1877 / 148 p. 3 (Deutscher Reichsanzeiger, Wed, 27 Jun 1877 18:00:01 GMT) scan diff

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wünschenswetth erscheint, Seitens des Königlichen veppettsgen mit der Modifikation wiederholt werden, daß gleichzeitig mit der Längenbestimmung Bonn⸗Paris die Längenbestimmung Bonn⸗Berlin zur Ausführung gelangen soll. Es werden also dann von deutscher Seite aus alle 3 Seiten des Dreieckes Berlin⸗Paris⸗Bonn gemessen sein, und es wird durch die Bedingung des Dreieckschlusses eine weitere sehr wünschenswerthe Kontrole erlangt werden.*

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In Beziehung auf den durch die Strafgesetznovelle in das Snhgeserha Ange ngten §. 223a. (leichte Körper⸗ verletzung mittelst einer Waffe ꝛc.) hat das Ober⸗ Tribunal in einem Erkenntniß vom 30. Mai 1877 folgen⸗ den Satz ausgesprochen: Wiewohl die Verfolgung leichter Körperverletzungen gesetzlich (§. 232 d. Str. G. B.) nur auf Antrag eintritt, bedarf doch die leichte Körperverletzung mittelst einer Waffe oder eines anderen gefährlichen Werk⸗ zeuges zur strafgerichtlichen Verfolgung keines Strafantrages des Verletzten. 32

Die Anzeigen der Sportelrevisoren der preu⸗ ischen Kreisgerichte über etwaige Wechselstempelhinter⸗ iehungen sind, nach einem Erkenntniß des Ober⸗Tribu⸗ als vom 1. Juni 1877, nicht zur Unterbrechung der Ver⸗ ährung dieses Vergehens geeignet. Zwar verordnet der urch den §. 68 des Reichs⸗Strafgesetzbuches nicht außer Kraft gesetzte §. 17 des Gesetzes vom 10. Juni 1869: „die Verjäh⸗

rung (der Wechselstempel interziehungen) wird durch jede auf

Verfolgung der Hinterziehung gegen den Angeschuldigten ge⸗

richtete amtliche Handlung unterbrochen“, und der §. 20 fügt

erläuternd hinzu: „Die in den einzelnen Staaten des Bundes mit der Beaufsichtigung des Stempelwesens beauftragten Be⸗ hörden und Beamten haben die ihnen obliegenden Ver⸗ pflichtungen mit gleichen Befugnissen, wie sie ihnen hinsichtlich der nach den Landesgesetzen zu entrichten⸗ den Stempelabgaben zustehen, auch hinsichtlich der Bundes⸗ stempelabgabe wahrzunehmen.“ Die Sportel revisoren der Kreisgerichte gehören jedoch, ungeachtet ihrer Verpflichtung, die amtlich zu ihrer Kenntniß gelangenden Wechselstempelhinter⸗ ziehungen zur Anzeige zu bringen, in Preußen nicht zu den⸗ enigen Beamten, welche im Sinne des §. 20 cit. mit der Beaufsichtigung des Stempelwesens beauftragt sind. Die Justiz⸗Ministerial⸗Verfügung vom 31. Januar 1852 macht ihnen vielmehr nur zur Pflicht, in denjenigen Angelegenheiten, in welchen dem nach dem Gesetze vom 10. Mai 1851 zu er⸗ hebenden Kosten⸗Pauschquantum noch der nach den Be⸗ stimmungen des Stempelgesetzes zu berechnende Be⸗ trag des Werth⸗ beziehungsweise Ausfertigungsstempels hin⸗ zutritt, auf die richtige Anwendung des Stempelgesetzes und die dasselbe abändernden und erläuternden Vorschriften ihr vorzügliches Augenmerk zu richten. Die Beaufsichtigung des

Stempelwesens ist dagegen durch die §§. 30, 32 und 34 des Stempelgesetzes vom 7. März 1822 in erster Linie dem Finanz⸗

Minister, den Regierungen, den Zoll⸗ und Steueräemtern

und vorzugsweise den Stempelfiskalen, accessorisch auch allen

denjenigen Staats⸗ und Kommunalbehörden und Beamten, welchen eine richterliche oder Polizeigewalt zusteht, übertragen.

2 diesen Beamten gehören aber die Sportelrevisoren der reisgerichte unzweifelhaft nicht.“

Durch Kaiserliche Verordnung vom 22. d. M. hat die Universität Straßburg den Namen „Kaiser⸗Wilhelms⸗ Universität Straßburg“ erhalten und führt als Siegel das ihr durch die Stiftungsurkunde verliehene Siegel mit der hinzugefügten Umschrift „Kaiser⸗Wilhelms⸗Universität

Straßburg.“

8 Der General der Kavallerie Baron von Rheinbaben, General⸗Inspecteur des Militär⸗Erziehungs⸗ und Bildungs⸗

wesens, hat sich auf Inspizirungsreisen nach den westlichen Provinzen, zunächst nach Bensberg begeben.

Der General⸗Lieutenant von Braun, Inspecteur der 1. Ingenieur⸗Inspektion, ist von seiner Dienstreise zur Inspizirung der pommerschen Festungen und des Ostpreußischen Pionier⸗Bataillons Nr. 1, sowie des Pommerschen Pionier⸗ Bataillons Nr. 2 hierher zurückgekehrt.

langten telegraphischen Nachricht ist gestern auf seinem Ritter⸗ gute Oedenthal bei Lüdenscheid der Landtagsmarschall der

rovinz Westfalen, Geheimer Rath von Holz⸗

brinck, nach längerem Leiden gestorben. Der Verstorbene war im Jahre 1862 kurze Zeit Handels⸗Minister und später Regierungspräsident in Arnsberg.

Ems, 27. Juni. (W. T. B.) Der französische Bot⸗ schafter in Berlin, Vicomte de Gontaut-⸗Biron, ist hier eingetroffen.

Bayern. München, 24. Juni. (Allg. Ztg.) Der König hat das durch das Ableben des Großherzogs von Hessen vacant gewordene 5. Infanterie⸗Regiment dem jetzt regierenden Großherzog Ludwig IV. verliehen. Ferner hat Se. Majestät heute an den Minister von Lutz

zu dessen Namenstage ein sehr huldvolles Glückwunschtelegramm gerichtet.

Sachsen⸗Coburg⸗Gotha. Gotha, 26 Juni. (Leipz. Ztg.) Nach dem nunmehr veröffentlichten, zwischen den Re⸗ ierungen von Coburg⸗Gotha, Weimar, Meiningen, Altenburg, Schwplzbur Sondershausen und Reuß ältere wie jüngere

Linie Idefär slenen Vertrage über Errichtung gemeinsa⸗ mer Strafanstalten sollen Zuchthausstrafen, Gefängniß⸗ strafen von mindestens drei Monaten und fängnißstrafen

von mindestens sechs Wochen (gegen jugendliche Verbrecher er⸗ kannte) in gemeinschaftlichen Strafanstalten abgebüßt werden. Zur Vollstreckung der Zuchthausstrafen an Männern dienen die Zuchthäuser zu Tonna (gothaisch) und Maßfeld (mei⸗ ningisch), ur Vollstreckung der Zegen Personen weiblichen eschlechts erkannten Zuchthausstrafen dient das im alten Schlosse Hassenberg (coburgisch) einzurichtende Weiberzuchthaus. Die Gefängnißstrafen sind von Männern in dem zum Männergefängnisse herzurichtenden Schlosse Ichtershausen (gothaisch), von Weibern in dem zum Weiber⸗ gefängnisse herzurichtenden Justizamtsgebäude zu Ichtershausen zu verbüßen; ebenso sollen in gesonderten Gebäuden daselbst jugendliche Personen männlichen und weiblichen Geschlechts detinirt werden. Der Vertrag kann vor dem 1. Juli 1925 nicht gekuündigt werden. Der am gestrigen Tage publizirte Voranschlag über die Einnahme und Ausgabe der Staats⸗ kasse des Herzogthums Gotha auf jedes der vier 55 vom 1. Juli 1877,78, 1878,79, 1879/80, 1880/81 schließt in ihrer

Hagen, 25. Juni. (Elbf. Ztg.) Nach einer hierher ge⸗

Weim. Z.) Der

Reuß j. L. Gera, 25. Juni. 3 gestorben,

( Staats⸗Minister Dr. Harbou ist am 24. d. M. nohden er vor wenigen Tagen erst aus dem Staatsdienst

geschieden war.

8

Oesterreich⸗Ungarn. Wien, 25. Juni. eichs⸗ ratinche Regnikolardeputation hält heute eine Sitzung ab, um das zweite Nuntium der ungarischen Depu⸗ tation entgegenzunehmen. Gleichzeitig soll ein Subcomité ge⸗ wählt werden, welches mit einem ungarischen Subcomité die weiteren Verhandlungen zu pflegen hätte. Das neueste Armee⸗Verordnungsblatt veröffentlicht die Ernennung des

Idmarschall⸗Lieutenants Freiherrn von Jovanovic, bis⸗ erigen Kommandanten der 28. Infanterie⸗Truppen⸗Division, zum Kommandanten der 18. Infanterie⸗Tru ppen⸗Division. (Bekanntlich war bisher der Statthalter und Militär⸗Komman⸗ dant in Dalmatien, Fehnzeuamecer Freiherr von Rodich, auch Kommandant dieser Infanterie⸗Truppen⸗Division).

26. Juni. (W. T. B.) Die südtiroler Ab⸗ geordneten haben ihr Mandat niedergelegt. In der bezüg⸗ lichen, heute im A bgeordnetenhause zur Verlesung ge⸗ langten Zuschrift erklären dieselben, das Haus habe durch die Abstimmung in der Angelegenheit, betreffend die Gewährung größerer Autonomie für Südtirol bewiesen, daß die südtiroler Abgeordneten von dem Hause nichts zu erwarten hätten.

Schweiz. Bern, 25. Juni. (Köln. Ztg.) Der General An⸗ tonio Guzman Blanco, der frühere Präsident, ist zum außer⸗ ordentlichen Gesandten der Vereinigten Staaten von Vene⸗ zuela in Bern ernannt worden.

Großbritaunien und Irland. London, 25. Juni. (E. C.) Als Unterhausmitglied für Dungow ist O'Donnell, ein Homeruler, mit 137 Stimmen gewählt worden. Lord Beaconsfield hat das neue Arbeiter⸗ quartier, nahe bei dem Battersea Park, cröffnet. Auf Wunsch der Königin wurden die Wohnungen Victoria⸗ nungen genannt. .

1“ C.) Aus Montreal in Canada wird unterm 21. d. M. gemeldet: Die Oka⸗Indianer sind zurückgekehrt und Alles ist nun ruhig.

27. Juni. (W. T. B.) Der „Standard“ tritt den Meldungen anderer Blätter, betreffs einer Extrakreditforderung der Regierung, entgegen und behauptet, die Regierung sehe noch keine Nothwendigkeit, einen solchen Extrakredit zu be⸗ anspruchen.

Frankreich. Paris, 25. Juni. Der melb gleichzeiiig mit dem Dekret, die Wähler zusammenberuft, werde auch ein Manifest des Marschall⸗Präsidenten an die Nation er⸗ scheinen, welches in sehr bestimmter und klarer Fas⸗ sung das Regierungsprogramm gegenüber dem radikalen Pro⸗ gramm der Linken darstellen solle. Die konservativen Wahl⸗ kandidaten wollen kein besonderes Ausschreiben ergehen lassen, sondern nur einfach ihre Namen unter das Manifest des Mar⸗ schalls Mac Mahons seten und dadurch bezeugen, daß sie sich seiner Politik vollkommen anschließen. Der Senat hat bis zum Zusammentritt der neuen Kammer seine Sitzungen ver⸗ tagt. Das Manifest der Linken des Senats lautet nach der „Cöln. Ztg.“ wie folgt: Die unterzeichneten Sena⸗ toren, Vertreter der drei Gruppen der Linken des Senats, sprechen die Ansicht aus, daß die Wiederwahl der 363 Depu⸗ tirten, welche die Tagesordnung des 19. Juni gegen das unter dem Vorsitze des Herzogs de Broglie stehende Kabinet angenommen haben, eine Bürgerpflicht se, und vom Lande, eben so wie im Jahre 1830 die Wiederwahl der 221 als eine Ehrensache anerkannt werden müsse. Diese Wiederwahl wird der feierlichste Ausdruck des nationalen Entschlusses sein, die republikanischen Einrichtungen aufrecht zu erhalten, die allein fähig sind, die Ordnung nach innen und den Frieden nach außen zu erhalten. Den Patriotismus anrufend, rechnen die Unterzeichneten darauf, daß der Kandidatur der 363 Depu⸗ tirten, welche für die Tagesordnung gestimmt, keine andere republikanische Kandidatur entgegengestellt werde. (Folgen die Unterschriften.

Auflösu ngsdekret lautet nach dem „Journal officiel“ wie folgt: Der Präsident der französischen Republik ver⸗ fügt auf Grund des Art. 5 des Gesetzes vom 25. Februar 1875 nud des zustimmenden Gutachtens des Senats vom 22. Juni 1877: Art. 1. Die Deputirtenkammer wird aufgelöst. Art. 2. Die Wahlkollegien werden behufs neuer Wahlen binnen drei Mo⸗ naten einberufen werden. Art. 3. Der Conseils⸗Präsident, Siegelbewahrer und Justiz⸗Minister und der Minister des Innern werden, Jeder soweit es ihn betrifft, mit der Aus⸗ führung dieses Dekrets beauftragt. Geschehen zu Versailles, den 25. Juni 1877. Marschall von Mac Mahon, Herzog von

Ragenta. (Gegengezeichnet) von Broglie, von Fourtou.

26. Juni. (W. T. B.) Die heute hier verbreiteten Gerüchte von einem Ministerwechsel oder einer Modifikation in der Zusammensetzung des gegenwärtigen Kabinets wer⸗ den von der „Agence Havas“ auf das Formellste für unbe⸗ gründet erklärt.

Italien. Rom, 26. Jum. (W. T. B.) Nach einer Meldung des „Osservatore Romano“ ist Msgr. Aloisi⸗ Mafelka zum Nuntius am bayerischen Hofe ernannt worden und hat sich auf seinen Posten nach München begeben.

Türkei. Konstantinopel, 26. Juni. (W. T. B.) Die Session der Kammern wird nach neueren Bestimmungen vorläufig noch nicht geschlossen werden. Wie das Journal „Bassiret“ meldet, würde einer der Oberbefehlshaber der beiden

„Moniteur“ welches die

von Montenegro ernannt werden.

(W. T. B.) Prinz Hassan von Egypten ist nach Varna abgereist. Der Sultan will sich, dem Vernehmen nach, zu Ende dieser Woche nach Adrianopel begeben, um die dortigen Fortifikationen zu besichtigen. Die Session der Kammern ist auf 14 Tage verlängert worden. (W. T. B.) Aus Belgrad vom 26. wird dem „Neuen Wiener Tageblatt“ telegraphisch gemeldet: Der montene⸗ grinische Senator Mascha Vrbiza, welcher während des jüngsten Krieges dem serbischen Generalstabe attachirt war, ist hier eingetroffen. Der serbische Militärattaché in Montenegro, Belimarkowics, geht in besonderer Mission nach Cettinje.

in Montenegro operirenden Armee⸗Corps zum Gouverneur⸗

Rumänien. Bukarest, 26. Juni. (W. T. B.) Der Senat hat das mit dem englischen Eisenbahnbau⸗Unternehmer Crawley getroffene anderweite Abkommen unverändert geneh⸗ migt, der Schluß der Kammern wird morgen crwartet.

Der russisch⸗türkische Krieg.

Pest, 26. Juni. (W. T. B.) Bei der Fortsetzung der Orientdebatte im Unterhause betonte Graf Alktert Appony, daß das Land die Interessen der Monarchie am sichersten durch die Erhaltung der Integrität der Türkei und durch die Respektirung der bestehenden Verträge für rt erachte, während der frühere General⸗Konsul in Belgrad, Kallay, die Einführung von Reformen zwar als unerläßlich degeichtele⸗ zugleich aber ebenfalls die Nothwendigleit hervorhob, die Integrität der Türkei aufrecht zu erhalten. Minister⸗Prä⸗ sident Tisza versicherte, daß in dem letzten Ministerkonseil weder eine Okkupation, noch eine Mobilisirung beschlossen worden sei und erklärte weiter, die Monarchie sei entschlossen, eine Besitznahme benachbarten Gebietes durch eine fremde

der Minister⸗Präsident Tisza, nachdem er mehrere andere Angriffe auf die auswärtige Politik zurückgewiesen und widerlegt hatte, Oesterreich⸗Ungarn besitze eine vollkommen ausgerüstete und rme 1b könne gerade deshalb allen Ereignissen viel ruhiger ent⸗ gegensehen, als wenn die Armee erst jetzt auf die ent⸗ sprechende Stärke gebracht werden müßte. Der Minister be⸗ tonte, die auswärtige Politik der Regierung sei nur darauf gerichtet, den Frieden zu wahren, oder, wenn dies unmöglich sein sollte, den Krieg zu lokalisiren und die guten Beziehungen zu den übrigen europäischen Mächten zu erhalten, auf alle Fälle aber der Monarchie volle Aktionsfreiheit zu bewahren, damit unter allen Verhältnissen solche Gestaltungen verhindert werden könnten, welche mit den Lebensinteressen der Monarchie kollidiren. Tisza gab darauf dem Vertrauen auf die freund⸗ schaftlichen Beziehungen Oesterreich⸗Ungarns zu den übrigen Mächten Ausdruck, mit denen jedoch keinerlei Bündniß oder Verpflichtung bezüglich dessen bestehe, was Oester⸗ reich⸗Ungarn zur n thun i Reclerung in vollem Maße die Freiheit besitze, Ent⸗ schließungen zu fassen. Bezüglich der künftigen, heute noch unberechenbaren Ereignisse Erklärungen abzugeben, sei aber heute unmöglich. In dem Ministerrathe, welchem er (Tisza) in Wien beigewohnt habe, sei weder von der Besetzung irgend einer Provinz, noch von den Details irgend welcher Mobili⸗ sirung die Rede gewesen, und er könne versichern, daß irgend welche Beschlüsse in dieser Angelegenheit überhaupt noch nicht efaßt worden seien. Außerdem denke auch an ent⸗ cheidender Stelle Niemand daran, auf den Besitz und die Vergrößerung der Macht an den Grenzen des Reiches hinzu⸗ arbeiten. Ein Versprechen abzugeben, daß die Armee unter den gegebenen Verhältnissen nicht an einem oder dem anderen Punkte die Grenzen überschreiten werde, sei allerdings unmög⸗ lich. Wenn die Nothwendigkeit es erfordern sollte, würden alle Völker der Monarchie mit einmüthiger Hingebung auf

Rom, 26. Juni. (W. T. B.) Die Pforte hat den hiesigen Vertretern der auswärtigen Mächte eine Note zugehen lassen, in welcher sie denselben mittheilt, daß in der Suda⸗

allen Schiffen die Einfahrt in den dortigen Hafen während der Nacht untersagt sei.

London, 23. Juni. Heute wurde ein neuer Beitrag zu den Blaubüchern über die orientalische Frage veröffent⸗ licht, welcher den Wortlaut des bereits telegraphisch skizzirten Schreibens von Lord Derby an den Grafen Schuwaloff, sowie die ebenfalls bereits auszugsweise mitgetheilte Antwort des Fürsten Gntt Eh. 98 enthält. Lord

erby's Note lautet nach der „A. A. Corr.“: .“ 8 Auswärtiges Amt, 6. Mai 1877.

Herr Botschafter! Ich habe die Ehre, den Empfang von Euer Excellenz Brief vom 6. d. zu bestätigen, in welchem Sie mir mittheilen, daß Sie im Bexgriffe sind, auf einen kurzen Urlaub nach Rußland zu gehen. Da Euer Erxcellenz dann ohne Zweifel Gelegenheit haben werden, mit Ihrer Regierung personlich zu konferiren, so ergreife ich die Gelegenheit der elben einige Bemerkungen von Bedeutung für das zu ünftige gute Einvernehmen zwischen Großbritannien und Rußland zu unter⸗ breiten. Ihrer Majestät Regierung hat nicht die Absicht, nochmals die Frage wegen der Gerechtigkeit oder Nothwendigkeit des gegen wärtigen Krieges zu berühren; sie hat schon ihre Ansichten darüber ausgesprochen, und eine weitere Erörterung würde zwecklos sein Sie hat die Verpflichtungen übernommen, welche ein Kriegszutand ihr auferlegt, und hat keine Zeit verloren, eine Neutralitätsprokla mation zu erlassen. Sie hat von Anfang an die Pforte gewarnt daß sie nicht auf ihre Unterstützung rechnen dürfe, und si ist entschlosseu, die derart ausgesprochene Politik teiisch durchzuführen, so lange die türkischen Inn n allein berührt werden. Zu gleicher Zeit hält sie es für billig, daß

ten sollte. 8 3 so möchten Interessen in Gefahr kommen, welche sie gleich verpflichtet und entschlossen ist, zu vertheidigen, und es ist wünschens⸗ werth, daß sie die hervorragendsten dieser Interessen, so weit es bei Beginn des Krieges geschehen kann, klar bezeichnet. Das wichtigste von allen ist die Nothwendigkeit, die Verbindung serischen Europa und dem Osten durch den Suezkanal offen, unbeschädigt und un⸗ unterbrochen zu erhalten. Ein Versuch den Kanal oder seine Zugänge zu blockiren oder anderweit zu beeinträchtigen würde als eine Be⸗ drohung Indiens und als eine schwere Schädigung des Welthandels betrachtet werden. Aus beiden Gründen würde jeder derartige Schritt welcher, wie sie hofft und fest glaubt, keiner der Kriegführenden beabsichtigt für sie unverträglich sein mit der Aufrechterhaltung der Stellung passiver Neutralität. Die Handels⸗ und Finanz⸗ interessen europäischer Nationen sind ebenfalls so bedeutend in Egypten verwickelt, daß ein Angriff anf die; Land oder seine Besetzung, selbst nur zeitweilig, für Kriegszwecke von den neutralen Mächten schwerlich, sicherlich aber nicht von England mit Gleich⸗ gültigkeit betrachtet werden könnte. Die unermeßliche Bedeutung Konstantinopels sowohl von einem militärischen als politischen, als kommerziellen Gesichtspunkte aus, ist zu gut bekannt, um weitere Auseinandersetzung zu erfordern. Es ist daher kaum nothwendig hinzuweisen, daß Ihrer Majestät Regierung nicht willens ist, mit Gleichgültigkeit den Uebergang einer eine so besondere und domi⸗ nirende Stellung habende Hauptstadt in andere Hände als die ihrer gegenwärtigen Inhaber beizuwohnen. Die unter der europäischen Sanktion bestehenden Abmachungen, welche die Schiffahrt auf dem Bosporus und den Dardanellen regeln, erscheinen ihr weise und heil⸗ sam, und nach ihrem Urtheil würden gegen die Aenderung derselben in irgend einem wesentlichen Punkte ernstliche Bedenken entstehen. Ihrer Majestät Regierung hat es für angemessen erachtet, auf solche Weise offen ihre Ansichten anzudeuten. r Verlauf der Ereignisse

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Bilanz mit 2,433,200 ab. ves.e

Türkische Deserteure plündern verheeren die christlichen

Dörfer Bosniens. 8

könnte zeigen, daß es noch andere Interessen giebt, wie z. B. den Persischen Golf, welchen zu schützen ihre Pflicht sein würde, aber sie

Macht nicht zu dulden. Im Verlaufe seiner Rede bemerkte

schlagfertige Armee und die Regierung

Wahrung seiner Interessen thun werde, da

den Ruf des Fürsten antworten. 8

Bai (Kreta) Torpedos gelegt worden seien und deshalb

kein Mißverständniß betreffend ihrer Stellung und Absichten vbwal⸗- Sollte der jetzige Krieg unglücklicherweise sich weiter ver-

zweifelt nicht, daß sie Ew. Excellenz die Grenzen genügend bezeichnet habe, innerhalb deren sie hofft, daß der Krieg beschränkt werden möge, oder auf alle Fälle die, innerhalb deren sie selbst bereit sein würde soweit die gegenwärtigen Umstände die Bildung einer Ansicht ge⸗ statten eine Politik der Enthaltsamkeit und Neutralität zu bewahren. Sie vertraut, daß der Kaiser von Rußland ihren Wunsch würdigen werde, ihre Politik bei Beginn des Krieges verständlich zu machen, um se auf die Versicherungen zu antwoxten, welche Se. Kaiserliche Majestät in Livadia gegeben haben und die auf Ew. Excellenz Er⸗ suchen veröffentlicht wurde, als er sein Ehrenwort verpfändete daß er keine Absicht, sich Konstantinopel anzueignen, und daß, wenn ihn die Nothwendigkeit verpflichten sollte, einen Theil Bulgariens zu be⸗ setzen, es nur zeitweilig sein würde, bis der Friede und die Wohl⸗ fahrt der christlichen Bevölkerung gesichert wäre. Ihrer Majestät Regierung kann ihr Vertrauen auf diese Erklärungen Sr. Kaiser⸗ lichen Majestät nicht besser zeigen, als indem sie Ew. Excellenz er⸗ sucht, so gut zu sein, dem Kaiser und der russischen Regierung die offene Auseinandersetzungen der britischen Politik mitzutheilen, welche ich die Ehre gehabt habe Ihnen dergestalt darzulegen. Ich habe u. s. w. Derby. Des Fürsten Gortschakoff Antwort hierauf in einem Erlaß an den russischen Botschafter Grafen Schuwaloff lautet folgendermaßen: St. Petersburg, 18./30. Mai 1877. „Herr Graf! Ew Excellenz sind von Lord Derby mit einem Briefe betraut worden, welcher die Ansichten des englischen Kabinets hinsichtlich der Fragen entwickelt, die im gegenwärtigen Kriege be⸗ rührt werden möchten und Interessen verletzen würden, welche Eng⸗ land vertheidigen müßte. Se. Majestät der Kaiser hat denselben mit großem Interesse durchgelesen, und erkennt die Offenheit der Aus⸗ einandersetzungen an, deren Zweck die Beseitigung von Mißverständ⸗ nissen zwischen den beiden Regierungen ist. Unser erhabener Herr be⸗ auftragt mich mit voller Gegenseitigkeit zu antworten, indem ich Sie in eine Lage versetze, mit gleicher Offenheit und gleicher Klarheit unsere eigenen Ansichten zu entwickeln, sowohl Betreffs der von Lord Derby aufge worfenen Punkte als auch derjenigen, welche Interessen be⸗ rühren, welche Se. Majestät seinerseits verpflichtet ist, zu beschüten. Das Kaiserliche Kabinet wird weder den Suezkanal blockiren noch unterbrechen, noch in irgend einer Weise die Schiffahrt auf demselben bedrohen. Es betrachtet den Kanal als ein internationales Werk, bei dem der Welthandel interessirt ist, und das von jedem Angriff freigehalten werden sollte. Egypten ist ein Theil des os⸗ manischen Reiches und seine Kontingente figuriren in der türkischen Armee. Rußland könnte sich daher als im Kriege mit Egypten befindlich betrachten. Dennoch übersieht das Kaiserliche Ka⸗ binet weder die europäischen Interessen in jenem Lande noch die Englands im Besonderen. Es wird Egypten nicht in den Radius seiner militärischen Operationen bringen. Was Konstantinopel be⸗ trifft, so wiederholt das Kaiserliche Kabinet, ohne im Stande zu sein, dem Verlauf oder dem Ausgang des Krieges zu präjudiziren, daß die Erwerbung jener Hauptstadt von den Absichten Sr. Ma⸗ jestät des Kaisers ausgeschlossen ist. Es erkennt an, daß auf jeden all die Zukunft Konstantinopels eine Frage gemeinsamer Interessen ist, welche nicht anderweit als durch ein ge⸗ meinsames Einverständniß geregelt werden fann, und daß, wenn der Besitz jener Stadt in Frage gestellt werden sollte, es bicht gestattet werden könnte, daß dieselbe irgend einer europäischen Macht gehöre. Was die Dardanellenstraße betrifft, obwohl ihre beiden Küsten demselben Souverän gehören, so bilden sie den einzigen Aus⸗ gang zweier großen Meere, an welchen alle Welt Interessen hat. Es ist daher für die Interessen des Friedens und des allgemeinen Staatengleichgewichts von Bedeutung, daß diese Frage durch ein ge⸗ mein chaßtliches Abkommen auf gerechten und wirksamen Grundlagen geregelt werden sollte. Lord Derby hat auf andere britische Inter⸗ essen angespielt, welche bei eventueller Ausdehnung des Krieges berührt werden möchten, wie auf den persischen Golf und den Weg nach Indien. Das kaiserliche Kabinet erklärt, daß es den Krieg nicht über das hinauserstrecken will, was der laut und klar hingestellte Zweck erfordert, für den Se. Majestät der Kaiser die Waffen zu ergreifen verpflichtet wurde. Es wird die von Lord Derby erwähnten englischen Interessen respek⸗ tiren, so lange England neutral bleibt. Es hat ein Recht zu er⸗ warten, daß die englische Regierung ihrerseits in gleicher Weise die besonderen Interessen, welche für Rußland bei diesem Krieg auf dem Spiele stehen und in deren Rücksicht es sich so große Opfer aufer⸗ legt hat, in billige Berücksichtigung ziehen wird. Diese bestehen in der absoluten Nothwendigkeit, der bejammernswerthen Lage der Christen unter türkischer Herrschaft, sowie dem chronischen Zustande dadurch hervorgerufener Unruhen ein Ende zu machen. Diese Lage der Dinge und die daraus eatspringenden Handlungen der Gewalt rufen in Rußland eine Bewegung hervor, bewirkt durch das im russischen Volke so tiefe christliche Mitgefühl und durch die Bande des Glaubens und der Race, welche dasselbe mit einem großen Theile der christlichen Bevölkerung der Türkei verbindet. Die Kaiser⸗ liche Regierung ist umsomehr verpflichtet, denselben Rechnung zu zgen, seit sie sowohl auf die innere als die äußere Lage des Reiches ihre Rückwirkung üben. Bei jeder dieser Krisen ist die russische Po⸗ litik verdächtigt und angeklagt worden, und Rußlands internationale Beziehungen, sein Handel, seine Finanzen und sein Kredit leiden darunter. Se. Majestät der Kaiser kann Rußland nicht ins Un⸗ begrenzte diesen unheilvollen Zufällen ausgesetzt lassen, welche seine friedliche Entwickelung hemmen und unberechenbaren Schaden zu⸗ fügen. Um ihre Quelle auszutrocknen, hat Se. Kaiserliche Majestät sich entschlossen, seinem Lande die Last des Krieges aufzuerlegen. Dies Ziel kann nicht erreicht wer⸗ werden, so lange nicht die christlichen Bevölkerungen der Türkei in eine Stellung gebracht sind, in welcher ihre Existenz und ihre Sicher⸗ heit wirkungsvoll gegen die unerträglichen Mißbräuche türkischer Verwaltung verbürgt werden wird. Dies Interesse, welches ein Le⸗ bensinteresse Rußlands ist, steht keinem Interesse Europas entgegen, das seinerseits selbst von dem unsicheren Zustande des Orients lecbet. Das Kaiserliche Kabinet bemühte sich, das erwünschte Ziel unter Mitwirkung der befreundeten und verbündeten Mächte zu er⸗ reichen, gezwungen, dasselbe jetzt allein zu verfolgen, ist unser erhabener Herr entschlossen, die Waffen nicht nieder⸗ zulegen, ohne daß er dasselbe vollständig, fest und wirksam esichert hat. Haben. Sie die Güte, diese Ansichten Lord erby vorzulegen, indem Sie ihm erklären, daß das Kai⸗ serliche Kabinet zu hoffen berechtigt ist, daß die Regie⸗ rung Ihrer britischen Majestät dieselben in demselben Geiste der Billigkeit würdigen werde, welcher uns veranlaßt, die Interessen Englands zu respektiren, und daß sie aus denselben die gleichen Schlüsse ziehen werde, wie wir selbst nämlich daß in den An⸗ sichten, welche mit gegenseitiger Offenheit zwischen den beiden Regie⸗ rungen ausgetauscht worden sind, nichts vorhanden ist, was nicht so ausgeglichen werden kann, um ihre freundschaftlichen Beziehungen und den Frieden des Orients und Europas aufrecht zu erhalten. Empfangen Sie ꝛc. Gortschakoff.

Das „Journal de St. Petersbourg “„vom 22. d. M. nimmt Notiz von den verschiedenen Angaben und Konjekturen, welche sich an den Besuch des Fürsten von Serbien in Plojesti knüpften. Es benützt diesen Anlaß, um von Neuem zur vorsichtigen Aufnahme von Nachrichten zu mahnen, welche dieser oder jener Regierung oder Persönlichkeit gewisse Ab⸗ sichten zuschreiben. Ueber den Fürstlichen Besuch selber schreibt das russische Blatt: „Derselbe entbehrte augenscheinlich von vorn e jedes ungewöhnlichen Charakters. Was war natür⸗ icher als der Wunsch des Fürsten Milan, den erhabenen Monarchen von Rußland, welcher sich so nahe an der serbischen Grenze befand, zu begrüßen. Was aber eine Theilnahme des an der militärischen Aktion betrifft, so ist es lar, daß dieselbe, sobald sie Oesterreich⸗Ungarn verstimmen

Seit Be samabl eit sie 4

könnte, in keiner Weise mehr nützlich wäre, und daß von da an die Nichttheilnahme am Kriege die einzige für Serbien ge⸗ iemende Haltung wäre, selbst wenn es nach den Eretgnissen ees letzten Jahres sich im Stande glaubte, aufs neue die Last eines Krieges übernehmen zu können.“

Europäischer Kriegsschauplatz.

Wien, 26. Juni. (W. T. B.) Wie der „Politischen Korrespondenz“ aus Bukarest vom 3.— Tage gemeldet wird, haben die Russen Hirsowa besetzt und zwar, wie es scheint, ohne Kampf, da die Türken es schleunig geräumt —2 sollen. Heute früh fand, wie weiter berichtet wird, mit

Lagesanbruch auf der ganzen Donaulinie eine sehr heftige Kanonade sämmtlicher russischen und rumänischen Batterien statt. Widdin wurde gestern durch die rumänischen Batterien und Rustschuk durch die russischen an verschiedenen Stellen in Brand geschossen. Kaiser Alexander ist, derselben Kor⸗ respondenz zufolge, heute nach Giurgewo abgereist und Fürst Gortschakoff mit der diplomatischen Kanzlei in Bukarest ein⸗ F Aus Galatz vom 26. d. geht der „Politischen

rrespondenz“ die Nachricht zu, daß vom 23. d. bis zum gestrigen Tage 28,000 Mann russischer Truppen bei Braila über die Donau gegangen sind. Von Galatz aus werde un⸗ uereenseechen Munition auf das jenseitige Ufer der Donau geschafft.

Bukarest, 24. Juni. geschrieben:

„Kaiser Alexander traf in der Nacht vom 21. auf den 22. d. M. in Braila ein, stieg aber nicht aus, sondern befahl, die Fahrt nach Galatz unverweilt fortzusetzen, um dort in den frühesten Morgen⸗ stunden die in dem Gefechte vom 21. d. M. verwundeten russischen Soldaten, welche nach Galatz gebracht wurden, zu besuchen. Nach diesem Besuche kehrte der Kaiser nach Braila zurück, wo er um 9 Uhr Morgens eintraf, die dort errichteten Batterien, die große über die Donau geschlagene Brücke und das dortige russische Lager besuchte. Um 11 Uhr Vormittags reiste der Kaiser wieder nach Plo⸗ jesti zurück. Die ersten Truppen passirten am 21. d. M. die Donau und zwar beiläufig 1000 Mann, welche über die Brücke nach Checit und von da nach dem zwölf Kilometer entfernten Ma*schin marschirten. Andere 3000 Mann wurden auf Dampfern und Barken, von welch letzteren jede acht Mann enthielt, direkt von Braila nach Matschin übersetzt. Die Dampfer machten die Tour zur Ueberführung der Truppen zwei Mal. Nach Matschin gelangten die Russen erst nach einem er⸗ bitterten und blutigen Kampfe mit den auf den Höhen von Matschin lagernden Türken, welche, da die Russen nicht von der Donau aus, sondern von einer hinter dem Gebirge führenden Straße vorrückten, rvom russischen Angriffe überrascht wurden. Trotzdem vertheidigten die Türken ihre Position so hartnäckig, daß die Russen mehrmals an⸗ griffsweise gegen sie vorgehen mußten und es zum Handgemenge kam. In der Nacht kampirten bereits die Russen auf den eroberten Höhen, woselbst sie von den Bulgaren benachrichtigt wurden, daß die Türken Matschin geräumt haben. Hierauf gaben die Russen von den Höhen, welche sie besetzt hielten, Feuersignale dem russischen Lager in Braila, um Sukkurs zu verlangen, welcher auch thatsächlich dorthin dirigirt wurde. Die nächste Vorrückung der Russen galt der Besetzung von Matschin. Gestern, den 23. d. M. Morgens 9 Uhr, hat der Ueber⸗ gang des ganzen russischen Armee⸗Corps in der beiläufigen Stärke von 20,000 Mann auf der Schiffbrücke von Braila be⸗ gonnen. Durch die Ueberschreitung der Donau zwischen Braila und Galatz und in der Gegend von Hirsova sind die Russen mit einem Schlage Herren der Dobrudscha geworden. Sie standen am 21. d. M. mit einer Armeedivision bei Ismail⸗Kilia, mit einem kompleten Armee⸗Corps bei Galatz und Braila, endlich mit einer Armeedivision gegenübet Hirsova und verfügen demnach auf dieser Donau⸗Strecke über 60⸗ bis 70,000 Mann. Ein weiteres Armeecorps, über dessen Bestimmung außer dem russischen Armee⸗ kommando wohl Niemand sonst Kenntniß haben kann, ist aus dem Inneren Rußlands im Anzuge. Sollten es die Umstände erheischen, daß dieses Corps an die untere Donau⸗Strecke dirigirt werde, so würde die russische Truppenstärke daselbst auf ca. 100,000 Mann steigen, eine Macht, welcher die Türken in dieser Gegend schwerlich eine ebenbürtige entgegenstellen können. Die Türken haben in der Dobrudscha nur ca. 15,000 Mann, von denen ein großer Theil in den festen Plätzen und Positionen an der Donau vertheilt war und der Rest in der Gegend von Babadag in Reserve stand. Ihre Hauptkraft befindet sich in den Festungen Rustschuk, Silistria, Schumla, Varna und dem durch diese Festungen begrenzten Raume (dem sogenannten Festungsvierecke). Von den hier konzentrirten Truppen wird aber kaum etwas gegen die Dobrudscha in Verwen⸗ dung kommen können, da mittlerweile die russische Hauptkraft an anderen Punkten den Donau⸗Uebergang bewerkstelligt und das Gros der türkischen Armee auf sich gezogen 1. dürfte, falls es die Türken überhaupt angezeigt finden, dem Feinde in offener Feldschlacht entgegenzutreten.

Ueber die Vorbereitung der Russen zum Donau⸗ Uebergang wurde der „Daily News“ von ihrem Kriegs korrespondenten aus Braila bereits am 21. d., also am Tage vor der Aktion, berichtet:

„Heute Nacht wird der Brückenschlag von Braila nach Ghecit eine vollendete Thatsache werden. Bis jetzt sind nach zweitägiger harter Arbeit, aber ohne Belästigung von Seite der Türken, zwei Theile der Brücke aufgestellt worden, einer von Braila, der andere von Ghecit aus, und es bleibt noch in der Mitte des Flusses, wo die Strömung am stärksten ist, ein Zwischenraum von 150 Yards zu überbrücken. Die Russen hatten im Ganzen etwa tausend Floß⸗Pontons gebaut, hauptsächlich im Sereth, wovon eine Froßhe Zahl bei Braila verwendet worden ist, doch leiben noch immer genug für einen Brückenschlag bei Galatz übrig. Jedes Floß ist zusammengesetzt aus großen runden Balken, die mit einander fest verbunden sind und die Unterlage für eine Plankenschicht bilden. Auf diesem Plankenboden sind Holzböcke errichtet, welche die obere die Fahrbahn der Brücke bildende Plankenschicht tragen. Jedes Floß ist für sich etwa hundert Fuß stromaufwärts verankert. Seit mehreren Tagen sind Arbeiterabtheilungen von je 500 Mann, die alle Morgen über den Strom gehen, damit beschäftigt, auf dem Ueberschwemmungsterrain einen Straßendamm längs des alten Donaubettes von Ghecit gegen Matschin zu errichten. Eine Strecke von etwa englische Meile ist schon fertig, aber bis Matschin sind noch fünf englische Meilen zu vollenden, deren Her⸗ stellung viel Zeit erfordern dürfte. Gestern machte ein Detachement Kosaken eine Rekognoszirung gegen Matschin und gelangte sehr nahe bis zu dem Orte, aber die Reiter wären bei diesem Wersuche sammt den Pferden fast ertrunken, und kamen heim, mit Schlamm bis zu den Augen bedeckt. Für die gesicherte Ueber⸗ sühe der Truppen sind ferner mehreere große Schiffe mit starken

Der „Pol. Korr.“ wird von hier

ölzernen Brustwehren und Schutzdächern, die mit Eisenblech be⸗ chlagen sind, versehen worden. Die Türken haben aber noch nicht den mindesten Versuch einer Behinderung des Ueberganges gemacht. Von Braila aus sind nur zwei kleine türkische Lager auf den Höhen oberhalb Matschin zu sehen. Schon gestern (20. d.) wurden während des ganzen Tages Infanterie in Abtheilungen von je vierzig Mann von Galatz aus nach einer trockenen und festen Stelle am jenseitigen Ufer überschifft, von wo aus auf einem gewundenen, aber trockenen Wege die Hügelgegend zu erreichen sein soll. In Braila und Galatz stehen nun etwa 40,000 Mann unter dem Oberbefehl des Generals Zimmermann. Namentlich sind genug Kosaken da, um die Türken, falls sie Matschin vertheidigen sollten, in der rechten Flanke anzugreifen und zu beunruhigen. Die Brücke bei Braila hat eine Länge von sieben⸗ bis achthundert Yards

(640 bis 730 Meter) und erstreckt sich auch über das überschwemmte

Uferland auf türkischer Seite. Außerdem haben die Russen heute eine große Anzahl von Flößen in den Stromarm, wo die beiden türkischen Monitors in den Grund geschossen worden sind, ver.. ankert. Zur Vermehrung der Zahl ihrer Kanonenboote sa ee Russen auch alle hier im Hafen zurückgebliebenen Handelsschiffe füür Geschütze eingerichtet. Sieben hölzerne Schaluppen sind mit Eisen. platten gepanzert worden. Jede führt zwei Geschütze und 200 Mann. Heute um 2 Uhr Nachmittags hat General Zimmermann die Ordres ür den Uebergang ausgegeben. Man erwartet, daß der größte Theil des XIV. Corps binnen 24 Stunden auf der Brücke und den Schiffen die Donau wird passirt haben.“

Ueber die Dobrudscha giebt das Werk „Briefe über Zustände und Begebenheiten in Türkei aus den Jahren 1835 1839“ folgende Schilderung:

„Das Land ist eine Wüste, wie man sie in Europa kaum er⸗ warten sollte. Die städtische Bevölkerung mitgezählt, werden auf die Quadratmeile schwerlich mehr als 300 Einwohner zu rechnen sein. In dem nördlichen Th ile der Dobrudscha erheben sich die schroffen Gebirge von Matschin, die zum Theil schön bewaldeten Beschtepe oder „fünf Berge“ und die Höhen von Babadagh oder Altvater Gebirge“. Weiter südlich hingegen bildet das ganze Land ein niedri⸗ ges, wellenförmiges Hügelterrain, welches sich nur wenige 100 Fuß über den Meeresspiegel erhebt. Der Boden besteht aus einer grauen feinen Sandmasse, in welcher alles Wasser versiegt und selbst durch die darunter liegende Kalksteinschicht durchsickert. Vergebens sucht man in den Thälern nach Bächen oder Quellen und das spärliche Trinkwasser in den weit auseinanderliegenden Dörfern wird an oft 80 bis 100 Fuß langen Bastseilen aus wenigen Brun⸗ nen emporgezogen. Sowohl wegen dieser Wasserarmuth als wegen der dünnen Bevölkerung ist der Ackerbau in der Dobrudscha äußerst gering, und man darf eben so wenig hoffen, Getreidevorräthe oder Rauhfutter in den Dörfern vor⸗ zufinden, denn das Gras verdorrt schon im Frühsommer und bildet unabsehbare wogende Flächen von hohen, aber dürren Halmen. Die zahlreichen Schaf⸗ und Büffelheerden weiden dann meist in der Niederung der Donau und auf ihren Inseln. Nirgends, auch nicht in den Dörfern, findet man irgend einen Baum oder Strauch. Ebenso wüst und verödet, wasser⸗ und holzlos, ja noch ärmer an Allem ist der Theil von Bulgarien jenseits des Trajanswalles bis gegen Bazardschik und eine Kolonne, welche die Mitte dieser Land⸗ striche durchzieht, muß sich darauf gefaßt machen, längs einer Strecke von 25 Meilen mit dem Mangel an allen Lebensbedürfnissen und Subsistenzmitteln zu kämpfen. Offiziell wird die etwa 200 Quadratmeilen umfassende Dobrudscha das Sandschak (Be⸗ zirk) von Tultscha genannt. Wie auf der gesammten Strecke vom Eisernen Thore an, bis wo sich die Donau bei Rassowa nordwärts wendet, so überhöht auch in der Dobrudscha das rechte, türkische, Ufer bei weitem das linke, rumänische. Bei Matschin biegt die „alte Donau“ im rechten Winkel um, direkt auf Braila zu, wo sie sich mit dem westlichen, weniger gut schiffbaren Arme vereinigt, um das einzigemal zwischen Silistria und dem schwarzen Meere in einem ungetheilten Bette dahinzuströmen. Hier ist deshalb nebst Hirsowa der günstigste Uebergangspunkt für ein an⸗ greifendes Heer: kein vielverzweigtes Stromnetz und keine steile Bergwand hindert den Angriff, und die Festung von Matschin kann keinen besonderen Widerstand leisten, da sie stark verfallen ist. Wo unterhalb Braila die Donau wieder in ihre alte östliche Richtung umbiegt, tritt von beiden Seiten das feste Land nahe an den Strom heran und bildet die letzte; dem Eisernen Thor gewissermaßen analoge Stromenge. Der südliche, türkische, höhere Rand mit den Städten Isaktscha und Tultscha, der befestigten Hauptstadt des ganzen Sandschak, ist ein geradlinig nach Ostfüdost gerichtetss, von Lehmterassen umsäumtes Gebirge, welches am Donauarme Dunavetz sein Ende erreicht. Von Galatz an durchströomt die Donau Niederungen voller Schilf, Weidengebüsch und Seen, und stößt nur bei den drei Hauptorten Isaktscha, Tultscha und Mahmudie je eine kurze Strecke an das feste Uferland. Vor Tultscha theilt sich der Strom, um in drei großen, wieder mehrfach sich gabelnden Armen das Meer zu erreichen. Südlich vom Delta hat die Strom⸗ anschwemmung frühere Meeresbuchten, welche einst bis unmittel⸗ bar an die steil abfallende Dobrudschaterrasse heranreichten, in ausgedehnte, gegen das Meer fest abgeschlossene Lagunen (Razemsee und Sinüi⸗Liman) verwandelt, welche ebenso wie der kleine See von Babadagh und der Taschaulsee salziges Wasser haben. Der gebirgige Norden der Dobrudscha zerfällt in drei hauptsächlich von Südost nach Nordwest streichende Gruppen, die von Matschin im Nordwesten und jene von Babadagh im Süden, beide mehr oder weniger fest geschlossene Gebirgsmassen, welche von Lehmablagerungen umgeben sind, während die deitte Gruppe im Nordosten, jene von Tultscha, ein ausgedehntes Lehmterrain darstellt, aus welchem das ältere Grundgebirge nur hier und da in Gestalt von einzelnen Bergen, Kuppen und auch Gebirgszügen herausragt. Wenn der Reisende sich, gleichviel von welcher Seite her, Matschin nähert, so erblickt er ein ungemein schroffes, vielgipfliges Gebirge, welches bei weitem höher zu sein scheint, als es wirklich ist. Die Einschaitte zwischen den einzelnen Gipfeln sind auffallend tief und die Gipfel selbst zeich⸗ nen sich als spitze Pyramiden, ja mitunter nadelgleich am Horizont ab. Südlich daran stößt das höhere, aber weniger schroffe Gebirge von Gretschi, auf dem der größte aber immer noch wasserarme Bach der Dobrudscha, der Taiza, entspringt. Oestlich davon nach Isaktscha zu dehnt sich ein Melaphyrstock mit runden Formen aus, dessen weniger mitgenommene Eichenbestände ihm den Charakter eines Waldgebirges verleihen. Die südliche Gruppe, jene von Babadagh, ist ein geschlossenes Waldgebirge aus Kalkmergel, das im Kuru Sakir mit 538 Meter die höchste Spitze der Dobrudscha bildet. Die älteste Stadt des Landes, Babadagh, ist an diese üppig grünen Berge gelehnt; über den Rücken derselben führt die der Dobrudscha, die Straße von Tultscha über Zabadagh, Medschidie und Bazardschik nach Konstantinopel. Südlich von diesem Gebirge dehnt sich weithin bis an den Nordfuß des Balkan ein ödes Lehmplateau aus, das in der Nähe der Donau bei Hirsowa, Tschernawoda und Rassowa an Ala Bair, Devedschi⸗Tepa und Sapata seine größte Höhe hat, um nach der Seeküste bei Küstendsche sich allmählich zu senken. Südwärts von der Eisenbahn⸗ linie Küstendsche⸗Tschernawoda licgt die höchste Erhebung desselben, welche zugleich die Wasserscheide bildet, mehr in der Mitte zwischen der Donau und dem Meer, aber doch letzterem näher. Dieses ganze weite Terrain ist ziemlich stark coupirt. Die Bevölkerung der Dobrudscha ist in den Städten und Dörfern bunt zusammengewürfelt, so daß es nur im Allgemeinen gelten kann, wenn man sagt, daß am Saume der Dobrudscha längs der Donau und in deren Delta Rumänen, im Centrum bis herab nach Basardschek Türken und Tataren, an der Küste bei Küstendsche, Mangalia und südlich von Varna Griechen, dann gemischt im Süden Bulgaren und Türken sitzen. In geringer Menge kommen auch noch Russen, Deutsche (in vier Dörfern im Norden), Zigeuner, Armenier und Juden vor. Die Einwohnerzahlen der Hauptorte sind: Tultscha 10 12,000, Babadagh 7000, Matschin und Küstendsche je 5000, Medschidie 3200, Hirsowa 2000, Sulina 1200.“

Konstantinopel, 26. Juni. (W. T. B.) Hier ein⸗ gegangenen Nachrichten zufolge wäre der Einmarsch der Tür⸗ ken in Cettinje unmittelbar bevorstehend. 1

Aus Cettinje, 23. Juni, 10 Uhr Nachts wird der „Pol. Korr.“ berichtet: Heute ist der siebente Se daß ein Kampf am linken Ufer der Zeta und des Drim geführt wird. Von heute Morgens bis 7 Uhr Abends dauerte der Kampf ununterbrochen zwischen den Dörfern Sanaici und Ninici fort. Der Verlust der Türken beträgt über 3000 Mann; die Montenegriner verloren eine beträchtliche Zahl an Todten und Verwundeten. 1“

Mit Bezug auf die jüngsten Kämpfe in Monte⸗ negro bemerkt die W. „Presse“: „Montenegro zerfällt nach der