1878 / 77 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Sat, 30 Mar 1878 18:00:01 GMT) scan diff

bewilligen können, sondern müßte beantragen, dieselben noch⸗ mals der Budgetkommission zu überweisen.

Hierauf erwiderte der Präsident des Reichskanzler⸗Amts Staats⸗Minister Hofmann: Eine Abweichung von den ver⸗ tragsmäßigen Verpflichtungen Seitens der Schweiz habe in keiner Weise stattgefunden. Dagegen hätten sich die kon⸗

trahirenden Staaten, die Schweiz, Italien und Deutschland, neuerdings über eine nachträgliche Konvention verständigt, die binnen Kurzem dem Hause vorgelegt werden werde. Nach dieser neuen Konvention sollten allerdings gewisse Theile des Gotthardunternehmens, an welchen die Schweiz ein Interesse habe, vorerst noch nicht ausgeführt, sondern die Mittel haupt⸗ sächlich verwendet werden, um die durchgehende Linie, an der Deutschland hauptsächlich ein Interesse habe, herzustellen. Diese Sache werde ja ausführlich zur Erörterung kommen, wenn die nachträgliche Konvention vorgelegt werden werde. In der Verfahrungsweise der Direktion der Gotthardbahn sei ebenso wenig die Verletzung einer vertragsmäßigen Verpflichtung zu erkennen. Wäre das der Fall, so würde allerdings die deutsche Regierung sich fragen müssen ob sie noch verpflichtet sei hur zahlung der Subvention. Die ungünstige Lage, in welche s Gotthardunternehmen gekommen sei, rühre daher, daß die bisherige Konvention auf einer Grundlage beruhte, welche nicht vollständig zutreffend gewesen sei. Daraus sei die Ueber⸗ schreitung der ursprünglich vorgesehenen Summe gefolgt, das gebe aber keinen Rechtsgrund für Deutschland, sich seinen übernommenen Verpflichtungen zu entziehen.

Nachdem noch der Abg. Gerwig für die Position ge⸗ sprochen, genehmigte das Haus die geforderte Summe.

Für die Unterstützung des deutschen ischerei⸗ vereins zur Förderung der künstlichen Fischzucht sind 10 000 ausgeworfen. Der Abg. Graf von Behr beantragte die Verdoppelung dieser Summe, wenn man ein der Rede werthes Resultat erreichen wolle. Hätte das preußische land⸗ wirthschaftliche Ministerium den Verein nicht in liberalster Weise unterstützt, so wäre seine bisherige Wirksamkeit gar nicht möglich gewesen. Die Abgg. Graf Holstein und Dr. Grothe empfahlen ebenfalls die Genehmigung der doppelten Summe und verwiesen darauf, daß andere Staaten, wie Amerika, die Schweiz und Frankreich, viel größere Summen für die künst⸗ liche Fischzucht bewilligten. Der Abg. Grumbrecht bemerkte, er W1 zielles Gewissen veranlaßt, gegen den Antrag des Abg. Grafen von Behr zu stimmen. Er gönne dem Verein die Unterstützung gern; allein wenn die Regierung nur 10 000 in den Etat einstelle, so habe er keine Ver⸗ anlassung, auf eine Erhöhung einzugehen. Wären 20 000 Feßher worden, dann hätte er sie auch bewilligt. Die Abgg.

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Freiherr von Dücker und von Kardorff empfahlen dagegen den Antrag des Abg. Grafen von Behr. Das Haus entschied sich im Sinne seiner Kommission für die Bewilligung der ge⸗ ringeren Summe von 10 000

Im Titel 8 werden als Beitrag zur Errichtung des all⸗ gemeinen 1““ der Universität Straß⸗ burg als erste Rate 600 000 gefordert. Die Budget⸗ kommission beantragte jedoch nur 100 000 zu bewilligen.

Der Referent Abg. Dr. Kapp empfahl die Annahme des Kommissionsbeschlusses, weil im ersten Jahre die hohe Summe von 600 000 zur Inangriffnahme des Baues nicht ge⸗ braucht werde. Der Abg. Dr. Löwe hob hervor, daß nach dem Urtheile der Sachverständigen mit 100 000 nichts anzu⸗ fangen sei. Man müsse daher die geforderten 600 000 so⸗ fort bewilligen. Nachdem die Nothwendigkeit des Baues allgemein anerkannt sei und die Stadt Straßburg wie auch der Landesausschuß in der Sache die nöthigen Schritte

hätten, dürfe das Reich keine Verzögerung eintreten assen.

Hierauf bemerkte der Bevollmächtigte zum Bundesrath Unter⸗Staatssekretär Hersog; Nachdem der vori⸗ gen Jahre die Nothwendigkeit des Baues in einer Resolution anerkannt, der Landesausschuß einen Beitrag von 2 400 000 bewilligt und die Stadt Straßburg sich bereit erklärt habe, von den Baumaterialien keine Steuern zu erheben, könne eine Verzögerung der Sache durch den Reichstag im Elsaß leicht Mißverständnisse erregen. Der Abg. Frhr. Schenk von Stauf⸗ fenberg befürwortete ebenfalls die Bewilligung der 600 000 ℳ, während der Abg. Dr. Reichensperger (Crefeld) es für noth⸗ wendig erklärte, daß das Haus erst die Baupläne, nachdem sie von deutschen Baumeistern begutachtet worden seien, ein⸗ prüfe, damit etwas Geschmackvolles geschaffen werde.

is dahin genüge die bewilligte Rate von 100 000

Der Unter⸗Staatssekretär Herzog motivirte diese Unter⸗ lassung damit, daß erst die Mittel zur Ausführung des Baues bewilligt sein müßten, bevor man die Baupläne prüfen lassen könne.

Außerdem ergriffen zu dieser Position das Wort die Abgg. .5 Nordeck zur Rabenau, Dr. Lasker, Berger, Dr. von Bun⸗ en, Dr. Beseler, Römer (Hildesheim), Richter (Hagen) und Bergmann.

Der Kommissionsantrag wurde angenommen.

„3Zu Titel 10 beantragte die Kommission den geforderten zu den Kosten des Wiederherstellungsbaues der Katharinenkirche zu Oppenheim a. Rh., erste Rate 16 500 ℳ, zu streichen. ie Abgg. Heyl, Dr. Reichensperger (Crefeld), Frhr. Nordeck zur Rabenau und Dr. Schröder (Friedberg) betonten die Verpflichtung des Reiches, alte nationale Kunstwerke zu er⸗ halten und wünschten die Bewilligung der verhältnißmäßig geringen Summe, während der Referent Abg. Dr. Kapp und der Abg. Richter (Hagen) aus finanziellen Gründen für den Kommissionsantrag eintraten. Nachdem noch der Kom⸗ missar des Bundesraths das Haus ersucht hatte, zur Erfüllung einer nationalen Aufgabe die geforderte geringe Summe zu bewilligen, wurde die Position genehmigt.

Als Beihülfe zur Förderung der auf Erschließung Central⸗ Afrikas gerichteten wissenschaftlichen Bestrebungen werden 100 000 gefordert.

Die Kommission beantragte, dieselben zu streichen. 11“ Referent Abg. Dr. Kapp motivirte den Antrag damit, daß der Kommission die Ziele dieser Bestrebungen nicht ge⸗ nügend klar geworden seien.

z Der Kommissar des Bundesraths bat, die Summe zu be⸗ willigen, damit der deutschen Wissenschaft die Mittel geboten würden, die ihr gebührende Stellung einzunehmen. Die deutsche Gelehrtenwelt zeige für diese großen internationalen Aufgaben augenblicklich ein sehr reges Interesse, welches durch ein ablehnendes Votum des Reichstages, gleichviel aus was für Gründen es auch erfolge, erkalten würde. Das würde namentlich zu bedauern sein in einem Augenblicke, wo die deutschen Forscher weiter als jemals in das Innere Afrikas

b1““

11 5 vorgedrungen nd si vortreffliche Operationsbasis geschaffen hätten.

Die Abgg. Fürst zu ö und Dr. von Bunsen (Hirschberg) unterstützten die Ausführungen des Vor⸗ redners. Nachdem sich der Referent Dr. Kapp nochmals gegen die Bewilligung ausgesprochen hatte, wurde die Position mit 108 gegen 92 Stimmen gestrichen. Schluß 5 Uhr. Nächste Sitzung Montag 11 Uhr.

In der heutigen (26.) Sitzung des Herren⸗ hauses, welche der Präsident, Herzog von Ratibor, um 11 ½ Uhr eröffnete, und welcher die Staats⸗Minister Dr. Leon⸗ hardt und Dr. Friedenthal, sowie der Regierungs⸗Kommissar Geheimer Ober-⸗Finanz⸗Rath Scholz beiwohnten, machte der Präsident die Anzeige, daß Se. Majestät der König die von dem Präsidium im Namen des Hauses dargebrachten Glück⸗ wünsche mit huldreichem Dank entgegen genommen habe, und daß das Haus mittelst Schreibens des Ministers des Innern eingeladen worden sei, sich heute Nachmittag 2 ½ Uhr in dem Sitzungssaale des Abgeordnetenhauses zur Entgegennahme einer Allerhöchsten Botschaft einzufinden.

Dann trat das Haus in die Tagesordnung, deren ein⸗ ziger Gegenstand der mündliche Bericht der Kommission für den Staatshaushalts⸗Etat über den Gesetzentwurf, betreffend die Feststellung eines Nachtrags zum Staatshaus⸗ halts⸗Etat für das Jahr vom 1. April 1878/79, bil⸗ dete. Der Berichterstatter Herr Wilckens stellte Namens der Kommission den Antrag, dem in der vom Hause der Abgeordneten beschlossenen assung die verfassungs⸗ Zustimmung zu ertheilen.

hne Debatte trat das Haus diesem Antrage bei.

Hiermit war die Tagesordnung erledigt.

Blaron Senfft von Pilsach nahm als ältestes anwesendes Mitglied des Hauses das Wort, um dem Präsidenten für die umsichtige und mühevolle Leitung der Geschäfte des Hauses Namens des letzteren den Dank auszusprechen, und die Mit⸗ glieder bethätigten denselben durch Erheben von den Plätzen. Der Präsident antwortete mit auf die opfer⸗ willige Unterstützung, welche er bei den Mitgliedern des Hau⸗ ses gefunden, und knüpfte hieran eine Uebersicht über die der abgelaufenen Session erledigten Geschäfte des

Die Rede, mit welcher der Staats⸗Minister Dr. Frie⸗ denthal in der Abendsitzung des Hauses der Abgeord⸗ neten am Mittwoch, bei der Berathung der Vorlage des Nachtragsetats, die Uebertragung der Verwaltung der Forsten und Domänen an das landwirthschaft⸗ liche Ministerium, den Ausführungen des Abg. Richter gegenüber, befürwortete, hat folgenden Wortlaut:

Meine Herren! Ich werde Ihre Aufmerksamkeit nur kurze Zeit in Anspruch nehmen, aber ich habe die Pflicht, die Vorlage, die ich eingebracht habe, zu vertreten. Ich werde mich in Erfüllung dieser Pflicht durch keine Mühseligkeit, durch keine Schwierigkeit irre machen lassen, ich werde vor dem Lande die Gründe in jedem Stadium der Berathung klar legen, welche mich bei der Zustimmung zu dieser Vorlage bestimmen. Ich werde übrigens nicht dem Herrn Abgeordneten in die Darlegung allgemeiner Gedanken fol⸗ gen, sondern mich nur bemühen, gerade in einzelnen kon⸗ kreten Punkten, wie es heute der Herr Abgeordnete Lasker wünschte, die Vorlage zu vertheidigen. Nach meinem Dafür⸗ halten kommt es bei der Veränderung, die bezüglich der Domänen und Forsten vorgenvommen werden soll, viel weniger auf Wand⸗ lungen in der eigentlichen Verwaltung des Staatseigenthums an. Ich habe wiederholt erklärt, daß in dieser Beziehung auch der Haupt⸗ sache nach die gleichen Gesichtspunkte wie bisher werden in Geltung bleiben müssen. Worin ich die eigentliche Bedeutung dieser Verän⸗ derung erkenne, das besteht darin, daß das Staatshoheitsrecht, welches dahin zielt, die Kulturentwicklung auf verschiedenen wirthschaftlichen Gebieten zu stützen, zu fördern und zu leiten, eine wirksame Hand⸗ babe und üe nothwendige Unterlage bekommt, mehr als gegenwärtig er Fall ist.

Es handelt sich darum, dieses Hoheitsrecht zu verwirklichen, ein⸗ mal dadurch, daß die Aufgaben, die Sie selbst in einer Reihe von Gesetzen auf den Staat übertragen haben, in dem Sinne des Gesetz⸗ gebers gelöst werden. Ich erinnere Sie unter Anderm an das Wald⸗ schutzgesetz, an das Gesetz betreffend die Aufsicht über die Gemeinde⸗ waldungen. Dabei handelt es sich nicht allein und wesentlich um die polizeiliche Seite der Sache, sie würde auch durch die gegen⸗ wärtige Struktion der Behörden mit einigem Erfolge zur Geltung gebracht werden können, sondern es handelt sich ebenso um die pro⸗ duktiven Funktionen, welche jene Gesetze wollen.

Wenn bisher die Bildung der Waldgenossenschaften, die Ein⸗ richtung von Schutzwaldungen, die initiative Thätigkeit, welche nach Ihren Wünschen dahin führen sollte, öde Gemeindeländereien mit Hülfe des Staates und mit Hülfe der Provinzen zu kultiviren, wenn diese Bemühungen nicht den vollen Effekt gehabt haben, den sie haben konnten, so hat es zum Theil gewiß daran gelegen, daß es dem landwirthschaftlichen Ministerium, welches das bezügliche Hoheitsrecht auszuüben hat, an dem geeigneten Beamten⸗ thume fehlte, und solches Beamtenpersonal kann man, prak⸗ tisch genommen, Behufs intensiver Bethätigung schwerlich der Regel nach durch Requisition erlangen. Wer die Verwaltung prak⸗ tisch kennt, wer da weiß, wie doch immerhin nach der menschlichen Natur ein lebhaftes Interesse nur in denjenigen Beamtenkörpern sich findet, welche zu dem Träger einer gewissen Aktion in direkter Be⸗ ziehung als zu ihrem Vorgesetzten stehen, nicht durch Mittel, ohne das Gefühl persönlicher Verantwortung gegenüber dem Chef des Ressorts, wer das kennt, wird mir zugeben, daß solche requisitions⸗ weise Durchführung größerer Dinge gelähmt und unzureichend ist, daß dabei nicht 6 viel E“ als bei einer systematischen Durchführung großer Aufgaben mittelst eigener, in das Ressort orga⸗ nisch eingegliederter Beamten.

Zweitens handelt es sich darum, und das ist ein Punkt, den der Hr. Abg. Richter erwähnt, aber von der entgegengesetzten Seite an⸗ hat. Es handelt sich darum, dasselbe Staatshoheitsrecht im

üteresse der Landeskultur durchzusetzen gegen den größten und aller⸗ mächtigsten Forstbesitzer. Meine Herren, ein Ministerium, wie das landwirthschaftliche, ich sage es ganz offen, ist nicht immer stark genug, um diese seine Aufgabe durchzuführen, einem so potenten Forstbesitzer gegenüber, wie der Fiskus es ist, und das führt zu Uebelständen, die nach meinem Dafürhalten ganz erhebliche Folgen haben, zu Uebelständen, die ich aus meiner ministeriellen Laufbahn kennen gelernt habe, welche daraus erwachsen, daß der Fese sich als ein gleichberechtigter finanzministerieller

aktor gegenüber dem Träger der eigentlichen Souveränitätsrechte des Staates gerirt. Das füͤhrt aber Schäden mit sich, die nach mei⸗ nem Dafürhalten nur auf dem Wege abgestellt werden können, den die Vorlage bietet: das, meine . sind in Wahrheit konkrete Verhältnisse, die ich früher nicht kannte, ehe ich erfahren hatte, wie die Dinge in Wirklichkeit innerhalb der ministeriellen Administration

lägen. Sehr ähnlich Auch in

Sehr verhält es sich mit der Jagdpolizei. jagdpolizeilicher Beziehung würden nach meinem Dafürhalten Zu⸗ stände, über die Sie sich beschweren, mit größerer Energie und

ras cher abgestellt werden können, wenn derjenige, der die Jagd⸗ polizei als Träger des Staatshoheitsrechts verwalket, auch das Recht

ch für künftige Forschungsreisen eine

hätte, theils aus eigener Macht einzuschreiten, theils durch eigene O wendige Maßregeln nachdrücklich zu realisiren. Solche

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Argumentez, meine Herren, ließen sich damit nicht widerlegen, daß man die Abhülfe auf dem Gebiete der Selbstverwaltung suchen soll. Mögen Sie mir Vorwürfe machen, wie Sie wollen, das, glaube ich, wird mir Niemand vorwerfen können, daß ich mich nicht redlich bemüht habe, die Organisation der Thätigkeit meines Ministeriums unter Mit⸗ wirkung selbstthätiger Männer zu versuchen; es ist vielleicht auch ge⸗ lungen, in gewissen Dimensionen Manches zu erreichen und manche wirthschaftliche Bestrebungen zu stärken, die ich für das Land als gedeihlich erachte. Aber es giebt große Gebiete, für die es unmöglich ist, durchgreifende Erfolge auf diesem Wege bzu erreichen. Das ist gerade ein Grund, weshalb sehr viele selbständige Männer, die durchaus durchdrungen sind von dem Wunsche nach Selbstverwaltung, doch das Bedürfniß fühlen, daß dem Landeskultur⸗Ministerium di⸗ rekte Organe zur urchführung seiner Aufgaben zur Verfügung ge⸗ stellt werden mögen; nicht beruht deren Wunsch etwa auf Abneigung gegen die Selbstverwaltung. 8

Was die Vorwürfe betrifft, bezüglich gewisser Omissionen in der Anlage, so wird der Herr Kommissar hierauf antworten, was aber die Frage der Bezirksbehörden betrifft, so erinnere ich den Herrn Abgeordneten daran, daß innerhalb der B ezirksbehörden die ver⸗ schiedensten Ministerien vertreten sind; in derselben Abtheilung des Ministeriums des Innern, der Landwirthschaft, des Kultus (für Medizinal⸗Angelegenheiten), für Handel und so weiter. Die Regierungen sind ungetheilt Träger derjenigen Funktionen, die in den verschiedenen Ministerien wieder ressortweise sich spalten; die Trennung in den Abtheilungen deckt sich in keiner Weise mit der Kompetenzabgrenzung der Ministerien.

Darin hat der Herr Abgeordnete Recht, daß der Veränderung der Oeganisation an oberster Stelle Rechnung wird getragen werden müssen, und hinsichtlich der untergebenen Instanzen, kann ich wohl sagen, daß ich darüber nachgedacht habe. Es liegt nahe, daß der, dem diese Organisationen am Herzen liegen, sich damit beschäftigt, die Konsequenzen davon zu ziehen, und ich bin hierbei zu der Idee ge⸗ langt, man müsse darauf lossteuern, daß in jeder Provinz Provin⸗ zialbehörden eingesetzt werden, welche die Domänen und Forsten und sämmtliche andere landwirthschaftlichen Angelegenheiten, auch die Auseinandersetzungssachen, die letzteren in einer richterlichen Abtheilung für Spruchsachen, ferner Meliorationsangelegenheiten und endlich Alles, was sonst im Laufe unserer Gesetzgebung bezüglich des Wasserrechtes und so weiter in dieser Beziehung sich anschließt, würden zu verwalten haben. Ich würde hierin eine Organisation von weittragender Bedeutung erblicken, ein Kollegium, komponirt aus Juristen, Technikern, aus Verwaltungsmännern und Praktikern, und recht eigentlich dazu bestimmt in allen denjenigen Richtungen, welche die Landeskultur erfordert in innigem Zusammenhage mit der Pro⸗ vinz und deren Selbstverwaltungsorganen zu agiren, wie denn die Pro⸗ vinzen erst eigentlich die korrespondirende Aufgabe haben, die Interessen der Provinzen in wirthschaftlicher Beziehung zu vertreten. Es erscheint mir das als eine natürliche, durch die Verhältnisse gegebene Figur, sehr wohl geschickt, ein harmonisches Zusammenwirken zu fördern, so daß ch allerdings von dieser Perspektire mir erhebliche Vortheile für das Land verspreche, und annehme, daß diese Entwicklung in der Konsequenz desjenigen liegt, was uns heute beschäftigt. Ich will zur Zeit diesen wichtigen Punkt nicht weiter verfolgen. Was die Domänen betrifft, so hat der Abgeordnete Richter vollkommen Recht, daß in dem bezüg⸗ lichen Ressort gewisse Verwaltungen stecken, die ebenso gut von anderen Ministerien geführt werden können. Das ist hier wie da gleich · gültig. Nimmt man überhaupt an, daß eine gewissenhafte Verwaltung bei uns in Preußen das Normale ist, so werden diese Dinge da wie dort gut verwaltet werden können und eine prinzipielle Bedeutung die Unterbringung nicht haben; wenn aber der Hr. Abg. Richter es als etwas so ganz außerhalb der preußischen Staatsgewohnheiten Liegendes bezeichnet, daß die Domänen von anderen Ministerien als vom Finanz⸗Minister verwaltet werden können, so erinnere ich das hohe Haus daran, daß mein Kollege, der Herr Kultus⸗Minister, in seinem Ressort eine ganz ansehnliche Domänenverwaltung hat, die Hanno⸗ versche Klosterkammer und Anderes, daß man von allen Seiten wünscht, daß diese Domänenverwaltung im Kultus⸗Ministerium bleibe, daß von keiner Seite Beschwerde dagegen erhoben worden ist, weder Beschwerden vom finanziellen Gesichtspunkte des Staates, noch Be⸗ schwerden von anderen Seiten, und daß also damit der schlagende thatsächliche Beweis geführt ist, daß erhebliche schwerwiegende Staats⸗ domänenkomplexe von anderen Ministerien als vom Finanz⸗Minister ganz ebenso gut verwaltet werden können, denn man wird doch bei aller Achtung vor dem Kultus⸗Minister nicht behaupten können, daß es an sich natürlicher ist, und 8 diejenigen Herren, die den Kultus⸗ und Unterrichtsangelegenheiten obliegen, von der Vorsehung mehr dazu prädestinirt sind, Domänen zu verwalten, als der landwirth⸗ schaftliche Minister und seine Räthe. 8

Meine Herren! Ich schließe damit, daß ich nochmals, ohne auf das Nähere einzugehen, behaupte, daß, was die Selbstverwaltungs⸗ reform betrifft, prinzipielle Schwankungen nicht stattgefunden haben. Ich habe das neulich und an anderen Stellen darzulegen versucht, muß aber bei jeder Gelegenheit, wo diese Behauptung mir entgegen⸗ tritt, konstatiren, daß ich sie für unrichtig erachte.

Wenn dann der Herr Abgeordnete mir gesagt hat, ich hätte meiner Zusage: „ohne Rast“ doch nicht entsprochen in meiner Thä⸗ tigkeit als stellvertretender Minister des Innern, so meine ich doch, daß er in diesem Urtheile bei seiner im Uebrigen mir gegenüber beobachteten sehr großen Objektivität doch nicht ganz gerecht ist, ich kann versichern, daß von dem Tage an, wo ich hier die Ihnen bekannte Erklärung über die Ausführung der Verwaltungsreform abgegeben habe, nicht ein Tag vergangen ist, wo nicht diese Arbeiten ange⸗ griffen und ununterbrochen fortgeführt wurden. Sie werden noch in dieser Stunde fortgesetzt und werden von mir und, wie ich annehme, von demjenigen, der dazu bestimmt ist, definitiv das Ministerium des Innern zu übernehmen, in demselben Sinne mit unausgesetzter Thä⸗ tigkeit fortgesetzt werden. Ich glaube daher nicht, daß jener Vor⸗ wurf mich treffen kann. Ich wiederhole und bitte, nehmen Sie die Vorlage an, Sie werden nach meinem Dafürhalten alle die Um⸗ stände nicht eintreten sehen, die in diesem Angenblicke mit der Vor⸗ lage verbunden werden, sondern Sie werden gute Erfolge für das Land dadurch herbeiführen.

In der heutigen (75.) Sitzung des Hauses der Abgeordneten, welchee mehrere Regierungs⸗ Kommissarien beiwohnten, gelangte zunächst ein Schreiben des Präsidenten des Staats⸗Ministeriums, betreffend die Be⸗ rufung des Hauses zu einer vereinigten Sitzung beider Häu⸗ ser um 2 ½ Uhr Rachmittags, zur Verlesung.

Die statistische Nachweisung der Kosten der Verwaltung der zusammengesetzten Amtsbezirke und der Kreisausschüsse im Geltungsbereiche der Kreisordnung vom 13. Dezember 1872 wurde durch Kenntnißnahme für erledigt erklärt.

Ohne Debatte erledigte das Haus eine Reihe von Peti⸗ tionen durch Uebergang zur Tagesordnung.

Eine Petition des Bürgervereins der Stadt Schleswig um Einführung der geheimen Abstimmung bei den Kom⸗ munalwahlen wurde der Regierung zur Berücksichtigung über⸗ wiesen. In Bezug auf die Petitionen des Dr. Wiesenthal und der Stadtverordnetenversammlung von Landeck wurden der Kommissionen angenommen. Die Anträge auten:

„Die Petition der Königlichen Staatsregierung mit der Auf⸗ forderung zu überweisen, dahin zu wirken, daß die Statuten der Provinziallandschaft für Pommern mit der Verfassung und der

allgemeinen gesetzlichen Bestimmungen in Einklang gebracht werden.“

und „Die beiden Petitionen der Stadtverordnetenversammlung von Landeck der Königlichen Staatsregierung mit der Aufforderung überweisen, die Verwaltung des Bades Landeck einer Reorganisati

theilhaftig werden zu lassen, welche der Stadt Landeck die Ver⸗

2. Rheinischen Landwehr⸗

waltung des Bades in dem gemeindeverfassungsmäßigen Umfange Murückgiebt, soweit nicht allgemein gesetzliche Bestimmungen dieses ommunale Recht beschränken.“

Die Berathung über den Bericht der Kommission für die

Geschäftsordnung über eine Petition, Vorkehrungen gegen den Mißbrauch der Redefreiheit Seitens der Mitglieder des Abge⸗ ordnetenhaufes betreffend, wurde von der Tagesordnung wegen Abwesenheit des Referenten abgesetzt.

Nachdem der Präsident von Bennigsen die übliche Ueber⸗ sicht über die Geschäftsthätigkeit des Hauses gegeben, sprach der Abg. v. Bonin dem Präsidenten den Dank des Hauses sür seine aufopfernde und unparteiliche Geschäftsleitung aus, welchen Dank der Präsident im Namen des Bureaus entgegennahm. Derselbe forderte sodann das Haus auf, mit ihm in den gewohnten Ruf der Treue und Chrer⸗ bietung einzustimmen: Se. Majestät der Kaiser, König Wilhelm von Preußen, Er lebe 85 Die Versamm⸗ lung stimmte dreimal begeistert in den Ruf ein und trennte sich um Uhr, um sich um 2 ½ Uhr mit dem Herrenhause unter dem Vorsitz des Präsidenten des letzteren zum Empfang einer Allerhöchsten Botschaft zu einer gemeinsamen Sitzung und zur Schließung der Session noch einmal zu vereinigen.

In der vereinigten Sitzung beider Häuser des Landtages, welcher am Ministertische die Staats⸗ Minister Dr. Leonhardt, Dr. Falk, von Kameke, Dr. Frieden⸗ thal und Hofmann beiwohnten, übernahm der Präsident Herzog von Ratibor den Vorsitz und ernannte zu Schrift⸗ führern die Mitglieder des Herrenhauses Herrn Theune und Graf von Borcke, sowie die Abgeordneten Graf Schmising⸗ Kerssenbrock und Beisert.

Der Justiz⸗Minister Dr. Leonhardt verlas darauf die Allerhöchste Botschaft, die ihn ermächtigte, die Session zu schließen und sprach den Schluß aus. 8

Die Mitglieder trennten sich, nachdem sie dreimal in das vom Herzog von Ratibor ausgebrachte Hoch auf Se. Majestät den Kaiser begeistert eingestimmt hatten, um 2 ¼ Uhr. 2

Der Staatsarchivar Dr. Goetze zu Idstein ist ge⸗ storben. Der Archiv⸗Assistent Dr. von Eicken ist von Coblenz nach Düsseldorf, und der Archiv⸗Hülfsarbeiter, Kammergerichts⸗Referendar a. D. Dr. jur. Goorg Sello von Breslau an das Geheime Staatsarchiv in Berlin versetzt worden.

Die Vorschrift des §. 58 Nr. 1 der Ersatz⸗Instruktion von 1868, daß angeblich Verstorbene nur in dem Falle aus der Stammrolle weggelassen werden dürfen, wenn deren Ableben amtlich bescheinigt worden, ist, nach einem Cirkular⸗ erlaß des Ministers des Innern und des Kriegs⸗Ministers vom 4. d. M., in die Ersatzordnung vom 28. September 1875 ab⸗ sichtlich nicht Bbernommen worden, und die Streichung solcher Personen durch §. 45 Nr. 14 a. a. O. lediglich von der Ge⸗ nehmigung des Civilvorsitzenden der Ersatzkommission ab⸗ hängig gemacht. Ueber die Grundsätze, nach welchen der Letz⸗ tere hierbei zu verfahren hat, lassen sich, wie in dem Erlaß ausgeführt wird, bei der großen Verschiedenartigkeit der vor⸗ Fälle, allgemeine Bestimmungen nicht treffen, viel⸗ mehr müsse es der gewissenhaften Beurtheilung der Civil⸗ vorsitzenden überlassen bleiben, in welcher Weise sie sich von der Wahrheit oder einer hinreichenden Wahrscheinlichkeit der behaupteten Todesfälle zu überzeugen haben. In den meisten Fällen werde hierzu die Vernehmung der betreffenden Ver⸗ wandten oder anderer glaubhafter Personen den erforderlichen Anhalt gewähren, und hinsichtlich der im Auslande Ver⸗ storbenen die Beschaffung von amtlichen Attesten, mit Rücksicht auf die daraus erfahrungsmäßig erwachsen⸗ den bedeutenden Kosten, möglichst zu vermeiden sein. Inso⸗ fern es jedoch nicht vermieden werden könne, zu dem in Rede stehenden Zwecke die Mitwirkung der diplomatischen Organe im Auslande in Anspruch zu nehmen, sei der direkte Schrift⸗ wechsel mit denselben unstatthaft.

In diesem Jahre werden Generalstabs⸗Uebungs⸗ reisen bei dem Garde⸗Corps, dem I., II., III., IV., VII., VIII., IX., X. und XIV. Armee⸗Corps stattfinden.

Am 1. Juli d. J. wird das Stabsquartier des 1. Bataillons (Eberswalde) 7. Brandenburgischen Landwehr⸗ Regiments Nr. 60 von Eberswalde nach Bernau verlegt werden, und hat vom gedachten Zeitpunkte ab das genannte Bataillon die Bezeichuung 1. Bataillon (Bernau) 7. Brandenburgischen Landwehr⸗ Regiments Nr. 60 anzunehmen. Gleichzeitig wird das Stabsquartier des 2. Bataillons (Brühl) 2. Rheinischen Landwehr⸗Regiments Nr. 28 von Brühl nach Bonn verlegt werden, und nimmt dieses Bataillon die Bezeichnung 2. Bataillon (Bonn) egiments Nr. 28 an.

Das neu crbaute 2. Garnison⸗Lazareth Berlin bei Tempelhof wird am 5. April d. J. eröffnet, und gehen von da ab die für einzelne Truppentheile hiesiger Garnisön

bestehenden Spezial⸗Lazarethe ein. Das bisherige Garnison⸗ Lazareth, Scharnhorststraße 11 hierselbst, wird ferner die Be⸗ zeichnung 1. Gaxnison⸗Lazareth Berlin führen.

en. Meiningen, 27. März. Heute fand der feierliche Einzug der Hohen Erbprinzlichen Herrschaften steatt, welche mittelst Extra⸗ zuges der Werrabahn Nachmittags um 5 Uhr hier eingetroffen waren. In Eisenach waren Höchstdieselben im Auftrage Sr. Hoheit des Herzogs von dem Wirklichen Rath von Uttenhoven und dem zum Ehrendienste befohlenen Kammer⸗ herrn, Regierungs⸗Rath von Buttler begrüßt worden. „Auf dem hiesigen Bahnhofe geschah dies Seitens der höchsten Hofchargen, des Offiziercorpgs, der höheren Reichs⸗ und Staatsbeamten, sowie des Ober⸗Bürgermeisters der Re⸗ sidenzstadt, unter dem Donner der Kanonen und dem Festgeläute. Die Erbprinzlichen Herrschaften fuhren in einem 6 spännigen Wagen, unter Vorritt zweier Reitknechte, des Stallmeisters und des Oberbereiters; an den beiden Seiten des Wagens ritten der Ober⸗Stallmeister und der Regiments⸗

Commandeur. Den Hohen Herrschaften voraus fuhren die

eiden nach Eisenach abgeordnet gewesenen Beamten in einem 4spännigen Wagen; das Gefolge folgte gleichfalls in einem 4spännigen Wagen. Dicht vor der Stadt war eine pracht⸗ volle Ehrenpforte erbaut; daselbst bewillkommnete die Geist⸗ lichkeit die Hohen Herrschaften, und Meininger Jungfrauen überreichten einen Blumenstrauß. Vor dem Schlosse machte eine Ehrenwache, unter Führung eines Haupt⸗ manns, die Honneurs. Am Hauptportale wurde das Erbprinzliche Paar von Sr. Hoheit dem regierenden Herzog Georg, dem Herzog Bernhard, den Prinzen Ernst und Friedrich, sowie dem Staats⸗Minister und den Hofstaaten, im Haupt⸗ portale aber von der Herzogin Marie und der Prinzessin

Marie und deren Hofstaaten erwartet. Später fanden die er⸗ forderlichen Vorstellungen statt. Einige Stunden darauf stat⸗ tete das erbprinzliche Paar dem Herzog Bernhard und der Herzogin Marie einen Besuch ab und nahm dann die Illumi⸗ nation in Augenschein. Die Gebäude waren festlich geschmückt; die Illumination war prächtig. Um 9 Uhr Abends brachten hiesige Vereine und Bürger den Hohen Neuvermählten ein Ständchen mit glänzendem Fackelzuge dar.

Oesterreich⸗Ungarn. Wien, 29. März. (W. T. B.) Das Herrenhaus hat heute das Budget, das Finanz⸗ gesetz und die Vorlage, betreffend die Verlängerung des Ausgleichsprovisoriums bis Ende Mai d. J. ohne Debatte in zweiter und dritter Lesung angenommen.

(W. T. B.) General Ignatieff hatte heute eine vierstündige Konferenz mit dem Grafen Andrassy. Wie verlautet, würde der General morgen abreisen.

(W. T. B.) Die „Polit. Korresp.“ meldet: Ungeachtet des schroffen Gegensatzes zwischen Lon⸗ don und St. Petersburg dauern die Bemühungen von dritter Seite, um den Zusammentritt des Kongresses zu ermöglichen, fort. Auch der Rücktritt Lord Derby's scheint diese Bemühungen nicht zu lähmen. Trotzdem ist es gewagt, diesen vorzugsweise auf Auffindung eines Mittelweges gerichteten Bestrebungen, wodurch eine An⸗ näherung der gegnerischen Standpunkte bewirkt werden soll, ein günstiges Horoskop zu stellen. 1

(W. T. B.) Der „Pol. Korr.“ gehen folgende Mel⸗ dungen zu: Aus Athen: Die Insurgenten vom Pelion sind von 8000 Mann türkischer Truppen angegriffen worden; gleichwohl hat Hobart Pascha mit neue Verhandlungen angeknüpft und denselben bis zur Ent⸗ scheidung Europas Waffenruhe angeboten, wenn die aus Griechenland gekommenen Schaaren dorthin zurückkehren würden. Die Insurgenten wollen hierauf nur eingehen, wenn Hobart Pascha sich bereit erklärt, im Namen der Pforte die

rovisorische Regierung von Thessalien anzuerkennen. Aus Konstantinopel: Zwischen den Einflüssen Englands und Rußlands machen sich heftige Kolli⸗ sionen bemerkbar, die in den türkischen Regierungs⸗ kreisen starke Schwankungen erzeugen. Aus Bukarest: Dem Vernehmen nach sind zwei russische Kavallerie⸗ Divisionen beordert, demnächst aus Bulgarien nach Rumänien zurückzukehren, um die strategische Linie Sinaia⸗ Predeal zu besetzen. Nach der Rückkehr Bratiano’'s aus Wien, wohin derselbe zu Verhandlungen mit dem dortigen Kabinete gereist ist, dürfte wie es heißt eine Kabinets⸗ änderung stattfinden, indem Cogalniceanu zurücktreten und Bratiano dessen Posten als Minister des Auswärtigen, Demeter Stourdza aber die Finanzen, Campineano das Justiz⸗, Oberst Dabischa das Kriegs⸗Ministerium über⸗ nehmen würde. 8 1

Pest, 29. März. (W. T. B.) Wie der „Pester Lloyd“ meldet, hätte die vom Grafen Andrassy aus höheren Offizieren des Generalstabes zusammen⸗ gesetzte Kommission unter dem Vorsitz des Chefs des Generalstabs, Baron Schönfeld, ihr Gutachten über den russisch⸗türkischen Friedensvertrag abgegeben und erklärt, daß derselbe als die österreichisch⸗ ungarischen

nteressen tangirend anzusehen sei. Um die nüchtheihihen

irkungen desselben zu paralysiren und event. die österreichisch⸗ ungarischen Interessen zu wahren, müsse Oesterreih⸗Ungarn, bei einer etwaigen vollständigen Aufrechterhaltung des Ver⸗ trages, entweder durch direkte Eroberung oder durch Verträge die Ausdehnung seiner militärischen Machtsphäre über Ser⸗ bien, Montenegro, Bosnien und Albanien zur Durchführung bringen.

Großbritannien und Irland. London, 29. März. (W. T. B.) Im Oberhause theilte heute Lord Beacons⸗ field mit, die diplomatische Korrespondenz, deren Vorlegung die Regierung zugesichert habe, beschränke sich nicht blos auf den Schriftwechsel mit Rußland, sondern umfasse auch alle Schriftstücke, betreffs der österreichischen Kon⸗ greßvorschläge. 11.“

Im Unterhause erklärte in Beantwortung einer An⸗ frage Hartingrons der Schatzkanzler Northcote, der Grund, weshalb sich die zugesagte Vorlegung der gestern erwähnten diplomatischen Korrespondenz verzögert habe, liege darin, daß die zur Veröffentlichung erforder iche zastemmeume einiger Mächte noch fehle; er hoffe, die

orrespondenz könne dem Hause morgen mitgetheilt werden. Uebrigens sei das Wesentliche und der Kernpunkt des Schrift⸗ wechsels in den gestern verlesenen Auszügen enthalten ge⸗ wesen. Die Botschaft der Königin wegen Einbe⸗ rufung der Reserve werde, wie er hoffe, dem Hause am Montag zugehen, die Debatte darüber könne am darauf folgenden Montag stattfinden. Da es das erste Mal sei, daß ein solcher Schritt geschehe, sei es wünscheswerth, den besten Modus der geschäftlichen Behandlung festzustellen. Lefevre brachte die Veröffentlichung des auf Kreta bezüglichen diplomatischen Schriftwechsels in Erinnerung. Der Unter⸗Staats⸗Sekretär Bourke wiederholte seine frühe⸗ ren bezüglichen Erklärungen und fügte hinzu, Lord Derby habe eine Veröffentlichung des Schriftwechsels als nicht im Interesse der Kretenser liegend angesehen; die Konsuln hätten mit den Lokalbehörden delikate Unter andlungen gepflogen, durch welche der Waffenstillstand herbeigeführt worden sei. Er hoffe indeß, der gedachte Schriftwechsel könne so bald als möglich vorgelegt werden. Courtney lenkte die Aufmerk⸗ samkeit des Hauses auf die Verträge von 1856 und 1871 und erklärte, nach diesen Verträgen sei Englands unnach⸗ iebige, schroffe Stellung dem Kongreß gegenüber ohne Basis und der Vorbehalt Rußlands ein gerechtfertigter. Der Schatzkanzler bat, die Debatte hierüber bis 8 zu unterlassen, wo der Schriftwechsel vorgelegt sei. Gegenüber den Ausstellungen Rylands und Campbells theilte der Schatzkanzler Northcote die Gründe mit, weshalb Wilson die Erlaubniß ertheilt worden sei, den Khedive bei Regelung der Finanzen zu unterstützen. Der Khedive habe der englischen Regierung vorgestellt, daß er ohne Hülfe bei der Regelung der Finanzangelegenheiten viel⸗ leicht seinen Verpflichtungen, darunter der Zahlung des Tributs, nicht nachkommen könne. Die französische Regierung habe ihren Beamten gestattet, Lesseps beizustehen; England wollte, um Verwickelungen vorzubeugen, in Uebereinstimmung mit Feüntpeich handeln und ertheilte deshalb Wilson die gleiche

Erlaubniß. In der Abendsitzung wies der Marquis von Har⸗

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tington darauf hin, daß es nicht genüge, nur den mit Rußland geführten Schriftwechsel dem Hause vorzulegen; es müsse doch auch ein Meinungsaustausch mit Deutschland, Oesterreich und den übrigen Kabineten stattgefunden haben, und der hierauf bezügliche en⸗ müsse dem Hause ebenfalls vorgelegt werden, damit dasselbe nicht nur die Hal⸗ tung der englischen h sondern die ganze Sache und besonders die Haltung der übrigen Mächte beurtheilen könne. Der Rücktritt des Grafen Derby lasse dies um so nothwendiger erscheinen. Die am Montag erwartete Boischaft der Königin, welche die gegenwärtigen Verhältnisse darlegen solle, müsse entweder den Krieg als unmittelbar bevorstehend andeuten oder zeigen, daß die Krisis auf das Aeußerste ge⸗ kommen sei. Die Erwägung der Botschaft, welche schleunigst erfolgen solle, sei ohne genaue Kenntniß der Sachlage, ins⸗ besondere ohne Kenntniß der Ansichten der Großmächte, un⸗ möglich. Die Regierung stehe, wie zuvor während der Wirren im Orient, ganz isolirt da. Er richte daher die Anfrage an die Regierung, ob der gesammte auf den Kongreß be⸗ zügliche Schriftwechsel dem Hause vorgelegt werden solle. Der Schatzkanzler Northcote erklärte, das Kabinet habe erst am 27. März die letzte Antwort der russischen Regierung erwogen und sich zu dem bereits bekannten Schritte entschlossen, worauf Graf Derby sofort seine Entlassung genommen habe. Die Regierung habe deshalb beschlossen, ihren Entschluß sofort miczutheilen, um Mißverständnissen vorzubeugen; insbesondere solle der Schriftwechsel, welcher die größtmögliche Information enthält, vorgelegt werden. Eine Diskussion über denselben sei indessen unzweckmäßig, bis er dem Hause zugegangen sei. Die Vorlegung des Budgets solle auf den 8. April vertagt werden, damit die Diskussion über die Königliche Botschaft bereits am Donnerstag stattfinden könne. Die Regierung fühle die Zeit gekommen, wo ein entscheidender Schritt nothwendig sei und wo das Parlament um Rath gefragt werden müsse. Seit zwei Jahren sei der Zustand in der Türkei und in Südeuropa ein Gegenstand großer Besorgniß für alle europäischen Mächte. Die Türkei sei lange Jahre hin⸗ durch nach den Verträgen verwaltet worden, an denen die Großmächte partizipirten; die jüngsten Ereignisse hätten jedoch die Kraft jener Verträge beseitigt, und der letzte Krieg habe zu einem russisch⸗türkischen Arrangement geführt; es sei nicht nur billig, sondern sogar nothwendig, das jetzige Verhältniß zu prüfen und festzustellen, was ge⸗ schehen solle. Die Regierung wollte keine Hindernisse her⸗ beiführen und wünschte, daß das neu zu treffende Arrangement auf dem russisch⸗türkischen Friedensvertrag basire, und daß dieser Vertrag die Basis für die Verhandlungen auf dem Kongreß bilden solle Es handele sich in den entstandenen Schwierigkeiten nicht um eine einfache Formfrage. Die Regierung bedauere den Eintritt der Schwierigkeiten lebhaft; sie habe ihr Mög⸗ lichstes gethan, um denselben zu verhüten, und bedauere, daß kein befriedigendes Resultat erzielt worden sei. Die Regierun müsse indessen erwägen, was die Interessen des Landes erfor dern, und müsse mit sich darüber zu Rathe gehen, was die Stellung des Landes als Großmacht erfordere, und zwar von dem Gesichtspunkte aus, daß England mit den übrigen Mäch⸗ ten ein europäisches Arrangement getroffen habe. Die Regie⸗ rung müsse ferner auch die besonderen Interessen Englands in Erwägung ziehen und prüfen, ob England jene Interessen mittels einer Konferenz oder auf andere Weise behaupten solle. Gladstone sprach sein Erstaunen darüber aus, daß obwohl der Schatzkanzler Northcote die Diskussion in rich tigem Takte perhorrescire, bis alle Umstände Bekannt seien er selbst hiervon abgewichen sei, und die von der Regierung getroffenen Maßregeln entwickelt und gerechtfertigt habe, ohne eine Diskussion hierüber zu gestatten; er sei gezwungen, gegen das Verhalten Northcote's zu protestiren, das Haus durch eine allgemeine Erklärung zu beeinflussen. Er (Glad stoͤne) habe zu wenig Kenntniß von der Sachlage, um sich ein endgiltiges Urtheil zu gestatten, allein soweit sich aus der gestrigen Mittheilung des Schatzkanzlers ergebe, könne er nicht zugestehen, daß der Bericht über die Politik des Kabinets genau sei, er fürchte die Genauigkeit bestreiten zu müssen. Er hoffe, daß noch weiter Details gegeben werden würden; dann würde man ersehen können, weshalb England allein, ohne Mitwirkung der Mächte, für das Scheitern des Kongresses ver antwortlich sei. Nach einer weiteren kurzen Debatte wurde der Gegenstand erledigt.

30. März. (W. T. B.) Lord Salisbury ist zum Staatssekretär des Auswärtigen ernannt worden. An seine Stelle als Staatssekretär für Indien tritt der Kriegs⸗Minister Hardy, der wahrscheinlich zum Pair er⸗ hoben werden wird. Der bisherige Unter⸗ Staatssekretär Stanley wird Nachfolger Hardy's im Staatssekretariate für den Krieg. Die „Times“ bespricht die Ernennung Lord Salisbury's zumStaatssekretär des Auswärtigen und meint, dieselbe sei dazu angethan, weitere Unterhandlungen zu er⸗ leichtern, und könne als ein Unterpfand dafür gelten, daß keine feind⸗ seligen Maßregeln gegen Rußland werfffen würden. Die „Morningpost“ schreibt anscheinend of ziös, der Umstand, daß England positiv eine kühne Front eingenommen habe, biete eine billige Aussicht auf Erhaltung des Es sei höchst wahrscheinlich, daß Rußland sich durch seine übereilte feindselige Bewegung, die einen allgemeinen Krieg erzeugen könnte, in entschiedenes Unrecht stelle, und das direkte Resultat der Politik Englands werde somit ein starkes Bestreben sein, die Schwierigkeiten zu heben und den Frieden zu sichern. Wie das Blatt erfährt, würde übrigens die Einberufung der Reserven von den Radikalen im Unterhause bekämpft werden; auch glaubt dasselbe zu wissen, daß sich General Ignatieff auch nach Berlin und Paris begeben werde. Die „Daily News“ melden aus Konstantinopel von gestern, die Türken hätten Kavak evakuirt. Ein Tele⸗ gramm des „Standard“ aus Konstantinopel, vom 27. d. M., besagt, Nelidoff habe eine Note an die Pforte gerichtet und darin den Abzug der britischen Flotte aus der Nachbarschaft von Konstantinopel verlangt. Savfet Pascha habe die Note dem Botschafter Layard übermittelt, der in Gemäßheit der ihm von der britischen Regierung er⸗ theilten Instruktionen erwidert habe, die Flotte werde so lange bleiben, bis auch die Russen aus der Umgebung von Kon⸗ stantinopel abgegangen seien. Die Pforte habe Nelidoff ohne jede weitere Bemerkung diese Antwort Layards zugestellt.

Frankreich. Paris, 28. März. (Fr. C.) Ein Dekret des Präsidenten der Republik verfügt wieder Straf⸗ erlasse oder Umwandlungen für 41 Kommuneverurtheilte. Von den Sozialdemokraten, gegen welche in den