1878 / 15 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Fri, 18 Jan 1878 18:00:01 GMT) scan diff

arbeiten und vielfachen Berathungen mit den Interessenten basirende Regierungsvorlage einer prinzipiellen Umarbeitung bedürfe; die Regierung weise es indessen nicht zurück, Ver⸗ besserungsanträge zu acceptiren, als welche sie die Anträge des Abg. Bernhardt anerkenne. 8 Der Staats⸗Minister Dr. Achenbach erklärte, daß er in dieser Fragt, welche er schon früher in einer Broschüre behandelt habe, die Stellung einnehme, welche die Rück⸗ sicht auf seine Wähler und das öffentliche Interesse ihm anweise. Er glaube nicht, daß die Haubergsgenossen es mit Freuden begrüßen würden, von Delegirten des Kreistages geleitet zu werden. Die einzige hier mögliche Art der Selbst⸗ verwaltung sei die Bildung eines Ausschusses aus den 5 EE selbst. Der Minister befürwortete die Ver⸗ weisung der Vorlage an die Kommission. Letzterem Antrage schlossen sich die Abpg. Schellwitz und Bernhardt an. Das Haus beschloß demgemäß. h Die erste Berathung des Entwurfs eines Gesetzes, be⸗ effend die Ausdehnung des Unternehmens der West⸗ olsteinischen, von Neumünster über 1e. nach önning führenden Eisenbahn auf die Betheiligung n dem Unternehmen einer von Heide nach Wesselburen füh⸗ renden Zweigbahn und die Uebernahme des Betriebes der⸗ selben durch die Westholsteinische Eisenbahngesellschaft gab keine Veranlassung zur Debatte. Die Weiterberathung wird iim Plenum stattfinden. b ESs folgte die erste Berathung des Gesezentwurfs, betref⸗ fend die Kreisverfassung im Kreise Herzogthum Lauenburg. Beim Schlusse des Blattes hatte der Abg. von Meyer Furnswalde) as Wort.

Nach einer im Reichs⸗Eisenbahn⸗Amte gefertigten Uebersicht waren auf den deutschen Eisenbahnen incl. Bayern am 1. April v. J. bei einer Länge von 29 828,11 km an Betriebsmitteln vorhanden:

10 412 Lokomotiven mit 23 699 Triebachsen (3939 Per⸗ sonenzugs⸗Lokomotiven, 4915 Güterzugs⸗Lokomotiven und 1558 Rangir⸗ und Tender⸗Lokomotiven), oder 0,35 Stück resp. 0,79 Triebachsen pro Kilometer

18 427 Personenwagen mit 42 479 2 chsen, oder 0,62 Stück resp. 1,42 Achsen pro Kilometer;

4607 Gepäckwagen mit 10 611 Achsen, oder 0,15 Stück resp. 0,36 Achsen pro Kilometer;

63 695 bedeckte Güterwagen mit 129 998 Achsen, oder 14 Stück resp. 4,35 Achsen pro Kilometer Bahnlänge;

5205 Vieh⸗ und Pödrwagen mit 10 489 Achsen, oder 0,17 Stück resp. 0,35 Achsen pro Kilometer;

133 329 offene Güterwagen mit 270 040 Achsen, oder 4,47 Stück resp. 9,05 Achsen pro Kilometer.

m Verhältniß zur Bahnlänge sind am stärksten ausge⸗

rüstet: 4 1) mit Lokomotiven: a. die Saarbrücker und Rhein⸗Nahe⸗Eisenbahn mit 0,66 Stück und 1,54 Triebachse pro Kilometer. b. die Bergisch⸗Märkische Eisenbahn mit 0,64 Stück und 1,61 Triebachse pro Kilometer; 2) mit Personenwagen: a. die Main⸗Neckar⸗Eisenbahn mit 1,92 Stück und 4,63 chsen pro Kilometer, b. die Homburger Eisenbahn mit 2,00 Stück und 4,00 Achsen pro Kilometer; 3 3) mit Gepäckwagen: 8 a. die Main⸗Neckar⸗Eisenbahn mit 0,33 Stück und 0,70 Achsen pro Kilometer, b. die Cöln⸗Mindener Eisenbahn mit 0,26 Stück und 0,70 Achsen pro Kilometer; 5 4) mit Güterwagen aller Gattungen: 8 a. die Saarbrücker und Rhein⸗Nahe⸗Eisenbahn mit 43,01 Achsen pro Kilometer, b. die Bergisch⸗Märkische Eisenbahn mit 31,56 Achsen pro Kilometer.

Die in der heutigen Börsen⸗Beilage abzedruckte tabellarische Uebersicht der Wochenausweise der deutschen Zettelbanken vom 7. Januar schließt mit folgenden summarischen Daten ab: Es betrug der gesammte Kassenbestand 608 047 000 oder 5 581 000 weniger als in der Vorwoche; der Wechselbestand erscheint mit 669 759 000 um 19 002 000 ℳ, die Lombardforderungen erscheinen mit 87 045 000 ℳ, 12 510 000 geringer als in der Vorwoche. Ferner hat sich der Notenumlauf bei einer Höhe von 896 426 000 um 21 705 000 vermindert, wie auch die sonstigen täglich fälligen Verbindlichkeiten mit 174 856 000 eine Abnahme um 4 526 000 und die an eine Kündigungsfrist gebundenen Verbindlichkeiten mit 54 020 000 eine solche um 6 601 000 konstatiren.

Wir erfahren, daß auf der preußischen Strecke der Moselbahn von Ehrang über Trier bis zur Landesgrenze bei Sierk das Geleise vollendet ist, und diese ganze Strecke bereits mit Dienst⸗ und Arbeitszügen zum Zweck der Ver⸗ vollständigung des Ausbaues befahren werden kann.

Ein Jäger, welcher in seinem Jagdbezirk einen fremden Hund, in der Verfolgung eines Stückes Wild begriffen, trifft, ist nach einem Erkenntniß des Ober⸗Tri⸗ bunals vom 19. Dezember 1877, nicht ohne Weiteres befugt, den Hund niederzuschießen. Nur wenn der vom Hunde an⸗ urichtende Schaden für den Jagdberechtigten ein unwieder⸗ bringlicher sein würde, indem beispielsweise der Eigenthümer des Hundes denselben zu ersetzen nicht in der Lage wäre, ist er Jagdberechtigte zum Niederschießen des Hundes berechtigt; fehh dagegen dieses dringliche Moment, so ist er wegen Sach⸗ 5 henses auf Grund des §. 303 des Str. G. Bs. zu be⸗ rafen.

Der Kaiserliche Gesandte am Königlich dänischen Hofe Herr von Heydebrand und der Lasa ist mit Ablauf des E1“ gewesenen Urlaubs nach Kopenhagen zurück⸗ gekehrt.

Der Wirkliche Geheime Rath und Appellationsgerichts⸗ Chef⸗Präsident Dr. Graf Rittberg, Kronsyndikus und Mit⸗ glied des Herrenhauses, ist aus Glogau hier eingetroffen.

Der General⸗Lieutenant Baron von der Goltz, Commandeur der 13. Division, hat sich nach beendigtem Ur⸗ laub zum Antritt seiner neuen Stellung nach Münster begeben.

Bayern. München, 16. Januar. In der Ab⸗ eordnetenkammer veranlaßte heute der Antrag des erhrn. Frz. Xav. von Hafenbrädl auf Wiederaufhebung des

unten Schuljahres eine längere Debatte. Der Abg.

modifizirte die Fassung dahin: daß Befreiung vom iebenten Schuljahr für die Kinder eintreten solle, welche die Prüfung über erlangte Kenntnisse bestanden haben. Diese Fassung wurde jedoch mit 75 gegen 75 Stimmen abgelehnt und darauf auch der Antrag fenbrädl mit Mehr⸗ heit verworfen. Der Kultus⸗Minister von 2 hatte beiden Anträgen keinen Erfolg in Aussicht gestellt. ierauf folgte die Berathung über die Regensburger Wahl.

Sachsen⸗Weimar⸗Eisenach. Weimar, 16. Januar. (Th. C.) Die am 28. Januar beginnende Landtags⸗ session wird nur von kurzer Dauer sein. Man erwartet, daß nach Erledigung der Vorlagen, die Regelung der Domänenfrage und die Gerichtsorganisation, sowie einiger kleineren Angelegenheiten, wie die Anlegung einer Sekundär⸗ bahn im Eisenacher Oberlande, gegen Ende Februar der Land⸗ tag bis zum Spätherbst vertagt werden wird.

Oldenburg. Oldenburg, 16. Januar. (Wes. Ztg.) An Stelle des vor Kurzem verstorbenen Geheimen Staats⸗ raths Mutzenbecher ist der Ober⸗Appellationsgerichts⸗Rath und Präsident des Oberschul⸗Kollegiums Tappenbeck zum Justiz⸗ und Kultus⸗Minister ernannt worden.

Oesterreich⸗Ungarn. Wien, 16. Januar. Vor Ab⸗ reise der ungarischen Minister nach Wien fand eine Kon⸗ ferenz zwischen den Ministern Tisza, Szell und Wenck⸗ heim und den hervorragenderen Mitgliedern des Bank⸗ ausschusses des ungarischen Abgeordnetenhauses in Betreff der Achtzig⸗Millionen⸗Schuld statt. Die Konferenz beschäf⸗ tigte sich, der „Pest. Korr.“ zufolge, mit der Frage, ob ungarischerseits der von den Regierungen den beiderseitigen Parlamenten vorgelegte Gesetzentwurf, nach welchem die Lö⸗ sung der Frage der Achtzig Millionen⸗Schuld bekanntlich im Wege der Entsendung von Deputationen, eventuell aber durch ein Schiedsgericht zu erfolgen hätte, ohne Aenderung oder blos in der Fassung angenommen werden soll, daß über die Achtzig⸗Millionen⸗Schuld nur im Wege der Wahl von Depu⸗ tationen beider Parlamente (mithin unter Wegfall der Alter⸗ native, betreffend das Schiedsgericht) eine Vereinbarung anzu⸗ streben sei. Wie die „Pester Korr.“ meldet, wurde die Dis⸗ kussion hierüber sehr eingehend geführt, da sowohl für den ersten als für den zweiten Modus lebhaft eingetreten wurde. Die Majorität der Konserenzmitglieder jedoch erklärte sich für die Annahme der Vorlage in ihrer ganzen Fassung, mit⸗ hin selbstverständlich auch dafür, daß dieselbe dem unga⸗ rischen Parlamente unverändert behufs Entscheidung im Plenum zu unterbreiten sei. „Uebrigens nimmt die Regie⸗ rung“ fügt die genannte Korrespondenz ihrer Mittheilung bei „vorläufig nur Kenntniß von den Gesinnungen der an der Besprechung betheiligten Ausschußmitglieder, die Ent⸗ scheidung kann erst durch das Votum des Ausschusses gefällt werden. Wahrscheinlich aber werden die in Wien einge⸗ troffenen Minister von den mannigfachen Ideen, welche im Laufe der Besprechung vorgebracht wurden, Gebrauch machen, wenn es sich darum handeln wird, in Bezug auf die obschwebenden Differenzen ausgleichende Mittel ausfindig zu machen, respective mit der österreichischen Regierung zu vereinbaren.“

Pest, 15. Januar. Der Budgetausschuß des Ab⸗

geordnetenhauses hat an dem 1878er Staats⸗Vor⸗ anschlage nur geringe Abänderungen vorgenommen. Im Ausgabenbudget wurden Abstriche in der Höhe von 401 047 Fl. gemacht, dafür aber anderweitig Ausgaben in der Höhe von 875 521 Fl. beantragt, so daß das Ausgabenbudget im Ganzen eine Erhöhung um 474 474 Fl. aufweist. Die Einnahmen wurden um 313 000 Fl. erhöht und um 310 000 Fl. herab⸗

gemindert, und stellen sich somit um 2800 Fl. niedriger. Das

ursprünglich mit 16 334 838 Fl. präliminirte Defizit sellt sich somit auf 16 812 112 Fl. Das Erforderniß für die Theiß⸗ regulirung ist hierbei noch nicht berücksichtigt.

Niederlande. Amsterdam, 14. Januar. (Leipz. Ztg.) Der neue Kriegs⸗Minister de Roo van Alder⸗ werelt bereitet, dem Vernehmen nach, eine Reihe umfassender und belangreicher Reformen in der Organisation des Heerwesens vor. Einige wichtige Aenderungen sind bereits in Vollzug gebracht worden. Auf Antrag des Kriegs⸗Ministers hat der König verfügt, daß der Generalstab fortan aus einem General⸗Major, einem Obersten, sieben Oberst⸗Lieutenants und Majoren und dreizehn Kapitänen zusammengesetzt werden soll. Der König hat ferner einen sehr ausführlichen Plan des Herrn de Roo für Reorganisation des Kriegs⸗Ministeriums geneh⸗ migt. Die Anordnungen dieses Planes, welche eine mehr eregelte und wirksame Leitung der verschiedenen Dienstzweige Gensee werden vom nächsten 1. Mai an in Kraft treten. Eine ziemliche Anzahl älterer Beamten wird aus diesem Anlasse in den Ruhestand versetzt werden. Ein dem Kolonien⸗ Ministerium zugegangenes Telegramm des General⸗Gouver⸗ neurs von Niederländisch⸗Indien, vom 11. d. M., berichtet, daß nach den neuesten Meldungen aus Atchin der Ex⸗Radja von Simpang⸗Olim, Tuku Muda Nja Malim, welcher bei der Eroberung seiner Veste durch ein niederländisches Opera⸗ tionscorps im Sommer des vorigen Jahres sich in die noch feindlichen Gebiete im Innern Atchins geflüchtet hatte, nun⸗ mehr zurückgekehrt ist und sich der niederländischen Herrschaft unterworfen hat. Auch der Imam von Tjadeh hat nun unter den ihm gestellten Bedingungen die niederländische Souveräne⸗ tät anerkannt; er leistete in Kotta Radja den Eid der Treue und kehrte sodann mit seinem Stamme, mit dem er aus⸗ ewandert gewesen war, nach Ticah, in dem von den nieder⸗ ändischen Truppen okkupirten Küstengebiete der XXII. Mu⸗ kim, zurück, um dort wieder seinen Sitz zu nehmen. In dem röleiten Telegramm wird der Gesundheitszustand in Groß⸗ Atchin als nun schon seit längerer Zeit sehr günstig bezeichnet.

Großbritannien und Irland. London, 17. Januar. (W. T. B.) Das Parlament ist heute Nachmittag um 2 vhr eröffnet worden. Die Thronrede (vergl. unter „rus FNö Krieg“) erwähnt u. A., daß die Hungers⸗ noth in Indien als fast beendigt anzusehen sei; es sei eine Untersuchung angeordnet, um Mittel zu finden, durch welche eine Wiederholung dieser Gefahr abgewendet werden könnte. Die jüngsten Vorgänge in Süd⸗Afrika hätten einige Be⸗ sorgniß erregt; die dort stehenden Truppen seien verstärkt worden, und dürfe man eine baldige friedliche Lösung dieser

rage erhoffen. Die in der Thronrede angekündigten Vor⸗ agen, unter denen sich eine Bill gegen die Rinderpest befindet, sind fast ausschließlich von nur lokaler Bedeutung.

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Oberhause durch die Lords Wharncli

Unterhause durch Mr. Wilbraham

Tennant eingebracht werden. . (A. A. C.) Der General Sir E. Cust, bekannt als

militärischer Schriftsteller, ist am 14. d. M. hier im Alter von Derselbe war eine Zeit lang

84 Jahren gestorben. . persönlicher Adjutant des Prinzen Leopold von Sachsen⸗

Coburg⸗Gotha, und als Letzterer den belgischen Königsthroen bestieg, erhielt er die Ritterwürde. Von 1847 bis 1876 be⸗

kleidete er das Amt eines Ceremonienmeisters am Höofe. Von seinen militärischen Werken sind die „Annals of the Wars ob

the 18th. and 19 th. Centuries“ das bedeutendste.

Frankreich. Paris, 16. Januar. Das „Journal offi⸗ ciel“ veröffentlicht, außer dem schon telegraphisch erwähnten Bericht des Bauten⸗Ministers de Freyecinet sammt entsprechendem Dekret des Präsidenten der Republik,

betreffend Maßregeln zur Verbesserung der Wasserstraßen,

folgendes Rundschreiben desselben Ministers an die Prä⸗ fekten:

Herr Präfekt! Ich möchte ohne Verzug die Wünsche kennen lernen, welche die Generalräthe in ihrer Session vom Dezember v. J. hi sichtlich der Eisenbahnen, sowohl der großen als der lokalen, geäu-⸗ ßert haben, und bitte Sie daher um schleunige Mittbeilung der von Ihrem Generalrath in diesem Betracht gefaßten Beschlüsse. Ferner ersuche ich Sie, sich mit dem Präsidenten der für die Region, zu wel cher Ihr Departement gehört, durch meinen vom 7. d. Mts bestellten Eisenbahnkommission in Verbindung zu setzen und an ihn alle Bemerkungen zu richten, die Ihnen hinsichtlich der Aufnahm gewisser Linien in das gemeinnützige Netz zweckmäßig erscheinen; ge⸗ eigneten Falles können Sie dazu auch die Handelskammern und Rathscomités Ihres hepartem nts zu Rathe ziehen. Empfangen

Sie u. s. w. 8 E. de Freyecinet.

Endlich publizirt das amtliche Blatt die Ernennungen von 22 Unterpräfekten, 3 General⸗Sekretären und 117 Prä fektur⸗Räthen. .

17. Januar. (W. T. B.) Dem heute für den König Victor Emanuel in der Kirche Ste. Madeleine abgehaltenen Trauergottesdienste wohnten der General Abzac, als Vertreter des Marschalls Mac Mahon, die Minister, das diplomatische Corps, die Senatoren und Deputirten und eine große Anzahl anderer Personen bei.

Versailles, 17. Januar. (W. T. B.) Der Senat beschloß auf den Antrag Herolds von der Linken, im 9 auf die heute stattfindende Bestattung des Königs Vi Emanuel die heutige Sitzung aufzuheben. Die Inte pellation Gavardie wurde auf morgen vertagt.

Italien. Rom, 17. Januar. (W. T. B.) Der feier⸗ liche Zug mit der Leiche des Königs 1 Emanuel verließ heute Vormittag um 10 Uhr den Quirin Derselbe wurde von Abtheilungen der Armee eröffnet; hierauf folgte eine große Anzahl von Deputationen, denen sich die Senatoren, die Deputirten, die Geistlichen, die Großwürden⸗ träger, die Vertreter fremder Nationen und Regierungen, die zur Theilnahme an der Bestattungsfeier erschienenen Mitglied regierender Regentenhäuser und der erste Flügel⸗Adju⸗ tant des verstorbenen Königs, welcher zu Pferde saß und des Königs Degen trug, anschlossen. Die Enden des Leichentuchs hielten der Minister⸗Präsident, der M nister des Innern, die Präsidenten des Senats und der Kammer und zwei Ritter des Annunziaten⸗Ordens. Dem Sarge folgte der Ceremonienmeister, welcher die eiserne Krone trug, hinter ihm wurde das Schlachtroß König Victor Emanuels geführt, dann folgten die W der Armee, von Ehren⸗Eskorten umgeben. Den Schluß bildeten die Vertreter der Städte, Gesellschaften und Korporationen. In den Straßen befand sich eine Kopf an Kopf gedrängte Volksmenge, alle Balkone waren schwarz drapirt. Der allgemeine Eindruck der Bestattungsfeier war ein tief ergreifender. Der Zug langte um 8 Uhr in der Pantheonkirche an, wo die kirchliche Feier erfolgte.

44 Der Tagesbefehl, welchen der König Humbert an Heer und Flotte erlassen hat, lautet, nach der Uebersetzung der „Cöln. Ztg.“, wie folgt:

„Offiziere, Unteroffiziere und Soldaten zu Land und zu Wasser! Victor Emanuel I., der erste Soldat der Unabhängigkeit Italiens, ist nicht mehr. Unheilbares Mißgeschick traf denjenigen, der uns zu den Schlachten geführt hat, der in Euch die Tugenden des Bürgers

und des Soldaten erweckt, erzogen und aufrechtgehalten hat. Seinem

großherzigen Muthe verdanken wir die ruhmreichen geschichtlichen Er⸗ innerungen, die unsere Fahnen schmücken, seinem voraussehenden Geiste die Einrichtungen und Waffen, die Euch stolz und geehrt machen, seinen gediegenen Manneseigenschaften das Beispiel des Ge⸗ hor sams gegen die freien Staatseinrichtungen, des Edelmuths, der bereit ist, zu jeder Zeit dem Vaterlande beizustehen, der Tapferkeit in des Vaterlandes Schutz und Vertheidigung. Offiziere und Sol⸗ daten! Einst Gefahrte Eurer Gefahren, Zeuge Eurer Tapfer⸗ keit, weiß ich, daß ich auf Euch zählen kann. Stark im Bewußtsein Eurer Tüchtigkeit, werdet Ihr daran denken, daß, wo unsere Fahne ist, dort Ihr mein Herz als das ei Königs und Soldaten finden werdet. 8 Humbert.

Schweden und Norwegen. Stockholm, 17. Ja⸗ nuar. (W. T. B.) Die bei der heutigen EFröffnung des Reichstages gehalrene Thronrede gedenkt zunächst der ungünstigen wirthschaftlichen Zeitverhältnisse und 1gg dann mit, daß die Regierung in dieser Session keine Vorlage über die Armeeorganisation zu machen beabsichtige. Dagegen kündigt die Thronrede verschiedene Vorlagen admini⸗ strativer Natur an. Das Budget für das Jahr 1879 ist in Einnahmen und Ausgaben auf je 74 700 000 Kronen veran⸗ schlagt. Unter den Einnahmen ist ein Ueberschuß aus dem vorigen Jahre mit 6 400 000 Kronen aufgeführt. In den Ausgaben sind Staatsschulden mit 9 517 500 Kronen inbe⸗

griffen.

Der russisch⸗türkische Krieg.

London, 17. Januar. (W. T. B.) Die Thronrede, mit welcher heute Nachmittag 2 Uhr das Parlament eröffnet wurde, betont, daß das Parlament früher als sonst einberufen worden sei, um demselben über die Bemühungen der Regie⸗ rung für eine Beendigung des Krieges Mittheilung zu machen und um den Rath und Beistand des Parlaments zur Seite zu haben. Es wird sodann auf die von der Pforte und von England bei Rußland gethanen Schritte hingewiesen und die ernstliche Hoffnung ausgesprochen, daß diese Schritte zu einer friedlichen Lösung führen würden, die Eng⸗ land bestens unterstützen werde. Bisher habe keiner der beiden Kriegführenden die Bedingungen der englischen

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Die Adresse auf die Thronrede wird im und Loudown, im serton und Mr- R.

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Neutralität verletzt und man könne sich überzeugt halten, daß beide Theile bereit seien, dieselben, soweit möglich, zu respek⸗ tiren. So lange diese Bedingungen der englischen Neutralität nicht verletzt würden, werde Englands Haltung dieselbe bleiben, wie bisher. Man könne jedoch nicht verkennen, daß im Falle der Verlängerung der Feindseligkeiten ein unerwartetes Er⸗ eigniß Vorsichtsmaßregeln nothwendig machen dürfte und diese seien ohne Vorbereitung nicht möglich. Die Königin vertraue auf die Freigebigkeit des Parlaments und darauf, daß dasselbe die zu diesem Zwecke erforderlichen Mittel bewilligen werde. Die bezüglichen Schriftstücke würden dem Parlamente sofort vorgelegt werden, die Beziehungen zu den fremden Mächten seien fortdauernd freundschaftliche.

—r einer weiteren Meldung theilt „W. T. B.“ fol⸗

genden Wortlaut des auf die auswärtige Politik be⸗ züglichen Passus der Thronrede mit: „Ich habe für eeignet erachtet, Sie vor der gewöhnlichen Periode zu ver⸗ ammeln, damit Sie von meinen Bestrebungen, den Krieg im Orient zu beendigen, unterrichtet werden, und damit ich den Rath und die Unterstützung des Parlamentes in der gegen⸗ wärtigen Lage der öffentlichen Angelegenheiten erhalten kann. Es ist Ihnen bekannt, daß, nachdem ich erfolglos bemüht ge⸗ wesen bin, den Krieg abzuwenden, ich meine Absicht erklärt habe, die Neutralität in einem Konflikte zu beobachten, den ich bedauerte, den zu verhindern mir aber nicht gelang, so lange die Interessen meines Reiches, wie sie von meiner Regierung definirt wurden, nicht bedroht werden würden. Gleichzeitig drückte ich meinen fensllichen Wunsch aus, jede Gelegenheit zu benutzen, um die friedliche Lösung der zwischen den Krieg⸗ führenden obschwebenden Fragen zu fördern. Die von den russischen Waffen in Europa sowohl, wie in Asien erreichten Erfolge überzeugten die Pforte, daß sie bestrebt sein sollte, die Feindseligkeiten zu Ende zu bringen, die ihren Unterthanen große Leiden verursachten. Die Regierung des Sultans richtete daher an die neutralen Mächte als Theilnehmer an den auf das türkische Reich bezüglichen Verträgen einen Appel an deren gute Dienste. Es schien jedoch der Majorität der so angerufenen Mächte nicht, daß sie der Aufforderung nutzbringend nachkommen könnten, und sie theilten diese Ansicht der Pforte mit. Die Pforte be⸗ schloß hierauf einen separaten Appel an meine Regierung und ich willigte sofort ein, bei dem Kaiser von Rußland an⸗ zufragen, ob er Friedenseröffnungen erwägen wolle. Der Kaiser drückte den ernsten Wunsch nach Frieden aus und er⸗ klärte gleichzeitig seine Ansicht hinsichtlich des zur Erreichung desselben einzuschlagenden Weges. Ueber diesen Gegenstand haben zwischen den Regierungen Rußlands und der Türkei durch meine 1 Dienste Kommunikationen stattgefunden und ich hoffe ernstlich, daß sie zu einer friedlichen Lösung der streitigen Punkte und zur Beendigung des Krieges führen mögen. Meinerseits sollen keine Be⸗ mühungen fehlen, jenes Ergebniß zu fördern. Bisher hat, soweit der Krieg verlaufen ist, keiner der Kriegführenden die Bedingungen verletzt, auf welchen meine Neutralität be⸗ gründet ist, und ich glaube gern, daß beide Parteien sie zu respektiren wünschen, so weit es in ihrer Macht sein wird. So lange diese Bedingungen nicht verletzt werden, wird meine Haltung fortdauern dieselbe zu sein. Allein ich kann mir nicht verhehlen, daß, falls die Feindseligkeiten unglücklicher Weise verlängert würden, irgend ein unerwartetes Ereigniß es mir auferlegen dürfte, Vorsichtsmaßregeln zu ergreifen. Solche Maßregeln könnten ohne genügende Vorbereitung nicht wirksam getroffen werden, und ich hoffe auf die Freigebigkeit des Parlaments, um die Mittel, die für jenen Zweck noth⸗ wendig sein dürften, zu bewilligen. Die Dokumente über diesen Gegenstand werden Ihnen unverweilt vorgelegt. Meine Beziehungen mit allen fremden Mächten sind fortdauernd freundlich.“

(W. T. B.) Bei den Adreßdebatten im Ober⸗ und Unterhause wurden die von der Regierung abgegebenen Erklärungen in friedlichem Sinne aufgefaßt Im Ober⸗ hause erklärte Lord Beaconsfield, die Regierung habe vor dem Ausbruche des Krieges zwischen Rußland und der Türkei einstimmig die Aufrechterhaltung der Neutralität be⸗ schlossen und sei nie von derselben abgewichen. England sei nicht isolirt. Falls die Regierung in ihren gegenwärtigen Hoffnungen und Aussichten enttäuscht und dazu gezwungen würde, die Interessen Englands zu vertheidigen, so würde sie nicht zögern, wieder und wieder an das Parlament wegen Bewilligung der nöthigen Mittel zu appelliren. Aehnlich sprach sich Northeote aus.

Weiter theilt „W. T. B.“ folgende ausführlichere Meldung über die Sitzung des Oberhauses mit. Wharn⸗ cliffe beantragte den Erlaß einer Adresse. Loudown unterstützte diesen Antrag. Lord Granville besprach die verschiedenen in den letzten 6 Monaten abgegebenen Erklärungen der Re⸗ visr e Dieselben hätten bis zum November vorigen Jahres einen beruhigenden Charakter getragen, er glaube aber, daß durch die Rede Lord Beaconssields vom 9. November die anderen Mächte auf den Gedanken gekommen seien, daß Eng⸗ land eine bewaffnete Neutralität angenommen habe. Gran⸗ ville tadelte den Passus der Thronrede bezüglich der früh⸗ zeitigen Einberufung des Parlaments und hob die Ver⸗ sicherungen hervor, die Rußland in Betreff des Punktes gegeben habe, bis zu dem es gehen wolle. Wenn diese Versicherungen unbefriedigend gewesen seien, so hätte das Parlament sofort einberufen werden sollen, und wenn sie be⸗ friedigend gewesen wären, so wäre kein Grund gewesen, das Gefühl der Unsicherheit zu wecken, welches, wie er glaube, deshalb herrsche. Lord Beaconsfield motivirte in seiner Erwiderung die Einberufung des Parlaments durch die ver⸗ änderten Kriegsumstände nach dem Falle Plewnas und durch das Ansuchen der Pforte um Frieden. Lord Granville habe über die verzögerte Einberufung des Parlaments geklagt. Es sei zu bedenken, daß das Parlament nicht in wenigen Stun⸗ den einberufen werden könnte. Die Zeitungen seien nicht maßgebend für die Politik der Regierung. Diese sei nicht schwankend oder schwach gewesen. Solche Behauptungen sollte man nicht auf anonyme Publikationen basiren. Die Re ierung habe von Anbeginn an nie gezögert hinsicht ich der zu befolgenden Politik. Lange vor dem Ausbruche des Krieges, als die Möglichkeit des Ausbruchs des Kampfes der Regierung die Pflicht nahe legte, zu erwägen, welche Inter⸗ essen gefährdet sein dürften, beschloß die Regierung ein⸗ stimmig, die Pflicht Englands sei die strikte Neutralität im Kriege, und von dieser Politik sei sie niemals abgewichen. Schon in der letzten Session des Parlaments habe er (Bea⸗

Se erhlat;. die Neutralität Englands sei dadurch be⸗

Interessen Englands nicht gefährdet würden.

Diese Interessen habe Lord Derby in seiner Devpesche definirt. Während der Ferien des Parlaments habe er (Beaconsfield) nur eine Rede gehalten und darin erklärt, Nichts solle die Regierung bestimmen, von der bedingten Neutralität ab⸗ uweichen. Er könne daher nicht verstehen, worauf die An⸗ 27988 einer Schwankung basire. Granville habe die englische Politik als selbstsüchtig bezeichnet, aber Graf Andrassy habe doch auch in einer offiziellen Note erklärt, Oesterreichs Politik sei die bedingte Neutralität, es sei Oesterreichs Sache, über Oesterreichs Interessen zu wachen. Er (Beaconsfield) wisse auch nicht, daß Deutschland Ausdrücke gebraucht habe, welche freier von Selbstsüchtigkeit seien, als die von der eng⸗ lischen vee gebrauchten. Da die englische Regierung dieselbe Politik befolge, die sie von Anfang verfolgte, und da sie den Beginn von Unterhandlungen herbeigeführt hätte, welche erfolgreich sein könnten oder auch nicht, so hätte sie Grund, mit Vertrauen an das Parlament zu appelliren wegen der Mittel, um den Schutz der englischen Interessen wirksam zu machen, wenn es jene Politik billige. Hätte die Regierung das Land in eine Lage der Isolirung versetzt, so hätte sie dem Lande großen Nachtheil zugefügt. Aber der Waffenstillstand für Serbien, das Verschwinden des Berliner Memorandums, die Konferenz und die jüngsten Ver⸗ hätten bewiesen, daß das nicht der Fall sei. eim Beginne des Jahrhunderts hätte England unter den entmuthigten Gemeinschaften Europas allein seine nationale Unabhängigkeit vertheidigt. England würde jetzt ebenfalls nicht zurückschrecken, für eine solche Sache sich zu erheben. Eng⸗ lands Einfluß werde im Rathe Europas sehr empfunden. Dieser Einfluß würde von der Regierung ausgeübt werden, um einen stabilen und dauerhaften Frieden zu erlangen. Wenn sie aber berufen sein sollte, die Rechte Englands zu verfechten und dessen Interessen zu vertheidigen, so würde sie nicht zögern, wieder und wieder an das Parlament zu appelliren, um die Rechte des Reiches zu verfechten und seine Interessen zu vertheidigen. Der Herzog von Argyle charakte⸗ risirte die Rede Lord Beaconsfields als glänzend, aber nicht zweckentsprechend. Sie weiche einer Erklärung über die Po⸗ litik aus, welche das Land ein Recht habe, von dem Haupte der Regierung zu erwarten. In seiner Definirung der eng⸗ lischen Interessen hätte Lord Beaconsfield weder der Integrität, noch der Unabhängigkeit der Türkei erwähnt. Betreffs des Suezkanals sei es selbstverständlich, daß England nie ge⸗ statten könne, daß sein direkter Weg nach Indien gestört werde. Die Frage der Dardanellen müßte eine europäische bleiben, aber wenn die Türkei aufhöre, eine europäische Macht zu sein, so werde eine Veränderung des Reglements für Kriegs⸗ schiffe nothwendig sein. Der Besitz Konstantinopels sei auch als eine europäische Frage bezeichnet worden. Wenn die Regierung jedoch der Ansicht sei, daß, so lange die Türkei Widerstand leiste, Rußland verhindert sei, in jene Stadt einzuziehen, so würden daraus die ernstesten Fragen entstehen. Der Marquis von Salisbury wies darauf den Gedanken zurück, daß die Regierung durch Einberufung des Parlaments die Türkei zu erneutem Widerstande aufreize. Die Türkei sei wiederholt gewarnt worden, keine Hülfe von England zu erwarten und ie würde keine Hülfe zur Vertheidigung ihrer Interessen er⸗ halten, obschon es vielleicht nothwendig werden könnte, Englands eigene Interessen zu schützen. Die Politik des Herzogs von Argyle, welche die Türkei aus Europa ver⸗ treiben wolle, würde vielmehr die Türkei zum Wider⸗ stande aufreizen. Der Marquis von Salisbury stellte so⸗ dann in Abrede, daß Meinungsverschiedenheit im Ka⸗ binete herrschen und schloß seine Rede mit folgenden Worten: „Ich wünsche nicht auf die genauen Umstände ein⸗ zugehen, unter welchen die definirten Interessen Englands be⸗ droht waren, aber ich weiß, daß die Kriegswogen sich sehr jenen definirten Lokalitäten nähern und ich sage, wenn Sie der Regierung nicht vertrauen, so versehen Sie sich mit einer anderen Regierung, der sie vertrauen wollen. Wenn Sie aber der Regierung vertrauen, so versehen Sie sie mit den geeigneten Mitteln, um wirksam das Vertrauen durchzuführen, daß Sie ihr auferlegt haben.“ Das Oberhaus nahm die Adresse an und vertagte hierauf die Sitzung.

18. Januar. (W. T. B.) Ja Unterhause gab Northcote den von Beaconsfield im Oberhause abgegebenen analoge Erklärungen ab. Northcote hob hervor, was die Stel⸗ lung Englands angehe, so sei weder von einer Isolirung, noch von einer ung die Rede. Die Regieruug habe es auf sich genommen, sich offen auszusprechen, sobald sie es für nöthig erachte. Die Regierung kenne Rußlands Bedingungen noch nicht und habe daher dem Parlamente jetzt keine Vor⸗ schläge zu machen. Was aber auch jene Vorschläge sein mögen, so sei in dem Falle, daß die Friedensbedingungen inter⸗ nationale Abmachungen und nicht nur zwischen Rußland und der Türkei bestehende Verhältnisse ändern oder berühren, die Zustimmung der anderen Mächte erforderlich. Die Stel⸗ lung der englischen Regierung im jetzigen Augenblicke sei da⸗ her eine delikate. Redner wiederholte, daß die Regierung jetzt keine Vorschläge zu machen habe, es dürfte aber deren Pflicht werden, die nöthigen Vorsichtsmaßregeln zu treffen. So be⸗ sorgt die Regierung auch sei die Schrecken eines Krieges zu vermeiden und den jetzigen Krieg zu Ende zu bringen, so glaube sie doch jetzt die Zeit gekommen, wo mittelst einer ge⸗ eigneten Aktion weitere Verwickelungen verhindert werden könnten. Die Regierung habe keine geheimen Absichten, sie könne aber nur auf Erfolg hoffen, wenn sie die erforderliche ehrliche Unterstützung des Parlaments besitze.

„— Eine spätere ausführliche Meldu ng des „W. T. B.“ über die Sitzung des Unterhauses lautet: Egeston be⸗ antragte den Erlaß einer Adresse, Tennant unterstützte den Antrag. Lord Hartington kritisirte die Inkonsequenz der von der Regierung befolgten Politik und hob namentlich her⸗ vor, das Haus sei erfreut gewesen, die friedlichen Erklärungen Lord Derby's und Carnarvons zu vernehmen, aber andere Kreise seien bestrebt gewesen, die Leidenschaften des Volkes zu wecken, um das Aufgeben der Neutralität herbeizuführen. Das Bestreben der Regierung, den dee wieder herzustellen, habe sich einzig und allein in dem Umstande gezeigt, daß sie den Wunsch des Sultans auf Vermittelung Rußland über⸗ mittelt habe. Sei dies im Auftrage der Pforte oder auf den Wunsch der britischen Regierung geschehen? Die Ver⸗ sammlungen im Lande zeigten die vorherrschenden Besorgnisse, die Regierung könne dieserben beschwichtigen. Die Regierung trage ausschließlich die Verantwortung und könne, da sie das Berliner Memorandum abgelehnt habe, nicht freudig davon

berührt sein, sich sagen zu müssen, daß zwischen Rußland und ürkei Unterhandlungen gepflogen werden, von denen sie

der T

¹

nichts wisse. Es sei leicht einzusehen, wie man, wenn Ruß⸗ land und die Türkei sich verständigen sollten, darauf bestehen könne, daß die Türkei den Krieg fortsetzen solle, um andere Bedingungen zu sichern. England hätte nur als Alliirter Rußlands oder der Türkei, oder in dem Falle, daß es mit Deutschland oder mit anderen neutralen Mächten im Einverständniß gehandelt, an den Unterhandlungen partizipiren können, aber die Regierung habe sich geweigert, irgend eine dieser Stellungen einzunehmen und die jetzige Stellung sei von ihr selbst gewählt. Es sei daher schwer ersichtlich, wie man über Demüthigung klagen könne. Der Appell an die Freigebigkeit des Parlaments be⸗ zöge sich entweder auf sofortige Hülfe oder derselbe sei ab⸗ hängig von einer weiteren Fortsetzung des Krieges. Eine

solche Politik sei seiner Ansicht nach nicht gut. Jetzt sei—

weniger Grund für solche Vorkehrungen vorhanden, als am Schlusse der letzten Session. Der Appell werde auf Grund irgend eines unerwarteten Ereignisses gemacht, das Vorsichtsmaßregeln nothwendis machen dürfte. Sei dies ein gültiger Grund, die Hülfe der berathenden Versamm⸗ lung anzurufen? Unerwartete Ereignisse seien stets möglich. Die Forderung der Regierung sei entweder arglistig oder grausam für die Türkei. Entweder wisse die Regierung, was das unerwartete Ereigniß sei, oder sie veranlasse die Türkei grausamer Weise zu weiterem Widerstande, der nur verhäng⸗ nißvoll für die Türkei sein könnte. Sei irgend etwas vorge⸗ fallen, was das vorjährige Vertrauen der Regierung bezüglich der Sicherheit der englischen Interessen schmälere? Loffent lich wede das Haus nicht vergessen, daß Englands Eintritt in den Konflikt wahrscheinlich jede Hoffnung auf Lokalisirung des Krieges vernichten würde. Es wäre die größte Un⸗ klugheit, wenn in einem Augenblicke, wie in dem gegenwär⸗ tigen, der Einfluß Englands in die Theilnahme am Kampfe verwickelt würde. Hierauf ergriff der Schatzkanzler Northcote das Wort. (Die Rede desselben ist bereits oben mit⸗ Nachdem Northcote seine Rede beendigt, fragte Glad⸗ tone, ob er recht verstanden habe, daß die Regierung keine Vorschläge zu machen habe, bis sie Rußlands Bedingungen kenne. Northcote bejahte dies. Gladstone bemerkte, er wäre erfreut, daß keine sofortigen Anträge beabsichtigt seien. Er fände keinen Grund, darüber zu klagen, daß die Regierung die Unterstützung für Vor⸗ sichtsmaßregeln nachsuchen möchte, er sei jedoch der bestimmten Ansicht, daß Nichts, was bisher bekannt wurde, solche Vor⸗ sichtsmaßregeln rechtfertigte. Was die Behauptung angehe, daß die Regierung nicht hoffen könne, in irgend einer Sache erfolgreich zu sein, ohne die Unterstützung des Parlaments, —9 stehe allerdings außer Zweifel, daß bei einer solchen Lebens⸗ frage die Ansichten im Parlament nicht getheilte, sondern über⸗ einstimmende sein müßten.

18. Januar. (W. T. B.) Die „Times“ bezeichnet den Verlauf der gestrigen Adreßdebatte sowie die Erklä⸗ rungen der ministeriellen Führer als befriedigend. s seien ernste Besorgnisse verscheucht und das Land könne den Schluß ziehen, daß seine Interessen nicht bedroht und seine Regie⸗ rung sich in Uebereinstimmung mit der öffentlichen Meinung se detreff der Pflichten, welche Englands Position auferlege,

efinde.

(W. T. B.) Die „Morningpost“ erfährt, das Budget für das englische Heer und die englische Flotte sei auf dem E entworfen und würde dem Parla⸗ mente baldigst vorgelegt werden. Dem „Daily Telegraph“ wird aus Pera vom 17. gemeldet, es verlaute, die en g⸗ lische Flotte treffe Vorbereitungen, um nach der Besika⸗ Bay zurückzukehren.

St. Petersburg, 17. Januar. (W. T. B.) Hier am Tage der englischen Parlamentseröffnung eingegangene Lon⸗ doner Telegramme melden, Oesterreich und England hätten Rußland kundgegeben, sie würden einen ohne ihre zu⸗ stimmende Erklärung geschlossenen Frieden zwischen Rußland und der Türkei nicht anerkennen. Derartige Erklärun gen liegen hier nicht vor. England hat sich bei den Be⸗ sprechungen, die zu der Phase geführt haben, daß türkische Unterhändler sich mit dem Waßfenstilstands esuch nach dem russischen Hauptquartier begeben haben⸗ nochmals versichert, daß Rußland die präzisirte Interessensphäre Großbritanniens voll respektirt, und behält sich seine Mitwirkung bei der Ab⸗ änderung der internationalen Verträge vor. Oesterreich äußert sich jetzt wie in den verschiedenen Epochen seinen besonders freundschaftlichen und guten Beziehungen gemäß; die Vertre⸗ tung seines Gesichtspunktes ist dieselbe, die in seiner Antwort auf das Ersuchen der Pforte um Dazwischenkunft der Mächte niedergelegt war.

Wien, 17. Januar. (W. T. B.) Die „Polit. Korresp.“ meldet aus Athen von gestern, das griechische Ministerium wolle vorerst der kriegerischen Stimmung des Landes keine Rech⸗ nung tragen; es seien zwischen Griechenland und England wichtige Verhandlungen in der Schwebe, von deren Ausgan es abhänge, ob nicht Griechenland nächstens mit England un an dessen Seite eine Rolle spielen werde. Von Belgrad wird dem Blatte gemeldet, Fürst Milan habe in einem Telegramm an die Studentenlegion erklärt, daß er erst nach der Besetzung von Prizren an einen Frieden denke. Aus Bukarest berichtet die „Polit. Korresp.“, der General Joan Sees begebe sich in besonderer Mission nach St. Pe⸗

ersburg.

Wien, 18. Januar. (W. T. B.) In Betreff der Haltung Oesterreich⸗Ungarns bei dem augenblicklichen Stande der orientalischen Angelegenheit bestätigt das „Fremdenblatt“, die diesseitige Regierung habe der Pfor e wie dies bereits dem türkischen Mediationsgesuch gegenüber geschehen erklärt, daß sie, soweit der Friedensschluß Fragen berühre, bei deren Regelung Oesterreich⸗Ungarn nach dem Pariser Traktate mitzusprechen ein Recht habe, hiervon Ge⸗ brauch zu mäͤchen sich vorbehalte und somit in den Friedens⸗ präliminarien kein in allen Punkten bindendes Präjudiz für den definitiven Frieden erblicken könne. Daß dadurch aber der Pforte nicht der Rath ertheilt sei, die Friedensbedingungen Rußlands abzulehnen oder jeden Präliminarfrieden zu per⸗ horresciren, bedürfe keiner weiteren Ausführung und werde auch durch die Reise der türkischen Delegirten in das russische Hauptquartier widerlegt.

Brüssel, 17. Januar. (W. T. B.) Der „Nord“ findet, daß die englische Thronrede im Ganzen einen friedlichen Charakter trage, indeß würden die Türken doch in derselben Stoff zu der Hoffnung auf englischen Beistand finden können, wenn der Krieg von ihnen fortgesetzt werde. Von diesem Gesichtspunkte aus sei die Thronrede nicht der Art, daß sie einen raschen und glücklichen Ausgang der Ver⸗ hand ungen begünstige, die eben in Kasanlyk öffnet werd

sollten. 1X1A6“ 1111““

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