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— Die Bervollmächtigten zum Bundesrath, Königlich sächsischer Staats⸗Minister des Innern und der reeve Angelegenheiten von Nostitz⸗ allwitz und Großherzog ich badischer Staats⸗Minister, Präsident des Staats⸗Ministeriums und des Handels⸗Ministeriums, T rban, sind hier an⸗ gekommen. 8 S
Bayern. Augsburg, 10. September (W. T. B.) Die „Augsburger A endzeitung“ veröffentlicht eine von dem Hber Bürgermentersi cher gezeichnete Mittheilung, in welcher Namens Sr. Kaiserlichen Hoheit des Kronprinzen anläßlich des Höchstdemselben Seitens der Bevölkerung be⸗ reiteten Empfanges, insbesondere bezüglich der Haltung der Feuerwehr und der Kriegervereine, Dank und nerkennung in den wärmsten Worten ausgesprochen werd
SHesterreich⸗Ungarn. Wien, 10. September. (W. T. B.) Von der 36. Division wird aus Banjaluka von gestern berichtet: Die rechte Flanke des Feindes bei Kliuc wurde am 8. d. umfaßt und der Feind, obgleich er überall Widerstand leistete, auf allen Punkten zum Rückzu Fezwungen. Der steile Bergrücken, auf welchem sich das Kaste befindet, wurde erstiegen, der Feind wurde zum Aufgeben des Kastells ge⸗ nöthigt, letzteres wurde von uns besetzt. Der Feind zog sich fluchtartig nach allen Richtungen zurück, die Ge⸗ end von Kliuc ist gänzlich von Feinden gesäubert. ei Lieskovac kam es am 8. d. zwischen unseren aus Jägern bestehenden Vorposten und etwa 600 Insurgenten zu einem Geplänkel, worauf sich die letzteren zurückzogen. Am Nachmittag desselben Tages fand bei Prosicenikamen ein Ge⸗ plänkel zwischen Insurgenten und ungarischer Landwehr statt. — Nach einer Meldung aus Doboj betrug der Verlust der Insurgenten in dem Gefechte vom 5. September über 600 Mann. Zwischen Han Karenovac und Gracanica stehen 6000 Fnsur enten. In der Umgegend von Banjaluka nimmt die ntwaffnung ihren ungestörten Fortgang, auch Sanskimort ist ohne Widerstand besetzt worden. Die türkische Be⸗ satzung von Trebinje ist in Gravosa eingeschifft worden, diejenige von Gaczko soll in Metkovich eingeschifft werden. — Die „VPolit. Korresp.“ bringt folgende Meldungen. Aus Konstantinopel, den 10. d.: Das Marine⸗Ministerium hat 7 Transportdampfer nach Batum gesandt, um die Garnison und das Kriegsmaterial hierher zu befördern. — Aus Belgrad, den 10. d.: In hiesigen Regierungskreisen sieht man der Entwickelung der Ereignisse in den angrenzen⸗ den türkischen Provinzen mit Besorgniß entgegen. Mehreren Mitgliedern des hiesigen diplomatischen Corps sind die Urlaubsgesuche von ihren Regierungen abgeschlagen worden. Der augenblicklich abwesende Vertreter Englands trifft am Don nerstag hier wieder ein.
q., 102 er. (W. T. B.) NMach der von den Journalen veröffentlichten Uebersicht über die Staats⸗ Einnahmen und Ausgaben im zweiten Quartale d. J. betrugen die Einnahmen 46 213 224 Fl. gegen 45 927 018 F. des zweiten Quartals 1877 und die Ausgaben 50 936 344 Fl. gegen 50 944 483 Fl. des zweiten Quartals 1877.
Sopbeaun
Großbritannien und Irland. London, 11. Sep⸗ tember. (W. T. B.) Die „Morningpost“ meldet: Midhat Pascha werde heute nach Paris abreisen. — Zum eng⸗ lischen Kommissar bei der bulgarischen Grenz⸗ kommission sei der Genie⸗Oberst Home ernannt. Nach einem Telegramm der „Times“ aus Konstantinopel, von gestern, ist Kiani Pascha als Finanz⸗Minister ent⸗ lassen un diese worden. 1.
Italien. Rom, 10. September. (W. T. B.) „Diritto“ schreibt: von den österreichischen Journalen werde den in Oberitalien stattfindenden Manövern der italienischen Armee ein Charakter beigelegt, den dieselben durchaus nicht hätten. Die Konzentration dieser Truppen sei nichts Außergewöhnliches; es handle sich dabei um gewöhn⸗ liche, alljährlich stattfindende Truppenmanöver, wie sie von den größeren Militärmächten in noch viel ausgedehnterer Weise veranstaltet würden. In Italien seien thatsächlich noch nicht einmal die Reserveklassen einberufen, wie gegenwärtig in Frankreich geschehe. Eben so wenig habe Italien die mobile Miliz einberufen, wie dies thatsächlich in Oesterreich bei den Manövern mit der Landwehr der Fall sei. Endlich habe Italien weder das gute Einvernehmen, noch die Bande gegen⸗ seitiger Interessen geschädigt, durch welche es mit der öster⸗ reichisch⸗ungarischen Monarchie verbunden sei.
Türkei. Konstantinopel, 10. September. (W. T. B.) Die Pforte hat ihren Vertretern im Auslande aufgegeben, der E1 daß der Scheik⸗ul⸗Islam an die muselmännische Bevölkerung in Albanien ein Manifest er⸗ lassen habe, amtlich zu widersprechen. — Das letzte Telegramm, welches Mehemed Ali Pascha von Jakova den 4. d. an die Pforte richtete, meldete, die Bevölkerung sei in
öchster Aufregung. Man beschuldigte ihn, daß er gekommen sei, um das Land an Serbien auszuliefern. Sein Haus wurde von den vereinigten Albanesen aus Jakova und Ipek angezün⸗ det und es entspann sich zwischen ihnen und der Fskorte Mehe⸗ med Ali's ein Kampf, in welchem von letzterer 20 Mann fie⸗ len. Gegen Abend wurde dem Kampfe durch die Intervention der Ulemas Einhalt gethan und von den Aufständischen eine friedliche Haltung zugesagt. — Aus Prizrend wurde sodann der Pforte gemeldet, daß in Jakova ein neuer Kampf statt⸗ gefunden habe; der Adjutant Mehemed Ali Paschas, Abdulla Pascha, und mehrere Offiziere seien getödtet worden. Das Haus Mehemed Al!'s sei in Brand gesteckt worden und Me⸗ hemned Ali, noch unverwundet, in ein kleines Haus geflüchtet. Dort sei er aufgesucht und erschlagen worden. Die Zahl der getödteten Offiziere sei noch unbekannt. Man glaubt, daß
auch zwei Compagnien Soldaten, welche von Mehemed Ali zum Schutze von Prizrend her requirirt wurden, von den
ufständischen niedergemacht wurden.
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dem Verlage der hiesigen Hof⸗ und enhaus⸗Buchdruckerei ist *% chronologische Zusammenstellung der in Grundbuchsachen er⸗ gangenen gungen und Entscheidungen der Oberbehörden: Justiz⸗ und Finanz⸗Ministerium, 8 ber⸗Tribunal, Appellations⸗ gericht, Regierung, General⸗Kommission, sammt alphabetischem Register zum Preise von 2 ℳ 50 ₰ erschienen, welche 280 Nummern enthält und einem dringenden Bedürfnisse ab⸗ hilft, und daher allen Behörden und Privatpersonen, welche dabei interessirt sind, zur Anschaffung empfohlen wird. 8
Cassel, am 30. Juli 18 —
Reichstags⸗Angelegenheiten.
e““ Begründung“*)
des dem Reichstage vorgelegten und gestern an dieser Stelle mit⸗
getheilten Entwurfes eines Gesetzes gegen die gemeingefähr⸗ lichen Bestrebungen der Sozialdemokratie:
In Erkenntniß der Gefahren, von welchen Staat und Gesell⸗ schaft durch das Umsichgreifen der sozialdemokratischen Bewegung bedroht sind, legten die verbündeten im Mai b. I. aus Anlaß des gegen Se. Majestät den Kaiser verübten Attentates, dem Reichstage den Entwurf eines Gesetzes zur Abwehr sozial⸗ Femafrattscher Ausschreitungen vor. Der Reichstag lehnte diese Vorlage ab. 8
Vald darauf zeigte ein abermaliger Mordversuch gegen Se. Majestät den Kaiser von Neuem, wie leicht eine, jedes sittliche und rechtliche Gebot verachtende Gesinnung bis zu mörderischen Thaten sich zu steigern vermag, und zahl⸗ reiche Fälle von Majestätsbeleidigungen, welche sich an jenes er⸗ schütternde Ereigniß knüpften, lieferten den Beweis, wie weit solche Gesinnung bereits um sich gegriffen hat. Die verbündeten Regie⸗ rungen sind dadurch in der Ueberzeugung bestärkt worden, daß es zum Schutze von Staat und Gesellschaft unerläßlich sei, der ver⸗ derblichen Agitation der Sozialdemokratie Einhalt zu thun, welche als die Hauptursache der zu Tage getretenen Verwirrung der Rechts⸗ begriffe und Verwilderung der Gemüther angesehen werden muß. Iee Regierungen sind nach wie vor der Meinung, ‚daß es zu diesem Zwecke des Erlasses gesetzlicher Vorschriften bedürfe, welche direkt und ausschließlich gegen die sozialdemokratische Bewegung ge⸗ richtet sind. 1
Der vorliegende Entwurf eines Gesetzes gegen die gemeingefähr⸗ lichen Bestrebungen der Sozialdemokratie stimmt daher in seinen Grundgedanken mit der früheren Vorlage überein. t
Die Bestrebungen der Sozialdemokratie sind auf die praktische Verwirklichung der radikalen Theorien des modernen Sozialismus und Kommunismus gerichtet. Nach diesen Theorien ist die heutige Produktionsweise als unwirthschaftlich und als eine ungerechte Aus⸗ beutung der Arbeit durch das Kapital zu verwerfen. Die Arbeit soll von dem Kapital emanzipirt, das Privatkapital in Kollektivkapital, die individuelle, durch Konkurrenz sich regelnde Produktion in eine genossenschaftliche planmäßige Produktion verwandelt werden; das Individuum soll in der esellschaft aufgehen. Die sozialdemo⸗ kratische Bewegung unterscheidet sich scharf von den humanitären Bestrebungen für das Wohl der arbeitenden Klassen dadurch, daß sie davon ausgeht, eine Hebung der Lage derselben auf dem Boden der heutigen Gesellschaftsordnung sei unmöglich, und nur durch die er⸗ wähnte Sozialrevolution erreichbar. Die Durchführung einer solchen Revolution soll, unter gleichzeitiger Umwälzung der bestehenden Staats⸗ verfassungen, durch eine internationale Kooperation der arbeitenden Klassen aller Kulturstaazon erfolgen. Diesen revolutionären und internationalen Charakter hat die Bewegung insbesondere seit der im September 1864 zu London erfolgten Grunvung Liz „Tutar⸗ nationalen Arbeiterassoziation“ erlangt. b
In Deutschland fand die erste Organisation sozialdemokratischer Bestrebungen im Jahre 1863 durch Lassalle statt. Der von dem⸗ selben gestiftete „Allgemeine Deutsche Arbeiterverein“ hatte noch einigermaßen ein reformatorisches und nationales Gepräge. Bald jedoch trennten sich die radikaleren Elemente, und im August 1869 wurde zu Eisenach unter der Bezeichnung „sozialdemokratische Ar⸗ beiterpartei“ eine Filiale der internationalen Arbeiterassoziation ge⸗ gründet.
f Die „sozialdemokratische Arbeiterpartei“ und der „Allgemeine Arbeiterverein“ bekämpften sich gegenseitig eine Zeit lang auf das Heftigste, bis allmählich die radikale und antinationale Richtung die Oberhand gewann. Im Mai 1875 fand auf dem Kongresse in Gotha die Wiedervereinigung der bis dahin getrennten Gruppen der deut⸗ schen Sozialdemokratie zu einer einheitlichen Verbindung unter der Bezeichnung „die sozialistische Arbeiterpartei Deutschlands“ statt. Das Programm dieser neuen Verbindung läßt über die revolutio⸗ nären und kommunistischen, den Tendenzen der „Internationale“ im Wesentlichen entsprechenden Grundsätze und Endziele der Verbindung
keinen Zweifel.
Dieselbe erstreckt sich über ganz Deutschland. Daneben besteht eine große Anzahl von lokalen sozialdemokratischen Vereinen, und gewerbliche Fachvereine gleicher Richtung verzweigen sich über das ganze Bundesgebiet. 1
Auf dem allgemeinen Sozialistenkongresse, welcher im Herbste 1877 in Gent abgehalten wurde, und an welchem ein Delegirter der sozialistischen Arbeiterpartei Deutschlands Theil nahm, fand die „großartige Organisation“ der deutschen Sozialde mokratie ungetheilte Anerkennung. Auf diesem Kongresse wurde der internationale Bund durch Konstituirung einer allgemeinen Union der sozia⸗ listischen Partei erneuert. In dem bezüglichen Manifeste wird der gemeinsame Operationsplan dargelegt und beson⸗ ders die Nothwendigkeit der politischen Aktion als eines mächtigen Mittels der Agitation, der Propaganda, der Volkserziehung und der h (Brganisation) betont. Das Manifest schließt mit den
orten:
Möge bei jedem Volke die Klasse der Enterbten sich als große, von allen Bourgeoisparteien scharf abgegrenzte Partei konstituiren, und möge diese sozialistische Partei Hand in Hand marschiren mit der sozialistischen 1 aller übrigen Länder.
Es gilt den Kampf um all Eure Rechte, es gilt die Vernich⸗ tung aller Privilegien! 1
Proletarier aller Länder vereinigt Euch! b
Es handelt sich also um nichts weniger, als um den Bruch mit der gesammten bisherigen Rechtsentwickelung der Kulturstaaten, um eine radikale Umwälzung der bestehenden Besitz⸗ und Eigenthums⸗ verhältnisse von unten auf.
Die Organisation des „Proletariats“, die Zerstörung der be⸗ stehenden Staats⸗ und Gesellschaftsordnung und die Herstellung der „sozialistischen Gesellschaft und des sozialistischen Staates“ durch das organisirte Proletariat, das sind die ausgesprochenen Endziele der Sozialdemokratie.
*) Der Begründung des Gesetzentwurfs sind zwei Anlagen A. und B. beigegeben, welche wir hier nicht zum Abdruck bringen. Die Anlage A. enthält: 1. Statuten der internationalen Arbeiter⸗ assoziation (London, September 1864); II. Statut des Allgemeinen Deutschen Arbeitervereins (Leipzig, Mai 1863); III. Eisenacher Programm (Eisenach, August 1869); IV. Gothaer Programm (Gotha, Mai 1875); V. Genter Manifest (Gent, September und Oktober 1877). — Die Anlage B. umfaßt den ersten und zweiten Bericht über Gang und Stand der sozialistischen u““ in Deutschland, verlesen auf dem Sozialistenkongresse zu Gotha vom 19. bis 23. August 1876, resp. auf dem Sozialistenkongresse zu Gotha
vom 27. bis 29. Mai 1877. (Beides Auszüge, den gedruckten Pro⸗ tokollen des Kongresses entnommen.)
Diesen Zielen entspricht die in Wort und Schrift mit leiden⸗
schaftlicher Energie betriebene wohlorganisirte sozialistische Agitation
und deren Methode. Die Agitation sucht in den ärmeren und weni⸗
5 gebildeten Schichten der Bevölkerung Unzufriedenheit mit ihrer
age, sowie die Ueberzeugung von der Hoffnungslosigkeit derselben unter der bestehenden Rechtsordnung erbten“, zu Neid und Haß gegen die
Gesellschaft aufzureizen. Die sittlichen und religiösen Ueberzeugungen,
welche die Gesellschaft zusammenhalten, werden erschüttert, Ehrfurcht 8
und Pietät verhöhnt, die Rechtsbegriffe der Massen werdenverwirrt, die Achtung vor dem Gesetze wird zerstört. Die gehässigsten Angriffe und Schmähungen gegen das Deutsche Reich und seine Institutionen, gegen das Königthum und gegen das Heer, dessen ruhmreiche Ge⸗ schichte verunglimpft wird, geben der sozialistischen Agitation in Deutschland ein spezisisch antinationales Gepräge; sie entfremdet die Gemüther der heimischen Sitte und dem Vaterlande. — Die Dar⸗ stellungen, welche in Wort und Schrift von den früheren revolutio⸗ nären Ereignissen gegeben werden, die Verherrlichung bekannter Re⸗ volutionsmänner, sowie der Thaten der Pariser Kommune sind geeig⸗ net, revolutionäre Gelüste und Leidenschaften zu erregen und die Massen zu Gewaltthaten geneigt zu machen. 8
Die Beläge für diese Art der Agitation liefern in großem Um⸗ fange die sozialdemokratische Presse und die Reden der Führer und Agitatoren. Die Agitation hat im Laufe der letzten Jahre, wie das Hauptorgan der deutschen Sozialdemokratie, der „Vorwärts“ trium⸗ phirend herhorhebt, eine „riesige“ Ausdehnung gewonnen; sie ist in Kreise gedrungen, welche ihr früher unzugänglich waren. Die Zahl der sozialdemokratischen Zeitschriften und ihrer Abonnenten, die massenhafte Verbreitung sozialdemokratischer Druckschriften aller Gattungen — Flugblätter, Broschüren, Lieder⸗ und Bilderbücher, Kalender — sowie die Zahl der geschulten so ialistischen Agitatoren und Wanderredner sind in stetigem Zunehmen begriffen. Die Erfolge der Agitation sind in der starken Vermehrung der Stimmen hervorgetreten, welche der Sozialdemokratie bei politischen und kom⸗ munalen Wahlen zugefallen sind, und dementsprechend ist die Zuver⸗ sicht ihrer Anhänger gewachsen. Die fortgesetzte Beunruhigung und Störung des öffentlichen Friedens, welche durch die sozialdemokra⸗ tische Agitation hervorgerufen wird, schädigt empfindlich das Gemein⸗ wohl und hindert eine gedeihliche und normale Entwickelung auf wirthschaftlichem wie auf politischem Gebiete. 1
Es ist daher ein Gebot der Selbsterhaltung für Staat und Ge⸗ sellschaft, der sozialdemokratischen Bewegung mit Entschiedenheit ent⸗ gegenzutreten. Zunächst aber ist der Staat berufen, die durch die Sozialdemokratie bedrohte Rechtsordnung zu schützen und der sozia⸗ listischen Agitation Schranken zu setzen. Freilich kann der Gedanke nicht durch äußeren Zwang unterdrückt, die Bewegung der Geister nur in geistigem Kampf uͤberwunden werden. Wohl aber können und dürfen einer solchen Bewegung, wenn sie falsche Bahnen verfolgt und verderblich zu werden droht, die Mittel zu ihrer Ausbreitung auf gesetzlichem Wege entzogen werden. Die sozialistische Agitation, wie sie seit ahren betrieben wird, ist ein fortgesetzter Appell an die Gewalt und an die Leidenschaften der Menge, um staatliche und gesellschaftliche Ordnung umzustürzen. Einem solchen Unternehmen kann der Staat Einhalt thun, indem er der Sozialdemokratie ihre wichtigsten Agitations⸗ mittel nimmt und ihre Organisation zerstört; er mu ß dies thun, wenn er sich nicht selbst aufgeben und nicht in der Bevölkerung die Ueberzeugung entweder von seiner Ohnmacht oder von der Berech⸗ tigung der revolutionären Bestrebun en der Sozialdemokratie auf⸗ kommen lassen will.. 8 . 3 1
Dieser Nothwendigkeit gegenüber tritt auch die Besorgniß zu⸗ rück, daß die aus dem Lichte der Oeffentlichkeit verdrängte Agitation um so nachhaltiger und gefährlicher im Geheimen werde fortgesetzt werden. Ueberdies läßt sich mit Grund bezweifeln, daß Letzteres in deneric Maße geschehen werde, als es schon gegenwärtig. der Fall ist. 8 4
Dem Staate allein wird es indessen auch mit Hülfe der in dem Entwurfe vorgeschlagenen Mittel nicht gelingen, die so ialdemo⸗ kratische Bewegung zu beseitigen; diese Mittel bringen die Vorbedin⸗ gung für die Hellüng ven Uebels, icht e Heilyenh, selbst. So pe⸗ darf vielmehr der thötigen Mitwirkung aller erhaltenden Elemente der bürgerlichen Gesellschaft, um durch Belebung der Religiosität, durch Aufklärung und Belehrung, durch Stärkung des Sinnes für Recht und Sitte, wie durch weitere wirthschaftliche Reformen die Wurzeln des Uebels zu beseitigen.
Die in Deutschland geltenden gesetzlichen Vorschriften auf den Gebieten der Presse und des Vereinswesens, auf welchen sich die sozialdemokratische Agitatien vorzugsweise bewegt, in Verbindung mit den Vorschriften des Strafgesetzbuches reichen, wie die Erfahrung ge⸗ zeigt hat, nicht aus, um jener Agitation Halt zu gebieten. Die fort⸗ gesetzte Handhabung dieser Vorschriften gegenüber der Sozialdemokratie, die Schließung vieler Vereine, die Auflösung zahlreicher Versamm⸗ lungen, strenge Bestrafung der massenhaften durch Wort und Schrift verübten Vergehen haben nicht vermocht, die Aus⸗ breitung der sozialdemokratischen Bewegung im Ganzen auf⸗ zuhalten. Dies beruht wesentlich auf dem vorwiegend re⸗ pressiven Charakter der bezüglichen Gesetze, welche einzelne Rechtswidrigkeiten, nicht aber eine fortgesetzte staats⸗ und gesellschafts⸗ feindliche Waͤtigkeit im Auge haben. Nach den verschiedenen in den deutschen Bundesstaaten geltenden Vereinsgesetzen ist die Bildung politischer Vereine im Allgemeinen unbeschränkt; ihre Schließung setzt in der Regel, voraus, daß bestimmte in den Gesetzen vorge⸗ schriebene Schranken überschritten worden sind. Nur in einzelnen Bundesstaaten sind die Verwaltungsbehörden gesetzlich ermächtigt, Vereine wegen ihrer staats⸗ oder gesellschaftsgefährlichen Haltung und Tendenz zu schließen; auch hier wird die Wirkung der Schließun! abgeschwächt durch die Leichtigkeit, mit welcher die Bildung eines neuen gleichartigen Vereines erfolgen kann. Versammlungen können in der Regel nicht zum Voraus ver⸗ boten, sondern nur aufgelöst werden in gewissen en formulirten Fällen; das Reichsgesetz über die Presse vollends kennt keinerlei Prä⸗ ventivmaßregeln. b
Bei diesem Charakter der in Betracht kommenden Gesetze würde der sozialdemokratischen Agitation gegenüber eine schärfere Hand⸗ habung derselben, wenn sie möglich wäre, ebensowenig von Wirkung sein, als einzelne Abänderungen derselben, so sehr solche sich auch sonst empfehlen möchten. Wollte man aber eine Revision derselben in der Richtung vornehmen, daß damit auch jener Agitation wirksam begegnet werden könnte, so würde man über das Bedürfniß
hinaus das Vereins⸗ und Versammlungsrecht und das Recht der
freien Meinungsäußerung allgemeinen und dauernden Einschrän⸗ kungen zu unterwerfen genöthigt sein. Auch auf dem Boden des Strafgesetzbuches erscheint die Lösung der Aufgabe nicht erreichbar. Dazu bedarf es außerordentlicher gesetzlicher Vollmachten, durch welche die für die innere Sicherheit und Ordnung verantwortlichen Behörden in den Stand gesetzt werden, ihrer verfassungs⸗ mäßigen Pflicht, Staat und Gesellschaft vor inneren Gefahren zu schützen, der Sozialdemokratie gegenüber zu genügen; es bedarf eines Spezialgesetzes, welches das Vereins⸗ und Versammlungsrecht, die Freiheit der Presse und des Gewerbebetriebes, sowie die Freisügigten ausschließlich den gemeingefährlichen Bestrebungen der
¹ kratie gegenüber wirksamen Beschränkungen unterwirft.
Die Sozialdemokratie hat dem Staate und der Gesellschaft offen den Krieg erklärt und deren Zerstörung als ihr Endziel proklamirt; sie hat damit selbst den Boden des für Alle gleichen Rechtes ver⸗ lassen und kann sich deshalb nicht beschweren, insoweit zu Gute kommen soll, als cs mit der Sicherheit und Ord⸗ nung des Staates vereinbar ist. 8
Ueberhaupt weisen außerordentliche und eaches ustände, welche den Staat bedrohen, auf eine Abhülfe durch Spez algesetze hin, welche sich ausschließlich auf die Abwendung der vorhandenen Gefahr richten und mit der Erreichung dieses Zieles ihre Wirk⸗ samkeit von selbst verlieren. Diesen Weg hat man unter ähnlichen Verhältnissen auch in Frankreich und in England dem We e der Abänderung des gemeinen Rechtes deen Was die französische Gesetzgebung betrifft, so darf insbesondere auf das Gesetz vom
zu verbreiten, sie, als die „Ent⸗ übrigen Klassen der hürgerlichen
Sozialdemo⸗
wenn ihr dasselbe nur
14. März 1872 Bezug genommen werden, welches ausschließlich gegen die ön* der Internationale und gleichartige Bestre⸗ bungen gerichtet ist. In der englischen Gesetzgebung finden sich zahlreiche Vorgänge, wongach man bis in die neueste Zeit hinein, wenn die Sicherheit des Staates und der Gesellschaft in Frage stand, kein Bedenken getragen hat, die Habeas⸗Corpus⸗ Akte zeitweise außer Kraft zu setzen und die Exekutivgewalt behufs Abwehr drohender Gefahr mit Vollmachten zu versehen, welche in mehrfacher Beziehung über diejenigen hinausgehen, die der vorlie⸗ gende Entwurf in Vorschlag bringt.
Der Entwurf wendet sich ausschließlich gegen die gemeingefähr⸗ lichen Bestrebungen der Sozialdemokratie. Die Bestrebungen sind im §. 1, auf welchem in dieser Beziehung der gantze Entwurf aufge⸗ baut ist, näher bezeichnet als „sozialdemokratische, sozialistische oder kommunistische, auf Untergrabung der bestehenden Staats⸗ oder Ge⸗ sellschaftsordnung gerichtete Bestrebungen.“ Diese Fassung lehnt sich in ihrer zweiten Hälfte an den Abänderungsantrag an, welchen die Abgeordneten Dr. Beseler und Dr. Gneist zu dem vorerwähnten Entwurfe eines gegen die Ausschreitungen der Sozial⸗ demokratie gestellt hatten, und beruht im Uebrigen auf folgender Erwägung. Die Organisationen der Sozialdemokratie bezeichnen sich bald als sozialdemokratische, bald als sozialistische oder kommu⸗ nistische, je nachdem das eine oder das andere Moment der oben vürctteristrten Bestrebungen schärfer betont werden soll. Ebenso be⸗ zeichnen die Anhänger der Sozialdemokratie sich wechselnd als So⸗ zialdemokraten, als Sozialisten oder als Kommunisten. Die deutsche Sozialdemokratie hat sich, wie oben bereits erwähnt, neuerdings die Bezeichnung „Soz ialistische Arbeiterpartei“ beigelegt, während sie früher die gleichen Bestrebungen unter der Firma: „So⸗ zialdemokratische Arbeiterpartei“ verfolgte. Im Auslande wird die Bewegung vorzugsweise als „sozialistische’ bezeichnet. Es erschien daher nothwendig, diese verschiedenen Benennungen neben einander zu stellen, um die Bestrebungen zu kennzeichnen, gegen welche der Ent⸗ wurf gerichtet ist.
Der Begriff der „bestehenden Staatsordnung“ bedarf keiner Erläuterung. Unter der „bestehenden Gesellschaftsordnung“ ist der Inbegriff der sittlichen Prinzipien und der Rechtsgrund⸗ sätze zu verstehen, auf welchen die heutige Gesellschaft be⸗ ruht. Daß die Bestrebungen der Sozialdemokratie auf Untergra⸗ bung und im Endziele auf Umsturz der bestehenden Staats⸗ und Gesellschaftsordnung gerichtet sind, ist oben nachgewiesen, auch ist die Methode dieser Untergrabung geschildert worden. Hiernach dürften die revolutionären, gemeingefährlichen Bestrebungen der Sozial⸗ demokratie, gegen welche der Gesetzentwurf gerichtet ist, im §. 1 desselben mit genügender Deutlichkeit bezeichnet und dem Bedenken begegnet sein, daß durch den Entwurf und andere, als die zu be⸗ kämpfen den Bestrebungen getroffen werden könnten.
In Bezug auf die Mittel, um diesen Bestrebungen zu begegnen, verfolgt der gegenwärtige Gesetzentwurf im Allgemeinen dieselbe Rich⸗ tung, wie die frühere Vorlage, greift jedoch in mehrfacher Be⸗ ziehung über dieselbe hinaus. Der Entwurf ist nicht allein gegen die in Vereinen, Versammlungen und in der Presse (§§. 1, 5, 6) hervortretenden, sondern auch gegen die in sonstiger Weise geschäfts⸗ mäßig stattfindenden sozialdemokratischen Agitationen (§. 16), sowie egen das Einsammeln von Beiträgen zu sozialdemokratischen Zwecken §. 11) gerichtet. Während der frühere Entwurf das Verbot sozial⸗ demokratischer Vereine, Versammlungen und Druckschriften nur für zulässig erklärte, legt der gegenwärtige den zuständigen Behörden die Pflicht auf, alle Vereine, Versammlungen und Druckschriften, welche den bezeichneten Bestrebungen dienen, zu verbieten, indem er aus⸗ spricht, daß dieselben „‚zu verbieten sind (t 1, 5, 6). Den sozialdemokratischen Agitatoren und anderen Personen, welche es sich zum Geschäft machen, die bezeichneten Bestrebungen zu för⸗ dern, sowie solchen Personen, welche den auf Grund des Gesetzes erlassenen Verboten zuwidergehandelt haben und deshalb mit Strafe belegt worden sind, soll der Aufenthalt in bestimmten Bezirken oder Orten untersagt, sowie die Befugniß zum Betriebe solcher Gewerbe, welche erfahrungsmäßig zur Förderung sozialdemokratischer Bestre⸗ bungen gemißbraucht werden, entzogen werden können. Drucke⸗ reien, welche geschäftsmäßig zur Förderung der bezeichneten Be⸗ strebungen benutzt werden, sollen geschlossen werden können (§. 16.). Außerdem sollen für solche Bezirke oder Ortschaften, welche von der Sozial emokratie bereits soweit unterwühlt worden sind, daß die öffentliche Sicherheit bedroht erscheint, gewisse allgemeine B. schränkungen des Versammlungsrechtes des Betriebes der Preß⸗ gewerbe, der Ffes⸗ ügigkeit und des Rechtes zum Besitze oder zum Tragen von affen, sowie des Handels mit denselben durch die Centralbehörden der Bundesstaaten mit Genehmigung des Bundes⸗ rathes vorübergehend angeordnet werden dürfen . 20). Abgesehen von den ebenerwähnten Fällen des §. 20 soll der Erlaß der in dem Gesetze vorgesehenen Verbote und Anordnungen durch die Landes⸗ polizeibehörden und, wo es sich um ein unmittelbares Eingreifen handelt, durch die unteren Polizeibehörden erfolgen. Zuwiderhandlungen gegen die erlassenen Verbote und Anordnungen sind unter Strafe gestellt (§. 12 — 15, 18), deren Festsetzung den zuständigen Ge⸗ richten anheim fällt. Daß das Verbot sozialdemokrati⸗ scher Vereine und Druckschriften nicht, wie nach dem frü⸗ heren Entwurfe, in die Hände des Bundesrathes, sondern in die der Landespolizeibehörden gelegt wird, empfiehlt sich, um eine schnellere und wirksamere Ausführung des Gesetzes zu sichern. Dabei ist dem Umstande, daß die Wirksamkeit sozialdemokratischer Vereine und die Verbreitung sozialdemokratischer Druckschriften sich häufig über das ganze Bundesgebiet erstreckt, durch die Bestimmung Rechnung ge⸗ tragen worden, daß die von den Landespolizeibehörden erlassenen Ver⸗ bote von Vereinen und Druckschriften für das ganze Bundesgebiet wirksam sein sollen (§. 2 Absatz 2, §. 7 Absatz 2).
Dagegen wird sich zum Schutze der Betheiligten gegen etwaige Mißgriffe der Behörden und im Interesse einer gleichmäßigen Hand⸗ habung des Geseßse eine dem ganzen Reichsgebiete gemeinsame Be⸗ schwerde⸗Instanz für diejenigen Fälle nicht entbehren lassen, in welchen die von den Landespolizeibehörden erlassenen Verbote für das ganze Bundesgebiet wirksam sein sollen oder von besonders einschneidender Wirkung sind, während für die übrigen Fälle die Beschwerde an die geordneten Aufsichtsbehörden ausreichend erscheint.
Der Entwurf glaubt, jene höchste Reichs⸗Instanz in den Bundes⸗ rath als den verfassungsmäßigen Repräsentanten der Gesammtheit der deutschen Regierungen legen zu sollen und bringt für dieselbe in §. 19 die Bildung eines aus sieben Mitgliedern bestehenden Bundes⸗ rathsausschusses in Vorschlag.
Die in diesem Ausschuß thätigen Bundesraths⸗Bevollmächtigten sollen an Instruktionen nicht gebunden sein, ihre Entscheidungen vielmehr nach eigenem Ermessen treffen.
Daß die Ausführung des Gesetzes, abgesehen von den Straf⸗ bestimmungen, in die Hand der Exekutivbehörden gelegt werden soll, rechtfertigt sich durch den Zweck des Gesetzes. Es handelt sich um die
bwendung einer gemeinen Gefahr, also recht eigentlich um eine Auf⸗ gabe der Polizei. Es handelt sich um eine gleichmäßige, energische und anha ltende Bekämpfung einer weitverzweigten revolutionären Organi⸗ sation und Agitation. Die hierbei in Betracht kommenden Fragen sind weniger von juristischen als von politischen Gesichspunkten aus zu beurtheilen, und eben deshalb wird auch die Beurtheilung und Entscheidung derselben nicht richterlichen, sondern politischen Organen zu übertragen sein.
Auch eine gerichtliche Kontrole der von den Verwaltungsbehörden auf Grund des Gesetzes “ Maßnahmen wird nicht in Frage ommen können, wenn der Zweck des G erreicht werden foll 8s solche Kontrole würde dem in Deutschland geltenden Verwal⸗ tungsrechte nicht entsprechen, lähmend auf die Verwaltung wirken und an- wirksame Durchführung des Gesetzes gefährden. Das letzte Be⸗ enken würde auch einer Kontrole dur Verwaltungsgerichte ent⸗ gegenstehen, von welcher überdies schon deshalb abgesehen werden Füßte, weil das Institut der Verwaltungsgerichtsbarkeit noch in der Ln ckelung begriffen ist und Verwaltungsgerichte erst in einzelnen
heilen des Bundesgebietes eingeführt worden sind. Ein Gesetz,
wie das vorliegende, verlangt aber eine gleichmäßige Du und zu derselben einheitliche und gleichartige Organe. 8
Im Einzelnen ist noch Folgendes zu bemerken.
rchfuͤhrung
1“ Zu §. 1. Die Vorschriften des §. 1, dessen erster Absatz, soweik er die Definition der zu bekämpfenden gemeingefährlichen
Bestrebungen betrifft, bereits besprochen ist, richten
die Organisation der Scozialdemokratie. Sie
sich gegen sollen
in allen Fällen Anwendung finden, in welchen, gleichviel, in welcher
Form und unter welcher Bezeichnumg⸗ eine Verbindung ins Leben tritt, welche den im Fst 1 bezeichn Bestrebungen der Sozialdemokratie dient. Wenn in Absatz 2 die
ob mit oder ohne Statuten,
eten „ge⸗
nossenschaftlichen Kassen“ besonders hervorgehoben werden, so beruht dies auf der Erwägung, daß die Sozialdemokratie auch Kassen solcher Art, und zwar nicht blos Unterstützungskassen, die mit einem politischen
oder gewerblichen Vereine verbunden Hülfskassen für ihre Zwecke bereits benutzt, dieses Weges die Absicht des önnte. der „Vorwärts“, bringt in der Nr. 65 vom 5. Juni d. J. e Artikel mit der Ueberschrift: „Ein Kapitel über Agitation“. findet sich — nach Darstellung der verschiedenen Formen, in wel die Agitation organisirt werden könnte — folgender Satz:
und dur
„— Aber auch hiermit ist unsere Agitation noch nicht üiepte
Wir gründen Kassen, wo es nöthig und förderlich ist, für Kran und Sterbefälle, beseelt von dem Gedanken, daß jede neue F
id, sondern auch eingeschriebene weitere esetzes leicht vereiteln Das „Centralorgan der Sozialdemokratie Deutschlands“,
inen
Darin
chen
en⸗ orm
der Organisation neue Lebenslust in die Agitation bringen muß. Sollte das Hülfskassengesetz nicht auch für uns da sein? Unnütze
— ist es doch vielleicht in nicht ferner Zeit die Brücke zue
iner
entralisation, welche an Bedeutung manche vorhandene bald über⸗
holen dürfte.“
Zu §. 2. Das Verbot der im §. 1 näher bezeichneten Vereine
soll durch die Landespolizeibehörden erfolgen. Zuständig soll
jede
Landespolizeibehörde sein, in deren Bezirke ein Verein der gedachten
Art seinen Sitz hat oder durch Entwicklung seiner Thätigkeit in Erscheinung tritt.
die
Um dem Mißstande vorzubeugen, daß Vereine,
welche in einem Bezirke verboten sind, ihre Bestrebungen in einem
andern Bezirke fortsetzen, wird der Landespolizeibehörde erlassenen das ganze Bundesgebiet und für alle des Vereines beizulegen. Diese Bestimmung bedingt Bekanntmachung des Verbotes durch den „Reichs⸗Anzeiger“. Da
vorgeschlagen, dem Verbote Wirksamkeit
von für
Verzweigungen eine
von
soll jedoch der Erlaß des Verbotes selbst nicht abhängig sein. Das⸗ selbe soll vielmehr in den üblichen Formen landespolizeilicher An⸗ ordnungen erlassen und publizirt werden, insbesondere auch durch
Zustellung an den Vereinsvorstand, sofern solche ausführbar
ist
(vgl. §. 4). Einer besonderen Bestimmung hierüber wird es nicht
bedürfen. Die Schlußbestimmung des Paragraphen, daß das Verbot
sich
auch auf jeden vorgeblich neuen Verein erstrecken soll, welcher sachlich als der alte sich darstellt, ist dem §. 4 des badischen Vereinsgesetzes
vom 21. November 1867 nachgebildet, sie bezweckt, die Umgehung
des
Verbotes durch Rekonstruktion des verbotenen Vereins unter ver⸗
änderter Firma zu verhindern.
Zu §. 3. Die vorgeschlagene Bestimmung, wonach auf Grund des Verbotes (§§. 1, 2) die Vereinskasse, sowie alle für Zwecke des Vereins bestimmten Gegenstände polizeilich in Beschlag zu nehmen sind, rechtfertigt sich durch den Zweck des Gesetzer. Es handelt sich nicht um eine Konfiskation als Strafe, sondern darum, gemeingefährlichen
Bestrebungen die Mittel zu entziehen.
Aus diesem Grunde sind
Ansprüche Dritter an den in Beschlag genommenen Gegenständen
ausdrücklich vorbehalten. Dieselben werden nöthigenfalls bei Ortsarmenkasse geltend zu machen sein, welcher das Beschlagnah überwiesen werden soll.
Zu §. 4. Wenn vorgeschlagen wird, vie Beschwerde gegen von den Landespolizeibehörden erlassenen Verbote direkt an Bundesrath gehen zu lassen, so geschieht dies im Interesse einer kürzung des mässige Aufsichtsrecht der Centralbehörden der Bundesstaaten
der mte
die den Ab⸗
stanzenzuges. Selbstverständlich wird das verfassungs⸗
den
ihnen untergeordneten Landespolizeibehörden gegenüber dadurch nicht
berührt.
Daß die Beschwerde hier, wie in allen übrigen Fällen, eine auf⸗
nicht haben soll, beruht auf dem präventi
schiebende Wirtang etzes.
Charakter des Ge
ven
Zu §. 5. Soll es gelingen, der sozialdemokratischen Agitation
den ergiebigen Boden der n zu entziehen, so erscheint
es nöthig, nicht nur eine jede Versammlung aufzulösen, sobald in
ihr
sozialdemokratische Reden gehalten, derartige Schriften vorgelesen oder vertheilt werden, oder in anderer Weise die im §. 1 des Entwurfes bezeichneten Bestrebungen zu Tage treten, sondern auch Versamm⸗ lungen im Voraus zu verbieten, wenn anzunehmen ist, daß dieselben
den gedachten Bestrebungen dienen werden. Wenn eine Versamml
ung
aufgelöst wird, so erfolgt dies in der Regel erst in einem Momente, wo die beabsichtigte agitatorische Wirkung, wenigstens zum Theil, bereits erreicht ist; die Auflösung selbst wird als agitatorisches Mo⸗ ment benutzt. Anders, wenn eine Versammlung von vornherein ver⸗ boten wird; ob dies nach der Vorschrift des §. 5 zulässig ist, wird von thatsächlichen Umständen abhängen, deren Spezialisirung im Gesetze nicht angänglich ist, auf Grund deren aber die Polizeibehör⸗ den in der Regel in der Lage sein werden, sich ein völlig zuverlässiges Urtheil darüber zu bilden, ob eine bevorstehende Versammlung sozial⸗
demokratischen Bestrebungen dienen werde. Oeffentliche Festlichkeiten und Aufzüge den Versammlun gleichzustellen, wird keinem Bedenken unterliegen, da dieselben notor
sic
in gleicher Weise, wie die Versammlungen, zu den agitatorischen
Zwecken der Sozialdemokratie benutzt werden.
Die §§. 6 bis 10 richten sich gegen die sozialdemokratische Presse.
In der Presse liegt der Schwerpunkt der sozialdemokratischen Ag
ita⸗
tion. Um ihr zu begegnen, bedarf es daher besonders wirksamer, von
der bestehenden allgemeinen Preßgesetzgebun Bestimmungen. Nach §§. 6 8 2
wesentlich abweichender sollen Druckschriften,
welche den im §. 1 des Entwurfes näher bezeichneten sozialdemokra⸗ tischen Bestrebungen dienen, durch die Landespolizeibehörden verboten werden. Unter Druckschriften sind auch im Sinne des gegenwärtigen Gesetzentwurfs alle diejenigen Erzeugnisse zu verstehen, welche nach
§. 2 Absatz 1 des Gesetzes über die Presse vom 7. G.⸗Bl. S. 65) darunter begriffen sind. Bei Zeitungen und Zeitsch ten, welche in monatlichen oder kürzeren, wenn auch unregelmäßi Fristen erscheinen — periodischen Druckschriften nach §. 7 des Preßgese — soll das Verbot sich nicht allein auf einzelne Nummern (Hefte, Stü
Mai 1874 (R.⸗
rif⸗ gen es e),
sondern auch auf das fernere Erscheinen der Druckschrift erstrecken kön⸗ nen. Die Landespolizeibehörden und in Bezug auf ausländische Druck⸗
schriften der Reichskanzler, nach Vorgang des §. 14 des Preßgese
tzes
vom 7. Mai 1874, sollen befugt sein, eine periodische Druckschrift, wenn dieselbe nach ihrer Gesammthaltung und Tendenz den bezeich⸗ neten Bestrebungen dient, zeitweise oder für immer zu unterdrücken.
Es wird sich hierbei zunächst um solche Zeithngen und Zeitschriften
handeln, welche sich selbst als Organe der Sozialdemokratie
be⸗
zeichnen, wie der in Leipzig erscheinende „Vorwärts“, sowie um die⸗ jenigen, welche in diesen Organen als sozialistische Parteiblätter an⸗
erkannt und empfohlen sind.
Der Zweck des Gesetzes erheischt aber auch, daß, sobald ein Ver⸗
bot erlassen worden ist, jede weitere Verbreitun
der von demselben
betroffenen Druckschrift durch polizeiliche Beschlagnahme verhindert werde, 5 daß die beschlagnahmten Druckschriften vernichtet wer⸗
den, sobald das Verbot endgültig geworden ist. chriften und Broschüren, häufig erst dann zur Kenntniß der Land
reitet sind, ergiebt
öö ge öhe wenn bereits Massen der Druckschrift v
1. - Aus dem Umstande feruen, daß Druckschriften der bezeichneten Art, insbesondere Flug⸗
es⸗ er⸗
ich die weitere Nothwendigkeit, die mit der un⸗
mittelbaren Handhabung der polizeibetrauten Behörden zur vor⸗ läufigen Beschlagnahme Felche⸗ Druckschriften zu ermächtigen. Auf diesen Erwägungen beruhen die Bestimmungen der §§. 9 und 10,
bei deren Fassung der §. 27, bezw. die Absätze 3 und 4 des §. des Se zum Vorbilde gedient haben. 8.
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Gegen die von der Landespolizeibehörde erlassenen Verbote, welche in gleicher Weise, wie das Verbot von Pde erlaf (§§. 1,2) v5* Iö 7 — — nnd deshalb auch im eichs⸗Anzeiger bekannt gemacht werden sollen, soll die Beschwerde den Bundesrath offen stehen. (§. 8.) a9 8 welche die Sozialdemokratie
Zu §. 11. Die Beiträge, von ihren Anhängern in den verschiedensten Formen erhebt, sind nicht unbeträchtlich. Sie dienen zum Unterhalte der und Agitatoren, zu sonstigen Agitationszwecken, sowoie zur
heckung der wegen Verletzung der Strafgesetze den Agitatoren auf⸗ erlegten Geldstrafen. Nach den bestehenden Gesetzen kann solchen Sammlungen in der Regel nur entgegengetreten werden, wenn sie in der Form der Hauskollekte erfolgen. Es bedarf daher der im §. 11 vorgeschlagenen Bestimmung, wonach das Einsammeln von Beiträgen zur Förderung der im §. 1 des Entwurfes bezeichneten Bestrebungen in jeder Form, sowie die öffentliche Aufforderung zur Leistung solcher Beiträge polizeilich zu verbieten sind. Zuständig für das Verbot soll jede Polizeistelle für ihren Bezirk sein, auch der eine Versamm⸗ lung überwachende Polizeibeamte für Sammlungen, die in der Ver⸗ sammlung etwa unternommen werden (Tellersammlungen oder dergl.). Die 8§§. 12 bis 15 eathalten Strafbestimmuugen gegen Die⸗ jenigen, welche einem auf Grund dieses Gesetzes erlassenen Verbote mit Kenntniß, oder nach öffentlicher Bekanntmachung, worunter in den Fällen der §§. 2 und 7 die daselbst vorgesehene Bekanntmachung durch den Reichs⸗Anzeiger zu verstehen ist, zuwiderhandeln. Mit Rück⸗ sicht darauf, daß hiernach die Strasbarkeit einer aus minderer Fahrlässigkeit begangenen Zuwiderhandlung nicht unbedingt ausgeschlossen ist, mußte auch Geldstrafe zugelassen und von der Festsetzung eines Strafminimums abgesehen werden. Dieses Motiv trifft indessen nicht zu in den Fällen des §. 12 Ahlag⸗ und des §. 13, wo in der Regel dolas, mindestens aber grobe Fahrlässigkeit vorliegen wird.
Im §. 14 ist mit Rücksicht darauf, daß das Verbot einer Druckschrift sich auch auf das fernere Erscheinen einer periodischen Druckschrift beziehen kann, außer der Verbreitung und dem Wieder⸗ abdrucke einer verbotenen oder von der vorläufigen Beschlag⸗ahme (§. 10) betroffenen Druckschrift auch die verbotswidrige Fortsetzung einer — periodischen — Druckschrift unter Strafe gestellt.
Für die in dem Schlußsatze des §. 15 vorgeschlagene Bestim⸗ mung, wonach das zufolge der verbotenen Sammlung oder Aufforde⸗ rung Empfangene oder der Werth desselben der Armenkasse des Orts der Sammlung für verfallen erklärt werden soll, findet sich eine Analogie im §. 16 des Preßgesetzes vom 7. Mai 1874.
Zu §§. 16 bis 18. Der §. 16 verfolgt einen doppelten Zweck. Er richtet sich gegen die geschäftsmäßig betriebene sozialdemokratische Agitation und gegen den Mißbrauch, welcher mit gewissen Gewerben zur Förderung der im §. 1 des Entwurfes bezeichneten Bestrebungen notorisch getrieben wird; er soll andererseits dazu dienen, die nach den §§. 1 bis 11 zu erlassenden Verbote wirksamer zu machen, indem er für einmalige (Absatz 3) oder rückfällige (Absatz 1) Uebertretung derselben noch andere Nachtheile als die in den §§. 12 bis 15 vor⸗ gesehene Strafe in Aussicht stellt.
„Die sozialdemokratische Agitation wird bekanntlich durch Wander⸗ agitatoren und durch ständige Agitatoren betrieben, welche die in den Protokollen über die sozialistischen Kongresse offen ausgesprochene, berufsmäßige Aufgabe haben, die Bevölkerung gewisser Bezirke oder Orte für die sozialdemokratischen Bestrebungen zu gew nnen; zur Ausbildung dieser Agitatoren bestehen besondere Schulen.
Daneben giebt es eine große Zahl von Vertrauensmännern, Agenten, Kassirern und anderer Personen, welche es sich zum Geschäfte machen, die im §. 1 des Entwurfes bezeichneten Bestrebungen zu fördern. Ingleichen giebt es eine Anzahl von Buchdruckern, Buch⸗ händlern, Leihbibliothekaren und Inhabern von Lesekabinetten, welche ihr Gewerbe vorzugsweise zur Herstellung beziehungsweise zur Ver⸗ breitung sozialistischer Druckschriften benutzen. Der Straßenverkauf und die Kolportage sind ebenso wie die unentgeltliche öffentliche Verbreitung von Druckschriften wirksame Mittel in den Händen der sozialdemokratischen Agitation. Bekannt ist ferner, daß die Schank⸗ wirthschaften und Gastwirthschaften der gedachten Agitation die günstigste Gelegenheit darbieten, und daß viele Inhaber solcher Wirthschaften den sozialdemokratischen Bestrebungen in jeder Weise, namentlich auch durch Auslegen sozialistischer Schriften, förderlich sind. Wollte man dieses Treiben fernerhin in bisheriger Weise dulden, so würde sich von den gegen den Mißbrauch des Vereins⸗ und Versammlungsrechtes und der Preßfreiheit durch die Sozialdemokratie gerichteten Bestimmungen des Entwurfes nur ein ungenügender Erfolg versprechen lassen. Die öffentliche Agitation würde zwar verhindert, dagegen die geheime ungestört fortbetrieben werden. Der letzteren wird nur durch solche Maßregeln entgegenzuwirken sein, wie sie der §. 16 vorschlägt, nämlich Entziehung der Verugniß zum Betriebe der sraglichen Gewerbe, oder Entfernung der Agitatoren aus denjenigen Bezirken oder Orten, welche sie durch geschäftsmäßige Agitation ge⸗ fährden. Außerdem wird, um den Druck “ Schriften zu verhindern, unter Umständen die Schließung einer Druckerei (§. 16, Absatz 4) nothwendig sein, zumal eine nicht un⸗ bedeutende Anzahl von Druckereien besteht, welche ausschließlich für die Herstellung sozialistischer Agitationsschriften benutzt werden.
Da diese Maßregeln, wie die übrigen in dem Ent⸗ wurfe vorgesehenen, dem Gebiete der politischen Polizei angehören, werden sie ebenfalls in die Hände der Landes⸗ polizeibehörden gelegt werden müssen; auch bezüglich der gewerblichen Beschränkungen werden die mit dem gewerblichen Kon⸗ zessionswesen befaßten Behörden um so weniger in Betracht kommen können, als es sich nicht um gewerbliche Gesichtspunkte handelt, und als die einheitliche Handhabung des Gesetzes eine unerläßliche Be⸗ dingung für seine wirksame Durchführung ist.
Daß gegen die auf Grund des §. 16 erlassenen Verfügungen der Landes⸗Polizeibehörde die Beschwerde an den Bundesrath offen stehen soll (§. 17), sowie daß im §. 18 Zuwiderhandlungen gegen solche Verfügungen unter Strafe gestellt werden, entspricht dem System des Entwurfes.
Der §. 19 enthält Vorschriften wegen Bildung eines besonderen Ausschusses des Bundesraths behufs Entscheidung der an denselben auf Grund dieses Gesetzes gelangenden Beschwerden. ist das Erforderliche bereits in dem allgemeinen Theile der Begründung bemerkt worden.
Zu §. 20. Die in den Bestimmungen der §§. 1 bis 19 des Entwurfes vorgesehenen Mittel zur Bekämpfung der gemeingefähr⸗ lichen Bestrebungen der Sozialdemokratie werden unter Umständen für solche Bezirke und Ortschaften nicht ausreichen, welche durch die sozialdemokratische Agitation bereits so stark unterwühlt sind, daß dadurch die öffentliche Sicherheit bedroht ist. Hier wird es zeitweise einiger allgemeinen, nicht direkt gegen die Sozialdemokratie gerichteten Beschränkungen in Bezug auf die Ausübung des Versammlungs⸗ rechtes, die Verbreitung von Druchschriften, die Freizügigkeit, den Besitz oder das Tragen von Waffen oder den Handel mit denselben bedürfen. Solche Beschränkungen sollen, um für gewisse Eventuali⸗ täten der Nothwendigkeit einer Erklärung des Kriegszustandes über⸗ dehen zu sein, nach §. 20 durch die Centralbehörden der Bundes⸗ taaten vorübergehend und mit Genehmigung des Bundesrathes an⸗ geordnet werden können, soweit sie nicht bereits landesgesetzlich ohne⸗ dies zulässig sind.
Der §. 21 bestimmt, nach Vergang des §. 155, Absatz 2 der Reichs⸗Gewerbeordnung, daß Seitens der Centralbehörde eines jeden Bundesstaates bekannt gemacht werden soll, welche Behörden unter der Bezeichnung Landespolizeibehörde bezw. Polizeibehörde in jedem Bundesstaate zu verstehen sei.
Nach §. 22 soll das Gesetz sofort in Kraft treten. Von der Festsetzung eines Termines für das Außerkrafttreten des Gesetzes, wie ihn der frühere Entwurf enthielt, ist abgesehen worden, nicht, weil nicht nach wie vor an der Hefuam festgehalten werden müßte, dieses Gesetz in Zukunft entbehren zu können, sondern wegen der
Unmöglichkeit, den 1-ee im Voraus zu bestimmen, mit welchem diese Hoffnung in Erfüllung gehen wird. * — 1 —— - 8 1