1878 / 66 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Mon, 18 Mar 1878 18:00:01 GMT) scan diff

fürne in den Ruhestand mit Grund fordern könnten. Es ist ganz elbstverständlich, daß die Justizverwaltung in dieser Richtung lax verfahren wird und dem Wunsche der älteren Herren Ober⸗Tri⸗ bunalsräthe Rechnung tragen wird. 1 Es bleiben dann also mindestens 52 etatsmäßige Richter übrig,

in deren Belieben die Kommission setzen will, ob sie weiter dienen oder in den Ruhestand gehen mit voller Besoldung nebst Wohnungs⸗ Idzuschuß. Meine Herren, wer sind denn nun diese Männer? Sie stehen der größten Zahl nach im besten Lebensalter, sie sind vollständig diensttüchtig, es sind hervorragende Juristen, es ist die Blüthe der Jurisprudenz 822 Das liegt ja in der Natur der Saäache. Daß sie nicht in sehr hohem Lebensalter sein können, geht schon hervor, daß sie während meiner Dienstführung als Minister sämmtlich bis auf 17 angestellt worden sind. Ich frage nun, liegt es denn im Interesse der Rechtspflege, f man 52 der ausgezeichnetsten Männer Preußens in der Justizpartie feiern läßt, daß man ihnen auch nur die Möglichkeit gewährt, das zu thun. Haben wir denn so viele tüchtige Kräfte übrig, um so etwas unternehmen zu können? Meine Herren, das schmerzliche Gefühl, welches die Kommission gehabt hat, dearüber, daß der Sitz des Reichsgerichts nach Leipzig gelegt ist, dann, daß das Ober⸗Tribunal auch nicht bruchstückweise hat erhalten werden können, dieses schmerzliche Gefühl theilt die Königliche Regierung vollständig. Die Königliche Regierung sieht darin große schmerzliche Opfer, welche Preußen dem Deutschen Reiche hat bringen müssen. Aber ist es denn nun nöthig, meine Fen ch zu diesen schweren Opfern

noch neue hinzuzufügen und in Preußen eine große Menge der tüch⸗ tigsten Kräfte brach zu legen? Meine Herren, dem Ober⸗Tribunal Hegenüber gilt der Hernesa. daß seine Mitglieder verlangen können, in einer möglichst entsprechenden Stellung angestellt zu werden. Wenn man weiter gehen und sagen will, es kommt nicht auf ine „möglichst entsprechende“ Stellung an, sondern auf eine „ent⸗ sprechende“, so folgt noch nichts für den Vorschlag Ihrer Kommission. Es giebt nämlich nicht allein im Reiche, sondern auch im preußischen Staate Stellungen, die den Stellungen der Ober⸗Tribunals⸗Räthe urchaus entsprechen. Jedenfalls wird Niemand, welcher die preußischen Justizeinrichtungen kennt, annehmen, daß die organisatorische Stellung der ersten Präsidenten der Ober⸗Appellationsgerichte, der späteren Ober⸗ Landesgerichte, nicht höher sei, als die der Ober⸗Tribunals⸗Räthe; denn jene Herren haben nicht allein eine höhere Besoldung, sondern sie haben einen großen Einfluß nach allen Richtungen hin. Es ist mir noch nie vorgekommen, daß ein Ober⸗Tribunals⸗Rath, dem eine Stelle als Chefpräsident angeboten worden ist, nein gesagt hätte. Warum soll denn nun, wenn man auch davon ausgeht, es müssen völlig entsprechende Stellungen sein die Stellung ist ja eine höhere eine Verpflichtung des Ober⸗Tribunals⸗Raths nicht festgestellt werden, die Stellung eines ersten Präsidenten anzunehmen; 5. entsprechend der Stellung eines Ober⸗Tribunals⸗Raths ist die Stellung eines Senatspräsidenten und eines Vizepräsidenten des Appellationsgerichts. Das liegt in der Organisation und wird dadurch bestätigt, daß ich allein 7 Vize⸗Präsidentenstellen der Appellationsgerichte besetzt habe aus Mitgliedern des Ober⸗Tribunals und daß ich bei keinem Ober⸗ Tribunals⸗Rath, dem ich eine solche Stelle angeboten habe, auch nur im allermindesten einen Widerspruch, vielmehr Dank gefunden habe. Wenn das aber so ist, wie kann man sagen, die Herren sind auch nicht einmal genöthigt, sich anstellen zu lassen als Vize⸗Präsidenten der Ober⸗Landesgerichte. Meine Herren, und nun greife ich noch einmal zurück auf den Satz: Gleiches Recht für Alle. Diesen Satz werden Sie doch anerkennen müssen und es gewiß gern thun. Zuvörderst legen Sie, oder vielmehr die Kommission legt den Appellations⸗ gerichts⸗Räthen die Verpflichtung auf, sich anstellen zu lassen als Landrichter. Der Avppellationsgerichts⸗Rath muß sich ge⸗ fallen lassen, daß er aus einem Gericht zweiter Ordnung zu⸗ zrückversetzt wird an ein Gericht erster Ordnung. Das ist auch keine entsprechende Stellung. Aber wenn Sie den Avppellations⸗ gerichts⸗Räthen, den Kreisgerichts⸗Direktoren ꝛc. derartige Ver⸗ flichtungen auferlegen, was sollte dagegen sprechen, den ber⸗Tribunals⸗Räthen die entsprechende Verpflichtung aufzu⸗ erlegen, sich nöthigen Falls versetzen zu lassen aus einem Ge⸗ richte dritter an ein Gericht zweiter Ordnung. Das kann den Verhältnissen durchaus nicht entsprechen! Aber ich gehe weiter hinauf zu den Vize⸗Präsidenten der Appellationsgerichte. Meine Herren, der Gesetzentwurf der Königlichen Regierung, und in Ueber⸗ einstimmung mit ihm die Kommission des Herrenhauses legt den Vize⸗Präsidenten der Appellationsgerichte die Verpflichtung auf, sich aus ihrer Stellung verdrängen zu lassen und einfach Mitglieder der Ober⸗Landesgerichte zu werden, d. h. Ober⸗Landesgerichts⸗Räthe. Ist das Recht? Ist das billig? Kann man hier davon reden, gleiches Recht für Alle? „Warum sollen die Herren Vize⸗Präsidenten vom Appellations⸗ eee schlechter gestellt werden, als die Ober⸗Tribunals⸗Räthe, da voch ihre Stellung der der Ober⸗Tribunals⸗Räthe mindestens gleich ist. Und nun die ersten Präsidenten der Ap ellationsgerichte? iese müssen sich gefallen lassen, zu Senats⸗Präsidenten der Ober⸗ Landesgerichte ernannt zu werden. Ihre Stellung ist doch in der Organisation eine viel bedeutendere, wie die der Ober⸗Tribunals⸗ Räthe. Wie will man es rechtfertigen, diesen Herren eine solche Verpflichtung und den Ober⸗Tribunals⸗Räthen es ins Belieben zu legen, ob sie weiter dienen wollen oder nicht? Meine 1 Jetzt beachten Sie noch Folgendes: Unter diesen Präsiden⸗ ten, welchen Sie die Verpflichtung auferlegen wollen, zu Vize⸗Präsi⸗ denten ernannt zu werden, befinden sich nicht weniger als sechs frühere Mitglieder des Ober⸗Tribunals und unter der Zahl der Vize⸗ Präsidenten, welchen Sie die Verpflichtun auferlegen wollen, sich ernennen zu lassen zu Sber-Landesgerichts⸗Räthen, vier frühere Mit⸗ glieder des Ober⸗Tribunals. Warum nun sollen diese Herren, welche doch auch ihrerseits egtece haben zu der Größe des Ober⸗ Tribunals und dem Ansehen, welchcs dasselbe genießt, nicht gleiches Recht haben mit denjenigen Personen, welche jetzt im Ober⸗Tribunal sitzen? Ist das Recht? Oder ist nicht vielmehr anzunehmen, daß diese Herren im höchsten Grade mißmüthig werden, wenn sie aus rein zufälligen Umständen soviel schlechter gestellt werden, wie die jetzigen Mitglieder des Ober⸗Tribunals? Das Recht, was die Kommission den Ober⸗Tribunals⸗Räthen jeben hat, wird ihnen nicht gewährt wegen längerer Dienstzeit am Ober⸗Tribunal, nein! Auch die Ober⸗Tribunals⸗Räthe, welche vor einigen Monaten, selbst Wochen angestellt sind, haben dasselbe Re bt, und die Herren, die vielleicht viele Jahre im Ober⸗Tribunal Sitz und Stimme gehabt, dann geglaubt haben, eine Beförderung zu er⸗ langen, indem sie zu Präsidenten der Appellationsgerichte ernannt wurden, soll das Vorrecht nicht gewährt werden? Ich glaube, meine Herren, wenn man das erwägt, so muß man sagen: was man den Ober⸗Tribunals⸗Räthen gewäher, muß auch jenen höheren Beamten sewährt werden. Thut man das Eine und das Andere nicht, o ist das reine Willkür. Deshalb glaube ich Ihnen empfehlen zu können, ja empfehlen zu müssen, in Betreff der Mitglieder des Ober⸗Cribunals, welche nicht Vorstandsbeamte sind, die Bestim⸗ mungen des Antrages abzulehnen. Meiner Ansicht würde der Antrag des Vize⸗Präsidenten sermn Meyer Fithrrchen haben; da er aber keine genügende Unterstützung gefunden hat, so kann ich mich natür⸗ lich nicht darauf einlassen. Es bleibt mir nur übrig, an Sie das Ersuchen zu richten, unter Ablehnung des Antrages Ihrer Kom⸗ mission bei demjenigen zu bleiben, was die Vorlage der Königlichen Regierung in Uebereinstimmung mit dem Abgeordnetenhause vor⸗ geschlagen hat. 3 8 Auch Herr Hasselbach bekämpfte die Kommissionsanträge, während Dr. Dernburg den von ihm gemeinschaftlich mit Herrn von Bernuth gestellten Abänderungsantrag empfahl. Gegen letzteren erklärte sich auch der Justiz⸗Minister Dr. Leonhardt, da durch denselben eine Art indirekten Zwan⸗ ges zum Eintritt in das Reichsgericht ausgeübt werde. Nachdem noch die Herren von Knebel⸗Döberitz und

beschlossenen Fassung en bloc angenommen

hatten, wurde zunächst der Antrag Dernburg⸗Bernuth und

sodann der Kommissionsantrag abgelehnt, und schließlich der

Paragraph in der Fassung des Abgeordnetenhauses ange⸗

nommen.

Die §8. 96 und 97 wurden nach den Anträgen der Kom⸗ mission ohne Debatte erledigt. Für den §. 98 hatte die Kom⸗ mission Fassung in Vorschlag gebracht:

„Präsidenten der Appellationsgerichte, der General⸗Prokurator und der Kron⸗Ober⸗Anwalt werden, sofern sie nicht anderweit an⸗ gestellt werden, in den Ruhestand versetzt.

Die übrigen Richter und Staatsanwälte bleiben, sofern sie nicht anderwest angestellt oder in den Ruhestand versetzt werden, während eines Zeitraums von drei Jahren zur Verfügung des Justiz⸗Ministers, und werden auf einem besonderen Etat geführt.

Diejenigen, welche während des dreijährigen Zeitraums eine etatsmäßige Anstellung nicht erhalten, treten nach Ablauf desselben in den Ruhestand.

Eine Pensionirung innerhalb jenes Zeitraums nach Maßgabe des Pensionsgesetzes vom 27. März 1872 (Gesetz⸗Sammlung S. 268) wird hierdurch nicht ausgeschlossen.“”

Nach kurzer, zwischen dem Referenten und dem Regie⸗ rungskommissar Geheimen Ober⸗Justiz⸗Rath Rindfleisch ge⸗ pflogener Diskussion wurde diese Fassung, und weiter die §§. 99 bis 102 ohne Debatte nach den Beschlüssen der Kom⸗ mission angenommen.

Zu 8.103, für welchen die Kommission folgende Fassung empfahl:

„Die nicht im höheren Justizdienst angestellten Beamten, welche eine anderweite Anstellung nicht erhalten, werden einst⸗ weilen in den Ruhestand versetzt. Denselben ist vorbehaltlich weitergehender wohlerworbener Rechte ein nach dem §. 26 des Gesetzes vom 31. März 1873, betreffend die Rechtsverhältnisse der Reichsbeamten, zu bemessendes Wartegeld zu gewähren. Die Berech⸗ nung des dem Wartegeld zu Grunde zu legenden Diensteinkommens er⸗ folgt nach den für den Fall der Pensionirung maßgebenden Grundsätzen.

Der Wohnungsgeldzuschuß ist mit dem für die Pensionirung E Durchschnittssatze dem übrigen Diensteinkommen hinzu⸗ zurechnen.

Sie haben sich nach Anordnung des Justiz⸗Ministers der zeit⸗ weiligen Wahrnehmung solcher Aemter zu unterziehen, welche en Fähigkeiten und ihren bisherigen Verhältnissen entsprechen.

Während der Dauer dieser Beschäftigung erhalten sie ihr früheres Diensteinkommen unverkürzt und sofern die Beschäftigung außerhalb des Ortes ihrer letzten Anstellung erfolgt, die esetz⸗ mäßigen Reisekosten und eine von der Justizverwaltung nach dem erforderlichen Mehraufwande festzusetzende Entschädigung;“

hatte der Graf von der Schulenburg⸗Beetzendorf folgenden

Antrag 8eee

„1) dem 8 103 folgende Faässung zu geben:

Abs. 1. Die nicht im höheren Justizdienst angestellten Beam⸗ ten, welche eine anderweite Anstellung nicht erhalten, werden einst⸗ weilen mit vollem Gehalt in den Ruhestand versetzt.

Abs. 2. zu streichen. 2 2 Abs. 3. Der Wohnungsgeldzuschuß ist dem übrigen Dienst⸗ einkommen hinzuzurechnen.

Abs. 4. Unverändert.

Abs. 5. Sofern die Beschäftigung außerhalb des Ortes ihrer letzten Anstellung erfolgt, erhalten sie die gesetzmäßigen Reisekosten und eine von der Justizverwaltung nach dem erforderlichen Me⸗ aufwande festzusetzende Entschädigung.

2) den §. 104 zu streichen.“ 1

Naͤchdem der Antragsteller diesen Antrag befürwortet hatte, erklärte sich der genannte Regierungs⸗Kommissar gegen denselben. Er glaube nicht, daß die Subalternbeamten in gesna des Antrags völlig gleich mit den richterlichen Be⸗ amten 88 werden könnten, im Allgemeinen werde die Zurdispo e. eeh der Subalternbeamten mit ¾ ihres Ge⸗ haltes erfolgen, was schon, im Gegensatz zu den bestehenden Bestimmungen, eine Vergünstigung sei.

Hierauf wurde der Kommissionsantrag unter Ablehnung des Antrages des Grafen von der Schulenburg genehmigt. Auch die §§. 104 bis 110, sowie Titel und Ueberschrift des Ge⸗ setzes, wurden sodann ohne Debatte nach den Beschlüssen der Kommission erledigt, und durch Namensaufruf endlich das Gesetz mit allen gegen 5 Stimmen angenommen. (Schluß der Sitzung 3 ½ Uhr.)

In der heutigen (22.) Sitzung des Herren hauses, welcher der Vize⸗Präsident des Staats⸗Ministeriums, Finanz⸗Minister Camphausen, der Justiz⸗Minister Dr. Leonhardt und mehrere Regierungs⸗Kommissarien beiwohnten, und welche der Präsident um 12 ½ Uhr eröffnete, trat das Haus zunächst in die Berathung des Gesetzes, betreffend den Forstdiebstahl, welches vom Abgeordneten⸗ hause in etwas veränderter Fassung an das Herrenhaus gelangt war. Bei der Generaldiskussion empfahl der Herr Wever, den von dem Abgeordnetenhause be⸗ schlossenen Abänderungen zuzustimmen. An der General⸗ diskussion betheiligten sich weiter die Herren Graf Kospoth⸗ Burau, Graf zur Lippe, von Knebel⸗Döberitz und Graf Brühl, welche sich gegen die Beschlüsse des Abgeordnetenhauses, beziehungsweise für Ueberweisung der Vorlage an eine besondere Kommission aussprachen, während die Herren Freiherr von Mir⸗ bach, von Winterfeld und Graf von der Schulenburg⸗Beetzendorf die unveränderte Annahme der von dem Abgeordgetenhause be⸗ schlossenen Aenderungen empfahlen. Bei Schluß des Blattes resumirte der Referent Herr Wever die Debatte und empfahl nochmals die Annahme der Beschlüsse des anderen Hauses, worauf der Gesetzentwurf in der von dem Abgeordnetenhause wurde.

Im weiteren Verlaufe der vorgestrigen itzung es Hauses der Abgeordneten versuchte bei der dritten Berathung des Gesetzentwurfs, betr. den Forstdiebstahl, in der Spezialdiskussion der Abg. Windthorst (Bielefeld) eine Streichung der §§. 34 und 35 herbeizuführen, welche die auf Grund dieses Gesetzes ausgesprochene Geldstrafe dem Beschä⸗ digten zusprechen. Das Haus lehnte aber diesen Antrag ab und genehmigtedas Gesetz mit einigen unwesentlichen Aende⸗ rungen.

Es folgte die dritte Berathung des Gesetzentwurfs, be⸗ treffend die evangelische Kirchenverfassung in der Pro⸗ vinz Schleswig⸗Holstein und in dem Amtsbezirke des Konsistoriums zu Wiesbaden.

Der Ahg. Dr. Brüel machte gegen diese Vorlage geltend, daß man sich um die Beschlüsse der Synode in der ersteren Provinz gar nicht bekümmert, in der anderen die Synode ad hoc zusammengesetzt habe.

Der Regierungskommissar, Ministerial⸗Direktor Dr. För⸗ ster entgegnete hierauf, die Legalität des von der Regierung betretenen Weges könne nicht in Zweifel gezogen werden; der consensus ecclesiae sei eingeholt und ertheilt worden. Die durch Kabinetsordre von 1871 geschaffenen Kreissynoden hät⸗

Hobrecht die Annahme der Kommissionsbeschlüsse em fohlen

* RNRRRNA+T M NCͤ8 ““

schlüsse der einzelnen Kreissynoden so weit auseinander ge⸗ hangen seien, daß das Kirchenregiment nicht hätte vorwärts ommen können. Man sei deshalb auf die Gemeinden zurück gegangen und habe sich Deputirte bezeichnen lassen, welche die Mitglieder der Bezirkssynode gewählt hätten. Die Regierung sei also vollkommen legal verfahren.

Der Abg. Freiherr von Schorlemer⸗Alst erklärte, daß er und seine Partei gegen die Vorlage stimmen würden.

Ohne Debatte genehmigte das Haus die einzelnen Artikel des Gesetzes, sowie das Gesetz im Ganzen.

Es folgte eine Petition des Vorstandes und des Reprä⸗ sentationskollegiums der Synagogengemeinde zu Merzig, welche ausführen, daß die Mitglieder der israelitischen Gemeinde da⸗ selbst früher eine besondere Elementarschule aus eigenen Mitteln unterhalten hätten; diese habe nicht die Rechte einer öffentlichen Schule genossen, sei vielmehr als eine Privatschule behandelt. Da es der Synagogengemeinde in letzterer Zeit schwer geworden, qualifizirte Lehrer zu gewinnen und dauernd zu erhalten, auch das israelitische Schullokal, welches Privateigenthum der jüdischen Gemeinde sei, den jetzigen Anforderungen nicht mehr ent⸗ sprochen und aus Sanitätsrücksichten 2 e geschlossen werden müssen, so sei die jüdische Schule durch Verfügung der Regie⸗ rung zu Trier aufgelöst, und seien die Kinder in die städti⸗ schen Schulen vertheilt. Die Synagogengemeinde habe sich an den als Lokalschulinspektor fungirenden Bürgermeister der Stadt Merzig mit dem Ersuchen gewendet, ihr in dem neu erbauten Kommunalschulhause für die Zeit, wo Unter⸗ richt nicht ertheilt werde, ein Lokal fuͤr den jüdischen Religionsunterricht zur Disposition zu stellen. Die Stadtverordnetenversammlung habe das Gesuch abgelehnt. Beschwerden bei der Regierung und dem Ministerium seien erfolglos geblieben. Das Ministerium habe entschieden, es sei nicht zulässig, die Gemeindebehörden zur Einräumung des Schul⸗ lokals behufs Ertheilung des jüdischen Religionsunterrichts wider ihren Willen anzuhalten. Die Petenten beantragen:

das Haus der Abgeordneten wolle das Staats⸗Ministerium ver⸗ anlassen, unter Aufhebung der Ministerialverfügung die israelitischen Einwohner von Merzig für berechtigt zu erklären, daß der jüdische Religionsunterricht in dem der Civilgemeinde gehörigen öffentlichen Elementarschulgebäude ertheilt werde.

Die Kommission beantragte den Uebergang zur Tages⸗ ordnung, während der Abg. Götting die Petition der Staats⸗ regierung zur Abhülfe überwiesen wissen wollte, indem er ausführte, daß bei aller Achtung vor der Selbstverwaltung das Haus es doch nicht dulden könne, daß die Gemeinde⸗ vertretungen solche Beschlüsse faßten. Nach der rheinischen Städteordnung hätten die jüdischen Einwohner von Merzig unzweifelhaft ein Recht an der Mitbenutzung der öffentlichen Anstalten. Der Abg. Delius bemerkte dagegen, daß die jüdischen Synagogengemeinden nicht nur für einen Lehrer, sondern auch für die nöthigen Lokalitäten zu sorgen hätten; das Aufsichtsrecht des Ministers dürfe jedenfalls nicht dahin ausgedehnt werden, daß er berechtigt sei, den Gemeinden auf⸗ zuerlegen, ihre öffentlichen Anstalten über die berechtigten An⸗ sprüche hinaus zur Benutzung zu überlassen.

Der Regierungskommissar Geheime Ober⸗Regierungs⸗ Rath Dr. Schneider trat den Ausführungen des Vorredners bei und bat um Annahme des Kommissionsantrages. Nach dem Gesetz seien die jüdischen Synagogengemeinden verpflichtet, für alle Einrichtungen zu sorgen, die nothwendig seien, um jüdischen Kindern, die eine christliche Schule besuchen, den er⸗ forderlichen Religionsunterricht zu gewähren; dazu gehören auch die Lokalitäten. Jedenfalls sei das Ministerium nicht in der Lage gewesen, den Beschluß der Gemeindvertretung von Merzig aufzuheben.

Der Abg. Hirsch äußerte sich dahin, die Frage habe keine untergeordnete Bedeutung, sie sei prinzipiell wichtig. Es han⸗ dele sich um die Frage der Gleichberechtigung der Juden. Die Staatsregierung habe anerkannt, daß die Juden ein Recht hätten, das Schullokal zu benutzen, nur nicht für ihren Reli⸗ gionsunterricht, für den sie selbst zu sorgen hätten. Mit der obligatorischen Form desselben sei aber zugestanden, daß er zu den nothwendigen Aufgaben des gesammten Elementarunterrichts gehöre; dann müsse ihm aber auch das Schullokal geöffnet werden. Er halte es für eine absolute Pflicht der Gemeinde, die Benutzung zu gestatten, und für ein Recht der Aufsichtsbehörde, die Gemeinde zu dieser Pflicht anzuhalten. Ein Eingriff in die Selbstverwaltung der Gemeinde geschehe damit nicht. Er bitte das Haus, den An⸗ trag des Abg. Götting anzunehmen. In gleichem Sinne äußerte 88 auch der Abg. Dr. Virchow. Der Abg. Rüppell sprach sein Bedauern aus, daß die Gemeinde Merzig sich nicht

abe bereit finden lassen, das Lokal herzugeben, aber die jüdischen Mitglieder derselben hätten kein Recht, dies zu ver⸗ langen. Ein Recht der Regierung, die Aufhebung des Be⸗ schlusses zu fordern, bestehe ebenfalls nicht. Der Abg. Dr. Lasker erklärte, er stimme dem Antrage Götting nur in der Ansicht bei, daß er ausdrücke, die Regierung solle Abhülfe schaffen, so weit sie die gesetzliche Befugniß habe, eventuell diese gesetzliche Befugniß sich verschaffen. Die politische Ge⸗ meinde habe nicht das Recht, christliche Volksschulen zu er⸗ bauen und diesen Charakter beizubehalten, sobald nach Staatsgesetzen auch jüdische Kinder derselben überwiesen würden. Der Regierungskommissar, Geheimer Regierungs⸗Rath Haase, bemerkte hierauf, er habe keine Neigung, den Beschlu der Merziger Stadtverordnetenversammlung zu vertheidigen; wenn das Haus ein Staatsgebäude wäre, wäre eine solche Entscheidung nicht getroffen worden. Nach den gesetzlichen Bestimmungen sei die Synagogengemeinde verpflichtet, für den Religionsunterricht allein zu sorgen. Ein Anlaß, geset⸗ liche Bestimmungen für diesen Fall zu treffen, um der Re⸗ gierung die Abhülfe zu ermöglichen, liege nicht vor. Der Abg. Cremer bedauerte ebenfalls den Beschluß der Gemeinde Merzig, erklärte aber, daß den Juͤden kein Forde⸗ rungsrecht zustehe, nur die Billigkeit spreche für sie. Nachdem noch der Referent Abg. Lauenstein ausdrücklich hervorgehoben, daß in der Kommission Niemand das Vorgehen der Gemeinde gebilligt habe, wurde der Antrag Götting mit großer Majo⸗ rität angenommen. (Schluß 4 ½ Ühr.)

In der heutigen (68.) Sitzung des Hauses der Abgeordneten, welcher mehrere Regierungs⸗Kommissarien bei⸗ wohnten, erhielt zunächst vor dem Eintritt in die Tagesord⸗ nung der Abg. Dr. Lasker das Wort, um eine über Hrn. von Diest⸗Daber gemachte frühere Auslassung zu berichtigten. Ohne Debatte erledigte das Haus in erster und zweiter Lesung den Gesetzentwurf, betreffend die Feststellung eines Nachtrages zum Staatshaushalt⸗Etat für das Jahr 1878/79. Bei Schluß des Blattes begann die zweite Berathung

ten den Entwurf einer Bezirks⸗Synodalordnung begutachtet. Das Resultat aber sei gewesen, daß die Wünsche und Be⸗

esetzentwurfs, betreffend die Regulirung des standes⸗

Peter von Oldenburg und der Prinz Alexander von

den auch Umzüge anderer Gesellschaften und Kreise für

lichen Rechtszustandes des Fürstlichen Hauses zu Bentheim⸗ bezüglich der Herrschaft Rheda und der Graf⸗ schaft Hohen⸗Limburg.

Der Bundesraths⸗Bevollmächtigte, Königlich bayerische Staats⸗Minister des Königlichen Hauses und des Aeußern, von Pfrebschner ist nach München abgereist.

S. M. Kbt. „Nautilus“, 4 Geschütze, Komdt. Korv. Kapt. Valois, ist, telegraphischer Nachricht zufolge, am 16. März cr. in Port Said eingetroffen.

Bayern. München, 16. März. Das gestern ausgege⸗ bene Gesetz⸗ und Verordnungsblatt Nr. 16 veröffentlicht das unterm 10. d. M. sanktionirte Finan zgesetz für die XIV. Fi⸗ nanzperiode. Das Budget ist mit 221,633,348 bilanzirt. Was die formelle Behandlung der dem Landtage zu machenden Regierungsvorlagen zur Einführung der Reichsjustizgesetze betrifft, so ist, wie die „Allg. Ztg.“ vernimmt, beabsichtigt, durch ein hierzu zu erlassendes kransitorisches Gesetz zu bestimmen, daß die Kammer⸗ ausschüsse, welchen die in Rede stehenden Vorlagen zur Vorberathung überwiesen werden, auch nach dem Schlusse oder der Vertagung der Kammern in Thätigkeit bleiben können, wie dies auch schon bei früheren Gesetzgebungswerken in Bayern der Fall war; erst wenn die Ausschüsse ihre Aufgabe erledigt haben, werden dann die Kammern wieder berufen

werden.

Oesterreich⸗Ungarn. Wien, 16. März. (W. T. B.) Der Kaiser stattete gestern dem Prinzen Peter von Ol⸗ denburg einen längeren Besuch ab. Für morgen sind Prinz

ssen zur Hoftafel geladen. Hesse⸗ a. . L) Bezüglich der Handelsvertrags⸗ verhandlungen mit Deutschland erklärt die „Montags⸗ revue“ neuerdings, es könne davon, bevor der autonome

Zolltarif in Kraft getreten, keine Rede sein.

Schweiz. Bern, 16. März. (N. Zürch. Ztg) Der Berner Regierungsrath hat heute folgenden, gestern ge⸗ faßten Beschluß öffentlich anschlagen lassen: „I. Jede all⸗ fällige öffentliche Demonstration Sonntag, den 17. und Montag, den 18. d. M., Seitens der sogen. Anarchisten und etwaiger weiterer Verbindungen und Personen, welche sich denselben bei diesem Anlasse anschließen sollten, ist von Po⸗ lizei wegen unbedingt zu verhindern. II. Ueberdies wer⸗

jene Tage untersagt. III. Die Militär⸗Direktion ist er⸗ mächtigt, zur Unterstützung der verfügbaren staatlichen und städtischen Polizeigewalt das 88.8 Militär aufs Piket zu stellen und erforderlichen 3 aufzubieten. IV. Die Direk⸗ tionen der Justiz und Polizei und des Militärs sind mit der weitern Vollziehung dieser Schlußnahme beauftragt und ins⸗ besondere ermächtigt, die Ausführung der betreffenden Sicherheitsmaßregeln einem von ihnen zu ernennenden besondern Kommissär und Platzkommandanten zu übertragen.

Niederlande. Amsterdam, 13. März. (Leipz. Ztg.) Die Zweite Kammer der Generalstaaten hat vor⸗ gestern ihre Sitzungen wieder aufgenommen. Die Vorberathung in den Sektionen über die Gesetzentwürfe, den Primarunterricht und das Anlehen, werden sofort statt⸗ finden, nachdem die sechs neuen Abgeordneten, um welche die Mitgliederzahl der Kammer vermehrt wird, ihre Sitze ein⸗ genommen haben werden. Gestern haben die Stichwahlen, welche in den betreffenden Wahlkreisen nothwendig geworden waren, stattgehabt. In den Wahlkreisen Amsterdam, Rotter⸗ dam und Winschoten sind entschiedene Anhänger des Mi⸗ nisteriums Kappeyne gewählt worden, in Hilversum Baron Schimmelpenninck van der Oye, ein Führer der antirevolu⸗ tionären (strengprotestantischen) Partei, welchem ein katho⸗ lischer Kandidat gegenüber stand, und in Zevenbergen ein Katholik (mit 754 Stimmen gegen 745, die auf den Gegen⸗ Kandidaten der Liberalen fielen).

. Belgien. Gent, 17. März. (W. T. B.) Dem hiesigen und dem hiesigen Gemeinderath, wesche gegen einen Hirtenbrief des Bischofs protestirt hatten, in welchem der Unterricht in den hiesigen Gemeinde⸗ schulen angegriffen worden war, wurde heute der Dank der Einwohnerschaft öffentlich dargebracht. Die Kundgebung, an welcher sich eine sehr zahlreiche Menge betheiligte, verlief in der größten Ordnung und Ruhe.

Großbritannien und Irland. London, 16. März. (E.

C.) Die König in wird mit dem gesammten Königlichen Hofstaat am Dienstag in London eintreffen und bis zum Schluß der künf⸗ tigen Woche im Buckinghampalace residiren. Im Ober⸗ hause theilte gestern Earl Beauchamp mit, daß, dem Wunsche des Hauses entsprechend, die Königin eine Kommission zur Untersuchung des Verkaufes geistlicher ein⸗ setzen werde. In der heutigen Unterhaussitzung erklärte der Kriegs⸗Minister auf Anfrage des Mr. M'Laren, daß unverzüglich zu Vertheidigungsarbeiten am Firth of Forth geschritten werden solle. Bei der Neuwahl eines Unterhausmitgliedes für Hereford siegte der konser⸗ vative Bewerber Oberst Arbuthnot. Gladstone erklärt in einem gestern veröffentlichten Schreiben ausdrücklich, daß er fest entschlossen sei, zur Zeit keine Beziehun⸗ gen zu einem neuen Wahlbezirke anzuknüpfen. Von der Regierung wurde eine neue Nachtragsforde⸗ rung im Betrage von 150 000 Pfd. Sterl. für das zu Ende gehende Finanzjahr an das Parlament gestellt, und zwar, um die Preissteigerung in den Lebensmitteln für das Heer auszugleichen. Bei der zu Uebungszwecken demnächst bei Salisbury stattfindenden Mobilisirung des I. Armee⸗ Corps wird General Sir Thomas Steele den Oberbefehl führen. Die Admiralität hat von der brasilianischen ühnen die kürzlich vollendete Panzerfregatte „Inde⸗ endencia“ käuflich erworben. Brasilien gedenkt an SStelle beeses Schiffs kleinere, für seine Zwecke besser geeignete Fahr⸗ zeuge bauen zu lassen. Das sühate der vor Kurzem von der englischen Regierung um ungefähr 240 000 Pfd. Sterl., d. i. beträchtlich unter dem Herstellungspreise, angekauften beiden ürkischen Panzerschiffe wird gegenwärtig, gleich dem ersten, mit aller thunlichen Beschleunigung der Vollendung entgegengeführt.

Frankreich. Paris, 15. März. (Fr. C.) In den Abgeord⸗

daß auf der Mairie von Avignon eine strasgerichtliche

Kommission die Bücher der städtischen Verwaltung durch⸗ gesehen und verschiedene Schriftstücke, von denen sich einige auf die letzten Wahlen beziehen, mit Beschlag belegt habe, nicht geringes Aufsehen. Der Maire von Avignon ist der wegen des außerordentlichen Eifers, den er in der letzten Wahlbewegung gegen die republikanische Sache entwickelte, viel genannte Hr. Dudemaine, dessen eigene Wahl von der Kammer umgestoßen worden ist. Hr. Joret⸗Desclosières, konservativer Abgeordneter des Calvados⸗Departements, der noch am letzten Dienstag der Sitzung beiwohnte, ist plötzlich gestorben. Die bonapartistische Partei verliert in ihm eines ihrer eifrigsten Mitglieder. Wie man aus dem Aveyron meldet, hat sich der Arbeiter⸗ strike von Decazeville auf Firmy und Ruelhe ausgedehnt. Die Zahl der Strikenden, die sich über eine Herabsetzung ihres Lohnes um 10 Prozent beklagen, beläuft sich auf ungefähr 2000,. Aus Rodez, Albi und Montpellier wurden Truppen zur Aufrechterhaltung der Ordnung herbei⸗ gezogen, doch glaubt der republikanische Maire von Decazeville, Hr. Cayrade, für dieselbe einstehen zu können, nachdem er für die nothleidenden Arbeiter zur Deckung ihrer dringendsten Bedürfnisse die Summe von 25 000 Frcs. angewiesen hat.

18. März. (W. T. B.) Bei den gestrigen engeren Wahlen in Marseille, Alais und Fougères wurden 3 repu⸗ blikanische Abgeordnete zur Deputirtenkammer gewählt. Versailles, 16. März. (W. T. B.) Die Depu⸗ tirtenkammer hat heute mit 331 gegen 67 Stimmen den Gesetzentwurf, betreffend die Bewilligung von Mitteln zum Rückkauf von Sekundärbahnen, angenommen. Durch diesen Gesetzentwurf wird die Regierung zur Aufnahme einer 3prozentigen amortisirbaren Anleihe bis zur Höhe von 500 Millionen Francs ermächtigt. Die Emission hat je nach dem Bedürfnisse nach und nach zu erfolgen.

Italien. Rom, 16. März. (W. T. B.) Der öster⸗ reichische Botschafter beim Vatikan, Graf Paar, hat dem Papste sein neues Beglaubigungsschreiben überreicht.

Griechenland. Athen, 16. März. (W. T. B.) Der frühere Präsident der Vereinigten Staaten, General Grant, hat sich von hier nach Neapel begeben. Dem Minister der Auswärtigen Angelegenheiten, Delyannis, gegenüber bemerkte der General, er werde stets eine hohe Achtung für das riechische Volk und seinen König bewahren. Er sei mehr als jemals davon überzeugt, daß Griechenland eine hervorragende Stellung unter den Nationen einnehmen könne.

18. März. (W. T. B.) Nach hier vorliegenden Nachrichten sollen die Türken gestern bei Volo 1500 Mann Truppen ans Land gesetzt haben.

Türkei. Konstantinopel, 17. März. (W. T. B.) Die bei Jenidsche in Thessalien und bei Katerina in der Nähe von EE befindlichen Insurgenten sind zurück⸗ in worden.

geschigg n das „W. T. B.“ d. d. Berlin, 16. d. M., meldet, ist die osmanische Gesandtschaft in Berlin auf Grund authentischer Informationen in der Lage, die von deutschen Zeitungen gebrachien Telegramme über neuer⸗ dings in Syrien, namentlich in den Städten Konia und Smyrna vorgekommene Unruhen als vollkommen un⸗ begründet zu erklären.

Rumänien. Bukarest, 16. März. (W. T. B.) In den Kammern ist ein Gesetzentwurf über die Creirung eines neuen Ministeriums eingebracht, dessen Ressort die Verwaltung der Staatsdomänen und der Land⸗ wirthschaft sein soll. Das Ministerium der öffentlichen Arbeiten soll in ein Ministerium für Straßen und Kommu⸗ nikationen umgewandelt werden und die Leitung des Eisen⸗ bahn⸗, Post⸗ und Telegraphenwesens übernehmen. Die De⸗ putirten und Senatoren haben gestern eine außer⸗

arlamentarische Sitzung abgehalten, in welcher die Regierung die Schwierigkeiten der Lage Rumäniens im Falle eines europäischen Krieges auseinandersetzte.

Dänemark. Kopenhagen, 14. März. (H. C.) Das Folkething erledigte gestern in dritter Lesung die Etats des Marine⸗ und Kriegs⸗Ministeriums und trat heute in die Berathung des Budgets in seiner Gesammtheit ein. Die von der Majorität des Budgetausschusses beantragten Bewilligungen für ein neues Torpedoschiff, Verstärkung der Kopenhagener Seeforts, Torpedos u. s. w. wurden mit großer Majorität an⸗

enommen. Berg, der Führer der Radikalen, wurde wegen einer Angriffe auf die Moderaten mehrfach vom Präsidenten zur Ordnung gerufen.

Afrika. Nach in Hamburg eingegangenen Nachrichten sind am 7. Januar d. J. Herr A. W. Gardener zu Mon⸗ rovia als Präsident und Herr D. B. Warner als Vize⸗ Präsident der Republik Liberia feierlich eingesetzt, sowie Herr W. A. Johnson zum Staatssekretär ernannt worden.

Der russisch⸗türkische Krieg.

St. Petersburg, 16. März. (W. T. B.) Der Kaiser hat heute Mittag 1 Uhr Reouf Pascha empfangen. Der eichskanzler, Fürst Gortschakoff, hat den Besuch Reouf Paschas bereits gestern erwiedert. Der Austausch der Rati⸗ fikationen des Friedensvertrages findet wahrscheinlich morgen statt. b 98 8 März. (W. T. B.) Der gestrige Empfang des türkischen Abgesandten Reouf Pascha durch den Kaiser wird von dem „Regierungsboten“ gemeldet mit dem Hinzufügen, daß der Kaiser gegen Ende der Audienz sich den Sohn Reouf Paschas, Schachir Bey und den Sekretär desselben, Risa Bey, vorstellen ließ. Der „Golos“ erfährt, daß der St. Peters⸗ burger Magistrat auf Befehl des Ministers des Innern zur Aufstellung von Listen solcher Personen geschritten sei, welche für geeignet erachtet werden, Stellungen als Offiziere in der Miliz, falls dieselbe aufgeboten wird, zu bekleiden. (W. T. B.) Die Ratifikationsurkunden des russisch⸗tuͤrkischen Friedensvertrags sind heute ausgewechselt worden, die Publikation des Vertrags wird erfolgen, sobald derselbe den Großmächten mitgetheilt worden ist. 9 eouf; Pascha tritt 85 die Rückreise nach Konstantinopel an. Für die allmähliche Rückkehr der russischen Armee in der Türkei sind bereits die erforderlichen Vorbereitungen ge⸗ troffen. Die Garde setzt sich zuerst in Bewegung und wird

Die

gence Russe“ erklärt die Nachricht, daß Rußland egen die Vertretung Griechenlands auf dem Kongresse iderspruch erhoben habe, für unrichtig und bestätigt, daß, da der Kongreß nur aus Vertretern der Großmächte bestehen könne, die Staaten zweiten Ranges und die sonst Interessirten nur in Betreff 8* ffe⸗ angehenden Fragen durch Delegirte vertreten werden dürfen. Konstantinopel, 16. März. (W. T. B.) Wie hier sanen schedie russischen Garden am 21. d. M.

ur Rückkehr einschiffen.

1 (W. T. B.) Die russischen Truppen haben den Fluß zwischen Makrikoi und San Stefano überschritten und

3 Ortschaften bei Makrikoi besetzt. Andere russische Truppen⸗ theile sind in Domansdere in der Nähe von Bujukdere angekommen, wo die Nacht „Czar“, der ‚„Eryklik“ und zwei Torpedofahrzeuge ankern. Einer Besetzung Bujukderes durch⸗ russische Truppen soll die türkische Regierung bis jetzt nicht zugestimmt haben. 8 Wien, 16. März. (W. T. B.) Die „Montagsrevue bezeichnet die Nachrichten über eine Mission des Prinzen Alexander von Hessen und des Prinzen Peter von Oldenburg an den Wiener Hof als müßige Kombina⸗ tion und weist ferner darauf hin, daß die von England er⸗ obenen formalen Schwierigkeiten durch die bevorstehende hobenen s des Friedensvertrages als beseitigt zu betrachten eien.

(W. T. B.) Wie der „Pol. Korr.“ aus Athen gemeldet wird, haben sich in Folge der Ausschreitungen der irre⸗ gulären türkischen Truppen 32 christliche Familien aus Trustena auf griechisches Gebiet geflüchtet. Aus Bukarest wird der genannten Korrespondenz berichtet, daß die rumänische Regierungdie Auslieferung dertürkischen Gefangenen vorbereite. Die rumänische Regierung stehe in Unterhand⸗ lung mit den russischen Behörden wegen der für Benutzung der Post⸗, Telegraphen⸗ und Eisenbahneinrichtungen schuldigen Summen und wegen der Entschädigung der rumänischen Grundbesitzer. 17. März. (W. T. B.) Dem „Reuterschen Bureau“ wird aus Konstantinopel telegraphirt, es seien in Folge der neuerdings dort herrschenden Gäh⸗ rung und in Folge der stattgehabten Verbreitung auf⸗ rührerischer Plakate militärische Vorkehrungen, ins⸗ besondere Patrouillengänge bei Tag und bei Nacht, ange⸗ ordnet. Man erwartet die Ankunft der Truppen, die in Schumla und Varna standen, sowie von 16 000. Egyptern.

(W. T. B.) Das „Reutersche Bureau“ meldet aus Konstantinopel von gestern: Der englische Konsul in Adrianopel, Blunt, ist heute hier angekommen, da die Russen in Anbetracht der dermaligen Verhältnisse es ablehnen, das Konsular⸗Corps in Adrianopel und Philippopel anzu⸗ erkennen.

Nr. 5 des „Marine⸗Verordnungs⸗Blattes“ hat fol⸗ genden Inhalt: Gestellung dienstfreier Burschen für die im aktiven Dienst befindlichen Admirale, welche einen höheren Rang als den der Contre⸗Admirale bekleiden. Modifizirung des §. 14 der Be⸗ stimmungen über das Scheibenschießen der Marinetheile vom 21. März 1876. Einberufung der Offiziere des Beurlaubtenstandes zu den Uebungen. Zusatzbestimmung zum §. 5 des Reglements über die Geldverpflegung der Marine im Frieden. Deponirung der Beiträge für die Marine⸗Offizier⸗Dispositionskassen. Teplitzer Badeangelegenheit. Besatzungsetat für S. M. Dampfkanonenbooz „Otter“. Gleichmäßige Benutzung der Dampfkessel an Bord S. M. Schiffe und Fahrzeuge. Abänderung des Rechnungswesens über den Krankenproviant an Bord. 8 Zusammenstellung über die im Laufe des Jahres von den Marinetheilen vorgenommenen Schießübungen. Einlösung von aufgerufenen preußischen Kassenanweisungen. Ab⸗ schluß von Proviant⸗Lieferungskontrakten durch die Stations⸗Inten⸗ danturen für die Zeit vom 1. April 1878 bis zum 31. März 1879. Abführung der Beiträge für Errichtung eines Denkmals des ochseligen Prinzen Adalbert von Preußen, Koͤnigliche Hoheit. von Lachs in der Schiffsverpflegung. Die bei Neu⸗ anfertigung von Salutkartuschen für 12 cm Ringkanonen zu nehmende Ladung. Verzeichniß derjenigen Erlasse und Verfügungen, durch welche die in den Schiffsbücherkisten enthaltenen Reglements zc. bezw. die in den Marine⸗Verordnungsblättern abgedruckten In⸗ struktionen abgeändert bezw. erläutert worden sind, für das II. Halb⸗ jahr 1877. Personalveränderungen. Benachrichtigungen.

Statistische Nachrichten.

Gemäß den Veröffentlichungen des Kaiserlichen Gesund 8.vee sind in der zehnten Jahreswoche von je 1000 Be wohnern, auf den Jahresdurchschnitt verechnet, als gestorber

emeldet: in Berlin 25,8, in Breslau 30,0, in Königsberg 29,7, in öln 22,5, in Frankfurt a. M. 25,0, in Hannover 20,7, in Cassel 20,6, G in Magdeburg 32,9, in Stettin 28,2, in Altona 27,4, in Straß⸗ burg 36,3, in München 45,4, in Nürnberg 38,0, in Au 43,1, in Dresden 25,3, in Leipzig 22,2, in Stuttgart 30,0, in Braunschweig amburg 28,3, in Wien 32,5, in Buda- pest 44,1, in Prag 40,2, in Triest 40,7, in Basel 35,6, in Brüssel 22,8, 1 in Paris 28,1, in Amsterdam 26,1, in Kopenhagen 23,1, in Stockholm 26,3, in Christiania 22,8, in St. Petersburg 59,6, in Warschau 36,4, in Odessa 30,4, in Bukarest 37,3, in Rom 42,4 in Turin 36,9, in Athen —, in Lissabon 32,6, in London 23,1, in Glasgow 26,0, in Liverpool 24,7, in Dublin 32,0, in Edinburgh 30,6, in Alexandria (Egypten) 36,1, Ferner aus früheren Wochen in New⸗ York 22,6, in Philadelphia 19,6, in Boston 18,1, in Chicago 13,8, in San Franzisko 18,6, in Calcutta 35,2, in Bombay 45,7, in adras 83,7. . 1 8 Die beim Wochenbeginn in Nord⸗ und Süddeutschland vorherrschen⸗ den nordwestlichen Luftströmungen gingen um die Mitte der Woche all⸗ gemein in südwestliche und in der zweiten Wochenhälfte wieder 1 meist in nordwestliche Windrichtungen über. Der Windwechsel war von Schneestürmen und häufigen Niederschlägen begleitet; die Tem⸗ peratur der Luft sank an den meisten Stationen unter —0 Grad R. (in Conitz bis 3,6 Grad R.). Das Anfangs hohe Barometer sank rasch und tief und stieg nur erst am Schluß der Woche wieder ein wenig. Die Gesammtsterblichkeit ist in den deutschen Städten im Verhältniß zur vorangegangenen Woche etwas geringer geworden. Die Sterblichkeitsverhältnißzahl sank von 29,0 der Vorwoche auf 28,1 (auf 1000 Bewohner und aufs Jahr berechnet) und zeigt in den meisten Städtegruppen, wie auch im Allgemeinen, eine geringe Ab nahme der Sterblichkeit des Säuglingsalters, sowie derjenigen der höheren Altersklassen, nur in den östlichen Städtegruppen, sowie in München, ist die Säuglingssterblichkeit gestiegen. . 1

Unter den Todesursachen zeigen von den Infektionskrankheiten Masern (in Königsberg, Berlin, Pest, Paris) und Darmkatarrhe der Kinder (in Berlin, Wien, München) ein häufigeres Vorkommen. Ty phöse Fieber verliefen im Allgemeinen in Deutschlaud milder. In Bromberg und Stettin tritt der Unterleibstyphus, in Breslau der Flecktyphus epidemisch auf. Aus letzterer Stadt sind in der Be⸗ richtswoche 31 Erkrankungen und 2 Todesfälle, aus Danzig 1 Todes⸗ fall am Flecktyphus gemeldet. Auch in St. Petersburg und Bukarest

27,3, in Karlsruhe 17,3, in

netenkreisen erregte heute die Meldung des „Petit Méridional“,

einige Zeit in der Nähe von Kiew Ruhequartiere beziehe

herrschen diese Epidemien noch heftig. Scharlachfieber und Diphterie