1876 / 296 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Fri, 15 Dec 1876 18:00:01 GMT) scan diff

Nach einem Erkenntniß des Königlichen Gerichtshofs zur Entscheidung der Kompetenzkonflikte vom 14. Ok⸗ tober 1876 findet gegen eine auf Grund des Gesetzes vom 22. April 1875 angeordnete Einstellung von Leistungen aus Staatsmitteln für die römisch⸗katholischen Bisthümer und Geistlichen der Rechtsweg nicht statt.

Nach §. 292 des Strafgesetzbuchs ist das unbefugte Jagen als Antragsdelikt mit Geldstrafe bis zu Ein⸗ hundert Thalern oder mit Gefängniß bis zu drei Monaten zu bestrafen. Daran schließt sich die Bestimmung des §. 293, daß die Strafe auf Geldstrafe bis zu Zweihundert Thalern oder auf Gefängniß bis zu sechs Monaten erhöht werden

kann, wenn dem Wilde nicht mit Schießgewehr oder e sondern mit Schlingen, Netzen, Fallen oder anderen Vorrich⸗ tungen nachgestellt, oder, wenn das Ses een während der ge⸗ setzlichen Schonzeit, in Wäldern, zur Nachtzeit oder gemein⸗ schaftlich von Mehreren begangen wird. In Beziehung auf diese Bestimmung hat das Ober⸗Tribunal in einem Er⸗ kenntniß vom 23. November d. J. wiederum ausgesprochen, daß die Verfolgung des im §. 293 vorgesehenen Vergehens durch einen Strafantrag des Verletzten nicht bedingt ist, „weil die am Schluß des §. 292 enthaltene Bestimmung: „die Verfolgung tritt nur auf Antrag ein“ ihrer Stellung nach nur auf die Strafbestimmung des §. 292 bezogen werden kann und eine ausdehnende Anwendung auf den abweichenden Thatbestand des §. 293 nicht zuläßt.“

Stralsund, 12. Dezember. In der heutigen Sitzung des Neu⸗ Vorpommerschen Kommunal⸗Landtages wurden nach Verlesung und Genehmigung des Protokolls über die gestrigen Verhandlungen, folgende Gegenstände der Tagesordnung erledigt. 1) Der Vorsitzende ernannte, unter Zustimmung aller Abgeordneten, die Mitglieder der zur Re⸗ vision der Taubstummen⸗ und der Irren⸗ und Siechenbewahr⸗ anstalt aus der Mitte der Versammlung abzuordnenden Kom⸗ b; 2) Der betreffende Referent hielt in der An⸗ gelegenheit, betreffend die Vereinigung des Landarmen⸗ wesens im diesseitigen Kommunalverbande mit dem des Kommunalverbandes für Alt⸗Pommern, ausführlichen Vortrag, und wurde, seinem Antrage gemäß, einstimmig beschlossen: zu dem Entwurfe der zu dieser Vereinigung nöthigen Königlichen Verordnung die vorgeschriebene Zustimmung der Stände aus⸗ drücklich auszusprechen und den geschlossenen Vereinigungs⸗ vertrag unter allen Umständen vom 1. Januar 1877 ab in Wirksamkeit treten zu lassen. Ferner wurde, dem Antrage desselben Referenten entsprechend, nach langer und eingehender Debatte beschlossen, von der früher beabsichtigten Einbringung einer Petition auf Beseitigung der jetzigen Gesammt⸗Armenver⸗ bände und Konstituirung von Orts⸗Armenverbänden aus jeder einzelnen politischen Gemeinde vorerst noch Abstand zu nehmen. 3) In Angelegenheiten der Neu⸗Vorpommerschen Hülfskasse wurde das die beantragte Vereinigung derselben mit derjeni⸗ gen des diesseitigen Kommunalverbandes ablehnende Reskript des Ressort⸗Ministers verlesen; sodann berichtete die Re⸗ visions⸗Kommission über die Rechnung der Kasse pro 1875, und endlich erfolgte die einstimmige Wiederwahl der mit Neujahr 1877 aus dem Kuratorium dieser Kassen⸗ ausscheidenden Mitglieder und deren Stellvertreter. 4) In den kommunalständischen Chausseebau⸗Angelegenheiten wurden nach zuvoriger Berichterstattung des Referenten und Erörterung der zur Entscheidung stehenden Fragen u. A. folgende Beschlüsse gefaßt: a. der ständische engere Ausschuß erhielt Vollmacht, den mit der Provinzialvertretung von Pom⸗ mern wegen Uebernahme der Verwaltung und Unterhaltung der im hiesigen Regierungsbezirke gelegenen Staatschausseen vom 1. Januar 1878 ab projektirten Vertrag, wie er bereits von dem letzten außerordentlichen Kommunal⸗Landtage gut geheißen ist, auch dann zum bindenden Abschlusse zu bringen, wenn zwar einige, aber nicht mehr als 6 Kreise Alt⸗Pommerns sich von einer gleichen Uebernahme der inner⸗ halb ihrer Grenzen gelegenen früheren fiskalischen Chausseen ausschließen würden; b. der ständische engere Ausschuß wurde ferner beauftragt, über die von dem ständischen Baubeamten wegen Verwaltung des so vergrößerten Chausseenetzes in Neu⸗ Vorpommern und Rügen durch ihn für nöthig erachteten Ein⸗ richtungen zunächst eingehende Prüfungen vorzunehmen, sich mit den Kreisen des Regierungsbezirks wegen Uebernahme der in ihren Gebieten befindlichen sämmtlichen Chausseen in Ver⸗ handlung zu treten und dem nächsten Kommunal⸗Landtage in dieser Angelegenheit Bericht zu erstatten.

Bayern. München, 13. Dezember. Die „Allg. Ztg.“ ist gegenüber der Nachricht, nach welcher der Entwurf einer Steuerreform seiner Vollendung entgegengehe und zur Berathung desselben eine kurze Frühjahrssession des Land⸗ tags veranlaßt werden solle, in der Lage zu erklären, daß

hinsichtlich der Anberaumung einer solchen Frühjahrssession

zu dem besagten Zweck zur Zeit weder eine Anregung gege⸗ ben 99 ein Beschluß gefaßt ist. Die Regierungsvorlage, bezüglich der Reoorganisation der Gewerbeschulen ist, wie dasselbe Blatt mittheilt, bis heute bereits von den Landräthen von vier Regierungsbezirken Pfalz, Mittel⸗ franken, Oberfranken und Niederbayern zur Annahme ge⸗ langt, die niederbayerische Kreisvertretung hat der Vorlage mit allen gegen nur drei Stimmen beigestimmt.

Baden. Heidelberg, 11. Dezember. Die Königin von Schweden, welche unter dem Namen Gräfin Haga reisend, sich unter Behandlung des Geheimraths Dr. Friedreich befindet, ist heute hier angekommen. Die Königin wird vor⸗ aussichtlich den Winter hier zubringen.

Hessen. Darmstadt, 13. Dezember. In der heu⸗ tigen 19. Sitzung der ersten evangelischen Landes⸗ synode erfolgte die Berathung über den Antrag der Abg. Müller (Alsfeld) und Genossen, die Aufhebung des Pa⸗ tronats⸗ und Präsentationsrechtes innerhalb der evan⸗ gelischen Kirche des Großherzogthums Hessen durch die Groß⸗ herzogliche Staatsgierung auf dem gesetzlichen Wege betref⸗ fend. Der Antrag geht dahin: „Die Synode wolle beschließen, das Kirchenregiment zu ersuchen, die Großherzogliche Staats⸗ regierung zu bewegen, daß dieselbe auf dem gesetzlichen Wege das Patronats⸗ und Präsentationsrecht abschaffe.“ Der Ausschuß beantragte: „Die Landessynode wolle den Antrag des Abg. Müller und Gen. dahin annehmen, daß das Kirchen⸗ regiment ersucht werden möge, der Großherzoglichen Staats⸗ Regierung den dringenden Wunsch der Landeskirche auszu⸗ . und zu befürworten, daß die innerhalb der Kirche

bestehenden Patronats⸗ und Präsentationsrechte auf gesetzlichem Wege beseitigt werden möchten.“ Der Abg. Köhler stellt den Antrag: Dem Antrag des Ausschusses zuzufügen: „insoweit

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solches ohne weitere Belastung der Gemeinden geschehen kann.“ Nach längerer Debatte wurde schließlich der Ausschußantrag nebst dem Zusatz des Abg. Köhler mit 27 gegen 16 Stimmen ange⸗ nommen.“ Es folgte sodann die Berathung über den Antrag der Abgg. Buchner, Curtmann, Rieger und Gen., gemein⸗ sames Reformationsfest und gemeinsamen Bußtag in Deutschland betr., dahin gehend: „Die Synode wolle das Kirchenregiment ersuchen, bei den übrigen evangelischen Kirchenregierungen Deutschlands die geeigneten Schritte zu thun, um eine Verlegung des Reformationsfestes und des all⸗ gemeinen Bußtags sämmtlicher evangelischen Kirchen Deutsch⸗ lands auf den gleichen Tag herbeizuführen.“ Der Ausschuß⸗ antrag geht auf Annahme. Der Antrag wurde einstimmig angenommen. Nach Schluß der Sitzung vertagte sich die Synode auf unbestimmte Zeit.

Braunschweig. Braunschweig, 13. Dezember. (M. Ztg.) Der als bevorstehend angedeutete Schluß der zweiten Landessynode ist schon heute erfolgt, nachdem der Ent⸗ wurf, die Einführung der berathenen Gottesdienstofrd⸗ nung betreffend, angenommen worden war. Der Wirkliche Geheime Feh Trieps, welcher die Synode im Namen des Herzogs schloß, versprach, daß die von der Versammlung ge⸗ stellten Anträge der sorgfältigsten Erwägung unterzogen wer⸗ den sollten.

Schwarzburg⸗Sondershausen. Sondershausen, 12. Dezember. (Leipz. Ztg.) Der Fürst hat den Geheimen Staatsrath Bley zum Geheimen Rath, und den Staatsrath von Wolffersdorf zum Geheimen Staatsrath ernannt, sowie den Königlich sächsischen Major z. D. von Trützschler aus Dresden zu seinem Hofmarschall und Kammerherrn hier⸗ her berufen, und ihm die Geschäfte des Vorstandes des Fürst⸗ lichen Hofmarschallamtes und des Fürstlichen Marstallamtes übertragen. v4ueas

Lippe. Detmold, 14. Dezember. In der heutigen Sitzung des Landtags beantragte zunächst der Abg. Cäsar, die in vertraulicher Besprechung bereits vereinbarten Kommis⸗ vatasi. zu wählen und die ebenfalls bestimmten Mitglieder azu zu designiren. Dem entsprechend erfolgten die Wahlen. Nach längerer Debatte über die von dem Abg. Hausmann beantragte Vertagung des Landtages schlug der Abg. Stene⸗ berg vor, diese Fraße so lange auszusetzen, bis eine Ver⸗ tagung wegen mangelnden Stoffs für Plenarsitzungen sich als nothwendig herausstellte, was ja in kurzer Zeit eintreten müsse, diesem Vorschlage wurde beigestimmt.

Bremen, 12. Dezember. (H. N.) Die Budgetkom⸗ mission der Bürgerschaft hat ihren Bericht über die Vorschläge des Senats zur Deckung des Defizits erstattet, das sie gleichfalls auf 1,000,000 annimmt. Sie empfiehlt die Erhöhung der Einkommensteuer von 3 auf 4 Pro⸗ zent, giebt dabei jedoch anheim, auf einander folgende Theil⸗ zahlungen zuzulassen. Ebenso stimmt sie der Ausdehnung, nicht der Erhöhung der Umsatzsteuer bei, wie der Senat sie anräth, nachdem die Handelskammer sich gegen letztere erklärt hat. Mit der Handelskammer verwirft sie die Verdoppelung der Abgabe von Güterdeklarationen, die der Senat trotz der Abmahnung der ersteren beschlossen zu sehen wünschte. Den vorgeschlagenen Erhöhungen von Verbrauchsab⸗ gaben, Gebühren und Schulgeld stimmt sie zu, eben⸗ so dem Antrage der Finanzdeputation, zur Deckung zeitweiliger b1“ verzinsliche Anweisungen auf die Generalkasse mit fester Verfallzeit auszugeben. Sie bevor⸗ wortet jedoch, daß der jeweilige Betrag dieser Schatzkammer⸗ scheine eineinhalb Millionen Mark nicht übersteigen dürfe. Die Kirchenvertretung verhandelte gestern über die kirch⸗ lichen Begräbnisse. Der Referent, Pastor Dr. Manchot schilderte dieselben als im Verfall begriffen und emcfaht dann sie zu heben durch eine Ansprache an die evangelische Bevölkerung, welcher drei Formen kirchlicher Mitwirkung zur Auswahl gestellt werden sollen; im Trauerhause, in der Friedhofskapelle, in der Kirche. Nach längerer Erörterung wurde beschlossen, den gestellten Antrag sowohl wie die be⸗ antragten Abänderungen desselben einem Ausschuß von fünf Mitgliedern zur Begutachtung zuzuweisen.

F Sesterreich⸗Ungarn. Wien, 13. Dezember. Wie die „Presse“ meldet, soll die Vertagung des Abgeord⸗ netenhauses spätestens am 20. d. M. erfolgen. Bis dahin muß jedenfalls der Staatsvoranschlag pro 1877 erledigt sein, und um dies zu ermöglichen, sind, falls die Budgetdebatte in der bisherigen Ausdehnung fortgesetzt wird, von nun an täg⸗ lich Doppelsitzungen in Aussicht genommen. Morgen gelangt die Verhandlung über das Unterrichtsbudget zu Ende, worauf entweder der Voranschlag des Handels⸗ oder des Justiz⸗Mi⸗ nisteriums an die Reihe kommt.

Pest, 13. Dezember. Wie der „N. Fr. Pr.“ von hien⸗ gemeldet wird, werde von der geplanten Interpellation in der Bankfrage Seitens der liberalen Partei Umgang genommen, weil bekannt geworden, daß die Regierung beab⸗ sichtige, jedenfalls nach Abschluß der Budgetberathung, resp. vor den Weihnachtsferien, mit detaillirten Erklärungen vor das Parlament zu treten. Ein Theil der Journale ist be⸗ müht, der gestrigen Abstimmung über die Ostbahn jede Konsequenz für das Verhältniß zwischen der Regierung und der Partei zu bestreiten. Das Amtsblatt publizirt für Stadt und Komitat in Arad das Standrecht von einjähriger Dauer gegen Räuber und Brandstifter.

Ueber die Bankfrage äußert sich der „Pest. Lld.“:

„An eine Lösung der Bankfrage durch eine weitere Nachgiebigkeit von Seite Ungarns ist also absolut nicht zu denken; soll aber eine Lösung überhaupt erfolgen und will man nicht die ärgsten Verwicke⸗ lungen hüben und drüben heraufbeschwören, so ist es vor allen Dingen nöthig, die Gleichheit der Positionen zwischen den kon⸗ trahirenden Theilen dadurch herzustellen, daß die praktische Benützung des unbezweifelbaren Rechtes der ungarischen Krone zur Etablirung eines selbständigen Bankwesens zugestanden wird. Wir sagen nicht, daß die 8 e,S Regierung von diesem Rechte sofort und unbedingt Gebrauch machen müsse; aber wir sagen, daß die ungarische Regie⸗ rung, wenn sie die Verhandlungen über die Bankfrage fortsetzen soll, durch die Sicherheit gedeckt sein müsse, nöthigenfalls zur hafrleh⸗ einer cgerelFien Bank schreiten zu können.

nd die Sache wäre am Ende vielleicht weder so schwierig, noch

so S als man in Wien verkündet. Und wäre trotzdem kein

Kapital für eine Zettelbank aufzutreiben, so müßte eine Staats⸗ bank ins Leben treten und wie schlimm auch die Folgen einer solchen Bankschaph. sein möchten, die Nation wird sie willig tragen, je⸗ denfalls williger, als eine österreichische Diktatur, die uns Schaden und Spott zugleich bringt. Nicht ein Ministerwechsel, gegen welchen die parlamentarischen Verhältnisse des Landes protestiren, und nicht

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eine politische Krise, sondern die Proklamirung des Prinzips des selbständigen Bank⸗ wesens und eventuell die Verwirklichung desselben um jeden Preis

das ist die logische Konsequenz der durch die Bankfrage nel afe. 8 en sind.

nen Situation, nachdem alle Vermittelungsvorschläge gefa Es gilt, die Bankangelegenheit auf ihre normalen Grundlagen zurück⸗ zustellen und von der Verquickung mit den zentralistischen Aspira⸗ tionen loszulösen. Das Normale aber ist, daß nach dem Scheitern der Transaktion jeder Theil für sich geht, da ein gemeinschaftlicher Weg nicht gefunden werden kann. So wenig wir im Stande sind, auf Oesterreich einen Zwang auszuüben zu Gunsten der Mai⸗Ver⸗ einbarungen, so wenig dürfen wir einen Zwang gelten lassen, wenn wir daran gehen wollen, aus der ablehnenden Haltung der öster⸗ reichischen Faktoren die natürlichen Schlüsse zu ziehen.“

Ueber den gestrigen Verlauf der Generaldebatte über die E6“ ire bemerkt dasselbe Blatt, Minister⸗Präsident Tisza habe sehr recht gehabt, sich gegen das Dringen auf Belangung vieler geachteter Männer, wenngleich selbe intakt

aus der Anklage hervorgehen werden, auszusprechen, weil man den Schaden, der und dem Land zugefügt werde, Nachdem aber eine eus 8

nicht leicht gutmachen könne. von 15 Stimmen anders beschlossen, so könnten sich nicht nur die Unbetheiligten, auch die Betheiligten hiermit zu⸗ frieden geben. Es

Angelegenheit vor ein Forum gelangt, das die Sache nicht so oberflächlich und von 1“ beeinflußt behande wie dies oftmals in parlamentarischen Kommissionen geschehe.

Schweiz. Bern, 13. Dezember. Das vom Stände⸗

rath vollständig durchberathene Budget der Eid⸗ genossenschaft für 1877 weist jetzt folgende auf: A. Einnahmen. 1) Ertrag von Liegenschasten und Kapitalien 527,403 Fr.; 2) Regalien und Ver⸗ waltungen 42,415,526 Fr.; 3) verschiedene Einnahmen 29,371 r. Zusammen 42,972,300 Fr. B. Ausgaben. 1) Amorti⸗ fationen und Verzinsungen 1,684,725 Fr.; 2) allgemeine Ver⸗

waltungskosten 728,750 Fr.; 3) politisches Departement 277,000

Fr.; 4) Departement des Innern 2,565,471 Fr.; 5) Justiz⸗ und Polizeidepartement 40,000 Fr.; 6) Militärdepartement

16,458,510 Fr.; 7) Finanz⸗ und Zolldepartement 5,398,100 Fr.; 8) Eisenbahn⸗ und Handelsdepartement 194,000 Fr.; 9) Post⸗ und Telegraphendepartement 16,915,700 Fr.; 10) Unvorher⸗ gesehenes 8344 Fr. Zusammen 44,270,600 Fr. Muthmaß⸗ liches Defizit 1,298,300 Fr.

Niederlande. Amsterdam, 12. Dezember. Batavia sind bis zum 4. November reichende Postberichte hergelangt. Der „Javasche Courant“ veröffentlichte am 27. Oktober die Botschaft, daß von der Oberleitung des ost⸗ indischen Heeres General Wiggers van Kerchem auf dem Posten eines Militär⸗ und Civilbefehlshabers in Atchin durch General Diemont ersetzt worden ist. Nach Anden⸗ tungen, die von anderen Blättern Batavias gemacht worden, hatte General Wiggers van Kerchem aus Ge undheitsrücksich⸗ ten um seine Enthebung von dem Kommando nachgesucht.

Brüssel, 14. Dezember. (W. T. B.) Von wurde heute in der Repräsentanten⸗ eit der Union du crédit de

Belgien. Frère Orban ammer die Angelegen

Bruxelles, welche in Zahlungsverlegenheiten geraͤthen ist,

zur Sprache gebracht. Der Finanz⸗Minister erwiderte darauf, er habe sich bereits mit der Nationalbank über Maß⸗ regeln verständigt, die geeignet seien, jede Unterbrechung der geschäftlichen Thätigkeit des Instituts fern zu halten. Für die zahlreichen Interessenten desselben liege ein triftiger Grund zu Besorgnissen nicht vor. Er sei überzeugt, daß die Krise sich leicht überwinden lassen werde, vom Gericht sei ein proviso⸗ risches Moratorium ertheilt worden. (Vergl. die neuesten Tele⸗ gramme.)

Großbritannien und Irland. London, 13. Dezember. (A., A. 9 Der russische Botschafter Graf Schuwaloff verließ gestern London, um sich über Dover und Ostende nach St. Petersburg zu begeben. Der neue Statthalter von Irland, Herzog von Marlborough, kam gestern in Dublin an und leistete den Amtseid. Das Kriegs⸗Ministerium hat bei Mr. Whitehead zweihundert der von ihm erfundenen Fischtorpedos bestellt. Im City Terminus Hotel fand gestern eine sehr zahlreich besuchte Generalversammlung der englischen Gläu⸗ biger der Daira statt, die den weck hatte, einen Bericht des Hrn. Göschen über den Stand der Daira und die Aussichten der Gläubiger entgegenzunehmen.

Hr. Göschen erklärte, die Schwierigkeiten, die einer befriedigenden Regelung der Daira⸗Schuld entgegenständen, seien zweifach, da nicht allein ein Abkommen mit dem Khedive, sondern auch unter den Gläu⸗ bigern selber zu treffen sei. Der Vize⸗König schlage vor, den Gläu⸗ bigern der Daira die Einkünfte derselben sowie auch seiner Civilliste im Betrage von cäa. 60,000 per annum zu überweisen, die Schuld wahrscheinlich mit 8 Prozent zu verzinsen und die Verwaltung der Daira einem ddreigliedrigen Kollegium zu übertragen, von dem ein Mitglied, von ihm selber ernannt, die landwirth⸗ schaftliche Verwaltung, und die zwei anderen, von den Gläubigern ernannt, die kommerzielle und industrielle Verwaltung leiten . Die Einkünfte der Daira hingen gänzlich von dem Ausfall der Ernte und den kurrenten Preisen ab und könnten in einem normalen Jahre auf höchstens 500,000 £ bis 600,000 ₰£ ver⸗ anschlagt werden. Unter europäischer Verwaltung würde nicht allein größere Sparsamkeit in allen Dingen geübt werden, sondern auch⸗ die Anwendung der Zwangsarbeit auf den Plantagen ein Ende finden. Die schwebende Schuld der Daira betrage 2,900,000, die konsolidirte 5,900,000 £, im Ganzen also 8,800,000 †; es sei demnach leicht zu be⸗ rechnen, welche Zinsrate die erwähnten Einkünfte ergeben dürften. Es dürfte möglich sein, den Vize⸗König zu bewegen, eine Minimal⸗ zinsrate zu garantiren. Im Weiteren empfahl Göschen die Nieder⸗ setzung eines Comités Seitens der Inhaber der Anleihe von 1870. Das sich mit den Repräsentanten der Gläubiger der schwebenden Schuld behufs der Erzielung einer Verständigung unter einander in Verbindung sotzen möge. Man dürfe aber nicht vergessen, daß es vfsiführich, sei, sämmtlichen Gläubigern ein Arrangement mittelst eines Dekrets zu oktroyiren. Die Inhaber der Anleihe von 1870 würden auch gut daran thun, einen erfahrenen Juristen nach Aegypten zu entsenden zur Wahrnehmung ihrer Interessen vor dea dortigen Tribunalen in Sachen der Gläubiger der Daira, die bereits Erkenntnisse erstritten hätten. Auch sei eine Revision der Bücher und Kassen der Dairaverwaltung dringend geboten. Den neuesten Nachrichten vom Khedive zufolge sehe derselbe nunmehr ein, wie dringend nothwendig es sei, zu einer Lösung der Frage zu ge⸗ langen, und nach seinem (Göschens) Dafürhalten dürfte er geneigt sein, mit den zwei Klassen von Gläubigern behufs Erzielung irgend eines Verständnisses in Unterhandlungen zu treten. Nachdem Göschen unter dem Beifall seiner Zuhörer geendet, wurde eine Re⸗ solution durch Acclamation angenommen, welche ihn ersucht, die Vertretung der . der Daira zu übernehmen. 8 wies auf die Verantwortlichkeit einer solchen Vertretung hin und bemerkte, er müsse c. die Sache überlegen, ehe er seinen Enrschluß kundgebe.

Engl. Corr.) Vor dem höchsten Ceee S Abthei⸗ lung für Berufungen, kam die Appellation der Besitzer

des deutschen Dampfers „Schiller“

zu welcher kein vernünftiger Anlaß vorhanden,

önne ihnen nur erwünscht sein, daß die

Posten

Aus

Amt als Vorsitzender des Comités

gegen die Ver⸗ urtheilung zur Zahlung von 500 Pfd. Sterl. an die Besitzer und Mannschaft des Lootsenkutters „Rapid“ und zweier an⸗ derer Boote zur Verhandlung. Die Kläger hatten seiner Zeit geltend gemacht, daß sie bei Rettung der Schiffbrüchigen bei den Scilly⸗Inseln die Gelegenheit, Güter zu bergen hätten vorübergehen lassen und deshalb Anspruch auf Entschädigung hätten, noch dazu, da die Besitzer des „Schiller“ durch Taucher später Güter und Gelder im Werthe von 40,000 Pfd. Sterl. gerettet hätten. Der Richter hatte zu Gunsten der Kläger entschieden und ihnen 500 Pfd. Sterl. zugesprochen. Nach Anhörung des Falles behielt der Appellhof sich die Entschei⸗ dung vor.

Frankreich. Paris, 13. Dezember. Das „Journal officiel“ veröffentlich die drei Dekrete, welche die Entlassung der Minister Dufaure und Marcére, sowie die Ernennung der Herren Jules Simon und Martel anzeigen. Das Mini⸗ sterium ist nun folgendermaßen zusammengesetzt: ules Simon, Präsident und Inneres; Martel, Justiz und Kultus; Leon Say, Finanzen; Christophle, öffentliche Bauten; Teisse⸗ renc de Bort, Ackerbau und Handel; Waddington, Unterricht; Herzog Decazes, Aeußeres; Admiral Fourichon, Marine; Ge⸗ neral Berthaut, Krieg. Unter der Präsidentschaft des Mar⸗ schalls Mac Mahon ist Herr Simon das erste Mitglied der republikanischen Linken, das ins Kabinet berufen wird.

Das neue Kabinet wird, wie man der „Köln. Ztg.“ schreibt, von der republikanischen Linken und dem linken Centrum gut aufgenommen; auch die Radikalen geben zu, daß es sich im vorliegendem Falle nicht um ersonen, sondern um Grundsätze, die gewahrt werden müßten, handle. Die republikanische Linke unterwarf heute das neue Ministerium einer eingehenden Besprechung, faßte aber keinen Beschluß. Morgen Mittag um 1 Uhr versammeln sich die Ausschüsse der drei Gruppen der Linken, um über die Lage Rath zu pflegen. Die „Republique Frangaise“ fordert die drei Gruppen der Linken auf, jetzt ihrem Programm gemäß zu handeln. Jules Simon nahm heute Besitz vom Ministerium des Innern; morgen soll der Ministerrath sich über die von dem neuen Conseil⸗Präsidenten der Deputirtenkammer zu machende Erklärung eini⸗

en. (siehe unter Versailles) Der Moniteur“ ehauptet, die Regierung wolle in Betreff der bürger⸗ lichen Begräbnisse erklären, sie werde den im Rundschreiben Cissey's enthaltenen Weisungen folgen, die derselve als Kriegs⸗Minister unter der Präsidentschaft des Hrn. Thiers ertheilt habe und wonach das militärische Geleit bei bürgerlichen Begräbnissen verboten ist, wenn sie zu politischen Demonstrationen Anlaß geben könnten. Die klerikalen Blätter zeigen sich mit der neuen Wendung zufrieden, weil Berthaut das Kriegs⸗Ministerium behalten habe.

Versailles, 14. Dezember. (W. T. B.) Im Senat und in der Kammer gab heute der Conseils⸗Präsident 1“ Simpn Namens des neuen Ministeriums Er⸗

lärungen ab. Nachdem er zunächst mit Worten des Be⸗ dauerns des Rücktritts von Dufaure und de Marcere gedacht hatte, hob er hervor, er bringe kein förmliches Programm, aber man kenne ihn, er sei von Grund seines Herzens Republikaner und von Grund seines Herzens konservativ, er sei ergeben den Grundsätzen der Freiheit und beseelt von der außrichtigsten Achtung für die Gewissens⸗ freiheit wie für die Religion. Das Kabinet werde ein par⸗ lamentarisches bleiben und habe zu dem Ende nur dem Beispiel des Marschall⸗Präsidenten zu folgen, der unter allen Umständen bestrebt sein werde, die Prinzipien eines konstitu⸗ tionellen Regiments streng zu befolgen. Das Ministerium sei in Einstimmigkeit und mit Festigkeit entschlossen, der republi⸗ kanischen Regierung bei allen Staatsbeamten Geltung und Achtung zu verschaffen. Frankreich sei gewillt, in Ruhe und Frieden der Arbeit zu leben.

Italien. Rom, 12. Dezember. (Ital. Nachr.) Das permanente Geschwader ist von Neapel nach La Spezia abgegangen (laut Telegramm vom 13. d. M. bereits daselbst eingetroffen). Das Kommando hat der Contre⸗ Admiral Arminson, der Unterbefehlshaber ist, über⸗ nommen, da der Oberbefehlshaber des Geschwaders, dem Range nach Vize⸗Admiral, in Neapel erecgehchts halber zurückbleiben mußte. In La Spezia wird das Geschwader die weiteren Ordres, die von den politischen Ereignissen abhängig sind, erwarten. Der General⸗Lieutenant Marchese Mena⸗ brea, Botschafter Italiens am englische Hofe, ist von seinem für Artillerie und Genie dispensirt und dem Ministerium der Auswärtigen dcasgehe Fanten zur Disposition gestellt worden. Einige Journale haben emeldet, daß Don Carlos neulich in Rom angekommen sei, sich hier unter dem Namen eines Herrn Fuentes aufgehalten und seine Reise nach Neapel fortgesetzt habe. Die Journale von Neapel kündigen bereits seine Ankunft in dortiger Stadt an und erzählen, daß er im Hotel Vittoria abgestiegen sei. Man versichert den „Ital. Nachr.“, daß diese Nachricht auf

einer Verwechselung beruhe, und daß Don Carlos sich gegen⸗

wärtig in Oesterreich aufhalte. Dagegen sei der Herzog Robert von

Parma in Rom gewesen, aber nachdem er vom Papst empfangen worden, wieder abgereist. Herr John Rose, der englische Kaufmann, dessen Gefangennahme durch den Bandenführer Leoni und dessen Befreiung seiner Zeit gemeldet wurde, ist hier angekommen, um von dem englischen Botschafter Sir

aget vernommen zu werden. Die iberta“ schreibt: „Nach⸗ dem die sizilianischen Abgeordneten mehrmals ersen⸗ melt waren, um über die Zustände der öffentlichen Sicher⸗ hent in einigen Provinzen der Insel zuberathen, haben sie eine

ommission aus ihrer Mitte gewählt, die sich mit dem Minister des Innern ins Benehmen setzen und mit demselben die zu ergreifenden Maßregeln feststellen soll.“

Dem „Standard“ wird aus Rom gemeldet, daß ein Vorschlag zur Reform der parlamentarischen Pro⸗ zedur, nämlich Abschaffung der Bureaus der Kammer und Einführung der drei Lesungen von Gesetzvorlagen, gegründete Aussicht zur Annahme habe. 1 1“

14. Dezember. (W. T. B.) Die ehemalige Kaiserin Eugenie ist in Begleitung des Grafen Rasponi hier eingetroffen. .

Griechenland. Athen, 14. Dezember. (W. T. B.) Bei der heutigen ersten Abstimmung in der Deputirten⸗ kammer über die Verweisung der Gesetze, betreffend die Kriegs⸗ vorbereitungen vor der Generaldiskussion an eine besondere Kommission wurde das Ministerium mit 101 gegen 57. Stim⸗ men unterstützt. Für die Anträge des Ministeriums traten die Anhänger von Zaimis, Tricoupis und Bulgaris ein. Die Anhänger von Deligeorgis stimmten dagegen.

Türkei. Aus Se wird den „Times“ unter dem 5 d. M. über die Vorgeschichte der türkischen Ver⸗ fassung, deren Verkündigung in Aussicht gestellt ist, Folgendes berichtet: „Es hat sich dem vielbesprochenen Verfassungs⸗ entwurfe ein unerwartetes Hinderniß entgegengestellt. Als die Artikel, welche die Rechte des Sultans definiren, dem letz⸗ teren vorgelegt wurden, erklärte er, daß das eine Angelegen⸗ heit sei, welche nicht ihn allein, sondern auch alle seine Nach⸗ olger angehe. Er ließ daher seine Brüder rufen und be⸗ fragte sie, ob sie in eine Beschränkung der großherrlichen Herrschergewalt willigen wollten, und trotz der Unterwürfig⸗ keit, welche die Mitglieder der Familie ihrem Oberhaupte schulden und bezeigen, wagte keiner der Prinzen, welche vorher von dem Großvezier instruirt worden waren, eine be⸗ jahende Antwort zu geben, worauf der Großvezier und Midhat Pascha wieder einmal ihre Demission gaben, welche nicht an⸗ genommen wurde und auch gar nicht ernst gemeint war.“

Aus Konstantinopel wird dem „Daily Telegraph“ ausführlich über die Audienz des Marquis of Salis⸗ bury bei dem Sultan berichtet. Nach der formellen Vor⸗ stellung zogen sich die großen ottomanischen Hofchargen und sonstigen Personen, mit Ausnahme desjenigen Beamten, der als erster Dragoman fungirte, zurück. Das Personal der englischen Botschaft that ein Gleiches, und außer dem Mar⸗ quis of Salisbury und Sir Henry Elliot blieb nur Herr Sandison, der erste Dragoman der englischen Botschaft, an⸗ wesend. Der Sultan hörte dem englischen Botschafter eine Weile zu und sprach dann seinerseits von der Konferenz mit

roßer Offenheit. Er äußerte die Hoffnung, daß die Schwierig⸗ eiten, mit welchen die Pforte gegenwärtig zu kämpfen habe, von den versammelten Bevollmächtigten in befriedigender Weise erledigt werden würden. Ferner sprach er seine zuversichtliche Erwartung aus, daß kein Vorschlag gemacht werde, welcher die Wirkung haben würde, seine Unterthanen verschiedenen Bekenntnisses und verschiedener Racen auf verschiedenen Fuß zu stellen. Sein lebhafter Wunsch sei es bemerkt er daß alle Türken, Griechen und Bulgaren volle Gleichstellung genießen möchten.

Aus London, 11. d. M., berichtet die „E. Corr.“:

Das Meeting in St. James⸗Hall zu London, für welches die Veranstalter den etwas anspruchsvollen Namen „National⸗ konferenz“ erfunden hatten, erfreut sich in der Presse keiner über⸗ mäßig günstigen Beurtheilung, denn von den bedeutenderen Blättern sind „Daily News“ das einzige, das voll und ganz mit dem Ergeb⸗ nisse ufe. ist. „Morning Post“, deren Anschauung über orienta⸗ lische Angelegenheiten der von den Rednern der Konferenz vertretenen wohl am schroffsten gegenübersteht, ertheilt den Rednern, wahrschein⸗ lich weil sie schlimmerer Angriffe der Regierungspolitik gewärtig war, doch noch das Lob der Mäßigung; sonst begegnet man in den konservativen und unabhängigen Blättern nur meist ironisch gehaltenem Tadel: daß nichts Neues gesagt worden und nur Schaden durch Kompromittirung des Ministeriums im gegenwärtigen kritischen Augenblicke angerichtet sei. Selbst die „Times“ sprechen einen Tadel über die Konferenz aus, den sie allerdings in die höf⸗ liche Form kleiden: „Es würde zu viel gewesen sein, strenge Unpar⸗ teilichkeit von der „Nationalkonferenz“ zu erwarten, und nach Durch⸗ lesung der vielen Reden können Freunde der Regierung sich beklagen, daß sie hart beurtheilt worden ist. Mit vollem Rechte können sie sagen, daß die Redner im Dunkeln tappten, denn sie wußten nicht, was für Instruktionen Lord Salisbury mit nach Konstantinopel nahm oder wie weit er ungebundenist.“ Auch der Premier⸗Minister, meinen die „Times“ ferner, würde beanspruchen können, vor der Aburthei⸗ lung seiner so verschiedenartig ausgelegten Reden selbst erst eine Erklärung derselben abzugeben. Dann aber läßt das Blatt auch einige Anerkennung einfließen, indem es sagt: „Nichtsdestoweniger war die Konferenz eine sehr interessante Versammlung und der Bericht ihres Verlaufes kann mit Vortheil von den Türken und einem kriegslustigen, aber glücklicher Weise kleinen Theile unserer eigenen Landsleute gelesen werden. Alles, was wirklich gethan worden, ist, den Entschluß des Landes auszudrücken, daß es seinen Einfluß auf Seite der Unterdrückten verwendet sehen will.“ Da⸗ gegen gesteht der „Observer“ auch letzteren Nutzen nicht zu, meinend, es sei kaum nöthig gewesen, zu zeigen, daß England nicht für Aufrechterhaltung der Türkei gegen Rußland ins Feld ziehen wolle, während der Beweis vom Vorhandensein einer starken Partei in England, die sich jedem Kriege gegen Rußland widersetzen müsse, jedeofalls alle Bemühungen schwächen würde, die Lord Salisbury zur Mäßigung russischer Ansprüche unternehmen könne. „Aus diesem Grunde schließt „Observer“ halten wir die sogenannte Nationalkonferenz für unzeitgemäß und wir können nicht glauben, daß, mit alleiniger Ausnahme Gladstone's, die Sprecher auf der Konferenz irgend einen nennenswerthen Beitrag zur Lösung der öorientalischen Frage lieferten.“

London, 13. e (A. A. C.) Die verschiedenen Londoner Zeitungen fahren fort, die Situation als wesent⸗ lich zum Frieden gewendet zu betrachten, wozu natürlich der hoffnungsvolle Ton der Telegramme über die in Konstanti⸗ nopel stattfindenden diplomatischen Verhandlungen viel beiträgt.

Die „Times“ bringt ein längeres Telegramm von ihrem Wiener Korrespondenten über die Konferenz, worin es u. A. heißn:

„Aus Konstantinopel wird es aufs Neue bestätigt, daß in

olge der zwischen Lord Salisbury und General Ignatieff geführten Pourparlers eine höchst bemerkenswerthe und ganz unerwartete An⸗ näherung zwischen den Anschauungen Englands und Rußlands be⸗ wirkt worden ist. Dies scheint vor Allem den Erklärungen und Versicherungen zu verdanken zu sein, die der russische Botschafter be⸗ züglich der Ziele und Pläne der russischen Politik abgegeben hat. Möglicherweise dürfte indeß ein anderer Umstand dazu beigetragen haben, dieses Resultat herbeizuführen, nämlich die von Lord Salis⸗ bury auf seiner Reise durch Europa und in seinen Privatunter⸗ redungen mit den andern Konferenzbevollmächtigten gesammelte In⸗ ormation, die ihn überzeugt haben mag, daß in einer Politik ab⸗ fokenar Feindseligkeit gegen Rußlaud England sich isolirt finden würde. Aber andererseits sind Gründe vorhanden zu glauben, daß auf Seiten Ruß⸗ kands ein versöhnlicher Schritt gethan worden ist, insofern, als seine Vorschläge nicht länger ganz den absoluten Charakter besitzen, der ihnen ast das Aussehen eines diplomatischen Ultimatums gab, sondern daß ie, obwohl sie nicht verändert wurden, milder in der Form geworden ind, wie Vorschläge. die diskutirt werden mögen und nicht nur ein⸗ fach von den anderen Mächten acceptirt zu werden brauchen.

Aus Pera, 11. Dezember, telegraphirt der Spezial⸗ berichterstatter des „Daily Telegraph“: -

„Heute wurde die erste Präliminarsitzung der Konferenz im russischen Botschaftshotel abgehalten, da General Ignatieff der Senior⸗Betschafter ist. Kein Vertreter der Türkei war zugegen. Die Sitzung hatte den Zweck, die Reihenfolge zu bestimmen, in welcher die verschiedenen Fragen erörtert werden sollen. Nach dem Schluß dieser Präliminarsitzungen wird die Pforte die Delegirten und Botschafter einladen, sich in der Admiralität zu versammeln, wahrscheinlich un⸗ ter dem Vorsitz von Safvet Pascha, da solches Herkommen ist, wenn Konferenzen in der türkischen Hauptstadt tagen. Jeden Tag bessern sich die Aussichten eines befriedigenden Abschlusses der gegenwärtigen Situation, und in der heutigen Sitzung herrschte, wie ich erfahre, die vollkommenste Eintracht. Ich mag auch erwähnen, daß ein markanter Umschwung sowohl in den russischen Forderungen, wie in der türkischen Stimmung eingetreten ist. Mehrere osmanische Staatsmänner von höchstem Range haben, wie man mich versichert,

den lebhaften Wunsch ausgedrückt, jedes mit der Ehre des türkische verträgliche Opfer im Interesse der Erhaltung des Friedens zu bringen.“

London, 14. Dezember. (W. T. B.) Das „Reutersche Bureau“ meldet aus Konstantinopel von gestern: Das hier verbreitete Gerücht, wonach es zwischen dem Marquis von Salisbury und dem russischen Botschafter Ignatieff in Bezug auf die Frage der Okkupation Bulgariens zu einem Einverständniß gekommen sein sollte, ist ein durchaus irrthümliches. Diese Frage ist bei den Besprechungen noch nicht einmal berührt worden.

15. Dezember. (W. T. B.) Man beabsichtigt nach Weihnachten als Kundgebung egen die anti⸗ türkische Nationalkonferenz ein Kebting stattfinden zu lassen, welches das Vertrauen der Bevölkerung auf die Mission Salisbury's aussprechen und jede Einmischung in die Aktion des Ministeriums mißbilligen soll.

Wien, 14. Dezember. (W. T. B.) Der Fürst von Montenegro ist, wie die „Politische Korrespondenz“ aus St. Petersburg meldet, bezüglich seines Anspruchs auf Arrondirung und einen Hafen vom russischen Kabinet bedeutet worden, daß er auf die Unterstützung seiner Wünsche durch Rußland rechnen könne, daß die Erfüllung derselben jedoch nur auf dem Wege des Einverständnisses mit den Rußland zunächst stehenden Mächten erreichbar sei.

Wie das W. „Fremdenbl.“ meldet, hat die türkische Regierung nun die Handelsverträge fast aller euro⸗ päischen Staaten gekündigt. Die Maßregel werde eine durch⸗ greifende Erhöhung der Zölle zur Folge haben.

Der Korrespondent der „Köln. Zeitung“ in Philip⸗ popel berichtet:

In Konstantinopel waren gegen Ende des Ramazan Ge⸗ rüchte von einer neuen Massacre in Tatar⸗Bazardjik ver⸗ breitet; die dortigen Mohamedaner hatten wirklich die Absicht, zur Feier des Beiram eine Christenrazzia in Scene zu setzen. Ein Konsul in Philippopel ward aber heimlich davon benachrichtigt; er begab sich sofort in den Konak und theilte dem Mutessarif die Gefahr mit. Wie zu erwarten, leugnete Hamid Pascha dieselbe rundweg ab, sendete aber sofort eine Depesche nach Bazardjik, in der er den Kaimakam für Alles, was den Christen zustieße, verant⸗ wortlich machte, Der Kaimakam wendete sich an einen der vor⸗ nehmsten Türsen, den bekannten Ali Bey; dieser berief die Mollahs und sprach: „Ehe Ihr den Christen etwas anthut, tödtet lieber mein Weib und mein Kind!“ Dieses Mittel half sofort. Es entstand eine solche Ruhe, daß während des Beiram nicht einmal die üblichen Freudenschüsse wie bei uns zu Neujahr losgeschossen wurden. Dazu bemerkt der Korrespondent: „Der Vorfall ist authentisch und sehr bezeichnend. Wenn aber die Regie⸗ rung wirklich eine solche Macht über die Gemüther besitzt wie mir alle Türken versichern so rücke man uns in Zukunft nicht mehr den Willen des Volkes vor Augen, wenn es gilt, irgend einen Vorschlag der Diplomatie zurückzuweisen.“ 1.

In Widdin wurde am 11. d. M. die bulgarische Kirche ausgeraubt, worüber große Aufregung herrscht.

„Der Vali von Bosnien, Nazif Pascha, hat drei Kom⸗ missionen ernannt, die im Vereine mit Offizieren der regulären Armee eine dreifache Aushebung in der Provinz durchzuführen haben. erst wird die regelmäßige alljährliche Rekrutirung vorgenommen.

chließlich

Sodann werden die Reservisten zu den Fahnen berufen. werden die älteren Männer in die Listen der Nationalgarde eingetragen. 1 sich seit der letzten Agitation zum Zwecke der Entsendung der be⸗ kannten Deputation nach Konstantinopel, welche bereits dahin abge⸗ gangen ist, um gegen die Einführung von Reformen zu petitioniren, auffallend ruhig. Man merkt an ihrem ganzen Verhalten eine wesentliche Aenderung. Sie hüten sich ängstlich, einen Christen zu beleidigen, lassen sich vielfach in freund⸗ licheren Verkehr mit den andersgläubigen Mitbürgern ein, und die Begs, welche christliche Insassen auf ihren Gütern haben, erweisen sich denselben sogar gefällig. Man bringt diesen Stim⸗ mungswechsel in den mohamedanischen Kreisen mit einer gewissen Besorgniß in Verbindung, welche die unter ihnen cirkulirenden Ge⸗ rüchte über einen bevorstehenden. Einmarsch fremder Truppen in Bosnien erzeugt hat. Die Begs und Agas halten es für opportun, für eine solche Eventualität ihr Verhältniß zu der „Rajah“ zeitgemäß zu ändern. Die militärische Bewegung hat so

Moukhtar Paschas haben Serajewo auf dem Wege nach Bulgarien

Ihr elendes herabgekommenes Aussehen harmonirte vollkommen mit ihrer über alle Maßen defekten Equipirung, die sie gegen die Un⸗ bilden der Jahreszeit nicht zu schützen geeignet ist.“

Belgrad, 13. Dezember. Der „Polit. Korr.“ wird aus Belgrad geschrieben: „Die Aussichten für eine Fortsetzung des Krieges sind in den letzten Tagen bedeutend geschwunden. Der sicherste Finger⸗ eig dafür ist das Schwanken des Ministeriums sstitsch; der Friede in Sicht entzieht diesem Ministerium den Boden unter den Füßen. Aus St. Petersburg eintreffende Nachrichten lassen den Fall eines russisch⸗türkischen Krieges heute als unwahrscheinlicher wie noch kürzlich erscheinen. Ser bien allein kann den Krieg nicht fortsetzen, und es ist schon dieserhalb die Existenzberechtigung des 8.ecn 8 Kabinets in Wegfall gekommen; es kommt noch der Wunsch der russi⸗ schen Regierung hinzu, in Belgrad ein konservatives Mini⸗ sterium ans Ruder gelangen zu sehen. Für die Bildung eines neuen Kabinets ist Marinovitsch auserwählt.“)

Die W. „Presse“ meldet von hier: Mit aller Be⸗ stimmtheit wird versichert, daß Ts chernajeff nach Serbien urückkehren soll. Die Einberufung der beurlaubten eeheh ist auf den 22. d. M. festgesetzt. Die Auszahlung der Beamten⸗ und Offiziersgehalte erfolgte heute zum ersten Mal mit den neuen serbischen Banknoten. Die hier stationirten Kavallerie⸗Abtheilungen erhielten gestern den Auftrag, nach Kladowo abzurücken.

Aus Belgrad wird gemeldet: „Die seit Langem vorbereitete Maßregel in Betreff der Schaffung neuer Geldzeichen dürste denn doch nächstens zur Durchführung kommen. Die Emission von Staatsnoten in der Höhe von einer Million Gulden wird baldigst erwartet. Einstweilen hat die Regierung die Annahme der russischen Banknoten an allen Staatskassen gestattet, um dem Mangel an Cirkulations⸗ mitteln abzuhelfen. Vom nächsten die Staatsbeamten in diesem Gelde ihre Gehalte bekommen.“

Cettinje, 3. Dezember. Der „Pol. Korr.“ wird ge⸗ schrieben: Hier weilt seit mehreren Tagen der österreichisch⸗ ungarische Vize⸗Konsul in Skutari, der von seiner Regierung beauftragt wurde, den diplomatischen Agenten, Oberst⸗Lieute⸗ nant v. Thömmel hier, zeitweise zu vertreten. Der Fürst empfing den Konsul in einer besonderen Audienz. Mascha ist nach Cettinje zurückgekehrt.

abermals nach Belgrad gesendet werden. Die serbisch⸗monte⸗

negrinische Allianz besteht zwar formell

zu errichtenden Die bosnischen Mohamedaner verhalten

Man schreibt der „P. K.“ aus Serajewo, 4. Dezember: 8

gut wie aufgehört. Auch die letzten Bataillone der Armee

passirt. Die Nizams boten einen Mitleid erregenden Anblick dar.

Monat an werden auch

Vrbica, der militärische Repräsentant Montenegros in Serbien, Derselbe dürfte schwerlich

noch fort, ist aber