Abg. Richter ist, das erkenne ich gern an, ein grundgescheidter Mann, ber unfehlbar ist er nicht, und hier hat er sich sehr geirrt. 8 8 Ich will dann aber noch weiter gehen. Unter den Summen, die nooch zur Disposition stehen, ist eine ganze Reihe von Beträgen, die ich überhaupt nicht verwenden kann. Da finden wir beispielsweise
ei dem Kanal vom Plötzensee nach Charlottenburg eine Ersparniß — die Summe ist noch nicht genau abgeschlossen, sonst hätte sie schon dem Herrn Finanz⸗Minister zur Verfügung gestellt werden
müssen — von 727,500 ℳ; es findet sich darunter ein Betrag
Errichtung eines Gebäudes an Stelle der Werder⸗ schen Mühlen von 396,630 ℳ — es ist ja bekannt, wodurch dieser Bau überhaupt beseitigt ist — zum Bau des Ems⸗ Jade⸗Kanals — der Bau hat bekanntlich wegen der Verhandlungen
mit den Grundeigenthümern noch nicht begonnen werden können —
eine Summe von 584,000 ℳ; es befindet sich ferner darunter die Summe von 129,000 ℳ für die Anlage auf dem Kreuzberg, worüber Ihnen neuerdings wiederum eine Anforderung zugegangen ist, so daß also in jenen 7,860,122 ℳ eine ganze Anzahl von erheblichen Posten stecken, mit denen ich so gut wie nichts machen kann.
So also, meine Herren, ist die wahre Lage der Sache, und ich
behaupte daher mit allem Recht, daß es durchaus nicht zutreffend ist, wenn der Hr. Abg. Richter behauptete, ich hätte auf Grund schlechter Informationen meine Mittheilungen gemacht. Nein, meine Herren, meine Information war gut, die der anderen schlecht, wie ich heute nachgewiesen habe, und es zeigt sich klar, wie sehr bei diesen ver⸗ hältnißmäßig geringen Beträgen die ganze Angelegenheit seinerzeit aufgebauscht worden ist. 2 1 Auf die übrigen Fragen will ich heute nicht eins muß ich dem Hrn. Abg. Richter noch er⸗ widern. Wenn er sagte, die Staatsindustrie sei die Ur⸗ sache der Schädigungen, die augenblicklich in unseren finanziellen Ver⸗ hältnissen hervortreten, so bin ich der Letzte, der bestreitet, daß bei Staatsindustrien die Einnahmen des Staates je nach den Konjunk⸗ turen sehr schwanken können; man darf aber nicht übersehen, daß in guten Jahren die Staatsindustrie doch auch sehr gute Ueberschüsse liefert, die dann nicht allein zu Gunsten dieser Staatsindustrie, son⸗ dern zu Gunsten der Allgemeinheit Verwendung finden. Beispiels⸗ weise haben die mehrfach erwähnten Staatsbergwerke in den Jahren von 1872 bis 1876 einschließlich — wenn ich runde Summen an⸗ gebe — nicht weniger als 71 Millionen Mark über den Etat in die Staatskasse geliefert. Wir haben im Jahre 1873 nicht weniger als 35,979,535 ℳ über den Etat zur Staatskasse geführt. Wenn man die guten Jahre nimmt, muß man auch, dächte ich, mit den schlechten sich abfinden. 1 4 J ill nicht in eine Diskussion eintreten, ob Staatsindustrie ob nicht; sie ist oftmals von diesem Hause entschieden worden. Was aber die Vermehrung und Erweiterung der Staatsbahnen anbetrifft, so habe ich bisher geglaubt, mich auf dem Boden zu befinden, welchen dieses hohe Haus einnimmt, denn die Bahnen wären nicht gekauft, nicht gebaut, nicht zu bauen begonnen worden, wenn wir nicht das Votum des Hauses für uns gehabt hätten.
Nun sagt der Herr Abgeordnete, zu den Konservativen gewandt: haben Sie die Staatsregierung gehindert, diese neuen Bahnen zu kaufen oder zu bauen? Man könnte auch die Frage an Sie richten: haben Sie es zu hindern versucht? (Ja wohl! links.) Der Hr. Abg. Richter ja, aber seine Parteifreunde nicht.
Ich kann das um so weniger anerkennen, als auch aus der Mitte seiner Parteifreunde — das ergiebt z. B. der Kommissions⸗ bericht von 1873 — noch ein ganzes Feuanis anderer Eisenbahnen verlangt wurde, die bisher noch nicht gebaut worden sind. Die Re⸗ gierung ist bisher noch nicht in der Lage gewesen, auf diese Wünsche einzugehen.
Nun sage ich, meine Herren, von meinem Standpunkte aus: Ich theile die Auffassung des Hrn. Abg. Richter nicht. Eine Eisen⸗ bahn, die bestimmt ist, ärmere und vernachlässigte Landestheile auf⸗ zuschließen, mit anderen Worten eine Meliorationsbahn, hat die allergrößte Bedeutung für das Land und wird auch ferner die aller⸗ größte Bedeutung für die Provinz Preußen haben, wenn dermaleinst sich Wünsche erfüllen lassen, die von seinen Partei⸗ . genossen vielfach in diesem Hause geltend gemacht sind.;
Ich habe dem Herrn Abgeordneten vor 2 Jahren, als es noch Zeit war, — beispielsweise die Bahn in Ostpreußen, die Graudenzer Bahn waren noch nicht gebaut, es war noch kein Hammerschlag an den⸗ selben geschehen — wiederholt gesagt: Wenn Sie glauben, daß wir eine verfehlte Maßregel haben eintreten lassen, so vereinigen Sie sich mit Ihren Parteifreunden und beantragen Sie, daß diese Bahnen nicht gebaut werden; wir werden dann darüber reden. — Ich habe indeß einen solchen Antrag nicht erhalten und es ist beim Bahnbau geblieben. Dem Herrn Abgeordneten lasse ich allerdings die Ge⸗ rechtigkeit widerfahren — das muß ich anerkennen, das bestreite ich keinen Augenblick: daß er in dieser Beziehung auf einem ganz anderen Standpunkt als die meisten seiner Freunde gestanden hat. Ich will auch hervorheben, daß er das, was er heute sagt, nicht zum ersten Mal behauptet, sondern daß es, soviel ich weiß, immer seine Mei⸗ nung gewesen ist. Das sind aber nur Ansichten. Ich behaupte nicht, in den meinigen unfehlbar zu sein, ich hege nur die aufrichtige und ernste Ueberzeugung von der Richtigkeit derselben. Wenn der Herr Abgeordnete aber der einen Partei ihr Verhalten in diesen An⸗ gelegenheiten vorhält, so vergesse er nicht, wie man sich in seiner eigenen Partei benommen hat.
Ich verharre bei der Auffassung, daß das, was wir auf wirth⸗ schaftlichem Gebiet gethan haben, zum Wohl des Landes gereichen wird, daß auch, wenn wir weitere schwere Jahre durchzumachen haben werden, doch die Finanzzustände, die finanziellen Einrichtungen un⸗ seres Vaterlandes solche sind, die auch zur künftigen Entwickelung nud Blüthe desselben beitragen werden.
Hierauf nahm der Vize⸗Präsident des Staats⸗Ministeriums, Finanz⸗Minister Camphausen das Wort:
Meine Herren! Der geehrte Herr Vorredner aus dem Abge⸗ ordnetenhause hat die Bemerkung gemacht, man lege der Erhöhung der Matrikularbeiträge einen allzuhohen Werth bei, wenn man in der That glaubt, daß bei einem Staatshaushalt, der mit einer usgabe von 670 Millionen Mark abschließt, die kleine Erhöhung von 4 ½ Millionen Mark irgendwie wesentlich ins Gewicht fallen sollte. Erlauben Sie mir, meine Herren, Ihnen kurz darzulegen, in welcher Weise diese kleine Erhöhung wirklich ins Gewicht gefallen ist. Diese Erhöhung hat uns gezwungen, durch einen Nachtragsetat den disponiblen Ueberschuß des Jahres 1876, der sonst für die Zwecke des gegenwärtig zu berathenden Etats zur Disposition gestanden hätte, um 4 ½ Millionen zu schmälern. Zu⸗ gleich sind wir genöthigt gewesen, für den laufenden Etat diese 4 ½ Millionen Mark, oder richtiger gesagt 4,581,000 ℳ, in Ausgabe zu stellen. Beides zusammengenommen würde also unsere Mittel erhöht haben um 9,161,000 ℳ Wenn Sie sich den Etat ansehen und ein⸗ mal von der Unterstellung ausgehen, daß uns diese 9,161,000 ℳ ge⸗ blieben seien, so würden wir des Zuschusses aus den Kontributions⸗ überschüssen garnicht bedurft haben, und würden doch im Stande ge⸗ wesen sein, ad extraordinaria etwas mehr zu verwenden, als wie der Etat pro 1877/78 mit 20,558,000 ℳ in Aussicht genommen hat, wir würden also in der Lage gewesen sein, blos bei Wegfall dieses Umstandes Ihnen einen Etat vorzulegen, der ohne das Hülfsmittel aus den Kontributionsüberschüssen lediglich in der Manier, wie wir bisher unsere Etats aufgestellt haben, indem wir die in einem Jahre erzielten Ueberschüsse für das spätere Etatsjahr zur Disposition gehalten haben, den Etat in der Weise abzuschließen, wie ich gesagt habe. Ich möchte also doch bitten, diese Erhöhung der Matrikularbeiträge nicht zu uh zu veranschlagen. enn dann der geehrte Herr Redner ebenso, wie er das schon neulich im Vorbeigehen gethan hat, gesagt hat, daß das Einstellen der Kon⸗ tributionsüberschüsse nur eine verdeckte Anleihe sei, so kann ich das doch nicht vollständig als richttg anerkennen. Richtig ist, daß bei dem Bestreben, die Kontributionsüberschüsse als Kapitalsanlagen zu behandeln, wir in dem Gesetze von 1873 für die damals sich uns darbietende Kapitalsanlage in Eisenbahnbauten die Kontributions⸗
eingehen,
2 8 —
überschüsse zu diesem Zwecke bestimmt hatten, und daß wir von diesem Verfahren insofern abweichen, als wir hier das uns aus dem Kriege zugewachsene Kapital zwar ebenfalls zu Kapitalsausgaben ver⸗ wenden, aber nicht zu produktiven, sondern zu solchen, die anderwei⸗ tige Bedürfnisse befriedigen. Ich möchte doch glauben, wenn die gegenwärtige Generation alle Leiden des Krieges getragen hat, es dann doch nicht gar so arg sei, wenn sie einen kleinen Theil von den Kontributionsüberschüssen verwendet, um Kapitalsausgaben, die sie machen muß, zu decken. Will man das eine verdeckte Anleihe nennen — der Herr Graf zur Lippe hat es im vorigen Jahre im Herrenhause auch so genannt — ich habe zuletzt nichts dagegen.
Dann ist bei den Betrachtungen über das Anleihegesetz in eine sehr tiefe Erörterung eingegangen, wie das zu unserer Verfassung stände, und ob wir da cht vielleicht in sehr schlimme Bahnen ge⸗ rathen würden. Es sind Konjekturen darüber aufgestellt worden, wie da zwei Finanzpläne nebeneinander herliefen und man nicht ge⸗ wußt habe, ob man den letzteren Finanzplan vorbringen wolle oder nicht und daß man sich nicht einmal die Zeit genommen habe, die anze Sache mit dem Staatshaushalt zu verarbeiten. Nun, meine —2 der innere Zusammenhang der Sache ist ein völlig ver⸗ schiedener. Als in der vorigen Sitzungsperiode des Landtags aus der Mitte des Hauses selbst der Antrag hervorging, Mittel für gewisse Bauten, die dem Lande nützlich sein würden, zu verstärken, da ist schon im Frühjahr dieses Jahres die Diskussion darüber aufgenommen, ob man dazu übergehen wolle, auch für solche Bauten, die einen Zinsenertrag nicht ergeben, oder, wie man gewöhn⸗ lich es abkürzungshalber nennt, „nicht produktive Bauten“, Geld⸗ mittel durch eine Anleihe aufzunehmen. Ich bin es damals gewesen, der auf diese damals für das Handels⸗Ministerium gegebene An⸗ regung sich gemüßigt gefunden hat, an alle Ressortchefs zu schreiben und sie um die Aeußerung zu bitten, was denn die mesentlichsten im Staatsinteresse dringender Weise zu befriedigenden Bedürfnisse seien, die ihnen in den nächsten Jahren bevorständen. Der Zeitraum von 5 Jahren ist dabei ein rein willkürlicher gewesen, man hätte auch einen engeren nehmen können; Vorschläge, die mir gemacht worden sind, haben theilweise noch einen größeren Zeitraum umfaßt. Mir war es nicht unbekannt, daß z. B. die Durchführung der Reichs⸗ gesetze über das Gerichtsverfahren nothwendig für die Justizverwal⸗ tung große Bauten erfordere, und mir schien es so — vielleicht mag mein Gesühl ein irriges gewesen sein — daß es für den mächtigen Staat Preußen kein gutes Verhältniß wäre, wenn in ihm die Ge⸗ richtsgebäude wesentlich gegen die Gerichtsgebäude der anderen Staaten zurückständen, und wenn wir erst langsam und allmählich uns auf die gleiche Höhe emporschwingen könnten. Ferner, meine Herren, schien es mir in hohem Grade wünschenswerth, für die Landesver⸗ tretung und für die Regierung, zu wissen, was denn für dringliche Anforderungen unabweislich im Gebiete des Kultus⸗Ministeriums, des Ministeriums des Innern, und, um es ja nicht zu vergessen, des Ministeriums der landwirthschaftlichen Angelegenheiten — denn sonst möchte ich mir noch einmal den Vorwurf des Hrn. von Schorlemer⸗ Alst zuziehen — was da überall hervortreten möchte. Es haben sehr eingehende Verhandlungen stattgefunden, ich kann Sie versichern, daß der Finanz⸗Minister oft eine recht schwierige Stellung gehabt hat, um viele weiter gehende Forderungen nicht so unbedingt zu acceptiren, und das Resultat von diesen Verhandlungen ist ge⸗ wesen, daß wir in einem Zeitraum von etwa 5 Jahren uns darauf gefaßt machen mußten, für die in der Gesetzesvorlage bezeichneten Bauten die Gelder mit 126 Millionen Mark aufzubringen. Natür⸗ lich ist die Vorlage nicht so aufzufassen, als wäre es nun die Mei⸗ nung, daß diese Gelder im nächsten oder in dem darauf folgenden Jahre sollten zur Verwendung gelangen. Das ist ja nur für einen Theil möglich; wir würden ja im höchsten Grade unwirth⸗ schaftlich verfahren, wenn wir diese Bauten weiter erstrecken wollten, als wie unsere Kräfte reichen, als wie die technischen Kräfte, die uns zur Verwendung stehen, als wie die Arbeitskräfte, die wir gewinnen können, mit wirthschaft⸗ lichem Effekt nutzbar gemacht werden können. Das ist nun der Ur⸗ sprung dieser Vorlage, die wir ebenso, wie das stets bei de großen Eisenbahnanleiben gesch hen ist, völlig unabhängig von dem laufenden Etatsjahr behandelt haben, bei der wir also die Stellung einge⸗ nommen haben, daß, wenn die Landesvertretung uns erklärt: was ihr wollt, ist zwar sehr schön, aber wir sind doch nicht geneigt, die Gelder dazu zu geben, wir vergegenwärtigen uns, daß wir für die gegen⸗ wärtig aufzunehmenden Gelder die Zinsen zahlen müssen und daß wir dadurch unseren Etat für die Zukunft schwerer belasten, als uns lieb ist. Wenn ein solcher Ausspruch erfolgen sollte, wovon ich hoffe, daß er nicht erfolgen wird, so würde nun der in gewöhnlicher Weise aufgestellte Etat vollständig seinen Gang gehen können, während außerdem, wenn Sie auf unseren Antrag eingehen, wenn diese erst successive aufzunehmende Summe im Etatsjahr 1878/79 eine erhebliche Verzinsung erfordern sollte, unser Etat weit genug gesteckt ist, um diese Mehrausgabe wohl übernehmen zu können.
Meine Herren! So viel über die Anleihe. lich den Herren Ressortchefs, die bei dieser Frage weit mehr betheiligt sind, als ich selbst, überlassen, jede einzelne der von ihaen angemel⸗ deten Forderungen der Budgetkommission gegenüber zu belegen und zu vertheidigen und wir werden dann schließlich sehen, was aus diesen Verhundlungen herauskommt. Nun aber, meine Herren, hat sich die Verhandlung über die Anleihe hinaus vielfach bezogen auf unsere Stellung zu den Steuereinnahmen. Der Hr. Abg. Richter hat erklärt, er begreife gar nicht, wie man gerade dem Fürsten Reichskanzler die Idee der indirekten Steuern gleichsam als Monopol zuweisen wolle; man habe ja die indirekten Steuern bei uns schon lange gekannt und es sei keine neue Erfindung. Nun, meine Herren, daß wir die indirekten Steuern schon lange gekannt haben und daß wir auf die indirekten Steuern hingewiesen sein wür⸗ den, wenn es sich um die Vermehrung der Staatseinnahmen handelt, das ist allerdings ein Gegenstand, der mir schon sehr oft Gelegenheit gegeben hat, meine Auffassung darzulegen und zwar schon lange, bevor von diesen Steuerreformen die Rede war. Ich habe schon in diesem Hause selbst im Jahre 1871, und schon das war nicht das erste Mal — ich habe mir nicht die Mühe geben können, auf noch frühere Vorgänge zurückzugehen — am 11. Dezember 1871, als eine Aeuße⸗ rung von mir wegen der direkten und indirekten Steuern — es bezog sich damals auf die Mahl⸗ und Schlachtsteuer einerseits und die Klassensteuer andererseits — den Abg. Lasker veranlaßte, sich darüber auszusprechen, als ob ich mich als Gegner der indirekten Steuern hingestellt hätte, geäußert, was folgt:
Einen allgemeinen Ausspruch über direkte und indirekte Steuern und über deren relative Vorzüge habe ich diesmal nicht gethan, wenigstens nicht thun wollen; und diese Aeußerung würde einge⸗ schränkt werden durch die mit vollem Recht ebenfalls aus einer frühern R de von mir vom Abg. Richter zitirte Aeußerung, daß, wenn bei unserem gegenwärtigen Finanzsystem die Nothwendigkeit eintreten sollte, die Staatseinnahmen zu erhöhen, eine Nothwendig⸗ keit, die glücklicherweise nicht eingetreten ist, konnte ich am 11. September 1871 sagen, ich dann der Vermehrung der indirekten Steuern oder der Ertragssteigerung der indirekten Steuern den Vorzug geben würde.
Bei dieser Auffassung bleibe ich heute ebenso stehen, wie ich das vor einem Jahre gethan habe.
So lautete damals die Rede, und ich habe Anlaß gehabt, im Herrenhause, wo man sich für diese Angelegenheit seit Jahren sehr lebhaft interessirt hat, unter Anderem am 24. März 1876, steno⸗ graphische Berichte Seite 69, mich zu äußern, wie folgt:
Wenn die heutige Debatte dahin geführt hat, sich über das Verhältniß der direkten und indirekten Steuern auszusprechen, so kann ich nur wiederholen, was ich bei frühheren Anlässen gesagt habe, daß ich der Meinung bin, eine jede Erhöhung der Anfor⸗ derungen an die Steuerkraft des Landes hat sich nicht an die direkten Steuern zu wenden, sondern an die indirekten Steuern, und ich kann ferner wiederholen, daß, was die Matrikularbeiträge betrifft, ich der Ansicht war und bin, daß diese Matrikularbeiträge durch indirekte Steuern ersetzt werden möchten. 8
Ich werde es natür⸗.
8 8—
Bei dieser wiederholt geäußerten Ansicht werde ich stehen bleiben und werde hoffen, selbst dem Hrn. Abg. Windthorst nicht als Commis des Fürsten Bismarck zu erscheinen, wenn ich etwa mit ihm in diesem Sinne wirke. Worin ich aber abweiche — ich will daraus keinen Hehl machen — und was ich den Plänen ent⸗ gegensetzen würde, die ich von jener Seite heute vernommen habe, das wäre, wenn der Vorschlag gemacht würde, die Matrikularbeiträge im Reiche vollständig abzuschaffen und daß ich nicht glauben würde, dem zustimmen zu können, weil ich der Meinung bin, daß der Reichstag auf das ihm in dieser Hinsicht zustehende Recht nicht würde verzichten können, ohne seine Stellung erheblich zu beeinträchtigen. Aber, meine Herren, auch diese Schranke würde immerhin nicht hin⸗ dern, wenn es der Wunsch des Landes wäre, die indirekten Steuern noch weiter ausgedehnt zu sehen, — ich weiß heute nicht, ob ein solcher Wunsch existirt — es würde meines Erachtens dies keine hindernde Schranke sein können, um dem Wunsche nachzugeben, denn es ließe sich sehr wohl eine Einrichtung treffen, wonach die Erträge gewisser indirekten Steuern quotenweise zwischen dem Reiche und den Parti⸗ kularstaaten vertheilt würden.
Wenn dann heute von mehreren Seiten Ermahnungen an den Finanz⸗Minister gerichtet worden sind und das Bedauern ausgedrückt worden ist, daß er in der elften Stunde bereit sei, auf Steuer⸗ erhöhungen einzugehen, so würde ich antworten können, wenn ich in der Lage wäre, üüber alle Schritte, die geschehen sind, mich hier an diesem Orte aussprechen zu können, so würde ich vielleicht den Beweis führen können, daß die desfallsigen Schritte schon vor längerer Zeit von mir geschehen sind.
Meine Herren! Wir beschäftigen uns also in Gedanken mit einer Aenderung der indirekten Steuern. Wissen die Herren wohl, daß wenn man einen bestimmten Plan lange vorher ankün⸗ digt, alle desfallsigen Maßregeln sofort paralysirt werden, wissen Sie wohl, wenn ich proklamire, der Tabak wird höher be⸗ steuert, und wenn es Jemand giebt, der glaubt, das wird wirklich geschehen, daß sofort Tabak eingeführt und die Maßregel theil⸗ weise paralisirt wird, und würde das nicht von jedem Atkiikel ein⸗ treten, mit dem man sich lange vorher versehen kann, sofern die Leute wirklich glauben, es wird diesmal eintreten, wenn sie dächten der Einfluß des Hrn. Abg. Richter wird nicht groß genug sein, um es wiederum zum Scheitern zu bringen, wie ja im Jahre 1873 ein ähn⸗ licher Plan zum Scheitern gebracht worden ist. Wissen Sie wohl, daß sich dann die Spekulation mit Ungestüm darauf werfen würde? Für die Regierung ist dadurch und durch die Nothwendigkeit, sich mit den Bundesregierungen vorher über die beabsichtigten Maß⸗ nahmen zu verständigen, natürlich die unbequeme Lage entstanden, den Schein anzunehmen, als wäre sie in einer gewissen Rathlosig⸗ keit, als wüßte sie nicht was sie thun solle. Man läßt das geduldig über sich ergehen, wie man in andern Beziehungen auch viel über sich er⸗ gehen lassen muß. Ich möchte noch bei dieser Gelegenheit aussprechen, daß ich der Ansicht bin, wie allerdings eine Vermehrung der indi⸗ rekten Steuern dringend geboten ist, dieselbe nicht allein im Inter⸗ esse des Reiches liegt, sondern insbesondere auch im Interesse der Partikularstaaten, nicht als wenn die Regierung in der Lage wäre, sich nicht helfen zu können, wenn man den Versuch machen wollte, ihr solche Einnahmeerhöhungen zu versagen. Meine Herren, es kommt immerwährend darauf an, welche Ausgabe man machen will, wie viel Ausgaben, welchen Zwecken sie dienen sollen. Haben Sie die Besoraniß oder vielmehr sollte seiner Zeit der Reichstag, der ja für diese Frage die kompetente Instanz ist, der Reichstag die Be⸗ sorgniß haben, daß dies alles nur dazu führen würde, um über⸗ flüssige oder gar schädliche Ausgaben zu machen, dann wird er ja solchen Anträgen entgegenzutreten haben. Wenn Sie aber hier — die preußischen Mitglieder des Reichstages — unser preußisches Budget sich ansehen, wenn Sie anerkennen müssen, daß wir uns in recht viele Ausgaben vor und nach eingelassen haben, die wir früher in dem Maße nicht gekannt haben, wenn Sie sich dann aber ferner
sagen, daß wir die Ausgabeerhöhungen, zu denen wir vor und nach
geschritten sind, im Großen und Ganzen doch heute bereuen; wenn Sie sich ferner sagen, daß für nütz⸗ liche Zwecke, für wünschenswerthe wecke, für Zwecke, in denen Landesvertretung und Regierung vollständig mit einander harmonisch zusammengehen werden — ich spreche nicht von einzelnen abweichenden Meinungen, die wird es ja immer geben, aber für Zwecke, wo Regierung und Landesvertretung im Einverständniß mit einander vorgehen, Bewilligungen gemacht sind, dann werden Sie anerkennen, daß wir noch auf manchen Gebieten des staatlichen Lebens nicht so weit gekommen sind, als wie es der preußischen Nation würdig ist, und daß die Interessen des Landes, die wohlver⸗ standenen Interessen des Landes, solche, die bei aller Sparsamkeit, bei aller Nüchternheit als nützliche anzuerkennen sind, erheischen wer⸗ den, daß der Staat über größere Mittel verfügen darf, als er heute verfügen kann. Allerdings handelt es sich dabei nicht um ungemes⸗ sene Summen, allerdings wird es sich dabei, wie ich glaube, nur um mäßige Beträge für diese Zwecke handeln können. Eine andere Frage würde sein, wenn die dem Gedanken beseelt wäre: wir werden Abhülfe schaffen müssen, daß wir indirekten Steuern in den Stand
nicht
Nation von auch dadurch
gesetzt
ich sie mit einem allgemeinen Ausdruck benennen soll, abzugeben, so ist das eine Frage, auf deren Erörterung ich mich in diesem Augen⸗ blick durchaus nicht einlassen will, die aber eine Frage der Znronft werden kann. Immerhin, meine Herren, glaube ich, dürfen Sie da⸗ von ausgehen, daß die Lage des preußischen Finanzwesens auch nach⸗ dem die Tilgung der Staatsschulden vermindert worden ist, eine überaus gesunde ist. Darf ich Sie vielleicht einen Augenblick daran erinnern, daß also der gegenwärtige Etat, indem er weiter für die Zukunft vorsorgt, und für Kredite, die wir noch zu realisiren haben, 4 Millionen an Zinsen mehr in Ausgabe stellt und es nunmehr bis auf nahezu 49 Millionen Mark für Verzinsung der Staatsschulden gebracht hat, daß dieser selbe Etat uns bei der Eisenbahnverwaltung
einen Einnahme⸗Ueberschuß von 58 Millionen, also von 9 8 allein
mehr, überweist, daß also die Erträge der Eisenbahnen dazu hinreichen, um die Staatsschulden, die wir jetzt haben, und die wir im nächsten Jahre hinzubekommen, zu verzinsen? Wo ist ein Land in Europa, das das von sich sagen kann? und neben den Eisenbahnen haben wir die Bergwerke. Der Herr Handels⸗Minister hat mit vollem Rechte darauf hingewiesen, daß, wenn jetzt ein knappes Jahr ist, wir doch auch viele reiche Jahre gehabt haben, und ich meinerseits würde in der Lage sein, daran zu erinnern, als wir im Jahre 1872 übec den Etat für 1873 beriethen, da habe ich damals ausgesprochen: Meine Herren! Das ist eine Einnahme, die nicht so alljährlich wiederkehren kann;
die spätere Zukunft. Meine Herren, ich gebe zu, daß es momentan noch etwas schlechter geworden ist, als ich damals in Aussicht stellte. Das sind aber auch enorme Schwankungen. Wir haben also im Jahre 1873 — es war das ein sehr ungesunder Zustand — 57 Millionen aus der Bergwerksverwaltung genommen und jetzt stellen wir in den Etat einen Ueberschuß von 14 Millionen ein; was ist das für eine Differenz! Und dann, meine Herren, in dem Besitz unserer Domänen und Forsten haben wir ja einen außer⸗ ordentlich großen Reichthum, und wenn Sie eben diesen Besitz der Domänen und Forsten dem relativ kleinen Schuldenquantum gegen⸗ überstellen, dann brauchen wir uns wahrlich mit Betrachtungen dar⸗ über, daß wir mit der Tilgung der Schulden nicht kräftig genug vorgehen, nicht zu beschweren. Es ist ja das Tilgen der Schulden in Zeiten, wo man fortwährend Kapitalien aufnimmt für produktive oder weniger produktive Ausgaben, eigentlich an sich eine unverständige Operation. Die Zeit wird kommen, wo wir auch dazu wieder schreiten können, und ich hoffe zwar, daß ich dann nicht in der Lage sein werde, die Leitung der Angelegenheit Fen fortzu⸗ führen, aber ich habe wenigstens in der Vergangenheit bewiesen, daß in dem ersten Augenblick, wo unsere Finanzverhältnisse günstig wur⸗ den, wir zur verstärkten Tilgung sofort übergegangen sind. Wir haben
durch Erhöhung der werden, von unseren direkten Steuern Beträge an die Kommunalverbände, wenn
Schwankungen im Bergwerkbetriebe treten ein, diese Schwankungen befürchte ich nicht für 1873, aber für
in den Jahren 1871, 1872, 1873 lediglich aus etatsmäßigen Ueb 85 Millionen getilgt, wir haben dann aus den Kontributionsüberschüssen einen sehr ansehnlichen Theil sofort zur Schuldentilgung verwandt, und wenn der Zeitpunkt eintritt, wo die Finanzen des Staates eine solche Verwendung wiederum als zweckmäßig erscheinen lassen, dann würde ich meinerseits auch den Rath geben, unverzüglich eben so zu verfahren, wie das vor einigen Jahren geschehen ist. Daran — ich fest, daß die Finanzlage des preußischen Staates felsenfest ge⸗ gründet ist und bleiben soll. lẽh ☛ Die Abgg. von Benda und Rickert sprachen demnächst für den Etat und befürworteten eine Steuerreform im Reiche. Darauf wurde der Antrag Rickert angenommen: aus den Einnahmen Kap. 11 Titel 28: Ueberschüsse aus den Vorjahren, und Titel 29: Zuschüsse aus der Krie skontribution; von den ordentlichen Aus⸗ gaben Kap. 66 Titel 10—15: Unterhaltung von Seehäfen, Binnenhäfen, Kanälen, Wegen und Brücken, Stromregulirung und Hafenbauten, und die 15 Kapitel der extraordinären Aus⸗ gaben, sowie das Etats⸗ und Anleihegesetz der Budget⸗ kommission zu überweisen; für die Etats der Domänen, der Berg⸗, Hütten⸗ und Salinenverwaltung, der Ver⸗ waltung für Handel, Gewerbe und Bauwesen, der vesenbahn⸗, der Allgemeinen Finanzverwaltung, des landwirthschaftlichen Ministeriums und der Gestüts⸗ verwaltung Kommissarien (Gruppen) zu ernennen, und den Rest im Plenum in zweiter Berathung zu erledigen.
Der Nachtragsetat für 1877—1878 wurde in zweiter Berathung genehmigt, und schließlich ein Schreiben des Justiz⸗ Ministers verlesen, welcher die Vorlage, betreffend die Aus⸗ führung der Justizorganisation in Preußen, sofort nach ihrer Durchberathung im Staats⸗Ministerium an das Haus ge⸗ langen lassen wird und dasselbe daher ersucht, einstweilen die Berathung des damit im engsten Zusammenhange stehenden Gesetzentwurfs, betreffend die Errichtung von Landgerichten und Ober⸗Landesgerichten, auszusetzen. Der Präsident sprach die Hoffnung aus, beide Vorlagen im Laufe der nächsten Woche auf die Tagesordnung setzen zu können. Ein Kom⸗ missar des Justiz⸗Ministers glaubte den Eingang der Vorlage gegen Ende der nächsten Woche in Aussicht stellen zu können.
Schluß 4 Uhr. Nächste Sitzung Dienstag 11 Uhr.
— Die Ausschüsse des Bundesraths für Zoll⸗ und Steuerwesen und für Handel und Verkehr hielten heute Sitzungen.
— In den deutschen Münzstätten sind bis zum 27. Oktober 1877 geprägt worden, an Goldmünzen: 1,149,469,100 ℳ Doppelkronen, 362,497,890 ℳ Kronen, 15,346,895 ℳ halbe Kronen; hiervon auf Privatrechnung: 223,162,279 ℳ; an Silbermünzen: 71,653,095 ℳ 5⸗Markstücke, 97,288,586 ℳ 2⸗Markstücke, 143,512,165 ℳ 1⸗Marksücke, 65,850,936 ℳ Eö1e 35,717,922 ℳ 80 ₰ 20⸗ Pfennigstücke; an Nickelmünzen: 23,502,530 ℳ 70 ₰ 10⸗ Pfennigstücke, 11,657,813 ℳ 75 ₰ 5⸗Pfennigstücke; an Kupfer⸗ münzen: 6,213,207 ℳ 44 ₰ 2⸗Pfennigstücke, 3,382,722 ℳ 83 ₰ 1⸗Pfennigstücke. Gesamnitausprägung an Gold⸗ münzen: 1,527,313,885 ℳ; an Silbermünzen: 414,022,704 ℳ 80 ₰; an Nickelmünzen: 35,160,344 ℳ 45 ₰; an Kupfer⸗ münzen: 9,595,930 ℳ 27 J.
— Durch den Staatshaushalts⸗Etat pro 1877/78, Kap. 127, Tit. 1, ist bestimmt worden, daß die Stellen der geistlichen v bei den Königlichen Regierungen fortfallen, sobald die Verwaltung der Angelegenheiten der evangelischen Landeskirche, soweit solche bisher von den Regierungen geübt worden ist, in Gemäßheit des Art. 21 des Gesetzes vom 3. Juni 1876 auf die Konsistorien übergegangen sein wird. Dieser Zeitpunkt ist nach der Allerhöchsten Verordnung vom 5. v. Mts. mit dem 1. Oktober d. Is. eingetreten. Dem⸗ gemäß sind, nach einem Reskript des Ministers der geistlichen ꝛc. Angelegenheiten, mit dem 1. Oktober alle in den Stellen der geistlichen Räthe bisher beschäftigten Beamten, sei es, daß sie definitiv angestellt, sei es, daß sie nur kommissarisch ange⸗ nommen sind, außer Funktion getreten, und es hört die Zah⸗ lung der Besoldungen und Remunerationen, welche diese Beamten bisher in der in Rede stehenden Stellung aus Kap. 127, Tit. 1, empfangen haben, auf.
— Der ZJustiz⸗Minister hat die Gerichte durch Verfügung vom 27. v. M. angewiesen, dem Kaiserlichen Patentamt eine Abschrift der von ihnen auf Grund der §8. 5, 34 bis 40 des Patentgesetzes vom 25. Mai d. J. erlassenen Erkennt⸗ nisse mitzutheilen, sobald gegen dieselben ein Rechtsmittel nicht mehr zulässig ist.
— Unter Modifizirung der Festsetzungen in den Ab⸗ schnitten a und b der Nr. 2 des Erlasses vom 31. August 1860, betreffend die Gebührnisse der zur Probedienst⸗ leistung bei Civilbehörden aus 1 und Glied kommandirten Mannschaften vom Feldwebel oder Wachtmeister abwärts, hat das Kriegs⸗Ministerium unterm 27. v. M. Folgendes bestimmt: Den in Rede stehenden Mann⸗ schaften, gleichviel ob dieselben das Portepee tragen oder nicht, wird von jetzt ab ohne Rücksicht auf die Entfernung zwischen dem Garnison⸗ und dem Kommando⸗Ort für den Hinweg zum Antritt der Probedienstleistung freie Beförderung in der Weise gewährt, daß ihnen zur Benutzung der bestehenden Eisenbahn⸗ verbindungen, soweit die Beförderung nicht etwa auf Grund einer gewährten Freikarte erfolgt, Requisitionsscheine ertheilt, dagegen da, wo keine Eisenbahnverbindungen bestehen, an Fuhrkosten pro Kilometer 10 ₰ gezahlt werden. Außer⸗ dem erhalten die qu. Mannschaften, in Gemäßheit des §. 39 (Nr. 1, Abschnitt 4) des Geldverpflegungs⸗ Reglements für das preußische Heer im Frieden, die beim Truppentheil bezogene Löhnung, ferner das Garnison⸗ Brotgeld und den Verpflegungszuschuß der Garnison, sowie zur Bestreitung der Nebenkosten beim Zu⸗ und Abgehen auf der Eisenbahn, für Ueberfracht 2ꝛc. auf die ganze Entfernung eine Vergütung von 1 ₰ pro Kilometer. Dieselben Kom⸗ petenzen sind auch für den Rückweg zahlbar, sofern die Rück⸗ kehr nicht auf den eigenen Antrag der Kommandirten erfolgt ist, in welchem Falle die letzteren nur Anspruch auf Löhnung, Brotgeld und Verpflegungszuschuß der Garnison haben. Unter Kommando⸗Ort ist derjenige Ort zu verstehen, nach welchem der Betreffende durch die Civilbehörde einberufen ist, nicht derjenige, wohin nach dem Eintreffen in dem ersteren der Kommandirte Seitens der Civilbehörde etwa weiter beordert wird.
— S. M. S. „Vineta“ ist am 2. d. M. auf der Rhede von Wilhelmshaven zu Anker gegangen. S. M. S. „Kaiser“ ist an demselben Tage Nachmittags
3 Uhr daselbst außer Dienst gestellt worden.
Ratzeburg, eutigen Sitzung der Ritter⸗ und setzes, betreffend die Einführung einer Anzahl preußischer
Gesetze im Herzogthum Lauenburg, angenommen.
Bayern. München, 1. November. Der Antrag des Abg. Herz auf Aufhebung sämmtlicher diplomatischen Stellen für die Vertretung Bayerns außerhalb des Reiches wird, der „Allg. Ztg.“ zufolge, mit dem Etat des Staats⸗Ministeriums des Königlichen Hauses und des Aeußeren am nächsten Dienstag in der Abgeordneten⸗ kammer zur Berathung gelangen. — Der Abg. Be⸗ zirksgerichts⸗Rath Aloys Frank ist aus dem Klub der ultramontanen Kammerfraktion ausgetreten, weil der Klub seine Reklamation gegen die abermalige Wahl der Herren von Schlör und von Peßl im Wahlbezirke Sulzbach nicht unterstützte; er ist das dritte Mitglied, welches seit Beginn des Landtages den Klub verlassen hat. — Der Hof⸗ sekretär Hofnh v. Düfflipp hat in Rücksicht auf seine leidende Gesundheit um seine Inruhestandversetzung gebeten und dieselbe unter Vorbehalt einer Wiederverwendung er⸗ halten. An seiner Statt wurde dem früheren Bezirksamts⸗ und jetzigen Polizei⸗Assessor Ludwig Bürkel das Amt des Hof⸗ sekretärs übertragen.
Waldeck. Axolsen, 1. November. Die diesjährige verfassungsmäßige Sitzung des Landtags der Fürstenthümer Waldeck und Pyrmont wurde gestern durch den Landes⸗ direktor von Sommerfeld mit folgender Rede eröffnet:
8 Meine Herren!
Se. Majestät der König von Preußen haben mich Allergnädigst
ermächtigt, Sie zu der diesjährigen ordentlichen Sitzung zu berufen. „Bei Eröffnung der vorjährigen Landtagssitzung beehrte ich mich, Sie davon in Kenntniß zu setzen, daß der zwi⸗ schen Preußen und Waldeck⸗Pyrmont im Jahre 1867 ab⸗ geschlossene Accessionsvertrag von Seiten Preußens zum 1. Ja⸗ nuar 1878 gekündigt worden sei, daß jedoch die Königlich preu⸗ ßische Regierung gleichzeitig ihre Bereitwilligkeit zur anderweiten vertragsmäßigen Regelung des bisherigen Verhältnisses kundgegeben habe. Die gegenwärtige Lage der in Folge dessen eingeleiteten Ver⸗ handlungen berechtigt zu der Hoffnung, daß ein, den Landesinteressen Rechnung tragender neuer Vertrag wegen Fortführung der Verwal⸗ tung der Fürstenthümer durch Preußen zu Stande kommen und daß es möglich sein wird, denselben Ihnen binnen Kurzem zur Geneh⸗ migung vorzulegen. 1 Dagegen sieht die Regierung sich genöthigt, die Vorlage des Etats für die mit dem 1. Januar 1878 be innende neue Finanz⸗ periode der Fürstenthümer vorläufig hinauszuschieben, da der Inhalt dieses Etats in den wesentlichsten Punkten von der vorgängigen de⸗ finitiven Erledigung der erwähnten Vertragsfrage abhängig ist.
Schon jetzt wird Ihnen aber neben einigen geschäftlichen Mit⸗ theilungen die Staatskassenrechnung von 1875 zur Wahrnehmung Ihrer verfassungsmäßigen Rechte zugehen, desgleichen der Etat der Immobiliar⸗ Feuersozietät pro 1878/80, welcher Ihre Geneh⸗ migung erfordert. Außerdem wird ein Gesetzentwurf, betreffend die Uebernahme der Resultate der Verkoppelungen in das Grundkataster Ihre Mitwirkung in Auspruch nehmen, da die vorhandenen Gesetze zu diesem Zweck theils nicht ausreichend, theils nicht anwendbar er⸗ scheinen und somit den Erlaß neuer gesetzlicher Bestimmungen noth⸗ bböö
eine Herren! Ihre bevorstehende Sitzung ist die letzte wäh⸗ rend der Dauer des zwischen Preußen und Waldeck im Jahre 1867 abgeschlossenen Vertrages. Die seitdem verflossenen Jahre gestatten Ihnen den Rückblick auf eine gesetzgeberische Thätigkeit, deren wohl⸗ thätige Folgen für das Land schon jetzt in mancher Hinsicht un⸗ verkennbar sind und welche ihm hoffentlich dauernd von Nutzen sein wird. Zur besonderen Freude gereicht es mir aber auch, auf die Einmüthigkeit im Zusammenwirken der Landesvertretung mit der Regierung während dieses 10 jährigen Zeitraums hinweisen zu können. Moͤchten die Berathungen, zu denen Sie in der diesjährigen Land⸗ tagssitzung berufen sind, dies gute Verhältniß mehr und mehr be⸗ festigen und dem Lande eine gedeihliche Zukunft sichern! Mit diesem aufrichtigen Wunsche erkläre ich im Namen Sr. Ma⸗ sestat 8 Königs von Preußen den Landtag der Fürstenthümer für eröffnet.
Schaumburg⸗Lippe. Bückeburg, 28. Oktober. Der Landtag für das Fürstenthum ist auf den 12. November
d. J. hierher einberufen worden.
Einer
Wien, 2. N. Meldung des „W. T. B.“ aus Berlin zufolge habe die deutsche Regierung am 30. Oktober der österreichisch⸗ungarischen Re⸗ gierung den Vorschlag gemacht, den bisherigen Handels⸗
Hesterreich⸗Ungarn.
vertrag um ein Jahr zu verlängern. Pest, 2. November. (W. T. 39 In der heutigen Konserenz der Mitglieder der liberalen Partei legte der Minister⸗Präsident Tisza die Antwort dar, welche er in der morgenden Sitzung des Abgeordnetenhauses auf die Inter⸗ pellation Apponyi's, betreffend den Abbruch der Zollver⸗ mit Deutschland, ertheilen wird. Die artei nahm dieselbe zustimmend zur Kenntniß. Bezüglich der Frage eines Zollbündnisses wird die Partei erst bei Vor⸗ lage des Zolltarifs Beschluß fassen.
Schweiz. Bern, 2. November. (Cöln. Ztg.) Der Bun⸗ desrath hat beschlossen, den neuen Zolltarif der Bun⸗ desversammlung nicht in der Dezembersession, sondern erst in einer außerordentlichen Märzsession vorzulegen.
— Die „N. Zürch. Ztg.“ vom 1. d. M. Tae; einen Aufruf an die Truppenoffiziere aller Waffen⸗ gattungen der schweizerischen Armee, in welchem es heißt:
„Offiziere! Das Schweizervolk hat in seiner Abstimmung vom 21. Bktober das Militärsteuergesetz verworfen und dadurch die fortschrittliche Entwickelung unserer Armee in Frage gestellt. Er⸗ sparniß um Ersparniß im Militärbudget werden, müssen von den eidgenössischen Behörden und Räthen dekretirt werden, und so fällt vom Bau der Militärorganisation vom Jahre 1874 Mörtel um Mörtel, Stein um Stein. Das Schloß, das wir im Geiste auf den Trümmern der alten Organisation sich erheben sahen, fällt schon wieder vor uns ein, und wenig mehr — so oeckt sein Trümmerhaufen den alten. Offiziere! Es ist unsere heilige Pflicht, diesem Verfalle nach Kräften Einbalt zu thun und die wankende Veste zu stützen. Wir können es, indem wir uns in die vorderste Reihe Derjenigen stellen, die dem Vaterlande ihr Opfer gern und freudig bringen — lassen wir von unserm Sold, soweit derselbe nicht zur Deckung unserer absuluten Bedürfnisse nothwendig ist. Reduziren wir denselben selbst um 30 bis 40 Prozent und denken wir daran, daß es uns leicht ist, durch ökonomischeren Haushalt im Dienste das Vergabte wieder (wenigstens zum großen Theile) einzubringen. Darum herbei, Kameraden! Pe⸗ titioniren wir, wir selbst um die Reduktion unseres Soldes und die Räthe des Landes werden nicht anstehen, uns zu willfahren!“
Niederlande. Haag, 2. November. (W. T. B.) Das amtliche Blatt meldet die erfolgte Bildung eines neuen Ka⸗ binets in folgender Zusammensetzung: van Heekeren⸗ van Kell Auswärtiges, Smidt Justiz, Kappeyne Inneres, Wichers Ma⸗ rine, Gleichman Finanzen, Deroo Kri
rieg und van Bosse Ko⸗ 1u““ sse
Landschaft wurde der Entwurf eines Ge⸗
lonien. ff htung g für öffentliche Arbeiten ist noch keine Veröffentlichung erfolgt.
Großbritannien und Irland. London, 1. November. (E. C.) Die Königin wird von Balmoral in der zweiten Hälfte des November nach Windsor zurückkehren. — Am Montag, den 5. November, findet ein Ministerrath statt. — Lord Beaconsfield ist von seinem Besuche bei dem Marquis of Abergavenny nach Downingstreet zurückgekehrt. — Der Her⸗ zog von Richmond und Gordon hat Balmoral ver⸗ lassen. — Der in Südafrika ausgebrochene Kaffernkrieg dient englischen Politikern zur nachträglichen Rechtfertigung der Einverleibung des Transvaallandes. Die Zulus und Boers haben zwar seit der Einverleibung in bester Eintracht gelebt — was als Beweis für die wohlthätige Wirkung eng⸗ ischer Oberherrlichkeit angesehen wird — und in einem ganz anderen Theile Südafrikas haben die Kaffern gegen den Eng⸗ ländern unterworfene Stämme von Eingeborenen zu den Waffen gegriffen; „aber die Erhebung im Transkeigebiet“, schreibt die „Pall Mall Gaz.“ „liefert einen neuen Beweis dafür, daß die Eingeborenen Südafrikas ihren alten kriegeri⸗ schen Geist noch nicht verloren haben.“ Abgesehen von
einigen Expeditionen der Polizeitruppen zur Bestrafung von
Viehdieben hat die englische Regierung jetzt seit mehr als 20 Jahren keinen Kaffernkrieg zu führen brauchen. In der langen Friedenszeit vermehrten sich die Kaffern und gediehen, aber während dieser Wechsel in einer Beziehung im Interesse des Friedens wirkte, diente er andererseits dazu, kriegerische Leidenschaften zu erregen. Verschiedene Kaffernstämme wurden bei der letzten Regelung der Eingeborenenverhältnisse im Jahre 1857 auf verhältnißmäßig engbegrenzte „Reserven“ be⸗ schränkt. Verarmt und eingeschüchtert in Folge ihrer Nieder⸗ lagen, fügten sie sich in das Unvermeidliche. Als sie aber
nach und nach wieder das Haupt erhoben, begannen sie Zeichen
von Unzufriedenheit zu geben, und zwar nicht sowohl über den Gebietsverlust an die Kolonialregierung, als über das Ge⸗ deihen der Eingeborenenstämme, welche sich den Engländern an⸗ geschlossen hatten und demgemäß entsprechend belohnt worden waren. Die meisten dieser Stämme — unter ihnen die Fingos — gehörten zu den schwächeren, welche von dentrotzigeren unterjocht gewesen und für die also die englische Oberherrschaft eine Art Befreiung von unwürdiger Knechtschaft war. Da sie mit den reicheren Landstrichen bedacht worden waren, gediehen sie besser noch als ihre früheren Herren, die mit Neid den wachsenden Reichthum der ehemaligen Sklaven ansehen mußten. Aus dieser Lage der Dinge ging die gegenwärtige Verwickelung hervor. Der Oberhäuptling der Galekakaffern, Kreli, ist im Besitze eines Landstriches längs der Kaffernküste zwischen der Mündung des Flusses Kei, der britischen Grenze, bis zum Flusse Bashee, etwa 50 Meilen weiter entfernt. Nord⸗ westlich von den Galekas wohnen, auf jenen früher ge⸗ hörendem Gebiete, die Fingos, von dem alten Häuptlinge seit lange mit scheelem Auge angesehen. Ein Streit bei einer Hochzeit gab Veranlassung zum Ausberuche des Krieges zwischen beiden Stämmen. Kreli, um die mächtigen Engländer nicht zu reizen und zu beweisen, daß er nur gegen die Fingos kämpfen wolle, ließ die in seinem Gebiete anwesenden Missionare, Händler ꝛc. sicher aus dem Lande geleiten, verweigerte aber eine Zusammenkunft mit dem Gouver⸗ neur des Caplandes, Sir Bartle Frere. Letzterer konnte übrigens den von Kreli gewollten Unterschied zwischen Fingos und Engländern nicht gelten lassen und entsandte sofort die gesammte verfügbare Grenzpolizei in das Fingo⸗ land. 200 Mann stark schlugen sie in Verbindung mit den Fingos bereits in zwei Treffen die Galekas, welche sich dann in das schwierige Gebiet hinter ihrem Hauptkraal zurückgezogen haben. Sir B. Frere beabsichtigt, wie behauptet wird, mit der bisherigen Mannschaft und den Freiwilligen den Krieg weiter zu führen und die regulären Truppen nur als Reserve zu verwenden.
— 2. November. (Cöln. Ztg.) Der Kardinal Manning reist am nächsten Montag nach Rom ab. — Lord Beacons⸗ field hat die Einladung zum Lordmayors⸗Banket am 9. d. M. angenommen.
Frankreich. Paris, 1. November. Die „Revue des deux Mondes“ theilt in ihrer Halbmonatschronik vom 31. Oktober durchaus den Standpunkt des „Journal des Debats.“ Sie bezeichnet als naturgemäße die Bildung eines neuen Kabinets aus verfassungstreuen Senatoren und Mit⸗ gliedern des linken Centrums beider Häuser; im Nothfalle würde sie selbst gegen ein neutrales, ein sogenanntes Ge⸗ schäfts⸗Ministerium, nichts einzuwenden haben. Hr. de Ma⸗ zade, der Schreiber des Artikels, kann die Republikaner nicht dringend genug davor warnen, ihren Sieg aufs Aeußerste zu verfolgen und etwa gar an eine Budgetverweigerung zu denken. — Konservativen Blättern zufolge wären die Gruppen der Rechten des Senats übereingekommen, für die vier verfüg⸗ baren Plätze von Mitgliedern auf Lebenszeit als Kandida⸗ ten aufzustellen: den General von Chabaud⸗Latour vom rech⸗ ten Centrum, den Bonapartisten Grandperret, den Legitimisten Lucien Brun und den Admiral Saisset von der gemäßigten Rechten. — Hr. Gambetta hat gegen das Erkenntniß, welches ihn für seinen Wahlaufruf par défant zu drei Monaten Gefäng niß und 4000 Frcs. Strafe verurtheilt hat, Appellation eingelegt. Dieser zweite Prozeß (in dem ersten handelte es sich bekanntlich um die Liller Rede) wird in den nächsten 14 Tagen wieder zur Verhandlung gelangen. — Die radikale Partei hat eine der wenigen unter 88 namhafteren Persön⸗ lichkeiten, welche sie in den Wahlen für die Deputirtenkammer durchzubringen vermochte, Louis Mie, Deputirten des 2. Be⸗ zirks von Bordeaux, welcher gestern hier gestorben ist, ver⸗ koren. — Aarifi Pascha, der neue Botschafter der Pforte bei der französischen Republik, ist heute früh von Marseille hier eingetroffen. — Das „Journal officiel“ veröffentlicht eine Reihe von Ernennungen im Gerichtswesen. Unter Anderen ist der Direktor der Abtheilung für Strafsachen und Begnadigungen im Justiz⸗Ministerium, Benoist, zum Ge⸗ neral⸗Advokaten am Kassationshofe ernannt worden.
— 2. November. (W. T. B.) Die Meldung der „Times“, der Rücktritt des Herzogs Decazes sei bereits Thatsache, ist, der „Agence Havas“ zufolge, unrichtig; der Herzog Decazes habe sich von seinen Kollegen im Ka inet, die noch ebenso wie früher bereit seien, vor die Kammer zu treten oder ihre Entlassung zu nehmen, sobald es der Marschall⸗Präsident wünsche, nicht getrennt. Für den Fall eines Ka ee werde die Bildung eines rein geschäftlichen Ministe⸗ riums ohne ausgeprägt politische Parteistellung als wahr⸗ scheinlich angesehen. — Dieser Meldung gegenüber bringt der „Moniteur“ bereits weiter gehende, allerdings noch der Be⸗ stätigung bedürfende Nachrichten, denen zufolge der Marschall
8 111““ 8* II1I1“ 8c.Z.
1 . 1“ 8 EE“