1876 / 289 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Thu, 07 Dec 1876 18:00:01 GMT) scan diff

allein ich muß doch jetzt anführen, daß, wie ich die Interpellation mir selbst, der ich doch aus meiner früheren amtlichen Wirk⸗ amkeit in Hessen einigermaßen die Verhältnisse des Rheinstromes auf dem hessischen Gebiete kenne, vollkommen unklar war, was eigentlich die Herren Interpellanten im Auge hatten. Sie sprechen von schwe⸗ ren Mißständen auf der baverisch⸗hessischen Rheinstrecke. Nun ist diese Strecke, d. h. die Strecke, auf der das eine Ufer bavyerisch, das andere hessisch ist, 2 Kilometer lang. 1 Ich weiß wohl, daß oberhalb Worms der Rhein ein schlech⸗ tes Fahrwasser hat, ich weiß, daß Korrektionsarbeiten im Werke sind, und es ist ja immer bei Korrektionsarbeiten die nothwendige Folge, daß sich zeitweise Schiffahrtshindernisse durch die Anschwemmung von Sandbänken bilden. Das läßt sich über⸗ haupt nicht verhindern. Es kann in dem einzelnen Falle durch die betreffende Landesregierung durch Baggerung —1—⸗ geholfen werden. Das ist hier in der That auch schon durch die hessische Re⸗ jerung geschehen, wie die Herren Interpellanten selbst gesagt haben. Der Fall, wie er hier vorliegt, hat dem Reichskanzler⸗Amte keine Veranlassung zum Einschreiten bis jetzt geben können, und wenn das Reichskanzler⸗Amt sich bereit erklärt, sich darüber zu informiren, ob etwa dieser Fall für die Zukunft Veranlassung geben kann, irgend etwas zu thun, so, glaube ich, könnte der Herr Vorredner sich voll⸗ kommen dabei beruhigen,. 12 wevees

eg In der heutigen (26) Sitzung des Deutschen

Reichstages, welcher die Bundesraths⸗Bevollmächtigten, Präsident des Reichskanzler⸗Amts, Staats⸗Minister Hofmann, Direktor im Auswärtigen Amt, Wirklicher Geheimer Rath von Philipsborn und Unter⸗Staatssekretär Herzog mit mehreren Bundeskommissarien beiwohnten, stand zur Berathung der neunte Bericht der Reichsschulden⸗Kommission über die Verwaltung des Schuldenwesens des Norddeutschen Bundes, beziehungsweise des Deutschen Reichs, der dritte Bericht der⸗ selben über den Reichs⸗Kriegsschatz und der erste Bericht über die An⸗ und Ausfertigung, Einziehung und Vernichtung der von der Reichsbank auszugebenden Banknoten. Auf Antrag des Abg. Rickert ertheilte das Haus der Reichsschulden⸗Kommission Decharge. Ohne Debatte passirten in dritter Berathung der Hesetzentwurf, betreffend die Abänderung des §. 44 des Ge⸗ setzes wegen Erhebung der Brausteuer vom 31. Mai 1872, der Gesetzentwurf für Elsaß⸗Lothringen, betreffend die Fesi⸗ setzung von Fischereischonstrecken, der Niederlassungs⸗ vertrag zwischen dem Deutschen Reiche und der schweize⸗ rischen Eidgenossenschaft nebst Es folgte die Berathung desdritten Berichtsder Reichsschulden⸗Kom⸗ mission über ihre Thätigkeit, sowie über die Ergebnisse der unter ihrer Aufsicht stehenden Verwaltung des Reichs⸗Invali⸗ denfonds, des eSergdge. und des Fonds für Errich⸗ tung des Reichstagsgebäudes. Auf Antrag des Abg. Rickert wurde der Reichsschulden⸗Kommission Decharge ertheilt. Bei der dann folgenden zweiten Berathung des Entwurfs eines Gesetzes, betreffend die Feststellung des Landeshaushalts⸗Etats von Elsaß⸗Lothringen für das Jahr 1877 erwiderte auf die Beschwerden des Abg. Simonis (Elsaß), die Ortszulagen betreffend, der Bundesraths⸗Bevollmächtigte Unter⸗ Staatssekretär Herzog, daß er die Beschwerden bereits durch die früheren Berathungen für genügend erörtert und wider⸗ legt halte. Die Abgg. v. Puttkamer (Sensburg) und Dr. v. Schulte rügten das Verfahren der reichsländischen Abge⸗ ordneten, im Plenum gegen die deutsche Verwaltung Anschul⸗ digungen vorzubringen, deren Substantuirung in der Kom⸗ mission sie ausgewichen seien. Außerdem nahmen an der De⸗ batte bis zum Schlusse des Blattes Theil die Refexrenten Abgg. Dr. Buhl und Nieper, und die Abgg. Windthorst, Dr. Reichensperger (Crefeld), Dr. Lingens und Winterer.

In Antwerpen langten unlängst sechs⸗ bis sieben⸗ hundert deutsche Auswanderer aus Westpreußen an. Dieselben hatten sich durch einen katholischen Priester pol⸗ nischer Nationalität Namens Gurowski, der seit einigen Jahren an einer Antwerpener Kirche als Hülfskaplan fungirt und ihnen freie Ueberfahrt „nach Brasilien oder Venezuela“ sowie seine Begleitung dorthin zugesichert hatte, zur Aus⸗ wanderung verleiten lassen. Bei ihrer Ankunft fehlte die verheißene freie Schiffsgelegenheit. Der Werber behauptete, von in Bordeaux befindlichen venezolanischen Unternehmern und von dem Antwerpener Agenten M. Strauß im Stiche gelassen zu sein.

Von den Auswanderern, welche keinerlei Kontrakt in Händen hatten und der größeren Mehrzahl nach ganz mittel⸗ los waren, vermochten nur 120 die Passage auf einem von Strauß expedirten Schiffe zu bezahlen. Die übrigen, etwa 560, geriethen alsbald in völlig hülflose Lage. In Folge Einschreitens des deutschen General⸗Konsuls wurden sie von den belgischen Behörden bereitwilligst einstweilen untergebracht, und letztere haben es sich demnächst angelegen sein lassen, für die Weiterbeförderung der Leute Sorge zu tragen, welche inzwischen, und zwar so viel bekannt, nach Venezuela, statt⸗ gefunden hat.

Der Gurowski hatte sich von den Auswanderern 4 Tha⸗ ler pro Kopf als Provision bedungen, welche er mit Strauß theilen wollte. Glücklicherweise ist es gelungen, ihm die schon Lee Provisionen (im Ganzen 3500 Francs) wieder abzu⸗ nehmen.

Bezeichnend ist, daß von einigen der Leute auf die Frage, ob sie nach Deutschland zurückkehren wollten, die Antwort ge⸗ geben wurde: „nein, denn dort wird unsere Religion ver⸗ tilgt.“ Die in Antwerpen gegen Gurowski eingeleitete Unter⸗ suchung wird voraussichtlich zur Ermittelung etwaiger Mit⸗ schuldiger führen.

Die „Germania“ enthält in ihrem Hauptblatte vom 1. Dezember d. J. eine Zuschrift des ehemaligen Erz⸗ bischofs von Cöln vom 27. November d. J. nebst einem Proteste desselben gegen das Gesetz über die Aifse c⸗ des Staats bei der Vermögensverwaltung in den katholischen Diözesen vom 7. Juni d. J. Dieser Protest ist vom 20. Sep⸗ tember d. J. datirt und an das Königliche Staats⸗Ministerium gerichtet.

Dem Letzteren ist indessen ein solcher Protest des ehemali⸗ gen Erzbischofs von Cöln niemals zugegangen.

Nach dem Reskripte des Finanz⸗Ministers und des Ministers des Innern vom 20. Juli 1870 sind die Gemeinden, soweit ihnen durch Gesetz die Verpflichtung auferlegt ist, Staats⸗Dienstangelegenheiten ohne Entschädigung, oder, wie bei der Veranlagung ec. gewisser Steuern, gegen eine Pauschal⸗ Entschädigung zu besorgen, auch für verpflichtet zu erachten, alle durch die Feriesberdeen in diesen Angelegenheiten entstehenden Portokosten zu übernehmen. Eine solche Staats⸗Dienstangelegenheit ist nach einem Spezialerlaß der beiden genannten Minister vom 31. Oktober d. J. die den Gemeinden bezw. den Inhabern selbständiger Gutsbezirke nach §. 13 des Gebäudesteuergesetzes vom 21. Mai 1861

obliegende unentgeltliche Beschaffung der zur Ausfüh⸗ rung des Veranlagungsgeschäftes erforderlichen Vorarbeiten, und kann es hiernach keinem Zweifel unter⸗ liegen, daß die durch die Uebersendung dieser Vorarbeiten, wie Gebäudesteuerbeschreibungen ꝛc., an die Kataster⸗Controleure entstehenden Portokosten den betreffenden Gemeinden bzw. Inhabern selbständiger Gutsbezirke zur Last fallen.

Das Gleiche gilt von den nach §. 12 sn b. der Fort⸗ schreibungs⸗Anweisung J. (Ministerial⸗Bl. f. d. i. V. 1865. S. 227) seitens der Bürgermeister zu führenden und den Kataster⸗Controleuren einzureichenden Anmelderegistern über die Veränderungen im Bestande und Werthe der Liegen⸗ schaften und Gebäude.

Nur in Betreff derjenigen Postsendungen, welche dadurch entstehen, daß seitens des Kataster⸗Controleurs den betreffen⸗ den Grundeigenthümern Eröffnungen über die in den Grund⸗ und Gebäudesteuerbüchern fortzuschreibenden, zur Kenntniß des Kataster⸗Controleurs gekommenen Eigenthumsveränderungen gemacht werden, und die somit als ausschließlich durch das In⸗ teresse der Staatsverwaltung veranlaßt angesehen werden können, ist es zulässig, das Porto, und zwar sowohl für die Eröffnung selbst als auch für die etwaige Rücksendung des Behändigungsscheines, auf die Staatskasse zu übernehmen.

Nach einem Cirkularerlaß des Ministers des Innern vom 28. v. M. kann aus der erfolgten Verlegung des Etats⸗ jahres zur Zeit keine genügende Veranlassung entnommen werden, die bisherige Vorschrift, wonach die Jahrgänge der Amtsblätter mit dem Kalenderjahre zusammenfallen, und das bezügliche Abonnement für das Kalenderjahr statt⸗ zufinden hat, abzuändern.

Die strafgerichtliche Verfolgung wegen Beleidigung eines auswärtigen deutschen Bundesfürsten, der nicht Landesherr des Beleidigers ist und in dessen Staat der Be⸗ leidiger sich auch nicht aufhält, tritt nur mit Ermächtigung des Beleidigten ein. In Beziehung auf diese strafgesetzliche Bestimmung, (§. 99 des Strafgesetzbuchs) hat das O.ber⸗ Tribunal in einem Erkenntniß vom 9. November d. J. aus⸗ gesprochen, daß die vorgeschriebene Ermächtigung an irgend welche Formen micht gebunden ist und insbesondere nicht schriftlich zu erfolgen braucht.

Der Bundesraths⸗Bevollmächtigte, Groß⸗ herzoglich hessische Präsident des Gesammt⸗Ministeriums und Minister des Großherzoglichen Hauses, des Aeußern und des Innern, Freiherr von Starck, ist hier eingetroffen, und der Bundesraths⸗B evollmächtig te, Herzoglich sachsen⸗ coburg⸗gothaische Staats⸗Minister, Freiherr von Seebach ist nach Gotha zurückgereist.

Der General⸗Lieutenant Kraft Prinz zu Hohen⸗ lohe⸗Ingelfingen, General⸗Adjutant Sr. Majestät des Kaisers und Königs und Commandeur der 12. Division, ist mit kurzem Urlaub von Neisse hier eingetroffen und im Hotel du Nord abgestiegen.

Briefsendungen für S. M. S. „Friedrich Carl“ sind von heute ab bis auf Weiteres nach Smyrna zu diri⸗ giren.

Als Aerzte haben sich niedergelassen die Herren: Dr. Greveler in Suderode, Dr. Osten in Cochstet, Dr. Huchter⸗ meier in Unseburg, Dr. Heveling in M. Gladbach, Dr. Mumm in Graefrath, Dr. Hillebrand in Mechernich.

Stettin, 5. Dezember. In der heutigen Sitzung des Pro⸗ vinzial⸗Landtages wurden zunächst einige Ergänzungs⸗ wahlen zu den Bezirksverwaltungsgerichten und Einkommen⸗ steuer⸗Cinschätzungs⸗Kommissionen, welche in Folge Ab⸗ lehnung der neulich vorgenommenen Wahlen erforder⸗ lich geworden waren, mittelst Akklamation vollzo⸗ gen. In Gemäßheit eines aus der Versammlung her⸗ vorgegangenen Urantrages ward sodann ebenfalls mittelst Akklamation eine Kommission gewählt, um dem Landtage Vorschläge wegen Abänderung der Geschäftsordnung in der Richtung zu machen, daß den Mitgliedern Gelegenheit gegeben werde, sich mit den seitens des Ausschusses dem Landtage zu unterbreitenden Vorlagen schon vor der Eröffnung des Land⸗ tages bekannt zu machen. Es folgte das Referat wegen Ord⸗ nung der Wegebau-, insbesondere der Chausseebauverwal⸗ tung. Dabei wurde mitgetheilt, daß die nach dem Beschlusse des vorigen Landtages vom Provinzial⸗Aus⸗ schusse eingeleiteten Verhandlungen, um die Kreisverbände bezw. den Kommunalverband von Neuvorpommern zur Ueber⸗ nahme der Unterhaltung der Provinzialchausseen zu veranlassen, zu einem Abschlusse nicht geführt haben, daß vielmehr bis jetzt sechs Kreise einem derartigen Abkommen nicht zugestimmt haben, auch nicht eine nachträgliche Zustim⸗ mung von allen diesen sechs Kreisen erwartet werden könne. Die Anträge des Referenten fanden e. Annahme. Danach wird der Provinzialausschuß beauftragt, die Ver⸗ handlungen mit den Verbänden fortzusetzen und eventuell mit denselben Verträge wegen Uebernahme der Unterhaltung der Provinzialchausseen auch dann abzuschließen, wenn mit jenen sechs Kreisen ein Uebereinkommen nicht zu erreichen sei. Demgemäß soll dann auch die Verwaltung der Provinzial⸗ Chausseen bis zum 1. Januar 1878 durch die Staatsbehörden weiter geführt werden, inzwischen aber der Provinzialausschuß das Nöthige vorbereiten, damit im nächsten Jahre rechtzeitig ein neuer Landtag behufs definitiver Regelung der Sache und namentlich behufs Feststellung des erforderlichen Reglements über die Wegebauverwaltung berufen werden könne. Ein Antrag der Staatsregierung auf Bewilligung einer Beihülfe zur Ausführung des Projekts wegen Schiffbarmachung der Trebel wurde dem Provinzialausschusse zur Vorbereitung überwiesen. Man ging hiernächst zu der Berathung des Provinzialhaushalts⸗Etats über, mußte dieselbe indeß wegen vorgerückter Zeit abbrechen.

Breslau, 5. Dezember. Der 25. schlesische Pro⸗ vinzial⸗Landtag erledigte in seiner gestrigen Sitzung in zweiter Berathung den Hauptverwaltungsetat des Provinzialverbandes der Provinz Schlesien pro 1877. Bezüglich der Wahl eines technischen Oberbeamten hatte der Provinzialausschuß dem Landtag die Wahl eines Königlichen Bauraths im Handels⸗Ministerium empfohlen und beantragt, dessen Gehalt auf 14,400 Reichsmark zu normiren. Der Finanzausschuß beantragte, der Landtag wolle in Erwä⸗ gung, daß die Thätigkeit des Landesbauraths uͤberwiegend durch die Oberleitung der Wegebauverwaltung in Anspruch genommen werde, es sich daher 9 einen Spezialtechniker * dies Feld auszuwählen, mangelnde Qualifikation auf anderen Gebieten der Bautechnik durch Einholung von Gylachten ergänzt werden

11“

könne, in Erwägung ferner, daß es unangemessen erscheine die Emolumente des Landesbauraths außer Verhältniß zu denen der anderen Räthe der Landesdirektion zu normiren, in Erwägung endlich, daß die anderen Provinzen wohlgeeig⸗ nete Techniker mit einem Maximaleinkommen von 9000 n engagiren in der Lage wären, die Vorlage des Provinzial⸗ usschusses ablehnen, und den Provinzial⸗Ausschuß beauf⸗ tragen, einen Bausachverständigen gegen eine Entschädigung von 7500 „jährlich zu beschäftigen, denselben geeigneten Falls dem nächsten Provinzial⸗Landtage zur Wahl zu präsen⸗ tiren, eventuell auch den Provinzial⸗Ausschuß zu ermächtigen, erforderlichen Falls das Einkommen desselben auf 9000 außer den reglementsmäßigen Diäten zu normiren. Der Landtag erhob diesen Antrag des Ausschusses mit großer Majorität zum Beschluß.

Heute beschäftigte sich der Landtag u. A. mit der Fest⸗ stellung des Reglements für das Museum der bildenden Künste und der Organisation der Verwaltung desselben. Ferner wählte der Landtag den Stadtrath Heinrich Korn zum Vorsitzenden des Kuratoriums und beschloß einstimmig, das Protektorat des Museums Sr. Königlichen Hoheit dem Prinzen Albrecht anzutragen. Als Gehalt des Direktors der Kunstsammlungen, der dem nächsten Landtagzur Wahl präsentirt werden soll, wird die Summe von 8200 ℳ, als Gehalt der Ateliervorstände die Summe von 6000 ausgeworfen. Der Landtag faßte ferner u. A. Beschluß, über das Reg lement, betreffend die Verwaltung der durch §. 11 des Gesetzes vom 3. Juli 1875 zur Beförderung der Rindviehzucht überwiesenen Fonds, die sich im Regierungsbezirk Oppeln auf etwa 150,000 ℳ, im Regierungsbezirk Liegnitz auf etwa 50,000 und im Regierungsbezirk Breslau auf etwa 15,000 belaufen.

Mecklenburg. Malchin, 3. Dezember. (H. N.) Landtagssitzung vom 2. Dezember. Zu dem früheren satserinschen Reskript, betr. den Leuchtthurm auf der Buck⸗ spitze bei Bastorf, geht noch ein zweites ein, welches bemerkt, daß durch einige Veränderungen des Leuchtapparats die Kosten sich um 400 erhöhen würden. Beigegeben ist ein Schrei⸗ ben der Kaiserlichen Admiralität. Die Reskripte gehen sämmt⸗ lich an das Polizei⸗Comité. Hierauf berichtet die Schul den⸗ Tilgungs⸗Komission, daß sie in dem Rechnungsjahr pro 1. August 1875 76 über 309,373 zu verfügen gehabt und davon 308,522 verwendet habe. Bei dem Abschlusse der S für das Jahr 1. August 1875—76 war der Stand der Schulden: 1) Passiva der Salomon Heine’schen 2,566,000 Mk. Bco., 2) Aktiva, a. in Obligationen der Salomon Heine’'schen Anleihe 800,000 Mk. Bco., b. in Aktien der Berlin⸗Hamburger Eisenbahn Litt. A. 6000 Rth. 7. Bis heute ist eine Veränderung hierin nicht einge⸗ treten.

Hldenburg. Oldenburg, 5. Dezember. (Wes. Ztg.)

In Folge des Reichsgesetzes vom 6. Februar 1875 über die Beurkundung des Personenstandes und die Ehe⸗ schließung hatte der Ober⸗Kirchenrath in einem Ausschrei⸗ ben vom 4. Dezember v. J. den sämmtlichen Pfarrern des Herzogthums Anweisung darüber zugehen lassen, wie sich dem genannten Gesetze gegenüber, das in mehrfacher Hinsicht in die bisher innerhalb der oldenburgischen Landeskirche gültigen Ord⸗ nungen eingreift, ihr amtliches Verfahren zu gestalten habe. Die augenblicklich hier tagende ordentliche Landessynode hat auf Veranlassung des Ober⸗Kirchenraths jene mit einem proviso⸗ rischen Charakter bekleidete Anweisung definitiv beordnet und sawahl einem Gesetzentwurfe, welcher das s. g. tempus clausum ür Trauungen aufhebt, seine Zustimmung gegeben, als auch sich mit Bestimmungen einverstanden erklärt, welche die Vorschriften über das kirchliche Aufgebot mildern und unter Umständen eine Dispensation von jedem Aufgebote zulassen. Einem Vorschlage des Ober⸗Kirchenraths gegenüber, ein bestimmtes Trauungs⸗ formular für alle Geistlichen des Landes gesetzlich zu fixiren, hat sich die Synode ablehnend verhalten und beschlossen, daß unserer Landeskirche in Bezug auf das Trauformular die bis⸗ 1—8 agendarische Freiheit bewahrt bleibe, hierbei aber die estimmung getroffen, daß bei der Trauungshandlung die Ansicht zum klaren Ausdruck gebracht werden müsse, daß durch den vorangegangenen Civilakt eine bürgerlich völlig ültige Ehe zu Stande gekommen sei, sowie daß kein Geist⸗ icher ein Trauformular zur Anwendung bringen dürfe, welches mit dem durch den Kirchenrath dargestellten Willen und Wunsche der Gemeinde in Konflikt stehe; über einen etwaigen derartigen Konflikt soll der Ober⸗Kirchenrath endgültig ent⸗ scheiden. Von einer Einführung kirchendisziplinarischer Maß⸗ regeln denen gegenüber, welche, ungeachtet r Be⸗ mühungen des öarrers und des Kirchenraths, sie zur Erfüllung ihrer kirchlichen Pflichten anzuhalten, sich beharrlich weigern, die kirchliche Trauung nachzusuchen oder ihre Kinder zur Taufe zu bringen, haben Ober⸗Kirchen⸗ rath und Synode übereinstimmend abgesehen, da solche nach den gemachten Erfahrungen nicht nothwendig erscheinen und unter Umständen sogar nachtheilig wirken können. Der Gesetzentwurf, betreffend die Reorganisation des Ober⸗ Kirchenraths ist von der Synode auch in zweiter Lesung mit der erforderlichen Zweidrittelmajorität unter Aufrecht⸗ erhaltung des früheren Beschlusses, welcher die Synodalperiode, auf drei Jahre bestimmt, aber mit der Abänderung ang’.⸗ nommen, daß von den drei ordentlichen Mitgliedern des Ober⸗Kirchenraths zwei dem geistlichen Stande angehö ren

SDesterreich⸗Ungarn. Wien, 5. Dezember. Dhn Folge telegraphischer Einladung sind die ungarischen Mitg lieder der Zeehenen neuerdings in Wien eingetroffert, um die erhandlungen, betreffend die Feststellung des rurgänischen Spezialtarifs, fortzusetzen. Nachdem aber die aus Bukarest zurückkehrenden rumänischen Vertreter in Lember⸗ durch Schnee⸗ verwehungen zurückgehalten wurden, beginnen die Verhandlungen erst in dieser Woche, und zwar, der „Buf.. Korr.“ zufolge, mit bestimmter Aussicht auf ein baldiges günstiges Resultat, da nach den aus Bukarest eingelangten authentischen Nach⸗ richten die rumänische Regierung sich vntschlossen hat, den Standpunkt der österreichis ungarischen Zollkonferenz zu accep⸗ tiren. Wie die „Neue fr. Presse“ erfährt, haben auch die Polen und die Rechtspartei in den letzten Tagen Klub⸗ besprechungen über die Bankfrage abgehalten, in welchen die dualistische Organisation der Bank eben so entschieden

perhorreszirt wurde, wie in den ePigstreuan Klubs. 6. Dezember. (W. T. B.) Die heutigen Abend⸗

blätter berichten aus Prag über abermalige Studenten⸗ b 8

Erzesse,

b 8 2

welche das Einschreiten der Polizei nothwendig machten. Der Rektor der Universität hat für den Fall einer Wiederholung die schärfsten Maßregeln angedroht.

Prag, 6. Dezember. (W. T. B.) Im Laufe des heu⸗ tigen Tages haben in und vor der Universität abermals Zu⸗ sammenrottungen stattgefunden, welche gegen Abend

rößere Dimensionen annahmen. Ernstliche Ruhestörungen ind indeß nicht vorgekommen. Die Polizei hielt die Zugänge u dem Universitätsgebäude besetzt und verhinderte jede grö⸗ ere Ansammlung. 1

Pest, 5. Dezember. Nach einem Telegramm des „Pester Lloyd“ hat der italienische Botschafter in Wien den Auftrag erhalten, der entschiedenen Mißbilligung der neuesten nationalen Agitationen formellen Ausdruck

zu geben.

Schweiz. Bern, 4. Dezember. Heute traten die eid⸗ genössischen Räthe zu ihrer ordentlichen Wintersession zusammen. Im Natio nalrath fand die Eröffnung der Sitzung mit einer längeren Ansprache des Präsidenten statt, welche auf die bevorstehende Revision der Handelsverträge mit Italien, Frankreich und Oesterreich hinwies. Der Stände⸗ rath wurde ohne Präsidialrede eröffnet. Im Nationalrath wurde schon heute auf die Berathung des Gesetzentwurfs be⸗ treffend die politischen Rechte der Niedergelassenen und Aufenthalter und den Verlust der politischen Rechte der Schweizerbürger eingetreten und im Ständerath auf den Gesetzentwurf, betreffend die Obemufsicht des Bundes über die Wasserpolizei im Hochgebirge.

Belgien. Brüssel, 6. Dezember. (W. T. B.) Die Repräsentantenkammer hat den Gesetzentwurf, durch welchen die Ausprägung von Fünf⸗Francs⸗Stücken in Silber vom 1. Januar 1877 aufgehoben wird, an⸗ genommen.

Frankreich. Paris, 5. Dezember. Die Königin der Niederlande ist hier eingetroffen. Heute Abend findet derselben zu Ehren im Elysée eine Soirée statt. Im heuti⸗ gen Ministerrathe erstattete, wie die „Köln. Ztg.“ meldet, der Präsident der Republik Bericht über die Unter⸗ redungen, die er mit Grevy und dem Herzog von Audiffret⸗ Pasquier gehabt hatte. Grevy überreichte dem Marschall Mac Mahon die (unten mitgetheilte) Tagesordnung, welche die Bevollmächtigten der Linken entworfen haben, und rieth, ein Ministerium aus der Linken zu nehmen. Der Herzog von Audiffret⸗Pasquier ertheilte dem Marschall den Rath, keine reaktionäre Wahl zu treffen. Laut dem „Temps“ hätte der Herzog von Audiffret⸗Pasquier seine Ablehnung, ein Kabinet zu bilden, durch die Nothwendigkeit begründet, daß er bei der Linken der Deputirtenkammer Unterstützung würde suchen müssen; er 8 aber keinen Beruf in sich, zum Vermittler zwischen der Linken und der Regierung zu dienen; auch finde er die konstitutionelle Gruppe zu wenig zahlreich und zu wenig aufrichtig der Republikzugethan, als daß er in ihrem Namen reden könnte. Diese Aeußerung, fügt der ‚Temps“ hinzu, sei eine Verurtheilung der Haltung der Mitglieder des rechten Cen⸗ trums, die jetzt Audiffret⸗Pasquier gern als Minister sähen. Die Erklärung, welche die Vorstände der drei Linken in ihrer gestrigen Versammlung festsetzten und die sie dem neuen Kabinet nach seiner Ernennung vorlegen wollen, lautet nach der „Köln. Ztg.“ wie folgt: „Die Delegirten der Gruppen der Linken erkannten in Folge der Versammlungen, ee am Sonntag stattfanden, einstimmig an, daß die Ueber⸗ einstimmung zwischen den drei Gruppen betreffs ihrer Beur⸗ theilung der Ursachen der jetzigen Krisis eine vollständige ist und daß deshalb die Mehrheit ihre Unterstützung einem wirklich parlamentarischen Kabinet geben wird, das entschlossen ist, den Widerspruch hinwegzuräumen, welcher zwischen dem Geist der Mehrheit vom 20. Februar und einer zu großen Anzahl von Beamten besteht.“ Der „Moniteur“ erklärt, daß die Verhandlungen auf dem bisherigen Wege nur mühsam zu einem erfolgreichen Ende gebracht werden könnten, und sieht die Bedingungen, welche von den drei Linken aufgestellt wurden, als Grundlage weiterer Verwicklung an. Das Blatt beschuldigt außerdem die Linke, daß sie die Absetzung von 12 Präfekten, mehreren Magistratspersonen und des Generals Vinoy, der Kanzler dr Ehrenlegion ist, verlangen wolle, sowie daß sie darauf bestehe, daß die Generäle Ducrot, Bourbaki, Douay und Herzog von Aumale zur Disposition gestellt würden. Der „Moniteur“ glaubt, daß der Marschall ein Kabinet bilden werde, welches der Linken genügen werde. Jedenfalls will man, wie das Blatt sagt, im Elysée, daß die Minister bis zur Abstimmung über das Budget im Amt bleiben; es ist jedoch zweifelhaft, ob Minister und Deputirtenkammer eine solche Lösung annehmen werden. Der Kardinal Simeoni, Antonelli's Nachfolger, kam am Sonntag durch Bordeaux und empfing die gesammte Geistlichkeit der Stadt.

6. Dezember. (W. T. B.) Die Intransigenten beabsichtigen morgen in der Sitzung der Deputirtenkammer den Antrag zu stellen, daß die Berathung des Einnahme⸗ budgets bis zur Konstituirung des neuen Kabinets aus⸗

Man hält es indeß für wahrscheinlich, daß

gesetzt werde. dieser Antrag abgelehnt wird.

Spanien. Madrid, 4. Dezember. (Ag. Hav.) Der Senat setzte die durch den Antrag des Generals Concha ver⸗ anlaßte Berathung über Cuba fort. Der Minister der aus⸗ wärtigen Angelegenheiten behauptete, daß der Aufstand durch die Angriffe auf das Eigenthum und durch seine Wild⸗ heit alle Anzeichen eines Vernichtungskrieges darbiete. Er sagte, Europa und Amerika selbst hätten ein Interesse daran, einen Kampf dieser Art zu desavouiren der übrigens nicht anders enden könne, als mit dem vollständigen und definitiven Sieg Spaniens. Der Konseils⸗Präsident seinerseits antwor⸗ tete dem Marschall Concha und erklärte, daß patriotische Gründe, die man leicht begreifen werde, die Diskussion des Antrags Concha verböten. In der Deputirtenkammer wurde die Debatte über die Presse fortgesetzt. Der Justiz⸗ Minister versprach diejenigen unterdrückten oder suspendirten welche nicht wegen Angriffe gegen den König be⸗ straft worden wären, Straferlaß.

Italien. Rom, 6. Dezember. (W. T. B.) Der König wird sich Abends zum Besuche der Kaiserin Eugenie nach Florenz begeben und gedenkt von da nach Pisa zu gehen. Der Pronuntius in Madrid, Kardinal Simeoni, ist hier eingetroffen.

Griechenland. Athen, 6. Dezember. (W. T. B.) Bei der abermaligen Abstimmung der Kammer über die

8 8

S 2* 8 H 1““ ““ men in der Minorität. Der Conseil⸗Präsident Comunduros

beharrt auf seinem Demissionsgesuch. Man hält die An⸗ nahme desselben für unwahrscheinlich, da die Bildung eines Oppositionskabinets sich bis jetzt als unmöglich erwies.

Türkei. Ueber die orientalischen Angelegen⸗ heiten liegen folgende Nachrichten vor: 3

Wien, 7. Dezember. (W. T. B.) Die Vorkonferenz in Konstantinopel soll, wie die „Presse“ meldet, am nächsten Dienstag eröffnet werden, am nächsten Sonnabend würde bereits eine gemeinsame Besprechung der Konferenz⸗ mitglieder stattfinden. 3

Ragusa, 6. Dezember. (W. T. B.) Die Demar⸗ kationskommission prüft gegenwärtig die Einwendungen Moukhtar Paschas gegen den von ihr aufgestellten Demar⸗ kationsplan. Man glaubt, daß die Kommission die Ansprüche Moukhtar Paschas als militärisch unbegründet abweisen wird.

Wie der „Times“ aus Ragusa ve ve: asr wird, hätte die Pforte dem Fürsten Nikita unter Anerbieten der Abtretung einiger herzegowinischer und albanischer Landstriche den Abschluß eines eine ablehnende Antwort erhalten. ,

Belgrad, 5. Dezember. Der W. „Presse“ wird von hier telegraphirt: Die von der Demarkations⸗Kommis⸗ sion am Donnerstag in Deligrad festgesetzte neutrale Zo ne beginnt im Osten bei Wraschogrnaz am Timok, zwei Stun⸗ den nordöstlich Saitschar, geht in der Breite von fünf bis zehn Kilometer längs des Flusses, Saitschar und Weliki Iswor umschließend, und tritt bei den Höhen Wrschka Tschuka wie⸗ der an die türkische Grenze. Im Süden beginnt die fünf bis sechs Kilometer breite neutrale Zone an der Grenze bei dem Kloster St. Stephan, tritt an die von Alexinatz nach Banja führende Straße, übersetzt die Morawa, Booberischte und Csicsina umschließend, geht am linken Morawaufer bis Trubarevo, wendet sich dann gegen Südwest über Djunis, Mali⸗Schiljegowaz, Stanzi, Sesemesa und tritt bei der Höhen⸗ kuppe Strazimir des Jastrebazgebirges wieder an die türkische Grenze. Alexinatz wird von den Türken nicht geräumt, da⸗ gegen müssen sie vier während des Waffenstillstandes erbaute Schanzen aufgeben. Das von Serbien durch die Demarkation abgetrennte Gebiet beträgt fünf Quadratmeilen. Alle ser⸗ bischen Donaufahrzeuge größerer und kleinerer Gattung wurden nach Kladowo, Turn⸗Severin gegenüber, dirigirt. Die englischen Aerzte kehren im Auftrage ihrer Regie⸗ rung nach London zurück. Die englischen Spitäler wur⸗ den dem russischen Comité übergeben. 89

6. Dezember. (W. T. B.) Das öster⸗ reichische Postschiff „Radetzki“, welches bulgarische Flüchtlinge unter polizeilicher Assistenz nach Galatz bringen ollte, wurde von der serbischen Polizei durchsucht und wurden die Flüchtlinge auf gewaltsamem Wege in gesetzt. Die Rek amation des Kapitäns wurde zurückgewiesen.

London, 5, (Engl. Korr.) Gladstone hat sich in Folge Ersuchens bereit er⸗ klärt, die am 8. Konferenz über die orientalische Frage auch zu besuchen. Er wird am Schlusse der Verhandlungen reden, ihren allge⸗ meinen Zweck zusammenfassen und die nach seiner Meinung

Dezember. dringenden stattfindende

Einzelfrie dens vorgeschlagen, aber.

zu befolgende Politik, die nöthigenfalls zu erzwingen ist, an⸗ deuten. Ihre Theilnahme an der Konferenz haben ferner an⸗ gekündigt: Charles Darwin, Lord John Hervey, Rev. Dr. Pusey aus Orford, Hon. Rollo R ussell, Bishop Abraham und Sir J. H. Ramsay. Die Konferenz wird in zwei Ab⸗ theilungen gehalten; der erste Theil beginnt um 12 unter Vorsitz des Herzogs von Westminster. Von 3—4 Uhr Pause, Zweiter Theil um 4 unter Lord Shaftesbury. 1 St. Petersburg, 1. Dezember. Der „Pol. Korr. wird von hier geschrieben: In den letzten Tagen trat in der auswärtigen Presse vielfach die Behauptung in den Vorder⸗ rund, die Rundreise des Marquis of Salisbury⸗ mache den Fufanzmerntrit einer Vorkonferenz unnöthig und es werde sofort nach der Ankunft des britischen Spezial⸗Bevollmächtigten in Konstantinopel die offizielle Konferenz beginnen. Dem gegenüber sind wir in der Lage, über den einzuhaltenden Gang der Berathungen folgende Andeutungen zu geben, welche kaum durch die zu gewärtigenden Thatsachen des⸗ avouirt werden dürften. Die einzelnen Botschafter versammeln sich bei ihrem Doyen zu einer privaten unter Theil⸗ nahme der Spezialgesandten, doch mit Ausna me der Ver⸗ treter der Pforte. Die Sitzungen werden so lange fortgesetzt, bis eine Einigung bezüglich des Konferenzprogrammes erzielt wird. General Ignatieff wird die Garantie⸗, beziehungsweise Okkupationsfrage vorbringen. Trotz des privaten Charakters dieser Vorbesprechungen sind sie dennoch wichtiger als die Kon⸗ ferenz selbst. Das Zustandekommen der letzteren ist von der Einigung über die Frage der Garantien abhängig. Gegen die eventuelle Ueberlassung des Präsidiums der Konferenz an Savfet Pascha wird man hier nichts zu erinnern haben. Der serbische Spezialabgesandte Marinovits hat über die militärische, politische und finanzielle Lage Serbiens Bericht erstattet. Man hat in Belgrad bei der Entsendung des ehe⸗ maligen Senats⸗Präsidenten Marinovits die Erwartung in Aussicht genommen, für eine Betheiligung Serbiens an einem eventuellen Kriege Rußlands gegen die Pforte im voraus Be⸗ dingungen stellen zu dürfen. Nach der Aufnahme, welche die ierauf bezüglichen Eröffnungen des Hrn. Marinovits an Stelle hier gefunden haben, dürften die Belgrader Regierungskreise heute schwerlich mehr im Unklaren darüber sein, wie das Kaiserliche Kabinet dieses neue Ansinnen Serbiens beurtheilt. Rußland erkennt Serbien keineswegs irgend welches Recht zu, Forderungen auszusprechen. Das offizielle Rußland hat Serbien nie Versprechungen gemacht, die es zu halten hätte; es hat im Gegentheile demselben den Krieg mit der Pforte dringend a bgerathen, und wenn sich die serbische Regierung auf das russische Volk in ihrem Vorgehen verließ, so hat das letztere durch die Aufnahme einer verhält⸗ nißmäßig hohen Anleihe, durch die Sendung von Freiwilligen, Geld, Lazarethen, Aerzten ꝛc. sein Mitgefühl für die süd⸗ slavische Sache genügend bekundet. Jetzt, wo sich Rußland selbst anschickt, für die Sache der türkischen Südslaven in thatkräftiger Weise einzutreten, kennt man hier keine serbische Frage mehr. Von Rußland beschützt und gerettet, muß Ser⸗ ien es als eine besonders weitgehende Tutel der russischen Regierung betrachten, wenn dieselbe auf dem vollständigen status quo für Serbien besteht. Marinovits und Karzoff blei⸗ ben noch etwa acht Tage in St. Petersburg.

Rußland und Polen. St. Petersburg, 5. Dezem⸗ ber. Die Staatsbank zeigt an, daß die Emission von

Steuer auflage blieb die Regierung mit 81 gegen 82 Stim⸗

Bankbillets im Betrage von 100 Mill. um 23,590,000 Rubel überzeichnet worden ist.

ijew, 4. Dezember. (Int. Tel. Ag.) Ueberall, auf dem

ganzen Wege von Moskau bis Kijew wurde Se. Kaiserliche Hoheit der Oberkommandirende der aktiven Armee mit Enthusias⸗ mus empfangen. Auf jeder Station bewillkommnete das Volk den Ober⸗Kommandirenden mit Hurrahrufen. In Kijew hatte der General⸗Gouverneur Fürst Dondukow⸗Korssakow die Ehre, den Großfürsten bei sich aufzunehmen und Sr. Kaiserlichen Hoheit, wie dessen ganzem Stabe ein Diner anzubieten.

Kischenew, 1. Dezember. Der „Pol. Korr⸗“ wird ge⸗ schrieben: Großfürst Nikolaus trifft Dienstag, den 5. d., hier ein. Die Munizipalität, das „Zemstwo“, der Adel und verschiedene Gewerke haben Deputationen gewählt, welche nach russischem Gebrauche mit Brod und Salz dem Armee⸗ Kommandanten entgegenkommen werden. Die Stadt wird am 10. d. einen großen Ball geben und damit, werden die Feier⸗ lichkeiten ihren Abschluß erhalten. Alle Corps⸗Kommandanten erwarten hier den Armee⸗Kommandanzen. Am 6. Dezember wird unter dem Vorsitz des Großfürsten ein großer Kriegs⸗ rath abgehalten werden, zu welchem außer den Corps⸗ Kommandanten noch sechs Divisionäre beordert wurden. Seit dem 28. November passiren täglich Kavallerie⸗Regi⸗ menter unsere Stadt. Bis zum 6. sollen 5 Divisionen leichter Kavallerie hier durchpassiren. Die ganze Kavallerie rückt in der Richtung gegen Orgejew ab. Heute ist eine lange Reihe von Wagons mit Artillerie angelangt. Darunter sind zahl⸗ reiche Batterien Gebirgsgeschütze zu bemerken gewesen. Es sollen nicht weniger als 70 Gebirgsgeschütze nach Bul⸗ garien befördert werden. Die Subskription anf die An⸗ leihe hat hier ein befriedigendes Resultat geliefert. Der bessarabische Adel hat drei Millionen Rubel gezeichnet. Eine Deputation Bulgaren ist hier eingetroffen, um Audienz beim Höchstkommandirenden zu nehmen. Dieselben sind zumeist bulgarische Emigranten, die in Bukarest wohnen und Ueberbringer einer Adresse an den Czar. Die Bulgaren in Rumänien danken dem Kaiser für seinen hochherzigen Ent⸗ schluß, Bulgarien zu menschenwürdigen Zuständen zu ver⸗ helfen und bitten gleichzeitig um die Erlaubniß, ein Frei⸗ willigen⸗Corps in der Stärke von 2500 Mann bilden und dem russischen Kommando zur Perfhcu stellen zu dürfen. Die Stadt hat der Deputation unentgeltlich Quartiere ange⸗ wiesen. 8 8

Odessa, 2. Dezember. (Köln. Ztg.) Auf der Eisen⸗ bahnstation zu Kulikowo bei Odessa sind eine große Menge Gußstahlkanonen, System Krupp, aus der Obuchoswschen Kanonengießerei bei St. Petersburg angekommen, welche die Batterien vervollständigen sollen. Dem Mangel an Silbermünze, welcher sich hier bereits fühlbar machte, ist etwas abgeholfen, da der hiesigen Reichsbank 20,000. Rubel Scheidemünze aus St. Petersburg zugegangen sind.

Dänemark. Kopenhagen, 4. Dezember. Ueber die Verlängerung der diesjährigen Reichstagssession schreibt die „Berl. Tid“ Folgendes: „Die Mittheilung der Regierung in der Reichstagssitzung am 30. November, daß eine Allerhöchste Einwilligung zur zweimonatlichen Verlänge⸗ rung der Versammlung eingeholt sei, scheint sowohl in der Presse als auch im Reichstage selbst besondere Aufmerksamkeit erregt zu haben. Es dürfte jedoch hierzu um so weniger Ver⸗ anlassung sein, als es sich schon in der vorigen Versammlung zeigte, daß die Regierung den betreffenden Verfassungs⸗Para⸗ graphen nicht außer Acht lassen wollte. Und insofern man bei Berücksichtigung, daß außer dem Finanzgesetz gegenwärtig nur wenige und minder bedeutende Gesetzarbeiten zur Behandlung des Reichstages vorliegen die eingeräumte Verl ngerung reich⸗ licher als erforderlich erachtet, muß wohl darauf Bedacht ge⸗ nommen werden, daß angesichts der Stellung, welche die Folke⸗ thingsmajorität in dieser Versammlung eingenommen hat, dem Landsthinge nothwendigerweise hinlängliche, Zeit zur gründ⸗ lichen Behandlung des Finanzgesetzes gegeben werden muß.

Zur Widerlegung der in mehreren ausländischen Zeitungen enthaltenen Gerüchte über Rußlan ds Absichten, in der Nähe Kopenhagens ein Depot für die Kaiserliche Flotte zu etabliren, in welcher 8“ Rußland mit Dänemark in Verhand⸗ lung getreten sein sollte, erklärt (wie schon telegraphisch kurz gemeldet) die „Berl. Tid.“: „Wie wir erfahren, entbehren diese Mittheilungen jeglicher faktischen Grund⸗ lage. Die russische Regierung hat sich ebensowenig in gedachter Richtung an die dänische Regierung gewandt, als letztere irgend welche Veranlassung gehabt hat, sich dieserhalb entweder an die russische oder an die englische Regierung zu wenden.”“

Amerika. New⸗York, 6. Dezember. (W. T. B.). Die zur Prüfung der Wahlen in Lo uisiana niedergesetzte Kommission hat sich dahin entschieden, daß die von der republikanischen Partei dort aufgestellten Wahl⸗ männer für die Präfidentenwahl und ebenso die von der republikanischen Partei aufgestellten Kandidaten sfürd die Staatsämter als mit einer Majorität von durch⸗ schnittlich 4000 Stimmen erwählt zu erachten seien. In vielen Arrondissements sind die abgegebenen Stimmen für ungültig erklärt worden, weil dieselben durch Betrug und Einschüchte⸗ rung der Bevölkerung zu Stande gebracht waren. Der Senat und die deputirtenkammer von Südkarolina. haben die in den Grasschaften Edgefield und Laurens im de⸗ mokratischen Sinne abgegebenen Stimmen verworfen und er⸗ klärt, daß der Kandidat der rep. üublikanischen Partei, Chamberlain, mit einer Majorität von 3044 Stimmen zum Gouverneur von Südkarolina gewä hlt worden fei.

(W. T. B.) Die zur Prüfung der Wahlen in Florida niedergesetzte Kommission hat jetzt ebenfalls ihren Bericht erstattet, in welchem erklärt wird, daß dort die von der republikanischen Partei aufgestellten Wahlmänner mit einer Majorität von 903 Stimmen gesiegt haben und dem⸗ nach dort Hayes als 8EE1“ gewählt zu betrachten sei. Der oberste erichtshof von Südkarolina hat die von den demokratischen Abgeordneten konstituirte Deputirtenkammer für die legale erklärt. .

Columbia. Bogotà, 7. Oktober. Die klerikale Agitation gegen die Schulorganisation im Canca

at zu einem über das ganze Unionsgebiet verbreiteten E11“ geführt. Angesichts der Schwäche der neuen Unionsregierung hatte der Klerus einen stürmischen Ausfall gegen die von der Staatsregierung nach Herbeiziehung deutscher Musterlehrer eingerichteten Volks schulen gemacht, unter dem Vorgeben, daß die ganze Jugenderziehung der Kirche gehöre. Die gesammte konservwative Partei hat sich für diese klerikale Bewegung erhoben, und ihre Presse erklärt es noch heute unverhüllt, daß eine

konarchie ihr Ideal sei. Mit Aufnahme aller kirchlichen Agitationsmittel wurde der bewaffmete Aufruhr gepredigt und die Bildung von Freischaaren ins Werk gesetzt, zu deren Ver⸗

carlistische