1877 / 256 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Tue, 30 Oct 1877 18:00:01 GMT) scan diff

EE“ 11“ sehen habe. Das Haus beschloß dem Antrage des Abg. Rickert gemäß.

Es folgte die erste Berathung des Gesetzentwurfs, betr. die Feststellung eines Nachtrages zum Staatshaushalts⸗Etat für das Jahr vom 1. April

877/78. Der Abg. Rickert beantragte die Weiterbe⸗ rathung der Vorlage im Plenum und wies hierbei auf die Folgen der Verlegung des Etatsjahres hin, wenn der preußische Landtag vor dem Reichstage seine Session habe. Dadurch werde die preußische

immer nur eine provisorische sein, welche erst na

Feststellung der Matrikularbeiträge durch das Reich im Wege des Nachtrags⸗Etats definitiv abgeschlossen werden könne, und das werde nicht immer so einfach zu ermöglichen sein wie dieses Mal. Sodann fragte der Redner, was die Staats⸗ regierung zum Schutze der Weichsel⸗ und Nogatniede⸗

ung zu thun beabsichtige. Der Minister für die landwirthschaft⸗

lichen Angelegenheiten Dr. ööu verwies auf die durch ihn publizirte Denkschrift über die vorzunehmenden Schutzarbei⸗ ten, bemerkte jedoch, daß die Ausführung so großer Projekte einer geraumen Zeit bedürfe, weil es nicht gerathen erscheine, die Betheiligten zu der projektirten Melioration zu zwingen.

Man müsse bei so kostspieligen Anschlägen die eingehendsten tecchnischen Ermittelungen eintreten lassen, ehe man sich defini⸗

tiv entscheide, und hierfür seien die im Etat des nächsten

Jahres eingesetzten 30,000 bestimmt. Nach dem Abg.

Dr. Eberty gab der Abg. von Benda seine Meinung dahin

kund, daß die vom Abg. Rickert geschilderten, aus der

Reihenfolge der Sessiomen des Landtages und

Reichstages folgenden Mißstände zum großen Theil durch die möglichste Verminderung resp. gänzliche Be⸗ seitigung der Matrikularbeiträge a bgestellt werden wür⸗ den. Der Vize⸗Präsident des taats ⸗Ministeriums,

Finanz⸗Minister Camphausen betonte, daß die Einberufung

des Reichstages zu den Prärogativen Sr. Majestät des Kaisers

gehöre, daß man sich in die einmal geschaffene Lage fügen müsse, zumal von den preußischen Abgeordneten im Reichs⸗ tage keine Anträge, um derselben vorzubeugen, gestellt seien.

Vorgebeugt würde diesen Mißständen am besten, wenn der

Reichstag ein Maximum der Matrikularbeiträge feststellen

wollte, jedoch wolle er nicht den im Reichstage bevorstehenden

ausführlichen Diskussionen über diese Materie bei der vor⸗ liegenden Angelegenheit vorgreifen. Der Abg. Berger be⸗ antragte, im Gegensatz zu dem Abg. Rickert, die Ueberweisung der Vorlage an die Budgetkommission, da dies namentlich in

Bezug auf die Forderungen für Bauten nöthig sei. Der Han⸗

dels⸗Minister Dr. Achenbach erklärte, daß die Regierung eine

eingehende Prüfung ihrer Forderungen nicht zu scheuen habe, weshalb sie von ihrem Standpunkte aus nichts gegen den An⸗ trag des Vorredners einzuwenden habe. Nachdem noch die

Abgg. Richter (Hagen) und Dr. Lasker gesprochen hatten, stellte

der Finanz⸗Minister Camphausen dem letzten Redner

gegenüber in Abrede, daß er je daran gedacht

88 aus der Mitte einer gesetzgebenden Versamm⸗

lung die Vorlegung eines Finanzplanes zu provoziren.

Das Haus beschloß, den Nachtragsetat nicht an die Budget⸗

kommission zu verweisen, sondern die zweite Berathung im

Plenum eintreten zu lassen.

Der folgende Gegenstand, erste Berathung des Staats⸗ haushalts⸗Etats für das Jahr vom 1. April 1878—79, wurde unter Zustimmung des Finanz⸗Ministers auf den An⸗ trag des Abg. Richter (Hagen) mit Rücksicht darauf, daß das Anleihegesetz erst heute an das Haus gelangt sei, von der heutigen Tagesordnung abgesetzt. Schließlich trat das Haus in die erste Berathung des Entwurfs einer Wege⸗ ordnung ein.

Bis Ende September d. J. sind für Rechnung des Reichs an Landes⸗Silber⸗ und 8öö zur Einziehung gelangt: A. Landes⸗Silbermünzen: Thalerwährung 696,349,643 73 J, sübddeutsche Guldenwährung 195,688,406 56 J, 1e. 7,974,020 11 ₰, Konventionsmünzen des Zwanzig ulden⸗ fußes 1,910,327 ₰, Silbermünzen Kur * sch und Königlich sachicen Gepräges 591,567 42 ₰, Silbermünzen schleswig⸗holsteinischen Gepräges 1,617,855 49 ₰, Silber⸗ münzen hannoverischen Gepräges 1613 45 ₰, mecklenbur⸗ gische Währung 204,517 63 J, ““ Courantwäh⸗ rung 1,766,967 25 Z, Lübische Währung 754,996 05 ₰, Gesammtwerth A. 906,859,914 69 ₰; B. Landeskupfer⸗ münzen: Thalerwährung 2,521,319 52 ₰, füddensche Währung 647,208 44 J, mecklenburgische Währung 45,183 03 J, Gesammtwerth B. 3,213,710 99 ₰, hierzu Gesammt⸗ werth A. 906,859,914 69 Z, Summe 910,073,625 68 ₰.

Bezüglich der Beschaffung derjenigen Formulare, welche von den Landräthen als Vorsitzenden der Einkommensteuer⸗Einschätzungs⸗Kommissionen zu verwenden sind, hat der Finanz⸗Minister durch Cirkular⸗ verfügung vom 19. d. M. angeordnet, daß die Formulare zu den: 1) Einkommens⸗Nachweisungen, 2) Benachrichtigungs⸗ schreiben an die Steuerpflichtigen über deren Veranlagung, 3) Uebersichten der Einkommenssteuerbeträge (Heberollen), 4) Nach⸗ weisungen über die Ergebnisse der Veranlagung, 5) Remonstra⸗ tions⸗Nachweisungen, formularmäßigen Verfuͤgungen auf die Remonstrationen und Benachrichtigungen der Remon⸗ stranten über die getroffenen Entscheidungen, 6) Behän⸗ digungsscheinen über die zu 2 und 5 erwähnten Benachrich⸗ tigungen, 7) Fomhäts s ts Verfügungen auf Reklama⸗ tionen und zu den Reklamations⸗Nachweisungen, 8) Nach⸗ weisungen über eingelegte Berufungen und 9) Nachweisungen über die im Laufe des Jahres zur Feststellung kommenden Einkommensteuer⸗Zu⸗ und Abgänge, sowie zu den Zu⸗ und Abgangsbelägen auf Staatskosten zu beschaffen sind.

Die Post aus Christiania vom 27. ist ausge⸗ blieben.

Bayern. München, 29. Oktober. (W. T. B.) Das hiesige Domkapitel hat heute einstimmig den Generalvikar Dr. Kampf zum Kapitelverweser gewählt, nachdem der Dompropst v. Prand und der Domdechant v. Reindl hohen Alters wegen die Wahl abgelehnt hatten. 8

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Oesterreich⸗Ungarn. Wien, 28. Oktober. Der Kronprinz Rudolf ist gestern mit dem Courierzuge aus Gödöllö hier eingetroffen und hat sich heute Vormittag in des Erzherzogs Albrecht nach Teschen be⸗ geben.

29. Oktober. (W. T. B.) In der heutigen Sitzung

des Budgetausschusses beantragte Abg. Skene, ein

Comité von 5 Mitgliedern zu wählen, welches erwägen solle ob und welche Abstriche bei Budget vorzunehmen wären. Abg. Lienbacher beantragte, im Ausschusse eine Generaldebatte vorzunehmen, da solche aufklärend wirken könnte. Nach län⸗ gerer Debatte wurden beide Anträge, und zwar der erstere fast einstimmig, abgelehnt. Der Ausschuß genehmigte sodann mehrere Kapitel des Budgets. .

Pest, 27. Oktober. Der Kaiser ist vorgestern Abend aus Gödöllö in Ofen eingetroffen. Se. Majestät bleibt, wie der „Presse“ gemeldet wird, bis Dienstag im Ofener Schlosse und kehrt an diesem Tage nach den abgehaltenen Audienzen nach Gödöllö zurück. Graf Andrassy ist aus Tisza⸗Dob hier eingetroffen. j

28. Oktober. Der „Presse“ wird von hier gemeldet: Heute fand eine Vorbesprechung der österreichischen und ungarischen Minister statt. Für morgen, Nachmittags, ist eine offizielle Zusammenkunft, für übermorgen der Minister⸗ rath unter dem Vorsitze Sr. Majestät des Kaisers fest⸗ gesetzt. Die österreichischen Minister werden Dienstag Abends oder Mittwoch früh abreisen.

30. Oktober. (W. T. B.) Die hier eingetroffenen österreichischen Minister haben bereits mehrere Konferenzen mit den ungarischen Ministern gehabt. Die österreichische Re⸗ gierung steht auf dem Standpunkte des autonomen Zoll⸗ tarifs. Die ungarische Regierung dürfte diesem Stand⸗ hange nur gegen anderweitige Kompensationen Konzessionen machen.

Schweiz. Bern, 29. Oktober. (Cöln. Ztg.) Die Urner Landsgemeinde hat die Fortzahlung der Gotthardbahn⸗ Subvention bewilligt, jedoch die gezeichnete Million für das Maximum erklärt.

Großbritannien und Irland. London, 27. Oktober. Die amtliche „London Gazette“ veröffentlicht die formelle Be⸗ kanntmachung, wonach das Parlament bis zum Mittwoch, den 19. Dezember, vertagt wird. Am 9. November findet das Lord Mayors⸗Bankett in der Guildhall statt.

Canada. Aus Ottawa wird unterm 24. ds. tele⸗

raphirt: „Die Blackfeet⸗Indianer haben der canadischen

Rezkern ig 51,000 Quadratmeilen werthvollen Gebiets abge⸗ treten. Als Entgelt dafür erhalten die Indianer gewisse Reservationen für jede Bande und eine Anzahl Ge⸗ schenke.“ Dem „Reuterschen Bureau“ wird aus Ottawa unterm 25. ds. gemeldet: „Den Regierungsausweisen zufolge haben seit 1870 die Indianer im Nordwesten 440,000 Quadratmeilen ihres Territoriums an die Regierung der Union abgetreten.“ 1

Indien. Aus Kalkutta wird dem „Reuterschen Bureau“ unterm 25. d. M. telegraphisch gemeldet: 8.

„Viel Ueberraschung haben in amtlichen Kreisen die von einigen Blättern verbreiteten falschen Gerüchte, bezüglich der angeblichen Truppenbewegunzen nach der Grenze, verursacht. Es ist darauf hin⸗ gewiesen worden, daß die Beziehungen der indischen Regie⸗ rung zu Khelat höchst freundschaftliche sind, und daß der Marsch des 32. Pionier⸗Bataillons nach Quetta lediglich den Zweck gehabt habe, eine Abtheilung des 4. Shiks⸗Regiments, sowie die daselbst stationirte Kavallerie abzulösen. Die Ersetzung der letzteren durch Infanterie geschieht auf den ausdrücklichen Wunsch des Khans von Khelat, weil es in Quetta an Fourage für die Pferde mangelt. Die Bildung eines kleinen Winterlagers, bestehend aus einem Regiment Beludschis, steht im Einklange mit einer Abmachung mit dem Khan und den Sirdars im vorigen Jahre, während der Anwesenheit des Vizekönigs in Jacobabad, dahin gehend, daß die britische Regierung die wilden Murri⸗ und Bughlistämme während der kalten Witterung beobachten solle. Es wird gegen⸗ wärtig durchaus nicht beabsichtigt, irgend eine Operation an der Grenze zu versuchen, ausgenommen die unbedeutende örtliche Blockade öü da die andern Stämme friedliche Gesinnungen be⸗

unden.“

Frankreich. Paris, 27. Oktober. Zu den bezüglichen Mittheilungen des „Siscle“, betreffend die im Elysée ge⸗ pflogene Konferenz, bemerkt der orleanistische „Soleil“: „Die Konferenz hat allerdings stattgefunden, aber die Angaben des „Sisècle“ über ihren Verlauf sind nicht ganz richtig. Der Herzog von Audiffret⸗Pasquier war vor einigen Tagen in Paris eingetroffen und zuerst allein zu dem Präsidenten der Republik beschieden worden, der seine Ansichten über die po⸗ litische Lage zu erfahren wünschte. Nach diesem Gespräch hielt es der Marschall für nützlich, eine Unterredung mit seinen Ministern einer⸗ und mit einigen Freunden des Her⸗ zogs von Audiffret⸗Pasquier anderseits zu veranstalten. Diese zweite Konferenz fand am Mittwoch statt, nachdem Herr von Audiffret⸗Pasquier einen Ausflug nach Anzin gemacht hatte. Mit ihm nahmen diesmal an der Berathung die Bocher und Cornélis de Witt Theil; ob auch der

ize⸗Präsident des Staatsraths, Hr. Andral, dazu erschienen war, wissen wir nicht; doch hat er jedenfalls unter vier Augen mehrere wichtige Unterredungen mit dem Staatsoberhaupte gehabt. Weder in diesen Unterredungen, noch in dem am Donnerstag abgehaltenen Ministerrathe ist ein definitiver Be⸗ schluß gefaßt worden. Die Mehrheit des Ministerraths neigt noch immer zum Widerstande. Die Art, wie sich die Stimmen vertheilen, haben wir nicht an die Oeffentlichkeit zu bringen; aber sie entspricht nicht ganz den im Publikum umlaufenden Lesarten.“ Die Sprache des „Soir“ und des „Figaro“, wird in⸗ zwischen immer kleinlauter. Der Senat soll nach diesen Blät⸗ tern nun allein die Verantwortlichkeit für alles Geschehene tragen. Der ‚„Figaro“ tritt heute für die Kandidatur des Herzogs von Äumale gegen die des Hrn. Gréry ein, gesteht aber selbst, daß jene praktisch nicht die geringste Aussicht habe.

(Cöln. Ztg.) Die Verhandlungen über den neuen Handelsvertrag zwischen En gland und Frahkreich sollen im November wieder aufgenommen werden.

28. Oktober. Der „Courrier de La Rochelle“ ver⸗ öffentlicht folgenden Brief, welchen Herr Dufaure an den republikanischen Kandidaten des Bezirks La Rochelle, Herrn

Barbedette, gerichtet hat: Werther Herr! Ich habe aus

Vigelle, 18. Oktober 1877. den Blättern mit wenigen Worten das Refultat des Kampfes er⸗ fahren, den Sie in La Rochelle ausgehalten haben. Es ist offenbar, daß Sie ohne den unerhörten Druck, welcher auf die Wähler unseres Departements geübt worden ist, ernannt worden wären. Ich denke, Ihre Wähler werden einen entschiedenen Protest an die Depu⸗ tirtenkammer richten. Wenn die Wahl umgestoßen wird, so wird dies gewiß nur eine Genugthuung für die Gerechtigkeit und die Rechte des allgemeinen Stimmrechtes bedeuten. J. Dufaure. 29. Oktober. (W. T. B.) Der „Temps“ glaubt, der Marschall Mac Mahon sei zu der Erkenntniß gekommen, daß die gegenwärtigen Umstände gebieterisch einen Wechsel in der Politik empfehlen. Die einzige Frage sei die, ob der Marschall diesen Wechsel vollziehen, oder dies andern überlassen werde. Die gestrige Berathung der Fraktionsvor⸗ stände der Linken des Senats und der aufgelösten

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weil die meisten der zur Berathung erwarteten Deputirten ab⸗ wesend waren. Der „Moniteur“ will wissen, daß bei der stattgehabten Sesreehen sich, abgesehen von den Mitgliedern der äußersten Linken, günstige Ansichten für eine versöhnliche Politik geltend gemacht hätten. Der Herzog von Broglie hat sich abermals nach dem Departement de l’'Eure . wo die Bonapartisten gegen ihn einen Kandidaten für die Generalrathswahlen auf⸗ gestellt haben. Sämmtliche Minister haben heute Abend dem Diner der amerikanischen Gesandtschaft zu Ehren Grants Nach dem Diner fand ein zahlreich be⸗ suchter Empfang statt, bei welchem auch die meisten Mitglieder des diplomatischen Corps erschienen. In Chate au⸗ Chinon ist bei der gestrigen Stichwahl der Bonapartist Espeuille mit 8256 Stimmen gewählt worden. Der republikanische Gegenkandidat, Gudin, erhielt 7180 Stimmen. 8 b. Wahl am 14. d. M. hatte derselbe 7045 Stimmen erhalten.

Spanien. Cuba. Havanna, 28. Oktober. (W. T. B.) Von den Aufständischen sind ferner ein General, mehrere Obersten, 5 Kapitäne und 125 Mann in die Hände der Re⸗ gierungstruppen gefallen.

Türkei. (W. T. B.) Aus Konstantinopel vom 29. d. wird der „Cöln. Ztg.“ gemeldet, Aleko Pascha sei aller seiner Titel und Orden verlustig erklärt worden.

Rußland und Polen. St. Petersburg, 28. Oktober. Einer Mittheilung des „Ssew. Westn.“ zufolge, hat das Justiz⸗ Ministerium, indem es um die Bewilligung des temporären Budgets für den Unterhalt der Centralverwaltung (des Departe⸗ ments, der Kanzlei und der Konsultation) im Betrage von 178,302 Rbl. für noch drei Jahre, bis zum 1. Januar 1881, nachsucht, die Hoffnung ausgesprochen, daß im Laufe dieser Zeit die Gerichtsordnungen von 1864 in vollem Umfang in den 9 westlichen Gouvernements eingeführt, und die Friedens⸗ richter⸗Institutionen, getrennt von den allgemeinen, in den Gouvernements Ufa, Orenburg, Astrachan und in den bal⸗ tischen Provinzen eröffnet sein werden.

Amerika. Philadelphia, 26. Oktober. (Times.) Es liegen Anzeichen dafür vor, daß der Präsident beab⸗ sichtigt, einen Theil seiner Civildienst⸗Reformpolitik aufzugeben, um die republikanischen Politiker zu versöhnen Bundesbeamte nehmen allgemein an den Vorbereitungen für die Novemberwahlen Theil. Halbamtliche Berichte von Washington lauten dahin, daß die Civildienst⸗Bestimmungen abgeändert werden sollen, um sie zu gestatten. Die Beamten in den Regierungsbureaus zu Washington werden angehalten, zur Abstimmung sich in ihre Heimath zu begeben.

Washington, 25. Oktober. (Reuters Bureau.) Die Re⸗ gierung hat die mit dem Indianerhäuptling Sitting Bull in Fort Walsh unterhandelnde Kommission instruirt, die Unterhandlungen abzubrechen, wenn dieser Häuptling sich weigern sollte, friedlich nach den Vereinigten Staaten zurück⸗ zukehren. Es wird hinzugefügt, daß die britische Regie⸗ rung ohne Zweifel die nothwendigen Maßregeln zum Schutz des Territoriums der Vereinigten Staaten gegen eine feindliche Invasion ergreifen werde.

e eee 29. Oktober. (W. T. B.) Stoughton ist zum Gesandten der Vereinigten Staaten in St. Peters⸗

burg ernannt worden.

Mexiko. (A. A. C.) Beide Häuser des Kon⸗ gresses tagen gegenwärtig. Es stehen sich zwei Parteien gegenüber; der Führer der einen ist Zeamacona, an der Spitze der andern steht Justo Benitez. Beide behaupten, Freunde des Präsidenten Diaz zu sein. Der General Marical ist als Gouverneur von Sonora anerkannt worden. Die Legis⸗ latur von Sonorg ist in Berathung über einen Gesetzentwurf, nach welchem sich der Staat von der Republik trennen würde, im Falle die Föderal⸗Regierung es versuchen sollte, die Souveränetät des Staates zu beeinträchtigen. Die Nationalgarde von Sonora ist organisirt worden. Der Kon⸗ greß hat die Regierung ermächtigt, 300,000 Dollars für den Bau einer Fabrik zur Herstellung von Hinterladern auszu⸗ geben. Die Regierung hat einen Kontrakt für Remington⸗ Gewehre im Werth von 100,000 Dollars abgeschlossen.

Asien. China. Aus Shanghai wird dem „Reuter⸗ schen Bureau unter dem 25. d. M. telegraphirt: „Die chine⸗ sischen Behörden haben von der Woosung⸗Eisenbahn 8 Besitz genommen und den Verkehr auf derselben ein⸗

estellt.“

1 Briefe von dem im Persischen Meerbusen kreuzenden britischen Kriegsschiff „Frazer“ übermitteln die Nachricht, daß Muscat, die Hauptstadt der Staaten des Imams von Muscat, von Beduinen⸗Arabern angegriffen worden sei.

Afrika. Egypten. Cairo, 16. Oktober. Durch De⸗ kret des Khedive vom 15. Oktober ist der bisherige Minister des Handels und der landwirthschaftlichen Angelegenheiten Rhageb Pascha mit Rücksicht auf seine angegriffene Ge⸗ sundheit seines Amtes enthoben und an seiner Stelle der der⸗ zeitige Minister des öffentlichen Unterrichts Riaz Pascha er⸗ nannt worden.

Das Unterrichts⸗Ministerium ist Ismael Pascha Ayub, vormaligem General⸗Gouverneur des Sudan und zuletzt Gouverneur von Alexandrien, übertragen worden. .

Der russisch⸗türkische Krieg.

8 Europäischer Kriegsschauplatz.

St. Petersburg, 30. Oktober. (W. T. B.) Offi⸗ zielles Telegramm aus Bogot vom 29. Oktober. Gestern umzingelten die Gardetruppen unter General Gurko die befestigte türkische Position bei Telisch auf der Feäfh cen Landstraße nach Sofia und eröffneten aus 72 Geschützen ein Bombardement auf dieselbe. Nachdem das Bombardement 2 Stunden fortgesetzt worden war, kapitulirte die aus 7 Tabors und Artillerie mit drei Geschützen unter Ismail Chaki Pascha bestehende Garnison und streckte die Waffen. Etwa 300 Mann gelang es, zu entfliehen, die übrigen, darunter der genannte Pascha und über 100 Offiziere, befinden sich vorläufig in einer Redoute bei Gornji Dubniak, werden aber freigelassen werden. Ismail Pascha mit einigen Offizieren hat es vorge⸗ zogen, in Fesengen chaft zu bleiben. An der Eroberung von Telisch nahmen Theil: Eine Brigade der zweiten und eine Brigade der dritten Garde⸗Infanterie⸗Division, die 2. Garde⸗ Kavallerie⸗Division und die kaukasische Kosaken⸗Brigade. Unser Verlust bei der Infanterie beträgt 1 Mann todt, 15 ver⸗

Deputirtenkammer hat zu keinem Resultate geführt,

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unde on dem Leibgarde⸗Ulanen⸗Regiment, welches die feindliche Infanterie angriff, sind 6 Offiziere und gegen 50 Mann verwundet. Der Verlust der übrigen Truppentheile ist noch nicht bekannt, indeß jedenfalls unbedeutend. Bukarest, 29. Oktober. (W. T. B.) Heute Vormittag fand hier ein Trauergottesdienst für den gefallenen Prinzen Sergei von Leuchtenberg statt, welchem Groß⸗ fürst Nikolaus der Jüngere, Fürst Gortschakoff und die ru⸗ mänischen Minister beiwohnten. General Rakowitza hat an Stelle des Obersten Angelesko, der zur Reserve übergetre⸗

ten ist, das Kommando der 4. Division erhalten.

. Konstantinopel, 29. Oktober. (W. T. B.) Chefket Pascha berichtet aus Orkhanie vom 27. d., die Gradischnitza angezündet, seien dabei aber von den Türken,

88 welche 60 Mann Russen außer Gefecht gesetzt hätten, zurück⸗ geewiesen worden. 8 8 nach Plewna ein Zusammenstoß stattgefunden, Slattzar

Am 26. habe auf der Straße von Orkhanie

sei von den Russen besetzt.

Konstantinopel, 29. Oktober. (W. T. B.) Nihad Pascha (vormals Billinski) ist zum Chef des Generalstabes in Schumla ernannt worden. Konstantinopel, 29. Oktober. (W. T. B.) Regie⸗ rungsseitig werden folgende Meldungen verbreitet: Su⸗ leiman Pascha ist gestern nach Rasgrad zurückgekehrt, nachdem er die Garnison von Basardschik hat verstärken und gegen die voraussichtlichen feindlichen Angriffe in der Dobrudscha Vertheidigungswerke hat errichten lassen. In den um Rasgrad liegenden Ortschaften werden Kavallerievorposten organisirt. Am Freitag haben die Vorposten von Ru stü⸗ schuk feindliche Angriffe zurückgewiesen. Weder von Orkhanie noch von Plewna sind neuere Telegramme ver⸗

öffentlicht worden.

1 Wien, 29. Oktober. (W. T. B.) Ein Telegramm der „WPolitischen Korrespondenz“ aus Bukarest meldet, daß die Russen gestern, 28. d., Telisch genommen haben. 11 Com⸗ pagnien Türken, ein Pascha und mehrere Offiziere wurden

efangen genommen, 3 Kanonen erobert.

Der „Times“ wird unterm 22. ds. aus Biela berichtet: „Das Wetter fährt fort recht klar zu bleiben und die Straßen befinden sich in guter Verfassung. Die Truppen scheinen sich von den Wirkungen der schlechten Witterung gänzlich erholt zu haben und befinden sich nun in ausgezeich⸗ neter Ordnung für Operationen. Lebensmittel⸗ und Fourage⸗ Depots werden hier errichtet, und es ist augenscheinlich, daß die Russen den Ort während des Winters zu behaupten be⸗

absichtigen.“

Asiatischer Kriegsschauplatz.

St. Petersburg, 29. Oktober. (W. T. B.) Offi⸗ zielles Telegramm aus Wisinkoi vom 28. d.: Das Detachement des Generals Tergukas soff, welches seit dem 18. d. das gegen Erzerum zurückziehende Corps Ismail Paschas verfolgt, befand sich am 25. d. bei Karakilissa in Sicht der Nachhut des Feindes. Letzterer zog sich am 25. d. mit den Hauptkräften nach Seidekan zurüͤck. Von der Hauptmacht des in Asien operirenden Corps wurde am 22. d. ein besonderes Detachement unter General Heimann aus Tikma bis jenseits des Soganlughgebirges nach Khorassan und Koprikioi dirigirt.

St. Petersburg, 30. Oktober. (W. T. B.) Eine Depesche des „Golos“ aus Wisinkioi, 29. d., meldet: General Heimann hat sich mit General Tergu assoff vereinigt; beide setzen die Verfolgung Ismail Paschas fort; heute birouakirten die beiderseitigen Truppenabtheilungen bei Hassan⸗-Kaleh.

Konstantinopel, 29. Oktober. (W. T. B.) Derwisch Pascha meldet aus Batum vom 26. d., die dort stehenden Russen seien durch 4 Bataillone und mehrere Batterien ver⸗ stärkt worden. Ein Telegramm Moukhtar Paschas vom 27. d. besagt, die Russen hätten in dem 3 Stunden entfernten Azap ein Lager bezogen.

Konstantinopel, 29. Oktober. (W. T. B.) Vom klein-asiatischen Kriegsschauplatz wird gemeldet: „Moukhtar Pascha, durch die Truppen Ismail Paschas verstärkt, verlegte sein Hauptquartier zwischen Koprikioi und Iwsn und trifft Vorkehrungen, den Erzerum bedrohenden

eind aufzuhalten.

ELandtags⸗Angelegenheiten.

Dem Herrenhause ist ein Gesetzentwurf, betreffend die EE114““ für den Kreis Siegen, und ein anderer, etreffend die Befähigung für den höheren Verwal⸗ tungsdienst, zur Beschlußnahme vorgelegt worden. ei den früheren Verhandlungen über die letztere Vorlage ist zwischen beiden Häusern des Landtags und der Staatsregierung über alle wesentlichen Bestimmungen des Entwurfs ein Einverständniß erzielt worden: nur bezüglich der im §. 10 enthaltenen Vorschrift über die Qualifikationsbedingungen, welche bei der Berufung zu den Stellen eines Landraths, Kreis⸗ und Amtshauptmanns und Ober⸗Amtmanns in den Hohenzollernschen Landen festgehalten werden sollen, hat eine Einigung nicht herbeigeführt werden können. Die gegenwärtige Vor⸗ lage enthält in dieser Beziehung folgenden Vermittelungsvorschlag: §. 10. Zur Bekleidung der Stelle eines Landraths, Kreis⸗ und Amtshauptmanns und Ober⸗Amtmanns in den Hohenzollernschen Landen ist die Feagsr zum höheren Verwaltungsdienste oder Justizdienste erforderlich. Außerdem können zu diesen Stellen auch diejenigen Personen berufen werden, welche mindestens 4 Jahre ent⸗ weder a. nach bestandener erster Prüfung im Vorbereitungsdienste bei den Gerichts⸗ und Verwaltungsbehörden, oder bd. auch ohne die erste Prüfung abgelegt zu haben, in Selbstverwaltungs⸗ ämtern des Kommunal⸗, Kreis⸗ oder Provinzialdienstes mit Ausnahme jedoch des Amtes eines Gemeinde⸗ oder Gutsvorstehers beschäftigt gewesen sind, sofern dieselben seit mindestens einem Jahre dem Kreise, bezw. Amtsbezirke durch Grundbesitz oder Wohnsitz an⸗ gehören. Alle anderweitig bestehenden Beschränkungen in Bezug auf den Kreis der Personen, welche von einem Kreistage für die Be⸗ setzung eines erledigten Landrathsamts in Vorschlag gebracht werden können, sind aufgehoben. Der Abg. Keßler, Vertreter des 6. Königsbergischen Wahl⸗ brere (Pr. Holland⸗Mohrungen) ist vorgestern hierselbst ge⸗ orben.

Kunst, Wissenschaft und Literatur.

Trier, 24. Oktober. Vor einigen Tagen ist hierselbst das Provinzial⸗Museum eröffnet worden. Die Alterthümer, welche bis jetzt in den römischen Bädern, der Porta Nigra und im Gymnasialgebäude aufbewahrt wurden, sind nun vereinigt und über⸗ sichtlich ausgestellt. Erst jetzt gewahrt man, welche Fülle von inter⸗ essanten und schönen Skulpturen wir besitzen, unter denen sich eine nicht geringe Anzahl von vorzüglichen Marmorwerken befindet. Von

besonderem Werthe sind auch die Sammlungen römischer Glasarbeiten und Terracotten sowie einzelne Bronzen.

München, 29. Oktober. (W. T. B.) Der Fylograph Kaspar Braun, Herausgeber der „Fliegenden Blätter’“, i heute

gestorben.

Paris, 26. Oktober. Hiesige Blätter melden, daß der Maler Paul Baudry, der die Malereien im Foyer der Großen Oper ausgeführt hat, gegenwärtig mit den Vorarbeiten zu zwölf Fresken beschäftigt ist, welche die Thaten der Jungfrau von Orleans im Panthe 22 Ffrbeblichen sollen.

Bibliothek fuͤr Wissenschaft und Literatur. (Historische Abtheilung.) Geschichte Lothringens von Dr. Eugen Th. 112 (Berlin. Th. Grieben. 2 Bände.) Bis jetzt hatte es bekanntlich an einer den heutigen Anforde⸗ rungen der Wissenschaft entsprechenden, unparteiischen Geschichte Lothringens gefehlt. Was wir vor Huhns Arbeit an historischen Werken über dieses Land besaßen, ist ausschließlich im französischen Geiste und französischer Sprache geschrieben. Durch das vorstehende, in deutscher Sprache abgefaßte Geschichtswerk von Huhn wird daher eine Lücke ausgefüllt. Es wird darin di. Geschichte Lothringens in eingehender Weise dargestellt, und zwar in der Weise, daß dieselbe sich nicht auf das Herzogthum allein be⸗ schränkt, sondern auch über die dazwischen liegenden Gebiete der drei Bisthümer, der Stadt Metz und der kleineren ehemaligen deutschen Reichsherrschaften verbreitet und neben der Geschichte der berrschenden auch die des Landes selbst und der ganzen bürgerli en und Kulturentwickelung in ihren Kreis zieht. Die Darstellung reicht bis zum Jahre 1766, in welchem Lothringen bekanntlich mit Frankreich vereinigt wurde. Uebrigens ist Huhns Geschichtswerk, das jetzt in 2 Bänden vollständig vorliegt, nicht für Hißhrsler von Fach, sondern zunächst für größ re Leserkreise bestimmt.

u besserem Verständniß der Geschichtserzählung sind übersichtliche genealogische Tabellen und 5 historische Karten beigegeben; für den Fachmann ist außerdem an der Spitze eines jeden Abschnittes die dafür speziell benutzte Literatur aufgeführt. Dem 2. Bande ist ein Personenverzeichniß beigefügt.

Von dem reichillustrirten Werke „Die Erde und ihre Völker, ein geographisches Hausbuch“, von Friedrich von Hellwald (Stuttgart, Verlag von W. Spemann), ist soeben die Doppel⸗ Ueferung 8 Porden. 2 derselben beginnt der Abschnitt „Australien“. er Lieferung liegen Karten von Nord⸗ und Mittel⸗Amerika bei.

„— Unter dem Titel „Verschollenes und Neues“, ein Dichterbuch aus Deutschland und Oesterreich, herausgegeben von Bodenstedt, erscheint im Verlage der Helwingschen Ver⸗ agsbuchhandlung in Hannover eine Sammlung von Gedichten, welche durchweg nur Beiträge von noch lebenden deutschen und österreichischen Dichtern enthält. Das Buch umfaßt zwei gleiche Theile, von denen der eine ausschließlich neue Gedichte bringt, der andere in sorgfälti⸗ ger Auswahl Proben aus Werken, „welche man“, wie der Heraus⸗ geber in der Vorrede bemerkt, „theils nicht mehr, theils noch nicht in weiteren Kreisen kennt, so daß für diese im großen Ganzen alles hier Gebotene neu erscheinen wird.“ Am meisten Neues hat der Heraus geber selbst beigesteuert, dessen Beiträge die Sammlung eröffnen und schließen.

Land⸗ und Forstwirthschaft.

1 (Hamb. Corr.) Soweit bis jetzt ermittelt werden konnte, sind die diesjährigen Getreideernten nachstehender Länder, im Verhältniß zu 100 als Durchschnitt angenommen, wie folgt aus⸗ gefallen: 11“ 1“

Weizen.

1 Gerste. Hafer. Preußen. ““ 95 8884 das 1111111“ 75 1“ 100 öö1“ 1 90 11““ 8 ““ Großbritannien und Irland Frankreich . .. b Oesterreich⸗Ungarn Südrußland... Mittelrußland. Nordrußland. Russisch⸗Polen. Rumänien ͤX1X1X1X1“; V1 50 Schweden und Norwegen .... 95 Dänemark 111““ 70 h11116666“ 90 1ö1111““ 111ö1öö“] 5 100 11611““ 00 100 Die östlichen, südöstlichen und Mittelstaaten von Europa haben zum großen Theil ausgezeichnete Qualitäten geliefert, während die westlichen und nordwestlichen Staaten geringere und schlechte Quali⸗ täten ergaben, was hauptsächlich der ungünstigen und regnerischen Witterung zugeschrieben wird.

Gewerbe und Handel.

Die Sächsische Webstuhlfabrik zu Chemnitz (vor⸗ mals Schönherr) hat in der 1876/77er Geschäftsperiode 665 Ma⸗ schinen, einsch ließlich 550 mechanische Webstühle gegen 555 dergleichen im Vorjahre gebaut und verkauft. Von dem mit 79,041 in die Bilanz eingestellten Bruttogewinn kommen 76,416 Abschreibungen in Abzug; es wird vorgeschlagen, restliche 2624 Reingewinn auf neue Rechnung vorzutragen. Die Bilanz bewerthet Grundstücke, Ge⸗ bäude und Motoren mit 2,468,319 ℳ, Hilfsmaschinen, Werkzeuge ꝛc. mit 541,061 ℳ, die Materialien und Vorräthe mit 511,435 ℳ, Debitoren mit 650,276 ℳ, wogegen in die Passiven eingestellt sind die Kreditoren mit 393,921 ℳ, einschließlich eines Bauvorschusses von 138,037 ℳ, der Reservefond mit 193,255 Das Aktienkapital besteht in 3 Millionen Mark, die vorhandenen Hypotheken in 600,000 1

Der Einlösungs⸗Cours für die Silber⸗Coupons der österreichischen Eisenbahngesellschaften an den deutschen Zahlstellen ist bis auf Weiteres auf 179 für 100 Fl. österr. Silber gegen 178 50 in voriger Woche festgesetzt worden.

Der Verwaltungsrath der Schlesischen Leinen⸗In⸗ dustrie⸗Gesellschaft (vormals Kramsta) hat die Dividende fun e dem 31. August c. abgelaufene Geschäftsjahr auf 4 % estgesetzt.

Antwerpen, 29. Oktober. (W. T. B.) Bei der heutigen Wollauktion waren 3036 Ballen angeboten, davon 2295 B. verkauft. Das Geschäft war belebt, Preise unverändert.

Rom, 24. Oktober. Im Mossothale in und um Biella haben die Weber die Arbeit von Neuem eingestellt, und man fürchtet ernste Unruhen, um so mehr, als das Militär bis auf eine Compagnie bereits wieder abgezogen ist.

Verkehrs⸗Anstalten.

Das „Journal officiel“ veröffentlichte kürzlich einen statisti⸗ schen Nachweis der Verkehrsverhältnisse Frankreichs in den ersten 9 Monaten des Jahres 1877. Danach hat der Import die Höhe von 2,745,650,000 Fres. und der Export von 2,575,800,000 Fres. erreicht. In dem entsprechenden Zeitraume des Jahres 1876 betrug die Totalsumme des Im⸗ und Exportes 274 Millionen mehr. Der Import überstieg den Export um 170 Millionen.

Plymouth, 29. Oktober. (W. T. B.) Der Hamburger Postdampfer „Wieland“ ist hier eingetroffen.

New⸗York, 29. Oktober. (W. T. B) Der Dampfer des Norddeutschen Lloyd „Amerika“ ist hier angekommen.

Baltimore, 28. Oktober. Das Postdampfschiff „Nürnberg“, vom Norddeutschen Lloyd in Bremen, welches am 10. Oktober von Bremen abgegangen war, ist heute wohlbehalten hier angekommen.

Roggen.

Berlin, 30. Oktober 1877. unstausstellung der Königlichen Akademi E der Lünste. I“ (S. Nr. 249 d. Bl.) Motive der Dichtung und des Märchens.

Verschwindend gering ist die Anzahl der sogenannten Salonbilder, unter denen zwei Arbeiten von Albert Keller in München in erster Linie stehen. Während das reizvolle Figürchen eines jungen Mädchens, die in einem von kaltem, glan losen Licht erfüllten Interieur emsig mit den „letzten Stichen“ einer Näharbeit beschäftigt ist, allerdings nicht blos in den Fleischtönen gar zu matt und stumpf wirkt, ist die fein gedachte und graziös bewegte, in ouftiges Weiß gekleidete jugendliche Frauengestalt, die, einen beim Durchstöbern alter, verstaubter Andenken aufgefundenen Brief in der Hand, von lebendig erwachender „Erinnerung“ ergriffen, leise vor sich hin⸗ lächelt, sammt dem komfortablen Gemach mit seiner gelb⸗ seidenen Tapete und den tiefglänzenden japanischen Lackmöbeln in delikatester Tonstimmung mit vollendeter Eleganz behandelt. Nicht ohne Glück erstrebt Karl Fleischer in München, dessen gefälliges koloristisches Talent sich ersichtlich unter dem Ein⸗ fluß Kellers entwickelt, eine ganz ähnliche Wirkung in dem Bilde zweier jungen Damen, von denen die eine „kunst⸗ sinnig“ die im Zimmer der von ihr besuchten Freundin auf⸗ gestellte pompejanische Statuette des sog. Narkissos betrachtet.

Von Fritz Kraus in Berlin, der uns sonst wohl auf diesem Gebiet begegnet, sehen wir diesmal außer einem sehr verdienstlichen Porträt und einem kleinen, individuell aufge⸗ faßten weiblichen Köpfchen nur noch die charakteristische, mit sicherer Hand gemalte Figur einer jungen Zofe, die an der Thür zum Nebenzimmer eine „Gardinenpredigt belauscht“. Mit einer zierlichen Toilettenscene ist. dagegen ein jüngerer, vielversprechender Künstler, Karl Wünnenberg in Düssel⸗ dorf, vertreten, der sich im vorigen Jahre durch die meister⸗ haft gemalte Figur einer in schwarze Seide gekleideten Dame mit einem Kützchen einführte und nun, wie in jener ansprechenden Arbeit, so auch in den „drei Schwarzen“, zwei jungen römischen Priestern, die in der Skulpturen⸗ galerie mit intim beobachtetem Ausdruck zu einem aus dunk⸗ lem Marmor gearbeiteten, lustig lachenden Kentauren empor⸗ schauen, noch mehr aber in einem der anziehendsten Bilder der Ausstellung, einer jungen Dame, die „nach der Beichte“ durch ein prächtiges Kircheninterieur daherkommt und durch die lebensvolle, pikante Charakteristik und Zeichnung, wie durch den geistreichen Vortrag und den zarten und doch kräf⸗ tigen, fein grauen Ton der Farbe gleich sehr zu fesseln weiß, ein durchaus originelles und echt modernes, vielseitiges male⸗ risches Talent in entschiedenster Weise bekundet.

An die Gruppe der Salonmaler reihen wir Wilhelm Amberg in Berlin, der ihnen wenigstens in gewissem Sinne ziemlich nahe steht. In dem „günstigen Augenblick“, einem Liebespaar im Kostüm der Spätzeit des vorigen Jahrhunderts, das kosend durch einen Buchenwald einherwandelt, giebt er freilich nichts anderes als eine neue, nicht eben sonderlich her⸗ vorragende Variation eines oft von ihm behandelten Motivs, und auch in dem ziemlich großen Brustbild eines in reichem, malerischen Kostüm dasitzenden „Edelfräuleins“, deren allzu zartes Gesicht von breit herabfließendem, welligem blonden Haar umrahmt wird, beeinträchtigt die Kraftlosigkeit des Tons und der Modellirung und am meisten die wenig gefühlte Zeichnung der ineinandergefalteten Hände die volle poetische Wirkung der koloristisch außer⸗ ordentlich fein angelegten Figur. Zu den glucklichsten Schöpfungen des Meisters aber zählt das „Im Sommer“ be⸗ titelte, ebenso liebenswürdig empfundene, wie frisch und malerisch reizvoll durchgeführte Bild einer jugendlichen Mädchengestalt, die, im Schatten tiefherabhangender, sonnig durchleuchteter Zweige ins Grüne dahingestreckt, und eben von dem vor ihr am Boden liegenden Buch aufblickend, ihr klares Auge über die heiter lachende Landschaft dahinschweifen läßt. Selbst in den gelungensten ähnlichen Arbeiten Ambergs ist die bezaubernde Anmuth unschuldig anspruchsloser, glücklicher Jugend kaum so einschmeichelnd geschildert, als in dem har⸗ monischen Zusammenklang dieser zart erblühten Figur mit mit der sie umgebenden, uns warm und wohlig anwehenden Scenerie.

Unter den Bildern, die ihre Motive der Dichtung ent⸗ lehnen, sind der „König Lear“ mit dem Narren von G. Schauer und die „Todtengräberscene aus Hamlet“ von E. Stieler als nicht üble, mit dem durchschnittlichen malerischen Können der Pilotyschule gearbeitete Illustrationen zu nennen. Mit einer solchen begnügt sich auch C. Boppo in Weimar, dessen gefällig sich präsentirende, wenngleich aus sich selber kaum verständliche Darstellung der auf ihrer Flucht mit dem Narren im Walde rastenden beiden Prinzessinnen aus „Wie es euch gefällt“ durch eine tiefer eindringende Charakteristik noch gewinnen würde. Eine in sich völlig selbständige, in hohem Grade Schöpfung ist dagegen die lebens⸗ große „Julia Capulet“, von Bertha Sieck in München, die in diesem fein

und tief empfundenen und meister⸗ haft breit und

sicher behandelten Bilde ein ebenso seltenes, wie reif entwickeltes Talent offenbart. Vor einem neutral getönten Vorhang sich abhebend, der seitwärts zurückgenommen ist, so daß man über den von blauen Winden umrankten Balkon in die draußen mit der Däm⸗ merung ringende, schweigende Nacht hinausblickt, während zur Linken die schweren Falten eines bräunlich rothen Sammet⸗ stoffs den malerisch wirksamen Hintergrund bilden, sitzt die in schwermüthig süße Träumerei Verlorene, eine Gestalt von wahrhaft rührender, lieblicher Schönheit, das dunkle, in ge⸗ lockerten Flechten über Hals und Nacken niederfließende Haar mit einem goldgestickten Häubchen bedeckt, in ihrem stillen, wie von geheimnißvollem Duft durchwehten Gema in einer Haltung 5 in der die Spannung der Glieder sich mild und weich zu lösen scheint, wie das leichte weiße Gewand, das, von den Schultern herabgeglitten, kaum noch die zarte Brust verhüllt. Wie diese graziös hingegossene, in jeder Linie voll ausklingende Bewegung, so athmet der seelenvolle Ausdruck des Kopfes, der sinnend gesenkte Blick des von dichten Wim⸗ pern beschatteten Auges, der auf dem spielend von der im Schooße ruhenden Rechten hin⸗ und hergedrehten goldenen Reif am Finger der Linken weilt, den holdesten Zauber echter, inniger Poesie, die nicht durch die leiseste sentimentale Bei⸗ mischung in ihrer Reinheit getrübt wird. Dasselbe aber gilt in gleichem Maße von der wohlthuend Teenee einheitlich eschlossenen malerischen Haltung des Bildes, das, einer durchaus oloristischen Anschauung entsprungen, seinen eigenartigen Stimmungsgehalt gerade durch Ton und Farbe in beredtester