1878 / 89 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Sat, 13 Apr 1878 18:00:01 GMT) scan diff

Beamten und ausgezeichneten Stützen der ganzen Verwaltung hoffe er, daß diesen Postbeamten die Mehrforderung als Oster⸗ gabe werde. .

Der g. von Bernuth betonte die großen Verdienste der Ober⸗Post⸗ und Posträthe, deren Arbeitslast jetzt noch durch die Vertretung ihrer Chefs in den betreffenden Ressorts gesteigert werde, und empfahl deshalb die Mehrbewilligung.

Der Abg. Berger wünschte, daß gerade aus dem ten Grunde das Haus bei seinem früheren Beschluß stehen blei⸗ ben möge. .

Der General⸗Postmeister be te dagegen, es seien auch

im vorliegenden Etat für die niederen Beamten verschiedene höhere Summen ausgeworfen: so seien Sekretäre zu Ober⸗ Sekretären, Assistenten zu Ober⸗Assistenten ꝛc. avancirt, was mit erheblichen Gehaltsaufbesserungen verbunden gewesen sei. Die Petitionen seien diesmal einer sehr eingehenden Prüfung unterworfen worden, welche ergeben habe, daß sie nicht be⸗ ründet seien. Namentlich sei die Beschwerde der niederen B daß sie in Bezug auf den Durchschnittsgehalt hinter den Beamten anderer Verwaltungszweige zurückständen, völlig aus der Luft gegriffen.

Der Antrag auf Bewilligung der Mehrforderung wurde mit schwacher Majorität abgelehnt. 3

Zu dem Etat der Einnahmen aus der Reichsbank be⸗ antragte der Abg. Richter (Hagen), den Voranschlag von 1 500 000 auf 2 000 000 zu erhöhen.

Der Direktor im Reichskanzler⸗Amt, Dr. Michaelis, er⸗ klärte sich mit dieser Modifikation auf Grund der bisher er⸗ zielten Erträge einverstanden, worauf dieselbe vom Hause ge⸗ nehmigt wurde. 8

Das Haus hatte in dritter Lesung im Vergleich mit den Beschlüssen der zweiten eine Mehrausgabe im Ganzen von 537 000 und eine von 500 000 beschlossen; es blieb also eine Mehrausgabe von 37 000 ℳ, in Folge dessen die Matrikularbeiträge von 87 108 516 auf 87 145 516 Mark erhöht wurden. e

Im 8§. 1 des Etatsgesetzes balancirt der Etat in Ein⸗ nghme und Ausgabe mit 536 496 800 ℳ, und zwar mit 415 508 755 an fortdauernden und 120 988 045 an ein⸗ maligen Ausggaben. Auf den Antrag des Abg. von Benda wurde diesem Paragraphen hinzugefügt: „Die Vertheilung der unter Kapitel 20 der Einnahmen in einer Summe festgestellten Matrikularbeiträge auf die einzelnen Bundesstaaten wird durch besonderes Gesetz geregelt.“

Die übrigen Paragraphen des Etatsgesetzes wurden ohne Debatte nach den Beschlüssen zweiter Lesung genehmigt und war damit die dritte Berathung des Etats beendigt.

Bevor zur Abstimmung über den ganzen Etat geschritten wurde, genehmigte das Haus ohne Debatte nach den Beschlüs⸗ sen zweiter Lesung den Gesetzentwurf, betreffend die Erspar⸗ nisse aus den von Frankreich für die deutschen“ Okkupationstruppen gezahlten Verpflegungs⸗

eldern (die auf Bayern aus diesem Fonds entfallende Duote beträgt nach Art. III. 613 500 ℳ); ferner den Gesetz⸗ entwurf, betr. die Aufnahme einer Anleihe für Zwecke der Verwaltungen der Post und Deleg raphen, der Marine, des Reichsheeres und zur Durchführung der Münzreform.

Sodann genehmigte das Haus in einer Gesammtabstim⸗ mung alle drei Gesetzentwürfe definitiv im Ganzen.

Auf den Antrag des Abg. Dr. Marquardsen wählte das Haus zum Mitglied der E“ an Stelle des ausgeschiedenen Abg. Dr. Wehrenpfennig durch Akkla⸗ mation den Abg. von Bunsen (Hirschberg), welcher die auf ihn gefallene Wahl annahm.

Ehe das Haus zum folgenden Gegenstand der Tages⸗ ordnung überging, beantragte der Abg. von Kardorff die Ver⸗ tagung, welche das Haus jedoch ablehnte.

1 Der zur Berathung stehende Antrag Buhl⸗Lasker autet:

„In Veranlassung der in der Verhandlung vom 5. April 1878 von Seiten des Bundesraths gemachren Mittheilung, daß derselbe beabsichtigt, den Essig, welcher aus den süddeutschen Staaten in die Staaten der Eö11““ eingeht, einer Ueber⸗

angsabgabe zu unterwerfen, erklärt der Reichstag: daß die Eeeegrun dieser Uebergangsabgabe nur im Wege der Reichsgesetzgebung erfolgen kann.“

Einen Antrag des Abg. von Kardorff, den Gegenstand von der Tagesordnung abzusetzen, lehnte das Haus ab.

Der Abg. Dr. Buhl motipirte nunmehr seinen Antrag unter Hinweis auf die Verhandlungen vom 5. April gelegent⸗ lich seiner Interpellation. Der Abg. von Kardorff beantragte, statt der gesperrten Schlußworte zu setzen:

ebescplleßt der Reichstag, den Reichskanzler zu ersuchen, die Beseitigung der hervorgetretenen Ueb. Istände im Wege der Reichs⸗ gesetzgebung veranlassen zu wollen.“

Der Redner empfahl diese Fassung als die mildere; denn man müsse doch anerkennen, daß der Bundesrath bona fide

azu gekommen sei, den Weg der Verordnung als zulässig zu erachten. Eine Abhülfe sei aber dringend nothwendig. Der Abg. Dr. Löwe trat für den Antrag Buhl ein, der zweck⸗ mäßiger Weise feststelle, daß eine esetzliche Regelung der Sache zu afen habe. Das beste Mittel wäre aber, wenn Norddeutschland die bayerische Bier⸗ und Süddeutschland die norddeutsche Branntweinsteuer einführe. Der Abg. Frhr. Nordeck zur Rabenau erklärte, er halte es für den besten Aus⸗ weg, wenn für den zur Essigfabrikation verwendeten Spiritus Bonifikation gezahlt würde, nicht nur in Süddeutschland, son⸗ dern auch im Gebiete der Branntweinsteuergemeinschaft. Der Abg. Dr. Lasker bemerkte, ihm sei gesagt worden, daß dem Reichs⸗ tage gestern eine Erklärung darüber sollte gegeben werden, ob dem Reichstage eine Vorlage über diese Frage zugehen solle. Er hätte auch erwartet, daß mitgetheilt würde, woher man das Recht zu einer solchen Verordnung ableite. Daß Spiritus und Efsig identisch sei, könne doch behauptet werden; am allerwenigsten, wenn der Essig aus urrogaten, wie Wein oder Obst, bereitet werde. Die bestehenden Miß⸗ stände erkenne er an; aber die Sache sei doch noch viel zu dunkel, als daß man deswegen ein Gesetz verlangen könnte.

Der Präsident des Reichskanzler⸗Amts, Staats⸗Minister Hofmann, antwortete hierauf, wenn der Vorredner vermisse, daß er (der Minister) jetzt die Gründe, welche den Bundes⸗ rath zu seiner Annahme, daß die Sache im Wege der Ver⸗ ordnung geregelt werden könne, veranlaßt hätten, nicht wieder⸗ um rarheshes habe, so bemerke er doch, daß er dies bei Ge⸗ legenheit der Interpellation ausführlich gethan habe. Der Abg. Dr. Buhl habe auch vollständig davon ahtseen, i Gründe zu widerlegen und sich blos an den Standpunkt ge tellt, daß die vv. rung dieser Uebergangsabgabe nicht zweckmäßig sei. Es handele sich doch nicht um Einführung einer neuen Steuer, sondern nur um die Anwendung einer schon bestehenden.

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Essig und Spiritus seien allerdings nicht identisch, aber auf dem aus Spiritus bereiteten Essig ruhe eben die Branntwein⸗ steuer. Cölnisches Wasser und 52 seien auch nicht identisch und trogdem erkenne ein Ober⸗Tribunalserkenntniß ausdrücklich an, daß es zulässig sei, von Cölnischem Wasser eine solche Uebergangsabgabe zu erheben. Es seien nämlich von Mainz mehrere Fässer als Spiritus deklarirt mit Steuervergütung nach Ludwigshafen ex⸗ portirt worden, die nachher steuerfrei als Parfümerien wieder epa. eingeführt werden sollen. Auf Grund dieses Falles ätten die Ereuerbehörden dies Erkenntniß des Ober⸗Tribunals extrahirt. Wenn der Antrag Buhl angenommen werde, so werde der Bundesrath die in den Debatten vorgebrachten Gründe prüfen; er glaube aber annehmen zu dürfen, daß mit der Annahme des Antrages nicht ausgesprochen sein solle, daß die Beschwerden der Essigfabrikanten erst dann erledigt werden sollten, wenn eine Unifikation der Branntweinsteuer eintreten werde.

Der Abg. Stumm bat, dem Antrage von Kardorff zuzu⸗ stimmen, der dem Zweck viel besser entspreche, als der Antrag Buhl⸗Lasker, da der letztere gar nicht das Bedürfniß einer Be⸗ seitigung des allseitig anerkannten Nothstandes betone. Der Abg. Dr. Lasker stellte der Motivirung des Präsidenten des Reichskanzler⸗Amts Hofmann den Einwand entgegen, daß man auch den nicht aus Spiritus hergestellten Essig einer Uebergangsabgabe zu unterwerfen beabsichtige, die doch gewiß nicht den Charakter der Spiritussteuer trage. Der Antrag des Abg. von Kardorff habe den Mangel, daß er nicht be⸗ stimmt ausspreche, was der Reichstag wolle, das Haus möge deshalb seinen eigenen Antrag annehmen, der Bundesrath werde dann Gelegenheit haben, noch einmal zu erwägen, ob er den Verordnungsweg wählen solle. 1

Der Präsident des Reichskanzler⸗Amts erwiderte dem Vorredner, daß auch schon jetzt bei der Ausfuhr Essig aller Art eine Spiritusbonifikation erhalte.

Der Antrag Buhl⸗Lasker wurde hierauf angenommen. Damit war die Tagesordnung erledigt.

Der Präsident von Forckenbeck theilte mit, daß dem Hause Seitens des Chefs der Admiralität cine Einladung nach Kiel zugegangen sei. Der Gesammtvorstand habe jedoch mit Rücksicht auf die schwierige Geschäftslage beschlossen, dem Hause zu empfehlen, die Reise nicht in corpore zu machen, sondern bei dem stattfindenden Stapellaufe sich durch eine De⸗ putation, bestehend aus dem Präsidenten, 2 Schriftführern und 14 Mitgliedern vertreten zu lassen.

Das Haus trat diesem Vorschlage bei und vertagte sich ohann um 3 Uhr bis Dienstag, den 30. April, Nachmittags 1 r.

Die Rede, mit welcher der General Postmeister Dr. Stephan in der gestrigen Sitzung des Reichstages die Berathung über den die Sonntagsfeier der Post⸗ und Tele⸗ graphenbeamten betreffenden Antrag des Abg. Lingens ein⸗ leitete, hat folgenden Wortlaut:

Meine Herren! Ich will zunächst auf den Vortheil Verzicht leisten, den mir der geehrte Herr Antragsteller durch die Citirung der letzten Autorität für seine Ausführungen Napoleons I. eingeräumt hat. Wenn er für seine sonstigen Ansichten und Anträge die Worte und namentlich die Thaten des ersten Konsuls und nachher des Kaisers Napoleon anführen wollte, so glaube ich, würde er doch jedenfalls in sehr ernste Verlegenheiten gerathen. 28

Meine Herren! Ich weiß nicht, ob ein Eindruck hier auf einigen Seiten des Hen. getheilt wird, als ob ich mit diesem Eindruck allein dastehe, den ich beim Lesen der mir gestern zugegan⸗ genen Resolution empfangen habe; es war der einer gewissen Ueberraschung, daß eine Frage von dieser eminenten Tragweite, von dieser großen Bedeutung zum Austrag gebracht wer⸗ den soll bei dem Postetat und bei dessen dritter Lesung. Meine Herren! Bei der Frage der Heilighaltung des Sonntags ist nicht die Post⸗ und Telegraphenverwaltung allein betheiligt, es kommt bei⸗ spielsweise auch, wie der Herr Vorredner es ja auch angeführt hat, die Eisenbahnverwaltung in Betracht, ferner der Schiffahrtsverkehr, die Zollverwaltung, wenigstens so weit ihre Beamten mit den am Sonntage verkehrenden Eisenbahnen und Dampfschiffen zu thun

haben, es kommen die Feldarbeiten, der Gewerbebetrieb und hundertlei

andere Gebiete in Betracht, die doch bei einer Lösung dieser Frage mit

ins Auge gefaßt werden müssen. Warum sollen solche prinzipie e Fragen

nun gerade auf dem Rücken der Postverwaltung, wie man trivial zu sagen pflegt, durchgepaukt werden? Etwa weil sie einen sehr breiten Rücken hat, der sich aus 70 000 anderen Rücken zusammensetzt? Ja, meine

Herren, deshalb hat sie aber doch noch keine derbere Oberhaut als

die anderen Verwaltungen. Es wird an Stimmen außerhalb

dieses Hauses natürlich nicht fehlen, die behaupten werden, daß mit Anträgen dieser Art ganz leicht eine gewisse Stimmung er eugt werden kann in den zahlreichen Kreisen der Postbeamten. eine

erren, ich theile diese Auffassung dem Antrage und dem Herrn Antrag⸗ teller gegenüber nicht, ich bin fest überzeugt, daß es bei ihm ein inneres Bedürfniß gewesen ist, diesen Antrag zu stellen, daß er es für eine ernste Pflicht gehalten hat, daß er gesprochen hat, wie man zu den Zeiten der Apostel es nannte, getrieben von dem heiligen

Geiste, und ich sympathisire in dieser Beziehung vollkommen mit

den Ideen, von denen er in seinem Antrage ausgeht, ich stehe auf

dem Boden derselben Grundsätze; aber, meine Herren, frei im

Aether schweben die Ideen, und hart im Raume stoßen sich die Sachen.

Steigen wir von der idealen Höhe, die er eingenommen hat, einmal

hernieder in die der menschlichen Anschauung auf dieser Erde ein⸗

mal angelegte Zwangsjacke des Raumes und der Zeit, so stellen sich die Dinge ganz anders dar. Was verlangt der Antrag? Daß den

Post⸗ und Telegraphenbeamten ganz allgemein die Zeit gewährt werde,

am Gottesdienste theilzunehmen, sowie vom Wochendienst sich aus⸗

ruhen zu können. Es würde das ungefähr die Verstärkung des Post⸗ personals um ½ bedingen. Die Ausgabe für das Post⸗ und Te⸗ legraphenpersonal beträgt nach dem Etat 70 Millionen Mark Ge⸗ hälter, Diäten, Pensionen, Fahrtzgelder, Unterstützungen und alles was noch sonst darauf Bezug hat; es würde also das, wenn wir auch nur den zehnten Theil Personalverstärkung rechnen, immer noch eine jährliche Ausgabe von 7 Millionen Mark verursachen. Meine Her⸗ ren, ein Versuch ähnlicher Art ist gemacht worden in der Schweiz, und zwar dahingehend, nicht jeden Sonntag, sondern den dritten

Sonntag den Postbeamten freizugeben. Dieser Versuch ist aber miß⸗

glückt. Ich habe hier einen Auszug aus der Botschaft des schwei⸗

zerischen Bundesraths an den Nationalrath, worin über diesen Punkt

Folgendes wörtlich gesagt ist:

Wir glauben lediglich noch auf den Umstand aufmerksam machen zu sollen, daß die Bestimmung von Art. 9 des Eisen⸗ bahngesetzes vom 23. Dezember 1872, nach welcher jedem Post⸗ beamten und Angestellten je der dritte Sonntag freizugeben ist, und welche in ihrer strikten Anwendung es der Verwaltung nicht gestattet, den Beamten und Angestellten Überhaupt von Zeit zu b die nöthige Ruhe zu gönnen, sondern will, daß jeder dritte

onntag und nicht etwa ein Werktag, und zwar jeweilen der anze Sonntag und nicht etwa immer 3 Sonntage 2 oder 3 albe, freigegeben werde, der Postverwaltung eine Mehrausgabe von circa 120 000 Franken pro Jahr verursacht hat, und daß bei Aufhebung der fraglichen Bestimmung, welche übrigens in vielen Fällen, so z. B. bei den Bahnpostbeamten und Conducteuren, praktisch beinahe undurchführbar ist, ein großer Theil der fraglichen Summe erspart werden könnte. Die Frage des dritten

esentege ist schon so oft in den hohen eidgenössischen Räthen ehandelt worden, daß wir auf weitere Auseinandersetzungen hier nicht einzutreten brauchen.

sch möchte nun darauf aufmerksam machen, daß in dem Antrag

gesagt ist, die Beamten sollen sich auch von dem Wochendienst aus⸗ ruhen. Ja, meine Herren, dafür ist bereits jeßt ausgiebig gesorgt, indem in der Regel in den Geschäftsregulativen der einzelnen Aemter ein oder zwei freie Nachmittaze vorgesehen sind, oder die Vertheilung des Dienstes derart angenommen ist, daß, wenn z. B. 12 Stunden hintereinander hat gearbeitet werden müssen, eine etwa ebenso lange Zeit, nicht selten ein ganzer Tag in der Woche den Beamten frei⸗ Peehen ist. Es würde also dies doch aufhören müssen, wenn jedem Beamten jeder Sonntag zu dem vom Herrn Antragsteller gewünschten Zweck zur Verfügung gestellt werden sollte. Wenn der Antrag diese Absicht und Bedeutung hat, so müßte ich ihn als absolut unannehmbar bezeichnen. Hat er die aber nicht, und würd⸗ das einzige aber sehr bedeutungsvolle Wörtchen „thunlichst“ es fehlt in demselben noch hinzugesetzt, dann ist der Antrag gegenstandslos und vollständig überflüssig, denn dann begehrt er gerade das, was bereits thatsächlich besteht.

Der Herr Vorredner hat aus der Postordnung die Bestimmung bereits mitgetheilt, wonach an allen Sonntagen Sren. 9 bis 5 Uhr die Postschalter geschlossen sind und wonach die Bestellungen am Nachmittag meist nicht stattfinden; er hat die Ausführungsbestim⸗ mungen erwähnt, welche die Ober⸗Postdirektion ermächtigen, in ein⸗ zelnen besonderen Fällen davon abzuweichen. Dies bezieht sich z. B. auf Zeiten während eines Krieges, oder auf Orte, wo ganz beson⸗ ders wichtige Züge und Posten derartig eintreffen, daß es nicht mög⸗ lich ist, umgehende Antwort auf die eingetroffenen Briefe zu ertheilen, wenn nicht eine Ausgabe in der Zwischenzeit stattfinden würde. Es ist den Ober.⸗Postdirektionen in diesen Ausführungsbestimmungen ausdrücklich gesagt:

Soweit in einzelnen Ober⸗Postdirektions⸗Bezirken oder Gebietstheilen die vorstehend bezeichneten Beschrän⸗ kungen des Postdienstes an den Sonn⸗ und gesetzlichen Feiertagen bei den Postanstalten im Allgemeinen angeordnet wor⸗ den sind, haben die Ober⸗Postdirektionen im Besonderen die für jede Postanstalt durch die örtlichen Verhältnisse bedingten Anord⸗ nungen zu treffen. Dabei kommt hinsichts der zeitweisen Ein⸗ stellung des Annahme⸗ und Ausgabedienstes einestheils die Zeit, in welcher der öffentliche Gottesdienst an den betreffenden Orten stattfindet, in Betracht, anderntheils wird auf die Zeit, zu welcher Posten oder Eisenbahnzüge eintreffen oder abgehen, dergestalt Rück⸗ sicht genommen, daß sowohl die Annahme als auch die Ausgabe der Sendungen und der Zeitungen zu passender Zeit erfolgen kann.

Bei den betreffenden Fostanstalten ist außerdem der Bestellungs⸗

daß die Brief⸗ und Packetbestellung an Sonntagen während der Zeit ruht, in welcher die Ausgabestelle geschlossen ist, dagegen an gesetzlichen Feiertagen, welche nicht auf einen Sonntag fallen, in der Regel bis 1 Uhr Nachmittags er⸗ folgt. Fenler9 der Briefbestellung ist jedoch auf die etwa des Nachmittags ankommenden wichtigen Posten und Eisenbahn⸗ züge die erforderliche Rücksicht zu nehmen.

In Betreff der Landbriefbestellung gilt al⸗ Regel, daß dieselbe an Sonntagen, sowie am Charfreitage, am Bußtage, am Himmel⸗ fahrtstage und am ersten Weihnachtsfeiertage gänzlich ruht.

Nun, meine Herren, diese Bestimmungen sind erlassen worden von dem Hrn. Minister von der Heydt, und ich habe schon bei einer frühern Behandlung dieser Frage im Reichstage erwähnt, daß der

r. Minister von der Heydt, welcher gleichzeitig die Stellung als

eneral⸗Postmeister einnahm, bekanntlich ein sehr religiöser Mann

war und ich habe keine Veronlassung, zu wünschen, daß dem jetzigen General⸗Postmeister, den ich einigermaßen zu kennen glaube, einmal das Gegentheil nachgesagt werden könnte, wenn man überhaupt ihm etwas nachsagen wird, es würd. das entschieden der Wahrheit nicht entsprechen. Ich würde diese persönliche Seite hier nicht erwähnen, meine Herten, wenn nicht wiederholt aus der Mitte des hohen Hauses hervor⸗ gehoben worden wäre, daß es in der heutigen Zeit bei den Ressort⸗ chefs nicht blos auf die juristische Person, sondern auch auf den lebendigen Menschen ankommt, der mit seiner Person die Maßregeln deckt, die von ihm ausgehen, und da kann ich Ihnen bestätigen, daß ich, in meinen Grundanschaungen von dem Geiste getragen, in wel⸗ chem die Bestimmnngen seiner Zeit erlassen wurden, dieselben auch aus⸗ geführt und geleitet habe. Ich habe diese Frage der Sonntagsfeier einem Studium unterworfen. Um darzulegen, mit wel⸗ chem Ernste ich diese Sache ansehe wenn ich Studium sage, so meine ich nicht etwa das Studium der ordnungen der byzantinischen Kaiser, von welchen Leo III. im 8. Jahrhundert verschiedene Erlasse über die Sonntags⸗ feier emanirt hat, oder die Verhandlungen der Synode von Chalons vom Jahre 649, welche sich mit dem Gegenstande ein⸗ ehend beschäftigte, sondern ich meine die lebendige Gegenwart peziell in Bezug auf die Seite der Frage, die uns hier angeht habe ich an sämmtliche Verwaltungen des Post⸗ und Telegraphen⸗ wesens in Evropa geschrieben und sie ersucht, mir mitzutheilen, welche Bestimmungen dort über die Beschränkung des Postdienstes an Sonn⸗ und Feiertagen bestehen. Ich habe die eingegangenen Schreiben übersetzen und zusammenstellen lassen und ich habe die Brammestelan hier in der Hand, sie ist, wie Sie sehen, in ta⸗ ellarischer Form, und bezieht sich auf den Schalterdienst, die Brief⸗ kastenleerung, die Stadtbestellung und die Landbestellung, also die verschiedenen hier in Betracht kommenden Zweige des Postdienstes die sie mit Sorgfalt ins Auge faßt, und da zeigt es sich, ich will das hohe Haus mit den Einzelnheiten nicht aufhalten, daß in allen Staaten Europas, vorzugsweise auch in den Staaten katholischer Re⸗ ligion, Beschränkungen des Postdienstes an Sonn⸗ und Feiertagen entweder überhaupt nicht existiren, oder daß sie unter allen Umstän⸗ den viel geringer sind als bei uns, mit einziger Ausnahme von Eng⸗ land. Selbst was England betrifft, so findet die Landbriefbestellung in England an Sonntagen statt, und es haben die Landbriefträger nur immer den zweiten Sonntag frei, nicht jeden Sonntag, wie es bei uns der Fall ist. Wir sind also darin, und zwar zum großen Bedauern eines erheblichen Theils der Landbevölkerung, die mit dem Ausfall der öö“ an Sonntagen garnicht einverstanden ist, zumal dadurch die Montagsbestellung dermaßen überlastet wird, daß der Bote an diesem Tage oft nur schwer seinen Lauf vollenden kann wir sind also, sage ich, in diesem Punkte sogar weiter als 1. Der⸗ leichen pflegt bei der Vergleichung der Stellung zwischen den ver⸗ de Ländern gern übersehen zu werden.

„Wie liegt nun die Sache in England ferner selber? hier eine Mittheilung, welche einige der Vorgänge, wo diese Frage im englischen Parlamente in den letzten Jahrzehnten zur Diskussion kam, betrifft und die folgendermaßen lautet mit Erlaubniß des Hrn. Präsidenten werde ich die kleine Stelle verlesen:

„Am 30. Mai 1850 legte Lord Ashley, das fromme Haupt der evangelischen Glaubenspartei, dem englischen Unterhause 382 Bittgesuche mit 549 528 Unterschriften vor, in denen die eifrigen Freunde des puritanischen Sab⸗ bath das Verlangen stellten, daß die Annahme und Ausgabe von Briefen während des Sonntags, wie solches in London bereits geschehe, in allen Theilen des Königreichs vollständig untersagt werden möge. Afhley befürwortete dieses Gesuch, indem er aus⸗ führte, daß der Tag des Herrn von sämmtlichen Verzweigungen des Postamts gleich streng wie von der Bevölkerun geheiligt werden müsse. In Folge der Abwesenheit einer großen Anzahl von Mitgliedern des Unterhauses

ich weiß nicht, ob es bei der dritten Lesung des Postetats war, gelang es Afhley, seinen Antrag trotz energischen Abrathens des

Schatzkanzlers und der Mahnung Oberst Thomsons, daß im Evan⸗

gelium selber die pharisälsche Sabbathstrenge verurtheilt sei, mit

einer schwachen Iencat durchzubringen. . Nun aber kommt die Nutzanwendung.

Als jedoch die beschlossenen Beschränkungen des Verkehrs ins Leben traten, erhob sich in der ganzen Bevölkerung der Pro⸗ vinzen ein so gewaltiger Sturm der Entrüst

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den

dienst derart zu regeln,

Ich habe

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kürlichen Einbruch in den brieflichen Verkehr⸗, ein Sturm, der durch die lebhaftenen Erörterungen in der Presse von Tag zu Tag immer größere Ausdehnung annahm, daß bereits am 9. Juli von Locke King eine Adresse an die Königin wegen Wiederaufhebung der vor wenigen Wochen eingeführten Verkehrsbeschränkungen bean⸗ ragt wurde. Nachdem Boebuck die hervorgetretenen Mißstände mit seiner scharfen Zunge hervorgehoben, Afhley dagegen betont hatte, daß man die Fsc⸗ Einstellung des Postbetriebs an den Sonntagen, welche die Hauptstadt schon längst über sich ergehen lasse, doch auch den Provinzen zumuthen könne, wurde der Beschluß vom 30. Mai mit erdrückender Majorität (195 gegen 83 Stimmen) umgestoßen und für die Provinzen der frühere Sonntagsverkehr bei den Postanstalten mit dem 1. September schleunigst wieder ein⸗ geführt.

Nun, meine Herren, damit ist in England die Sache noch nicht zu Ende gewesen, es hat an fortwährenden Agitationen von beiden Seiten nicht gefehlt; es wurde im Laufe derselben von dem General⸗ Postmeister u. A. Verordnungen erlassen in der Art, daß in den einzelnen Postbezirken abgestimmt werden solle und zwar, wenn zwei Drittel der Bewohner eines Bezirkes sich für die Einstellung des Postdienstes an Sonntagen ausspräche, diese Einstellung dann ausgeführt werden sollte. Diese Maßre gel führte aber nicht zu dem gewünschten Erfolge, weil es sich ergab, daß die Landbriefträger wesentlich dafür agitirten, diese Zweidrittel⸗Majorität zu Stande zu bringen, damit sie vom Dienste am Sonntage befreit würden; man ging dann auf und selbst 6 über und verlangte schließlich Einstimmigkeit wenigstens der Hauptkorrespondenten, und da zeigte es sich denn in Fällen bei den Abstimmungen, daß für die Beschränkung des Postdienstes am Sonntage Einstimmigkeit bis auf 2 Stimmen zu erzielen waren, und diese 2 Stimmen waren der squire und der parson, also der Gatsbesitzer und der Geist⸗ liche: diese beiden hatten dafür gestimmt, daß der Postdienst aufrecht erhalten bleibe. 8

Meine Herren, die Sache erklärt sich ganz einfach daraus, daß diese beiden Herren die wichtigsten Korrespondenten auf dem Lande zu sein pflegen, und am schwersten durch die Maßregel der Verkehrs⸗ beschränkung betroffen werden.

Ich bin dem Hrn. Abg. Lingens dankbar dafür, daß er erklärt

hat, einen puritanischen Sonntag der Engländer wünsche er bei uns nicht eingeführt zu sehen, aber er hat doch nachher die englische Ein⸗ richtung lobend in den Vordergrund gestellt, und das nöthigt mich, einige meiner Eindrücke darüber mitzutheilen; ich weiß nicht, ob es den Herren, welche, wie ich, öfter in England gewesen sind, ebenso ergangen ist; aber, meine Herren, nach dem, was ich von dem englischen Sonntage gesehen habe, möchte ich Gott bitten, daß er he bewahre, diese pharisäische Einrichtung bei uns eingeführt u sehen. u eIch bin big in die oberen Theile Schottlands gereist, bis an das letzte Ende Irlands, und habe gefunden, je mehr Temperance⸗ Hotels an einem Orte waren, je mehr Straßenprediger mit und ohne Fußschemel, je mehr Traktatvertheiler, je mehr Choralsänger und Sängerinnen auf der Straße, destomehr sah man in denselben Städten die Wirkungen der Völlerei, und die ver⸗ zerrten Gestalten des Lasters. Sind die Schenken geschlossen, so findet das Volk schon andere Gelegenheit, und dafür, daß Wohl⸗ habende sich den Genüssen hingeben können, ist gesorgt. Ich will, wenn Sie es mir erlauben, aus meiner eigenen Erfahrung in Edinburgh anführen, daß ich am ersten Pfingstfeiertag Hach⸗ mittags bei sehr schlechtem Wetter das Bedürfniß empfand, eine Tasse schwarzen Kaffee zu trinken; als ich in das an⸗ scheinend geschlossene Restaurant eines feinen Hotels kam, und mein Verlangen äußerte, mußte ich zunächst meinen Namen in ein Buch schreiben, sodann 1 Schilling Buße erlegen, und für den schwarzen Kaffee, der vom Kaffee nur die Schwärze hatte, einen ganz ansehnlichen Betrag entrichten: der Wohlhabende kann sich also jeden Genuß verschaffen, wenn das ein Genuß ist. In Ventnor habe ich an einem Sonntage ein Telegramm aufgeben wollen nach 9 Uhr, es hatte der Geldesschluß bereits angefangen ich mußte das Tele⸗ gramm aber aufgeben, es war sehr wichtig und da agte mir der Beamte; ich kann Ihren Wunsch wohl erfüllen, aber es kostet ein solches Telegramm nicht 1 Schilling, sondern 2, also 1 Schilling Buße. Als ich auf der Insel Whigt von Cowes nach Freshwater am Sonn⸗ tag gefahren bin, habe ich an jedem Chausseehause, wo ich an den Wochentagen ½ Schilling zahlte, 1 Schillin Straßenzoll zahlen müssen, weil es Sonntag war. Für diese Art der Sonntagsfeier schwärmen allerdings alle Zolleinnehmer, ich glaube aber nicht, daß dieselbe den Anschauungen und Empfindungen des deutschen Volks entsprechen würde. 8

Nun hat, meine Herren, die englische Postverwaltung, die ja ge⸗ drungen durch die dort bestehende Sitte in dem Punkte der Be⸗ schränkung des Sonntagsdienstes streng ist, dennoch nicht Widerstand leisten können dem anstürmenden Drange der großen Verkehrsbewe⸗ gung unserer Zeit, sie hat sich dazu bequemen müssen, einen Sonn⸗ tagsdienst mit dem Kontinente, der früher gar nicht bestand, auf der Route über Dover herzustellen, ja, sie hat sogar dazu übergehen müssen, einen zweiten heeteea einzurichten, was dankbar an⸗ zuerkennen ist. Wenn nun diese Verwaltung nicht im Stande ge⸗ wesen ist, jenes starre System aufrecht zu erhalten, so glaube ich, dürfen wir uns nicht wundern, wenn in unsern durch solche Tra⸗ ditionen nicht gebundenen Kreisen ein solcher Antrag, wie der vor⸗ heesde vom Standpunkte des Verkehrsbedürfnisses aus nicht gerade viel Beifall findet.

Ich möchte überhaupt bemerken, und damit lassen Sie mich zum Schlusse übergehen: eine Gefahr gerade für die Zwecke, welche die Freunde der Sonntagsfeier im Auge haben, liegt in der Uebertreibung. Ich habe mich bemüht, die Einrichtung dem Andrängen von beiden Seiten gegenüber in stata quo zu erhalten, wie ich sie überkommen habe von meinen Vorgängern; sie hat 27 Jahre bestanden, hat Keinem weh gethan, vielleicht auch Keinem so wohl, wie er wünschte, man hat aber damit, glaube ich, doch ungefähr die richtige Mitte getroffen, und es würde mir äußerst bedenklich erscheinen, an der Sache jetzt zu rütteln. Wenn wir strengere Bestimmungen für die Feier des Sonntags treffen, so erhebt sich sofort nach der andern Seite, das werden Sie erleben, ein großer Sturm, und es fragt sich, wer schließlich dabei den Kürzeren ziehen wird. Ich habe eine Menge Eingaben erhalten von Sonntagsfreunden, von Sonntagsgesellschaf⸗ ten, Vereinen, von Einzelnen, wie z. B. dem Hrn. astor Quistorp in Ducherow, die auf das Lebhafteste für die Sache ich interessiren; aber eine ebenso großf Menge an Eingaben, vielleicht eine noch rößere es liegen dicke Aktenstücke mir darüber vor sind von andelskammern und von berufenen Vertretern der Industrie, des Gewerbes und von Einzelnen mitten aus dem Ver⸗ kehrsleben mir zu egangen und sie sprechen dringend die Bitte aus, die Bes verschärfen, sondern sie zur Abschwächung der schädlichen Stockungen im Verkehrsleben eher zu mildern. Dem gegenüber habe ich mich auf dem Boden des Bisherigen gehalten. Diesem entsprechend ist jedem Beamten die Beiwohnung des Gottesdienstes in gewissen Zei⸗ ten, nicht an jedem Sonntage, ermöglicht, wenn er es wünscht. eine Herren! g ist, wie Hr. Abg. D.r. Lingens erwähnte, in der Kommis ion der Vorwurf erhoben worden, daß ein verwerflicher Pietismus, selbst eine Heuchelei, sich an diese Sache Fnihs könnte, jla, meine Herren, wir haben in der That darin auch einige Erfah⸗ rungen gemacht, wenn sie auch vereinzelt sind. Es ist den Beamten gestattet, sich ron den Amtsgeschäften dispensiren zu ssen, um dem Gocttesdienste beizuwohnen, aber, meine Herren, es hat sich doch mehrfach gezeigt, daß die Zeit nicht dazu verwendet wird, wozu sie verwendet werden soll, wir haben beispielsweise in einem Bezirke erfahren, daß ein Postbote, der mit seiner Post Morgens 9 ½ Uhr an dem Orte ankam, unter dem orgeben, dem Gottesdienste beiwohnen zu wollen, sich lange bemüht und schließlich es erlangt hat, daß die Post eine halbe Stundeffrüher abgefertigt wurde, zum Schaden mancher Korrespondenzen, so daß sie um 9 Uhr eintraf, und als ich nach Jahr und Tag in den Be⸗ nd den Ober⸗Postdirektor fragte, geht denn der N. N. nun in die

ränkungen im Sonntagsdienste nicht no zu

Kirche? da wurde mir von em Ober Pestdirekto mitgetheilt. daß er nicht in die Kirche sübe, sondern auf dem Gange nach der Kirche die Bauern treffe und an dieselben so die Briefe bequemer bestellen könne, als wenn er von Haus zu Haus laufen müsse. Solche Fälle, meine Herren, sind freilich Ausnahmen, aber sie kommen doch vor, und ich wollte Ihnen daran nur zeigen, daß jene Bemerkungen in der Kommission von dem Mißbrauch und der Heuchelei keineswegs unbegründet waren. Wir würden auf ein sehr dornenvolles Gebiet kommen, wenn wir jedem einzelnen Beamten es als ein Recht einräumen wollten, jeden Sonn⸗

tag frei zu haben. 8

Nun, meine Herren, aus allen diesen Gründen bin ich der An⸗ sicht, daß wir gut thun, lediglich bei dem Bestehenden es zu belassen. Ich bin überzeugt, daß vielen von den Herren, die den Ant ag unter⸗ schrieben haben und es findet sich ja eine ganz stattliche Zahl stattlicher Namen darunter gar nicht bekannt gewesen ist, wieweit die jetzigen Bestimmungen bereits gehen, und daß inner⸗ halb dieser Bestimmungen den Beamten, welche wirklich ein Bedürfniß empfinden, dem Gottesdienste beizuwohnen, es ermöglicht ist, dieses Bedürfniß zu befriedigen, welches zu fördern die Verwaltung aus sittlichen Gründen, ich betone das wiederholt, selber das größte Interesse hat, und dessen aufrichtige Befriedigung auch mit meinen persönlichen Ueberzeugungen übereinstimmt. Die bestehenden Einrichtungen halten eine glückliche Mitte zwischen den religiösen Geboten und den Anforderungen des realen Lebens. Darum bitte ich Sie, meine Herren, lehnen Sie diesen Antrag ab, ich bin überzeugt, daß Sie dadurch gerade im Sinne des evangelischen Wortes handeln, welches sagt, daß der Mensch nicht um des Fenn willen gemacht sei, sondern der Sabbath um des Menschen willen

Zwischen dem Deutschen Reich und der Schweiz ist am 1. März d. J. ein Abkommen in Kraft getreten, wonach für die Behandlung der portopflichtigen Korrespondenz zwischen den deutschen und den schweizerischen Be⸗ hörden folgende Grundsätze anzuwenden sind: 1) Porto⸗ pflichtige Sendungen sind stets von der absendenden Behörde zu frankiren. 2) Bei Korrespondenz zwischen Behörden in Parteisachen entrichtet die absendende Stelle das Porto auch in solchen Fällen, in welchen die Pflicht zur Portozahlung einer im Gebiete der empfangenden Stelle befindlichen Partei obliegt. 3) Die empfangende Stelle ist zwar befugt, den Portobetrag von der Partei einzuziehen, jedoch soll von einer Erstattung desselben an die absendende Behörde des anderen Staates bis auf Weiteres Abstand genommen werden.

Heute um 11 Uhr fand eine Sitzung des Gerichts⸗ hofes für Kompetenzkonflikte statt.

.—=— Sind von der zuständigen Behörde mit Rücksicht auf die Verbreitung der Rinderpest Revisionen der Vieh⸗ bestände der betheiligten Besitzer angeordnet, so haben die Besitzer den Revisoren den Zutritt zu ihren Viehställen zu ge⸗ statten. Verweigert ein Besitzer, welcher von der Revisions⸗ 1 in irgend einer Weise Kenntniß erhalten hat, dem Revisor, wenn auch nur mündlich, den Eintritt in den Stall, so macht er sich, nach einem Erkenntniß des Ober⸗ Tribunals vom 19. März d. J., des Vergehens der Ver⸗ letzung von Aufsichtsmaßregeln zur Verhütung von Vieh⸗ seuchen schuldig und ist auf Grund des §. 328 des Str. G. B. mit Gefängniß bis zu einem Jahre zu bestrafen.

Sachsen⸗Coburg⸗Gotha. Coburg, 11. April. (Mgdeb. Ztg.) Der R1ö69. Landtag hat gestern die Berathung der Justizorganisation begonnen und nach längerer Debatte zunächst folgenden von der Rechts⸗ kommission einstimmig gestellten Antrag angenommen: „Zu genehmigen, daß a. bezüglich des Herzogthums Coburg auf die von dem Herzoglichen Staate Ministertum vorgelegten Grundzüge hin ein Vertrag über die Bildung eines ge⸗ meinschaftlichen Landgerichts zu Meiningen abgeschlossen, und daß dieser Vertrag nach seinem Abschluß dem Landtagsausschuß zur Einsichtnahme vorgelegt werde; b. daß die Regierung ersucht werde, bei Ab⸗ schluß dieses Vertrages darauf Fsnnches daß ein Mitglied des Landgerichts und ein Untersuchungsrichter in der Stadt Coburg ihren Wohnsitz nehmen, und daß ferner in Gemein⸗ schaft mit Meiningen, event. für Coburg allein eine Han⸗ delskammer mit dem Sitze in der Stadt Coburg errichtet werde.“ Die hierauf begonnene Debatte über die Amts⸗ gerichte wurde auf heute vertagt.

(Wes.⸗Ztg.) Die heutigen weiteren Beschlüsse des Landtages lassen sich dahin zusammensassen: Das Herzogthum Gotha soll einen eigenen Landgerichtsbezirk mit dem Sitze in der Stadt Gotha bilden. Die in den Herzogthümern Coburg und Gotha bestehenden Justizämter und das Stadtgericht in Gotha sollen als Amtsgerichte neu organisirt werden.

Sachsen⸗Meiningen⸗Hildburghausen. Meinin gen, 11. April. Der Landtag ist auf den 27. April wieder ein⸗ berufen. Die Justizorganisation wird die wesentlichste Vorlage sein.

Anhalt. Dessau 11. April. Der Landtag ist

heute nach Beendigung der sämmtlichen Arbeiten geschlos sen

worden.

Wien, 12. April. (W. T. B.) enthält folgende Mittheilungen: Konstantinopel, 11. d.: Achmed Vefik Pascha beauf⸗ tragte den türkischen Botschafter in London, Shheen Pascha, Lord Salisbury im Namen der Pforte zu seiner

Oesterreich⸗Ungarn. Die „Polit. Korresp.“

bEoI1 zu beglückwünschen und den Dank

der Pforte dafür auszusprechen. Lord Salisbury ant⸗ wortete mit dem Ausdruck der Hoffnung, daß die Pforte die Aufgabe der englischen Politik erleichtern werde. Bukarest, 12. d.: Die rumänische Protestnote gegen den Artikel 8 des Friedensvertrags von San Stefano (Durchzugs⸗ recht der Russen durch Rumänien) ist insofern nicht wirkungs⸗ los geblieben, als der diplomatische Agent Rußlands, Baron Stuart, nunmehr den Abschluß einer neuen Konvention mit Rußland betreibt, um das Durchzugsrecht durch Rumänien für die russischen Truppen während der ganzen Dauer der Okkupation Bulgariens sicher zu stellen. 13. April. (W. T. B.) Die „Presse“ schreibt, die Zweifel an der Echtheit der in Londoner Blättern veröffentlichten Antwortsnote des Fürsten Gortschakoff an Oester⸗ reich würden in hiesigen diplomatischen Kreisen getheilt, man halte die Echtheit derselben für um so unwahrscheinlicher, weil es dem diplomatischen Usus widersprechen würde, daß Fürst Gortschakoff Mittheilungen, die Oesterreich an Rußland allein gemacht habe, mit einer Cirkularnote an alle Mächte beant⸗

wortete. 8 W. T. B.) Die „Pester Korre⸗

Pest, 12. April. spondenz“ meldet aus Wien: Heute hat unter dem Vor⸗

ging demgemäß zu dieser geheimen Sitzung über

liß des Kaisers eine zweistündige Berathung statt⸗ gefunden, welcher der Kriegs⸗Minister, die beiderseitigen Mi⸗ nister⸗Präsidenten und die beiderseitigen Landesvertheidigungs⸗ Minister beiwohnten.

Belgien. Brüssel, 12. April. (W. T. B.) Die Repräsentantenkammer hat heute den betreffend die Vermehrung der Zahl der Mitglieder des Senats und der Kammer, mit 80 gegen 24 Stim⸗ men angenommen. Statt der in der ursprünglichen Vorlage vorgeschlagenen Verstärkung des Senats um 5 Mitglieder und der beantragten Verstärkung der Kammer um 14 Mitglieder wurde in S der von der Linken gestellten Amendements eine Vermehrung des Senats um nur 4 und der Deputirten⸗ kammer um nur 12 Mitglieder beschlossen.

Großbritannien und Irland. London, 12. April, Abends. (W. T. B.) Nach einer Meldung des „Reuterschen Bureaus“ aus . opel, von heute, hat die Pforte ein Cirkularschreiben an die Mächte gerichtet, worin sie den Vertrag von San Stefano als das Resultat ihrer militärischen Niederlage anerkennt, und ihren festen Entschluß ausspricht, denselben loyal auszuführen. Immerhin würde sie jede Modifikation sei es, daß eine solche sich aus einer sympathischen Intervention der Mächte oder aus der Mäßigung Rußlands ergäbe, als einen glücklichen Umstand betrachten. Welches immer aber der Ausgang der gegenwär⸗ tigen Verhandlungen sein möge, so die Pforte ge- nühüe Verpflichtung, die zugesicherten Reformen zu ver⸗ wirklichen.

(W. T. B.) der heutigen Sitzung des Ober⸗ hauses erklärte der Lord⸗Präsident des eheimen Raths, Herzog von Richmond, auf eine Anfrage Lord Granville's, das Rundschreiben des Fürsten Gortschakoff und die Annexe würden dem Parlamente mitgetheilt werden, sobald die Regierung dieselben erhalten habe.

Im Unterhause lenkte Odonnell die Aufmierksamkeit auf das Verfahren der Regierung zu Donegal anläßlich der Ermordung Leitrims und beantragte ein Tadelsvotum gegen die Regierung. Odonnell griff die Gutsbesitzer in Irland sehr heftig an. Nach einer sehr lebhaften Diskussion wurde schließlich eine geheime Sitzung bcantragt und dieser Antrag mit 57 gegen 12 Stimmen angenommen. er. Haus und ver⸗ warfnach einer dreistündigen Berathung den Antrag Odonnells.

13. April Morgens. (W. T. B.) Der „Times“ wird aus Bukarest vom 12. d. M. gemeldet, dem Vernehmen nach würden 20 000 Mann des 11. russischen Corps Bukarest und die übrigen Truppen die Stationen der Linie nach Giurgewo besetzen. Weitere russische Truppen werden auf dem Territorium im Osten der Aluta erwartet. Wie hiesige

Blätter melden, finden die Bemühungen Deutschlands, ein

der englischen und russischen A

Versöhnung in St. Petersburg und Londo

chauungen zu bewirken, Entgegenkommen.

(E. C.) Die „Dublin Gazette“ veröffentlicht eine Proklamation des Vize⸗Königs von Irland, nach welcher die Baronie Killmacrenon Donegal, wo Lord Leitrim und seine Begleiter ermordet wurden, in Belagerungszustand erklärt wird.

Frrankreich. Paris, 11. April. (Fr. C. Prinz Lu cien Murat, der letzte Sohn des einstmaligen Königs Murat von Neapel, ist nach kurzer Krankheit gestern, 75 Jahre alt, hier gestorben. Die „Commune affranchie“ ist heute früh nicht erschienen. 22. März vom Pariser Schwurgerichte zu einem Jahr Ge⸗ fängniß und zu einer Geldstrafe von 5000 Fr., die mit den Gerichtskosten und Zuschlägen auf 6318 Fr. 23 Cts. anwuchs, verurtheilt worden. Da diese Summe bis zum gestrigen Ver⸗ falltage nicht erlegt war, mußte sie von der Kaution abgezo⸗ gen werden, und die „Commune“ war auch nicht in der Lage, ihre Kaution rechtzeitig zu ergänzen.

Italien. Rom, 12. April. (W. T. B.) Die Deputirtenkammer hat heute den Zolltarif be⸗ rathen. Indelli kündigte eine Interpellation an über die Ausführung des Artikels 18 des Garantiegesetzes, betreffend die Regelung des Eigenthums der Kirche.

Türkei. Konstantinopel, 12. April. (W. T. B.) ahlreiche kranke russische Soldaten sind heute in San tefano eingeschifft worden, um nach Rußland urückzu⸗

kehren. Die von den Kriegsgerichten verurtheilten

Bulgaren sind in Gemäßheit des Friedensvertrages be⸗ nadigt worden. Die Truppen auf Kreta werden ver⸗

ürkt Zum Rücktransport türkischer Kriegs⸗ efangener sind 8 türkische Transportschiffe von hier nach dessa abgegangen.

Rumänien. Bukarest, 12. April. (W. T. B.) Im Senat wird Stourdza über das angekündigte Stntreffen eines russischen Delegirten, der beauftragt sei, über die Auf⸗ rechterhaltung der russischen Verbindungen durch Rumänien zu verhandeln, eine Interpellation an die Regierung richten; in der Interpellation wird auch die Anfrage enthalten sein, ob der rumänische Agent in St. Petersburg die Absendung eines russischen Delegirten durch die Erklärung veranlaßt habe, daß Rumänien zu einer direkten Verständigung, den Artikel 8 des Vertrages von San Stefano prinzipiell anzunehmen, bereit sei. In der Kammer hat Furulesco eine Interpellation über die Drohung des Fürsten Gortschakoff mit einer russischen Invasion in Rumänien durch militärische Besetzung der Eisen⸗ bahnen, Städte und strategischen Positionen angekündigt und wird die Anfrage an die Regierung richten, ob es nicht besser sei, die rumänische Armee in die Karpathen eee

—. 13. April. (W. T. B.) Die Deputirtenkammer beendigte die Berathung des Budgets, welches die Einnahmen mit 121 Millionen und die Ausgaben mit 93 Millionen Franken veranschlagt.

Rußland und Polen. St. Petersburg, 12. April. (W. T. B.) In dem bereits signalisirten Artikel des „Journal de St. Péötersbourg“ wird auswärtigen Blättern gegen⸗ über auf das Bestimmteste erklärt, daß die 2 der Aktion“ auf dem Kongresse nothwendiger Weise für jede Macht die Berechtigung einschließe, auf dem Kongresse jeden Artikel des Friedensvertrages von San Stefano zur Dis⸗ kussion vorzuschlagen. Ebenso schließe die „Freiheit der Appretiation“ die Berechtigung für jede Macht ein, jede Stipulation des Vertrages im Hinblick auf ihre eigenen oder die europäischen Interessen zu prüfen und die aus ihr sich er⸗

Der Gerant des Blattes war am

in der Grafschaft

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