1876 / 284 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Fri, 01 Dec 1876 18:00:01 GMT) scan diff

barkeit ausschließen. Die Kommission hat diese Be⸗ stimmung gestrichen, weil, wie die Vertheidiger der Kommissions⸗ beschlüsse, die Abgg. Becker (Oldenburg), Dr. Völk und der Referent Abg. Dr. geltend machten, diese Umstände schon in der Schuldfrage zur Berücksichtigung kommen und Mißverständnissen von Seiten der Geschworenen durch die Rechtsbelehrung zur Genüge vorgebeugt werden könne. Die Abgg. Struckmaun (Diepholz), Miquel und der Bundes⸗ kommissar Geh. Ober⸗Regierungs⸗Rath Hanauer befür⸗ worteten die Wiederherstellung der Regierungsvorlage, weil die Erfahrung gezeigt habe, daß in den hier fraglichen Fällen

äufig Mißverständnisse vorkommen, welche durch Speziali⸗ Frufis der Frage, wie sie der Entwurf vorschlage, beseitigt würden. Mit der allgemeinen Schuldfrage würden die Schwierigkeiten nicht gelöst, sondern nur verdeckt und die Ge⸗ fahr einer unrichtigen Beurtheilung nicht beseitigt, sondern erhöht. Der Paragraph wurde unverändert nach den Kom⸗ missionsbeschlüssen angenommen. § 254 a, welchen die Kom⸗ mission neu eingefügt, bestimmt die eventuelle Stellung der Nebenfrage nach den mildernden Umständen. Der Bundesraths⸗ Bevollmächtigte Königlich württembergischer Justiz⸗Minister von Mittnacht erblickte in den sogenannten mildernden Umständen nur Thatumstände, welcheauf die Schuldfrage selbst, insbesondere den Thatbestand des beigemessenen Delikts, irgend eine Be⸗ iehung nicht haben und lediglich die Strafzumessung betref⸗ ven sonach zur Kompetenz der Geschworenen nicht gehören. Nachdem noch der Abg. Reichensperger (Olpe) die Kommissions⸗ vorlage befürwortet hatte, wurde dieselbe unverändert ange⸗ nommen. §. 257 handelt von der Rechtsbelehrung der Ge⸗ schworenen durch den Präsidenten. Die Kommission hat beschlossen, daß auf Antrag der Staatsanwaltschaft oder des Vertheidigers bestimmt bezeichnete Sätze der Rechtsbelehrung schriftlich zu fassen, den Geschworenen zu verlesen und dem Protokolle beizufügen sind. Der Bundes⸗ kommissar Geheimer Ober⸗Regierungs⸗Rath Hanauer betonte, daß mit einer derartigen Bestimmung den Geschworeneninstituten ein Armuthszeugniß ausgestellt werde, indem man ihnen unter⸗ stelle, daß sie sich unter dem Einflusse der Belehrung durch einen Rechtsverständigen befunden. Es fehle an einer Garantie, daß dieselben der Rechtsbelehrung Folge gegeben haben, weil sie ihren Wahrspruch nicht motivirten. Endlich sei zu befürchten, daß der Präsident seine Rechtsbelehrung auf generelle Sätze einschränken werde, statt in das Detail einzugehen. Nach einem Vortrage des Abg. Reichensperger (Olpe) und des Referenten Abg. Dr. v. Schwarze wurden §. 257 und der gleichzeitig zur Diskus⸗ sion gestellte §. 301 b. unverändert nach den Kommissions⸗ beschlüssen angenommen. In §. 272 a. hat die Kommission eine Bestimmung aufgenommen für den Fall, daß das Gericht einstimmig der Ansicht ist, daß die Geschworenen sich in der Hauptsache zum Nachtheile des Angeklagten geirrt haben. Der Bundeskommissar Geh. Justiz⸗Rath Oehlschläger hob hervor, daß dadurch dem Gerichtshof die moralische Verantwortlichkeit für den Schuldspruch der Geschworenen auferlegt, daß die Auto⸗ rität der Geschworenen dadurch beeinträchtigt werde und daß die Bestimmung inkonsequent sei, weil sie bei der zweiten Ver⸗ handlung nicht zur Anwendung komme, worin ihm der Abg. Thilo beistimmte. Die Abgg. Reichensperger (Olpe) und Dr. Hänel vertraten die Kommissionsbeschlüsse, welche bei Schluß des Blattes zur Annahme gelangten.

Zu den parlamentarischen Soiréen bei dem Reichskanzler und der Fürstin von Bismarck sind Einladungen für die Sonnabende vom 2. bis 16. Dezember ergangen.

In der Sitzung der Petitions⸗Kom: ission des Deutschen Reichstags vom 29. v. M. gab der Kommissarius des Bundesraths, Geheimer Regierungs⸗Rath Huber, bei Be⸗ rathung der Petitionen für und gegen die Aufrechterhaltung der Eisenzölle im Wesentlichen folgende Erklärung ab: Die Reichsregierung werde eine Initiative zur Hinaus⸗ schiebung des Termins für den Wegfall der Eisenzölle nicht ergreifen.

Die Königlich preußische Regierung würde eine solche Initiative gleichfalls nicht ergreifen und nach einem etwa von anderer Seite gestellten Antrag auf Sistirung des Gesetzes vom 7. Juli 1873 nach Ueberzeugung des Bundeskommissars nicht zustimmen. 1

Auch von irgend einer andern Bundesregierung sei ein Antrag auf Hinausschiebung des Termins für den Wegfall der Eisenzölle bis jetzt nicht gestellt. Mit Rücksicht auf die schon sehr vorgerückte Zeit und die Wichtigkeit der Sache sei

mit Wahrscheinlichkeit anzunehmen, daß ein solcher Antrag eingekommen wäre, wenn er überhaupt beabsichtigt sein würde.

Ueber die Petitionen für und gegen die Eisenzölle, welche dem Bundesrath vorliegen, sei ein Beschluß noch nicht gefaßt. Der Bundeskommissar glaube aber, daß bei der angegebenen Sachlage die Entscheidung des Bundesrathes nicht zweifel⸗ haft ist. Der von der preußischen Regierung beim Bun⸗ desrath eingebrachte Gesetzentwurf, betreffend die Er⸗ F von Ausgleichungsabgaben bei der Einfuhr aus⸗ ändischer Waaren habe den Zweck, auf eine Beseiti⸗ gung von Zoll⸗ und Steuereinrichtungen anderer Staaten, welche die einheimische Industrie benachtheiligen, hin⸗ zuwirken. Der Entwurf beabsicht e keineswegs die Eisenzölle wieder herzustellen, der Kommisfar glaube vielmehr, daß, wenn der erwähnte Gesetzentwurf die Zustimmung sämmtlicher gesetzgebender Faktoren nicht erhalten sollte, die Stellung der Bundesregierungen gegenüber den Anträgen auf Sistirung des Gesetzes von 1873 dadurch nicht alterirt werden würde.

Ueber die Verpflichtung der Staatsbeamten zur Zahlung von Kommunalsteuern mit Einschluß der für die Quartierleistung eingeführten Abgaben, ist nach einem Erkenntniß des Königlichen Gerichtshofes zur Entscheidung der Kompetenz⸗Konflikte vom 14. Oktober 1876 der Rechts⸗ weg zulässig.

Das hiesige Stadt⸗ sowie das Kammergericht hatten in einer Unter uchung gegen einen sogenannten Rückkaufs⸗ händler, welchem von einem Andern für ein Darlehn

obilien in der Form des Kaufes und Rückkaufes verpfändet worden waren, und der diese Sachen so⸗ dann für sich verkauft hatte, denselben wegen Unter⸗ s SS auf Grund des §. 246 des Strafgesetzbuchs ver⸗ urtheilt. Die gegen das Urtheil des Kammergerichts einge⸗ legte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten ist vom Ober⸗ Tribunal in der Sitzung vom 10. November d. J. zurück⸗ gewiesen worden. Das Ober⸗Tribunal hat sich somit der recht⸗ ichen Auffassung der Vorinstanzen angeschlossen, daß ein in der Form eines Kauf⸗ und Rückkaufgeschäfts eingegangenes

Darlehns⸗ und Pfandgeschäft im Sinne des 82 sesetzbuchs —₰ läubiger keine Eigenthumsrechte an den e gewähre.

Die bei der Infanterie, den Jägern, Schützen ꝛc. der Armee eingeführten Schützen⸗Ab keer für das Schießen mit dem Gewehr werden auch bei den Matrosen⸗ und Werft⸗ Divisionen der Marine eingeführt. Ferner ist den Geschütz⸗ führern für gutes Schießen mit dem Geschütz ein Schützen⸗ bestehend aus einer rothwollenen Borte, gewährt worden.

Stettin, 30. November. In der heutigen dritten Sitzung des Provinzial⸗Landtages wurde zunächst eine Reihe von Rechnungssachen, welche sich auf einzelne Institute des Pro⸗ vinzialverbandes beziehen, erledigt. Sodann genehmigte der Landtag einige Reglements über die Verwaltung verschiedener dieser Institute, billigte auch die vom Provinzialausschusse be⸗ schlossene Pensionirung des Direktors Lenz aus der Landarmen⸗ Anstalt zu Neustettin. Abgelehnt wurde der Antrag des Kreises Schlawe auf Bewilligung einer Beihülfe zum Bau der Kreis⸗ chaussee von Schlawe nach Cannin und das Gesuch des Seiden⸗ bauvereins für die Provinz Pommern auf Gemährung einer Unterstützung von jährlich 1200 Dagegen beschloß man, dem deutschen E.. die Kosten für die geschehene Aussetzung junger Lachse in pommersche Flüsse zu erstatten und dem gedachten Vereine als Mitglied beizutreten. Das vom Provinzialausschusse ausgearbeitete Reglement über die dienstlichen Verhältnisse der Provinzialbeamten wurde unver⸗ ändert angenommen.

Breslau, 30. November. Der Provinzial⸗Land⸗ tag der Provinz Schlesien ist am 29. d. M. von dem stellvertretenden Königlichen Landtags⸗Kommissarius Regierungs⸗Vize⸗Präsidenten Juncker von Ober⸗Conreid mit folgender Ansprache eröffnet worden:

Meine hochgeehrten Herren Mitglieder des Provinzial⸗Landtags!

Se. Majestät der Kaiser und König haben Allergnädigst mittelst Allerhöchster Ordre vom 8. d. M., die Einberufung des Provinzial⸗ Landtags der Provinz Schlesien zu befehlen geruht, und haben die Gnade gehabt, mich zum Stellvertreter des abwesenden Herrn Ober⸗ Präsidenten der Provinz, Grafen von Arnim⸗Boitzenburg, in seiner Eigenschaft als Königlicher Kommissarius bei dem Provinzial⸗Land⸗ tage zu ernennen. In Folge dieses Allerhöchsten Auftrages habe ich die Ehre, bei Ihnen zu erscheinen, um gegenwärtig die Eröffnung des einberufenen Landtags zu vollziehen, und Ihnen auch fernerhin bei Ihren Arbeiten von staatlicher Seite förderlich zu sein.

Es ist das zweite Mal, meine hochgeehrte Herren, daß Sie in diesem Jahre, nachdem Sie bereits unter dem langjährig erprobten Vorsitze eines Durchlauchtigen Herrn dieser Provinz getagt hatten, nun neuerdings zusammentreten. Der erfolgte Austritt eines hoch⸗ anerkannten Mannes Ihrer Wahl aus der Stellung des Landeshaupt⸗ manns und die dadurch nothwendig gewordene Vollziehung einer Neuwahl ist ein wichtiger Grund für Ihren wiederholten Zusammen⸗ tritt geworden. Wenn mit Ihnen, meine hochgeehrten Herren, die Staatsregierung nur mit Bedauern den Austritt des so vielfach um die Provinz verdienten seitherigen Herrn Landeshauptmanns aus dieser Stellung hat wahrnehmen müssen, so knüpft sich daran nicht nur die erfreuliche Wahrnehmung, daß doch seine bewährte Kraft der Pro⸗ vinz nicht verloren gegangen, sondern derselben für einen ander⸗ weiten Wirkungskreis von weittragender Bedeutung erhalten ge⸗ blieben ist, sondern es knüpft sich daran auch die sichere Zuversicht, daß es Ihnen ohne Zweifel gelingen wird, bei der vorzunehmenden Neuwahl zu dem wichtigen Berufe des Landeshauptmanns für unsere nach allen Richtungen reich erblühte Provinz den mit diesem Berufe so S verknüpften Interessen in jeder Beziehung voll Rechnung zu tragen.

Dem Provinzial⸗Landtage neue Gesetze von provinzieller Be⸗ deutung jetzt vorzulegen, hat sich nicht als nothwendig ergeben. Es wird aber die wichtige Aufgabe für Ihr gegenwärtiges ferneres Wirken hervortreten, das Leben der provinziellen Kommunalverwaltung in ihrem gesetzlich erweiterten Bereiche fort zu entwickeln, dasselb⸗ durch normative Bestimmungen sachlicher wie persönlicher Art in verschie⸗ dener Richtung zu gestalten und zu festigen, und so der Selbstver⸗ naltnng mit der festeren Basis die Möglichkeit reicher Entfaltung zu sichern.

Es sind wesentlich die schon auf dem letzten Landtage in grund⸗ legender Weise behandelten Zweige Ihrer Thätigkeit, darunter von hervorragender Wichtigkeit: die Organisation des der Provinzial⸗ verwaltung zugefallenen Chaussee⸗ und Wegebauwesens, und, neben anderen Zweigen materieller Fürsorge, auch die hohen Interessen des Kunstlebens in dieser so reich gesegneten Provinz, welche Sie jetzt weiter beschäftigen werden. Und Sie werden, meine hochgeehrten s ten da gegenwärtig zum ersten Male der Provinzial⸗Landtag ich auf die von dem Provinzial⸗Ausschusse Ihnen vorzulegenden Vor⸗ arbeiten stützen wird, mit Genugthuung wahrnehmen, mit welcher außerordentlichen Umsicht und Sorgfalt, mit welchem einzehenden Eifer dieselben in wiederholten Ausschußsitzungen unter der erfolg⸗ reichen Führung des so lange bewährten Herrn Vorsitzenden ge⸗ staltet worden sind, um Ihnen als Grundlagen für Ihre weiteren Berathungen und Beschlüsse zu dienen.

Wenn ich die Ehre und Freude hatte, in solchen Sitzungen diese Ueberzeugung mit ganz besonderer Anerkennung zu gewinnen, so weiß ich gegenwärtig in vollstem Maße die hohe Ehre zu empfinden, welche mir durch den Allerhöchsten gnädigen Befehl geworden ist, zu Ihnen, meine hochgeehrten Herren, in Ihren vollen Drovinzial⸗Landtag hin⸗ zutreten. Ist mir die Obliegenheit auferlegt, in Abwesenheit des so hochverehrten Herrn Ober⸗Präsidenten der Provinz stellvertretend die Funktionen des Königlichen Landtagskommissarius wahrzunehmen, so bitte ich, die Versicherung entgegenzunehmen, daß ich bei meiner Aufgabe, Ihren Arbeiten förderlich zu sein, gerne mit doppeltem Eifer aufwiegen will, was mir bei meiner Neuheit in den Verhältnissen der Provinz entgeht, und daß ich mich bemühen werde, der Königlichen Gnade und Ihrem Vertrauen, meine hochgeehr en Herren, zu entsprechen, welches letztere mir voll zu gewähren ich hierdurch bitte. Gott gebe Ihren Arbeiten Seinen reichsten Segen!

Im Allerhöchsten Auftrage erkläre ich hiermit den Landtag der Provinz Schlesien für eröffnet.

Batzern. München, 28. November. Mehrere Pro⸗ fessoren der theologischen Fakultät der hiesigen Uni⸗ sversität, welche Mitglieder despkatholischen Kasino und gleick⸗ zeitig auch der „Concordia“ sind, werden, wie die „Allg. Zig.“ vernimmt, aus dem letzteren Verein austreten, und zwar hauptsächlich deshalb, weil derselbe als politischer Verein auf⸗ tritt. Nach Versicherung eines Lokalblattes stände für das nächste Jahr in München eine Erhöhung der Gemeindeumlage (von 70 Proz. 8 mindestens 100 Proz. der Staatssteuern) in Aussicht. Es handelt sich indessen, wie der „Allg. Ztg.“ mitgetheilt wird, vorerst nur um den Entw urf des Ge⸗ meindebudgets, und bis über dasselbe eine Vereinbarung zwischen den beiden Gemeindekollegien erzielt ist, werde die drohende Erhrhing voraussichtlich noch sehr wesentlich ver⸗ mindert werden. Wie im vorigen Sommer in Starnberg, so wird nun auch in Weilheim ein eigenes protestanti sches Bethaus erbaut werden, und ist für dasselbe eine

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Hessen. Darmsta dt, 28. November. In ihrer heutigen (10.) Sitzung trat die Erste Kammer der Stände in die Berathung des Antrages des Abg. Frhrn. v. Rabenau, die Durchführung des Art. VlI. der Reichsverfassung, das Eisen⸗ bahnwesen betreffend. Der Ausschuß hatte, wie bereits ge⸗ meldet, beantragt, den drei Beschlüssen der Zweiten Kammer, als gegenwärtig der Grundlage entbehrend, nicht beizutreten, sich vielmehr mit der Regierungserklärung vorerst zu begnügen. Nach längerer Debatte wurde schließlich der Antrag des Aus⸗ schusses einstimmig angenommen. —— 29. November. Von Seiten des Ministeriums des Innern ist der Zweiten Kammer der Stände unterm 18. d. Mts. der bereits angekündigte Gesetzentwurf in Betreff des Schutzes der infremde Pflege gegebenen kleinen Kinder nebst Motiven zugegangen. Gutem Vernehmen nach, schreibt die „Darmst. Z.“, ist der auf den 5. Dezember in Aussicht ge⸗ nommen gewesene Zusammentritt der Landessynode um zwei Tage, also auf den 7. k. Mts. verschoben worden, da der Druck des von dem Abg. Wernher erstatteten Berichtes über den Voranschlag der Einnahmen und Ausgaben des Central⸗ Kirchenfonds für die Jahre 1877 bis 1879 längere Zeit in Anspruch nimmt und den Mitgliedern der Synode die nöthige Zeit zu dessen Studium gelassen werden 8

Sachsen⸗Weimar⸗Eisenach. Weimar, 29. November. (Dr. J.) Seit Anfang dieser Woche ist der Rechnungs⸗ ausschuß des Landtags hierselbst versammelt, um in ver⸗ fassungsmäßig evee, ver Weise die Rechnungen des Staatshaushalts zu prüfen, eine Aufgabe, die ihn bis über die Mitte des Dezember hinaus beschäftigen wird. In dem letzten Drittel des Januar oder Anfang Februar findet die Eröffnung der ordentlichen Session des neugewählten Landtags statt.

Sachsen⸗Altenburg. Altenburg, 28. November. (Dr. J.) Der Landtag des Herzogthums, welcher seit dem 7. April d. J. vertagt gewesen ist, ist für den 5. Dezember zur Fortsetzung seiner Berathungen wieder einberufen worden. Unter den Gegenständen, welche demselben vorgelegt werden sollen, befindet sich namentlich eine neue Schulgemeinde⸗ ordnung. Außerdem wird sich der Landtag auch mit der Genehmigung des zwischen den meisten thüringischen Staaten abgeschlossenen Vertrages wegen Einrichtung gemeinsamer Strafanstalten zu beschäftigen haben. Dieselben sollen

theils in Gräfentonna, theils in Maßfeld, theils in Ichters⸗ hausen eingerichtet werden.

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SKesterreich⸗Ungarn. Wien, 30. November. (W. T. B.) Graf Andrassy hat sich heute von hier nach Pest begeben, wo er bis Weihnachten zu verweilen gedenkt.

(W. T. B.) Nach einer Regierungsvorlage, welche demnächst Seitens des Handels⸗Ministers bevorsteht, soll die Frage des Betriebsdefizits bei den Eisenbahnen in der Weise geregelt werden, daß die Regierung die Er⸗ gänzung aus Staatsmitteln zugeste t, sich dabei jedoch das Recht vorbehält, unbeschadet der Rechte der Aktionäre den Be⸗ trieb in eigene Regie zu übernehmen.

1. Dezember. (W. T. B.) Graf der hiesige französische Botschafter haben gestern im auswärtigen Amte die Konvention, betreffend die Verlän⸗ gerung des österreichisch⸗französischen Handelsver⸗ trags auf 6 Monate, unterzeichnet. Derselbe bleibt demnach noch bis zum 1. Juli 1877 in Kraft.

Innsbruck, 27. November. Wie bekannt wurde in den letzten Tagen die südtirolische Studentenverbindung „Societä degli studenti e candidati trentini“ behördlich aufgelöst. Dem vom hiesigen Bürgermeister Dr. Tschurtschenthaler ausgefer⸗ tigten Auflösungsdekrete ist zu entnehmen, daß die besagte Verbindung sich der Statutenüberschreitung schuldig machte und Politik trieb, trotzdem ihr bereits im Jahre 1872 eine diesbezüg⸗ liche Verwarnung und ein strenger Berweis ertheilt worden war. Seither haben Mitglieder dieses Vereines in dieser Eigenschaft eine politische Demonstration in Scene gesetzt, indem sie eine Huldigungsadresse an einen durchreisenden fremden Prinzen (Kronprinz Humbert von Italien) absendeten. Die aus Anlaß dieser Demonstration eingeleitete Untersuchung hat nun er⸗ geben, „daß der Verein auch in diesem Jahre neuerdings den Boden der Politik betreten habe, indem er in politischer Rich⸗ tung notorisch verdächtige Persönlichkeiten des In⸗ wie Aus⸗ landes zu Ehrenmitgliedern ernannt und in den betreffenden Zuschristen seine Sympathien zu ihren politischen Meinungen und Absichten kundgegeben hat“ Mit Rücksicht auf diese Ergebnisse wurde der Verein aufgelöst. 1 sern 30. November. (W. T. B.) In der heutigen

Andrassy und

Konferenz der liberalen Partei erklärte Minister⸗ Präsident Tisza auf eine in der Bankfrage an ihn gerichtete Interpellation, seit dem 11. Mai, beziehungsweise dem 4. Oktober d. J., sei nichts geschehen, was die Situation zwischen den beiderseitigen Regierungen ge⸗ ändert hätte. Nach dem, was zwischen den bei⸗ den Regierungen geschehen, sei die ungarische Regierung berechtigt gewesen, bezüglich der Bankfrage Erklärungen abzu⸗ geben, in Folge deren die gesammten Ausgleichsfragen nicht juristisch, aber politisch dergestalt zusammenhingen, daß sie nur zusammen der Sanktion unterbreitet werden könnten. An diesen Erklärungen halte die Regierung auch heute noch sest. Die Regierung werde sich ö unzweifelhafte Beweise zu ver⸗ schaffen bestrebt sein, ob die österreichische Regierung auf der von ihm dem Minister⸗Präsidenten am 11. Mai und 4. Oktober gekennzeichneten Basis stehe oder nicht und je nach der von ihr gewonnenen Ueberzeugung weiter vorgehen. Die Konferenz nahm diese Erklärung sehr beifällig auf und war damit einverstanden, daß die Interpellation in der morgenden Sitzung des Unterhauses eingebracht werde. Tisza bemerkte darauf, er werde bei Beantwortung der Interpellation noch manches hinfügen können, was das Gewicht seiner heutigen Erklärung erhöhen werde.

Schweiz. Genf. (N. Zürch. Ztg.) Die Nachwahlen in den Großen Rath sind, da sich die Independenten von denselben ferngehalten und auch die ihnen angebotenen Kan⸗ didaturen ausgeschlagen, ganz im Sinne der Nadikalen ausgefallen. Unter den Gewählten befindet sich auch Hr. Grosselin, Maire von Carouge und ehmaliger Chef der Inter⸗ nationalen, der im ersten Wahlgange durchgefallen war.

Niiederlande. Amsterdam, 25. November. (Leipz. Ztg.) Die Königin wird, Mittheilungen zufolge die im Haag ein⸗

Sammlung freiwilliger Gaben in allen protestantischen Kirchen des Landes bewilligt worden. sche 6

etroffen, noch bis über die Hälste des nächsten Monats in Frankreich verweilen und sodann nach dem Haag zurück⸗

kehren. Die Zweite Kammer der. Generalstaaten hat die Berathung über den wichtigen Gesetzentwurf für Regelung des Münzwesens in den Niederlanden beendigt. Sie hatte die Berathung am 22. d. eröffnet und schon gestern fällte sie ihre Entscheidung. Nach der Vorlags sollen außer den bereits eingeführten Zehngulden⸗Goldstücken auch Fünf⸗ ulden⸗Goldstücke als Währungsmünze eingeführt werden. Auf Antrag des Hrn. Schimmelpenninck wurde jedoch mit 37 gegen 25 Stimmen die Zustimmung zur Prägung von Fünfgulden⸗ Goldstücken verweigert. Die in der Vorlage als provi⸗ sorisch (bis zu weiterer gesetzlicher Anordnung) vorgeschlagene. Beibehaltung der vorhandenen silbernen Währungsmünzen, mit Ermächtigung der Regierung, falls die Wechselcourse über⸗ mäßig steigen, einen Theil der Silbermünzen in Barren um⸗ schmelzen und verkaufen zu lassen, um dafür Gold zur Aus⸗ prägung anzukaufen, wurde dagegen b e. genehmigt. Ein Antrag des Hrn. Bredius, aus der Reihe der silbernen Währungsmünzen die ½⸗Guldenstücke zu streichen, drang nicht durch. Ein Antrag des Hrn. Schimmelpenninck, daß der Re⸗ gierung, welche nach der Vorlage zwar vorhandene Silber⸗ münzen entmünzen, aber Silber fortan nicht ausprägen darf, die Befugniß zur Ausprägung von Silber gelassen werden solle, wurde mit 34 gegen 27 Stimmen abgelehnt. Die von dem Finanz⸗Minister vorgeschlagene Fesehing der Kupfer⸗ münzen durch Bronzemünzen wurde genehmigt. Schließlich erfolgte die Annahme des Ganzen des Entwurfs, wie er aus den Verhandlungen hervorgegangen, mit 37 gegen 25 Stimmen.

Haag, 30. November. (W. T. B.) In der Zweiten Kammer erklärte heute in der Generaldebatte über das Budget, bei welcher die Verwaltung der Kolonien die meisten Angriffe erfuhr, das Ministerium, es sei so⸗ wohl darüber, daß das Ackerbaugesetz für Niederlän⸗ disch⸗Indien ausgeführt werde, wie auch darüber, daß der Betrieb der Kaffeekultur durch die Regierung bei⸗ behalten werde, in allen seinen Mitgliedern vollständig ein⸗ verstanden.

Großbritannien und Irland. London, 29. November. (Engl. Korr.) Die Königin hielt gestern um 1 Uhr eine Geheimrathssitzung, bei welcher der Herzog von Richmond und Gordon, der Marquis of Hertford, Lord Derby und der Minister des Innern gegenwärtig waren. Lord Blackburn, Sir Henry C. Montgomery, Sir George Bramwell, Sir Ba⸗ liol Brott und Sir Richard Amphlett wurden als neue Mitglieder des Geheimrathes eingeführt und vereidigt. Der türkische Botschafter Musurus Pascha über⸗ reichte der Königin sein neues Beglaubigungsschreiben, Der schwedische Gesandte Baron Hochschild übergab sein Abberufungsschreiben. Die „London Gazette“ bringt die amtliche Ernennung des Herzogs von Marlborough zum Vize⸗König von Irland. Die Staatseinnahmen vom 1. April 1876 bis zum 25. November betrugen: 46,567,687 Pfd. Sterl. (gegen 46,533,372 Pfd. Sterl. im Vorjahre), die Ausgaben: 49,443,067 Pfd. Sterl. (gegen 49,231,191 Pfd. Sterl. im Vorjahre), die Bilanz am 25.: 2,140,233 Pfd. Sterl. (gegen 2,662,785 im Vorjahre). Mr. Göschen, von seiner Reise nach Aegypten zurückgekehrt, er⸗ stattete einer zahlreichen Versammlung von Besitzern ägyptischer Fonds Bericht über seine Sendung. Ausführlich besprach derselbe seine Verhandlungen mit dem Shee⸗ und theilte mit, daß der Haupttheil der Daira oder Privat⸗ schulden des Khedive von denjenigen des Staates getrennt werden sollte. Obgleich noch kein festes Abkommen getroffen, war doch vorgeschlagen, daß hinsichtlich der Daira⸗Schuld von 1870 und der laufenden Daira⸗Schuld, die Daira⸗Güter in die Hände von Mandataren gelegt werden sollten, um von ihnen für Rechnung der Gläubiger verwaltet zu werden. Die Anleihen von 1864, 66 und 67 sollten zu 7 Proz. verzinst werden, aber zu 80 statt 100 Proz. eingelöst werden. Dann sei die Ausgabe von 17,000,000 Pfd. Sterl. 5prozentige Bonds beabsichtigt, welche gleich ¶6 der Anleihen von 1862, 68 und 73 waren, und den Inhabern der Letzteren als Theilersatz angeboten werden solle, während die übrigen ⅞ᷣ der Anleihen zu der allgemeinen Schuld geschlagen werden, und zu 7 Proz. ver⸗ zinsbar, so wie in 65 Jahren einlösbar sein sollten. Sicher⸗ heit für jene Anleihe sollten die ägyptischen Eisenbahnen, der Hafen von Alexandria und die Landrente gewähren. Die Eisenbahnen sollten durch einen Verwaltungsrath von Euro⸗ päern unter Vorsitz eines Engländers verwaltet werden. Die allgemeinen Einkünste und die Ordnung der Schuld würden gleichfalls unter Aufsicht einer besonderen Behörde, an der zwei Europäer Theil zu nehmen hätten zu stellen sein. Busrtenen mit diesen Maßregeln sollte eine Anleihe von 2,000,000 Pfd. Sterl. bewerkstelligt werden, von denen 700,000 Pfd. Sterl. für Verbesserung des Hafens von Alexandria zu verwenden seien, 500,000 Pfd. Sterl. dem Khedive auszuzahlen wären. Eine Darstellung der Finan⸗ zen und Hülfsquellen Aegyptens fügte Mr. Söschen hinzu, um zu zeigen, daß das Land völlig im Stande sei, die erwähnten Maßregeln durchzuführen und daß zugleich durch letztere sowohl die Regierung wie die Steuerzahler Vor⸗ theil ziehen würden. b

1. Dezember. (W. T. B.) Die Unterzeichnung des englisch⸗rumänischen Handelsvertrages hat, wie die „Morning⸗Post“ Ghika ist

meldet, Fns en den, Fürst gestern nach Bukarest zurückgereist.

. Frankreich. Pavis, 29. November. Der heute unter dem Vorsitz des Hrn. Dufaure gehaltene Ministerrath be⸗ schäftigte sich mit der Entscheidung über die besondere Lage, in der sich das Kabinet augenblicklich befindet. Der Minister des Innern hatte vorher eine eingehende Unterredung mit dem Marschall⸗Präsidenten gepflogen. Dem Vernehmen der „Köln. Ztg.“ nach sind die Minister entschlossen, im mte zu bleiben, da die Ehre ihnen gebiete, das von ihnen vorbereitete erledigen zu lassen. Der „Moniteur“ bestätigt diesen Abend, die Kabinetskrisis sei für den Augenblick beseitigt und das Kabinet entschlossen, trotz aller Zwischen⸗ fälle über das Budget durch beide Kammern abstimmen zu lassen. Demselben Blatte zufolge ist das Dekret von Ducros noch keineswegs in Lyon außer Kraft gesetzt und über diese Angelegenheit auch bis jetzt noch nicht im Kabinetsrathe u“ worden. Der Ausschuß für die Begräbnißvorlage berieth heute über die ihm gestern von dem Conseils⸗Präsidenten Dufaure gemachten Ausgleichsvorschläge, kam aber zu keinem festen Beschlusse; indessen erhellte aus der Berathung, daß die Mehrzahl der Mitglieder ein neues Gesetz für überflüfsig hält, da die bestehende Gesetzgebung genüge und, wenn sie nach

ihrem wahren Geiste in Anwendung gebracht werde, den Grundsatz der Gewissensfreiheit vollkommen wahre. Die re⸗ publikanische Linke und die radikale republikanische Union, welche heute in ihrer Versammlung Mittheilungen über diese Berathungen entgegennahmen, machten die Ansichten des Ausschusses zu ihrigen und beschlossen, gegen jeden der die Gewissensfreiheit beeinträchtigen könnte, zu ttimmen.

Nach einer weiteren Korrespondenz der „Köln. Ztg.“ hat die Kommission empfohlen, die Vorlage zu verwerfen und folgenden Antrag anzunehmen: „In Anbetracht, daß die Gewissensfreiheit zu den Grundlagen der modernen Ge⸗ sellschaft gehört und als solche die Gleichheit aller Bürger gegenüber dem Tode nach sich zieht, fordert die Kammer die Minister auf, Allen, ohne Unterschied des Bekenntnisses und der religiösen Ansichten, die Ehrenbezeigungen zu erweisen.“ Die Linke möchte diesem Antrage gern zustimmen, aber sie fürchtet die Folgen und hat daher heute beschlossen, nichts zu beschließen, sondern nach einem Ausweg ihre Nachforschungen fortzusetzen. Der „Moniteur“ erklärt der Linken heute, das Kabinet stürzen sei leicht, aber eines zu finden, das eine feste Mehrheit haben würde, desto schwieriger.

Versailles, 30. November. (W. T. B.) In der Depu⸗ tirtenkammer wurde heute die Berathung des Kultus⸗ budgets fortgesetzt. Ein auf die Unterdrückung von Stif⸗ tungen bei den Seminarien abzielender Antrag Albert Joly's wurde abgelehnt, alle von der Budgetkommission für das Budget des Kultus⸗Ministeriums vorgeschlagenen Herab⸗ minderungen des Kredits wurden genehmigtv; ebenso wurden die Zusatzanträge angenommen, durch welche dem be⸗ züglich der s. g. fictiven Pfarrer bestehenden Mißbrauche gesteuert werden soll.

Italien. Rom, 30. November. (W. T. B.) Der Marquis von Salisbury machte dem Minister des Auswärtigen, Melegari, heute Vormittag 11 Uhr einen längeren Besuch. Eingeführt wurde derselbe durch den eng⸗ lischen Botschafter Lord Paget, der aber der Be⸗ sprechung nicht beiwohnte. Um 5 Uhr wurde der Marquis vom König und hierauf auch vom Kronprinzen in Audienz empfangen. An dem ihm zu Ehren veranstalteten Diner bei dem englischen Botschafter nahmen auch die Minister De⸗ pretis und Melegari, sowie die übrigen hier beglaubigten Botschafter Theil. .

Griechenland. Athen, 30. November. (W. T. B.) Der Gesetzentwurf der Regierung, betreffend eine neue Steuerauflage Behufs außerordentlicher Maßregeln ist in der Kammer gefallen. Es stimmten 79 Abgeordnete für den Entwurf, 78 dagegen, 2 Abgeordnete enthielten sich der Abstimmung. Kumunduros wird in Folge dessen wahr⸗ scheinlich morgen seine Demission einreichen.

Türkei. Konstantinopel, 28. November. Zur Situa⸗ tion schreibt man der „Pol. Korr.“: Dietürkische Konstitutionmet der Geltung für das ganze Reich ist fertig. Die Proklamirung derselben steht unmittelbar bevor. Durch diesen Akt der Pforte soll das Terrain abgegrenzt werden, auf welchem sich die Verhandlungen der bevorstehenden Konferenz bewegen sollen. In diplomatischen Kreisen wird diesem Vorgange der Pforte eine Bedeutung beigelegt, welche die ganze Konferenz, wenn nicht gar ihren Zusammentritt, kompromittiren könnte. Man weiß hier, daß General Ignatieff von St. Petersburg Instruk⸗ tionen erhalten hat, jedwede Berufung der Pforte auf die von ihr zu promulgirende Verfassung vollständig zu ignoriren, dagegen um so energischer auf der Gewährung einer privilegirten Stellung für die drei von slavischen Eeisten bevölkerten Pro⸗ vinzen zu bestehen. Im Falle einer Weigerung der Pforte, auf die Diskussion dieses russischen Begehrens einzugehen, erachtet man es für wahrscheinlich, daß der russische Bot⸗ schafter ermächtigt ei, die Konferenz als gegenstands⸗ und zwecklos anzusehen.

Ein Rundschreiben der Regierung an die Ge⸗ neral⸗Gouverneure der Provinzen, darunter auch an die von Tripolis und Jemen in Süd⸗Arabien, ruft denselben, wie dem „W. Fremdenbl.“ gemeldet wird, die schon früher er⸗ lassene Kaiserliche Irade, mittelst deren der Sklavenhandel im ganzen türkischen Reiche für immer abgeschafft wurde, nochmals in Erinnerung und befiehlt ihnen zugleich, mit aller Strenge darüber zu wachen, daß in den ihnen anvertrauten Provinzen kein Handel mehr mit Menschen, ohne Unterschied des Geschlechtes, getrieben werden soll.

(W. T. B.) Die Demarkations⸗Kommissäre haben, nach in Wien eingegangenen Nachrichten, von Alexinatz aus nach Konstantinopel gemeldet, es sei keine Aussicht vor⸗ veceh, daß sie ihre Aufgabe vor Mitte Dezember lösen

önnten.

Der „Daily News“ wird aus Belgrad, 26. d., tele⸗ graphirt: Die Demarkations⸗Kommission hat die Linie durch die Distrikte von Knjazewatz, Banja und Deli⸗ grad festgestellt. Die Besatzung von Deligrad wird aus 2 Bataillonen Infanterie, einer Schwadron Kavallerie und 2 Batterien bestehen. Die serbischen Vorposten werden dreiviertel Stunden über Deligrad hinaus auf der Straße nach Alexinatz tehen. Wie englischen Blättern gemeldet wird, ist die Demar⸗ kationslinie zwischen den türkischen und montenegri⸗ nischen Truppen folgendermaßen festgestellt worden. Sie beginnt bei Grab in der Landschaft Zubci, wendet sich gegen die von den Kriegführenden eingenommenen Stellungen bei Zaslap, eine halbe Stunde innerhalbder montenegrinischen Grenze und umschließt dann schleifenförmig die Landschaften Banjani und Rudine. Südlich Goransko durchschreitet die Linie den Piwafluß, geht dann nördlich an den Fluß Tara, über den Gebirgsstock Dormitor und läuft dann parallel mit der Tara bis Kolaschin an die montenegrinische Grenze. Sie bleibt dann an derselben, die östlichste Nahia der Wassojewitschi um⸗ schließend, durchschneidet die Landschaft Kucsi bis Selischte, läuft südlich bis⸗Stijena längs der montenegrinischen Grenze auf Medun zu, folgt dem Ufer des Skutari⸗Sees bis Sistane und bewegt sich dann jenseits des Passes Suturman längs der montenegrinischen Grenze. 888 11—

Die Sutorina bis Grab und der Distrikt Pera sind für neutral erklärt; Niksiks, Goransko und die Verschanzungen im Dugapasse bleiben blokirt. Die neutrale Zone zwischen

den Kriegführenden hat eine Breite von zwei Kilometern.

Die Wiederverproviantirung der blokirten Plätze bleibt Gegen⸗ stand besonderen Abkommens zwischen den Kriegführenden.

Die „Times“ vom 27. d. besprechen die Reise Lord

Salisbury's sowie die Aussichten der Konferenz und sagen: „Der Verlauf der Mission Lord Salisbury’s hat die Friedens⸗

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.1 8 11“ b 11“ hoffnungen verstärkt. Das Problem, divergirende Anschauungen in Einklang zu bringen und Friedensbedingungen aufzustellen, die von allen Parteien in der Konferenz zu Konstantinopel angenommen werden können, ist nicht unlösbar, wenn es gerade und offen in Angriff genommen wird, und wir hegen das Vertrauen zu Lord Salisbury, daß er, je mehr er die Frage studirt, desto mehr auch sich von Voreingenommen⸗ heiten, wie sie das Parteileben in England mit sich bringt, befreien wird, welche fatale Hindernisse inter⸗ nationaler Verständigung sind. Es giebt gewisse Grund⸗ sätze, über welche alle Garantiemächte einverstanden sind. Jedes Kabinet schließt sich dem Verlangen nach einer besseren Re⸗ gierungsweise in den zerrütteten türkischen Provinzen an und es ist nicht zu erwarten, daß die Pforte hiergegen Schwierig⸗ keiten erheben wird. Die Kabinete sind auch über die für Bosnien, Bulgarien und die Herzegowina zu verlangenden Reformen einig und die Umrisse eines Reformprogrammes, welches der Pforte als ein von allen Garantiemächten ge⸗ billigtes und unterstütztes vorgelegt werden kann, werden täg⸗ lich bestimmter. Man darf auch mit Grund annehmen, daß die Pforte der Annahme der meisten in solcher Weise festgestellten Punkte keinen unbesieglichen Widerstand entgegensetzen würde. Die Mächte sind aber nicht nur darüber einig, daß Reformen einzuführen seien, sondern auch darüber, daß Bürgschaften für die Ausführung der Reformen vorhanden sein müssen. Unser Minister des Innern Mr. Croß hat der Anschauung der englischen Regie⸗ rung Ausdruck gegeben, als er erklärte, daß die papierenen Versprechungen der türkischen Regierung in Sterlingen ein⸗ gelöst werden müßten.“ Die „Times“ glauben, daß die Pforte dem Programmpunkte, welcher die Entwaffnung der Bevölkerung verlangt, den hartnäckigsten Widerstand entgegen⸗ fetzen werde; sie werde entgegnen, daß die Entwaffnung un⸗ möglich sei. Daraus schließen die „Times“ nur, daß, wenn die Entwaffnung einmal als unerläßlich für eine gerechte Re⸗ gierung Bosniens, Bulgariens und der Herzegowina aner⸗ kannt werde und für die Pforte selbst unmöglich sei, eben an⸗ dere Kräfte damit betraut werden müßten.

Wien, 30. November. Aus Konstantinopel wird gemeldet: In Bagdad ist die Pest ausgebrochen. Der europäische Gesundheitsrath protestirte bisher vergebens gegen fernere Aushebungen für die europäische Armee der Türkei.

Rustschuk, 24. November. Jetzt beginnt die „Russenfurcht“ hier mit epidemischer Unwiderstehlichkeit zu grassiren, schreibt die „Pol. Korr.“. Alles, was nicht unbedingt an die Stadt gebunden ist, giebt den hiesigen Aufenthalt auf und geht theils ins Ausland, theils nach Varna und Konstantinopel. Selbst die in die Wider⸗ standskraft der hiesigen Festung und den Erfolg der türkischen Waffen das größte Vertrauen setzenden Mohamedaner bringen ihr bewegliches Vermögen und ihre Werthsachen in Sicherheit. Die Vermöglicheren unter ihnen bereiten Alles vor, um im gegebenen Momente ihre Familien von hier fortbringen zu können. Alle türkischen Kriegsdampfer und Moni⸗ tors, welche auf der Donau sich befinden, erhalten englische Kommandan ten. Gestern trafen die betreffenden englischen Marineoffiziere hier ein und machten bei dem Vali und dem Festungskommandanten ihre Be⸗ suche. Am 1. Dezember treten die Engländer ihren Dienst an. Wie hier verlautet, wird die türkische Armee in Kurzem ihren Aufmarsch an der Donau beginnen. Es werden hier wie in Varna Winter⸗ kleider für die Armee verfertigt. Der Khedive machte mit 250,000 Ellen Tuch und 70,000 Paar Stiefeln der Pforte eine Geschenk zu diesem Zwecke. Die Redifs in Bulgarien sind in allen drei Klassen einberufen worden. Dieselben müssen am 3. Dezember in Schumla eintreffen.

Belgrad, 26. November. (Pol. Korr.) Mit den aus St. Petersburg hier eintreffenden Nachrichten, welche auf Sturm deuten, geht offenbar die Wiederaufnahme der diesseitigen Rüstungen Hand in Hand. Der Kriegs⸗Minister hat neuerdings mehrere Ver⸗ träge auf Lieferungen von Kriegsmaterial, namentlich große Quan⸗ titäten Blei, abgeschlossen. In den hiesigen Laboratorien wird emsig an der Erzeugung von Patronen gearbeitet. In Kragujewatz wird Munition für die Artillerie erzeugt. Die russischen Freiwilligen, die neuerlich nach Serbien kommen, zeichnen sich vor den Mann⸗ schaften der früheren Zuzüge ziemlich vortheilhaft aus. Die eben angekommene Legion ist vollständig uniformirt und durch⸗ gehends mit Hinterladern bewaffnet. Dieser Tage werden noch achthundert Mann aus Odessa erwartet. Ueber Turn⸗Severin sind einige Offiziere vom Generalstabe der russischen Südarmee in Kladowo angekommen. Dieselben haben den Auftrag, die Positionen von Banja, Paratschin, Deligrad und Krusewatz in Augenschein zu nehmen. Nach Beendigung dieser Mission werden sie hier zu einer Konferenz mit dem Kriegs⸗Minister erwartet. In Deligrad werden -5 und Baracken für 15,000 Mann vorbereitet; Horvatovics eitet persönlich die Erweiterung der Befestigungen, namentlich in der Front, welche Alexinatz zugekehrt ist. Horvatovics soll nächstens zum General ernannt werden. Der russische Kriegs⸗Minister hat den gewesenen Generalstabschef der Morawa⸗Armee, General Dochtorow nach St. Petersburg berufen. Vor seiner Abreise er⸗ hielt er vom Fürsten Milan den Säbel des Wojwoden Knitschanin zum Geschenke. Wie aus Deligrad gemeldet wird, ist das türkische Gardecorps bereits nach Widdin abmarschirt. Von der ottomanischen Morawa⸗Armee sind nur 5 Divisionen in Serbien verblieben. Man schätzt deren Gesammtstärke auf 18,000 Mann. Unser Konsularcorps ist zur Zeit stark gelichtet. Die meisten Herren sind von Belgrad abwesend. Der russische Vertreter Karzow ist vom Fürsten Gortschakoff nach St. Petersburg berufen worden. Man glaubt nicht, daß derselbe auf seinen Posten hierher zurückkehren werde.

ürst Wrede ist nach Wien abgereist. Der englische General⸗Konsul White begiebt sich übermorgen nach Konstantinopel, wohin er auf Wunsch des Marquis of Salisbury berufen ist. Der italienische diplomatische Agent Graf Joanini bereitet sich gleichfalls zur Abreise nach Rom vor. Nur die Vertreter Deutschlands und Frankreichs

sind auf ihren Posten.

Ragusa, 29. November. (Pol. Korr.) Der Bervoll⸗ mächtigte Moukhtar Paschas, Azarian Effendi, ist gestern nach Cettinje abgegangen, um mit Montenegro wegen der Ber⸗ proviantirung von Niksic, Goransko und des Forts Korito am Duga⸗Passe, sowie der übrigen innerhalb der montenegri⸗ nischen Demarkationslinie gelegenen türkischen Blockhäuser zu verhandeln.é Wie man hört, ist Montenegro wohl geneigt, die Verproviantirung zu bewilligen, jedoch nur auf kurze Zeit⸗ räume und unter eigener Effektuirung.

Moukhtar Pascha weilt noch immer mit seiner 37 Ba⸗ taillone zählenden Armee in und um Trebinje. Er hat Be⸗ fehl bekommen, mit dieser Truppenmacht über Bosnien nach den Donauprovinzen zu marschiren. Seine Truppen sind aber durch Mangel an allem Nothwendigen und durch Krank⸗ heiten so herabgekommen und dezimirt, daß er selbst daran zweifelt, ob sie die großen Marschstrapazen aushalten werden.

Der verhaftete Insurgentenchef Mussic ist hier erkrankt und mußte im Hiefigen Spitale untergebracht werden.

London, 30. November. (W. T. B.) Gladstone hat in dem „Contemporary Review“ einen Artikel veröffentlicht,

in welchem er die Hoffnung ausspricht, daß sich die Kon⸗ ferenz in Konstantinopel auch mit der Lage der Griechen beschäftigen werde. Weiter führt Gladstone aus, daß Pal⸗ merston und Russel die Absicht hatten, die gegenwärtige Ab⸗