1877 / 94 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Sat, 21 Apr 1877 18:00:01 GMT) scan diff

Pewirken galt. ritten gebührt dieser Stadt der Ruhm, die Stellung Deutschlands im Welthandel au erster Stelle begründet zu haben. Ein kühner und glücklicher Verkämpfer für deutschen Handel und Verkehr hat Hamburg die deutsche Industrie in albe Theile der Welt getragen und eine kommerzielle Geltung und Be⸗ deutsamkeit erlangt, mit welcher keine einzige Stadt des Vaterlandes und nur einige wenige Städte Europas sich zu messen vermögen. Und dieser mächtige Handelsplatz, auf den wir alle mit stolzer Ge⸗ ungthuung blicken, erfreut sich eines trefflichen Gemeinwesens, eines Selfgovernment, dem es gelungen ist, sich durch eine Reihe von groß⸗ zartigen Einrichtungen von Handel und Schiffahrt wie auf dem weiten Gebiete öffentlicher Wohlfahrt auf das Glänzendste zu be⸗ währen. Ich trinke auf das Wohl dieser freien und Hansestadt, ihrer Bürgermeister, ihres Senates und ihrer Bürgerschaft mit dem innigen Wunsche, daß ihr wie dem ganzen Vaterlande in friedlicher Entwickelung eine glückliche Zukunft erblühen möge.

Redner leerte sein Glas und dankbar mischten In leutseligster Weise unter⸗ Tafelgenossen.

Der Hohe sich die Hochrufe in den Tusch. Dielt Sich der K

Gestern frü den vereinigten Regimentskapelle naer Garnison eine Morgenmuf

10 Uhr begaben Sich, laut Meldung des W. T Kaiserlichen Hoheiten der

Königlichen nach dem Dalmannsquai, tglieder der Schiffahrtsdeputation Bürgerschaftsmitglieder, und die

ronprinz mit vielen . h Uhr wurde den Höchsten Herrschaften von n der hiesigen und der Alto⸗ k vor dem Hotel de l’'Europe

F Kronprinz und die Kron⸗ Prinzessin

und der Hafen⸗ deputation, Reichstagsabgeordneten der Stadt zur Begrüßung einge und der Prinz Wilhelm, fortn ß besichtigten während zugleich waren. Hierauf wurd Sandthor-Quai und Hafen besucht Augenschein genommen und elbabwärts bis

Die Fahrt war vom schönsten

angesehensten Bewohner sunden hatten. Der Kronprinz hrend von stürmischen Hurrahs Quai und den Quaispeicher, die Dampfkrähne Thätigkeit e auf dem Staatsdampfer „Elbe“ der ,„ elbaufwärts die Eisenbahn⸗ Oevalgören Wetter begünstigt. Um as Seemannshaus besichtigt, von welchem der bis ins Einzelnste gehende Kenntniß nahm. Nikolaikirche begaben Sich die

gefahren. 12 Uhr wurde d Kronprinz eine

Nach einem Besuche der chen Herrschaften um 1 ¾ Uhr nach wo Höchstdieselben von den Mitgliedern der und in die oberen Räume der 2 ¼ Uhr begann Binnen⸗ Alster Armin“ vom Germania⸗Ruderklub und vom Amazonen⸗Loreleyklub, woran Anzahl anderer Boote theilnahm. Kronprinzessin hierauf mehrere unternahm Se. Kaiserliche helm, begleitet von die Fahrt

Kronprinzli der festlich ge⸗ schmückten Börse, wo Handelskammer empfangen die Fest⸗ Außen⸗Alster mit dem Boote dem Beoote

Ihre Kaiserliche Hoheit die Besuche in der Stadt abstattete, Hoheit der Kronprinz mit dem Prinzen Wil Mitgliedern des Senats und den Ingenieuren, tammsiel auf dem zu diesem Zwecke erbauten Der unterirdische Weg war durch Lampions Das Diner im Hotel de

durch den Geest⸗

flachen Fahrzeug. nte und bengalische Feuer fast taghell erleuchtet. wurde von den Kronprinzlichen Herrschaften

I'Europe eingenommen.

Abends um 7 Uhr

begann die Illumination der Stadt, großartigsten

Vorbereitungen Die Staatsgebäude und viele Privatgebäude waren Vor Allem zeichneten sich die Lombards⸗ d Außen⸗-Alster, sowie Um 8 ½ Uhr be⸗

glänzend erleuchtet. brücke zwischen der Binnen⸗Alster un die Börse und das Reichsbankgebäude aus. gann vor dem Hotel de l'Europe die Korsofahrt, an welcher etwa 30 mit Lampions geschmückte Ruderboote Theil nahmen. Später fuhren die Kronprinzlichen Herrschaften Bassin der Binnen⸗Alster zur Soirée nach der Kunsthalle. uf dem Wege dorthin Kundgebungen der Bevölkerung. 19000 Personen beiwohnten, verlief sehr glänzend. ronprinzlichen Herrschaften, machten die Säle und hielten darauf Cercle

wiederholten sich freudigen Die Soirée, welcher gegen 9 Uhr erschienen die K eine Promenade durch Später fand ein Souper statt.

„Hoheit der Prinz Friedrich zu Hohen⸗ zollern, Oberst⸗Lieutenant im 1. Garde⸗Dragoner⸗Regiment, ist von Urlaub hierher zurückgekehrt.

Der Bundesrath, sowie die vereinigten Ausschüsse

desselben für hielten heute

Im weiteren Verlaufe der gestrigen Sitzung des Reichstages wurde der Abg. Prinz Radziwill von dem Abg. von Bunsen darauf verwiesen, daß es sich bei dem Freundschaftsvertrage mit Tonga um nichts mehr handele, als um eine Kohlenstation. vollmächtigte zum Bundesrath Staats⸗Minister von Bülow das Wort:

Der Herr Vorredner hat am Schlusse seiner Ansprache, meine Herren, das gesagt, was ich mir erlauben wollte, zu sagen, wenn ich auch nicht selbst die volle Anerkennung in Anspruch nehmen konnte für das Auswärtige Amt, die er so freundlich und, wenn ich das sagen darf, mit so vollständiger Einsicht in das Sachverhältniß uns ge⸗ Ich halte mich aber doch für berechtigt, hinzuzufügen, daß etzung, von der der Herr Vorredner ausgeht, nämlich daß wir auf jenen Inseln nur auf dem Boden kommerzieller und

für unsere Marine erwünschter friedl s voll kommen Absicht, weder auf

Ul⸗ und Steuerwesen und für Rechnungswesen

Hierauf nahm der Be⸗

spendet hat. daß die Vorauss

icher Niederlassungen stehen,“ keiner Weise noch auf Tonga uns Gesetzgebung

Samoainseln, Verhältnisse, einzumischen. das Glück gehabt, in Tonga eine wohlbefestigte Regierung und einen tüchtigen und zuverlässigen Herrscher zu finden, mit dem wir ohne Schwierigkeiten, wenn auch durch die Zeit und Umstände gedrängt, den Vertrag abschließen konnten, der Ihnen zur Genehmigung vorliegt. Wir haben in Samoa nicht dasselbe Glück gehabt, indem dort, wie auch der näher erwähnt hat, innere Kämpfe stattgefunden haben, welche die Regierungsgewalt zweifelhaft und die Möglichkeit, eine zum Abschluß der Verträge, zur Sicherstellung des deutschen Eigen⸗ thums vollständig legitimirte permanente Behörden zu finden, in Zweifel stellen. Es ist uns also die Aufgabe geworden, und wir haben sie erfüllt, ohne Einmischung eben diejenige Partei zu stützen,

1 ersten die Bürgschaft gewährte, 8 wieder herzustellen. Die Ordnung dieser Zustände, die nicht direkt von uns ausgeht, aber von uns im Interesse unserer Angehörigen freudig begrüßt werden würde und werden zuß, giebt die Bürgschaft, das so bedeutende deutsche Eigenthum dort zu sichern, die deutschen Pflanzungen zu schützen, den Titel des Eigenthums festzustellen, und ahren, die mit anarchischen Zu⸗

Herr Vorredner ni

geordnete Zustände

uns vor den Ruhestöru ständen unzertrennlich sin

gen zu bew

Ohne auf die Geschichte der Inseln weiter einzugehen, will ich doch bemerken, daß, wenn die Aufmerksamkeit des Auswärtigen Amts dieser Frage lange und eingehend zugewendet worden ist, es sich dabei Üum rine Schöpfung deutscher Tüchtigkeit, deutschen Fleißes und deutschen Unternehmungsgeistees, um Unterstützung weit⸗ sichtiger und schöner Pläne handelt, wie sie, ich glaube nicht seit der Zeit gewesen sind, wo das große Haus Fugger von Augsburg aus Deutschland Kolonien zu erwerben wußte in Central⸗Amerika zur Zeit der ersten spanischen Eroberer. Ich glaube in der That nicht, daß etwas Aehnliches seit der Zeit dagewesen ist, und möchte die Herren auffordern, eine Zeitschrift, die über die Erfolge in Samoa, die friedlichen Erfolge des deutschen Fleißes und deutschen Unter⸗ nehmungsgeistes in Hamburg in monatlichen Berichten erscheint, oder auch die Sammlung von Merkwürdigkeiten naturhistorischer und anderer Art aus jener Insel, die ebenfalls in Hamburg im Be⸗ sitze des Hauptbegründers dieses großen Unternehmens sich befindet, gelegentlich anzusehen, um sich selbst zu überzeugen, daß es bei diesem Unternehmen sich um ein außerordentliches großes, schönes und für ganz Deutschland wichtiges Interesse handelt. Aber eben darum, weil wir auf diesem guten Boden standen, weil wir die Pflanze, die kräftig aufgewachsen war, zu fördern und zu schützen uns verpflichtet achteten, sind wir, nachdem die ganze Sachlage uns vorlag, mit Vorsicht ans Werk ge⸗

angen und haben namentlich uns in keiner Weise in die innern

erhältnisse der Insel eingemischt. Wir haben nur das gethan, was wir der deutschen Unternehmung und was wir der deutschen Handelsflagge schuldig waren, nämlich daß wir, wo diese sich gezeigt, (und das Haus dort in Samoa hat ungefähr 20 Dampffchiffe unter deutscher Flagge) diese Flagge dort zu schützen suchen, daß wir mit den Eingebornen, die kulturfähig und zum Theil schon zum Christenthum bekehrt sind wie und von wem kann uns einerlei sein —, ein gutes Verhältniß unterhalten und diejenigen unterstützen, welche Fleiß, Kultur, gute Sitte dort hingebracht haben und sich zur Hauptaufgabe ein gutes Einvernehmen mit den Eingebornen gestellt haben. In der That sind in Samoa nie Streitigkeiten zwischen den deutschen Niederlassungen und den Eingebornen gewesen, höchstens ganz unbedeutende. Mit Tonga ist ebenso das Verhältniß durchaus gut.

Ich glaube daher meinerseits auch die Ueberzeugung aussprechen zu müssen, daß Sie mit diesem Vertrag zwar nicht weitgreifende Unternehmungen, die uns ferne liegen, aber eine Festigung und Sicherung desjenigen, was lelbstthätig und selbstkräftig erwachsen ist, fördern und unterstützen werden.

Ich möchte endlich noch hinzufügen, daß unsere ganze politische Stellung zu dieser nicht politischen Sache eine so einfache, klare und billige ist, daß die Aufklärungen, die wir den befreundeten Mächten haben geben können und nicht unterlassen haben zu geben über unsere Absichten, dort vollen Anklang gefunden, und daß namentlich die Stellung, die wir zu den Parteikämpfen in Samoa genommen haben, sich voller Anerkennung überall zu erfreuen hatte, wo wir es für noͤthig und also auch für nützlich hielten, Aufklä⸗ rungen zu geben. 1

Der Vertrag wurde schließlich mit großer Mehrheit genehmigt.

Bei der folgenden Fortsetzung der Etatsberathung erklärte bezüglich der Gotthardbahn der Bevollmächtigte zum Bundesrath, Präsident des Reichskanzler⸗Amts Staats⸗Minister Hofmann:

Ich bin nicht in der Lage, in dem Augenblicke, wo die Verhand⸗ lungen mit der Schweiz und Italien über die Frage schweben, ob und inwieweit für das Gotthardtbahnunternehmen weitere Subven⸗ tionen gezahlt werden sollen, Näheres über die Grundlage der Ver⸗ handlungen und über die Gesichtspunkte mitzutheilen, von denen die deutsche Regierung ausgeht. Nur das kann ich im Allgemeinen sagen, daß die Kaiserliche Regierung nach wie vor in dem Gotthardt⸗

E“ Werk sieht, bei welchem Deutschland mit sehr rsbe

erheblichen Verke ziehungen betheiligt ist, und daß wir, so weit das deutsche Interesse an der Vollendung des Gotthardtbahnunter⸗ nehmens geht, bei den petzt schebenden Verhandlungen die Hand gern dazu bieten werden, um ein Uebereinkommen herbeizuführen, welches die Mittel zur Vollendung des Unternehmens gewährt.

Der Titel wurde genehmigt.

Zum Umbau des ehemaligen Radziwillschen Hauses wurde dem Antrage des Abg. Frhrn. zu Franken⸗ stein entgegen nach den vom Referenten Abg. Dr. Wehren⸗ pfennig gegebenen Erläuterungen die volle geforderte Summe mit großer Mehrheit bewilligt.

Bei der Position „Kosten der Prüfung eines neuen Verfahrens zur Ermittelung des uckergehalts“ wurde vom Abg. von Behr⸗Schmoldow die Frage der Zucker⸗ steuerreform angeregt und erörtert, während der Abg. Som⸗ bart sich für Beibehaltung des erprobten Verfahrens ver⸗ wendete. Der Plan des Botschaftshotels in Wien gab den Abgg. Dr. Reichensperger (Crefeld), von Miller und Römer Gelegenheit zu Bemerkungen über den Baustyl; auch der Staats⸗Minister von Bülow betheiligte sich an der Dis⸗ kussion. Nach dem Vorschlage der Kommission wurde in den diesjährigen Etat nur die Hälste der geforderten 300,000 ein⸗ gestellt. Ebenso wurde von den einmaligen Ausgaben für die Post⸗ und Telegraphenverwaltung fast 1 Mill. in den außer⸗ ordentlichen Etat versetzt, nachdem der Abg. Demmler die da⸗ hin gehörigen Baupläne kritisirt hatte. Hierzu sprachen noch die Bundeskommissarien Geheimer Ober⸗Postrath Kramm und Direktor im Reichskanzler⸗Amt Dr. Michaelis. Die Verhand⸗ lung wurde um 4 ½ Uhr vertagt.

In der heutigen (27.) Sitzung des Reichstages, welcher die Bevollmächtigten zum Bundesrath, Vize⸗Präsident des Staats⸗Min isteriums, Finanz⸗Minister Camphausen, Prä⸗ sident des Reichskanzler⸗Amts, Staats⸗Minister Hofmann u. A. beiwohnten, theilte der Präsident mit, daß die Komwission für die Vorberathung der Anträge, betreffend die Abänderung der Gewerbeordnung, gewählt sei und sich konstituirt habe. Auf der Tagesordnung stand zur ersten Be⸗ rathung folgender Gesetzentwurf, betreffend die Er⸗ hebung einer Ausgleichungsabgabe:

Wir Wilhelm, von Gottes Gnaden Deutscher Kaiser, König

von Preußen ꝛc. 8 verordnen im Namen des Deutschen Reichs, nach erfolgter Zu⸗ stimmung des Bundesraths und des Reichstags, was folgt:

§. 1. Die folgenden Gegenstände werden bei der Einfuhr in das deutsche Zollgebiet mit einer Ausgleichungsabgabe von 75 für den Zentner belegt: 1) Eisen und Stahl, ge⸗ schmiedet und gewalzt, in Stäben (mit Einschluß des fagonnirten); Eisenbahnschienen, Winkeleisen, [⸗-Eisen, einfaches und doppeltes T-Eisen; Eisen⸗ und Stahlplatten, sowie Eisen⸗ und Stahlblech, auch polirt oder gefirnißt; Weißblech (aus Nr. 6 b. des Zolltarifs); 2) ganz grobe Gußwaaren in Oefen, Platten, Gittern ꝛc. (Nr. 6c. 1); 3) grobe Eisen⸗ und Stahlwaaren, die aus geschmiedetem Eisen oder Eisenguß, aus Eisen und Stahl, Eisenblech, Stahl⸗ und Eisendraht, auch in Verbindung mit Holz, gefertigt, in⸗ gleichen Waaren dieser Art, welche abgeschliffen, gefirnißt, verkupfert oder verzinnt, jedoch nicht polirt sind, als: Aerte, Degentlingen, Feilen, Hämmer, Hecheln, Hobeleisen, Kaffeetrommeln und⸗Mühlen, Ketten (mit Ausschluß der Anker⸗ und Schiffsketten), Kochgeschirre, Nägel, Pfannen, Schaufeln, Schlösser, Schraubstöcke, grobe Messer zum Handwerks⸗ gebrauch, Sensen, Sicheln und Futterklingen (Strohmesser), Stemm⸗ eisen, Striegeln, Thurmuhren, Tuchmacher⸗ und Schneiderscheeren, Hangen u. dgl. m.; dann gewalzte und gezogene schmiedeeiserne

öhren (Nr. 6c. 2).

§. 2. Die gesetzlichen Bestimmungen über die Eingangszölle

finden auch auf die Ausgleichungsabgabe Anwendung.

S8. 3. Die zur Herstellung von: a. Lokomotiven, Tendern und

Dampfkesseln (Nr. 15b. 1 des Zolltarifs), b. Maschinen, insofern sie dem Gewichte nach überwiegend bestehen aus Gußzeisen, Schmiedeeisen oder Stahl (Nr. 15b. 2 5 ), e. Eisenbahnfahrzeugen weder mit Leder⸗ noch mit Polsterarbeit (Nr. 15c. 1 ) erforderlichen Mate⸗ rialien und Maschinentheile dürfen, nach Maßgabe der vom Bundes⸗ rath zu erlassenden Kontrolvorschriften, frei von der Ausgleichungs⸗ abgabe aus dem Auslande bezogen werden.

§. 4. Das gegenwärtige Gesetz tritt mit dem 1. Juni 1877 in Kraft. Es wird durch Kaiserliche Verordnung mit Zustimmung des Bundesraths außer Kraft gesetzt, sobald die in anderen Ländern that⸗ sächlich bestehende Begünstigung der Ausfuhr von Eisen und Eisen⸗ fabrikaten durch Ausfuhrprämien in Wegfall gekommen sein wird.

In der Diskussion wurde hiermit die erste Berathung eines von den Abgeordneten Dr. Löwe und Genossen vor⸗ gelegten Gesetzentwurfs, betreffend die Abänderung des Ver⸗ einszolltarifs, verbunden.

Nachdem der Abg. Richter (Meißen) Namens der Petitions⸗ kommission über die hierzu eingegangenen Petitionen referirt hatte, ergriff der Bevollmächtigte zum Bundesrath, Staats⸗ Minister Dr. Achenbach das Wort. Derselbe legte in ausführlicher Rede die Nachtheile dar, welche der deutschen Eisenindustrie aus der in Frankreich heimischen Einrichtung der acquits-à-caution erwachsen, und motivirte damit den Entschluß der Regierungen, auf die im vorigen Jahre vorgeschlagene Maßregel, soweit es sich um Eisen und Eisenfabrikate handelt, zurückzukommen. Die Bedenken der Reichstagskommission gegen die vorjährige Vorlage seien durch die gegenwärtige fast vollständig beseitigt. Darauf sprach der Abg. Richter (Hagen), dessen Argumentation, daß die Vorlage der erste Schritt zur Rückkehr zum Schutzzollsystem sei, der Staats⸗Minister Dr. Achenbach widerlegte. Beim Schlusse des Blattes hatte der Abg. Dr. Löwe das Wort.

Nach der im Reichs⸗Eisenbahn⸗Amt aufgestellten in der heutigen Zweiten Beilage veröffentlichten Nachweisung über die auf deutschen Eisenbahnen excl. Bayerns vorgekommenen Unfälle waren im Monat Februar cr. im Ganzen zu verzeichnen:

31 Entgleisungen und 14 Zusammenstöße fahrender Züge, und zwar wurden hiervon 14 Züge mit Personen⸗ beförderung von je 7941 Zügen dieser Gattung Einer und 31 Güterzüge resp. leerfahrende Maschinen betroffen; ferner 34 Entgleisungen und 19 Zusammenstöße beim Raugiren und 70 sonstige Betriebsereignisse (Ueberfahren von Fuhr⸗ iase agf Wegeübergängen, Defekte an Maschinen und

zagen ꝛc.).

In Folge dieser Unfälle wurden 4 Personen verletzt (3 Beamte und 1 Arbeiter); 12 Thiere getödtet und 27 Fahr⸗ zeuge erheblich, 135 unerheblich beschädigt.

Außer den vorstehend aufgeführten Verunglückungen von Personen kamen, größtentheils durch eigene Unvorsichtigkeit hervorgerufen, noch vor: 35 Tödtungen (1 Reisender, 14 Beamte, 6 Arbeiter und 14 fremde Personen); 83 Ver⸗ letzungen (2 Reisende, 42 Beamte, 29 Arbeiter und 10 fremde Personen), sowie 4 Tödtungen und 1 Verletzung bei beabsichtigtem Selbstmorde.

Von den überhaupt beförderten Reisenden wurde von je 10,655,156 Einer getödtet und von je 5,327,578 Einer ver⸗ letzt; von den im Betriebsdienste thätig gewesenen Beamten 1ne⸗ von je 8755 Einer getödtet und von je 2724 Einer verletzt.

bin Vergleich mit demselben Monate im Vorjahre ergiebt, unter Berücksichtgung der in beiden Zeit⸗ abschnitten geförderten Achskilometer und der im Betriebe gewesenen Geleislängen daß im Durchschnitt im Februar cr. bei 12 Verwaltungen mehr und bei 11 Ver⸗ waltungen weniger und in Summa circa 15 Prozent weniger Verunglückungen vorgekommen sind, als im Februar vorigen

Jahres.

Die in der heutigen Börsenbeilage abgedruckte tabel⸗

larische Uebersicht der Wochenausweise der deut⸗ schen Zettelbanken schließt mit folgenden summarischen Daten ab: Es betrug der gesammte Kassenbestand 720,536,000 ℳ, d. i. der Vorwoche gegenüber weniger 641,000 ℳ; der Wechsel⸗ bestand belief sich auf 621,574,000 ℳ, wies demgemäß eine Zunahme auf von 9,020,000 ℳ, während die Lombardforde⸗ rungen mit 85,020,000 einen Rückgang um 4,599,000 und der Notenumlauf mit 909,496,000 einen solchen von 20,399,000 konstatiren. Es betrugen ferner dier täglich fälligen Verbindlichkeiten 180,546,000 oder 20,064,000 mehr und die an eine Kündigungsfrist gebundenen Verbind⸗ lichkeiten 92,900,000 oder 118,000 mehr als in der Vorwoche.

Den Zeug⸗- und Feuerwerks⸗Hauptleuten soll für die Folge bei event. eintretender Charakter⸗Erhöhung statt des Charakters als Major der als Zeug⸗resp. Feuerswerks⸗ Major verliehen werden.

Unter Bezugnahme auf den Erlaß vom 16. Juli 1875 hat der Kriegs⸗Minister bestimmt, daß fortan Seitens der Militär⸗Verwaltungsbehörden im Bereiche des XIV. und XV. Armee⸗Corps die Ermittelung von Militär⸗ Anwärtern zur Besetzung erledigter, denselben vorbehaltener Stellen nach der Bestimmung der Allerhöchsten Kabinets⸗Ordre vom 12. April 1875 stattzufinden hat. Die Anmeldung der vakanten Stellen erfolgt beim Landwehr⸗Bezirks⸗Kommando in Coblenz.

Durch einen Erlaß vom 31. Januar d. J. hat der Minister der geistlichen ꝛc. Angelegenheiten genehmigt, daß Schulamts⸗Kandidaten und Lehrer, welche ihre Be⸗ fähigung nur durch Prüfungszeugnisse außerpreußischer Prüfungsbehörden des Reichs darthun, im diesseitigen Schul⸗ dienst unter Erlaß der 1. Prüfung provisorisch unter der Be⸗ dingung angestellt werden können, daß Seitens derselben die in Preußen vorgeschriebene 2. Prüfung nach Maßgabe der sür dieselbe geltenden Bestimmungen vor einer preußischen Prü⸗ fungsbehörde abgelegt wird.

Der Minister der geistlichen ꝛc. Ang. enee hat in zwei Spezialfällen dem Gesuche eines Geistlichen bezw. Lehrers um Befreiung von den Schulbeiträgen keine Folge gegeben, da auch das Königliche Ober⸗Verwaltungs⸗ gericht unterm 17. Januar d. J. dahin erkannt hat, daß Geistlichen und Lehrern ein gesetzlicher Anspruch auf Frei⸗ lassung von den Schulbeiträgen nicht zur Seite stehe.

Die gesetzlichen Bestimmungen über die Konzessions⸗ pflichtigkeit und die Steuerpflichtigkeit des Kleinhandels mit Branntwein finden nach einem Erkenntniß des Ober⸗Tribunals, Senats für Strafsachen vom 6. Apri 1877, auch auf den Kleinhandel mit Liqueur Anwendung.

rischen Ausgleichs bezügliche werden: 1) Gesetzentwurf über das

Zwei schlesische, haben ihre Arbeiten bereits beendet. wird der Sessionsschluß im Laufe der nächsten drei Tage er⸗ folgen, da am Montag, 23., das Abgeordnetenhaus seine Thätigkeit wieder aufnimmt.

Besprechung über die römif Deputirten Frere⸗Orban und Orts wiesen darauf hin, daß die in Vorschlag gebrachte Konferenz ein Ding der Unmög⸗ lichkeit sei, und daß sich Belgien auf dergleichen nicht einlassen dürfe. Der Minister Malou erklärte, die Regierung er⸗ warte keine Einladung zu einer solchen Konferenz, die von den Bischöfen im Lande geschürte Agitation sei ein unkluges Unternehmen.

Osborne nach Windsor begeben. wurde konservativen Abgeordneten gebrachten Küstengewässern beschlossen. Gesetzes hatte der Zusammenstoß des deutst conia“ mit dem englischen „Strathelyde“ gegeben. Der Antragsteller, Mr. Bezug nehmend, welcher, obgleich innerhalb zweier englischen Meilen von der Küste entfernt vorkommend, doch nicht der Jurisdiktion der englischen Krone anheimgefallen sei, bezeich⸗ nete es als wünschenswerth, durch eine gesetzliche Bestim⸗ mung es unzweifelhaft zu machen torialen Gewässers, bis 3 englische Meilen von der Küste, die Krone volle Jurisdiktion auszuüben habe, damit nicht Ver⸗ gehen, durch auswärtige Seeleute auf ihren Schiffen innerhalb dieser Zone begangen, künftighin straflos blieben. Sir George

Der Bundesraths⸗Bevollmächtigte, Königlich

württembergische Präsident des Staats⸗Ministeriums, Staats⸗

Minister der Justiz und der Auswärtigen Angelegenheiten

von Mittnacht ist nach Stuttgart abgereist.

Bayern. München, 19. April. (Allg. Ztg.) Der König hat dem Erzherzog Albrecht von Oesterreich

zu seiner Jubiläumsfeier das Großkreuz des militärischen

Mar⸗Joseph⸗Ordens verliehen. In Niederbayern beab⸗ sichtigt man aus Anlaß des 50 jährigen Bischofsjubiläums des Papstes eine Kinderadresse an den Papst zu richten; in

Folge dessen verfügt ein Erlaß der Kreisregierung an

die Bezirksämter: daß die Vertheilung und Einsammlung der Subskriptionsbogen von Schulaufsichtswegen nicht geduldet werden könne, und daher das Leh⸗personal der deutschen Schulen bei Meidung disziplinären Einschreitens sich jeder dienstlichen Mitwirkung zu dieser Kinderadresse zu enthalten und zu vermeiden habe, irgendwie den Einfluß als Lehrer

und Erzieher auf die schulpflichtigen Kinder zu obigem Zweck geltend zu machen.

1

8 8 8 1

Hesterreich⸗Ungarn. Wien, 19. April. Die Minister

Tisza und Szell sind heute hier angekommen. Wie die „Deutsche Ztg.“ meldet, wird dem Abgeordnetenhause alsbald nach seinem Wiederzusammentritte der Gesetzentwurf über die Regelung des Militär⸗Bequartierungswesens vor⸗ gelegt werden. Die Vorlage an den ungarischen Reichstag

werde erst später erfolgen.

Nach Meldungen aus Pest sollen wahrscheinlich bereits am 24. d. M. den beiderseitigen Parlamenten nach⸗ stehende, auf die Erneuerung des österreichisch⸗unga⸗ Vorlagen überreicht österreichisch⸗ungarische Handels⸗ und Zollbündniß; derselbe enthalte auch die neuen

Bestimmungen über die Zollrestitution; 2) Gesetzentwurf, be⸗ treffend die in beiden Theilen der Monarchie etablirten Aktien⸗

Gesellschaften und Unternehmungen; 3) Gesetzentwurf über

die Regelung der Bankangelegenheit, dessen integrirender Theil die Entwürfe über das Statut der österreichisch⸗ungarischen Bank und der Hypothekar⸗Abtheilung dieser Bank bilden; 4) Gesetzentwurf über die Regelung der 80⸗Millionen⸗Schuld; 5) Gesetzentwurf über die Zuckersteuer; 6) Gesetzentwurf über die Spiritussteuer. Jedem dieser Gesetzentwürfe soll ein ein⸗ gehender Motivenbericht angeschlossen werden. Die Motipen⸗ berichte dürften von jeder der beiden Regierungen separat ab⸗ gefaßt werden.

Die Landtagssession naht sich ihrem Ende. der Provinzvertretungen, die oberösterreichische und In den übrigen

Pest, 19. April. Aus Anlaß der heute erfolgten Reise

des Finanz⸗Ministers Szell nach Wien berichtigt der „P. Lloyd“ die Meldung des „Kel. Nepe,“ der zufolge es sich um „Fortsetzung der Verhandlungen über die Ausgleichsfragen“ handle, insbesondere jetzt „die noch unerledigten Punkte be⸗ züglich der Finanzzölle“ geordnet werden sollen. Der „P. Lloyd“ erklärt, mit Bestimmtheit versichern zu können, Angabe nicht richtig ist. auf den Ausgleich bezüglichen fertigen Operate, Gesetzesvorschläge, um mit den österreichischen Ministern die Identität der Schluß⸗ redaktion der beiderseitigen Vorlagen zu konstatiren. dies geschehen, werde der Finanz⸗Minister seinen Aufenthalt in Wien g ber, unter Abkürzung der üblichen Prozedur, die fertigen Ent⸗ würfe persönlich Sr. Majestät zur vorläufigen Genehmigung vorzulegen. Verlauf des morgigen Tages nach Pest zurückkehren.

versicher daß diese Minister Szell nehme nach Wien die

Motivenberichte u. s. w. mit, Sobald

eichzeitig dazu benutzen, um der Zeitersparniß hal⸗

Herr von Szell werde muthmaßlich bereits im

Niederlande. Haag, 20. April. (W. T. B.) Die

Regierung hat den Generalstaaten einen Gesetzentw urf vorgelegt, wonach der 157,000 Hektaren umfassende südliche Theil des Zuydersees auf Staatskosten trocken gelegt werden soll. Die Kosten sind auf 116 Millionen angeschlagen und sollen durch Anleihen gedeckt werden. In Verbindung mit den bezüglichen Arbeiten wird von der Regierung ferner die Herstellung eines neuen Kanals zwischen Amster⸗ dam und den Rheinprovinzen beantragt.

Belgien. Brüssel, 20. April. (W. T. B.) Der

Deputirte Frére⸗Orban fragte in der heutigen Sitzung der Repräsentantenkammer an, was die Regierung in Be⸗ zug auf die Petition der Bischöfe und belgischen Katholiken, betreffend, die Lage des Papstes, zu thun gedenke. gelegenheiten, Regierung habe das jedoch noch nichts ohne vorheriges Gehör der Kammer unternehmen, wenn jemals die Mächte Belgien auffordern sollten, an einer

Der Minister der auswärtigen An⸗ Graf Aspremont⸗Lynden, erklärte, die fragliche Schriftstück erhalten,

keine Entschließung gefaßt und werde

che Frage theilzunehmen. Die

Großbritannten und Irland. London, 19. April. Die Königin wird sich am Sonnabend von Im Unterhause über die zweite Lesung des von dem für Chatham, Mr. Gorst, ein⸗

betreffend die Jurisdiktion in Anstoß zur Einbringung des e Schiffes „Fran⸗

gestern

Gesetzes

orst, auf den erwähnten Unglücksfall

daß innerhalb des terri⸗

Bowyer beantragte Aufschub der zweiten Lesung des Gesetzes auf 6 Monate (gleichbedeutend mit Beseitigung des Gesetzes ohne formelle Verneinung seines Prinzips), da es eine internatio⸗ nale Angelegenheit berühre und also nicht einseitig von England ausgeführt werden könne. Ebenso sprach gegen die Vorlage Mr. Stanley Hill. Durch Festsetzung einer Dreimeilenzone würden die natürlichen Grenzen der hohen See verrückt. Die Maßregel sei auch unnöthig, da man ja nur einfach eine Person, die innerhalb jenes Gürtels ein Vergehen begangen, in ihrem eigenen Lande anklagen und dort verantwortlich machen könne. Sir W. Harcourt hält zwar das Prinzip des Gesetzes für richtig, meinte aber, es sei nothwendig, demselben durch diplomatische Verhandlungen Geltung zu verschaffen. Der General⸗Staats⸗ anwalt erklärte, dem vorgeschlagenen Gesetze nicht zustimmen zu können. Gesetzgeberische Maßregeln seien nur dann thunlich, wenn mit auswärtigen Staaten und den Kolonialregierungen die Angelegenheit vorher verhandelt worden sei. Die Regierung habe die Sache indeß keineswegs aus den Augen verloren, und sobald andere wichtige Geschäfte der Session erledigt wor⸗ den und die Angelegenheit für die Gesetzgebung reif sei, werde sie zu einem Schlusse über den einzuschlagenden Weg zu ge⸗ langen suchen. Auf Empfehlung Sir H. James zog Mr. Gorst darauf seinen Gesetzesvorschlag zurück. In Hull ist ein zweites, der japanischen Regierung gehörendes Schiff vom Stapel gelassen worden. Auch dieses Mal war der Gesandte des Kaisers von Japan anwe⸗ send. Das Schiff ist eine Korvette von 2000 Tons und 2500 Pferdekraft und wird neun Kruppsche Geschütze führen. Eine andere Korvette ist im Bau begriffen. Der Abgeordnete Reed hat zu sämmtlichen Schiffen den Entwurf angefertigt.

(A. A. C.) In der vorgestrigen Sitzung des Unter⸗ hauses theilte Lord Sandon, der Chef des Unterrichts⸗ und Sanitätswesens auf eine Anfrage des Obersten Kingscote mit, daß in Willesden ein weiterer Fall von Rinderpest kon⸗ statirt worden sei. Am Montag habe der Geheime Nath ganz London unter seine Aufsicht gestellt und 12 Inspektoren er⸗ nannt. Am Dienstag seien 60 Kuhställe inspizirt worden, und jeder Stall, sowie jede Heerde in London werde einer sorgfältigen Untersuchung unterzogen werden. Er sei in der Lage zu erklären, daß sich seit dem vorigen Mittwoch kein an der Rinderpest erkranktes Thier lebend befunden habe.

21. April. (W. T. B.) Heute findet ein Minister⸗ rath statt. Im Unterhause erklärte gestern der Unter⸗ Staatssekretär für Indien, Hamilton, auf eine Anfrage Duffs, in den Beziehungen der Regierung von Indien zu dem Emir von Afghanistan sei keine Aenderung einge⸗ treten. Da der Emir aber Anstand nehme, einen englischen Offizier zu empfangen, so würden die Verhandlungen in Pe⸗ schawur geführt werden.

Frankreich. Paris, 19. April. (Köln. Ztg.) Der Präsident Marschall Mac Mahon steattete heute dem Großfürsten Konstantin einen Besuch ab. Der General Lewaschow, Staatssekretär und Adjutant des Kaisers von Rußland, traf vorgestern Abend hier ein und reiste nach einer Audienz bei dem Marschall heute Morgen nach St. Petersburg zurück. Das Schreiben des Justiz⸗Ministers an den Bischof von Nevers wurde gestern Abend abgesandt. Das „Journal officiel“ veröffenklicht Veränderungen im Personal der Prä⸗ fekten, die durch die Ernennung des Hrn. Le Myre de Nilers zum Direktor der algerischen Angelegenheiten und durch die Be⸗ rufung des Hrn. Jeanson zu „anderen Funktionen“ veranlaßt wurden. Zwei Unter⸗Präfekten wurden zu Präfekten ernannt, wodurch auch eine Unter⸗Präfektenbewegung nothwendig wurde.

(Magd. Ztg.) Die republikanischen Blätter ver⸗ öffentlichen mit Entrüstung ein vom 7. April datirtes Rund⸗ schreiben, welches der vielgenannte Bischof von Nevers aus eigener Machtvollkommenheit an alle Maires seiner Diö⸗ zese gerichtet hat. Dieselben werden darin offen aufgefordert, der Bevölkerung die Bedrängnisse des Papstes klar zu machen, und in den Gemeinderäthen und sonstigen Vertrauenskörpern für die päpstliche Sache zu agitiren. Das betreffende Schrei⸗ ben lautet:

Bisthum Nevers. Nevers, 7. April 1877.

Mein Herr! Als Einem von Denen, welchen ein Theil der Exe⸗ kutivgewalt Frankreichs anvertraut ist, muß Ihnen daran liegen, daß die geheiligten Interessen des Gewissens bei allen Ihren Mitbürgern geachtet werden und daß sie demgemäß die Weisungen und Befehle dessen frei empfangen können, welchem von unserem Herrn Jesus Christus, alle Macht, zu binden und zu lösen, verliehen worden ist. In einem von edler Standhaftigkeit und hehrem Unabhängigkeits⸗ sinn beseelten Akte hat der heilige Vater vor Kurzem erklärt, daß er in Rom nicht mehr die zur Ausübung seiner Gewalt nöthige Freiheit genießt. Daraus ergiebt sich, daß wir selbst nicht mehr frei sind in unserem Gewissen, daß wir mithin unseren ganzen Einfluß aufbieten müssen, um die Aenderung einer so widernatürlichen Sach⸗ lage herbeizuführen, und zu bewirken, daß dem Beherrscher unserer Seelen die Unabhängigkeit zurückgegeben werde, deren er durchaus bedarf, um uns zu leiten. Vor Allem ist es nöthig, daß diese An⸗ schauungen den Bevölkerungen beigebracht werden, deren Interessen uns anvertraut sind; dann müssen wir uns ferner darüber verstän⸗ digen, wie in den verschiedenen Vertretungen des Landes ähnlichen Ueberzeugungen Eingang verschafft werden kann. Ich habe daher die Ehre, Ihnen beifolgend mit der Allokution des hei⸗ ligen Vaters und meinem Kommentar zu derselben die Abschrift des Briefes zu übersenden, in welchem ich versucht habe, die hohe Für⸗ sorge des Herrn Marschalls auf einen so wichtigen Gegenstand zu lenken. Genehmigen Sie u. s. w.

Thomas Casimir, Bischof von Nevers.

Türkei. Ueber die Orientalischen Angelegenhei⸗ ten liegen folgende Nachrichten vor:

Wien, 20. April. (W. T. B.) Die „Politische Korrespon⸗ denz“ meldet telegraphisch aus St. Petersburg von heute, das angekündigte Cirkularschreiben des Fürsten Gort⸗ scha koßf sei bisher nicht abgesendet worden, weil die Kund⸗ gebung der Entschließungen der russischen Regierung bis zum 29. d. Mts. verschoben worden sei. Die Rückkehr des Kaisers Alexander von Kischeneff nach St. Petersburg werde am 30. d. erfolgen.

London, 20. April. (W. T. B.) Eine Depesche der „Times“ aus Konstantinopel von heute will wissen, die Pforte rechne auf die Neutralität Oesterreichs und auf die Mediation Frankreichs. Die Türkei sei durch die Aussicht eines unmittelbar bevorstehenden Krieges mit Be⸗ fürchtungen erfüllt und würde Vorschlägen, die auf eine fried⸗ liche Regelung abzielten, gern Gehör schenken, wenn es nicht zu spät wäre.

85 T. B.) Im Unterhause erwiderte der Unter⸗ Staatssekretär Bourke Gourley, es sei unmöglich, darüber Aufklärung zu geben, in welcher Lage sich die in den Dar⸗ danellen, im Bosporus, im Schwarzen Meere und

in dem Suezkanal verweilenden neutralen Schiffe be⸗ sinden würden, falls es zwischen Rußland und der Türkei zum Kriege komme. Die englische Regierung werde hin⸗ reichende Maßregeln ergreifen, um die Interessen Englands zu schützen. Er könne übrigens nicht sagen, welches Recht die Pforte haben sollte, russische Schiffe zu verhindern, den Suez⸗ kanal zu passiren. Er glaube annehmen zu dürfen, daß die Schiffe, wenn sie einmal eingefahren sind, nicht verhindert werden würden, den Kanal zu passiren.

21. April. (W. T. B.) Ueber den Inhalt des russischen Manifestes liegen dem „Reuterschen Bureau“ aus Bukarest Privatmeldungen vor, deren weitere Beglaubi⸗ gung abzuwarten KFein wird. Danach soll das Manifest geltend machen, daß, nachdem die Anstrengungen des Kaiser Alexander zur Erhaltung des Friedens in Folge der Hartnäckigkeit der Pforte gescheitert seien, die Lage der Christen in der Türkei sich verschlimmert habe. Leben und Eigenthum der Christen sei in Gefahr. Der Kaiser sei im Namen der Humanität und im Vollbewußtsein seiner Pflichten als natürlicher Protektor der Slaven im Orient zu dem Entschlusse genöthigt, durch Waffengewalt diejenigen Garantien für seine leidenden Glau⸗ bensgenossen auf türkischem Boden zu erlangen, die für die Sicherung ihrer künftigen Wohlfahrt unumgänglich nothwendig seien. Die militärische Intervention Rußlands verfolge keine Ziele der Eroberung, werde vielmehr nach Erreichung der er⸗ wähnten Resultate endigen.

St. Petersburg, 20. April. (W. T. B.) Nachdem die Pforte Seitens verschiedener Mächte in Betreff Rumäniens dahin beschieden ist, daß die Neutralität Rumäniens durch keinen Vertrag stipulirt sei, hat die Pforte, wie die „Agence Russe“ erfährt, erklärt, daß sie, sobald die Russen in die Moldau eingerückt sind, ihrerseits die strategischen Punkte an der Donau besetzen werde.

Paris, 20. April. (W. T. B.) Wie der „Temps“ wissen will, wäre der neue Vertreter Englands in Konstanti⸗ nopel, Layard, nicht beauftragt, dort irgend einen bestimmten Vorschlag zu machen, sondern hätte lediglich die Mission, den Gang der Dinge in Konstantinopel zu beobachten und eine sich später etwa zu einer Vermittelung bietende Gelegenheit zu benutzen.

Bern, 20. April. (W. T. B.) Der Bundesrath hat der Pforte mitgetheilt, daß er bezüglich ihres Antrags, das in einem rothen Kreuz bestehende Abzeichen der Gen⸗ fer Konvention durch den Halbmond ersetzen zu dürfen, ihr selbst überlassen müsse, die Zustimmung der übrigen der Genfer Konvention beigetretenen Staaten auszuwirken. Von den betheiligten Staaten haben acht sich über den Antrag der Pforte bisher noch nicht erklärt.

Die W. „Presse“ erhielt folgende Telegramme:

Konstantinopel, 19. April. Der Khedive hat in Anbetracht des bevorstehenden Krieges seine Hierherkunft, die für Anfangs Mai festgesetzt war, wieder absagen lassen. Da⸗ gegen soll in den nächsten Tagen schon einer seiner Schwieger⸗ söhne mit einer Wäaffensendung, als Geschenk des Vize⸗ königs für die türkische Armee, hier eintreffen. Auch aus New⸗York treffen in einigen Tagen 30,000 Gewehre und 40 Millionen Patronen hier ein.

Pest, 19. April. Berichten aus Rustschuk zufolge lasse die türkische Regierung jetzt schleunigst an den Ufern der Donau in der Dobrudscha, da man dort einen Ueber⸗ gang der Russen über den Strom befürchtet, Befesti⸗ gungen aufführen, an denen Tag und Nacht gearbeitet wird. Auch werden fortwährend über Varna Truppen nach der Do⸗ brudscha geworfen, wo schon bei 19 Bataillone stehen. Im Festungsvierecke Rustschuk⸗Silistria⸗Schumla⸗Varna da⸗ gegen stehen schon bei 78 Bataillone und werden diese noch immer durch Zuzüge von Rumelien und Varna her verstärkt.

Das W. ‚Fremdenbl.“ vom 19. schreibt: „Die Zahl der in die strategische Aufstellung der Donaulinie bereits ein⸗ gerückten türkischen Truppen wird insgemein stark über⸗ schätzt, weil die fortwährenden Contremärsche den oberfläch⸗ lichen Beobachter täuschen. Die Gesammtstärke der Donau Armee macht kaum 115,000 Kombattanten aus, welchen die Aufgabe zufällt, eine Grenze von ungefähr 120 geographischen Meilen Länge wirksam zu vertheidigen. Uebrigens erhellt es aus Allem, daß, von dem völlig werthlosen asiatischen Baschi⸗ Bozuk⸗Gesindel abgesehen, die Türkei unter keinen Umständen dahin gelangen wird, mehr als 150,000 Mann reguläre Trup⸗ pen in Europa den RNussen entgegenzustellen. Ueberdies ist ihre verfügbare Artillerie jetzt nur 144 bespannte Geschütze viel zu schwach, um an einen Kampf im offenen Felde, Front gegen Front, mit einiger Hoffnung auf Erfolg denken zu können. Die Zustände in Bul⸗ garien werden immer schlimmer. Die große Masse hat kaum mehr als das nackte Leben. Unerhörte Ver⸗ brechen, wenn an Christen begangen, bleiben völlig ungeahn⸗

det; ja der Kläger riskirt, als Verleumder auf unbestimmte Zeit in ein Gefängniß gesperrt zu werden, wo der Typhus permanent seine grausige Ernte hält. Neulich wurde in Rustschuk ein Knabe von drei Türken in den Weinbergen aufgefangen und halb erdrosselt in einen Graben geworfen. Der Richter entließ die scheußlichen Verbrecher ohne eingehen des Verhör mit der sanften Ermahnung, zukünftig vorsichtiger zu sein; der Vater aber wurde hart getadelt, weil er sich unterstanden hätte, die hohen Behörden mit solchen Bagatellen zu belästigen. Die Gelderpressungen für die Rüstungen nehmen ebenfalls in großartigstem Maßstabe ihren Fortgang. Schlimmer wird es noch werden, wenn einmal die Tscherkessen und Baschibozuks, circa 30,000 an der Zahl, zu den Waffen greifen und sich auf Unkosten der christlichen Bevölkerung er⸗ nähren müssen.“

Die W. „Presse“ vom 19. schreibt: „Die neuerdings aus Konstantinopel signalisirte Drohung, daß die Türken im Kriegsfalle zur Okkupation der Walachei schreiten werden, möchten wir im Interesse der ottomanischen Heeres⸗ leitung nicht ernst nehmen. Wir haben bereits vor einigen Tagen auf den Mangel eines hinreichenden Brückentrains und auf die Gefahren aufmerksam gemacht, welchen türkische Ab⸗ theilungen mit der Donau im Rücken ausgesetzt wären. Die Defensive mit der Aussicht auf die Offensive ist immer wün⸗ schenswerther als eine problematische Offensive, der eine De⸗ fensive mit entmuthigten und fliehenden Truppen folgen muß. Gegenüber den in Griechenland offiziell dekretirten Rüstungen haben neue Truppensendungen stattgefunden und befinden sich bis jetzt an der griechischen Grenze 18 Ba⸗ taillone regulärer Infanterie und 6 Escadronen Kavallerie mit 22 Allein noch immer ist diese Macht von etwa zehntausend Mann eine unzureichende, mit welcher im Falle einer griechischen Aggression nicht viel anzufangen wäre. Unter solchen Verhältnissen ist es erklärlich, daß men