1877 / 287 p. 3 (Deutscher Reichsanzeiger, Wed, 05 Dec 1877 18:00:01 GMT) scan diff

in welchen der Schwerpunkt der ehrenamtlichen Verwaltung zu

n ist, oder inwieweit in einzelnen Landestheilen andere Kommu⸗ na

verbände hierzu geeignet sich ergeben werden.

Das, meine Herren, ist eine solche Fenge⸗ der ich vorweg nicht präjudiziren möchte, weil ich sie für konkreter Natur halte, weil sie im Zusammenhange steht mit der eigenartigen Entwickelung der Territorien, so daß man nicht von vornherein programmartig darüber ein Urtheil fällen kann.

Die Staatsregierung aber, meine Herren, kann sich nicht ver⸗ hehlen, daß wir in einem unfertigen Zustande uns in den 5 östlichen Pro⸗ vinzen befinden; die Staatsregierung verkennt nicht, daß gerade diese Unsertigkeit nach der Seite des Zusammenhangs mit den Staatsämtern ein erheblicher Grund für Beschwerden ist, die sich gegen die ge⸗ sammte Organisation erheben. Es ist unmöglich, daß, wenn in einer Staatsmaschine zwei große Räder werden nebeneinander gehen, ohne miteinander in der rechten Verbindung sich zu befinden, eine Ueber⸗ einstimmung nicht möglich ist; solche Räderwerke müssen ineinander gsrreifen, ineinander greifend sich fördern und die Bewegung potenziren, und so lange das nicht geschieht, meint die Staatsregierung, könne man über das Ganze und Große der Organisation und deren Erfolge ein richtiges Urtheil sich nicht bilden. Ist dem aber so, dann muß die Staatsregierung in demselben Augenblicke, wo sie an die Voll⸗

ndung jener Gesetze, die wir eingeführt haben, herantritt, auch gleichzeitig daran gehen, das in der eben bezeichneten Beziehung halbfertige Werk zu einem fertigen zu machen, ich sage, nach dieser

Seite hin zu einem fertigen zu machen. Meine Herren! Auch azu ist die Staatsregierung entschlossen, die Staatsregierung wird ohne erzug im Zusammenhange mit der Ausarbeitung der erst von mir

bezeichneten 5 dazu schreiten, über die Einfügung in die folge⸗

weise veränderte Gestaltung und Kompetenz der Staatsbehörden ein organisches Gesetz auszuarbeiten. Meine Herren! Dieses Gesetz aber, welches in seinem wesentlichen Theile wiederum die Zuständigkeit zu

egeln hat, wird natürlich sich mit denselben Fragen beschäftigen müssen, welche in einem Theile der Provinzialordnung und

n. dem Zuständigkeitsgeset behandelt worden sind. Es wird deshalb die rechte Stelle bieten, um diejenigen Aenderungen

vorzunehmen, für welche das Bedürfniß nachgewiesen wird. Die

echte Stelle, weil keine selbständige fundamentale Revision eintritt, welche die Grundlagen des Geschaffenen in Frage stellt, sondern die für die sachliche Konnexität und den Zusammenhang der gesetzge⸗ berischen Aufgaben gebotene Gelegenheit, Mängel zu beseitigen, welche man zu beseitigen genöthigt wird. Nun ist gewiß richtig, was der geehrte Herr Abgeordnete zu meiner Rechten neulich ausgeführt hat, daß die Beschwerden, die sich über die neue

Organisation äußern, übertrieben sind. Es ist richtig, daß die Be⸗

schwerden zu einem erheblichen Theile von Seiten ausgehen, welche

sich gegnerisch vielleicht aus den verschiedensten Gründen der Ent⸗ wicklung der letzten 10 Jahre gegenüber verhalten, und die mit Ver⸗ guügen, wo sie eine Wunde zu erblicken glauben, darin wüh⸗ len. Es ist richtig, daß bei Einführung der Kreisordnung

Unebenheiten vorgekommen sein mögen, die ein gewisses Mitßtrauen hervorgerufen haben; es ist richtig, daß mit der Kreisordnung Keime gelegt worden sind, die in der Zwischen⸗ zeit nicht diejenige Pflege erhalten haben, wie es in demjenigen Sinne lag, in welchem die Kreisordnung erging. Vor Allem aber, meine Herren, bitte ich nicht zu vergessen, was ich bereits andeutete, den

ustand der Unfertigkeit, der gewiß das allergrößte Mißbehagen her⸗

orrufen müßte. Wer wohnt wohl gern in einem unfertigen Hause nd hört das Klopfen und Hämmern der Bauleute und den Streit der Bauleute über die Art und Weise, wie das Werk fort⸗ ufüͤhren ist. Wenn das aber Alles richtig ist, so glaube ich, sofern nan streng zu urtheilen sich verpflichtet hält, man sich dennoch sagen muß, es bleibt ein Theil der Beschwerden übrig, der unzweifelhaft hne Unterschied der politischen Parteien, ohne Unterschied der ge⸗ sellschaftlichen Gruppirung zu Tage tritt, und von dem man erwar⸗

tet, auch wiederum ohne Unterschied der Parteien, daß wir, d. h.

Sie und wir, die Träger der Gesetzgebung man erwartet von

uns, daß wir diesen Beschwerden Abhülfe schaffen und die Wünsche ees Landes befriedigen.

Wenn dem so ist, meine Herren, dann meine ich, würde aller⸗ ings derjenige, der pessimistisch denkt, und wer den Wunsch hat, daß an inem gewissen Punkte die Reorganisation, die Stagnation, d. h. die

Reaktion komme, gut thun, alle Beschwerden von der Schwelle ab⸗ zuweisen. Wer aber nicht so denkt, wer davon durchdrungen ist, daß die Grundgedanken der Verwaltungsgesetzgebung heute noch so richtig

ind, wie vor fünf Jahren und ich meinestheils bin davon über⸗ eugt, ich stehe noch heute wesentlich auf demselben Standpunkt, auf em ich damals stand wer davon durchdrungen ist, daß diese Ge⸗ etzgebung eine wichtige ist, daß gegenüber den Stürmen, die von den verschiedensten Seiten, gesellschaftlicher und politischer

Natur, das Staatswesen bedrohen, diesen Stürmen gegenüber

ine feste Abwehr nur dann gesichert ist, wenn man den

Kreis derer erweitert, die dem Staate dienen und sich mit dem

Staate identifiziren, so daß, wie ich damals mich auszudrücken mir

estattete, wie bei uns im Heere die allgemeine Dienstpflicht gilt, wie as ganze Volk in den Hecresdienst einzutreten hat wenn man davon durchdrungen ist, daß diese Gesetzgebung eine heilsame ist, daß sie dem Wohl des Vaterlandes entspricht, dann wird man den lebhaften Wunsch empfinden, daß die geschaffenen Zu⸗ stände dem Volke lieb, daß sie als ein werthvolles Besitz⸗ thum anerkannt werden, daß sie fester Wurzeln schlagen in dem Boden unseres Gemeindewesens. Will man das aber, dann muß man das Erz sondern von den Schlacken, die ihm an⸗ aften; man muß dieses Erz als echtes, reines Metall zum Gemein⸗ gut unseres Staates und unseres Volkes machen.

8 Von diesem Gesichtspunkte ausgehend ist die Staatsregierung entschlossen, gleichzeitig wie ich schon hervorgehoben habe mit der Uebertragung der Kreisordnun und der anschließenden prinzi⸗

piellen Verhältnisse aus den fünf Kreisordnungsprovinzen in den 8

sammten Rest des Staates gleichzeitig die Einfügung des Be⸗

amtenthums in diese Organisation so zu verbinden, daß feste und klare Verhältnisse eintreten und an der gewesenen Stelle alle Mit⸗ glieder des Staates gemeinsam für den gemeinen Nutzen arbeiten.

8 Dies vorausgesetzt, meine Herren, kann ich jetzt was ich früher nicht konnte, weil ich früher nur ausgedrückt hätte, was ich

empfinde, aber nicht, was von mir ge wollt werden darf so kann

ich heute Aeußerungen von mir, die nach meinem Dafürhalten un⸗ nöthigerweise zu einem prinzipiellen Gegensatze erhoben worden sind,

Aeußerungen, die wesentlich nur eine abweichende Methode

bezeichnen, so kennzeichnen und aufklären, daß das Mißverständniß

nach meinem Dafürhalten in höherm Grade ausgeschlossen wird,

als es mir damals möglich war. Ich habe damals ich möchte mir gestatten, einige Worte vorzulesen, weil mir daran liegt. in dieser Beziehung korrekt zu sein ich habe in einer frühern Sitzung erklärt, daß die Staatsregierung einer Umgestaltung der kommu⸗ nalen Verhältnisse prinzipiell nicht entgegen ist, daß die Regierung weit davon entfernt sei, mißzuverstehen, daß die bestehenden Kom⸗ munalordnungen in vielen Beziehungen der verbesserungsbedürftig seien, daß dieselbe diese Kommunalordnungen nicht für ein abge⸗ eschlossenes, der Revision entzogenes Gebiet erachte; daß nur diese Revision in systematischer Gestalt nicht als ein integrirender Bestandtheil desjenigen gesetzgeberischen Abschnittes der Re⸗ form angesehen werde, welcher zunächst vor uns liege. 8 Heut, mein; Herren, habe ich ausgeführt, was ich unter diesem 8 setgeberischen Abschnitte verstehe, welcher zunächst vor uns liegt. Ich behaupte aber weiter, daß die Staatsregierung der Situation, wie sie Eingangs dieser 83 pflichtet war, eine feste und Weg zu treffen, welchen

Con bestand, vor allen Dingen ver⸗ estimmte Entscheidung über denjenigen sie im Punkte der Verwaltungs⸗ reform und deren Fortgang zu gehen gesonnen sei. Diese Entscheidung aber, meine Herren, war eine solche, daß man an einem Scheidewege stand und zwischen zwei Wegen zu wählen hatte. Der eine Weg hätte darin bestandeg, daß man in das

hätte, wir wollen davon absehen, was mit der Kreisordnung ge⸗ schaffen worden ist, und zunächst in Stadt und Land an eine Reform der Gemeindeordnung gehen. Der andere Weg bestand darin, daß man sich entschlösse, die Fäden, die bei der Kreisordnung fest zusammen⸗ geschlungen wurden, die im weiteren Verlauf der Entwickelung zu Boden gefallen waren, wieder aufzuheben, daß man daran ginge, vor allen Dingen nach zw i Richtungen hin das Unfertige fertig zu machen, in⸗ dem, was bisher nur für einen Theil des Staatsgebietes galt, für den gesammten Staat erstrebt werde, dem einheitlichen Charakter unseres Staatswesens, der ein Grundzug unserer ganzen politischen Entwickelung bleiben muß, entsprechend, und ferner, indem man in die veränderte Gestattung des Staatswesens die Staatsämter organisch einbüßte. Die Frage, meine Herren, stand ent⸗ weder oder, so daß ein gleichzeitiges Bearbeiten beider Aufgaben als drittes ausgeschlossen war. Letzteres wäre ein Vorhaben gewesen, die ernsthafte Politiker sich vorzusetzen Stande sind. Es hätte in das Gebiet der Phantasie und nicht der Realität gehört, und die Folge wäre nicht die Vollendung, sondern das Scheitern beider Aufgaben gewesen, die Wiederkehr einer unfrucht⸗ baren, sterilen wie wir sie schon in unserer Staatsgeschichte erlebt haben. Deshalb, meine Herren, entschied sich die Staats⸗ regierung dafür, den Weg zu gehen, den ich im ersten Theil meines Vortrages vorgeführt habe.

Abgesehen von anderen Gesichtspunkten, die ich bei meinen früheren Vorträgen hinsichtlich der Städteordnung bereits andeutete, waren hierbei noch folgende Motive maßgebend: zunächst, meine Herren, der Wunsch, das Verlangen dieses Hohen Hauses zu erfüllen, welche bei den verschiedensten Gelegenheiten in den letzten Jahren un⸗ ausgesetzt in erster Linie dahin gerichtet waren, die Erstreckung der Kreis⸗ und Provinzialordnung auf den Rest der Monarchie herbei⸗ zuführen und erst in zweiter Linie dahin, daß die Reform nach den anderen Seiten in Ausführung gebracht werde.

Zweitens, meine Herren, war dafür maßgebend der Gedanke, den ich früher und auch heute wieder berührt habe, daß man erst das Halbfertige fertig stellen müsse. Es kam aber nicht blos in Betracht, daß es sich um wünschenswerthe Verbesserungen handele, sondern daß eine Gefahr darin erkannt werden müßte, wenn neue Institutionen diskreditirt würden, und eine fernere Gefahr darin, daß unser Beamtenthum in seiner Konsistenz erschüttert würde. Wem von unz ist es unbekannt, daß es wenig Beamte giebt, die in diesem Augenblick nicht über Unsicher⸗ heit klagen hinsichtlich der Natur ihres Wirkungskreises, hinsichtlich der Stellung des Beamtenthums überhaupt zu der neuen Organi⸗ sation. Und das, meine Herren, ist ein Schaden der bedenklichsten Art, vergessen Sie nicht, daß unser Beamtenthum eine der traditio⸗ nellen Grundlagen des preußischen Staates ist, und daß in dem Augenblicke, wo diese Grundlage erschüttert wird, eine der geschicht⸗ Voraussetzungen des preußischen Staates in das Schwanken geräth.

Dazu kam ferner folgender Grund, welcher sich auf die erneute Vorlage der Städteordnung in dieser Session richtete.

Meine Herren! Als unzweifelhaft läßt sich annehmen, daß Sie einer neuen Gemeindeordnung, einer neuen Städteordnung nicht zustimmen würden, die nicht eine erhebliche Emanzipation von der bisherigen Staats⸗ aufsicht enthält, und in ihrem letzten Resultat dahin führt, die kommunalen Gemeinwesen selbständiger und unabhängiger von der Staatsgewalt zu stellen. Ist das aber richtig und kann man verständigerweise sich hierüber nicht täuschen, so muß die Staatsregierung, ehe sie derartige Vorlagen macht, prüfen, worin der Gegensatz und das Gegengewicht

egenüber solcher Emanzipation und Dezentralisation zu finden sei. In dieser Hinsicht aber sagte sich die Staatsregterung, daß, bevor an die Sache in diesem Sinne gegnagen werden könne, sich bestimmt und klar übersehen lassen müsse, wie die Struktur der Staats⸗ behörden begriffen sein werde und welche Garantien letztere dafür biete, daß diejenigen Rechte, welche nothwendig sind für das Bestehen, nothwendig für die Kohäsion des Staates, daß diese Prärogatide nicht in der Staatsgewalt er⸗ halten bleiben, sondern auch, daß ihre Handhabung nicht eine lockere, unzureichende werde, sondern feste und stramme und in dem nothwendigen Zusammenhange mit den Centralstellen bleibe. Diese Voraussetzungen müssen erst durch die Regelung der Staatsämter als unerläßliche Garantie gegeben sein, ehe eine fernere Dezentra⸗ lisation und Emanzipation der Zb“ wie sie die⸗ selbe wünschen, in Aussicht genommen werden kann.

Das, meine Herren, führt mich an einen Punkt der Novelle zurück, nämlich auf die Frage der städtischen Polizei. Demjenigen, der sich mit der vaterländischen Rechtsstaatsgeschichte beschäftigt hat, ist nicht unbekannt, daß der Begriff der Staatspolizei, wie er sich in Preußen entwickelt hat, ein fast ungemessener ist, wie denn unsere staatlichen Einrichtungen sich vielfach von oben nach unten und nicht von unten nach oben entwickelt haben. Wenigstens ist es so in den alten Theilen des preußischen Staats. Eine Folge davon ist in sener übermäßigen Ausdehnung des Umfanges der Staatspolizei zu

nden.

Eine Reform in dieser Beziehung wird aber nicht in der Richtung liegen können, daß man im Ganzen die Gemeinden mit der Po⸗ lizei vom Staate ablöst, oder die Verbindung 1hect.en ihnen und den Centralstellen, sondern daß man den Begriff der Polizei nach den Forderungen der heutigen Zustände zerlege und daß man Dasjenige aussondert, was nicht als Prärogative des Staates noth⸗ wendig ist. Nur fo kann man nach meinem Dafürhalten . ren, indem man das für den Staat Nothwendige dem Staat erhält, und dafür in der Struktur den Staatsbehörden eine sichere Hand⸗ habe bietet, daß die staatliche Exekutive eine energische bleibe. Man kann in befriedigender Weise die essentielle Frage des städtischen Ge⸗ meinde echts nicht eher lösen, ehe nicht die rganisation der Staats⸗ ämter gesetzlich geregelt ist.

Nun, meine Herren, ich meine, wenn ich in dieser Weise das Vorhaben der Staatsregierung charakterisiren kann, wenn ih zeigte, von welchen Gesichtspunkten getragen die Staatsregierung den Ab⸗ schnitt der Gesetzgebung, den sie als den zunächst vor Ihnen liegen⸗ den betrachtet, so definirt hat, wie es geschah, so mögen abweichende Meinungen darüber vorhanden . ob dieser Plan richtig sei, ob man es nicht hätte anders machen können; die Meinung möchte doch aus⸗ geschlossen erscheinen, daß man es hier mit einer Verschlechterung der Situation zu thun habe in dem Verhältniß zu dem Zustande, wie er etwa vor drei Monaten in Aussicht stand, es liegt dies nahe, meine Herren, Sie werden entgegnen, es ist eine große Aufgabe die gezeigt wird, sie kann sich auf unabsehbare Zeit hinziehen, wir wünschen zu wissen: wie wird die Arbeit vorschreiten. Nun, meine Herren, Ihnen zu er⸗ klären, daß die Vorlagen, die ich heute gekennzeichnet habe, in der nächsten vorgelegt werden, das bin ich nicht im Stande, das wäre anmaßend und unehrlich, weil für eine Aufgabe von solcher Dimension ein gewissenhafter Mann in der That die Stunde ihrer⸗ Lösung nicht anzugeben vermag. Ebenso wenig aber möchte ich aussprechen, daß ich es für ausgeschlossen, daß ich es für unmöglich halte, diese Vorlagen für die nächste Session festzustellen. Aussprechen will ich es, daß diese Arbeit nicht in der gewohnten Art, sondern in außergewöhnlicher Weise mit Hinzuziehung außerordent⸗ licher Kräfte und mit all den Mitteln betrieben werden wird, die nothwendig sind, um den von dem gewohnten Gang abweichenden Ver⸗ hältnissen Rechnung zu tragen. Aussprechen kann ich es, daß die Arbeit bereits begonnen ist, daß die ersten Gruppirungen und Vor⸗ bereitungen nach den beiden gesetzgeberischen Richtungen be⸗

reits vorgenommen werden. Aussprechen kann ich, daß man sich nicht beschränken wird auf die Berichte und Aeußerungen der Staatsbehörden im engeren Sinne des Wortes, sondern auch hinzu⸗ ziehen wird diejenigen neu geschaffenen Selbstverwaltungsbehörden, die aus ihrer eigenen Erfahrung heraus, aus ihrer Neigung zu den Institutionen einen guten Titel und die Erfahrung besitzen, über die nothwendigen Veränderungen Vorschläge zu machen. Gestatten Sie mir ich glaube, in der Hauptsache dasjenige Ihnen vorgeführt zu haben, was ich als Arbeitsplan ankündigte und diejenigen Schlag⸗ lichter hinzugefügt zu haben, welche für den Unbefangenen genügen

tadium vor der Kreisordnung zurückgegriffen hätte, daß man gesagt

werden, um die Absichten der Regierung beurtheilen zu können

gestatten Sie mir zum Schluß noch einige Bemerkungen persön⸗ licher Art, zu denen ich gezwungen bin durch die Auslegung, die man rüher den von mir abgegebenen Erklärungen über meine Geschäfts⸗ ührung gegeben hat und die gewiß nach meier heutigen Auseinander⸗ setzung in verstärktem Maße wiederkehren wird: eine Auslegu welche dahin ging, daß in der Art meines Auftretens eine antizi⸗ pirte Bestter greifung des Ressorts des Innern liegt. Meine Herren! Als ich dem Wunsche Sr. Majestät des Königs gehorchend die gegen⸗ wärtige Stellvertretung übernahm, lagen zwei Wege vor mir; der eine hätte darin bestanden, daß ich mich der Geschäfte des Innern nur in so weit angenommen hätte, als es nöthig war, um äußerlich die Verwaltungsmaschinerie nicht in Stillstand gerathen zu lassen, und daß ich mich Ihnen gegenüber mit diplomatisch m Achselzucken hinter dem interimistischen Charakter meiner Amtsführung verschanzt hätte. Es wäre dies, um einen jetzt beliebten Ausdruck zu brauchen, die dilatorische und für mich unter allen Umständen bequemere Art der Geschäftsführung gewesen. Ich hätte ganz gewiß, wenn mein persönliches Behagen allein in Frage gekommen wäre, diesen Weg wählen müssen. Der zweite Weg bestand darin, vollkom⸗ men in die nun einmal vorhandenen Lücken einzu⸗ treten und keiner Entscheidung prinzipieller Natur, sei es auf dem Boden der Verwaltung, sei es auf dem der gesetzgeberischen Initiative, aus dem Wege zu gehen, bei den Schwierigkeiten, die vorhanden sind und die zu erkennen mir nicht fern lag, nicht vor⸗ bei zu laviren, sondern das Amt so zu führen, als wenn es voll⸗ ständig als Eigenthum besessen werde. Ich wählte diesen letzten Weg deshalb, weil ich ihn für den pflichtmäßigen und für den verfassungs⸗ mäßigen hielt. Ich war der Meinung, daß die Herren, die am ersten Tage, wo ich in der einen Eigenschaft Ge⸗ legenheit hatte, vor diesem Hohen Hause in parlamen⸗ tarische Verhandlunzen einzutreten, bezügliche Anträge stellten, Recht gehabt hätten, eine konstitutionelle Lücke zu finden, wenn Nie⸗ mand inhaltlicher Weise das Ministerium des Innern zu vertreten bereit gewesen wäre. Hieraus, meine Herren, folgt zweierlei: Einer⸗ seits, daß es eine in der parlamentarischen Geschichte fast beispiel⸗ lose Unbilligkeit wäre, mich persönlich verantwortlich machen zu wollen für Schwierigkeiten, die lediglich in der Situation liegen. Zum Andern, daß man aus der Art meiner Geschäftsführung keine Rückschlüsse ziehen darf auf deren Dauer. Wie lange ich diese interimistische Stellung einnehmen werde, meine Herren, das muß für mich ohne jeden Einfluß auf den Inhalt der Geschäftsführung sein. So lange ich aber an der Spitze der inneren Verw ltung stehe, werde ich mich bei meinen Entscheidungen niemals leiten lassen durch persönliche Perspektiven auf die weitere Zukunft.⸗ ch werde mich niemals durch etwas anderes leiten lassen, als durch meine Amtspflicht, durch meine politische Ueberzeugung von der Richtigkeit derjenigen Maßregeln, die ich durchzuführen habe.

Diese Ueberzeugung, diese Gedanken waren es, von denen ich getragen bin bei Gestaltung der Dinge, welche mir vorlagen, gerade so, als ob ich immer Minister des Innern sein würde. Diese Ge⸗ danken waren es, welche leitend sind bei dem Plan der Fortführung der Verwaltungsorganisation, den ich mir gestattet habe, vorzuführen und von dem ich hoffe, daß er Ihre Bewilligung finden und zum Wohl des Vaterlandes gereichen wird.

Der Gesetzentwurf wurde auf Antrag der Abgg. von Rauchhaupt und Dr. Lasker an eine besondere Kommission von 14 Mitgliedern verwiesen. Persönlich bemerkte der Staats⸗Minister Dr. Friedenthal dem Abg. Dr. Hänel, daß das zwischen ihnen obwaltende Mißverständniß in der früheren, nicht in der heutigen Sitzung liege.

Es folgte die erste Berathung des Gesetzentwurfs, be⸗ trefftend die Aufbringung der Gemeindeabgaben. Nach dem Abg. Kaufmann legte der Abg. Dr. Gneist in ein⸗ gehender Rede die Unzukömmlichkeit des jetzigen Zuschlagssystems dar und vsesce Selbstregulirung der Gemeindeabgaben. Der Abg. Vopelius wendete sich gegen das im §. 15 des Gesetz⸗ entwurfes ausgesprochene Prinzip der Befreiung des Reichs⸗ und Staatsfiskus von der Abgabepflicht. Der Abg. Dr. Frhr. v. d. Goltz erklärte wegen der Ueberlastung der Gemeinden mit Abgaben die Herbeiführung eines Maßstabes zur Regelung dieser Ver⸗ hältnisse für nothwendig; der von der Regierung gegebene treffe im Allgemeinen das Richtige, nur habe sie denselben zu minutiös ausgearbeitet; es sei Sache der Kommission, welche den Entwurf berathen würde, zu prüfen, ob sich dieser Man⸗ gel beseitigen lasse. 1

Der Regierungskommissar, Geheime Reierungs⸗Rath Herrfurth, führte aus, der Vorwurf, daß die Regie⸗ rung diesen Entwurf zu einer ungeeigneten Zeit vor⸗ gelegt habe, würde auch das Haus selbst treffen, das wieder⸗ holte Resolutionen gefaßt habe, welche die Regierung zur Vorlage eines Kommunalsteuergesetzes in der nächsten Session aufgefordert hätten. Die Regierung verkenne nicht die großen Schwierigkeiten, welche augenblicklich der Regelung dieser Frage entgegenständen, sie glaube aber eine längere Verzöge⸗ rung nicht rechtfertigen zu können. Der Einwand der allzu engen Anlehnung des Gemeindesteuersystems an die direkten Staatssteuern treffe nicht zu. Schon in dem im vorigen Jahre publizirten Entwurf wäre das Zuschlagssystem in nur geringem Maße durchgeführt, und die in dieser Beziehung jetzt eingetretenen Modifikationen beseitigten wohl jegliches Be⸗ denken in dieser Hinsicht. Die Zuschläge könnten nach der Vor⸗ lage so kombinirt werden, daß alle lokalen Eigenthümlichkeiten berücksichtigt werden könnten. Man habe auch den Vorwurf der allzu großen Kasuistik gegen die Vorlage erhoben. Eine jede derartige Bestimmung solle aber eine im praktischen Leben hervorgetretene Streitfrage In dieser Be⸗ ziehung sei eher zu wenig als zu viel geschehen. Die Regie⸗ rung glaube nicht, daß ihr Entwurf alle die vielen Streit⸗ fragen im Kommunalsteuersystem richtig löse, sie werde Ver⸗ besserungsanträge gern in Erwägung ziehen, wie sie auch eine genauere Statistik dieser Verhältnisse mit Freuden begrüßen werde. Die jetzt vorliegende sei nur eine Privatpublikation mit Benutzung des amtlichen Materials.

Um 4 Uhr wurde die Debatte abgebrochen und vertagt.

e In der heutigen (28.) Sitzung des Hauses der Abgeordneten, welcher am Ministertische der Minister der eistlichen ꝛc. Angelegenheiten, Dr. Falk, beiwohnte, theilte der Prüsident mit, daß vom Handels⸗Minister ein Entwurf eines Chaussee⸗Polizeigesetzes eingegangen sei. Der Abg. Dr. Weh⸗ renpfennig ist neu in das Haus eingetreten. Demnächst be⸗ 4 der Abg. Dr. Virchow seinen Antrag, welcher autet:

Das Haus der Abgeordneten wolle beschließen: Dem §. 34 der Geschäftsordnung folgenden Zusatz hinzuzufügen:

Anträge im Sinne des Ariikels 60 der Verfassungsurkunde Alinea 2 sind jederzeit zulässig.

Der Abg. Dr. Aegidi beantragte die Mtsberwasung des Antrages an die Geschäftsordnungs⸗Kommission, während der Abg. Dr. Lucius dessen wünschte. Beim SSchlusse des Blattes hatte der Abg. Windthorst (Meppen) das Wort.

Allerhöchste Privilegien wegen Ausgabe von auf den Inhaber lautenden Obligotionen sind verliehen worden: unterm 15. Oktober 1877 der Stadt Kö⸗ nigsberg i. Pr. 2 450 000 mit 4 ½ Proz. verzinsliche Stadtanleihescheine zur Bestreitung der Kosten für die Erwei⸗

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ner aus Frankreich zurückkehrten, me

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terung der Wasserleitung, Beseitigung einiger gefährliche⸗ Wasserläufe innerhalb der Stadt, esenune den Leni he anstalten durch Bau von Ufereinfassungen, Brücken und Wegen, Vermehrung der Schulanstalten und Erweiterung anderer städ⸗ tischer Anstalten. 17. Oktober 1877 den Kreisständen des Krei⸗ ses Kosten 120 000 Anleihescheine des Kreises Kosten, mit 4 ½ Proz. verzinslich, behufs Ausführung von Chausseebauten. 24. Oktober 1877 der Kreisversammlung Westhavelland 780 600 mit 4 ½ Proz. verzinsliche Kreisobligationen (III. Emission), behufs Einlösung der noch im Umlauf befind⸗ lichen 5 proz. Kreisobligationen im Betrage von 260 250 Thlr. 780 750 29. Oktober 1877 der Stadt Gelnhausen 100 000 Obligationen der Stadt Gelnhausen, mit 4 ½ Proz. verzinslich, zur Abtragung älterer Schulden bezw. zur Be⸗ 1. der Kosten von Kirchenbau⸗Reparaturen und Restau⸗ rationen.

Allerhöchst genehmigt sind: unterm 24. Oktober 1877 das von der Bremen⸗Verdenschen Landschaft beschlossene Land⸗

chaftsstatut, betreffend Abänderungen der Ver⸗

assung der Bremen⸗Verdenschen Landschaft. 29. Oktober 1877 das Landschaftsstatut, öö Abänderungen der Verfassung der Calenberg⸗ Grubenhagenschen Landschaft. 29. Oktober 1877 der erste Nachtrag zu dem revidirten Sta⸗ tute für die Verwaltung der provinzialständi⸗ schen Brandversicherungs⸗Anstalt der Provinz Schleswig⸗Holstein de conf. 8. März 1876.

Tarife sind Allerhöchst genehmigt worden: unterm 5. Okto⸗

ber 1877 für das Uebersetzen auf der Fähre über die Swine wischen Swinemünde und Ostswine. 5. Oktober 1877 pesnkeichen über die Havel bei Phoeben im Zauch⸗Belzig⸗ schen Kreise. 12. Oktober 1877 für die Benutzung der Ka⸗ näle und Schleusen auf den Wasserstraßen der Provinz Preußen zwischen den Orten Osterode, Deutsch⸗Eylau, Saal⸗ feld, Liebemühl, Hoffnungskrug, Kleppe und Elbing, sowie in der geneigten Ebene zwischen den Orten Hoffnungskrug und Kleppe. 2. November 1877 für das Brückengeld auf der über die Weiße Elsier oberhalb der Auebrücke ei Zeitz.

Das Expropriationsrecht ist B worden: unterm 17. August 1877 dem Rittergutsbesitzer Ludendorff zu Ratteick u. A. behufs Ausführung des Baues einer Chaussee von Zanow bis zur Cöslin⸗Pollnower Chaussee bei Nadebahr. 24. Oktober 1877 der Gemeinde Misdroy behufs Durch⸗ führung der die Lindenstraße mit der Bergstraße daselbst ver⸗ bindenden Querstraße. 12. November 1877 dem Norder⸗ Dithmarschen Wegedistrikt zum chausseemäßigen Ausbau von 7 Straßen. Der Gemeinde Blankensee in Bezug auf ein zur Verbreiterung des sog. neuen Wegs erforderliches Grundstück.

Dem Kreise Teltow ist unterm 29. Oktober 1877 das Recht der Chausseegelderhebung auf der von ihm übernommenen Berlin⸗Glasower Chaussee verliehen worden.

Der Bevollmächtigte zum Bundesrath, Großherzoglich badische Ministerial⸗Rath Lepique ist von Karlsruhe hier eingetroffen.

Als Aerzte haben sich niedergelassen die Herren Dr. Jottkowitz in Pleß, Dr. Forner in Kattowitz, Dr. Mucha in Gleiwitz, Dr. Wilhelm Kalau von Hofe in Weilburg, Dr. Altendorf in Waxweiler.

Sachsen. Dresden, 4. Dezember. Die Zweite Kammer begann heute die Berathung des Etats des Justiz⸗ departements. Eine längere Diskussion entspann sich über die Mitwirkung des Landtags bei Bestimmung der Sitze und Bezirke der Gerichte und die Wahrung des Budgetrechts der Kammer bei der neuen Justizorganisation. Ein Antrag des Abg. Freytag, den Etat nur auf die Zeit bis zum Eintritt der neuen Organisation zu bewilligen, wurde abgelehnt, eben⸗ so ein ähnlicher Antrag des Abg. Dr. Stephani, nach welchem die richterlichen Besoldungen nur für diese Zeit bewilligt wer⸗ den sollen, und die Regierung um Vorlegung der nöthigen Unterlagen, um das zukünftige Bedürfniß zu bemessen, auf⸗ gefordert werden sollte, nachdem der Staats⸗Minister Abeken die in der Deputation abgegebene Erklärung wiederholt hatte, daß die jetzigen Gehalte der Beamten, auch wenn diesen in der neuen Organisation andere Funktionen überwiesen werden sollten vorbehaltlich einer eventuellen späteren Ausgleichung etwaiger Härten für das letzte Quartal des Jahres 1879 kein höherer Gehalt gewährt, auch die Gewährung eines solchen für die

ukunft nicht zugesagt werden sollte. Zwei Anträge der Abgg.

chreck und Lehmann, welche eine Vorlage über die Sitze und Bezirke der künftigen Gerichte verlangten, wurden der Gesetz⸗ gebungsdeputation überwiesen. Der Bericht der Finanz⸗ deputation der Kammer über das Königliche Dekret, die Errichtung eines Gebäudes in Berlin für den Gebrauch der Bevollmächtigten zum Bundesrathe und der Gesandtschaft betreffend, beantragt:

„Die Kammer wolle zwar dem Plane einer Erleichterung der Geschäfte der Bevollmächtigten zum Bundesrathe und der Gefandt⸗ schaft in Berlin durch Concentration der betreffenden Lokalitäten im Prinzip vollständig beitreten, sich aber aus den im Berichte näher dargelegten Gründen, einerseits in Ansehung der Zeit, andererseits bezüglich der Art und Weise der Ausführung des gedachten Projektes mit dem Antrage der Königlichen Staatsregierung nicht einverstanden Aplärkn und hiernach das gestellte Postulat von 780 000 zur Zeit ablehnen.“

Sachsen⸗Altenburg. Altenburg, 2. Dezember. In Betreff der bevorstehenden Justizreorganisation auf dem Grunde der neuen Reichs⸗Justizgesetze sind dem jetzt versam⸗ melten Landtage zwei Vorlagen zugegangen, von denen die eine sich auf eine nothwendige Abänderung der provisorischen Ober⸗Appellationsgerichtsordnung, die andere auf die Kosten der baulichen TI in den Justizgebäuden bezieht. Die letztere Vorlage bestätigt, daß es die Absicht ist, für das ganze Herzogthum ein Landgericht zu errichten, und daß der Sitz dieses Gerichtes in Altenburg, in dem Gebäude des bisherigen Kriminalgerichtes sein wird. .

Reuß ä. L. Greiz, 4. Dezember. (W. T. B.) Die Vorlage, betreffend die Errichtung eines eigenen Land⸗ gerichtes, ist Seitens der Regierung zurückgezogen und der Landtag vertagt worden, bis eine neue bezügliche Vorlage ausgearbeitet ist.

EFrlsaß⸗Lothringen. Straßburg, 2. Dezember. Der „Magdb. Ztg.“ wird aus Elsaß⸗Lothringen geschrieben: „Die Rückkehr von ausgewanderten Elsaß⸗Lothin⸗ gern in die alte Fnegh ist neuerdings in erheblicher Zu⸗

auch in den Städten die Naturalisationsgesuche. Bei Erklä⸗ rung dieser Erscheinung dürfte man hen duch gehen, man dieselben vorherrschend auf die unsichere politische Lage in Frankreich zurückführt. Auch junge Leute, welche s. 3. die Furcht vor der deutschen Militärpflicht über die Grenze ge⸗ trieben hat, kommen in großer Anzahl wieder zurück, nachdem kürzlich die Bedingungen, unter welchen von denselben die erlangt werden kann, bedeutend gemildert wor⸗ in . 81* 1

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DOesterreich 8 Ungarn. Wien, 3. Dezember. Der Kaiser ist heute von Gödöllö nach Wien zurückgekehrt.

4. Dezember. (W. T. B.) Im Abgeordneten⸗ hause legte die Regierung heute einen Gesetzentwurf vor über die Forterhebung der Steuern und Abgaben bis Ende März 1878, sowie betreffend die Ermächtigung zur Begebung von 10 Mill. Fl. Goldrente zur Deckung des Defizits im ersten Quartale des Jahres 1878. Es wurden außerdem Gesetzentwürfe eingebracht, betreffend die Ver⸗ längerung der gegenwärtigen Bestimmungen des Wehr⸗ ge etzes bis Ende 1879, sowie über die Aushebung des Re⸗

tenkontingents für das nächste Jahr.

Der „Deutsch. Ztg.“ zufolge wird das diesjährige Heeresbudget im Ordinarium sich um zwei Millionen höher stellen als die für das laufende Jahr bewilligte Summe. Die Mehrausgaben vertheilen sich auf die Berittenmachung der Hauptleute, auf die Geniewaffe und die Reserve⸗Offiziere. Das Extraordinarium soll sich auf vier Millionen Gulden belaufen.

Pest, 4. Dezember. (W. T. B.) Im Unterhause wurde heute von der Regierung ein Gesetzentwurf über die Verlängerung der Gültigkeit des gegenwärtigen Wehr⸗ gesetzes bis Ende 1879 eingebracht.

Schweiz. Bern, 3. Dezember. Die ständeräth⸗ liche Zollrevisionskommission hat am 1. Dezember ihre Arbeit geschlossen und ist zur Berichterstattung bereit. Im Allgemeinen sind die Ansätze des Bundesraths von ihr etwas gemildert worden, so daß bei der Annahme ihrer Vor⸗ schläge sich eine Mehreinnahme von ungefähr 7 statt 9 Mill. ergeben würde. Die Zolleinnahmen vom 1. Jan. bis 30. Nov. betrugen 14 152 015 Frcs. oder 1 551 895 Frcs. weniger als 1876. Nach einer zweitägigen hitzigen Dis⸗ kussion hat der Große Rath von Tessin den Beschluß gefaßt, Lugano zu zwingen, die Kosten der militärischen Okku⸗ pation zu bezahlen.

4. Dezember. (Cöln. Ztg.) Der Bundesrath hat das Züricher Banknotenmonopolgesetz aus konstitutio⸗ nellen Gründen aufgehoben.

Großbritannten und Irland. London, 3. Dezember Aus Calcutta wird dem Reuterschen Bureau unterm 2. De⸗ zember telegraphirt: Jammu, die Hauptfestung der auf⸗ rührerischen Jowaki's, wurde gestern von dem britischen Expeditionscorps unter dem Befehl des Generals Keyes er⸗ obert. Die Verluste auf britischer Seite betrugen nur vier Verwundete. Der Feind verlor 41 Mann an Todten, Ver⸗ wundeten und Gefangenen. Ein britisches Regiment und vier Eingeborenen⸗Regimenter sind gegen Dori, ein wichtiges Jowaki⸗Dorf in der Nähe des e Mackeson, abgesandt worden. —Aus der Kapstadt wird demselben Bureau unterm 13. v. M. via Madeira telegraphirt, daß die Truppen der Kolonie die Galeka's noch immer verfolgen. Ein Theil derselben hat den Fluß Undala überschritten. Der Befehls⸗ haber Griffith meldet die Erbeutung von 12 000 Rindern. Der Krieg, schließt die Depesche, ist thatsächlich zu Ende.

Frankreich. Paris, 4. Dezember. (W. T. B.) Die „Agence Havas“ publizirt folgende Note: Die öffentliche Meinung, welche über die augenblickliche Krise sich in einer gerechtfertigten Erregung befindet, hat mit großem Interesse die Versuche verfolgt, welche der Präsident der Re⸗ publik auf Rath des gegenwärtigen Kabinets gemacht hat, um ein Ministerium der Versöhnung aus der Mitte des Parlaments zu bilden. Bis jetzt sind diese Versuche ohne Erfolg geblieben, weil man dem Präsidenten die Bedingung auferlegen wollte, den Kongreß zusammen zu rufen, um über den Artikel der konstitutionellen Gesetze zu berathen, welcher der Exekutivgewalt gestattet, die Kammer mit des Senats aufzulösen. Der Präsident der Republik ist der Ansicht gewesen, daß diese Bedingung unannehmbar sei, und daß er weder die Rechte der Exekutivgewalt, noch die Prärogative des Senats alteriren lassen dürfe. Die Mit⸗ glieder der Linken des Senats haben eine Erklärung erlassen, in welcher es heißt, daß kein Mitglied der Linken des Senats einen Auftrag von dem Marschall⸗Präsidenten empfan⸗ gen habe, auch nicht in das Palagis des Marschalls geladen worden sei, um im Namen der Partei die Bedingungen für die Bildung eines parlamentarischen Kabinets aufzustellen. Die Mitglieder der Achtzehner⸗Kommission der De⸗ putirtenkammer veröffentlichen eine entsprechende Er⸗ klärung im Namen der Linken der Deputirtenkammer. 4. Dezember. (W. T. B.) Man behauptet jetzt im Elysée die Gewißheit zu haben, daß sich im Senate für die Auflösung der Deputirtenkammer eine Majorität von mindestens 13 Stimmen finden werde. Heute Abend, nach⸗ dem die Vorgänge in Versailles bekannt geworden waren, herrschte in Paris eine gewisse Aufregung. Die Boulevards waren mit Menschen überfüllt, welche über die Situation diskutirten.

(Fr. C.) In den Departements Ost⸗Pyrenäen und Giein. am 2. d. M. die Wahl je eines Senators an Stelle der verstorbenen Herren Pierre Lefranc und Bourbeau, von denen der erstere der republikanischen, der letztere der bona⸗ partistischen Partei angehört hatte, stattgefunden. In den Ost⸗ Pyrenäen siegte der republikanische Kandidat und bisherige Abgeordnete des Arrondissements Céret, Hr. Massot, über seinen konservativen Gegner mit 164 gegen 111 Stimmen; in der Vienne wurde der bonapartistische General Arnau⸗ deau, der allein als Kandidat aufgetreten war, mit 283 Stim⸗ men gewählt. An dem Stimmenverhältniß im Senat wird durch diese Wahlen nichts geändert.

Versailles, 4. Dezember. (W. T. B.) In der heu⸗ tigen Sitzung der Deputirtenkammer verlas Jules Ferry eine Erklärung der Budgetkommission, dahin gehend, daß die Budgetkommission die 4 großen Steuern nur einem een Ministerium bewilligen würde. Wenn

diejenigen fallen, welche die Krisis in ungebührlicher Weise verlängerten. Die Budgetkommission 2 gemäß bis auf Weiteres keinen Bericht * Son Renault verlangte Aufklärungen über die von der

„Agence Huvas“ veröffentlichte Note (s. oben unter Paris) und erklärte, kein Mitglied der Linken habe eine Mission e halten, über die in der Note erwähnten Bedingungen in Be⸗ rathung zu treten. Er hoffe, daß die Minister am Donnerstag darauf antworten würden, ob sie die Verantwortlichkeit für diese Note übernehmen. Der Präsident Grévy bemerkte, er allein sei von Seiten der Majorität zum Marschall Mac Mahon gerufen worden, er habe mit demselben jedoch nicht im Namen der Majorität gesprochen; er habe dem Marschall keinerlei Hinweisung bezüglich der n; eines parlamentarischen Kabi⸗ nets gemacht, von demselben auch keinerlei Verpflichtung verlangt. Rouher und Baragnon führten aus, daß die von Ferry verlesene Erklärung der Budgetkommission als ein Bericht dieser Kommission anzusehen sei, welcher sich für die des Budgets ausspreche. Beide Redner beantragten, die Berathung dieser Angelegenheit auf Donnerstag anzusetzen. 8 Gambetta erwiderte, die Budgetkommission entspreche der Majorität des Hauses, sie handele gesetzlich und parlamen⸗ tarisch als Mandatar dieser Majorität. Gambetta hielt die Unterscheidung aufrecht zwischen einer Erklärung der Budget kommission und einem Berichte derselben. Am nächsten Don nerstag würden alle bezüglichen Berichte der Kommission vor⸗ gelegt werden. Dann werde die Kommission zum Lande sagen Wir sind bereit, aber wir werden das Geld nur bewilligen wenn man sich gebeugt haben wird vor dem Willen, welcher am 14. Oktober manifestirt worden ist. (Beifall auf der Linken.) Rouher brachte darauf eine Resolution ein, in welcher die Kommission aufgefordert wird, ihre Berichte sofort vorzulegen, und in welcher verlangt wird, die Berathung auf Donnerstag festzusetzen. Der Präsident Grévy erhob hier gegen Einspruch und erklärte, die Resolution verstoße gegen die Geschäftsordnung. Die Minorität des Hauses werde in dessen Genunthuung erhalten, denn am Donnerstag werde die Kammer in die Lage versetzt werden, zu erklären, ob sie das Budget berathen wolle oder nicht. Rouher beantragte die Dringlichkeit für seine Resolution. Dieselbe wurde in⸗ dessen mit 328 gegen 197 Stimmen abgelehnt.

Der Senat hat zu lebenslänglichen Senatoren Larcy (LCegitimist) mit 146 und Ferdinand Barrot (Bona⸗ partist) mit 142 Stimmen gewählt.

Italien. Rom, 4. Dezember. (W. T. B.) In der Deputirtenkammer richtete Ercole eine Interpellation an die Regierung wegen der Beschlagnahme zweier italienischen Schiffe im Bosporus.

Mumänien. Bukarest, 4. Dezember. (W. T. B.) Die Deputirtenkammer vertagte heute die Berathung des Entwurfs einer Antwort auf die Thronrede des Fürsten, um einer aus 5 Mitgliedern gebildeten Kommission zu gestatten, sich mit einigen Deputirten in Betreff leichter Modifikationen, welche sich nur auf die Form der Antwort, nicht auf deren Inhalt beziehen, zu verständigen.

Türkei. Konstantinopel, 5. Dezember. (W. T. B.) Das Parlament wird am 13. d. im Palaste vom Sultan mit einer Thronrede eröffnet werden.

(W. T. B.) Wie das „Reutersche Bureau“ de dato London, 5. Dezember, meldet, haben dort Unterhandlungen wegen der Emission einer türkischen Anleihe auf Grund einer von dem Khedive zu leistenden Garantie stattgefunden; da die Bürgschaft des Khedive als genügend befunden worden ist, so wird die Anleihe demnächst in London, Paris und Bombay zur Emission gelangen.

Amerika. New⸗York, 4. Dezember. (Reuters Bureau.) Die ergangene Ordre zur Absendung weiterer Truppen nach dem Rio Grande ist nicht die Folge neuer Verwicke⸗ lungen, sondern hat lediglich den Zweck, die dortige Streit⸗ h zu verstärken und weitere räuberische Einfälle zu ver⸗ indern.

8 Der russisch⸗türkische Krieg..

St. Petersburg, 4. Dezember. (W. T. B.) D Bey von Tunis der Türkei Hülfstruppen sendet, so hat die russische Regierung ihrem Konsul in Tunis den Befehl ertheilt, abzureisen und die Geschäfte dem dortigen deutschen Konsul zu übergeben. Wien, 4. Dezember. (W. T. B.) Der ‚Polit. Corresp.“ wird aus Belgrad vom heutigen Tage gemeldet: Fürst Milan helt eine Ansprache an die ausmarschirenden Truppen, in welcher er betonte, daß sichere Aussicht vor⸗ handen sei auf bessere Erfolge in dem nächsten Feldzuge Ser⸗ biens, welches wieder, jedoch besser gerüstet und auf einen mächtigen Alliirten gestützt, in den Krieg gehen müßte. Nach einer weiteren Mittheilung der „Polit. Korresp.“ habe die englische Regierung eine Note an das serbische Kabinet gerichtet, in welcher sie Serbien unter dem Vorwurf der Illoyalität von der Theilnahme an dem Kriege abräth und mit dem Verluste der Garantie für die antonome Stellung Serbiens droht; Ristics wolle diese Note unbeant⸗ wortet lassen. London, 4. Dezember. (W. T. B.) Anläßlich der Einweihung der Christus⸗Kirche in Bournemouth fand dort heute eine Demonstration der konservativen Partei statt, bei welcher eine Vertrauensadresse an die Regierung über⸗ reicht und erklärt wurde, das Land sei befriedigt über die Erhaltung der Neutralität. Abends findet eine neue Versammlung statt, welcher der Schatzkanzler beiwohnen wird. 5. Dezember. (W. T. B.) Der ee North⸗ cote führte in seiner Rede, welche er gestern bei dem in Bournemouth unter dem Vorsitze Sir Drummond Wolff stattgehabten und von etwa 1500 Personen besuchten Bankete gehalten hat, aus, daß die Regierung danach strebe, den Frie⸗ den wieder herzustellen und die Interessen Englands überall. zu schützen. In dieser Hinsicht sei es indeß für England un⸗ möglich, allein vorzugehen, ohne Rücksicht auf die Ansichten. und Absichten der übrigen europäischen Mächte zu nehmen. Die egierung habe es für ihre Pflicht gehalten zu erklären, daß sie dadurch, daß sie eine Politik der Neutralität einschlage, nicht beabsichtige, dem Verlaufe des Kampfes ihre Ausmerk⸗ samkeit zu entziehen oder keine Notiz von den Zwischenfällen zu nehmen, welche die Interessen Englands berüchren könnten. Es war dem Lande gegenüber die Pflicht der Regierung,

das Budget daher nicht vor dem 1. Januar 1878 votirt

nahme begr iffen. Während früher hauptsächch Landbewoh⸗ ren sich in neuerer Zeit

werden sollte, so würde die Verantwortlichkeit hierfür auf

die Interessen Englands zu vertreten, den anderen Mächten gegenüber, sie von dieser Politik zu unterrichten, um Miß⸗

vorlegen.