ionsunterrichte zu geschehen habe. Der Minister der geist⸗ üichen ꝛc. Angelegenheiten hat jedoch am 18. Februar 1876 ein Reskript erlassen, nach welchem die Ertheilung des reli⸗ giösen Unterrichts in den Volksschulen unabhängig von der missio canonica ist. Der katholische Klerus der Diözese Münster laubte dieses Reskript mit Rücksicht auf Art. 24 der Ver⸗ fassungs⸗Urkunde und auf den erwähnten Allerhöchsten Erlaß ignoriren zu dürfen, und erwirkte ein päpstliches Schreiben dahin gehend, daß diejenigen katholischen 5 und Lehre⸗ rinnen, welche ohne Erlaubniß der kirchlichen Oberen und wider das Verbot des Pfarrers Religionsunterricht ertheilten, von den Sakramenten auszuschließen seien. Dieses Schreiben wurde in mehreren Zeitungen veröffentlicht und kam zur Kognition des Strafrichters. In der höchsten Instanz hat sich das Ober⸗Tribunal, in Uebereinstimmung mit den Vorinstanzen und der Anklage, dahin ausgesprochen, daß das erwähnte Reskript des Kultus⸗Ministers vom vorigen Jahre rechtsgültig und vom katholischen Klerus zu respektiren ist. „Was zuvörderst die angezogene Verfassungsbestimmung anbelangt,“ führt das Erkenntniß des Ober ⸗Tribunals aus, jso sind die Vorderrichter mit Recht von der auch vom Ober⸗ Tribunal bereits wiederholt gebilligten Auffassung ausgegangen, daß der Art. 24 nicht gegenwärtiges Recht enthalte, da der Art. 112, nach welchem es bis zum Erlaß des im Art. 26 in Aussicht gestellten Unterrichtsgesetzes hinsichtlich des Schul⸗ und Unterrichts⸗ wesens bei den bisherigen gesetzlichen Bestimmungen be⸗ wendet, sich auch auf Artikel 24 bezieht. welcher in Ver⸗ bindung mit Artikel 25 speziell das Volksschulwesen und als einen integrirenden Theil desselben auch den religiösen Unter⸗ richt in der Volksschule zum Gegenstande hat.. Zwar hat ein Allerhöchster Erlaß vom 9. August 1858 in Bezug auf die Anstellung von katholischen Elementarlehrern zur Herbei⸗ führung eines gleichmäßigen Verfahrens innerhalb der Regierungsbezirke Münster, Minden und Arnsberg ge⸗ nehmigt, daß die Königlichen Regierungen daselbst ver⸗ pflichtet werden, vor Ernennung ober Bestätigung katholischer Elementarlehrer oder Elementarlehrerinnen nich allein den Bischof zu befragen, sondern auch die Ernennung und Bestätigung erst nach erklärtem Ein⸗ verständnisse des Bischofs eintreten zu lassen und den Lehrer erst nach oder gleichzeitig mit Behändigung der kanonischen Mission ins Amt einzuführen. Auch kann nicht mit dem Königlichen Ober⸗Prokurator angenommen werden, daß dieser Allerhöchste Erlaß durch die neuere Gesetzgebung, insbesondere das Gesetz vom 11. März 1872, ohne Weiteres seine Geltung verloren Fabe. weil das Gesetz vom 11. März 1872, das ein⸗ zige diese Materie Fhhstenht berührende neuere Gesetz, in §. 3 ausdrücklich bestimmt, daß der Art. 24 der Verfassungs⸗ Ürkunde unberührt bleibt, und damit auch ausspricht, daß bezüglich der Frage der Leitung des Religionsunter⸗ richts (Art. 24 Abs. 2) eine Aenderung des bestehenden gesetzlichen Zustandes nicht eintreten solle. Der mehr⸗ erwähnte Allerhöchste Erlaß jedoch ist weder in der Gesetz⸗ Sammlung noch in sonst verbindlicher Weise, vielmehr lediglich vom Bischof von Paderborn in seinem amtlichen Kirchenblatte veröffentlicht worden und zur Kenntniß der zur Ausführung berufenen staatlichen Behörden nur durch eine im Auftrage des Kultus⸗Ministers erlassene Instruktion des Ober⸗ Präsidenten von Westfalen vom 7. Februar 1859. gelangt. Mithin kann dieser Erlaß nicht als eine zur Ausfübrpe Sinfe KGies zesdelche zu ihrer Abänderung oder Aufhebung eines neuen Königlichen Erlasses oder eines Akts der Gesetzgebung be⸗ darf, angesehen werden, vielmehr erscheint er nur als eine auf Befehl Sr. Majestät des Königs erlassene Verwaltungs⸗ maßregel, welche von dem zuständigen Verwaltungs⸗Minister mit demselben Rechte wieder abgeändert oder aufgehoben wer⸗ den darf, mit welchem sie von ihm ohne Beobachtung der für Publikation Königlicher Verordnungen mit Gesetzeskraft vor⸗ geschriebenen Form geürofhen worden ist, indem in einem der⸗ artigen Falle der Königliche Befehl sich lediglich als ein In⸗ ternum zwischen dem Staatsoberhaupte und dem ihm unter⸗ gebenen Minister darstellt, und es für Dritte ohne Bedeutung ist, ob auch zur Abänderung oder Aufhebung der betreffenden Maßregel eine Königliche Ermächtigung ertheilt war.“
— Der Königliche Gesandte am Großherzoglich badischen Hofe, Graf von Flemming, ist nach Karlsruhe zurück⸗ gekehrt und hat die Leitung der Gesandtschaft wieder über⸗ nommen.
Bayern. München, 8. September. (Allg. Ztg.) Se. Kaiserliche Hoheit der Kronprinz hat bezüglich der nunmehr zu Ende geführten diesjährigen Inspizirung der Truppen in Würzburg, Bamberg, Nürnberg und der Ka⸗ vallerie⸗Division bei Straubing, sowohl hinsichtlich der Füh⸗ rung der Truppen, als ihrer Leistungen und taktischen Aus⸗ bildung, nach jeder Richtung hin Seine vollste Zufriedenheit und Anerkennung in einer die bayerische Armee höchst ehrenden Weise kundgegeben.
— (W. T. B.) Die Einberufung des Landtags zum 27. d. M. ist nunmehr erfolgt.
Baden. Schloß Mainau, 7. September. Der Großherzog und der Erbgroßherzog werden Sonntag, den 9. d., Süche Ma nau verlassen und gedenken, wie die „Karlsr. Ztg.“ berichtet, am 10. d. früh auf Schloß Brühl einzutreffen. Am 10. wird der Großherzog an der Parade des VIII. Armee⸗Corps Theil nehmen und dem Kaiser das Rheinische Ulanen⸗Regiment Nr. 7 vorführen, dessen Chef der Großherzog ist. Auch am 11. d. wird Se. Königliche Hoheit an dem Corpsmanöver Theil nehmen. Am 12. d. be⸗ absichtigt der Großherzog nach Karlsruhe An diesem Tage gedenkt die Großherzogin mit der Prinzessin Victoria und dem Prinzen Ludwig gleichfalls wieder in der Residenz einzutreffen. Der Erbgroßherzog tritt am 10. d. zur Dienstleistung während der Manöverzeit in das 1. Badische Leib⸗Grenadier⸗Regiment Nr. 109 ein.
Hessen. Darmstadt, 8. September. Der Groß⸗ herzog und die Großherzogin sind mit dem Erbgroßherzog
und den Prinzessinnen heute Mittag hier wieder eingetroffen und feierlich empfangen worden. 8
Oesterreich⸗Ungarn. Wien, 8. September. Der Kaiser ist gestern, den 7. d. M., nach Kaschau gereist. — Der Graf Andrassy hat sich gestern nach Ungarn begeben, um seine Familie, die den d est der Sommersaison auf den Gütern des Grafen zubringen wird, dahin zu begleiten. Die Reise des⸗ selben ist, der „W. Abendpost“ zufolge, auf wenige Tage fe
1*
etzt. — Die „Wiener Ztg.“ meldet heute die Ernennung des
ommandirenden Generals zu Agram, F. Z⸗M. Frhrn. von Molinary, zum kommandirenden General zu Brünn und des kommandirenden Generals daselbst, F. Z. M. Frhrn. von Philippovich, zum kommandirenden General zu Agram.
— Im Ausgleichsausschusse, welcher gestern die Branntweinsteuer berieth, erklärte sich der Finanz⸗Minister unter Anerkennung der Wichtigkeit des Prinzipes der Pro⸗ duktensteuer, doch mit Rücksicht einerseits auf den Stand der Branntweinbesteuerung in den mit Oesterreich⸗Ungarn konkur⸗ rirenden Nachbarstaaten, andererseits mit Rücksicht auf das Widerstreben gegen diese Maßregel von ungarischer Seite gegen die Aufnahme des vom Subcomité beantragten Passus. Bei der Abstimmung wurde jedoch der Zusatz des Subcomités, demnach die obligatorische Einführung der Produktenbesteue⸗ rung für alle größeren Brennereien vom 1. September 1882, mit 19 gegen 6 Stimmen beschlossen. Ueber diesen Differenz⸗ punkt wird nunmehr das Einvernehmen zwischen beiden Re⸗ gierungen zu pflegen sein.
Pest, 7. September. B n50 heute die Spezialdebatte über die Spiritussteuervor⸗ lage fort und erledigte die §§. 28 bis 92, welche ohne wesent⸗ liche Modifikationen angenommen wurden. — Der Bank⸗ ausschuß setzte heute die Berathung über die Statuten der österreichischꝛungarischen Bankgesellschaft sort. — Die Mitglieder der gegenwärtig berathenden Ausschüsse des Abgeordnetenhauses und der Finanz⸗Minister Szell beschlossen, auf Antrag Zsedényi’'s, Madame Thiers tele⸗ graphisch das Beileid auszudrücken und die österreichisch⸗ ungarische Botschaft in Paris zu ersuchen, einen Kranz auf die Bahre Thiers niederzulegen.
— 8. September. Der Finanzausschuß des Abge⸗ ordnetenhauses beendete heute die Berathung über den Spiritussteuer⸗Gesetzentwurf. Die Ausbeute an Alkohol wurde trotz des Eintretens des Finanz⸗Ministers auf Antrag des Abg. Wahrmann mit 5 Grad fixirt, für die Bierbrauereien wurden anstatt 34 Hektoliter 45 mit gradativ wachsendem Steuernachlaß und 5 anstatt 10 Hektoliter bebauten Terri⸗ toriums festgestellt.
Kaschau, 8. September. Der Kaiser ist heute früh hier angekommen. Zum Empfange hatten sich der Erzherzog Albrechteingefunden, ferner der Landeskommandirende Baron Edelsheim, die Spitzen der Militär⸗ und Civilbehörden, der Erzbischof von Erlau, die Bischöfe von Kaschau, Zips, Rosenau, Ungvar und der Abt der Prämonstratenser. Der Kaiser, der die Campagne⸗Uniform eines Kavallerie⸗Generals trug, besichtigte die ausgerückte, vom 65. Infanterie⸗Regiment bei⸗ gestellte Ehren⸗Compagnie, und fuhr sodann in Begleitung des Erzherzogs Albrecht durch die festlich geschmückte Stadt. Im Gefolge des Kaisers befanden sich auch die Minister Graf Bylandt und Tisza, und die Offiziere der fremden Armeen. Se. Majestät stieg im bischöflichen Palais ab. — Zur Kirchen⸗ parade waren 11,000 Mann Infanterie und Honveds, 24 Ge⸗ schütze und 2000 Reiter in 4 Treffen ausgerückt.
Agram, 5. Sept mber. In der heutigen Landtags⸗ sitzung interpellirte der Abg. Folnegovic den Banus über das Polizeiverbot “ 8ö Foner ngen in
iume, kroatische Fahnen auszustecken und darihor, daß aus⸗ Fünnnae 1ssche Fassten gerzaltsam entfernt worden seien. a9z. Bern, 7. September. (N. Zürch. Ztg.) In der gestrigen Sitzung des Bundesraths wurde dem Hrn. J. Eglinton⸗Montgomery das Exequatur als Konsul der Vereinigten Staaten von Nordamerika in Genf, in Er⸗ setzung des verstorbenen Hrn. Upton, ertheilt.
— 8. September. Nachdem der Bundesrath der Regie⸗ rung des Kantons Tessin unterm 3. September empfohlen, die militärische Okkupation von Lugano nicht länger als nöthig andauern zu lassen, meldet der dortige Staatsrath, daß er hiermit einverstanden sei, und es hat derselbe von den drei Okkupations⸗Compagnien bereits zwei entlassen.
Andererseits wird der „N. Zürch. Ztg.“ aus Lugano unter dem 7. September gemeldet: Die Regierung verlangt von der Gemeinde Lugano die Bezahlung von 12,000 Fr. als Kosten der militärischen Okkupation, ansonst die letztere fort⸗ dauern würde. Die Munizipalität verweigert die Bezahlung.
Großbritannien und Irland. London, 7. Sep⸗ tember. (E. C.) Der Prinz von Wales ist von Havre nach der Insel Wight zurückgekehrt. Se. Königliche Hoheit wird in den nächsten Wochen Yorkshire besuchen. — Der irländische Abgeordnete Mr. Butt hat in einem Briefe er⸗ klärt, das Verfahren der obstruktiven Mitglieder sei verfassungswidrig und könne nur die Wirkung haben, die Sache der Home Rule⸗Partei unwiderherstellbar zu schä⸗ digen. — Nach einem neuen Telegramm des Vizekönigs von Indien sind die Ernteaussichten in Folge von Regen⸗ güssen in Madras, Bombay und Bengalen besser geworden.
Frankreich. Paris, 7. September. Das „Journal officiel“ veröffentlicht folgenden Bericht des Ministers des Innern an den Präsidenten der Republik:
Herr Präsident! Von einem Gefühle geleitet, welches das Land mit Ihnen theilte, haben Sie befohlen, daß das Leichenbegängniß des Herrn Thiers durch die Fürsorge und auf Kosten des Staates veranstaltet werde, und ebenfalls auf Ihre Weisung habe ich die Ehre gehabt, Frau Thiers den Wortlaut Ihres Dekrets und des demselben vorangegangenen Berichts zu unterbreiten. Die Aufnahme, welche diese Mittheilung fand, berechtigte mich zu der Annahme, daß nichts mehr der Ausführung eines Beschlusses in den Weg treten würde, der lediglich den Zweck hatte, dem Grave Ihres Heebmüen Vorgängers eine letzte Ehre zu erweisen. Heute aber hat mir die Familie des Herrn Thiers erklären lassen, sie glaube diese Ehre nur unter der Bedingung annehmen zu können, daß sie selbst die Ordnung einer Staatsceremonie regelt, welche Sie nach dem Gesetz keiner privaten Leitung überlassen dürfen, und die hierdurch auch ihren nationalen Charakter verlöre. Ich muß also, Herr Präsident, bei Ihnen die Zurücknahme des in Rede stehenden Dekrets beantragen, kann aber nicht umhin, gleichzeitig mein tiefes Bedauern darüber auszu⸗ sprechen, daß Bedingungen, deren Charakter ich hier nicht zu würdi⸗ gen habe, die feierliche Huldigung unmöglich machten, welche Sie im Namen der Nation einem großen Andenken darbringen wollten. Ich verbleibe u. s. w. 16
Genehmigt:
Marschall v. Mac Mahon, Herzog von Magenta. 3
— (Fr. C.) Das Begräbnißdes Herrn Thiers ist nun⸗ mehr auf morgen Mittag angesetzt und wird, da der Kardinal⸗ Erzbischof von Paris, sobald er erfuhr, daß der Staat seine Hand zurückgezogen habe, die Madeleine⸗Kirche nicht hergeben wollte, in der Pfarrkirche des Verstorbenen, Notre⸗Dame⸗de⸗ Lorette, gefeiert werden. Die Behörde hat, um ihren guten Willen zu zeigen, erlaubt, daß der Zug sich nicht auf dem kürzesten Wege, der durch die Rue Chauteaudun und dier Rue Lafayette gefuͤhrt hätte, sondern über die großen Boulevards
v. Fourtou.
Der Finanzausschuß setzte
nach dem Pere⸗Lachaise bewege. Das Pariser Platzkommando wird, wie für das Begräbniß jedes Großkreuzes der Ehren⸗ legion, eine Division stellen. Die radikalen Blätter ermahnen die Bevölkerung eindringlich zur Ruhe.
— 9. September. (W. T. B.) Der Marschall⸗Prä⸗ sident ist heute früh nach der Gironde abgereist. Derselbe wird heute bei dem Herzog Decazes auf dem Schlosse Lagrave übernachten.
— Das „Journal officiel“ meldet unter dem 8. September: „Das Leichenbegängniß des Hrn. Thiers, ehemaligen Präsidenten der Republik, Großkreuzes der Ehrenlegion, hat heute in der Kirche Notre⸗Dame⸗de⸗Lorette stattgefunden. Die Ehrenbezeugungen wurden von 10 Bataillonen Infanterie, 3 Schwadronen Kavallerie und 2 Batterien Artillerie, unter dem Kommando des Divisions⸗Generals von Braner, erwiesen. Nach dem Gottesdienst wurde die Leiche nach dem Kirchhofe Pore⸗Lachaise übergeführt, wo sie beigesetzt worden ist.“
— Ueber das Leichenbegängniß liegen ferner fol⸗ gende Telegramme des „W. T. B.“ vor.
Paris, 8. September, Mittags 12 Uhr. Des seit gestern eingetretenen anhaltenden Regenwetters ungeachtet ist zu dem Leichenbegängnisse Thiers eine große Menschenmasse zusammen⸗ geströomt. Die Magazine und Läden sind da, wo der Zug vorüberführt, geschlossen. Die Bevölkerung verhält sich ruhig.
— Nachmittags 3 Uhr. Uürs Thiers und Fräulein Dosne wohnten der kirchlichen Leichenfeier in einer Seiten⸗ kapelle bei und folgten dem Zuge dann zu Wagen. Gam⸗ betta wurde bei dem Heraustreten aus der Kirche von der Menge mit sympatischen Zurufen begrüßt. Um 2 Uhr lenkte der Zug, welchem eine Schwadron der Gardes de Paris vor⸗ auf ritt, in die Boulevards ein. Die zu beiden Seiten der Boulevards stehende zahllose Menge ließ den Kondukt in ehr⸗ erbietiger Haltung und entblößten Hauptes vorüberziehen, nur vereinzelte Rufe: Es lebe die Republik!“ wurden laut.
— Abends. Von den Rednern, die am Grabe Thiers sprachen, gab Grévy einen Umriß von Thiers parlamenta⸗ rischer Laufbahn. Derselbe hob insbesondere das Opfer hervor, das Thiers, indem er seine monarchischen Ueber⸗ zeugungen aufgegeben, der Republik gebracht habe, die von ihm als die allein mögliche Staatsform angesehen worden sei. Dieses Opfer sei ihm sehr schwer geworden, aber sein Patriotismus habe hoch über allen anderen Erwägungen ge⸗ standen. Der Admiral Pothuau rühmte Thiers kompetentes Urtheil in militärischen Dingen. Sarcy und Vitry feierten den Verstorbenen als nationalen Historiker und ausgezeich⸗ neten Redner. Jules Simon endlich legte in seiner Rede das Hauptgewicht darauf, daß Thiers sich stets vor der parla⸗ mentarischen Majorität gebeugt habe. Alle Reden ernteten lauten Beifall. Die Beerdigungsfeier verlief und schloß ohne jeden Zwischenfall. 1 18”
— Abends. (Später.) Die Mehrzahl der zur Zeit hier anwesenden Mitglieder des diplomatischen Corps, ins⸗ besondere der russische und italienische Botschafter, die Ge⸗ sandten der Schweiz und Spaniens, “ der neue amerikanische Gesandte Noyes und dessen Vorgänger, Wash⸗ burne, wohnten dem Leichenbegängnisse Thiers persönlich bei. Frau Thiers gab der Leiche bis auf den Friedhof dasg Goleite. Eine große Anzahl von Läden war ge⸗ schlossen oder hatte zum Zeichen der Trauer die Firmen⸗ schilder verhüllt. Gambetta, der bei dem Heraustreten aus der Kirche Notre⸗Dame de Lorette mit sympathischen
Furhefagn begrüßt worden war, mischte sich rasch unter die 8
ahl der übrigen ehemaligen Deputirten, um weitere Ova⸗
tionen zu vermeiden, und verließ den Friedhof, noch ehe .
die Reden gehalten wurden. In den Friedhof durften nur die zum Leichenkondukte gehörigen Personen eintreten. Die Reden auf dem Friedhofe waren durchaus gemäßigt und riefen keinerlei politische Demonstration hervor. Die in den Straßen versammelte Menge beobachtete ein ehrerbietiges Schweigen, und die an einzelnen Punkten laut werdenden Rufe: „Es lebe die Republik!“ verstummten, sobald von den den Leichenzug Bildenden der Wunsch auf Unterlassen der Rufe angedeutet wurde. Nirgends fiel ein CEö Wort, und die Stadt trägt heute Abend vollständig ihr ge⸗ wöhnliches Aussehen.
— 9. September, Abends. Heute hat eine Sitzung des republikanischen Comités stattgefunden, in welcher be⸗ schlossen wurde, über die gestrigen Manifestationen eine offizielle Kundgebung an das Land zu richten.
— 10. September. Die Senatoren der Linken haben an Frau Thiers eine Adresse gerichtet und derselben für ihren Muth und für ihren Patriotismus ihren Dank aus⸗ gedrückt. Paris habe ihrem verstorbenen Gatten einen seiner würdigen Triumph zuerkannt. Sein Leben lehre Mäßigung, Beharrlichkeit und bürgerliche Pflichterfüllung und berechtige zu dem Vertrauen, daß die Sache der Freiheit und des Ge⸗ setzes siegen werde.
Italien. Rom, 8. September. (W. T. B.) Der Papst hat heute die Pilger aus Angers empfangen.
Türkei. Aus Syra wird der „Times“ unterm 7. ds. tele⸗ graphirt: „Ein Privatbrief aus Adrianopel, datirt 1. Sep⸗ tember, theilt mit: Drei und dreißig Personen wurden heute gehenkt und jeden andern Tag finden Hinrichtungen statt. Man wählt jetzt die wohlhabendsten und achtbarsten Leute aus, und konfiszirt ihr Eigenthum. Achtzig der angesehendsten Einwohner von Karlowa sind hier gehenkt worden, und zwar diejenigen, die im Bewußtsein ihrer Unschuld nicht die Flucht ergriffen hatten. Am 29. August kamen 2500 Verwundete in Adrianopel an, für deren Pflege nur drei türkische Aerzte vorhanden sind. Es existirt kein einziges Hospital in der Stadt.“
Amerika. New⸗York, 6. September. (R. B.) Die republikanische Partei in Pennsylvanien hat Reso⸗ lutionen angenommen, welche erklären, daß sie die Meinungs⸗ verschiedenheiten, welche bezüglich der südlichen Politik des Präsidenten bestehen, anerkenne und achte. Sie ehre die patriotischen Motive des Präsidenten, hoffe, er werde Er⸗ folg haben, und verspreche seinen Anstrengungen zur Ausfüh⸗ rung der Prinzipien des republikanischen Programmes ihre Unterstützung. Die Resolutionen verlangen ferner die Re⸗ monetisirung des Silbers und begünstigen die Einführung eines Schutzzolltarifs. Schließlich mißbilligen sie die Gewalt⸗ thaten der an dem Eisenbahnstrike Betheiligten und danken dem Gouverneur Hartranft für die Unterdrückung des Strikes.
— 7. September. Die Wahlen zur Legislatur von Kalifornien haben eine demokratische Majorität ergeben. Telegramme aus Minnesota melden eine Koälition der
Arbeiter⸗ und Greenback⸗Partei, deren Staatskonven⸗
deutend. Details fehlen noch.
tionen gemeinschaftlich einen Kandidaten für den Gouverneur⸗ posten aufstellten. Aehnliche Koalitionen werden auch von anderwärts gemeldet.
Afrika. Kapstadt, 21. August (via Madeira). Sir Bartle Frere hat die Kapstadt verlassen und eine sechs⸗ wöchentliche Rundreise in den östlichen Distrikten angetreten, während welcher er die Strecke der Nordostbahn nach Adelaide eröffnen wird. F.
Der russisch⸗türkische Krieg.
Rom, 8. September. (W. T. B.) Die „Agenzia Ste⸗
fani“ schreibt: die Meldung der „Times“ aus Belgrad, daß Italien die Theilnahme Serbiens am Kriege billige, werde in hiesigen politischen Kreisen als absolut grund⸗ los bezeichnet. Die italienische Regierung habe niemals auf⸗ gehört, Serbien Vorsicht und Klugheit anzurathen und habe ihre vermittelnde Rolle niemals aufgegeben.
— (W. T. B.) Aus Belgrad, 9. September, meldet das „N. W. Tagebl.“: Fürst Zeretleff begiebt sich heute von hier in das russische Hauptquartier. Derselbe überbringt die
definitiven Abmachungen mit der w Regierung. Gleich⸗ zeitig reist Fadejeff nach Mos
au zurück.
Europäischer Kriegsschauplatz.
St. Petersburg, 9. September. (W. T. B.) Offi⸗ zielles Telegramm aus Poradim vom 8. d.: Heute erfolgte kein Angriff auf Kadikoi und Popkoi. — Nach der des Ortes Kazelewo durch die Türken, schlug die Rustschuker Kolonne den Angriff der Türken auf Ablowo (Oblanowo ?) ab, zog sich jedoch auf neue Positionen zurück. — Am 6. d. näherten sich Truppen unserer westlichen Kolonne bei einbrechender Dunkelheit Plewna und errichteten Nachts auf den die türkischen Befestigungen umgebenden Anhöhen Batterien. Unsere Truppen arbeiteten hier die ganze Nacht hin⸗ durch, ohne von den Türken bemerkt zu werden. Am 7. d. um 6 Uhr Morgens eröffneten unsere Belagerungsbatterien ihr Feuer auf die türkischen Positionen, indem sie eine Salve abgaben. Die Kanonade dauerte den ganzen Tag. Von unseren Truppen wurde der Batterie⸗Commandeur Gudim von der 16. Artillerie⸗Brigade getödtet und 2 andere Artillerie⸗Offiziere verwundet. Eine genaue Angabe unseres Verlustes in dem Kampfe am 7. d. M. liegt noch nicht vor, jedoch ist derselbe nicht bedeutend. In der darauf folgenden Nacht wechselten unsere Truppen nur einige Schüsse mit den Türken. Heute, am 8. September, Morgens 5 ½ Uhr, wurde der Artillerie⸗ kampf mit großer Kraft erneuert. — Auf den übrigen Punkten des Kriegsschauplatzes herrschte am 7. d. vollkommene Ruhe. — Bei der Einnahme von Lowtscha fielen der Comman⸗ deur des Pskowschen Regiments, Oberst Kussoff, und der Commandeur des 11. Schützen⸗Bataillons, Oberst Kirdam, ein anderer Offizier wurde verwundet.
St. Petersburg, 9. September. (W. T. B.) Offi⸗ zielles Telegramm aus Poradim vom heutigen Tage: Gestern früh bei Tagesanbruch näherten sich unsere Batterien noch mehr Plewna. Die Kanonade dauerte den ganzen Tag. Am Abend bemächtigte sich unser linker Flügel der Anhöhen südlich von Plewna mit einem Verlust von 500 Mann. Das Centrum und der rechte Flügel näherten sich den türkischen Befestigungen bis auf 600 bis 700 Faden. Das Dorf Uschitza wurde von unseren Truppen besetzt. Unsere Verluste auf dem rechten Flügel und im Centrum sind im Allgemeinen nicht groß. Das Geschützfeuer dauerte die ganze Nacht hin⸗ durch und nahm heute früh noch an Heftigkeit zu.
— (W. T. B.) Aus Bukarest vom 9. d. wird der W. „Presse“ gemeldet: Gerüchtweise verlautet, daß Plewna, nachdem die Russen zwei Reihen der türkischen Positionen ge⸗
nommen, heute gefallen sei.
Konstantinopel, 7. September. (W. T. B.) Die hiesigen Journale behaupten, Lowtscha sei von nur 8 Ba⸗ taillonen besetzt gewesen, als es von 40,000 Russen angegriffen worden sei. Osman Pascha sei mit 28 Bataillonen aufge⸗ brochen, um dasselbe wiederzunehmen. — Ueber das Ergebniß des Kampfes bei Lowtscha ist noch keine amtliche Nachricht veröffentlicht.
Konstantinopel, 9. September. (W. T. B.) Nach⸗ richten, welche der hiesigen „Agence Havas“ aus Rasgrad zugegangen sind, melden, daß Nedjib Pascha am Freitag den Lom⸗Fluß überschritten und nach einem Kampfe mit den Russen Opaka 1eg hat. Die Russen sollen starke Ver⸗ luste erlitten und in der Richtung auf Biela zurückgegangen sein. Die türkischen Truppen setzen die Offensivbewegungen fort. Die “ haben die Gegend von Popkeni und Karahassanler vollständig geräumt. — Von Plewna ist hier keinerlei Nachricht eingetroffen.
Konstantinopel, 9. September. (W. T. B.) Vom bulgarischen Kriegsschauplatz wird hierher gemeldet, die über den Kara⸗Lom vorgeschobenen russischen Truppen⸗
abtheilungen wären nach dreitägigen heftigen Kämpfen über den Kara⸗Lom zurückgegangen, hätten Popkioi geräumt und
ich in der Richtung von Biela zurückgezogen. Konstantinopel, 9. September. (W. T. B.) Von en Kriegsschauplätzen bei Plewna, Schipka und Ras⸗
grad sind noch keine offiziellen Depeschen veröffentlicht.
— (W. T. B.) Aus Bukarest wird der „Polit. Korr.“ unter dem 9. d. gemeldet, daß die ganze unter dem Ober⸗ befehl des Großfürsten⸗Thronfolgers stehende Rustschuker Armee neue konzentrirte Stellungen bezogen hat. Ein 20,000 Mann starkes türkisches Corps, welches Osman Pascha zu Hülfe eilen wollte, soll von der unter dem Kom⸗ nando des General Mirski stehenden Abtheilung ab⸗ geschnitten worden sein. — Bei Slobozia haben die Russen in neues Monstregeschütz errichtet. Dasselbe hat drei tür⸗ kische Batterien vor Rustschuk zum Schweigen gebracht.
— Aus Sistowa, 7. September, meldet die W. „Presse“: Die Truppen des Generals Zimmermann in der Do⸗ brudscha werden bedeutend verstärkt. Heute ging das Hu⸗ saren⸗Regiment „Weißrußland“ dahin ab, und morgen folgt eine 3ege Anzahl Infanterie und Jäger nebst beträchtlicher
Artillerie, im Ganzen an 12,000 Kombattanten.
London, 10. September. (W. T. B.) Nach hier ein⸗ gegangenen Privatnachrichten aus Sistowa begann der Angriff der Russen auf Plewna am 9. d. Morgens von allen Seiten und dauerte den ganzen Tag. Gegen 6 Uhr Abends war Plewna in den Händen der Russen. Die Türken zogen sich in großer Unordnung zurück, ihre Verluste sind be⸗
Konstantinopel, 9. September. (W. T. B.) Eine Depesche Ali Saib Paschas vom 6. cr. meldet, daß er gegen die Montenegriner Vortheile errang.
Cettinje, 8. September. (W. T. B.) Die Festung Niksic hat heute kapitulirt.
— (W. T. B.) Aus Cettinje vom 9. d. meldet die W. „Presse“: Gestern Nachmittag machten 5000 Türken von Podgorizza her einen Angriff gegen die Südgrenze von Montenegro, dieselben wurden jedoch unter großen Verlusten bis Podgorizza zurückgeworfen. Der Einmarsch der Monte⸗ negriner in die Stadt Niksic ist gestern Nachmittag erfolgt. Die Fürstin Milena und der älteste Sohn des Fürsten sind peuts von hier nach Niksic abgereist.
Ragusa, 8. September. (W. T. B.) Nach hier vor⸗ liegenden aus slavischer Quelle kommenden Nachrichten hat sich Niksic heute nach einem heftigen Bombardement den Montenegrinern auf Gnade und Ungnade ergeben.
— (W. T. B.) Aus Ragusa vom 9. d. meldet die W. „Presse“: Die Einwohner von Niksic haben ihre Waffen im Lager des Fürsten Nikita abgeliefert. Montenegrinische Truppen in einer Stärke von 3000 Mann marschiren gegen
Trebinje.
Wien, 9. September. (W. T. B.) Telegramm der „Presse“ aus Lestianje: Gestern Nachmittag verkündeten Freudenschüsse und Glockengeläute die Kapitulation von Niksic, das sich den Montenegrinern ergeben hat.
Wien, 9. September. (W. T. B.) Nach einem Tele⸗ gramm der „Polit. Korr.“ aus Cattaro vom heutigen Tage, haben sowohl die Garnison von Niksic, welche sich mit 19 Geschützen den Montenegrinern auf Gnade und Ungnade er⸗ geben hat, wie auch die Einwohner von Niksic die Erlaubniß erhalten, sich nach Gaczko zurückzuziehen. E11““
Asiatischer Kriegsschauplatz. 11“ St. Petersburg, 10. September. (W. T. B.) Offi⸗ zielles Telegramm aus Karajal vom 9. d.: In der Nacht vom 6. zum 7. d. machte ein Trupp Freiwilliger von unserer irregulären Kavallerie eine brave Attaque auf das Kavallerielager Moukthar Paschas, setzte gegen 60 Mann außer Gefecht und erbeutete eine Anzahl Waffen und Pferde. Auf dem Rückzug lockte der Trupp die verfolgenden Türken in einen vom Daghestan'schen Kavallerie⸗Regiment gelegten Hinterhalt, wobei der Feind abermals große Verluste erlitt. Unsererseits wurden 11 Milizen und Soldaten verwundet. Bei der Kabulet⸗Abtheilung fand am 3. d. M. ein von den Türken begonnenes Artilleriegeplänkel statt, wobei der Commandeur des 2. Kaukasischen Schützen⸗Bataillons, Oberst⸗ Lieutenant Kakepiff, verwundet wurde.
Konstantinopel, 9. September. (W. T. B.) Eine Depesche Moukhtar Paschas meldet ein am 7. d. auf den Höhen von Kisiltepe stattgehabtes lebhaftes Gefecht zwischen der vom Sohne Schamyls befehligten und von 3 Bataillonen sowie Artillerie unterstützten Auxiliar⸗Kavallerie und einer aus mehreren Dragoner⸗Regimentern, 2 Bataillonen Infanterie und einer Batterie bestehenden russischen Truppenabtheilung. Der Feind sei nach mehrmaligem Zurückgehen und Wiedervor⸗ dringen geschlagen und genöthigt worden, sich mit einem Ver⸗ luste von 60 Mann in sein Lager zurückzuziehen. Die tür⸗ kischen Verluste seien ganz unerheblich. Aus Alexandra⸗ pol treffe für die Russen täglich Artillerieverstärkung in Kurukdara ein.
London, 9. September. (W. T. B.) Das ‚„Reutersche Bureau“ meldet aus Erzerum: Die Russen senden von Alexandrapol Positionsgeschütze in das Lager von Baidi⸗ varan, um ihre Stellung gegen einen Angriff Moukhtar Paschas zu befestigen. General Tergukassoff befestigt die Stellungen von Igdyr, durch welche die nach der Ebene von Eriwan führenden Pässe beherrscht werden.
Nr. 36 des „Central⸗Blatts für das Deutsche Reich“, herausgegeben im Reichskanzler⸗Amt, hat folgenden Inhalt: Allgemeine Verwaltungssachen: Verweisung von Ausländern aus dem Reichsgebiet. — Post⸗ und Telegraphenwesen: Verordnung, betreffend Abänderungen und Ergänzungen der Telegraphenordnung, Brief⸗ verkehr mit China. — Münzwesen: Uebersicht üder die Ausprägung von Reichsmünzen. — Marine und Schiffahrt: Ertheilung eines Flaggenattestes. — Konsulatwesen: Ernennungen, Todesfall.
— Nr. 18 des Central⸗Blatts der Abgaben⸗, Ge⸗ werbe⸗ und Handelsgesetzgebung und Verwaltung in den Königlich preußischen Staaten hat folgenden Inhalt: Anzeige der in der Gesetzsammlung und im Reichsgesetzblatte erschienenen Gesetze und Verordnungen. — I. Allgemeine Verwaltungsgegenstände: Rück⸗ gabe der Kaution von Salzwerksbeamten, welche afs Einnehmer oder Gehälfen eines Salzsteueramts fungirt haben. — Uebereinstimmung der Hauptamtsrechnung mit dem Finalabschlusse. — Geschäftliche Behandlung der Telegramme in Staatsdienst⸗Angelegenheiten. — Veränderungen in dem Stande und in den Befugnissen der Zoll⸗ und Steuerstellen. — III. Indirekte Steuern: Erlaß der Tabakssteuer bei verspäteter Anzeige der Beschädigung. — Erkenntniß des König⸗ lichen Ober⸗Tribunals. Maschinen, welche mit einem Gebäude in mechanischer Verbindung stehen, bilden Theile der Substanz des letz⸗ teren. — VI. Personalnachrichten.
Verein swesen.
Frankfurt a. M., 6. September. Die hier tagende Haupt⸗ versammlung der Evangelischen Gustav⸗Adolf⸗Stif⸗ tung beschloß heute die Zuwendung der „großen Liebesgabe“ im Be⸗ trage von 17,000 ℳ an die evangelische Gemeinde in Donaueschingen; ferner werden je 4000 ℳ an die Gemeinde Kalk (in Rheinpreußen) und die vereinigte Gemeinde Kastel⸗Kostheim (in Hessen) vertheilt.
Statistische Nachrichten.
Sterblichkeits⸗ und Gesundheitsverhältnisse. Ge“ mäß den Veröffentlichungen des Kaiserlichen Gesundheirs⸗ amts sind in der fünfunddreißigsten Jahreswoche von je 1000 Be⸗ wohnern, auf den Jahresdurchschnitt berechnet, als ““ en ge⸗ meldet: in Berlin 31,5, in Breslau 38,0, in Königsberg 28,7, in Cöln 19,3, in Frankfurt a. M. 17,9, in Hannover 20,s, in Cassel 142, in Magdeburg 28,4, in Stettin 34,9, in Altona 21,8, in Straß⸗ burg 26,5, in München 35,8, in Nürnberg 31,3, in Augsburg 34,0, in Dresden 24,1, in Leipzig 31,8, in Stuttgart 25,8, in Braunschweig 24,5, in Karlsruhe 14,7, in Hamburg 24,92, in Wien 26,4, in Buda⸗ pest —, in Prag 23,8, in Triest 47,8, in Basel 22,3, in Brüssel 24,3, in Paris 23,8, in Amsterdam 22,1, in Kopenhagen 21,0, in Stockholm —, in Christiania 20,4, in St. Petersburg 31,8, in Warschau 36,1, in Odessa —, in Bukarest 26,5, in Rom 26,7, in Turin 21,8, in Athen 23,2, in Lissabon —, in London 18,3, in Glasgow 21,8, in Liverpool 24,8, in Dublin 21,1, in Edinburgh 19,2, in Alexandria (Egypten) 47,3, in New⸗York 31,2, in Philadelphia 22 9, in Boston 26,5, in Chicago 25,4, in San Franzisko 16,2, in Cal⸗ cutta 24,2, in Bombay 53,4, in Madras 141,9.
In der Berichtswoche herrschten an den meisten deutschen Be⸗ obachtungsstationen südliche und südwestliche Windrichtungen, die nur
vorübergehend an den nördlichen Stationen in West⸗ und in Cöln und Heiligenstadt mit Nordwestwind abwechselten. Die Temperatur sank in der zweiten Wochenhälfte sehr erheblich, so daß in ganz Deutschland die Temperatur eine kühle war. Das Barometer stieg und fiel wiederholt, zeigte jedoch im Ganzen Neigung zum Steigen. Niederschläge und Gewitter fanden nur wenig statt. — Die allge⸗ meine Sterblichkeitsverhältnißzahl ist in den deutschen Städten von 29,5 der vorhergehenden Woche auf 27,71 gesunken (auf 1000 Bewohner und aufs Jahr gerechnet) und zeigt namentlich die Sterblichkeit des Säuglingsalters in den meisten Städtegruppen eine Abnahme, nur in den Städten an der Ostseeküste, in der niederrheinischen Niede⸗ rung und im süddeutschen Hochlande, mit Ausnahme Münchens eine Zunahme — Unter den Todesursachen zeigen fast alle Infektions⸗ krankheiten Nachlässe, so die Masern, der Keuchhusten (auch in M.⸗Gladbach), die Diphtherie, namentlich in Berlin; nur das Scharlachfieber tritt in den Städten des sächsisch⸗märkischen Tief⸗ landes, Berlin, Leipzig, Magdeburg häufiger auf. Unterleibstyphen erscheinen meist in geringerer Zahl, und nur in Bukarest und Alexandrien vermehrt. Flecktyphus⸗Todesfälle sind aus Deutschland nicht gemeldet. Aus Leipzig wird ein Todesfall an Pocken berichtet; in Wien, Prag, Krakau, Brüssel ist die Blatternepidemie dem Erlöschen nahe, in London stieg ihre Zahl von 11 der Vorwoche auf 20. Sehr erheb⸗ lich nachgelassen haben die tödtlich endenden Darmkatarrhe und Brech⸗ durchfälle der Kinder, namentlich in Berlin, Dresden, Leipzig, in den Städten an der Nordseeküste und am Niederrhein, während sie in den Städten an der Ostseeküste, ferner in Breslau, Posen und am Oberrhein noch immer in vermehrter Zahl auftreten. Auch in den meisten außerdeutschen Städten lassen diese Krankheiten nach, nur in St. Petersburg, Warschau und einigen englischen Städten mehren sich die Darmkatarrhe, in Paris und Brüssel die Brechdurch⸗ fälle. Vereinzelte Cholerafälle kamen in Christiania, Barcelona und in einigen amerikanischen Städten vor. In Indien rafft die Cholera im Verein mit Dysenterie und bösartigen Fiebern allwöchentlich viele Menschen hinweg.
— Auf dem achtzehnten allgemeinen Vereinstage der deutschen Erwerbs⸗ und Wirthschaftsgenossenschaften zu Wiesbaden am3. d. M. erstattete der Anwalt der deutschen Genossen⸗ schaften, Hr. Dr. Schulze⸗Delitzsch, den Geschäftsbericht, welcher kon⸗ statirt, daß trotz des auf dem gesammten Handelsverkehr lastenden Druckes ein Rückgang der deutschen Genossenschaften nicht eingetreten sei. Es gehören 2830 Kreditgenossenschaften, 743 Genossenschaften in einzelnen Gewerbszweigen, 1049 Konsumvereine und 64 Bauge⸗ nossenschaften, in Summa 4686 (gegen 4775 im Vorjahre) dem Ver⸗ bande an. Ebenso habe sich die Mitgliederzahl, die Summe des Geschäftsverkehrs, wie der aufgebrachten eigenen Mittel der Vereine gegen das Vorjahr gesteigert. Die gesammte Mitgliederzahl betrage 1,380,0 0 — 1,400,000. Die gemachten Geschäfte haben im Laufe des verflossenen Geschäftsjahres ca. 2650 Millionen Mark, die angesammelten eigenen Kapitalien in Geschäftsantheilen und Reserven 170 — 180 Millionen Mark, die von den Mitgliedern auf⸗ genommenen fremden Kapitalien 360 — 370 Millionen Mark betra⸗ gen. Bereits seit Jahren habe sich nach dem Muster des deutschen ein Genossenschaftsverband unter der Anwaltschaft des Hrn. R. Ziller (Wien) in Oesterreich gebildet, und habe auch dieser günstige Resul⸗ tate zu verzeichnen. Auch in Italien habe sich nach dem Muster des deutschen ein Genossenschaftsverband gebildet. Die Vermehrung der Zahl der Volksbanken um 66 erstrecke sich ganz besonders auf die Provinzen Preußen und Posen. Eine absolute Verminderung der Zahl der Vorschußvereine sei nur eingetreten in den sächsischen Herzogthümern, im Großherzogthum Hessen und im Herzogthum Anhalt 1876 haben 806 Vorschußvereine der An⸗ waltschaft Abschlüsse eingereicht. Danach betrug deren Mitglied⸗ schaft 431,216, die Gesammtsumme der gewährten Vorschüsse und Prolongationen 1,525,189,219 ℳ, die Geschäftsantheile der Mit⸗ glieder inkl. der Reserven 98,891,160 ℳ, die Anleihen von Pri⸗ vaten 198,349,234 ℳ, die Kredite von Banken und Vereinen 14,160,425 ℳ, und die Spareinlagen 121,962,922 ℳ Für das Jahr 1876 haben 180 Konsumvereine der Anwaltschaft ihren Ge⸗ schäftsabshluß eingesandt. Danach betrug die Gesammtmit⸗ gliederzahl 101,727, die Summe des Verkaufserlöses 24,378,410 ℳ das Guthaben der Mitglieder 3,046,09093 ℳ, der Reserve fonds 550,398 ℳ, die aufgenommenen Anleihen 2,672,415 ℳ die Schulden für von den Vereinen auf Kredit entnomme Waaren 1,004,186 ℳ, die Ausstände bei den Mitgliedern fü auf Kredit abgelassene Waaren 142,722 ℳ Die von den Vereinen errichteten Bäckereien haben sich auch im vergangenen Jahre gu rentirt. Am meisten seien die Konsumvereine durch die Kred gewährung geschädigt worden. Das Kaufen auf Kredit habe auch in den deutschen Mittelklassen eine höchst krankhafte Ausdehnung ge nommen. Dieser Umstand halte die gesunde wirthschaftliche Ent⸗ wicklung dieser Klassen wesentlich auf und lasse die davon betroffenen Gewerbe zu keinem frischen Aufschwunge kommen. Die Verluste de Konsumvereine seien im vergangenen Jahre geringer als 1875 ge wesen. Zum Theil seien dieselben wieder der Unehrlichkeit der Lag halter zuzuschreiben gewesen, gegen die nur hohe Kaution und öfter Inventuren Schutz gewähren können. 180 Konsumvereine habe eigenen Grundbesitz, davon 71 Vereine im Werthe von 2,751,836 ℳ — Von bei der Anwaltschaft namentlich bekannten, auf dem Prinzip der Selbsthülfe beruhenden Vorschuß⸗ und Kreditvereineneristi⸗ ren 161 in der Provinz Brandenburg (darunter 64 in Berlin), 232 in Schlesien, 130 in der Provinz Preußen, 226 in der Provinz Sachsen, 216 in der Rheinprovinz, 1 im Fürstenthum Hohenzollern, 100 in Hessen⸗Nassau, 84 in der Provinz Posen, 102 in Pommern, 1 im Jadegebiet, 35 in Schleswig⸗Holstein und Lauenburg, 28 in West⸗ falen, 160 im Königresch Sachsen, 109 im östlichen Bayern, 26 in der Rheinpfalz, 105 im Königreich Württemberg, 101 im Groß⸗ herzogthum Baden, 91 in den sächsischen Herzogthümern, 59 im Groß⸗ herzogthum Hessen, 47 in Mecklenburg, 19 in den schwarzburgischen Fürstenthümern, 15 im Herzogthum Anhalt, 11 im Herzogthum
zraunschweig, 9 im Großherzogthum Oldenburg, 9 in den Hanse⸗ städten und deren Gebiet, 5 in den Fürstenthümern Lippe und Waldeck, 3 in den reußischen Fürstenthümern, 2 in den deutschen Reichs⸗ landen (Metzer Vereinsbank und Straßburger Kreditverein); ferner 1 im Großherzogthum Luxemburg, 463 in Böhmen 307 in Mahren, 133 in Niederösterreich, 32 in Oesterreichisch⸗Schlesien, 29 in der Steiermark, 21 in Kärnthen, 16 in Oberöstereich, 8 im Küstenland, 4 in Tirol, 4 in Vorarlberg, 4 in der Krain, 2 in Salzburg. Von 702 Vorschuß⸗ resp. Kreditvereinen betrug Ende 1876 die Ge⸗ sammtmitgliederzahl 217,714. Von diesen sind selbständige Land⸗ wirthe, Gärtner, Förster und Fischer, männlich 72,836, weiblich 2560, Gehülfen und Lrbeiter bei diesen Gewerben, männlich 9299, weiblich 514, Fabrikanten, Bergwerksbesitzer und Bauunternehmer, männlich 13,144, weiblich 277, selbständige Handwerker, männlich 10,790, weiblich 3706, Fabrikarbeiter, Handwerksgesellen, männlich 16,331, weiblich 562, selbständige Kaufleute und Händler 32,596, weiblich 2032, Handlungscommis und sonstige kaufmännische Gehülfen, männlich 2647, weiblich 141, Fuhrherren, Schiffseigenthümer, Gast⸗ und Schankwirthe, männlich 17,016, weiblich 815, Briefträger, untere Eisenbahn⸗, Telegraphen⸗ und Postbeamte, Eisenbahnarbeiter, unselbständige Schiffer und Kellner, männlich 6855, weiblich 79, Dienstmänner und Dienstboten, männlich 2687, weiblich 822, Aerzte, Apotheker, Lehrer, Künstler, Schriftsteller, Kirchen⸗, Staats⸗ und Gemeindebeamte, männlich 23,674, weiblich 898, Rentiers, Pensionäre “ Personen ohne Beruf⸗übung, männlich 9822, weiblich
Kunst, Wissenschaft und Literatur. „Kasan. Der 4. Archäologische Kongreß ist, nach Mit⸗ theilung der „Mosk. Wed.“, am 17./29. August von dem Präsidenten Grafen A. S. Uworow geschlossen worden. Der nächste archäologische Kongreß soll, dem Wunsche des Statthalters des Kaukasus, Groß⸗ fürsten Michail Nikolajewitsch gemäß, in Tiflis zusammenkommen. Ieue“ Preußische Termin⸗Kalender, zum Gebrauch für Justizbeamte (Berlin, R. v. Deckers Verlag: Marquardt u. Schenck) ist (im 26. Jahrgang) soeben auf das Jahr 1878 erschienen.
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