Landw. Inf. des Landw. Regts. Nr. 106, Richter, Naumann, Sec. Lts. der Landw. Inf. des Landw. Regts. Nr. 103, behufs Ueber⸗ führung zum Landsturm der Abschied bewilligt.
Im Sanitäts⸗Corps. Dr. Boffmann, Stabsarzt des Inf. Regts. Nr. 103 der Abschied bewilligt.
ARichtamtliches
Deutsches Reich.
Preußen. Berlin, 9. Oktober. Se. Kaiserliche nd Königliche Hoheit der Kronprinz nahm 2 Vormittag den Vortrag des General⸗Majors von Albedyll
—ůů— 8 “ A 1““ E1I“ 4
— In der heutigen (8.) Sitzung des Reichstages, welcher der Reichskanzler Fuͤrst von Bismarck, der Staats⸗ Minister Graf zu Stolberg⸗Wernigerode, der Staats⸗Minister Hofmann, und mehrere andere Bevollmächtigte zum Bundesrath und Kommissarien beiwohnten, wurde der Präsident und die beiden Vize⸗Präsidenten auf den Vorschlag des Abg. von Bonin, dem die Abgg. von Helldorff und Windthorst, wenn auch mit Reserven zustimmten, durch Akklamation für die Dauer der Session wiedergewählt. Der Präsident von Forckenbeck nahm die Wahl in seinem und seiner Kollegen Namen dankend an.
Hierauf trat das Haus in die zweite Berathung des Gesetzentwurfs Pegen die gemeingefährlichen Be⸗ strebungen der Sozialdemokratie. zunächst stand zur Diskussion §. 1; derselbe lautet nach egierungsvorlage:
„Vereine, welche sozialvemokratischen, sozialistischen oder kom⸗ munistischen, auf Untergrabung der bestehenden Staats⸗ oder Ge⸗ sellschaftsordnung gerichteten Be trebungen dienen, sind zu verbieten.
Den Vereinen stehen gleich Verbindungen jeder Art, insbeson⸗ dere genossenschaftliche Kassen.
Die Fassung der Kommission ist folgende:
„Vereine, welche durch sozialdemoktratische, sozialistische oder kommunistische Bestrebungen den Umsturz der bestehenden Staats⸗ oder Gesellschaftsordnung bezwecken, sind zu verbieten.
Dasselbe gilt von Vereinen, in welchen sozialdemokratische, sozialistische oder kommunistische auf den Umsturz der bestehenden Staats⸗ oder Gesellschaftsordnung gerichtete Bestrebungen in einer den öffentlichen Frieden gefährdenden Weise zu Tage treten.“
1 Hierzu beantragten 1) die Abgg. von Schmid und Ge⸗
nossen: 8
„In Alinea 2 zu streichen die Worte:
„in einer den öffentlichen Frieden gefährdenden Weise.“
Eventualiter: für den Fall der Aufrechterhaltung dieser Worte aber nach dem Worte „Frieden“ ein uschalten: „insbesondere die Eintracht der Bevölkerungsklassen.“
2) Die Abgg. Ackermann und Genossen:
„Im Absatz 2 einzuschalten hinter den Worten „öffentlichen Frieden“ die Worte: „insbesondere die Eintracht der Bevölke⸗ rur gsklassen.“
Der Abg. Frhr. zu Franckenstein verlas im Namen seiner Partei eine Erklärung, daß auch sie die sozialdemokratische Agitation verurtheile, daß sie aber diese Vorlage für die Frei⸗ heit Aller gefährlich halte und deshalb gegen dieselbe stimmen, eventuell dieselbe nur an einem Punkte zu amendiren versuchen werde. Der Abg. Frhr. von Marschall befürwortete den Antrag des Abg. Ackermann. Demselben sei vor der Konnessionasessung der Vorzug zu geben, weil eine einzelne sozialdemernan xche Versammlung, wenn auch noch so staatsgefährlich, nicht genüge, um die Kriterien der Kommissionsfassung 1 und die Macht des Gesetzes gegen sich herbeizurufen. Der Redner führte sodann aus, daß es für eine verständige Regierung fast unmöglich sein werde, mit diesem Gesetze wirk⸗ liche “ Bestrebungen zu unterdrücken und dasselbe als Parteigesetz gegen andere Parteien als gegen die Sozialdemokratie anzuwenden. er Ab Sonnemann konstatirte zunächst, daß das vorliegende Gesetz ein reines Polizeigesetz sei, da mit den darin gegebenen Definitionen juristisch nichts anzufangen sei. Es hebe unbegründeter Weise die Wohlthaten des vor vier Fahren beschlossenen Preßgesehes auf. Man übertreibe viel⸗
ach den Mißbrauch, der Seitens der Sozialdemokraten mit
der Preßfreiheit gemacht worden sei, wenigstens seien andere Parteien und namentlich die konservative in den
“ Fehler verfallen. Das Gleiche gelte von dem freien ereins⸗ und Versammlungsrecht. Die Regierung habe auch
ohne dieses Gesetz genügende Waffen gegen etwaige Aus⸗
schreitungen. Andere Länder hätten auch nicht gleich nach bürgerlichen Unruhen zu Ausnahmegesetzen gegriffen.
Alle fremden Nationen hätten sich in ihren großen Jour⸗
nalen gegen diese Vorlage ausgesprochen. Die politische Klug⸗
heit sollte die Konservativen, die Konsequenz die National⸗ liberalen zu Gegnern dieses Gesetzes machen.
Hierauf ergriff der Reichskanzler Fürst von Bismarck das Wort. Derselbe konstatirte zunächst, daß der vom Vorredner erwähnte, im hiesigen „Tageblatt“ veröffentlichte Auszug aus den Nobilingschen Protokollen, ohne jede regierungsseitige Mitwirkung oder Konnivenz erfolgt sei. Das Journal des Vorredners coincidire merkwürdiger Weise immer mit den Aeußerungen der französischen offiziösen Presse, und sein Blatt bringe oft Tage vorher Mittheilungen, welche später durch diplomatische Berichte si als “ der französischen Regierung erwiesen. Die Rede des Abg. Sonnemann scheine ihm dche ein beachtenswerthes Shmnre von den Ansichten der französischen Regierung über die inneren Zustände Deutschlands. Ein sranzösischer Revanche⸗ politiker hätte die eben gehörte Rede auch halten können. Es sei unrichtig, daß das Ausland und namentlich Frank⸗ reich sich in Bezug auf die sozialdemokratische Bewegung nicht vom Boden des gemeinen Rechts Fufermt 88 Frankreich habe sich durch Fenlch ce Füsilladen der
der
klar zu zeigen
Kommunards von dieser Plage ziemlich befreit. Der Reichs⸗ kanzler ging sodann in seiner beim Schlusse des Blattes noch ö Rede zu einer Beleuchtung des §. 1 der Vor⸗ age über.
— Seit einigen Tagen schweben im General⸗Postamt hierselbst mit den aus Brüssel in Berlin eingetroffenen Herren Garnier, Abtheilungsvorstand im Königlich Belgischen Handels⸗ Ministerium, und Direktor Sauvignier Verhandlungen wegen Durchführung der zum 1. November für den Packetverkehr zwischen Deutschland, Oefsterreich⸗ Ungarn und Belgien in Aussicht genommenen 8 efo 55 (einheitliche ermäßigte Portotaxe und vereinfachte
ormen).
*
— Nach dem preußischen Strafgesetzbuch, welches bis zue Emanation des Reichs⸗Strafgesetzbuches in Kraft bestanden hat, hatte die Verurtheilung zu einer Zuchthaus⸗ strafe den dauernden Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte zur Folge, und dieser Verlust zog auch die Unfähigkeit, als Zeuge oder Sachperständiger eidlich ver⸗ nommen werden zu können, nach sich. Diese Bestimmung ist, nach einem mit der bisherigen Rechtsprechung übereinstimmen⸗ den Erkenntniß des Ober⸗Tribunals, vom 19. Septem⸗ ber 1878, durch das Inkrafttreten des weiches anrafseseße
a
buchs, nach welchem die Verurtheilung zur Zuchthaus
nicht ohne Weiteres den Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte zur Folge hat, nicht aufgehoben, jedoch den Allerhöchsten Gnadenerlaß vom 28. Februar 1872 dahin beschränkt worden, daß die noch unter der Herrschaft des preußischen Strafgesetz⸗ buches zur Zuchthausstrafe verurtheilten Verbrecher nur 10
re lang, nach Verbüßung der Zuchthausstrafe, die Un⸗ ähigkeit, als Zeuge oder Sachverständiger vernommen zu werden, behalten sollen.
— Der Königliche Gesandte Graf zu Limburg⸗Stirum ist mit Ablauf seines Urlaubs nach Weimar zurückgekehrt und hat die Leitung der Geschäfte wieder übernommen.
— Der Bevollmächtigte zum Bundesrath, Fürstlich 5 Staats⸗Minister Dr. von Beulwitz ist hier ein⸗ getroffen.
— Zum 25 jährigen Jubiläum Sr. Kaiserlichen und Königlichen Hoheit des Kronprinzen als Inhaber des Kaiserlich Königlich österreichischen Infanterie⸗Regiments Nr. 20 sind folgende Offiziere von diesem Regiment als Deputation hier eingetroffen: der Oberst Mathes, Comman⸗ deur des Regiments, der Major von Smalawski, der Haupt⸗ mann Jawonski und der Ober⸗Lieutenant Groß.
— Der General der Kavallerie Baron von Rheinbaben, General⸗Inspecteur des Militärerziehungs⸗ und Bildungs⸗ wesens, ist von Urlaub hierher zurückgekehrt.
— Der Keaiserlich österreichische Militärbevollmächtigte, Oberst⸗Lieutenant Prinz zu Liechtenstein ist hier wieder eingetroffen.
— Als Aerzte haben sich niedergelassen die Herren Dr. Loebker in Greifswald, Dr. Kornblum und Stabsarzt Dr. , in Wohlau, Dr. Leppmann in Leubus und Dr. Wolter in Cöln.
Bayern. München, 9. Oktober. (W. T. B.) Der Erzbischof von Bamberg, welcher gestern noch von dem Kultus⸗Minister von Lutz empfangen wurde, hat heute früh um 9 ¼ Uhr in Begleitung mehrerer Kleriker die Reise nach Rom angetreten.
Kaiserslautern, 8. Oktober. (W. T. B.) Bei der im hiesigen Wahlkreise stattgehabten Nachwahl zur Zweiten Kammer ist Freiherr von Stauffenberg mit 155 von 168 Stimmen zum Abgeordneten gewählt wordben.
Hesterreich⸗Ungarn. Wien, 8. Oktober. (W. T. B.) n. der Angelegenheit der österreichischen Kabinetskrisis ist der
räsident des Abgeordnetenhauses, Rechbauer, heute vom Kaiser empfangen worden. Herbst ist gleichfalls zum Kaiser berufen worden. Wie verlautet, sollen auch v. Schmer⸗ ling, Eichhoff, Wolfrum und Graf Taaffe zum Kaiser berufen werden.
— General⸗Major Zach meldet aus Zavalje an das Ge⸗ neralkommando in Agram, daß General⸗Major Reinländer am 6. d. M. den ganzen Tag hindurch auf den südöstlich von Peci gelegenen Höhen ein glückliches Gefecht gegen starke Abtheilungen der Insurgenten bestanden hat. Leider sind unsere Verluste bedeutend, sie betragen zwischen 170 und 180 Mann, darunter 9 todte oder verwundete Offiziere. Das Gefecht wurde auch am 7. d. M. wieder aufgenommen, Details darüber fehlen noch. 3
— 8 T. B.) Die „Polit. Korresp.“ meldet: Aus Bukarest von heute: In der geheimen Sitzung der Depu⸗ tirtenkammer ist eine Motion beschlossen worden, in welcher dem Schmerze über die Rumänien auferlegten Opfer Ausdruck gegeben und erklärt wird, daß das Land sich dem Kollektivwillen der Mächte unterwerfe. Die Regierung wird einen Gesetzentwurf vorlegen, betreffend die Besitzergreifung der Dobrudscha, sowie über den Zeitpunkt, bis zu welchem die Entscheidungen des Kongresses mit der rumänischen Verfassung in Einklang zu bringen sind. — Aus Konstantinopel von heute: Der russische Botschafter, Fürst Lobanoff, erklärte dem Großvezier, daß die Russen Adrianopel erst räumen würden, wenn sämmtliche Bestimmungen des Berliner Ver⸗ trages, hauptsächlich aber diejenigen, betreffend die Territorial⸗ abtretungen an Serbien und Montenegro, erfüllt worden seien. In Folge der energischen Haltung des englischen Bot⸗ schafters Layard in der asiatischen Reformfrage wurde ein prinzipielles Einvernehmen über einzelne Punkte erzielt.
Schweiz. Bern, 6. Oktober. (N. Zürch. Ztg.) Bis b Abend hatten nur 5664 gültige Unterschriften die An⸗ ordnung einer Volksabstimmung über das neue Militär⸗ pflichtersatzgesetz verlangt.
— 7. Oktober. Die Genfer Verfassung ist mit 8756 gegen 2591 Stimmen verworfen worden.
Großbritannien und Irland. London, 7. Oktober.
E. C.) Am Sonnabend starben hier zwei hervorragende ersönlichkeiten, der Präsident der Kunstakademie Sir ““ Grant und Lord Chelmsford, früherer Lordkanzler. Der erstere wurde im Jahre 1851 zum Mitgliede der Akademie und 1865 zum Präsidenten derselben, als Nachfolger des Sir Charles Eastlake, erwählt. Bei dieser Gelegenheit empfing er nach altem Brauch die Ritterwürde. Lord Chelmsford Freberi⸗ Thesiger) war im Juli 1794 auf der Insel t. Vincent geboren und wurde im Jahre 1845 zum Attorney General ernannt, trat aber mit Sir Robert Peel schon im e2 Jen. Jahre zurück. Im Jahre 1852, während der ersten mtsperiode des verstorbenen Lord Derby, war Thesiger
wiederum Attorney Generalg wurde im Jahre 1858 Lord⸗
kanzler und empfing die Peerswürde mit dem Titel Lord Chelmsford, kam 1866 mit den Konservativen wiederum ins Amt und trat im Jahre 1868 zurück. Sein Nachfolger im Amte war der jetzige Lordkanzler Cairns.
— Die neuesten Mittheilungen aus Indien finden sich in einem der „Times“ aus Darjeeling unter dem 6. d. M. zugesandten Telegramme. Danach sind von jedem
Besatzungs⸗Regiment 200 Mann, verstärkt durch reitende Ar⸗
tillerie und Batterien von 4⸗Pfündern, aus Pischawer nach Jamrood unterwegs. Führer und ein Regiment aus Kohat werden sich denselben dort anschließen. Man glaubt, daß diese Streitmacht unter dem Befehle des General Roberts das Fort Alimusjid v werde. „Ein Gerücht geht, daß ein Shal der Soldaten des Emirs, 4 Regimenter stark mit se afen, bis an die Mündung des Khyberpasses vorgerückt sei. Ein Bazargerücht meldet, der Emir häufe Truppen an und habe nicht die Absicht, sich zu unter⸗ werfen. Die benachbarten Stämme sind völlig ruhig.“ Weiter heißt es in dem „Times“⸗Telegramm, der Vormarsch auf Kabul sei fürs erste aufgegeben. — Oberst Villiers, des Vize⸗ königs militärischer Sekretär, begleitet die nach Jamrood un⸗ ternommene Expedition. — Es wird aus Lahore gemeldet, nach Meinung Einheimischer von Einfluß würde der Einzug englischer Truppen in Afghanistan sofort die Absetzung oder gar die Ermordung des sehr unpopulären Emirs nach sich ziehen. Die Regierung — so erfahren wir weiter — halte sehr geheim mit Angabe des Bestim⸗ mungsortes, scheine aber den Plan zu haben, durch starke Demonstrationen an der Grenze den Emir zu einer bedin⸗ — Unterwerfung zu bringen. Man erwarte, daß die Afghanen selbst einen großen Druck auf Schir Ali ausüben werden. Erwähnt mag hier noch werden, daß am 21. in voller Versammlung Secindiah mit dem Orden des indischen Reiches investirt ward und sich gnädig und versöhnend ge⸗
zeigt hat.
— 9. Oktober. (W. T. B.) Der „Standard“ meldet aus Allahabad von gestern: In Folge des Erscheinens und der drohenden Haltung einer starken afghanischen Truppenabtheilung in der Nähe von Jam rud ist die Besatzung um 7 Regimenter Infanterie und 3 Batterien ver⸗ stärkt worden. Der Kommandant, General Se traf Vor⸗ bereitungen, den unteren Theil des Passes zu forciren und Alimusjid anzugreifen, als er den Befehl erhielt, weitere Verstärkungen abzuwarten, damit man sich auch nicht dem ge⸗ ringsten Echec aussetze.
Frankreich. Paris, 9. Oktober. (W. T. B.) Das „Journal officiel“ veröffentlicht ein Dekret des Prä⸗ identen der Republik, wodurch die Munizipalräthe zur Vor⸗ nahme der Wahl der Delegirten zur Senatorenwahl ac den 27. d. M. einberufen werden, und worin der 5. Ja⸗ nuar k. J. als Termin für die Senatorenwahlen (Er⸗
neuerung eines Drittels des Senats) festgesetzt wird.
Amerika. New⸗York, 5. Oktober. (Reuters Bureau.) Die Cheyenne⸗Indianer überschritten die Union Pacific⸗ Eisenbahn unweit Ogallala, hart verfolgt von den Bundes⸗ truppen. Die „Fleckschwanz“ und „Rothe Wolke“Sioux⸗ Indianer haben ihre Reservationen in Dakota verlassen und bewegen sich nach dem Westen zu, wahrscheinlich zu dem Zweck sich den flüchtigen C“ anzuschließen. Nach Berichten aus St. Paul, innesota, ist das militärische Hauptquartier daselbst aufgeschlagen worden.
New⸗Orleans, 6. Oktober. Gestern starben hierorts 52 Personen am gelben Fieber und 45 in Memphis. In Vicksburg hat das Fieber beinahe aufgehört, aber auf dem Lande nimmt es in alarmirender Weise zu. Dem Berichte des Generalarztes zufolge belief sich die Zahl der Todesfälle der am Freitag beendeten Woche auf 360 in New⸗ Orleans, 230 in Memphis, 70 in Vicksburg, 20 in Browns⸗ ville, 18 in Morgan City, 18 in Chattanooga und 57 in an⸗ deren Städten. Die Regierung hat 40 000 Rationen für die nothleidende Bevölkerung von New⸗Orleans verabfolgt.
8 Asien. Darjeeling, 6. Oktober. (Times.) Der Tod des Königs von Birma wird nunmehr amtlich ver⸗ kündigt. Prinz Thee Bau wurde in friedlicher Weise zu seinem Nachfolger ausgerufen. Wie berichtet, herrscht zu Mandalay völlige Ruhe.
Statistische Nachrichten.
Der betr. Unfallversicherungsverein, welcher in dem in Nr. 227 d. Bl. abgedruckten Auszuge aus dem Jahresbericht des Fabriken⸗Inspektors für den Reg.⸗Bezirk Frankfurt a. O. erwähnt ist, befindet fich, wie uns mitgetheilt wird, nicht in Fürstenwalde, sondern in Finsterwalde. Die Zahlen über die
orster Tuchindustrie sind in derselben Notiz irrthümlich auf 300 000 Stück =) 600 000 statt 60 000 Ctr. Tuch angegeben.
— Schiffsunfälle. Den Statistiken des „Bureau Veritas“ zufolge gingen im August 101 Segelschiffe total zu Grunde, darun⸗ ter 33 englische, 15 französische, 10 amerikanische, 8 deutsche, 7 der Republik Nicaragua, 4 der Republik Guatemala, 4 norwegische, 3 chilenische, 3 niederländische, 3 italienische, 2 griechische, und je 1 dänisches, spanisches, portugiesis hes, russisches, schwedisches, sowie 4 deren Nationalität unbekannt ist. Unter obiger Anzahl befindet sich ein Fahrzeug, das als vermißt gemeldet worden. An Dampfern gingen 6 verloren, und zwar 3 englische, 1 belgischer, 1 französischer und 1 italienischer.
Kunst, Wissenschaft und Literatur.
Leipzig, 5. Oktober. Gestern Mittag verschied der seit längerer Zeit hier lebende Schriftsteller Wilhelm Schröder, der Verfasser von „Haas und Swinegel“, im Alter ron 70 Jahren. Der Verstorbene machte seinen Namen durch verschiedene plattdeutsche Schriften, sowie durch das Schauspiel „Studenten und Lützower“ wohlbekannt. 8
Straßburg, 5. Oktober. (Straßb. Ztg.) Auf dem Bau⸗ terrain des neuen Zentralbahnhofes werden fortwährend Stein⸗ särge bloßgelegt. Dieser Tage wurde ein aus gebrannten Steinen gemauerter Sarg, ebenso ein weibliches Skelet, ohne Spuren eines Sarges bei demselben zu entdecken, aufgefunden. Die Stätte, auf welcher die genannten Funde gemacht wurden, wird von Alterthums⸗ freunden zahlreich besucht, und es haben die daselbst beschäftigten Erdarbeiter Ordre, bei ihrer Thätigkeit möglichst vorsichtig zu sein, damit allenfallsige weitere Fundstätten nicht unnöthig beschädigt, vielmehr möglichst geschont werden.
Gewerbe und Handel.
Nach der Bilanz der Harpener Bergbau⸗Aktien⸗ Gesellschaft zu Dortmund für das letzte Geschäftsjahr wurde ein Bruttogewinn erzielt von 751 897 ℳ Das Gewinn⸗ und Verlust⸗ Conto war zu belasten mit 223 804 ℳ, so daß ein Gewinn verbleibt von 528 093 ℳ Hiervon sollen auf Beschluß des Aufsichtsraths zu Abschreibungen 298 438 ℳ verwandt werden und würde über den Rest von 229 654 ℳ die Generalversamm lung zu beschließen haben. Der Verwal⸗ tungsrath schlägt folgende Vertheilung vor: Uebertrag auf den Reserve⸗ fonds 10 % mit 22 965 ℳ, Tantièmen 19 000 ℳ, 2 ½ % Dividende (15 ℳ pro Aktie) mit 187 500 ℳ und Restvortrag mit 189,30 ℳ Die Bilanz per 30. Juni 1878 balanzirt in Aktiva und Passiva mit 10 377 125,91 ℳ Das Kassakonto beträgt 10 908,89 ℳ, das Wechselkonto 102 821,77 ℳ und das Debitvrenkonto 668 536,30 ℳ, das Kreditorenkonto 61 920,11 ℳ, und das Aktienkapitalkonto 7 500 000 ℳ Die Gesammtförderung betrug inkl. Bestand ult. Juni 1877 (36 185 Scheffel) 9 301 405 Scheffel. Der Selbstverbrauch stellte
sich auf 529 329 Scheffel, der Bestand ult. u1u“ auf
Scheffel, und es gelangten zum Versand 6 453 200 Scheffel in 69 504 Ladungen à 100 Ctr. zur Kokesfabrikation 2 310 641 Scheffel in 15 847 Ladungen à 100 Ctr. Die Kokesfabrikation war durchweg in flottem Betriebe und betrug die Produktion insgesammt 1 549 040 Ctr., welche an Fabrikationskosten 4,75 ₰ pro 100 Ctr. erforderten. Der erzielte durchschnittliche Erlös für Kohlen und Kokes betrug 29,30 ℳ pro 100 Centnerladung gegen 33,30 ℳ im Vorjahre und zwar für Kohlen 26,66 ℳ Fegen 31,53 ℳ im Vorjahr, für Kokes 41,72 ℳ gegen 45,93 ℳ im Vorjahr.
— Aus dem Jahresbericht des Märkisch⸗Westfälischen Bergwerks⸗Vereins in Letmathe bei Iserlohn liegen folgende Angaben vor: Für das am 30. Juni 1878 zu Ende gegan⸗ gene Betriebsjahr ist ein Brutto⸗Ueberschuß von 141 635 ℳ erzielt; derselbe wird nach den Beschlüssen der Generalversammlung zu Ab⸗ schreibungen und zur Dotirung der Reserve verwendet. Das Aktien⸗ kapital beträgt 2 400 000 ℳ, die Grundschuld 264 000 ℳ, Reserven sind in Höhe von 235 461 ℳ gelegt. Die Kreditoren betragen 461 175 ℳ Die Außenastände beziffern sich auf 258 657 ℳ, Cassa⸗ und Wechsel⸗Conto auf 25 720 ℳ, das Effekten⸗Conto auf 9720 ℳ, Waaren⸗ und Materialien⸗Vorräthe auf 431 122 ℳ; die Im⸗ mobilien sind bis auf 1 195 024 ℳ, die Bergwerke bis auf 758 000 ℳ, die Maschinen bis auf 157 574 ℳ und das Apparaten⸗Conto bis auf 194 019 ℳ abgeschrieben worden. Ein Neubauten⸗Conto figurirt in der Bilanz mit 383 950 ℳ Die Mobilien stehen mit 7044 ℳ, die Hütten⸗ und Bergwerks⸗Utensilien mit 73 892 ℳ, die Fuhrwerks⸗ Utensilien mit 8877 ℳ zu Buch.
— Die Thode'sche Papierfabrik “ zu Hainsberg hat im Geschäftsjahre 1877 bis 1878 bei einer Pro⸗ duktion von 3 495 815 kg und einer Fakturirung von 1 994 129 ℳ einen Gewinn von 406 183 ℳ erzielt, welcher Betrag die Vertheilung einer Dividende von 8 % = 24 ℳ pro Aktie ermöglicht. b
— Nach dem Geschäftsbericht der Dampf⸗ und Spinnerei⸗
Maschinenfabrik vorm. Wiede in Chemnitz sind im letzten Geschäftsjahr 195 106 kg gangbare Zeuge ꝛc., sowie 247 Stück Maschinen zur Ablieferung gebracht und ist ein Bruttoüberschuß von 110 576,49 ℳ erzielt worden, von welchem 86 576,49 ℳ zu ver⸗ schiedenen Abschreibungen verwandt werden, während der Reingewinn von 24 000 ℳ zur Einlösung des 6. Dividendenscheines mit 3 ℳ be⸗ timmt ist. Dem Haftpflichtkonto sind 3000 ℳ überwiesen und der sn einer Hypothek von 15 000 ℳ zurückgezahlt. Auf das Dar⸗ lehen des Kommerzienraths von Zimmermann sind im Monat Okto⸗ ber 1877 80 000 ℳ und im Monat März cr. 180 000 ℳ bezahlt worden und ist damit dieses Konto ausgeglichen. Das abgelaufene Geschäftsjahr ließ einen Bestand an Aufträgen von 51 938 ℳ übrig und sind seitdem die Eingänge der Bestellungen leidlich erfolgt. Die Bilanz begleicht sich mit 3 020 736,85 ℳ G
— Die Verminderung des Absatzes von schottischem Eisen nach Deutschland macht sich, wie das Fachblatt „Glück⸗ auf“ meldet, immer mehr bemerklich, da die deutsche Eisenindustrie mit Erfolg bestrebt ist, ihre Produktion qualitativ zu verbessern. Einer der Hauptexportplätze für schottisches Roheisen, Glasgow, hat in den ersten acht Monaten des vorigen Jahres 241 926 Ctr. Roh⸗ eisen ausgeführt, wovon der überwiegend größte Theil nach Deutsch⸗ land gegangen ist. In dem gleichen Zeitabschnitte des laufenden beziffert sich die Abfuhr nur auf 122 400 Ctr., woraus ein Rückgang auf fast die Hälfte resultirt, was vorzugsweise dem ver⸗ minderten Import nach Deutschland beizumessen ist. Nächst Amerika hat der Absatz nach Deutschland die empfindlichste Einbuße erlitten, namentlich in Fagoneisen und Stahlwaaren, in denen eine englische Konkurrenz in Deutschland selbst ausgeschlossen scheint. Die billigen Feeile der rheinischen und schlesischen Werke sind dem emncläscden
bsatz auf dem Markte der Schweiz und Rußlands bereits gefahr⸗ drohend geworden. 8 u
Eae 8. Oktober. (W. T. B.) Die niederländische Bank hat den Diskont von 3 ½ auf 4 % erhöht.
London, 8. Oktober. (W. T. B Die Schiffsbaufirma Simons & Co. in Renfrew hat ihre Zahlungen eingestellt; die Passiven betragen 40000 Pfd. Sterl. Die Zwirnfabrik Colin, Dunlop & Co. in Glasgow hat ebenfals suspendirt; die Passiva sind unbekannt.
— 9. Oktober. (W. T. B.) Die Bank von England hat den Preis für den amerikanischen Adler (10 Dollars) um 1 Farthing und den Preis für Napoleons um 1 Penny erhöht, da⸗
egen den Preis für deutsche Goldmünzen um 1 herabgesetzt. i Folge dessen ist gestern 1 Million Pfd. Sterl. zur Bank ge⸗
flossen. Verkehrs⸗Anstalten.
Southampton, 8. Oktober. Das Post⸗Dampfschiff „Main“, Kapitän J. Barre, vom Norddeutschen Lloyd in Bremen, welches am 28. September von New⸗York abgegangen war, ist heute 11 Uhr Morgens wohlbehalten hier angekommen und hat, nach Landung der für Southampton bestimmten Passagiere, Post und Ladung, 1. Uhr Nachmittags die Reise nach Bremen fortgesetzt. Der „Main“ überbringt 112 Passagiere und volle Ladung.
New⸗York, 8. Oktober. (W. T. B.) Der Hamburger Postdampfer „Frisia“ ist heute Mittag hier eingetroffen.
Berlin, 9. Oktober 1878.
Der Magistrat hat der Stadtverordneten⸗Versammlung einen Bericht des Direktors der städtischen Wasserwerke Gill vom 23. Sep⸗ tember d. J. übersandt, sowie Abschrift eines Gutachtens des Chemi⸗ kers Dr. Bischoff vom 25. September d. J. mit Beang auf die un⸗ zulängliche Beschaffenheit des in jüngster Zeit durch die städtischen Wasserwerke aus den Tegeler Anlagen in den südwestlichen Theil der Stadt gelieferten Wassers. Es heißt in der Vorlage: „Das aus den Tiefbrunnen entnommene Wasser ist trübe und setzt nach kurzer Zeit einen röthlich gefärbten, von den in dem Wasser befindlichen Pflanzenformationen herrührenden Bodensatz ab. Diesem Uebelstande kann nach der Ansicht des Kuratoriums der Wasserwerke, der wir bei⸗ treten, nur durch die Erbauung von Filterbassins in Tegel und sorg⸗ same Filtration des Wassers der Brunnen event. des Sees dauernd abgeholfen werden. Da der Bau dieser Anlagen mindestens die Baufaison zweier Jahre in Anspruch nehmen wird, der Prozent⸗ satz, um welchen die Wasserkonsumenten zugenommen haben, aber schon gegenwärtig ein höherer ist, als der Prozentsatz, um welchen die Leistungsfähigkeit der alten Wasserwerke durch die Er⸗ weiterungsbauten vermehrt worden ist, so bedarf die Verwaltung der Wasserwerke, selbst wenn der Verbrauch der Abnehmer sich vermin⸗ dern sollte, jedenfalls im Jahre 1880 der vollen Leistungskraft der Tegeler Anlagen, um den Wasserbedarf der Stadt zu decken, und würde, falls die Vorbereitungen zum Bau der Filter nicht sogleich 8 werden, entweder die Lieferung zu beschränken, oder aber das
egeler Wasser in seiner jetzigen Beschaffenheit fortzuliefern ge⸗ zwungen sein.“ Der Magistrat ersucht die Stadtverordnetenversammluͤng daher beschließen zu wollen, daß die Herstellung künstlicher Filter, welche im Stande sind, rund 45 000 chm Wasser in 24 Stunden zu filtriren, sowie der Bau einer mechanischen Sandwäsche erfolge, deren Herstellungskosten auf überschläglich 1 100 000 ℳ anzunehmen sind, daß ferner schon jetzt der Ankauf der dazu erforderlichen Materialien bewirkt werde und daß die Kosten aus dem Rest der noch nicht ver⸗ ausgabten, von den Kommunalbehörden zu Erweiterungsbauten der städtischen Wasserwerke ö Geldsumme von 14 602 249,64 ℳ edeckt werden. Die definitive Bewilligung der Gelder bleibt bis nach
orlage der speziellen Pläne und Kostenanschläge vorbehalten.
(Akademische Kunstausstellung 1878. IV.) Bevor wir das Genre weiter verfolgen, haben wir von einem Nachkömmling zu berichten, der in die Reihe der Historienbilder gehört. Der bekannte Genremaler Franz Defregger hat nachträglich ein großes Gemälde eingesandt, dessen Inhalt der Abschied Andreas Hofers von seinen Getreuen im Gefängniß am Morgen vor der Hinrichtung bildet. Der Vorgang ist ungemein schlicht dargestellt und gerade deshvlb
von ergreifender Wirkung. Den Mittelpunkt der bewegten Haupt⸗ gruppe nimmt (in Lebensgröße) der heldenhafte Sandwirth ein, dessen Kopf und Züge vielleicht nicht dem Ideal eines Jeden entsprechen mögen, die aber dafür gewiß den Vorzug haben, porträtgetreu zu sein. Auf seinem Gesichte prägt sich jene kühne Entschlossenheit aus, die er bis zum Tode bewahrt hat und die noch heute im Liede gefeiert wird, nur ganz leise ist ihr ein 85 der Rührung beigemischt über die aufrichtige Verehrung und Anhänglichkeit seiner Kampfesgenossen, jener wettergebräunten Bergsöhne, die unter Thränen sich an ihn drängen, um seine Hand zu küssen und ihm ein letztes Lebewohl zu sagen. Der Kontrast zu den draußen an der Festungsmauer stramm aufge⸗ flanzten Soldaten, die seiner harren und ihrem Kapitän, dem die bschiedsszene bereits zu lange zu währen scheint, ist vortrefflich elungen; auch die nebelhafte, graue Morgendämmerung, die sich über ihnen breitet, ist geschickt für die trübe Stimmung des Ganzen verwerthet. Wenn die Mache etwas Zaghaftes an sich hat und die Figuren nicht so plastisch modellirt sind, wie dies die Münchener Schule liebt, so soll man wohl bedenken, daß sich der geschätzte Künstler bisher, dem von ihm mit Vorliebe kultivirten Genre entsprechend, nur in kleinen Maßen bewegt hat, während er hier mit lebens⸗ großen Figuren vor uns tritt. Jedenfalls hat die Ausstellung an diesem Bilde einen ausgezeichneten Zuwachs und eine neue An⸗ zichungskraft erhalten. 2
Wenn wir uns nunmehr wieder dem Genre zuwenden, so mögen hier gleich die beiden prächtigen Studienköpfe desselben Malers Er⸗ wähnung finden, welche wegen ihrer genreartigen Auffassung hier sehr wohl hergehören: es sind die Köpfe eines alten Tirolers und einer jungen Tirolerin, die, was lebenswarme Incarnation und individuelle Charakterisirung betrifft, sich den besten Porträtleistungen ebenbürtig an die Seite stellen. 4 1
Ein bayerischer Genremaler, Alois Gabl in München, hat äußerlich viel von der Manier Defreggers, besitzt aber, was den Inhalt seiner Bilder betrifft, auch selbst genug frische Erfindun und Originalität; das beweisen sein „Temperaments⸗Mandl“ und die „Erste Nähmaschine.” 3 11““ 3
Genrehaft gehalten, aber durch die Ereignisse in die Sphäre ge⸗ schichtlicher Bedeutung erhoben worden, ist das kleine Bild von dem Hofmaler Professor C. J. Arnoldt, darstellend Se. Majestät den Kaiser auf der Spazierfahrt Unter den Linden, von dem Publikum ehrfurchtsvoll begrüßt. 89 2 durch seinen Gegenstand als durch fonstige Vorzüge zieht Jacob Leistens (Düsseldorf) „Wochenbesuch bei der Gutsherrschaft die Augen auf sich, besonders weil einzelne Figuren, wie namentlich die des biede⸗ ren alten Försters, geschickt aus dem Leben gegriffen sind. Des Düsseldorfers L. Bokelmann „Wanderlager“ wirkt frappant lebenswahr, wie re.s in Farben, indessen dürfte die große Gruppe, deren Mittelpunkt das kleine Mädchen bildet, Man⸗ chem räthselhaft bleiben. Uebrigens zeugt das Bild von eminenter Beherrschung alles Technischen. In ähnlicher Weise ganz der all⸗ täglichsten Wirklichkeit entnommen sind die Berliner von Julius Jakob, jedoch weiß dieser durch Stimmung ihnen we⸗ nigstens etwas von ihrer Plattheit zu nehmen. Seine „Strand⸗ promenade in Misdroy“ ist nicht ohne Humor und zeugt von feiner Beobachtung der Natur sowohl wie der eleganten Gesellschaft. Im gleichen Fahrwasser aufmerksamer Beobachtung der Bevölkerung bewegt sich E. te Perdt (Düsseldorf) mit seinem farben⸗ bunten Bilde: „Vorhalle eines Museums“. Von ernsterem Studium des Volkslebens zeugt das auch malerisch sehr tüchtige, figuren⸗ reiche Bild von Wilh. Zimmer in Weimar: „Schutzengelfest auf der Milzenburg in der Rhön“. Auch die „Wallfahrer an der Mosel“ von Ferdinand Brütt in Dasseldorf sind dieser Kategorie des kultur⸗ und sittenschildernden Genres beizuzählen. Land und Leute des Schwarzwalds giebt — wenn man von der etwas ver⸗ alteten unbehülflichen Malerei absieht — Keiner so vortrefflich wieder, wie Prof. Hermann Kretzschmer („Sonntag⸗Morgen im Schwarzwalde“), der Spreewald aber hat seinen be⸗ redtesten Schilderer in Adolf Burger durch den Tod verloren („Missionsfest im Spreewalde“ und „Toilette vor der Kirche“). Hierher gehört auch das in seinem Gesammtton wie in dem land⸗ chaftlichen Hintergrunde ungemein treffend charakterisirte „polnische
uhrwerk“ von dem bereits erwähnten genialen Joseph Brandt.
ans Dahl (Düsseldorf) führt uns in gleicher Weise das Genre mit der Landschaft verbindend, nach Norwegen, während Heinrich Lang in München Land und Leute in Ungarn und der Türkei instruktiv und überzeugend in Farben wiederzugeben weiß. Professor Rud. Jordan Seiedee0 begegnen wir diesmal in Rom, wo er uns die „Schlangenkneipe“ mit ihrem bunten Völkchen von Gästen führt, zu denen Künstler und ihre Modelle ein Hauptkontingent gestellt zu haben scheinen, in humorvoller Weise schildert. 8
Die wohlbekannten und beliebten Genremaler Professoren Becker und Amberg sind ebenfalls mit trefflichen Werken vertreten, indessen vermögen diese ihrem Ruhme kein neues Blatt hinzuzufügen. Auf dem von ihnen gepflegten Gebiete hat sich Foseph Scheurenberg in Düsseldorf mit vielem Glück versucht: sein „Besuch bei der Freundin“ ist ebenso herzig empfunden als wegen der anmuthigen Mädchenköpfe viel bewundert. Rein von malerischem Standpunkte aus will das Bild von Prof. Max Michael, „In der Küche“ genannt, gewürdigt sein. Der bekannte Kolorist schwelgt hier förmlich in jenen Farben⸗ scalen vom hellsten Grün bis zum dunkelsten Blau, welchen er stets eine besondere Vorliebe geschenkt hat, und denen zu Gunsten alle erdenk⸗ lichen Kohlsorten vor dem anmuthigen blondhaarigen Mädchen aus⸗
ebreitet liegen. Leugnen läßt sich freilich nicht, daß die durch einfühlige e erzielte Farbensymphonie eine hoch⸗ distingirte und reizvolle ist, aber man wird dabei den Gedanken nicht los, daß die ganze Genre⸗Komposition nur künstlich für diesen Effekt gewählt und arrangirt ist.
Während die an Courbetschen Cynismus anklingende Wahl des Gegenstandes und Art in der Behandlung der „Enttäuschung“ von Professor Struys noch durch eine gewisse Besonnenheit und anerken⸗ nenswerthe technische Tüchtigkeit gemildert wird, können die unerfreu⸗ lichen Erzeugnisse von Liebermann und Goldmann unseren Hyper⸗ naturalisten als heilsam warnende Beispiele dienen.
Friedrich Kraus von feiner Beobachtung und volksthümlichem Humor zeugendes Bildchen: „Der Kaffee des Leiermanns“ leitet uns zu dem Miniaturgenre über, in welchem wie immer Julius Ehren⸗ traut excellirt. Besonders niedlich ist die kleine Tafel, be⸗ titelt „Zurück“: ein Hellebardier mit martialischem Barte, aber doch jovialem Gesichtsausdruck, der, gespreizt auf der Freitreppe eines Palastes stehend, unberufenen Eindringlingen als Barridre seine Waffe entgegenhält. 1 8
Archäologisch⸗anthropologisches Genre wäre wohl die geeignetste Bezeichnung für die Gattung, welche der Düsseldorfer Johannes Gehrts vertritt. Er zeigt uns mit phantasievoller Vertiefung in den Geist der vaterländischen Vorzeit einen germanischen 1“ mit Gefolgschaft auf wild dahersprengenden Rossen ein Hünengra begrüßend und hat diese Scene unleugbar überzeugend und lebens⸗ fähig zu gestalten vermocht. Der Aufwand an Alterthumsstudium, wodurch dies möglich wurde, verdient ebenso viele Anerkennung, wie die kühne Zeichnung der Pferde und der landschaftliche Hintergrund.
Genre und Landschaft in poetisch stimmungsvoller Weise ver⸗ einigt sehen wir auf einem Bilde des Müncheners Alfred Seifert: „Vor dem Thore“. Nach dem Kostüm der sich ergehenden oder auf dem Rasen gelagerten Gruppen, der mittelalterlichen Archi⸗ tektur und anderen Einzelheiten zu scheint dem Maler da⸗ bei der Spaziergang aus dem „Faust“ vorgeschwebt zu haben. Der heimathlich anmuthende landschaftliche Theil verdient besonderes Lob. Ein noch tieferes Sichversenken in die romantische deutsche Vergangenheit kennzeichnet das Gemälde von Otto Brausewetter: „Wieder in der Hei⸗ math.“ Eine mit Thürmen und Zinnen gekrönte mittelalterliche Stadt, zu der der Maler zahlreiche, fleißig gesammelte Einzelmotive zusammen⸗ etragen hat, liegt, durch einen Fluß von dem diesseitigen Ufer ge⸗ see vor dem Beschauer. Am Ufer fiter Soldaten und Bürgers⸗ leute, die des Fährmanns harren, in ihrer Mitte aber, wie ihre
Blicke, so das Hauptinteresse auf sich ziehend, steht im härenen Ge⸗
wande ein Pilger, eine Art Tannhäuser, wie es scheint, der in stolzer, aber durch die Last einer — unvergebenen Schuld dar⸗ niedergebeugter Haltung, schmerzbewegt den ihn erkennenden Blicken ausweicht.
Magdeburg, 8. Oktober. Die erste Hauptversammlung der Evangelischen Vereine der östlichen Provinzen ward heute früh 10 Uhr in der deutsch⸗reformirten Kirche mit dem Gesange des Liedes: „Herz und Herz vereint zusammen“ und einem Gebet des Konfisiorlal⸗Ratbs Schott, das sich an die Bibelstelle 1. Cor. 3, 9 ff.
nghen een Zuhörerschaft von Herren und Damen aus Magdeburg eröffnet.
Die Versammlung bestätigte darauf die Vorschläge der Vor⸗ versammlung 85 der Wahl des Präsidiums.
übernahm daher
kurze Ansprache, in der er den Standpunkt der Versammlung, d. h.
zeichnete. „Die Tagesordnung brachte die Erörterung des Themas: „Die soziale Frage im Lichte des evangelischen Christenthums“. Prof.
Korreferent, Prof. Dr. national⸗ökonomischen Standpunkt. sichten in Thesen formulirt, welche nach längerer Diskussion von der Versammlung einstimmig angenommen wurden.
Die gestrige Novität des Residenz⸗Theaters, eine deutsche Bearbeitung der „lionnes pauvres“ von Emil Augier, unter dem Titel „Die arme Löwin“ durfte ihres Erfolges um so gewisser sein,
seit 20 Jahren schon der Literatur und der Bühne angehört, son⸗ dern bereits bei seiner ersten Aufführung ebenso große Sensa⸗ tion, als der französischen Censur Schwierigkeiten e 2 Es gehört zu jenen Dramen, die in raffinirter Weise die mora
rende Tendenz wie einen Mantel umhängen, während durch das dünne Gewebe überall die sittlichen Blößen hindurchschimmern und den beabsichtigten prickelnden Reiz auf das Publikum nicht ver⸗ fehlen. Der jüngere Dumas hat dieses Genre aufs Erfolg⸗ reichste weiterkultivirt. Sehr phrasenhaft heißt es in dem Augierschen
bis der Dann sollte aber der Dramatiker auch wirklich Arzt sein und das glühende Eisen gebrauchen, nicht aber, wie es hier geschieht, die Wunde mit einigen Thränentropfen auswaschen.
Die Aufführung kommt hier eigentlich insofern etwas post festum, als die femme entretenue ebenfalls das Hauptmotiv für den vielbewunderten Preisroman von Alfonse Daudet: „Frommont jaun. et Risler sen.“ abgiebt, den wir an derselben Stelle vor einigen Monaten in dramatischer Bearbeitung gesehen haben. Das Publikum drückte denn auch verschiedentlich seine Ueberraschung über diesen und andere ähnliche Anklänge aus. Wem die Priorität gebührt, kann jedoch keineswegs zweifelhaft sein.
sonal dieser kleinen Musterbühne gewöhnt sind. Vor Allem verdient Fr. Claar⸗Delia hohe
sich die aufrichtigste Theilnahme des Publikums gewann. stelli als Seraphine verstand nicht nur durch ihre natürlichen äußeren Mittel und eine Reihe prächtigster Kostüme zu glänzen, sondern die Rolle auch mit jener Coquetterie und Leichtlebigkeit auszustatten, welche dazu gehören, um den bethörenden 5 auf ihren schwachen Gemahl sowohl, wie den ehrvergessenen Gatten
Mit dieser sehr undankbaren Rolle fand sich Hr. Haack,
machen.
mit allem ihm zu Gebote stehenden liebenswürdigen stattete, ist bei diesem ausgezeichneten Künstler selbstverständlich
Die Bearbeitung ist nicht frei von schwer verständlichen sprach⸗ lichen Gewaltsamkeiten und Schwülstigkeiten einer⸗ und geistreich seinsollenden Calembours andererseits.
Der Physiker Hr. A. Böttcher hat auch in diesem Jahre, und zwar seit Sonntag, seine beliebten Soir 6en für instruttive Unterhaltung, beß Stätte, im Saal⸗Theater des Königlichen Schauspiel⸗ hauses, eröffnet.
Glanzpunkten vor. Als Ausgangspunkt dieser Wanderung erscheint vor dem Auge des Beschauers zunächst der Rheinfall bei Schaffhausen in voller Naturwahrheit. Weitere Bilder grotesken Schluchten der Tamina und der via mala. Dann folgt die Berninakette mit ihren Gletschern und deren impo⸗ santer Eiskrystallisation, vornehmlich dem gewaltigen Morteratsch⸗ gletscher. Der große St. Bernhard mit dem darüber führenden Paß und seinem weitberühmten Hospiz, im Winter⸗Schneesturm und in elegischer Sommernacht, das Chamounythal, der Riese der Alpen⸗ berge, der über 14 000 Fuß hohe Montblanc, vom Col de Balme aus im malerischen Alpenglühen gesehen, sein Gipfel und seine Er steigung mit ihren Gefahren sind der interessante Gegenstand weiterer Tableaux. Einen überraschenden Anblick gewährt ferner der großartige Gletscher des mer de glace vom Montanvert gesehen,
der pont de Niège. Eine romantische Waldschlucht schließt die Reihe der Bilder von diesem Theile der Alpen ab.
uns zunächst die berühmtesten Kaskaden und Katarakte des Aarthals, vor allen der Oltschibachfall bei Mondbeleuchtung entgegentritt. Es folgen die herrlichsten Bergseen jener Gegenden, so der Bachalpsee im Alpenglühen. Ihnen schließen sich die Thäler und Gebirgspano⸗ ramen der Grindelalp in wechselvollen Scenen an, an welche sich dann das Panorama von der Wengern⸗Scheideck mit seinen vielgestaltigen Naturerscheinungen, Lawinenstürzen und Gebirgsunwettern anreihen
dem Thunersee mit
HFürhofn von Oeschinensee, Blümlisalp, im farben⸗
berhofen im Winter, Luzern mit dem Pilatus prächtigen Alpenglühen, der imposante H im Mondlichte, schließlich Grimselpaß und Hospiz und auterbrunnen mit dem Staubbachfall. — In der zweiten Abtheilung des gegenwärtigen Cyklus machen wir an der Hand des Hrn. Böttcher eine sehr belehrende astronomische Excursion nach dem Monde, auf welcher wir mit der Natur dieses Satelliten der Erde nach den neuesten Ergebnissen der astronomischen Forschung bekannt ge⸗ macht werden. In klarer Weise wird dem Beschauer die Bewegung und die Gravitationswirkung des Mondes verbildlicht, sowie seine Relief⸗ bildung mit ihrer wildzerklüfteten Landschaftsscenerie, ihren Wall⸗ ebenen, Ringgebirgen und langgestreckten Felsketten in großer Plastik ur Anschauung gebracht. Wir sehen den Mond in geringerer, särtere und stärkster Vergrößerung, weiter eine Anzahl der größten
inggebirge wie Tycho de Brahe, Copernikus, Archimedes, Aristillus, Autolicus; die reßen Wallebenen, sowie die Felskette der Mond⸗ Tableaux, glänzende Himmelserscheinungen, vom Monde aus gesehen, ein Zodiakallicht, die Erde mit rothglühender Atmosphäre und eine farbige Beleuchtung des Mondes schließen diese Abtheilung Die dritte „soirée fantastique“ benannte Abtheilung bietet eine Samm⸗ lung vorzüglich ausgeführter Landschafts⸗ und Architekturbilder mit magischen Lichteffekten und plastischen Skulpturen, Schluß — „Phantasmagorien“ bilden, bestehend aus humoristischen Bildern Ornamenten von großer Farbenpracht, welche vornehmlich der
der ganzen Vorstellung sogenannte
Kinderwelt eine wahre Augenweide sind.
sowie das Giganten⸗Felsthor der Trientgrotte (gorg de Trfent) und
. Alsdann werden wir zu den schönsten Pesfarn der Berner Alpenwelt geführt, in welcher e
Den Beschluß dieser langen Reihe machen die wohlgelungenen Dar-
Apenninen mit ihren Rillen und Graten. Eine Reihe von Landschafts⸗-
während den
anschloß, in Gegenwart von mehr als 200 Theilnehmern und einer
Geheimrath Schrader en Vorsitz und richtete an die Versammlung eine
der Mittelpartei, charakterisirte und das Arbeitsfeld der Vereine be-⸗
Beyschlag erörterte die Frnge vom theologischen Standpunkt, der rhr. v. d. Goltz⸗Königsberg sodann vom Beide Redner hatten ihre An-
als das vielberufene Stück des berühmten Dramatikers nicht nur
isi-
Stücke, zur Eutschuldigung: man dürfe die Wunden nicht verbergen, rand hinzutrete, sondern müsse sie offenlegen und ausbrennen.
Gegeben wurde das Stück so vorzüglich, wie wir es von dem Per⸗
nerkennung für ihre Darstellung der Therese, die sie mit so innigen, herzlichen Tönen auszustatten e2 h 8 r a-⸗
herese’s, Leon, glaubhaft zu
wie immer, auf das Eleganteste ab. So trefflich Hr. Patonay als
Pommeau war, so vermochte er doch die Erinnerung an den Risler
Sonnenthals nicht zu verwischen. Daß Hr. Keppler “ 8 Sumor aus⸗
tehend aus populären Vorträgen in Verbin⸗ dung mit vortrefflich ausgeführten Bildwerken, an der gewohnten
Im gegenwärtigen Cyklus führt Hr. Böttcher in der ersten Abtheilung die romantische Schweiz in ihren malerischen
veranschaulichen die
88 8* 8
8
G
8 3 8
Katarakt des Handeck⸗
8
und musivischen