vergangenen Sessionen die Politik der Staatsregierung auf diesem Gebiete unterstützt haben, bei dieser Frage die Königliche Staats⸗ regierung nicht verlassen dürfen. Es würde dies heißen: Grundsätze aufgeben an einer Stelle, wo sie mit sehr erheblicher Tragweite in Anwen⸗ dung gesetzt werden sollen. Wenn wir uns mit der Königlich sächsischen Regierung über diesen Punkt nicht verständigt haben und fernerweit nicht verständigen würden, so werden wir diejenigen Wege beschreiten, welche die Reichsverfassung uns zuweist; wir werden die Entschei⸗ dung des Reichs in dieser Angelegenheit anrufen, und also jenen Weg gehen, den die Gesetze uns zeigen. An das hohe Haus möchte ich aber die Bitte richten, folgend der Tradition der vergangenen Session, folgend den Beschlüssen, die das hohe Haus bereits in Uebereinstimmung mit der Regierung getroffen hat, auch hier die Königliche Staatsregierung zu unterstützen, damit sie diejenigen Ziele erreicht, welche ich eben im Allgemeinen angedeutet habe.
Dem Abg. Windthorst (Meppen) erwiderte der Präsident des Staats⸗Ministeriums, Staats⸗ und Minister Camphausen:
Meine Herren! Wenn der geehrte Herr?2 edner ausführt, daß durch das Votum, welches in der Reichs isenbahnangelegenheit ergangen ist, die einzelnen Mitglieder im hohen Hause nicht gebunden seien, gegen diese Vorlage zu stimmen, so kann ich ihm darin nur Recht geben, aber es würde sich immerhin fragen, ob es mit den Auffassungen, die früher von ihnen geäußert wurden, in vollem Ein⸗ klang stände.
Der geehrte Herr Vorredner hat sodann auf eine Aeußerung Bezug genommen, die ich bei der vorjährigen Berathung gethan habe, und wäaͤhrend er selbst darauf hinweist, wie ja nach der Reichsver⸗ fassung man nicht entfernt den Gedanken haben könne, einer bundes⸗ freundlichen Regierung feindlich entgegenzutreten, so hat er doch ge⸗ glaubt, meine Aeußerung über die politische Bedeutung der Sache auf ein Gebiet verweisen zu dürfen, was damals gar nicht in Frage stehen konnte. Natürlich hatte es sich bei meiner Aeußerung um die Eisenbahnpolitik gehandelt, und ich kann auch nur heute sagen und wiederholen, daß vom eisenbahnpolitischen Standpunkte aus eine Eisenbahn, die in das Herz des Königreichs Sachsen, in den Mittel⸗ punkt der gesammten sächsischen Eisenbahnen führt, von großer Be⸗ deutung ist, und daß eine solche allerdinas vom politischen Stand⸗ punkte aus von nicht zu unterschätzender Wichtigkeit ist.
Im Uebrigen, meine Herren, verstehe ich nicht recht, was der hrte Herr Vorredner sich dabei gedacht hat — ausgeführt hat er a Gedanken weiter nicht — daß wir auf dem Wege wären, eine denkliche sozialistische Richtung zu befolgen. Wie man das im varliegenden Falle behaupten kann, ist mir geradezu unerfindlich. Wer hat uns denn überhaupt dazu veranlaßt, uns um diese Ange⸗
egenheit zu bekümmern? Sie werden wissen, daß die staatliche Kon⸗
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zessionirung einer Konkurrenzbahn gegenüber den übrigen Bahnen, 5 Srosdeon . 8 ; 9 11 87 die Berlin mit Dresden und Sach en verbinden, im Jahre 1872 rthe g, bundesfreundlichem Einvernehmen mit
† rtheilt worden ist in völli e r sächsischen Regierung, die mals unumwunden anerkannt hat, 3 der Sitz dieser Direktion in Preußen sein solle, und daß, wie vorhin mein Herr Kollege ausgeführt hat, die Feststellung der Fahr⸗ pläne ꝛc. von Preußen ausgehen sollen. iese Gesellschaft, die früh in der Absicht konzessionirt is eine herzustellen, hat nun d Frag aufge⸗
worfen, ör gestattet werden dürfe, ihr Geschäft mit dem einer anderen Eisenbahn zu verbinden. Die Regierung hat aus den Gründen, di Herr Handels⸗Minister noch besser wird nachweisen können, geglaubt, die Konzession der Konkurrenzbahn nicht dahin umwandeln zu lassen, daß nun zwei Eisenbahnstränge in die Hände iner einzelnen Gesellschaft gehen. Sie hat dann die Frage ins ge zu fassen gehabt, ob es denn im allseitigen Verkehrsinteresse dienlicher, wenn der einheitliche Betrieb, der heute auf dieser Bahn ht, dahin umgewandelt würde, daß zwei oder mehrere Eigen⸗ thümer dieser Bahn geschaffen werden. Auch diese Frage hat die ßische Regierung verneint, und worauf beschränkt sich nun das,
was sie thut? Daß sie einer in Bedrängniß gerathenen Eisenbahn⸗ s 1 ni sie an Stelle eines Konzessionärs, der richt mit Glück operirt hat, einen andern Konzessionär setzt, der ni exceptione major ist, und in Zukunft, wenn er die Zustimmung
5 Hauses und des Herrenhauses zu der Vorlage erlangt, wird, den Geschäftsbetrieb in gemeinschaftlichem Interesse
Ich glaube, meine Herren, wenn wir in dieser nüchternen
Veise an die Beurtheilung der Frage herantreten, dann
vird wohl kaum die Annahme der Vorlage zweifelhaft sein können, zumal bereits früher nachgewiesen worden ist, und auch jetzt wiederum nachgewiesen werden kann, daß finanzielle Nachtheile mit dem Ein⸗ J vorgeschlagenen Verpflichtungen in keiner Weise
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wird, ich wünsche, daß ine möglichst strenge Prüfung stattfinde und möglichst alle Einwendung die man glaubt gegen die Sache erheben zu können, dort zur ache gebracht werden; ich bin über⸗ zeugt, daß die Regierung si 1 diesem Kampfe hervorgehen wird, und daß Sie mit ei Majorität, wie es heute kaum erwartet
. 4 N. 8 2 wird, die Vorlage annehmen we
Hierauf ergriff der Handels⸗Minister Dr. Achenbach Meine Herren! Der Hr. Abg. Wind genheit wie in früheren Fäller staatlichen Verwaltung von Eisenbahner immer dieser Meinung gewesen ist, habe nzuführen erlaubt. Die Gründe, die ihn heute dahin bestimmen, in solches Urtheil gegen die staatliche Verwaltung auszusprechen, müssen daher, wenn er nicht überhaupt seine Meinung völlig ge⸗ chselt hat, auf einem Boden erwachsen sein, der mit der hier ver⸗ elten Frage überhaupt keinen Zusammenhang hat, und der jeden⸗ s nicht von der Majorität des Hauses, die einen anderen Stand⸗ ounkt einnimmt, getheilt wird. Der Herr Abgeordnete weist nament⸗ ich auf die ganz bedenklichen politischen Folgen hin, die es haben wird, wenn das Staatseisenbahnnetz sich fort und fort vermehrt und der Staat in dieser Weise an Einfluß gewinnt. Ich habe nun hier in meinen Händen eine Denkschrift, die z. Z. als der Herr Abgeordnete Minister in Hannover war, ausgearbeitet †
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horst hat sich bei dieser Zein entschiedener Gegner 1 bekannt. Daß er nicht ch mir früher schon einmal
8 — wurde, um den Ständen nachzuweisen, daß es nützlich sei, die Venloo⸗ Hamburger Bahn, soweit sie hannoversches Gebiet berührt, auf Kosten Hannovers zu bauen. Diese Denkschrift, welche den Ständen mitgetheilt ist und bei der, wie ich ohne Irrthum annehmen zu dürfen glaube, auch der Herr Abgeordnete sich persönlich betheiligt hat, enthält nun beispielsweise die folgende Ausführung — ich hebe nur eine einzige hervor, muß aber im übrigen bemerken, daß ich selten eine glänzendere und gründlichere Vertheidigung des Staatseisenbahnwesens gelesen habe —. Drittens“ — es werden nämlich alle Bedenken gegen das Staats⸗ m erörtert und gründlich widerlegt. 8, die Bedeutung des Arguments, daß eine Regierung ne der Leitung der auf Rechnung des Landes ausge⸗ führten Eisenbahnunternehmungen eine besondere politische Macht dadurch gewinne, daß sie mit einem großen Beamtenheere auf die Verkehrszustände ihrer Angehörigen einzuwirken im Stande sei, ist nicht recht klar. Es handelt sich darum, öffentliche Beamte, welche dazu da sind, der Wohlfahrt des Publikums in dessen Verkehrs⸗ angelegenheiten zu dienen und dafür sich nützlich zu machen, zu dieser Verpflichtung anzuhalten und darin zu kontroliren. Diese Pflichterfüllung unterliegt ganz offenkundigen Bestimmungen und Vorschriften und steht zu Jedermanns Beurtheilung. Man wird zugeben, daß die Aufsicht und Kontrole über diese Pflichterfüllung (die Disziplin) in die Hände einer Regierung unter anregender Mitwirkung des Landesvertretung Namens des verkehrtreibenden Publikums selbst, mindestens ebenso vertrauensvoll sich gelegt indet, als in die Hände einer Privatzgesellschaft.⸗ Das wird dann 9 auszeführt, bezüglich der Prirat⸗ bahnen aber gesagt
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früheren Eigenschaft als rfa man mit den Eisenbahnbeamten bei politischen Wahlen alles Mög⸗
ja, meine Herren, ich habe diese Ueberzeugung, selben einer in politischer Beziehung viel selbständiger sind, als es die ehemals han⸗ noverschen waren.
entwurf, 2 8 eingegangen sei. Darauf wurde die Etatsberathu ng, und
Achenbach entgegnete,
Lehrplar un Hierauf wies der Handels⸗Minister die
zurück zur Uck.
füllten, sei Summen
Ausführung der unbegründet. Ursache der Verzögerung in der Schwierigkeit der Vorarbeiten und in dem langsamen Vorschreiten der Vorverhandlungen
Umstande, daß er in
Handels⸗Minister sich mit einem von dem Abg. stellten die für die wirthschaftliche Lage möglichst bald auszugeben; er habe
Darauf wurde der Antrag des Abg. welcher lautet:
„Die Verwaltung der Bahn einer Privatgesellschaft mag eine noch so gewissenhafte sein, sie kann und darf sich dennoch von dem Gedanken nicht los machen, daß sie im Interesse gewinnsuchender Aktionäre zu wirken habe. Die Ansprüche dieser leitet die Börse. Das Interesse der Börse ist aber keineswegs das des verkehr⸗ treibenden Volkes. Das Interesse des Letzteren ist aber dasjenige der Regierung und muß dasjenige der einer Regierung zur Seite stehenden Landesvertretung sein.“
Wenn diese Auffassung noch heute von dem Herrn Vorredner
getheilt wird, so zweifle ich nicht, daß er sich schließlich ebenfalls da⸗ zu bekehren wird, die Vorlage anzunehmen.
Auf eine Replik des Abg. Windthorst (Meppen) entgegnete
der Handels⸗Minister:
Was die Betheiligung des Herrn Abgeordneten in seiner fräheren
Eigenschaft als hannoverscher Minister an der Frage der Hamburg⸗ Venlooer Bahn anbetrifft, b können, daß eine solche Betheiligung allerdings stattgefunden hat. Sie mag ihm im Laufe der Zeit entfallen sein, aber in meinen Hän⸗ den liegt ein Dokument, welches diese Mitwirkung unmittelbar nach⸗ weist. prinzipiel Fall, wie Sie schon aus den Gründen entnehmen wollen, welche ich
so glaube ich meinestheils konstatiren zu
Es ist in der betreffenden Vorlage das Staatseisenbahnsystem erörtert, keineswegs blos mit Rücksicht für den einzelnen
oeben vorgelesen habe. 8 Wenn dann der Herr Abgeordnete bemerkt, daß er in seiner
Minister die Erfahrung gemacht habe, daß
iche fertig bringen könne, so könnte ich ihn um diese Erfahrungen,
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wenn ich ein politischer Minister wäre, beneiden. Ich muß aber gerade die umgekehrte Behauptung aufstellen, daß mir nach dieser Richtung zusteht, (Widerspruch) — und ich will den sehen,
nicht der allermindeste Einfluß auf die Eisenbahnbeamten ich sage: nicht der allermindeste Einfluß, der mir nachweist, daß von meiner Seite bei olitischen Wahlen irgend ein Druck ausgeübt ist. Ich habe aber auch ie Ueberzeugung, daß, wenn ich das versuchte, ich bei den betreffen⸗ en Beamten genügende Selbständigkeit finden würde, (Heiterkeit) und ich finde in der⸗
I.
die jetzigen preußischen Eisenbahnbeamten
52* 79 826⸗8 Beweis, daß
— In der heutigen (19.) Sitzung des §. auses
Abgeordneten, welcher am Ministertische der ndels Minister
Dr. Achenbach mit Itheilte der Präsident betreffend die Theilung
mehreren Kommissarien mit, daß ein Gesetz⸗ der Provinz Preußen
eiwohnte,
zwar mit der Diskussion des Etats des Handels⸗Ministe⸗
iums (s. Nr. 30 d. Bl.) fortgesetzt. Es ergriff zunächst das Vort der Abg. Sombart, welchem der Handels⸗Minister Dr. daß er kaum glaube, man werde eine enügende Anzahl tüchtiger Feldmesser erlangen, wenn man on denselben das Abiturientenzeugniß verlange. Nach Beendi⸗ ung des Baues eines Polytechnikums werde an das Haus ie Frage herantreten, wie weit diese Verhältnisse im des Polytechnikums zu berücksichtigen seien.
s gegen ihn gerichteten Ungriffe der Abgg. Dr. Dohrn und Duncker als unberechtigt k. Zu der Zeit, als die Milliarden den Staatsschatz er selbst noch gar nicht im Amt gewesen, einen Einfluß auf die Festlegung größerer ür Zwecke des öffentlichen Bauwesens nicht nnen. Auch der Vorwurf der langsamen bereits beschlossenen Projekte sei Bezüglich Kanalbauten liege die
abe also
f usüben kö
der
nit den betheiligten Interessenten. Der Umstand, daß ein roßer Theil, der früher für Bauzwecke ausgeworfenen Mittel och unverwendet sei, finde seine Erklärung gerade in dem
den früheren günstigen Jahren bemüht ewesen sei, möglichst große Summen für öffentliche Bauten uf den Etat zu bringen; er glaube hierfür eher en Dank als die Anklagen des Landes zu verdienen.
Dem Abg. Dr. Hammacher gegenüber betonte der Handels⸗ Minister, daß große staatliche Bauten in Angriff genommen seien, und daß weitere Kreditbewilligungen für Eisenbahn⸗ und ten zugehen werde.
dem Hause demnächst eine Vorlage, betreffend Hafenbau⸗ Es sprachen sodann die Abgg. Windt⸗ Lasker und Duncker, worauf der Duncker ge— bereit erklärte, Rücksicht auf
orst (Bielefeld), Dr.
einverstanden und sich
Antrage eer 1 bewilligten Gelder in
Bauten
uch eine vollständige Reorganisation des Bauwesens im Auge. Duncker angenommen, „Die Königliche Staatsregierung aufzufordern: Angesichts des wirthschaftlichen Nothstandes des Landes mit ü g der⸗ jenigen öffentlichen Bauten und Arbeiten, zu dene itens der Landesvertretung die Mittel bewilligt sind, energisch vor⸗ zugehen.“
Tit. 1 der Ausgaben (Gehalt des Ministers) wurde be⸗
willigt.
Tit. 2 der
—
Ausgaben (Gehalt des Unter⸗Staatssekre⸗
tärs) wurde mit dem Antrage des Abg. v. Saucken⸗Tarputschen
uf Streichung der Position an die Budgetkommission ver⸗
wiesen.
Zu Tit. 4 der Ausgaben (Besoldungen der Unter⸗ und
Lokalbeamten der Baubeamten) wurde bei Schluß des Blattes ein Antrag des Abg. Dr. Dohrn angenommen, die Staats⸗ regierung aufzufordern, lichere Form dieses Titels Sorge zu tragen.
im nächsten Etat für eine übersicht⸗
— Der Entwurf eines Patentgesetzes, welcher em Bundesrath unter dem 6. d. M. vorgelegt und von diesem n der Sitzung vom 8. d. M. dem Ausschuß überwiesen ist, eruht zwar im Wesentlichen ebenfalls auf den Ergebnissen er Verhandlungen mit den Sachverständigen, weicht aber in nehreren Bestimmungen von dem ersten s. Z. in diesem Blatt eröffentlichten ab. Während der erste Entwurf nur 34 Para⸗ raphen umfaßte, enthält der neue 40. Auch sind in demselben
eingehende Motive mitgetheilt.
— In einer Sitzung der Eisenbahnetatsgruppe des
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Abgeordnetenhauses hat auf die Bitte um Auskunft über den Stand der der preußischen Staatsbahnen an das Regierungskommissar, Ministerial⸗Direktor Weishaupt, er.vidert, daß die preußische Regierung gegenwärtig noch damit beschäf⸗
Uebergang Reich, der
Verhandlungen, betreffend den
den genauen Werth der Staatsbahnen behufs Fest⸗
igt sei,
stellung eines angemessenen Verkaufspreises zu ermitteln, und daß die eigentlichen E mit dem Reich erst dann eröffnet werden sollen, wenn a
zügliche Material klar und übersichtlich zusammengestellt sein werde, de
erleide, noch das
es auf diese Hauptfrage be⸗
so, daß man erkenne, daß weder Preußen Schaden Reich übervortheilt werde.
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— Die Konferenz über die Tarifreform, welche von allen deutschen Eisenbahnen beschickt ist wurde gestern im Saale des Architektenvereins eröffnet. Den Vorsitz führt der Ministerial⸗Direktor Weishaupt.
— Nach einer Cirkularverfügung des Finanz⸗Ministers vom 4. Januar d. J. sind die an Einer Wechselstemper⸗
kontravention betheiligten mehreren Personen, eine jede für üch und besonders in Strafe zu nehmen. Der hiervon abweichende, früher auch bei Wechselstempelstrafen angewendete Grundsatz, nach welchem die an Einer Stempelkontravention betheiligten mehreren Personen nur Einmal solidarisch in Strafe genommen zu werden pflegten, — ein Grundsatz, der ohnehin, was auch das Ober⸗Tribunal schließlich anerkannt hat, im Strafrecht oder in den Stempelgesetzen selbst keine Begründung findet, vielmehr nur eine milde Praxis der Steuerverwaltung darstellt, — hat auf die Bestimmungen des Wechselstempelgesetzes keine Anwendung.
— Se. Majestät der König haben die Uebertragung der Verwaltung der Bau⸗ und Schiffahrtspolizei⸗Ange⸗ legenheiten der Elbe auch hinsichtlich der zum ehemaligen Herzogthum Lauenburg gehörigen Stromstrecke auf den Ober⸗Präsidenten der Provinz Sachsen genehmigt. Daraufhin sind die bezüglichen Geschäfte der dem genannten Ober⸗Präsidenten untergeordneten Elbstrombau⸗Verwaltung in Magdeburg übertragen worden, so daß auch die die Strom korrektion betreffenden Angelegenheiten von derselben verhan⸗ delt werden.
— Ein Schauspieldirektor, welcher mit seiner Ge⸗ sellschaft von einem konzessionirten Theaterunternehmer zu einem Cyklus von Vorstellungen gegen ein festes Honorar und einen Theil der Einnahme engagirt wird, bedarf nach einem Erkenntniß des Ober⸗Tribunals vom 23. Januar 1877 zu den von ihm geleisteten Schauspielen keiner polizeilichen Konzession.
— Als Aerzte haben sich niedergelassen: General⸗Arzt a. D. Dr. Hammacher in Erfurt, die Aerzte Bech, Dr. Loth und Lothholz in Erfurt, Dr. Kluge in Hannover.
Posen, 12. Februar. (W. T. B.) Der Kriminalsenat des Appellationsgerichts hat heute den hiesigen Probst Pendzinski wegen Ertheilung von Fastendispensen in drei Fällen auf Grund des Gesetzes über die Verwaltung erledigter katholischer Bisthümer zu siebenmonatlichem Gefängniß ver⸗ urtheilt.
Württemberg. Stuttgart, 10. Februar. Der „Staats⸗ Anzeiger f. W.“ bringt folgende (schon telegraphisch analy⸗ sirte) Erklärung:
„In einer Korrespondenz der „Nationalztg.“ aus Stuttgart — wie schon früher in einer Korrespondenz der „Neuen Frankf. Presse“ — ist zu lesen, der „Staats⸗Anzeiger für Württemberg“ habe ausge⸗ sprochen, es liege in der Absicht einer größeren Zahl von in Württemberg gewählten Reichstagsabgeordneten, mit einigen sächsischen Kollegen zu⸗ sammen eine bundesstaatliche Fraktion zu bilden, Wund man dürfe (daher) mit Bestimmtheit annehmen, daß die Gründung einer solchen „partikularistischen“ Partei im Sinne der württembergischen Regierungskreise läge.“ Diese Behauptung veranlaßt uns zu der Erklärung, daß der Artikel im „Staats⸗Anz.“ Nr. 28, auf welchem sich der Korrespondent der oben genannten Blätter stützt, und welcher unmittelbar nach dem Bekanntwerden der engeren Wahlen erschien, keineswegs auf einer Inspiration von irgend welcher Seite beruhte, sondern einfach eine von der Redaktion aus Zeitungsnotizen in Eile gefertigte Zusammen⸗ stellung der möglichen Parteigruppirung im nächsten Reichstag war. Uebrigens muß schon die Stellung jenes Artikels den Unbefangenen darauf hinweisen, daß dieses zur oberflächlichen Orientirung des Le⸗ sers bestimmte Elaborat durchaus keinen offiziellen Charakter hatte. Sachsen⸗Weimar⸗Eisenach. Weimar, 11. Februar. (Dr. J.) Dem Landtage ist in Bezug auf die Steuer⸗ gesetzgebung eine eingehende Denkschrift der Großherzog⸗ lichen Staatsregierung zugegangen, in der dieselbe motivirt, warum sie den Wünschen auf Beseitigung der alten Grund⸗ steuer, Abrechnung der Grundzinsen bei Einschätzung des Ein⸗
kommens aus Grundbesitz, Aufhebung des Ortsquotensystems, konseguente Durchführung der Selbstfolirung und Einführung der Progressiv⸗Einkommensteuer nicht Folge leisten kann. Eine Steuererleichterung ist für diejenigen Steuerpflichtigen beab⸗ sichtigt, welche bis zu 300 ℳ Einkommen jährlich haben, indem diesen das letzte Quartal jährlich erlassen werden I. Ihm einem Nachtrage zum Einkommensteuergesetze schlägt die Re⸗ gierung vor, die Kapitalrente aus Dividenden und Zinsen, die, soweit nicht eine geringere Verzinsung nachgewiesen ward, zu 4½ Proz. berechnet wird, auf 5 Proz. zu normiren. — In den letzten 25 Jahren vom 1. Januar 1851 bis 1. Januar 1876 sind die Staatsschulden von 6,621,075 Thlr. auf 2,910,973 Thlr. reduzirt worden.
Anhalt. Dessau, 10. Februar. Der Landtag nahm gestern den Gesetzentwurf, betreffend die Ueberweisung des vierten Theils vom Reinertrage des Salzwerks Leopoldshall an die Staatsschulden⸗Verwaltungskasse, mit einigen Abände⸗ rungen an.
Reußj. L. Gera, 9. Februar. (Weim. Ztg.) Am 5. d. M. ist zwischen dem Fürstlichen Ministerium und der Großherzoglich hessischen Regierung ein Ueberein⸗ kommen wegen gegenseitiger Durchführung der Schulpflicht getroffen worden. Dieses Uebereinkommen geht dahin, daß die mit der Königlich preußischen Regierung wegen gegenseitiger Durchführung der Schulpflicht verein⸗ barten Grundsätze auch für diejenigen Kinder gelten sollen, welche dem Großherzogthum Hessen angehören, aber im Fürstenthum Reuß j. L. sich aufhalten, sowie sie anderer⸗ seits auch auf die, welche dem Fürstenthum Reuß j. L. ange⸗ hören, aber im Großherzogthum Hessen sich aufhalten, An⸗ wendung finden sollen. Verschiedene Vorgänge der neueren Zeit ließen den Abschluß eines derartigen Uebereinkommens
21 22*
als wünschenswerth erscheinen.
D¶Oesterreich⸗Ungarn. Wien, 12. Februar. (W. T. B.)
Alle bisherigen Kombinationen über die Neubildung des ungarischen Ministeriums sind gescheitert. Die Ver⸗ handlungen über die Bankfrage werden daher morgen zwischen der österreichischen Regierung und den Ministern Tisza und Szell bei dem Minister⸗Präsidenten, Fürsten Auersperg, wieder aufgenommen werden.
Großbritannien und Irland. London, 9. Februar. (E. C.) In der heutigen Sitzung des Unterhauses be⸗ klagte Mr. Grant Duff, daß in der Thronrede der furcht⸗
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hat in seiner Beförderung den
leingungen wären: Zahlung
are Cyclone in Indien, welcher den Verlust von 250,000 Menschenleben verursacht habe, nicht erwähnt worden sei. Der Finanz⸗Minister, Sir Stafford Northcote, sprach sein Bedauern über die Auslassung aus und erklärte dieselbe aus er Abwesenheit des Marquis of Salisbury, der nur bei einer Gelegenheit einer Kabinetssitzung hätte beiwohnen können, in welcher die Thronrede berathen worden sei. — Gestern Abend st in seiner Amtswohnung (House of Lords) der sogenannte sher of the Black Rod, der Admiral Sir Augustus Flifford, im Alter von 88 Jahren gestorben.
— 13. Februar. (W. T. B.) Das Unterhaus hat uf den Antrag des Generalanwalts die Patentbill, durch welche die Gültigkeitsdauer der Patente von 12˙'Jahre auf 21 Jahre verlängert wird, in erster Lesung ange⸗ nommen.
Canada. Ottawa, 12. Februar. (W. T. A.) In iner gemeinschaftlichen Sitzung beider Häuser des canadi⸗ chen Parlaments protestirten zwei Parlamentsmitglieder von Britisch⸗Columbia gegen das Vorgehen der canadi⸗ schen Regierung bezüglich der Pacifichahn und drohten mit dem Austritt Britisch⸗Columbias aus der canadischen Union.
Frankreich. Paris, 11. Februar. (Köln. Ztg. die Blätter der fortgeschrittenen Republikaner greifen der Minister der auswärtigen Angelegenheiten Herzog Decaze heftig an. Namentlich wirft man ihm vor, daß er den Sturz Midhat Paschas für ein unbedeutendes Ereigniß erklärte. Das Siecle“ verlangt heute seine Entlassung. Die Blaͤtter, ihn am lebhaftesten vertheidigen, sind der Francais“, die „Défense“ und der „Moniteur“. — Die Nachricht der „Union“, daß Graf Chaudordy nach seiner Rückkehr aus Konstantinopel von dem Marschall Mac Mahon, dem Conseils⸗Präsidenten Jules Simon und dem Herzog Decazes kalt empfangen worden sei, wird vom „Mo⸗ miteur“ als unbegründet bezeichnet. — Der Ausschuß, velcher mit der Prüfung des Raspailschen Antrages um Ehegesetz beauftragt war, hat sich dafür ausgesprochen, daß derselbe in Betracht zu ziehen sei. — Aus Avignon wird als Ergebniß der dortigen Neuwahl — es fehlen nur noch die Zahlen aus einer Gemeinde — berichtet, daß auf den Legitimisten Dudemaine 8168, auf den Radikalen Raspail 1666, auf den Intransigenten Saint Martin 4684 Stimmen gefallen sind. Es würde demnach eine engere Wahl er⸗ forderlich sein. — Elf Deportirte in Neu⸗Caledonien, denen es gelungen war, sich eines kleinen Dampfers zu be⸗ üchtigen und das Weite zu gewinnen, sind von einem Kriegs⸗ schiffe verfolgt, eingeholt und nach der Kolonie zurückgeführt worden. Die Leute werden vor ein Kriegsgericht gestellt werden. — Sadyk Pascha verläßt heute Abend Paris, um sich auf seinen neuen Posten als Gouverneur nach Rustschuk zu be⸗ geben. Die Geschäfte der Botschaft werden bis auf Weiteres von dem Sekretär der Botschaft, Nasri Bey, geführt werden.
— (Fr. Korr.) Die äußerste Linke der Deputirten⸗ kammer hat beschlossen, die Interpellation Madier de
ontjau wegen der allgemeinen Politik der Regierung auf bestimmte Zeit zu vertagen. — Einer von den Petitions⸗ ausschüssen der Deputirtenkammer verhandelte heute über eine Petition von 300 Einwohnern von Marseille, welche darauf anträgt, daß die Jesuiten nach dem Gesetze behandelt, ihre Schulanstalten also geschlossen und ihre Genossenschasten
ufgelöst werden. Der Ausschuß hat nach lebhafter Debatte be Petition
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3 eschlossen, die Verweisung dieser an den Justiz⸗ Minister zu beantragen. 1. 3 1d
— Die Note, welche das amtliche Blatt vom 9. d. M.
bbrachte und die in der Kammer zur Sprache kam, lautete: lGewisse Blätter haben behauptet, daß die Nachricht von dem
Sturze des ehemaligen Großveziers Midhat Pascha ihnen durch die Schuld der Verwaltung verspätet zugegangen wäre, und richten aus diesem Anlasse gegen die Direktion des Telegraphen und das Ministerium des Aeußern Angriffe oder böswillige Unterstellungen. Keines der im Laufe des 5. Fe⸗ ruar von Konstantinopel in Paris eingetroffenen Telegramme h geringsten Verzug erfahren. le gegen die Telegraphenverwaltung gerichtete Klagen wegen
achlässigkeit sind also unbegründet. Was das Ministerium
des Aeußern betrifft, so ist es den Blättern durchaus nicht die Mittheilung der Nachrichten schuldig, welche die Regierung empfängt. Seit einigen Wochen haben die Blätter auch von Meinungsverschiedenheiten zwischen dem Minister⸗Präsidenten und dem Minister des Aeußern gesprochen. Die Angaben, welche sie bei dieser Gelegenheit vorgebracht haben, ebenso die Einzelheiten, welche darüber gegeben wurden, sind ganz falsch.“ — In dem von dem ,Journal officiel“ veröffentlichten um⸗ fangreichen Bericht des Ministers des Aeußern, Her⸗ zog Decazes, an den Präsidenten der Republik, in welchem verschiedene, meist in der Budgetdebatte der Depu⸗ irtenkammer angeregte Verbesserungen in der Orga⸗ nisirung des Auswärtigen Amtes vorgeschlagen wer⸗ den, empfiehlt der Minister einmal die Einsetzung eines Co⸗ mites der auswärtigen Dienszweige, welches alle Fragen, die zugleich politischer und kommerzieller Natur sind, zu berathen hatte. Ferner sollen die internationalen Streitsachen nicht mehr je nach ihrer Natur von der einen der beiden Abthei⸗ des Auswärtigen Amtes, sondern von einer selbstän⸗ digen Instanz erledigt werden, welcher ein berathendes Comité für internationale Streitsachen (Comité consultatif du con- tentieux) an die Seite zu stellen wäre. Endlich sollen auch die Bedingungen für die Zulassung zum diplomatischen Dienste feitgemäß reformirt werden. Für den Eintritt in denselben soll das Diplom eines Licentiaten des Rechts erfordert werden, und nach einem zweijährigen Dienste als Supernumerarius, wovon mindestens ein Jahr im Auslande zu leisten ist, soll der Kandidat noch ein Examen im Völkerrecht, in der politi⸗ schen Geschichte und in den lebenden Sprachen zu bestehen haben. Zum Präsidenten des Comités für internationale Streitsachen ist der
malige Konseilspräüsident Dufaure ernannt worden. ESpanien. Vittoria, 10. Februar. Der General Que⸗ lada ist nach Madrid abgereist. Die Gerüchte von einer Ver⸗ ständigung gewinnen an Bestand. Die von den Deputationen ergeschlagenen und von der Regierung angenommenen Be⸗ 1 einer direkten und einfachen Steuer; Bildung und Unterhaltung eines Bataillons von Frei⸗ villigen Seitens jeder Provinz, welches im Kriegsfalle unter den Befehl der Regierung gestellt werden soll; den baskischen Provinzen soll die wirthschaftliche und administrative NMuto⸗ nomie vorbehalten sein; die vereinigten fueralen Junten, wür⸗ den dieses Convenio, welches die Regierung der Sankeion der Cortes zu unterbreiten hätte, annehmen. “
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Portugal. Lissabon, 10. Februar. (Ag. Hav.) Der Deputirte Pereira Vasconcellos wird am Donnerstag den Minister der Kolonien bezüglich der ungerechten Anklagen, die von dem englischen Reisenden Cameron gegen Portugal erhoben worden sind, interpelliren. Die Journale und die Akademie der Wissenschaften protestiren dagegen, daß Por⸗ tugal sich mit dem Sklavenhandel in Afrika befasse.
Italien. Rom, 7. Februar. (H. N.) In der Deputir⸗ ten kammer interpellirte gestern der radikale Abgeordnete Ca⸗ vallotti den Minister des Innern wegen der von ihm vor einiger Zeit anbefohlenen Ausweisung eines französischen Handwerkers, Namens Malon, worüber die Zeitungen des Auslandes mit vollem Recht viel Lärm geschlagen hätten, weil in ihm das italienische Gastrecht verletzt worden sei. Malon sei eine in Paris sehr geachtete Persönlichkeit, er sei im Jahre 1870 mit 118,000 Stimmen in die Versammlung von Bordeaux gewählt worden, sei Mitglied der Pariser Kom⸗ mune gewesen, sei dann nach der Schweiz und von da nach Mailand geflüchtet, auf Befehl des Ministers Cantelli aber an die Schweizer Grenze zurückgeführt worden, dann aber wie⸗ der nach Italien zurückgekehrt und habe sich in Palermo niedergelassen, wo seine kranke Frau Genesung suchte. Von dort habe ihn der Minister des Innern ausweisen lassen. Das bekannte sozialistische Journal: „Les droits de l'homme“ und andere Blätter hätten dieses Verfahren streng getadelt. Der Minister Nicotera entgegnete, es sei ihm sehr wohl bekannt, daß öffentliche Blätter des Auslandes ihn und seine Verwaltung zu verleumden suchten. Malon sei nach Italien gekommen, um für die Sache der Internationalen Propaganda zu machen, er habe sich in Palermo unter falschem Namen niedergelassen, man habe ihn scharf beobachtet und habe eben entdeckt, was er eigentlich in Italien wolle, deshalb sei er gezwungen worden, das Land zu verlassen. — Das aus Radikalen zusammengesetzte Festcomité zur Ge⸗ dächtnißfeier der am 6. Februar 1853 auf Befehl des Gouverneurs von Mailand hingerichteten Italiener in Mai⸗ land hat beschlossen, daß es in den Dep utirten, welche die Kammer zu der Feier abgesandt hat, ebenso wie in den Mitgliedern jeder anderen Vertretung der Regierung nichts als einfache Bürger, welche sich dem Volke anschließen, um die Märtyrer zu ehren, erblicken werde. Die anderen demokra⸗ tischen Vereine Mailands haben den Beschluß jedoch nicht ge⸗ billigt, sondern dagegen protestirt und der Deputirtenkammer gedankt, daß sie einige Abgeordnete nach Mailand abgesandt habe. Der Präsident derselben, Comthur Crispi, hat die Depu⸗ tirten infolge dessen ersucht, der Feier nicht beizuwoh nen, wenn der Mailänder Stadtrath nicht die Leitung derselben übernehme.
— (Allg. Ztg.) Die von der Herzogin von Gal⸗ liera dem Herzog von Montpensier geschenkten Güter auf bolognesischem Gebiete haben einen Gesammtwerth von 8 Millionen Lire. Ein Spezialabgesandter des Herzogs hat sich bereits nach Bologna begeben, um die neuen Besitzthümer zu besichtigen. Der Herzog hat erklärt, den Palast der Gal⸗ iera in Bologna restauriren zu wollen. — Der spanische Botschafter beim päpstlichen Stuhle, Herr Car⸗ denas, wird nächstens auf Urlaub nach Madrid gehen. Der Vatikan hat die Nachricht von einer brasilischen Wallfahrt erhalten, die in den ersten Tagen des Juni unter der Führung des Bischofs von S. Sebastiano de Rio Janeiro hier eintreffen soll. Die Abreise von Rio Janeiro erfolgt am 5. April, die Zahl der Pilger ist noch nicht festgesetzt, bis jetzt sind deren 140 angemeldet.
Türkei. Konstantinopel, 12. Februar. (W. T. B.)
ehemalige Finanz⸗Minister Ghalib Pascha ist zum Gouverneur des neuen Vilajets von Konstantinopel ernann worden.
Belgrad, 12. Februar. (W. T. B.)
1 t ) Staatsrath Phi⸗ lipp Christits ist nunmehr definitiv mit der Mission als Bevollmächtigter Serbiens für die Friedensverhandlun⸗ gen in Konstantinopel beauftragt worden. — Die Friedensverhandlungen mit Serbien bieten, wie die „Ag. gén. russe“ meldet, in zwei Punkten Schwierigkeiten, nämlich hinsichtlich der von der Pforte gefor⸗ derten Gleichstellung der Israeliten mit den nationalen Ser⸗ ben und hinsichtlich eines permanent in Belgrad residirenden türkischen Vertreters ohne diplomatischen Charakter. Se bien und Montenegro, sagt die „Agence“, sind durch die Proto⸗ kolle der Konferenz verbunden, und wenn es der Türkei ge⸗ fällt, die Forderungen Europas zurückzuweisen, so kann es den Fürstenthümern nicht konveniren, sie zu verschmähen. London, 12. Februar. (W. T. B.) Im Oberhause erklärte auf eine bezügliche Anfrage des Lord Albans der Unter⸗Staatssekretär Cadogan, die nach Konstantinopel gesandten Ingenieuroffiziere seien einzig und allein dorthin gesandt, um sich Informationen im Interesse Eng⸗ lands zu verschaffen. Der türkischen Regierung sei keine Mit⸗ theilung hiervon gemacht worden. — Im Unterhau se theilte Gladstone mit, daß er am nächsten Freitag die Aufmerksamkeit des Hauses auf die Depesche des Grafen Derby an den Botschafter Elliot vom 5. Sep⸗ tember v. J. lenken werde, um die Ansichten der Regierung bezüglich dieser Depesche in Erfahrung zu bringen. SDe Kanzler der Schatzkammer, Northpote, erklärte Muir auf seine Anfrage, ob die Türkei die Bezahlung der Coupons der Anleihe von 1855 suspendirt habe, die Türkei habe für die Bezahlung des Februarcoupons der Anleihe von 1855 Vorsorge getroffen, was diejenigen der An⸗ leihe von 1854 betreffe, so sei Frankreich und England deswegen in Konstantinopel vorstellig geworden. — Auf die Anfrage Campbells bezüglich des Verhältnisses des Bot⸗ schasfters Elliot zur Krone, erwiderte der Schatzkanzler, Elliot befinde sich noch immer im aktiven Dienste. — Der Unter⸗Staatssekretär des Aeußern, Bourke, erklärte auf eine Anfrage Forsters, es sei kein Grund mehr vorhanden, die Mittheilung der Depesche des Grafen Derby zu verwei⸗ gern, in welcher dieser die Pforte davon in Kenntniß setzt, daß sie im Falle eines Krieges mit Rußland auf teine ma⸗ terielle Unterstützung Englands zu rechnen habe. 8 — Die „Engl. Corr.“ bringt in deutscher Uebersetzung den folgenden Wortlaut der in dem englischen Blaubuch ent⸗ haltenen, telegraphisch bereits erwähnten, Reiseberichte des Lord Salisbury über die in Berlin, Wien und Rom gepflogenen Unterhaltungen. 6 88 Aus Berlin schreibt derselbe unterm 23. November 1876: „Mylord! Heute Nachmittag hatte ich die Ehre, von dem Deutschen Kaiser in Audienz empfangen zu werden. Se. Kaiser⸗ liche Majestät drückte ernstliche Hoffnungen für die Erhaltung des Friedens aus und sagte, daß er zu diesem Zwecke seinen allerbesten persönlichen Einfluß auf den Kaiser von Rußland ausgeübt habe und
t sprach die Meinung aus, daß ne Laltong ihm durch die Ver⸗ denen selne Glaubensgenossen schaf ausgesetzt waren, auferlegt er, daß durch die Gewährung billiger Reformen in der Verwaltung der türkischen Provinzen, i Bunde mit Bürgschaften für deren Durchführung, die No wendigkeit einer Besetzung türkischen Gebiets vermieden werden dürfte. Se. Majestät war der Ansicht, daß es für Europa unmög⸗ lich sei, irgend fernerhin bloße Versprechungen der Pforte anzuneh⸗ men, und daß es unerläßlich sei, genügende Bürgschaften ge zen die Fort⸗ dauer der Uebelstände, unter denen die Christen in der Trirkei litten, zu vereinbaren. Ich bemerkte Sr. Majestät, daß es die ermrfte Absicht von Ihrer Majestat Regierung sei, auf Beschaffung ents rechender Bürgschaften zu besteben. Gleichzeitig aber sprach ich meine Besorg⸗ niß aus, daß eine Besetzung türkischen Gebiets zum Kriege führen würde, und daß die Grenzen eines solchen Krieges nicht vomuszu⸗ sehen seien. Ich bin ꝛc.
ferner ausüben werde.
die von Kaiser Alerande hältnisse und die
unter der türkischen wurde. Indessen vertraue
Salisbury.“
Ueber seine Audienz beim Kaiser von Oester eich schreibt der Lord aus Rom vom 29. November:
„Mylord! Der Kaiser von Oesterreich gewährte mir am 25. d. Mts. die Ehre einer Audienz, bei der ich Sr. Majestät die von der Königin und er Majestͤt Regierung gehegte feste Hoffnung aus sprach, daß Gang der Ereignisse England und Oesterreich gestatten 9 bei de Konferenz in Konstantinope gemeinsam handeln. Kaiserliche Majestät geruhte, diese Hoff zu erwidern und Der Meinung dahin auszusprechen, daß die Interessen beider Länder in der gegen⸗
r orientalischen Frage identisch seien. Se. Majestät lage in den aufstandischen Provinzen der Türkei
eine Prüfung der verschiedenen bezüglichen aber zu befürchten, daß die Schwierigkeiten für eine allen Mẽ genehme Lösung beinahe unüberwindbar seien. Ich versicherte Se. Majestät, es sei die ernstliche Hoffnung von und ich
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1 .3 8 8* . erörterte di e und a ¼ und ließ sich
sprach meinen Glauben aus, wür enn auf einer Besetzung türkischen Gebietes bestanden wer⸗ m selbigen Tage berichtet der englische Beno“ mächtigte Rom über seine Unterredung mit dem Grafen Andrafsy. betreffende Depesche lautet: „Mylord! Ich kam am Abend des 24. cr. in Wien an,
f folgenden Tage mehrere Stunden und darauf wieder am M n des 26. Se. Ercellenz unterhielt örterte die verschiedenen zu genen Pläne. Es mit denen von Ihrer Maje ung iden Er schien
3 ribut Staater 1 Konferenz höchst abgeneigt, da ein solcher Ausweg seiner Meinung nach unter den bestehenden Verhältnissen weder politische Stetigkeit noch den be⸗ 1
Ihrer Majestät Regierung, daß der Friede er halten bleibe, . daß er nur dann ernstlich bedrobt sein te. Ich habe die Ehre ꝛc. Salisburyp.“ 1 No den Grafen Andrassy am dar⸗ sich mit mir lange über der Frage und er⸗ freute mich zu erkennen, daß seine Ansich ielen Beziehungen der Bildung neuer tributpflichtiger ch treffenden Bevölkerungen eine gute Regierung sichern würde. Auch dem Ge⸗
danken einer russischen Besetzung war Se. Excellenz sehr entgegen un sprach die Hoffnung aus, daß England sie nicht genehmigen werde. Ich versicherte ihm, daß die Auffassung dieser Punkte durch die öster⸗ reichische Regierung von Seiten der englischen vollständig getheilt werden. Zugleich bemerkte ich, daß das Unvermögen der ürken, ihre zu verschiedenen Malen gemachten Zusagen zu erfüllen, und die schweren Leiden, die dadurch die christlichen Bewohner betroffen, Europa die Pflicht auferlegt hätten, alles Mögliche aufzubieten, um nicht allein die Verwirklichung fernerer, etwa für nothwendig er⸗ achteter Reformen sicher zu stellen, sondern auch Bürgschaften zu er⸗ langen für die wirksame Durchführung der früher schon genehmigten. Graf Andrassy stimmte hierin vollkommen mit mir überein, kam sogar vor Schluß unserer Unterredung ver⸗ schiedene Male darauf zurück. Hierauf erklärte ich Sr. Excellenz die von Ihrer Majestät Regierung gehegten Ansichten über Er⸗ nenung von Gouverneuren, Richtern und sonstigen Vollzugsbeamten der türkischen Provinzen, so wie über die beantragten Bürgschaften bezüglich der Ernennung und Amtsdauer dieser Behörde. Er stimmte im Allgemeinen dem Geiste dieser Meinungen zu, ohne sich für Einzelheiten zu binden. Gleichzeitig betonte er stark die Noth vendig⸗ keit fiskalischer Reformen und verweilte insbesondere bei dem Elend, dem die Bauernschaft durch die gesetzwidrige Aufrecht⸗ haltung des Steuerpachtsystems unterworfen sei. ertheilte Sr. Excellenz die Versicherung, daß Ihrer üt Regie⸗ rung die Uebel dieses Sys⸗ lständig erkenne und Behufs deren wirksamer Abstellung bülfreich die Hand bieten würde. Bei Erörte⸗ rung der Frage über Entwaffnung der Muselmänner stimmte ich mit Sr. Excellenz darin überein, daß es schwierig sein würde, irgend eine praktische und dauernde Maschinerie zur Durchführung dieser in sich heilsamen Maßregel zu entdecken. Graf Andrassy versprach bereitwillig, daß Oesterreich mit Sr. Majestät Regierung und deren Bemühungen zur Erhaltung des Friedens zusammenwirken werde, doch war es er⸗ sichtlich, daß ihn der gegenwärtige Stand der Dinge mit nicht ge⸗ ringer Besorgniß erfüllte. Ich bin ꝛc. Salisbury.“
— Man schreibt der „Pol. Korr.“ aus Adrianopel, 1. Februar:
„Unser General⸗Gouverneur, Assim Pascha, hat vor mehreren Tagen das Beispiel des Großveziers nachgeahmt und den griechi⸗ und armenischen Patriarchen unserer Stadt Staats besuche abgestattet. Es bildete dies, die alte Etiquette brechende Ereigniß das Tagesgespräch unserer Stadt und machte auf die C hristen un⸗ leugbar einen günstigen Eindruck. — Die Griechen unseres Vilajets⸗ bekunden jetzt eine ganz außerordentliche Anhänglichkeit an die Re⸗ gierung, welche in ihren Motiven keineswegs noch aufgeklört er⸗ scheint. Seit einigen Tagen wird in griechischen Kreisen sehr lebhaft für die Bildung von griechischen Freiwilligen⸗Legionen agitirt. Ebenso wird daselbst eine Adresse an den Sultan kolportirt, worin die Bereitwilligkeit der hellenischen Unterthanen Sr. Majeftät ans⸗ gesprochen wird, alle möglichen Opfer an Gut und Blut für die Unabhängigkeit und Selbständigkeit des Reiches bringen zr. wollen.“
Aus Janina (Albanien), 20. Januar, meldet man demselben Blatte: 1“
Die Deputirtenwahl in unserer Provinz für das Konstantinapeler Parlament hat zu einem komischen Zwischenfall Veranlassung gege⸗ ben. Die Anzahl der vom Vilajet von Janina zu entsendenden De⸗ putirten ist auf sechs festgesetzt, von welchen drei auf die Mphame⸗ daner, die zweite Hälfte auf die andersgläubige Bevölkerung ent⸗ fallen. Die Wahl, welche vom Administrationsrathe des Vilajets dieses Jahr vorgenommen wurde, fiel mit Majorität auf drei Mohamedaner und drei Griechen. Einige jüdische. Ein⸗ wohner unserer Stadt, welche eine Judengemeinde von 5⸗ bis 6000 Seelen hat, erhielten einige Stinmen, blieben aber gegen die Griechen in der Minorität. In Folge dessen beklagte sich der Groß⸗Rabbiner beim General⸗Gouverneur Husni Pascha, daß kein Jude aus die⸗ sem Vilajet einen Parlamenfssitz haben werde. Husni Pascha mel⸗ dete die Klage des Rabbiver’ nach Konstantinopel, von wo trotz der bereits vollzogenen Wahl der Befehl eintraf, daß Einer der drei nicht⸗-mohamedanischen Dep utirten ein Jude sein müsse. Diesem Be⸗ fehle wurde unverzüglich Folge gegeben und der Jude Davitscha Effendi wurde zum Depu tirten proklamirt.
Amerika. New⸗York, 12. Februar. (W. T. B.) Der Präsident Grant hat sich gestern bei Gelegenheit einer Unterredung mit dem Vertreter der „Associated Preß“ dahin geäußert, daß, wenn die Wahlen von Louisiana für nichtig erklärt werden sollten, weder Hayes noch Tilden als gewählt zu betrachten sein, daß vielmehr in diesem Falle das Repräsentantenhaus den Präsidenten zu wählen haben würde. — Die zur Untersuchung der Wahl in Süd⸗
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Ikarolina vom Repräsentantenhause eingesetzte Kommission