1877 / 288 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Thu, 06 Dec 1877 18:00:01 GMT) scan diff

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ist ihm das auch ziemlich gut gelungen nicht vollständig, denn er hat die Revenüenüberschüsse etwas überschätzt aber es ist ihm doch gelungen, sich ein allgemeines Bild davon zu verschaffen. Sie würden also sagen: jetzt handelt es sich um ganz un⸗ schuldige Dinge, weshalb sollte man nicht aussprechen, daß auch der landwirthschaftliche Minister von jenem Fonds etwas abbekommen hat, dabei ist ia nichts Gefährliches! enn die Staatsregierung aber auf diesen Weg sich einläßt, dann kommen morgen die weiteren Fragen oder vielleicht erst übermorgen, aber sehr bald und dann fragt es sich: wo ist die Grenze, wo die Regierung nun sagen soll: nein, bisher haben wir immer sehr bereitwillig geantwortet von jetzt ab können wir es nicht mehr thun, die Frage ist zu arg! glaube, da wird man zu dem Resultat gelangen müssen, daß die richtige Stellung der Regierung die ist, sich auf solche Anfragen überhaupt nicht einzulassen. Meine Herren, würde denn, wenn noch so viele Interpellationen gestellt werden, zuletzt ein ganz klares Ver⸗ hältniß eintreten können, wenn es sich um die Verwendung von ge⸗ heimen Fonds handelt? Mir hat heute der Herr Abz. Richter in der That eine große Zahl von Neuigkeiten mitgetheilt, ich habe nicht die leiseste Ahnung davon, daß zu verschiedenen Zwecken, die er genannt hat, die Ausgaben stattgefunden haben. Wenn er uns also vorhielt, diese Fonds werden dazu verwendet, um gegen die Privatbahnen zu agitiren und für die Staatsbahnen zu wirken, ja so weit ich weiß, ist der Hr. Abg. Richter ein großer Gegner der Staatsbahnen, und ich kann mir daraus allenfalls erklären, wie eine solche Phantasie sich hat heran⸗ bilden können, aber einen weiteren Anhalt für diese Behauptung habe ich nicht entfernt. 85 8 Aber, meine Herren, wie mißlich es doch mit der Antwort ist, liegt nun darin, daß der Hr. Abg. Richter gleich wiederum behaupten kann: ja der Finanz⸗Minister Camphausen weiß das nicht, aber es ist doch so, es ist gemacht worden von einem der anderen Minister. Ich bekenne Ihnen das offen, meine Herren, wenn es ein Bekenntniß wäre, denn es liegt ja in der Natur der Sache, daß über die Ver⸗ wendung der zu geheimen Ausgaben bestimmten Fonds nur die betreffenden Ressortchefs, die durch unser Vertrauen mit der Verwal⸗ tung befaßt sind, zu entscheiden haben, die anderen nicht. Ich hab⸗ niemals auch nur um den Betrag von einer halben Mark zu solchen geheimen Zwecken verfügt. Nun, meine Herren, kann ich nur daran erinnern, daß die von dem Herrn Abgeordneten Richter selbst angezogene Auskunft die bei der Berathung des Etats im Jahre 1874 ertheilt wurde, auch auf einem Beschluß des Staats⸗Ministeriums beruht, und daß sie noch heute als zutreffend anzuerkennen ist. Ich will dabei bemerken, daß wir nach dem Gesetz uns nicht für befugt erachten, über die Sub stanz des Vermögens zu verfügen. Die Substanz des Vermögens ist völlig intakt erhalten. Wenn aus gewissen Kreisen, wo man es ver⸗ standen hat, allerhand verleumderische Gerüchte gegen einzelne Per⸗ sönlichkeiten in Cours zu setzen, auch eine solche Verleum⸗ dung Platz gefunden hat, als hätte der Fürst Bismarck über die Substanz des Vermögens jemals verfügt, so kann ich dem das energischste Dementi geben, so kann ich erklären, daß diese in verzinslichen Staatsobligationen angelegten Gelder mit Ausnahme des Umstandes, daß sie bei der Konsolidationsmaßregel gegen konso⸗ lidirte 4 ½ prozentige Schuldverschreibungen umgetauscht worden sind noch genau nach Littera und Nummern in dem Gewahrsam der preußischen Generalstaatskasse in deren Hauptdepositorium ruhten, und daß der Fürst Bismarck große Schwierigkeiten haben würde, diese Papiere auch nur zu Gesicht zu bekommen, selbst sie auch nur einmal sehen zu können. Bis heute ist das noch nicht der Fall gewesen. Der Fürst Bismarck würde die Ver⸗ waltung des Finanz⸗Ministers in Anspruch zu nehmen haben, der sie, beiläufig bemerkt, bis heute auch noch nicht gesehen hat, und der Finanz⸗Minister würde sich wenden müssen an die Verwaltung des General⸗Hauptdepositoriums, er würde berufen müssen den ersten Rendanten der General⸗Staatskasse, den Kassirer und den Kurator der General⸗Staatskasse, wovon Jeder einen Schlüssel für sich hat, und erst wenn die Inhaber dieser Aemter mit ihren Schlüsseln an Ort und Stelle sind, wäre er in der Lage, die

Nun, meine Herren, neben allen diesen Rechnungsfragen kaun ja was übrigens durch die Interpellation nicht entfernt geschehen ist, enn der Interpellation würde ja Genüge geschehen sein, wenn die speziellen Fragen speziell beantwortet worden wären ich sage, neben dem kann die allgemeine Frage ent⸗ stehen: ist der Zeitpunkt gekommen, wo die Regierung ihr Verhalten in Bezug auf den Welfenfonds zu modifiziren hat. Ueber diese Frage, meine Herren, hat im Laufe d. J. in der Sitzung vom 5. Februar d. J. eine Verhandlung in dem anderen Hause statt⸗ gefunden, eine Verhandlung, der sowohl der Fürst Bismarck als mehrere andere Herren Staatsminister beigewohnt haben. Diese Verhandlung ist damit eröffnet worden, daß Namens der Staats⸗ regierung erklärt wurde, die Staatsregierung betrachte den gegenwärtigen Zustand als ein Provisorium, dessen baldiges Ende herbeizuwünschen ist, sie hoffe mit der Zeit zu einem Definitivum zurückgehen zu können, welches in dem Abkommen mit dem Könige Georg seine Basis fand, aber die Staatsregierung ist der Meinung, daß der Zeitpunkt hierfür noch nicht gekommen ist. Und noch eindringlicher ist die ganze Auf⸗ fassung am Schlusse jener Rede dargelegt, worin ausgesprochen wird: Die Königliche Staatsregierung wünscht aber so dringend wie der Hannoversche Provinzial⸗Landtag die Herstellung des inneren Friedens, sie wird, wenn König Georg die Hand in wirklich ver⸗ söͤhnendem Sinne unter hinlänglicher Garantie für seine Vertragstreue bietet, dieselbe ergreifen, so lange aber von dieser Hand des Friedens nicht das geringste zu spüren ist, so lange die Organe der welfischen Partei und die Anhänger des Königs Georg Tag für Tag fort⸗ fahren, den Krieg zu predigen und in Hetzartikeln und auf⸗ reizenden Reden den Haß gegen Preußen zu schüren, so lange wird die Königliche Staatsregierung sich weigern, die Waffen, die ein gnädiges Geschick ihm in die Hand gegeben hat, auszuliefern. Das ist der Standpunkt, meine Herren, für den die Regierung einsteht, auf dem sie beharren wird. 8 Nachdem noch der Abg. Windthorst (Meppen) für die un⸗ bedingte Aufhebung der Beschlagnahme gesprochen hatte, er⸗ klärte der Handels⸗Minister Dr. Achenbach, daß unter seiner Mitwirkung und seinem Mitwissen kein Heller aus den Ein⸗ künften des sog. Welfenfonds für Agitationen verwendet sei, um die Privatbahnen zu einer billigeren Abtretung ihrer Rechte an den Staat zu bewegen. Um 4 ¼ Uhr wurde die Debatte abgebrochen und vertagt.

Die Rede des Staats⸗Ministers Dr. Frieden⸗ thal ist in der gestrigen Nummer in einigen Sätzen nicht korrekt wiedergegeben worden. Wir theilen die betreffenden Sätze daher noch einmal berichtigt mit:

Seite 2, Spalte 1, Absatz 3:

Wenn dem so ist, meine Herren, dann meine ich, würde aller⸗ dings derjenige, der pessimistisch denkt, und wer den Wunsch hat, daß an einem gewissen Punkte der Reorganisation, die Stagnation, d. h die Reaktion komme, gut thun, alle Beschwerden von der Schwelle ab⸗ zuweisen. Wer aber nicht so denkt, wer davon durchdrungen ist, daß die Grundgedanken der Verwaltungsgesetzgebung heute noch so richtig sind, wie vor fünf Jahren und ich meinestheils bin davon über⸗ zeugt, ich stehe noch heute wesentlich auf demselben Standpunkt, auf dem ich damals stand wer davon durchdrungen ist, daß diese Ge⸗ setzgebung eine richtige ist, daß gegenüber den Stürmen, die von den verschiedensten Seiten, gese schaftlicher und Sees Natur, das Staatswesen bedrohen, diesen Stürmen gegenüber eine feste Abwehr nur dann gesichert ist, wenn man den Kreis derer erweitert, die dem Staate dienen und sich mit dem Staate identifiziren, so daß, wie ich damals mich auszudrücken mir gestattete, wie bei uns im Heere die allgemeine Dienstpflicht gilt, wir das ganze Volk in den Staatsdienst einzustellen haben wenn man davon durchdrungen ist, daß diese Gesetz⸗

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Papiere zu sehen, aus Händen dürfen sie sie natürlich nicht dhg

gebung eine heilsame ist, daß sie dem Wohl des Vaterlandes ent⸗ spricht, dann wird man den lebhaften Wunsch empfinden, daß die geschaffenen Zustände dem Volke lieb, daß sie als ein werthvolles Besitzthum anerkannt werden, daß sie fester Wurzeln schlagen in dem Boden unseres Gemeindewesens. Will man das aber, dann muß man das Erz sondern von den Schlacken, die ihm anhaften; man muß dieses Erz als echtes, reines Metall zum Gemeingut unseres Staates und unseres Volkes machen.

Spalte 2 oben:

Der andere Weg bestand darin, daß man sich entschlösse, die Fäden, die bei der Kreisordnung fest zusammengeschlungen wurden, die im weiteren Verlauf der Entwickelung zu Boden gefallen waren, wieder aufzuheben, daß man daran ginge, vor allen Dingen nach zwei Richtungen hin das Unfertige fertig zu machen, indem, was bisher nur sär einen Theil des Staatsgebietes galt, für den ge⸗ sammten Staat erstrebt werde, dem einheitlichen Charakter unseres Staatswesens, der ein Grundzug unserer ganzen politischen Ent⸗ wickelung bleiben muß, entsprechend, und ferner, indem man in die veränderte Gestaltung des Staatswesens die Staatsämter organisch

ügte. 8 Spalte 2, Absatz 4: In dieser Hinsicht aber sagte sich die Staatsregierung, daß, be⸗ an die Sache in diesem Sinne gegangen werden könne, sich be⸗ stimmt und klar übersehen lassen müsse, wie die Struktur der Staats⸗ behörden begriffen sein werde und welche Garantien letztere dafür biete, daß diejenigen Rechte, welche nothwendig sind für das Bestehen, nothwendig für die Kohäsion des Staates, daß diese Prärogative

nicht nur der Staatsgewalt erhalten bleiben, sondern auch, daß

ihre Handhabung nicht eine lockere, unzureichende werde, sondecn fe st und stramm und in dem nothwendigen Zusammenhange mit den Centralstellen bleibe.

Ssgyalte 2, Absatz 7: 3 1 MNnun, meine Herren, ich meine, wenn ich in diefer Weise das Vorhaben der Staatsregierung charakterisiren kann, wenn ich zeigte, von welchen Gesichtspunkten getragen die Staatsregierung den Ab⸗ schnitt der Gesetzgebung, den sie als den zunächst vor Ihnen liegen⸗ den betrachtet, so definirt hat, wie es geschah, so mögen abweichende Meinungen darüber vorhanden sein, ob dieser Plan richtig sei, ob man es nicht hätte anders machen können; die Meinung möchte doch aus⸗ geschlossen erscheinen, daß man es hier mit einer Verschlechterung der Situation zu thun habe in dem Verhältniß zu dem Zustande, wie er etwa vor drei Monaten in Aussicht stand. Sie werden entgegnen es liegt dies nahe, meine Herren es ist eine große Aufgabe, die gezeigt wird, sie kann sich auf unabsehbare Zeit hin⸗ ziehen, wir wünschen zu wissen: wie wird die Arbeit vorschreiten.

In der heutigen (29.) Sitzung des Hauses der Abgeordneten, welcher am Ministertische der Vize⸗Präsi⸗ dent des Staats⸗Ministeriums, Finanz⸗Minister Camphausen, der Minister für Handel ꝛc. Dr. Achenbach, der Minister für die geistlichen ꝛc. Angelegenheiten Dr. Falk, der Minister für die landwirthschaftlichen Angelegenheiten Dr. Friedenthal und mehrere Regierungs⸗Kommissarien beiwohnten, theilte der Prä⸗ sident mit, daß von dem Abg. Freiherrn von Schorlemer⸗Alst eine Interpellation, betr. die Verhandlungen zwischen Deutschland und Oesterreich über den Zollvertrag, und von dem Abg. Krech ein Antrag, betreffend die Ablösung der den geistlichen Schulanstalten zustehenden Realberechtigungen, eingegangen sei.

Darauf wurde die Berathung des Antrages des Abg. Richter (Hagen), betreffend die Verwendungen aus den Einkünften des mit Beschlag belegten Vermögens des Königs Georg, mit einer Rede des Abg. Freiherrn von Schorlemer⸗ Alst fortgesetzt. Die Abgg. Dr. Löwe und Dr. Virchow erklär⸗ ten die Auslieferung dieses Vermögens an den preußischen Staat für das einzig richtige Mittel zur Lösung der bestehenden Schwierigkeiten, da der Vertrag mit dem Khnige Georg, durch dessen Verschulden nicht perfekt geworden ser, doch äußerte sich ersterer dahin, daß er den jetzigen Augenblick wegen der äußeren politischen Konstellation nicht für den zu einer solchen Maßregel geeigneten halte. Der Abg. Dr. Lasker be⸗ merkte, daß er noch heute auf seinem juristischen Stand⸗ punkt svon früher stände: er halte die Staatsregierung für verpflichtet, dem Hause den Nachweis zu liefern, daß sie diese Gelder im Sinne des Gesetzes verwalte resp. verwende, er sei aber nicht in der Lage, der Regierung Gesetzesbruch und mala fides in der Auslegung des Gesetzes vorzuwersen, und halte den Abg. Richter (Hagen) für verpflichtet, die gegen die Regierung erhobenen schweren Beschuldigungen auch zu beweisen. Beim Schlusse des Blattes hatte der Abg. Dr. Brüel das Wort.

Nach der vom Reichseisenbahn⸗Amt aufgestellten, in der Ersten Beilage veröffentlichten Nachweisung über im Monat Oktober d. Is. beförderte Züge und deren Verspätungen wurden auf 57 größeren Eisen⸗ bahnen Deutschlands (exkl. Bayerns), mit einer Gesammt⸗ länge von 25 712,77 Kilometern, an fahrplanmäßigen Zügen befördert: 13 087 Courier⸗ und Schnellzüge, 79 072 Personen⸗ üge, 36 942 gemischte und 71 793 Güterzüge; an außer⸗ sa lanmäßigen Zügen: 1461 Courier⸗, Personen⸗ und ge⸗ mischte, und 35 749 Güter⸗ resp. Arbeitszüge.

Im Ganzen wurden 669 182 073 Achskilometer bewegt, von denen 179 205 278 Achskilometer auf die fahrplanmäßigen Züge mit Personenbeförderung entfallen. Es verspäteten von den 129 101 fahrplanmäßigen Courier⸗, Schnell⸗, Perso⸗ nen⸗ und gemischten Zügen im Ganzen 1499 oder 1,16 pCt., (gegen 1,44 pCt. in demselben Monat des Vorjahres, resp. 1,48 pCt. im Vormonat). Von diesen Verspätungen wur⸗ den jedoch 708 durch das Abwarten verspäteter Anschlußzüge hervorgerufen, so daß 791 Verspätungen oder 0,61 pCt. (gegen 0,74 pCt. im Vormonat) der beförderten Züge entstanden. In demselben Monat des Vorjahres verspäteten auf 63 Eisenbahnen 877 Züge, oder 0,68 pCt. der beförderten Züge, sonach 0,07 pCt. mehr. In Folge der 81““ wurden 150 Anschlüsse versäumt (gegen 210 in demselben Monat des Vorjahres, resp. 197 im Vormonat).

Am 4. Dezember feierte der Wirkliche Geheime Rath von Frankenberg⸗Ludwigsdorf den 70. Jahrestag seines Eintritts in den preußischen Staatsdienst.

Bayern. München, 4. Dezember. In der heutigen Sitzung der Kammer der Abgeordnten verlas der Prä⸗ sident ein Schreiben des Herrn von Riedel, durch welches der⸗ selbe seine Ernennung zum Finanz⸗Minister anzeigt. Im Verlaufe der Sitzung richtete der Minister dann aus dem gleichen Anlaß einige Worte an die Kammer: Der Ziele, welche er in seinem neuen Amte zu erstreben habe, sei er sich klar bewußt, wenn er sich auch über die Mittel und Wege, sie zu erreichen, in mancher Beziehung erst vergewissern müsse. Sein Bestreben werde immer die Vertretung und die Förderung der Interessen der Krone und des Landes sein, und damit wisse er sich in voller Uebereinstimmung mit allen Mitgliedern des Hauses. In der Angelegenheit der Bamberger Bankfiliale verhieß er strenges und rasches Vorgehen. Die Kammer ver⸗ handelte dann über den E und Hüttenwerke und Salinen. Gestern st en Landrathsver⸗

erhebung der Steuern

sammlun gen der acht Kreise des Königreichs durch die Re⸗ gierungs⸗Präsidenten feierlich eröffnet worden. Im oberbaye⸗ rischen Landrathe wurde gestern eine Erhöhung der Kreis⸗ umlage von 25 auf 284⁄% Proz. von der Kreisregierung beantragt. Das Magistratskollegium von München hat heute einstimmig beschlossen, daß für 1878 eine Gemeinde⸗ umlage von 100 Proz., d. h. um 30 Proz. mehr als im laufenden Jahre erhoben werden soll.

In einem Artikel der „Allg. Ztg.“ über den Gesetz⸗ entwurf, betreffend die vne eines Verwaltungs⸗ gerichtshofs heißt es: „Der vie bebes Gesetzentwurf ist nunmehr im Ausschuß durchberathen. ie Subkommission wird sich zunächst mehr mit den legislator schen Einzelheiten der Materie beschäftigen. Wenn nun auch die in jenen Be⸗ nühen en vertretenen Ansichten noch keine Gewähr für die wahrscheinliche Haltung der Parteien im Plenum der Kammer geben, so zeigen sie doch schon in erkennbaren Umrissen das Bild, in welchem die ganze parlamentarische Behandlung des Gegen⸗ standes schließlich erscheinen wird. Dasselbe gestaltet sich mehr und mehr zu einem Sieg der Regierung und des von ihr empfohlenen Entwurfs. Die Aufhebung des Staatsraths, Verminderung der Bezirksämter und Kreisregierungen waren die Hauptpunkte einer Verwaltungsreform, von denen die Klerikalen ihre Zu⸗ stimmung zum Verwaltungsgerichtshof abhängig machen woll⸗ ten. Die Versicherung, daß der neue Verwaltungsgerichtshof nach der vollzogenen Aufhebung des Staatsraths ohne alle Mehrkosten geschaffen werden könne, mußte jeden Widerstand als unlogisch erscheinen lassen, der seine Berechtigung von der durch die Neuorganisation zu erwartenden Budgetbelastung herholte. Es konnte sich die Opposi⸗ tion gegen den Regierungsentwurf nur noch an die geforderte Ersparung an Kreisregierungen und Bezirksämtern anlehnen. Allein die von den einzelnen Mitgliedern der patriotischen Partei im Ausschuß abgegebenen Erklärungen schienen hierauf verzichten zu wollen, und es kann unmöglich das Vorhanden⸗ sein eines einigermaßen greifbaren Planes über die Vermin⸗ derung der Verwaltungsbezirke und die übrigen Fragen der Verwaltungsreform angenommen werden, wenn von der einen Seite eine Revision der Distrikts⸗ und Landraths⸗Gesetzgebung, Geschäftsvereinfachung und anderes mit einbezogen wer⸗ den will, während von der anderen Seite die Krone einer Verwaltungsreform in Beseitigung der Re⸗ gierungs⸗Präsidenten gefunden und von dritter Ev eine Verminderung der Verwaltungsstellen für unthunlich gehalten, aber die Bildung größerer Gemeinden oder Bürgermeistereien empfohlen wird, was seiner Zeit die Regierung vergeblich ver⸗ suchte. Wer von den Wortführern der patriotischen Partei allenfalls eine Bezeichnung der Verwaltungsstellen erwartete, deren Aufhebung einen Theil der sehnlichst begehrten Reform bilden sollte, hat vergeblich gewartet, und es hat die Regierung in gewisser Beziehung nur die natürliche Schlußfolgerung aus den Ansichten der Opposition gezogen, wenn sie, ab⸗ gesehen von der Aufhebung des Staatsraths, im übrigen die vorläufige Erhaltung der gegenwärtigen Verwaltungsbezirke als Grundsatz ihrer Politik bezeichnete, ohne eine Ersparung von Fall zu Fall prinzipiell abzulehnen. Dieses Ergebniß kann weder die weitere Berathung in der Subkommission, noch eine Debatte im Plenum alteriren. Wenn schließlich der Gesetzentwurf abgelehnt werden sollte, so ist es der Wille einer Gründe hierfür anzuführen, hat aber die Verhand⸗ ung im Ausschuß abgeschnitten.“

Sachsen. Dresden, 5. Dezember. In der heutigen Sitzung der Ersten Kammer kam ein Schreiben des Ge⸗ zur Verlesung, Inhalts dessen der König ür den durch das Ableben des Geheimen Kommerzien⸗Raths Becker in Leipzig erledigten Sitz in der Ersten Kammer den Buchhändler Bernhard Frhrn. von Tauchnitz in Leipzig er⸗ nannt hat. Die Kammer beschloß sodann einstimmig und ohne Debatte, dem Gesetzentwurfe, die provisorische Fort⸗ und Abgaben im Jahre 1878 be⸗ treffend, ihre Zustimmung zu geben.

Reuß j. L. Gera, 3. Dezember. (Weim. Ztg.) In der heutigen Sitzung des Landtags wurde eine Interpella⸗ tion an das Fürstliche Ministerium gerichtet, welche durch den Geh. Staatsrath Dr. Vollert sofort ihre Beantwortung fand. Dieselbe betraf die auf Veranlassung des Herrn Dr. Vollert hier zusammenberufene Konferenz zur Berathung über die Ein⸗ führung der Reichs⸗Justizgesetze, welche aus 17 Ju⸗ risten und 2 Handel⸗ und Gewerbtreibenden bestand und un⸗ längst ihre Thätigkeit abgeschlossen hat. Der Interpellant, Abg. Dr. Jäger, fragte an, wie viele Richter die Kon⸗ ferenz für nöthig erachte, wenn a. das Fürstenthum Reuß j. L. für sich allein ein Landgericht halte; b. wenn es sich zu diesem Zwecke mit Reuß ä. L. und c. wenn es sich mit dem Neustädter Kreise und Reuß ä. L. vereinige; ferner: wie sie sich die Stellung der Advokatur in diesen Fällen denke. Der Geheime Staatsrath Dr. Vollert erklärte u. A., die Konferenz sei zunächst darin in Ueberein⸗ stimmung gewesen, daß die Reichs⸗Justizgesetzgebung für die Landgerichte nur große Sprengel, etwa von 200 000 Seelen, im Auge habe. Ebenso übereinstimmend sei man darin ge⸗ wesen, daß der Sitz des Landgerichts nur in Gera sein könne; sowie ferner, wenn es den Bemühungen der Staatsregierung nicht gelänge, in Verbindung mit Nachbarstaaten ein großes Landgericht zu bilden, dann für Reuß j. L. ein Landgericht mit dem Sitze in Gera zu schaffen sei, das wenigstens nicht ganz hinter den Erwartungen der Reichsgesetze zurückstehe. Den Bedarf der Richterzahl motivirte der Redner gleichfalls in 8 Weise und kam zu dem Schlusse, daß, wenn das Fürstenthum genöthigt sein werde, für sich allein ein Landgericht zu schaffen, die Zahl von acht Richtern vollständig ausreiche; in Verbindung mit dem Neustädter Kreise oder mit Reuß ä. L. brauche die Richterzahl nicht vermehrt zu werden, während es mit den beiden zugleich in Gemeinschaft deren nur neun bis zehn brauchen werde. Dafür, daß eine staß⸗ Gemeinschaft stets günstiger und sparsamer zu bewirth⸗ schaften sei, als eine kleine, führte der Redner das Bei⸗ spiel des Appellationsgerichts in Eisenach an, wo man, trotz des Hinzutritts von drei andern, früher nicht zu dem⸗ selben gehörenden Staaten, nur einen Richter mehr anzustellen gebraucht habe. Dasselbe gelte von den Subalternbeamten und von den Verwaltungskosten. Das Landhausgebäude zu Gera reiche hin für jedes größere Landgericht. Im Landtage selbst sprach sich dann mehrfach die Bereitwilligkeit und Nothwendig⸗ keit aus, den eventuell sich anschließenden Staaten in möglichster Weise opferbereit entgegen zu kommen.

Oesterreich⸗Ungarn. Wien, 4. Dezember. Ausgleichsprovisorium meldet die „Presse“: „Die Hieher⸗ kunst der Minister Tisza und Szell hat die Vereinbarungen zum Zwecke, welche zwischen den beiderseitigen Regierungen in Folge des Ausgleichsprovisoriums nothwendig geworden sind. Das Provisorium wird, der Natur der Sache entsprechend alle jene Angelegenheiten umfassen, welche durch den Ausglei einer neuen Regelung unterzogen sind. Es werden demna Vorlagen über die Quote, über das Zoll⸗ und Handelsbündniß, sowie bezüglich der ablaufenden Handelsverträge zu verein⸗ baren sein. Desgleichen wird Vorsorge zu treffen sein, daß die Nationalbank während der Dauer des Ausgleichsprovi⸗ soriums also bis zu dem Zeitpunkte, wo das neue Bankstatut in 8 tritt, ihre Funktionen in beiden Reichstheilen fortsetzt.”

5. Dezember. (W. T. B.) Die Delegationen hielten heute ihre ersten Sitzungen. Es wurden die Bureaus konstituirt und die Ausschüsse gewählt. Die österreichis che Delegation wählte Trauttmannsdorf zu ihrem Präsi⸗ denten und Vidulich zum Vizepräsidenten. Von der ungari⸗ schen Delegation wurde Szoegyeny zum Präsidenten und zum Vizepräsidenten gewählt. Graf Andrassy legte das Budget vor und theilte mit, daß der Kaiser am nächsten Freitage um 2 Uhr die ungarische und um 3 Uhr die österreichische Delegation empfangen werde.

Pest, 4. Dezember. Im Abgeordnetenhause unter⸗ breitete, wie bereits kurz gemeldet wurde, heute der Landes⸗ vertheidigungs⸗Minister von Szende einen ähnlichen Gesetz⸗ entwurf, wie derjenige, welchen der österreichische Landes⸗ vertheidigungs⸗Minister Oberst Horst im Abgeordneten⸗ hause des Reichsrathes einbrachte. betrifft die ein⸗ jährige Verlängerung der Wirksamkeit jener zwei Para⸗ raphen des Wehrgesetzes, durch welche der komplete Kriegs⸗

and der Armee mit 800 000 Mann festgestellt erscheint, und zwar 470 368 Mann für die cisleithanische Reichshälfte, 329 632 Mann für Ungarn. Die Wirksamkeit des bestehenden Wehrgesetzes läuft zwar erst mit Schluß des Jahres 1878 ab, da aber der §. 11 dieses Gesetzes unter Anderem ausdrücklich normirt, daß allfällige auf die fernere unveränderte Belassung oder auf eine Veränderung des festgestellten Kriegsstandes der Armee hinzielende Anträge jedenfalls vor Schluß des neunten Jahres in den betreffenden Vertretungskörpern eingebracht werden müssen, erschien es nothwendig, schon jetzt die darauf bezüglichen Vorlagen der verfassungsmäßigen Behandlung zu unterziehen. Im Sinne dieser Vorlagen soll die Wirksamkeit der §§. 11 und 13 des Wehrgesetzes vom 5. Dezember 1868 bis zum Schlusse des Jahres 1879 verlängert werden.

=chweiz. Bern, 3. Dezember. Der Bundesrarh hat das Fabrikgesetz für vom Neujahr an vollziehbar er⸗ klärt, mit der Einschränkung, daß Art. 16, Absatz 1 (Verbot der Kinderarbeit vor zurückgelegtem 14. Lebensjahre) für solche Kinder, welche vom 1. Januar 1878 an bereits in einer Fabrik beschäftigt gewesen, erst am 1. April 1878 in Kraft tritt. Heute Vormittag wurden die zu ihrer ordentlichen Wintersession versammelten eidgenössischen Räthe ohne Präsidialrede eröffnet. Der Ständerath genehmigte die Geschäftsvertheilung und hielt an der Priorität in der Frage, betreffend die Herstellung des Gleichgewichts, fest. Der Nationalrath begann nach der Geschäftsvertheilung die Be⸗ rathung des Budgets. Bis jetzt wurden die Anträge des Bundesraths genehmigt. Den Schluß der Berathung sollen die Postulate, betreffend das finanzielle Gleichgewicht, bilden. 5. Dezember. (Cöln. Ztg.) Der Nationalrath 5 mit 47 gegen 41 Stimmen den Antrag des Bundes⸗ gräsidenten Heer, den Kommissionsantrag zu prüfen, ob die Gesandtschaften in Rom und Wien nicht in General⸗ Konsulate umzuwandeln seien, angenommen.

Niederlande. Amsterdam, 1. Dezember. Der Gesetzentwurf, nach welchem die Ende dieses Monats ab⸗ laufende Suspendirung der Ermächtigung zur Prägung von Silbermünzen für andere Rechnung als für Staats⸗ rechnung nunmehr auf unbestimmte Zeit verlängert werden sol), ist von der Zweiten Kammer der Generalstaaten in ihrer vorgestrigen Sitzung angenommen worden. Der neue Finanz⸗Minister sprach sich in Uebereinstimmung mit seinem Amtsvorgänger dahin aus, daß sich nicht voraussehen lasse, wann der Zeitpunkt eintreten dürfte, wo es gerathen wäre, dem gegenwärtigen pro⸗ visorischen Zustande des niederländischen Münzwesens ein Ende zu machen und entweder wieder zur freien Ausprägung von Silbergeld zurückzugehen oder alleinige Goldwährung einzuführen und Silber blos als Theilungsmünze zu ge⸗ brauchen. Die Festsetzung eines bestimmten Termins sei über⸗ flüssig; sobald ÜUmstände eintreten, welche eine Aenderung des Fonisürischen Zustandes nöthig machen würden, werde die

egierung nicht säumen, einen Entwurf einzubringen; die Entscheidung über die Grundlagen eines Entwurfes für defi⸗ nitive Regelung des niederländischen Münzwesens werde ab⸗ hängen müssen von der Frage, was die Nachbarstaaten thun, und von der Cirkulation und den Preisen des Silbers.

Frankreich. Paris, 5. Dezember. (W. T. B.) Der der republikanischen Partei angehörige Vize⸗Präsident des Senats, Duelere, erklärt in einem Schreiben, die Bureaus der Gruppen der Linken im Senat und in der Kammer hätten das Recht, der gestern von der „Agence

avas“ veröffentlichten Note ein Dementi entgegenzu⸗ etzen, denn Niemand habe die Berechtigung erhalten oder sich „angemaßt, in ihrem Namen zu sprechen. Er sei persönlich vom Marschall Mac Mahon um seinen Rath gefragt worden, und er habe persönlich und in seinem eigenen Namen geantwortet und in einer Note seine Ansicht dahin ausgedrückt, daß er eine Zusammenberufung des Kon⸗ gresses für das beste Mittel erachte, um der Kammer eine wirksame Garantie gegen einen möglichen Mißbrauch des Auf⸗ lösungsrechtes zu verschaffen und zugleich die Würde des Prä⸗ denten der Republik zu wahren. uclerc erklärt ferner in dem gedachten Schreiben, wenn die von ihm herrührende Note als eine offizielle Aufzählung der Forderungen der Linken hätte angesehen werden können, würde er dieselbe der Genehmigung er Gruppen der Linken unterbreitet haben. Zum Schluß zeigt uͤclerc an, daß er die gedachte Note veröffentlichen werde. Der „Moniteur“ bespricht die gestrigen ernstlichen Zwischenfälle in der Deputirtenkammer und führt aus, daß dieselben ein Mißverständniß zur Ursache hätten. er Vize⸗Präsident des Senats, Duclerc, sei nicht zum Marschall⸗Präsidenten berufen worden. Der Deputirte Dutilleul sei der Vermittler zwischen dem Marschall Mac

ahon und Duclerc gewesen. Von Letzterem wollte der

Ueber das

Marschall über die Bedingungen unterrichtet werden, von

welchen die Linke ein Einverständniß mit dem Marschall

abhängig mache. Duclerc habe diese Mission angenom⸗ men und darauf Dutilleul eine Note übergeben, in welcher er die von der Linken gestellten Bedingungen aufgezählt habe, unter denen die Zusammenberufung des Kongresses und die Ab⸗ änderung der Konstitution in Bezug auf das Auflösungsrecht des Senats aufgeführt gewesen seien. Unter diesen Umstän⸗ den, fügt der „Moniteur“ hinzu, habe der Marschall⸗Präsident wohl die Ueberzeugung gewinnen können, daß diese Note den Ausdruck des Willens einflußreicher Mitglieder der Linken enthalte. Sodann bespricht das genannte Organ verschiedene, dem Marschall Mac Mahon gemachte Vorschläge und sagt schließlich, es bleibe als einziges und bestes Mittel, die Partei der Linken offtziell aufzufordern, ihre Bedingungen für ein Einverständniß zu präzisiren und Grévy, Audiffret⸗Pasquier und Dufaure zu berufen. Der Artikel der „République frangaise,“ in welchem dieselbe die gestrigen Vorgänge in der Deputirtenkammer bespricht, schließt mit folgenden Worten: Das Land weiß jetzt Alles und Aberfieh genau die Lage und die Gefahren desselben. Es sieht, daß jede Hoffnung auf eine Verständigung zwischen dem Willen des Präsidenten der Republik und dem durch die Wahlkörper ausge⸗ drückten Willen verloren ist. Die Deputirten sind ent⸗ schlossen, nichts von ihren Rechten aufzugeben, und man ist andererseits entschlossen, dem Mandate und den Gewalten, die sie erhalten haben, gar keine Rechnung zu tragen. Wir sehen jetzt nur noch eine friedliche Lösung dieser Krisis. Der Präsident der Republik und der Senat können noch von uns die drohenden Katastrophen abwenden. Der Erste, indem er nicht darauf beharrt, sich einem Volke aufzudrängen, das seine Handlungen und seine Ideen mißbilligt, der zweite, in⸗ dem er seine Zustimmung zu einem verfassungswidrigen und verbrecherischen Unternehmen verweigert. Wenn man diese Zustimmung verlangen wird, möge der Genius des Vater⸗ landes die verwirrten Gewissen und die zögernden Herzen aufklären.

5. Dezember, Abends. (W. T. B.) Der Minister des Auswärtigen, Marquis de Banneville, hat sich heute Nachmittag im Auftrage des Marschall⸗Präsidenten zu Hrn. Dufaure begeben und mit demselben konferirt. Mit⸗ gliedern des diplomatischen Corps gegenüber hat der Minister Banneville in den letzten Tagen mehrfach erklärt, daß er auf eine Verständigung des Marschalls mit den konservativen Republikanern hoffe. Dem Vernehmen nach wird der Marschall⸗Präsident im Laufe dieser Woche seine Resi⸗ denz nach Versailles verlegen. (Vgl. die Tel. Dep.)

Rumänien. Bukarest, 5. Dezember. (W. T. B.) In der Deputirtenkammer wurde heute der Entwurf einer Adresse an den Fürsten als Antwort auf die Thronrede einstimmig angenommen. Die Adresse bildet im Allgemeinen eine Paraphrase der Thronrede. Vor der Abstimmung richtete Jonescu an den Minister der Auswärti⸗ gen Angelegenheiten, Cogalniceanu, die Aufforderung, die mit der russischen Regierung abgeschlossene Konvention vorzulegen. Cogalniceanu erwiderte darauf, er wisse, welche Reserven gegenwärtig der rumänischen Regierung auferlegt seien, indeß zögere er nicht, die Erklärung abzugeben, daß die rumänische Regierung keine Konvention mit Rußland abge⸗ schlossen habe und daß der Vertrag von 1856 noch in Kraft sei. Rußland und Rumänien hätten keine Konvention abschließen können. Eine solche werde erst abgeschlossen wer⸗ den, wenn die russischen und die rumänischen Heere als Sieger aus dem Kriege gegen die Türkei hervorgegangen seien und ihre Aufgabe erfüllt hätten. Rußland habe Rumänien nicht in den Krieg hineingezogen. Rumänien habe den Kampf für sich und die Christen unternommen.

Türkei. Konstantinopel, 5. Dezember. (W. T. B.) Das griechische Patriarchat hat die Theilnahme der christlichen Bevölkerung an der Bürgerwehr unter der Bedingung genehmigt, daß die Christen besondere Ba⸗ taillone bilden und Fahnen erhalten würden, welche von denen der Türken verschieden sind.

Amerika. Philadelphia, 5. Dezember. (Times.) Auf Veranlassung des Präsidenten Hayes und in Fortsetzung der Fundirungsoperationen hat das Syndikat den Schatz⸗ sekretär Sherman ermächtigt, 10 Millionen sechsprozentige 1885 er Bonds zur Amortisation einzuberufen und durch vierprozentige Bonds zu ersetzen.

Der russisch⸗türkische Krieg.

St. Petersburg, 5. Dezember. (W. T. B.) Der „Agence Russe“ wird aus Bukarest gemeldet, man bestreite die Richtigkeit der der „Times“ aus Wien zugegangenen Depesche des Inhalts, daß die englische Regierung einen Aus⸗ weg gefunden habe, damit die englische Flotte in die Dardanellen einfahren könne, ohne daß dadurch die Neu⸗ tralität verletzt werde. Wenn ein solcher Ausweg gefunden sein sollte, so würde dies zur Folge haben, daß die Pforte zu einem Widerstande bis zum Aeußersten ermuthigt werde und daß Rußland sich gezwungen sehe, behufs Erreichung des Frie⸗ dens, Konstantinopel anzugreifen.

Wien, 5. Dezember. (W. T. B.) Der „Polit. Korr.“ wird aus Belgrad gemeldet: Ein Fürstliches Dekret vom gestrigen Tage enthält Ernennungen von Generalen und Stabsoffizieren bei der serbischen Operations⸗ armee und dem Schumadja⸗Corps. Man erwartet in den Regierungskreisen stündlich die Nachricht, daß der serbische Agent in Konstantinopel, Christics, von der Pforte die Aufforderung erhalte, Konstantinopel zu verlassen. Der Kassations⸗Rath Protic ist in besonderer Mission nach dem russischen Hauptquartier in Bogot abgereist.

London, 6. Dezember. (W. T. B.) Der „Standard“ meint, es sei ein vollständiger Irrthum, zu glauben, daß England gegen das vage Versprechen, seine Interessen sollten nicht berührt werden, die Feststellung der Friedens⸗ bedingungen der Tripelallianz der Kaisermächte überlassen könne. Für die Herstellung eines geregelten europäischen Friedens sei es wesentlich, daß die Vertreter Englands jeden Punkt eines 1g türkischen Friedensvertrages direkt dis⸗ kutirten, dieselben seien dafür politisch und 88 verant⸗ wortlich und weniger könne ein Land nicht zugestehen, das noch immer beanspruche, eine europäische Großmacht zu sein und welches dies in der That auch noch immer sei.

Euyuropässcher Kriegsschauplaz.

St. Petersburg, 6. Dezember. (W. T. B.) Gegen⸗ über den hierher gemeldeten Berichten Suleimans über die Eroberung der Positionen um Elena wird in bestunter⸗ richteten Kreisen versichert, daß es sich dabei lediglich um ein partielles Aufgeben vorgeschobener Stellungen handelt. Die türkischerseits angegebenen russischen Verluste bei den be⸗ treffenden Kämpfen um die unsererseits vorgeschobenen Stellungen tragen schon in Anbetracht der angegebenen Truppenstärke den Stempel der Unrichtigkeit. Der ausführ⸗ liche offizielle Bericht wird hier noch erwartet.

Bukarest, 5. Dezember. (W. T. B.) Der griechische Konsul Rangabe ist wegen der im Schwarzen Meere mit Beschlag belegten griechischen Schiffe gestern nach dem Hauptquartier abgereist. General Lupa, der Ober⸗Befehls⸗ haber der bei Lompalanka operirenden rumänischen Di⸗ vision hat Befehl erhalten, seinen Marsch nach Widdin zu verlangsamen, wie es heißt, um sich mit der serbischen Di⸗ vision unter Horvatovics zu vereinigen. Die Bewohner der Umgegend von Widdin sind nach letzterem Orte berufen und bewaffnet worden. Widdin zählt jetzt 12,000 Mann Ver⸗ theidiger.

Konstantinopel, 5. Dezember. (W. T. B.) Ein Telegramm Mehemed Ali Paschas vom 4. d. M. meldet: Wir rückten bis jenseits Kamarli vor; unsere Linien stehen jetzt den Russen gegenüber, die sich auf Wratschesch zu⸗ sammengezogen haben. Es hat ein Artilleriekampf begonnen. Unsere Geschosse sprengten ein Munitionsdepot der Russen in die Luft. Das schlechte Wetter verzögert augenblicklich eine größere Aktion.

Konstantinopel, 5. Dezember. (W. T. B.) Ein Telegramm Suleiman Paschas meldet, daß die Positionen in der Umgebung von Elena gestern von dem General Fuad Pascha genommen worden seien. Die Russen welche zu dem rechten Flügel der Armee des Großfürsten⸗Thronfolgers gehören, hätten sich nach einem heftigen Kampfe in der Richtung auf Tirnowa zurückgezogen. Den Verlust der Russen giebt die Depesche auf 11 Geschütze, 300 Gefangene und 3000 Todte und Verwundete an. Einem aus Sofia hier eingegangenen Telegramm zu⸗ folge rückt Schakir Pascha in der Richtung auf Etropol vor. Mehemed Ali Pascha befindet sich in Kamarli. Ein weiteres aus Ahmeti datirtes Telegramm Suleima Paschas berichtet, daß die türkischen Streitkräfte in dem gestrigen Kampfe bei Elena aus 3 Brigaden bestanden, welchen 16 russische Bataillone Infanterie und 24 Kanonen gegenüber⸗ standen. Die türkischen Truppen nahmen zuerst die Position von Merian und sodann nach und nach die russischen Ver⸗ schanzungen in der Umgebung von Elena. Die Verluste der Türken werden von Suleiman im Vergleich zu denjenigen der Russen als nur gerinfügig bezeichnet.

Weiter bringt die W. „Presse“ folgende Nachrichten:

Sistowa, 3. Dezember. Der Czar besuchte am Sonntag die nach dem Wolinskischen Regiment be⸗ nannten nördlichen Positionen von Plewna und gestern jene der 3. Grenadier⸗Division, worauf der Kaiser nach Bogot zurückkehrte. Großfürst Nikolaus wie Fürst Karl hielten ebenfalls Revuen ab. Ulanen des 9. Regt⸗ ments Bug und Dragoner des 8. Regiments Astrachan schliche sich durch die türkischen Positionen bei Plewna und führten 400 Stück Kleinvieh mit sich. Es sollen sich noch 3000 Stück davon in Plewna befinden. Fortwährend langen tür⸗ kische Deserteure an. 8

St. Petersburg, 3. Dezember. Die Zahl der bisher ausgehobenen Ersatztruppen betrug 85 000 Mann, wovon bis an 14 000 Mann alle nach den Kriegsschauplätzen abgegangen sind. Das Kriegs⸗Ministerium ordnet die Aus hebung von weiteren 45 000 Mann Ersatztruppen an.

Jassy, 4. Dezember. In Schmerinka wird ein großes permanentes Lazareth für 10 000 Kranke hergerichtet. Die Zahl der in Rumänien befindlichen Reserve⸗Bataillone beträgt dreihundert.

Asiatischer Kriegsschauplatz.

Tiflis, 3. Dezember. (W. „Presse“.) Großfürst Michael soll demnächst zur Armee nach Erzerum abreisen Die Verstärkungen vom Kubanschen und Terekschen Heere treffen hier ein. Die russischen Belagerungs⸗ truppen vor Erzerum haben die Position von Tokman besetzt. Aus Alexandrapol wurden 25, aus Kars 100 Ge⸗ schütze nach Erzerum gebracht. Die Zahl der Feld⸗ und Be⸗ lagerungsgeschütze wird dann 280 betragen.

Aus dem Wolffschen Telegraphen⸗Bureau.

Paris, Donnerstag, 6. Dezember. Es bestätigt sich, daß Verhandlungen eingeleitet sind behufs Bildung eines parla mentarischen Kabinets unter Führung Dufaure's. Genann werden außerdem noch Waddington als künftiger Minister des Aeußern. Marcére als Minister des Innern, Batbie, Bardour, Teisserenec und Say. Es ist wahrscheinlich, daß die auf heute anberaumte Diskussion über das Budget in der Depu tirtenkammer auf Montag vertagt werden wird, um die Ver⸗ handlungen wegen Bildung des Kabinets zn erleichtern.

Statistische Nachrichten.

Das Kaiserliche statistische Amt veröffentlicht in dem jetzt herausgegebenen Heft 10 der Monatshefte zur Statistik des Deut⸗ schen Keiche für das Jahr 1877 u. a. eine Uebersicht des Werthes der Waarenausfuhr aus Deutschland nach den Vereinigten Staaten von Amerika für die Zeit vom 1. Oktober 1876 bis 30. September 1877, welche aus den dem Statistischen Amte zur Benutzung überlassenen Aufstellungen der im Deutschen Reiche beglaubigten nordamerikanischen Konsulate zusammengestellt sind. Danach betrug der Gesammtwerth des deut⸗ schen Waarenerports nach den Vereinigten Staaten im Jahre 1876/77: 110 242 344 gegen 103 441 871 in 1875/76 und 126 734 450 in 1874/75. Gegen 1875/76 hat sich sonach eine Zu⸗ nahme des Exports um rund 6,8 Millionen Mark oder 6 ½ % er⸗ geben, welche indeß die erhebliche Abnahme der Ausfuhren von 1874/75 auf 1875/76 um 23,3 Millionen Mark nicht zu ersetzen vermochte. Von den wichtigeren Ausfuhrartikeln in 1876/77 heben wir folgende hervor: Kleider, Webe⸗, Wirkwaaren, Spitzen, Stickereien, Posamentierwaaren, Putz⸗ und Modewaaren 89 51 416 038 (46 %), Nahrungs⸗ und Genußmittel ür 11 176 864 (10 %), Häute und Felle, Leder, Leder⸗, Rauch⸗ und Filzwaaren für 10 217 729 (9 %), Droguen, Chemi⸗ kalien, 23 eifen und Parfümerien für 6 697 778 (6 %), Metallwaaren, Maschinen, Instrumente aller Art. Gewehre, Uhrwerke für 6 027 801 (5 ½ %), Stein⸗, Thon⸗ und Glaswaaren für 5 572 020 (5 %), Juwelierwaaren, Kurzwaaren, Spiel⸗ waaren ꝛc. für 5 129 923 (4 ½ %), Bücher, Stiche, Gemälde, Litho⸗ graphien, Musikalien, Papier und Schreibmaterialien für 4 469 374

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