T., von 1600 bis unter 1800 R.⸗T. 14 Sch. mit 24,069 R.⸗T., von 1800 bis unter 2000 R.⸗T. 16 Sch. mit 30,174 R.⸗T., von 2000 R.⸗T. und darüber 15 Sch. mit 33,443 R.⸗T. — Ein besonderes Interesse ge⸗ währen die Nachweise über das Alter der Anfang 1876 vorhandenen Schiffe. Von denselben waren: unter 1 Jahr alt 138, von 1 bis unter 3 J. 343, von 3 bis unter 5 J. 290, von 5 bis unter 7 J. 305, von 7 bis unter 10 J. 600, von 10 bis unter 15 J. 1037, von 15 bis unter 20 J. 788, von 20 bis unter 30 J. 766, von 30 bis unter 40 J. 351, von 40 bis unter 50 J. 62, von 50 J. und dar⸗ über 28; von 37 Schiffen war das Alter nicht bekannt. — Was das Baumaterial der Schiffe anlangt, so waren: von Eisen 363 (darunter 300 Dampfschiffe), von Holz 4353 (darunter 19 Dampfer), von Holz und Eisen 2; von 27 Schiffen war das Hauptmaterial nicht bekannt. — Hinsichtlich der Chronometerführung ist zu bemerken, daß unter 4426 Segelschiffen 1669 und unter 319 Dampf⸗ schiffen 130 Chronometer an Bord hat en.
— Die Deputation des hiesigen Magistrats für Gewerbe⸗ und Niederlassungsangelegenheiten hatte im vorigen Jahre, nach Ausweis des soeben ausgegebenen Verwaltungsberichtes pro 1875 85 Ge⸗ sellen⸗Kranken⸗ und Fabrikarbeiter⸗Kassen unter ihrer Aufsicht, zu welchen die Arbeitgeber 172,535 ℳ 29 ₰, die Arbeit⸗ nehmer dagegen 326,679 ℳ 92 ₰ beisteuerten. dieser Kassen bezifferte sich ult. 1875 auf 1,197,124 ℳ 48 ₰ oder 21,0388 ℳ 92 ₰ weniger als im Vorjahr. Dem Gewerks⸗Krankenverein gehörten 70 Kassen mit 95,764 Mitgliedern an, von denen 2406 Kranke in öffent⸗ liceen Anstalten und 69,682 in ihren Wohnungen he⸗ hündels wurden. Verausgabt wurden für Arzneien und son⸗ tige Medikamente 242,614 ℳ 62 ₰ und an Honorar für 46 Aerzte 50,520 ℳ 59 ₰, zu welch letzterem Betrage die Kassen 49,862 ℳ 11 ₰ beisteuerten. — An Klagesachen zwischen selbständigen Ge⸗ werbetreibenden und deren Gesellen und Lehrlingen waren 4554 an⸗ hängig oder 1739 mehr als im Vorjahre, was hauptsächlich den viel⸗ fach getrübten Verhältnissen der arbeitgebenden und arbeitnehmenden Parteien zuzuschreiben ist. Auflagerückstände wurden von 9179 Re⸗ stanten im Gesammtbetrage von 61,597 ℳ 15 ₰ eingezogen.
München, 3. Oktober. (Corr. v. u. f. D.) Zur Neuaufnahme in das Königliche Kadetten⸗Corps, bezw. zur diesbezüglichen prüfung waren 44 Kompetenten angemeldet und zugelassen, 4 aber reiwillig zurückgetreten, so daß sich 40 der Prüfung unterzogen; von diesen wurden 11 (also über ein Viertel) als nicht befähigt zurück⸗ gewiesen, 29 aufgenommen und zwar 24 in die I., 3 in die II. und 2 in die III. Klasse. Von den Aufgenommenen sind 7 adeliger, 22 bürgerlicher Abkunft.
Leipzig. (Sächs. Wochenbl.) In dem von der hiesigen Prü⸗ fungskommission für Einjährig⸗Freiwillige abgehaltenen Herbst⸗Prüfungstermine sind von 103 Aspiranten 58 auf Grund der beigebrachten Zeugnisse über ihren bisherigen Bildungs⸗ grad ohne Weiteres als berechtigt anerkannt und 45 zur Prüfung gezogen worden. Von den letzteren haben 9 die Prüfung bestanden. wogegen 6 freiwillig zurückgetreten sind und 30 wegen noch man⸗ gelnder wissenschaftlicher Qualifikation abgewiesen werden mußten.
— Nach den tabellarischen Uebersichten des Hamburgischen Handels im Jahre 1875 wanderten im vergangenen Jahre aus Deutschland in Summa 15,826 (8818 männliche, 7008 weibliche) Personen aus. Davon gehörten dem preußischen Staate (incl. Lauen⸗ burg) 11,599 Personen an. Die meisten Auswanderer (2316 P.) ge⸗ hörten der Provinz Preußen an, nächstdem Schleswig⸗Holstein (2229), die wenigsten (7) Hohenzollern. Die meisten Auswanderer aus dem preußischen Staate (10,284) begaben sich nach den Vereinigten Staaten von Nordamerika, 905 Personen nach Australien, 125 nach Brasilien, 63 nach Chili, 58 nach den argentinischen Staaten, 41 nach West⸗ indien, Mexiko und Central⸗Amerika, 39 nach Peru, 38 nach Bri⸗ tisch⸗Kordamerika, 24 nach verschiedenen südamerikanischen Staaten, 22 nach Asten. — Was die übrigen deutschen Staaten anlangt, so kommen die meisten Auswanderer des Jahres 1875 auf Mecklenburg mit 900 Personen, nächstdem Bayern mit 777 Pers., die wenigsten auf Lothringen mit 2 Pers. — Von den übrigen Staaten Europas lieferte im Jahre 1875 das grösste Kontingent an Auswanderern Rußland (5982), das geringste Niederlande und Belgien (8) und Frankreich (8). — Die Gesammtauswanderung über Hamburg betrug 1871: 24,493 männliche und 17,731 weibliche, zusammen 42,224 Per⸗ sonen, und 1875: 18,693 männliche und 13,117 weibliche, zusammen 31,810 Personen. Seit 5 Jahren hat die Auswanderung aus Deutschland sich sehr vermindert, denn während im Jahre 1871 aus Deutschland überhaupt 30,260 Personen ausgewandert waren, geschah dies im Jahre 1875 nur von 15,826 Personen.
— Nach dem amtlichen Bericht belief sich im Jahre 1875 in Oesterreich der Briefpostverkehr im Ganzen auf 163,242,413 frankirte und 6,033,650 unfrankirte Briefe; 21,428,331 Postkarten; 19,793,522 Drucksachen; 5,577,875 Waaren⸗ proben; 26,254,907 portofreie Briefe. Zusammen: 242,330,698 Briefpostsendungen. Hiervon gehörten dem internationalen Verkehr 55,616,784 Sendungen an. Von der Gesammtzahl waren 14,875,931 rekommandirt. Der Fahrpostverkehr belief sich im Ganzen auf 4,192,024 Stück Packete im Gewichte von 15,401,074 Kilogramm. Geld⸗ und Werthsendungen wurden 23,747,917 Stück im Werthe von 4,004,438,247 Gulden befördert. Davon gehörten dem inter⸗ nationalen Verkehre 1,262,703 Packete im Gewichte von 5,378,752 Kilogramm an und 5,775,723 Stück Geld⸗ und Werthsendungen im Werthe von 752,288,291 Gulden.
— Nach dem „Amtlichen Bericht über die Geschäftsthätigleit
Das Vermögen
des österreichischen Handels⸗Ministeriums während des Jahres 1875“