1878 / 247 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Sat, 19 Oct 1878 18:00:01 GMT) scan diff

schieden, und seine Partei füge sich dieser Entscheidung. In erster und zweiter Lesung hätte dieselbe ihren Standpunkt fest vertreten; in dritter Lesung komme es nur noch auf das Zu⸗ standekommen des Gesetzes an, und diese Rücksicht habe seine Partei bewogen, nachzugeben. Der Abg. Dr. Schulze⸗Delitzsch e. zunächst durch eine redaktionelle Aenderung unzweifelhaft ausgesprochen zu sehen, daß die Folgen des §. 1a. für die eingetragenen Ge⸗ nossenschaften und eingeschriebenen Hülfskassen nur eintreten sollen, wenn die Prämissen des §. 1 Abs. 2 vorhanden seien. Der Redner sprach ferner die Befürchtung aus, daß die schlimmste Felge dieses Gesetzes die Einschläferung der Initia⸗ tive der besitzenden Klassen sein werde. Man werde Alles dem Staate überlassen. Die Selbsthülfe sei aber der schlimmste Gegner der Sozialdemokratie, was auch Lassalle eingesehen habe.

Der Abg. Dr. Lasker führte sodann aus, daß er der Be⸗ kämpfung der sozialdemokratischen Ausschreitungen auf dem Boden des gemeinen Rechts vor dem Wege der Spezialgesetz⸗ gebung den Vorzug gebe. Allseitig sei aber anerkannt wor⸗ den, daß etwas gegen die gefährliche Sozialdemokratie ge⸗ schehen müsse, und deshalb habe er als praktischer Politiker sich auf den Boden eines Spezialgesetzes stellen müssen, um etwas zu Stande zu bringen. Der Erfolg des zweiten Attentats habe das gesammte Volk auf das Tiefste er⸗ schüttert und einen wesentlichen Einfluß auf die An⸗ schauung desselben geübt. Dieser Einwirkung könne sich auch die Volksvertretung nicht entziehen, und diese That⸗ sache rechtfertige es vo kommen, wenn die Majorität über die Methode des Vorgehens ihre Ansicht geändert habe. Dar⸗ über sei man vollkommen einig, daß das Gesetz nicht die Auf⸗ abe habe, die Sozialdemokratie als solche, sondern nur die siebenstbrenden Agitationen derselben zu treffen. Diesen Zweck spreche das Gesetz ganz klar und bestimmt aus, und in diesem Sinne habe die liberale Partei die Amende⸗ ments eingebracht, die in den Beschlüssen der Kom⸗ mission und in den heute vorliegenden Anträgen nieder⸗ gelegt seien. Ein Mißbrauch der gewährten Mechthefugpüsh sei allerdings nicht absolut ausgeschlossen; bei der Natur des Gesetzes sei dieser Uebelstand aber unvermeidlich, und jedenfalls seien die Beschlüsse derartig gefaßt, daß eine Auslegung derselben in einem den Absichten des Hauses widersprechenden Sinne nicht möglich sei, wenn man bona fide nach dem klaren Wortlaut interpretire. Unter solchen Umständen und vor die Alternative gestellt, entweder die ge⸗ fährdete Rechtsordnung in Frage stellen zu lassen oder die gebotene, wenn auch nicht in allen Punkten gebilligte Abhülfe zu acceptiren, entscheide er sich für den zweiten Weg.

Die allgemeine Diskussion wurde hierauf geschlossen. In der dann beginnenden Spezialdiskussion verwahrten sich zu §. 1 die Abgg. Magdzinski und Krüger (Hadersleben) ein⸗ gehend gegen die Ausdehnung des Gesetzes auf die ehemals Föiniben Landestheile, bezw. auf den nordschleswigschen Grenz⸗ istrikt.

Der §. 1 wurde genehmigt.

Die §§. 1a. und 1 aa. lauten nach den Beschlüssen zweiter Berathung:

§. La. Auf eingetragene Genossenschaften findet im Falle des

§. 1 Abs. 2 der §. 35 des Gesetzes vom 4. Juli 1868, betreffend

die privatrechtliche Stellung der Erwerbs⸗ und Wirthschafts⸗

Genossenschaften, Anwendung. Auf eingeschriebene Hülfskassen

findet im gleichen Falle der §. 29 des Gesetzes über die einge⸗

schriebenen Hülfskassen vom 7. April 1876 Anwendung. §. 1 as. Selbständige Kassenvereine (nicht eingeschriebene), welche nach ihren Statuten die gegenseitige Unterstützung ihrer

Mitglieder bezwecken, sind zunächst nicht zu verbieten, sondern

unter eine außerordentliche staatliche Kontole zu stellen. Sind

mehrere selbständige Vereine der vorgedachten Art zu einem Ver⸗

bande vereinigt, so kann, wenn in einem derselben die im §. 1

Abs. 2 bezeichneten Bestrebungen zu Tage treten, die Ausscheidung

dieses Vereins aus dem Verbande und die Kontrole über denselben

angeordnet werden. In gleicher Weise ist, wenn die bezeichneten

Bestrebungen in einem Zweigvereine zu Tage treten, die Kontrole

auf diesen zu beschränken.

Hierzu beantragen: 1) der Abg. v. Goßler:

u §. 1a.: Den Absatz 2 zu streichen. 1 u § 1 aa.: Für den Fall der Annahme des Antrages zu § 1 a. den Eingang dieses Paragraphen wie folgt zu fassen: „Eingeschrie⸗ bene Hülfskassen und andere selbständige Kassenvereine, welche“.

2) Der 88 Hauck:

Im §. 1a. hinter dem Worte: „eingetragene einzuschalten: „und registrirte Genossenschaften“.

3) Der Abg. Dr. Schulze: 8

Im §. 1 aa. Abs. 1 hinter den Worten: „bez zuschalten: „im Falle des §. 1 Abs. 2“.

Der Abg. von Goßler betonte, daß seine Partei auf seinen rein technifchen Antrag beim Abschluß des Kompromisses kein entscheidendes Geceicht gelegt habe. Die eingeschriebenen Hülfskassen seien innerlich viel mehr mit den nicht eingeschrie⸗ benen als mit den eingeschriebenen Genossenschaften verwandt und verdienten deshalb eher mit den ersteren in diesem Gesetze

leichgestellt zu werden. Sie besäßen nicht die Kreditbedurftig⸗ eit und die der eingetragenen Genossenschaften, und die in dem Gesetz über die Hülfs⸗ kassen der Verwaltung gegebenen efugnisse könnten eine Kontrole wie sie dieses Gesetz einrichte, nicht ersetzen. Der Abg. Fritzsche erklärte sich gegen den Antrag Goßler. Der Abg. Dr. Schulze⸗Delitzsch bezeichnete seinen Antrag als ein Mittel zur Beseitigung der von ihm bereits in der General⸗ diskussion hervorgehobenen und motivirten Unklarheit des Gesetzes. Der Abg. Rickert führte aus, er halte den Antrag Hauck als rah e.rswe., für überflüssig und erwarte eine dahin gehende Erklärung der Regierung. Er sei auch gegen den Antrag Goßler. Die Schlußfolgerung dieses Antragstellers, die Gleichstellung der eingeschriebenen und nicht eingeschriebenen Kassen würde richtig sein, wenn zwischen denselben kein Unter⸗ schied bestände. Dieser werde aber sehr klaxr in den Motiven zum Chefata sengese dargelegt. Dieses Gesetz gebe auch in einer Reihe von Paragraphen genügende Schutmaßre eln

egen das Eindringen sozialistischer Bestrebungen in diese nstitutionen. Ein praktisches Bedürfniß liege also für den Antrag Goßler nicht vor.

Hierauf bemerkte der Bevollmächtigte zum Bundesrath, Staats⸗Minister Graf zu Eulenburg:

Meinerseits bitte ich Sie, meine Herren, dem Antrage von Goßler zuzustimmen. Ich kann im Wesentlichen nur auf dasjenige Bezug nehmen, was bereits in der zweiten Lesung hierfür angeführt worden ist, und glaube nicht, daf die Ausführungen des geehrten Herrn Vor⸗ redners geeignet sind, diese Momente zu widerlegen, aus so warmem Interesse für die Hülfskassen sie auch hervorgegangen sein mögen.

Meige Herren, es handelt sich hier um Folgendes. Es ist un⸗ sweiferhäft daß in dem Hülfskassengesetz von 1876 ein Mittel gegeben st, eingeschriebene ee im Verwaltungswege aufzulösen. Allseitiges Einverständniß unter denen, die das Gesetz überhaupt

CCCCC13441—4—42422

cken, sind“ ein⸗

ossenschaften“

wollen, herrscht darüber, daß in den Fällen des §. 1 Absatz 2 der §. 29 des Hülfskassengesetzes, der von der Auflösung im Verwaltungs⸗ wege handelt, zur Anwendung kommen soll. Es ist also auf diesem Wege die Möglichkeit gegeben, der Auflösung einer Hülfskasse in dem Verwaltungswege, und es fragt sich jetzt nur, ist es praktisch richtig und in der Sache begründet, diesen Verwaltungsweg auch für die Fälle des vorliegenden Gesetzes bestehen zu lassen oder für diese Fälle den etwas anders konstruirten Verwaltungsweg eintreten zu lassen, welcher für andere selbständige Kassen gleicher Art vorgesehen worden ist. In dieser Beziehung nähere ich mich in einem Punkte der Auffassung des Herrn Vor⸗ redners allerdings. Ich halte die Vorschriften über die Kontrole und event. die Administration solcher Kassen, wie sie aus den Kommssions⸗ SAchlusen hervorgegangen sind, für eine Einrichtung von zweifelhaftem erth; aber den einen Vorzug haben sie allerdings und das wird mir auch der Herr Vorredner nicht bestreiten können, 8 geben die Mög⸗ lichkeit, eine Kasse, in welcher sozialistische Bestrebungen der in dem Gesetz bezeichneten Art hervorgetreten sind, nicht sogleich zur Auf⸗ lösung zu bringen, sondern ihr einige Zeit zu gewähren, um den Beweis zu liefern, daß diese Bestrebungen entweder nicht vorhanden sind oder daß die besseren Elemente, welche der fraglichen Kasse an⸗ gehören, im Stande sind, diese Bestrebungen zu unterdrücken, und in diesem Sinne bin ich allerdings der Meinung, daß der Vorschlag des Hrn. Abg. von Goßler eine Wohlthat für die Haͤlfskassen ist. Demnächst aber, meine Herren, ist es keineswegs ein äußerer Grund, aus dem ich die Gleichstellung der Hülfskasse mit den übrigen selbständigen Krankenkassen für geboten erachte, sondern es ist gerade ein innerer, aus der Natur dieser Kassen entspringender Grund. Der Umstand nämlich, daß durch die Uebertragung die Hülfskassen in Beziehung auf die Erwerbung von Rechten, auf die Vertretung derselben vor Gericht anders gestellt sind, wie andere selbständige Kassen, ändert an der eigent⸗ lichen Natur solcher Kasse gar nichts; wenn es daher für selbst⸗ ständige Unterstützungskassen für angemessen gehalten wird, sie unter eine solche Administration und Kontrole zu stellen, wie sie in dem Parasehh. hier vorgesehen ist, so gilt dasselbe für die eingeschrie⸗ enen Hülfskassen. Es ist in der That auch nicht richtig, daß durch des Amendements Goßler irgend eine begrün⸗ für die eingeschriebenen Hülfskassen hervorgerufen werden könne. Die Diskussion, die hier ge⸗ führt worden ist, sttellt vollkommen klar, daß irgend eine Beeinträchtigung berechtigter Bestrebungen weder beabsichtigt ist noch eintreten kann und in dieser Beziehung kann ich mich für die Annahme des Amendements aussprechen, welches von dem Hrn. Abg. Schulze gestellt worden ist, wiewohl ich den Inhalt desselben für

selbstverständlich halte.

Wenn von dem Hru. Abg. Fritzsche auf polizeiliche Maßregeln hingewiesen worden ist, welche nach seiner Angabe gegen einzelne Hülfskassen in letzter Zeit stattgefunden haben, so muß ich, was diese einzelnen Fälle betrifft, erklären, daß dieselben mir unbekannt sind und ich mich darüber des Näheren nicht äußern kann. Ich muß aber hervorheben, daß diese Fälle mit der Frage, die jetzt diskutirt wird, nicht das Geringste zu thun haben, es handelt sich nicht um ein Einschreiten auf Grund des Hülfskassen⸗ gesetzes, sondern aus anderen Gründen, über deren Zutreffen ich in diesem Augenblicke kein Urtheil habe. Es waren des halb diese Fälle auch nicht dazu angethan, von seiner Seite denselben Appell an mich zu richten, der auch schon von anderer Seite heute an mich gerichtet wor⸗ den ist, nämlich dafür zu sorgen, daß das Gesetz, in dessen Berathung wir uns befinden, besonders milde gehandhabt werden möge. Es ist dies in beiden Fällen unter Bezugnahme auf Aeußerungen, die ich gemacht haben soll. Der andere Appell, der in dieser Be⸗ an mich gemacht worden ist, ist von dem Herrn Abg. von Schorlemer ausgegangen, welcher behauptet, daß ich gesagt hätte, das Gesetz würde loyal und milde ausgeübt werden. Meine Herren, ich bin nun keineswegs gemeint, gerade das Gegentheil auszusprechen von dem, was die Hee haben, ich muß aber daran erinnern, daß eine Aeußerung über eine besonders milde Handhabung des zu erlassenden Gesetzes nicht von mir gemacht worden ist. 598ch habe gesagt und bleibe dabei stehen: das Gesetz soll, soweit ich dabei mitzuwirken habe und soweit mein Einfluß reicht, mit der vollsten Loyalität ausgeübt werden, aber wo es nöthig ist, auch mit vem ezigen Ernst, welcher allein das Gelingen und die Wirksamkeit verbürgt.

eraeg Dr. Delbrück konstatirte, daß das von ihm in der zweiten Lesung für die Ausnahmestellung der eingetrage⸗ nen Genossenschaften in diesem Gesetze Vorgebrachte, wie die Kreditbedürftigkeit und die Solidarhaft, auf die eingeschriebe⸗ nen Genossenschaften nicht zutreffe. Gemeinsam sei beiden Institutionen nur die schwierige Administration, das sei jedoch kein ausschlaggebender Grund, die eingeschriebenen Hülfskassen ebenfalls von diesem Gesetze auszunehmen. Die Administra⸗ tion werde vielmehr ein wohlthätiges Avertissement für eine solche Kass e sein, sich zu reformiren. Deshalb werde er für den Antrag Goßler stimmen. Der Abg. Hauck erklärte, seinen Antrag so lange aufrecht halten zu müssen, bis die vom Abg. Rickert provozirte Erklärung vom Bundesrathstische gegeben sei. Er zog b27F-. aber zurück, nachdem der Staats⸗Minister Graf zu Eulenburg folgende Erklärung abgegeben hatte:

Die Frage, welche der Herr Abgeordnete soeben gestellt hat, hat der Berathung der verbündeten Regierungen nicht unterlegen, ich bin deshalb nicht in der Lage, Namens derselben darüber eine Erklärung Meine persönliche Ansicht über die Sache ist die olgende:

Ich bin der Meinung, daß die registrirten Gesellschaften in der That den Erwerbs⸗ und Wirthschaftsgenossenschaften gleichstehen, und daß deswegen kaum ein Bedenken vorhanden sein könnte, die Bestimmung des §. 12a. auch auf dieselben anzuwenden. Ob die Interpretation richtig ist, daß dieselben nach der gegenwärtig vorgeschlagenen Fassung darunter fallen oder ausgeschlossen sind, das muß ich dahingestellt sein lassen, und zwar aus folgendem Grunde. Für diejenigen registrirten Genossenschaften in Bayern, welche nach dem 1.] een. 1873 gegründet sind, besteht meines Erachtens nicht der geringste Zweifel, daß sie dem ersten Absatz des §. 1a. un⸗ terliegen. Aber der §. 2 des vorhin citirten Gesetzes vom Juni 1873

lautet:

Für die rechtlichen Verhältnisse der auf Grund des bayerischen Gesetzes vom 29. April 1869, betreffend die privatrechtliche Stel⸗ lung der Erwerbs⸗ und Wirthschaftsgesellschaften, vor dem 1. August 1873 eingetragenen „registrirten Gesellschaften“ bleiben die Bestimmungen des letzterwähnten Gesetzes maßgebend.

Für diese gilt also nicht das Reichsgesetz über die Erwerbs⸗ uad Wirthschaftsgenossenschaften, sondern das bayerische Gesetz. Dieses bayerische Gesetz lautet aber in einem Paragraphen, welcher dieselbe Fahr trägt, wie unser Reichsgesetz, im §. 35 ganz ebenso wie das Reichsgesetz, und deshalb möchte ich glauben, daß es des Amende⸗ ments des Hrn. Abg. Hauck nicht bedarf, sondern daß unter den Absatz 1 des §. 12. auch die registrirten Gesellschaften in Bayern werden subsumirt werden.

In der Abstimmung wurde zunächst der Antrag v. Goßler zu §. 1a. abgelehnt, der des Abg. Schulze zu §. 1aa. angenom⸗ men und mit dieser Aenderung die beiden Paragraphen.

Die 88. 1b. und 1c. wurden ohne Debatte angenommen.

8. 2 wurde nach einer Rede des Abg. von Niegolewski gegen denselben unverändert angenommen.

Darauf vertagte das Haus um 5 ½ Uhr die Fortsetzung der Debatte.

In der heutigen (16.) Sitzung des Reichstages welcher der Staats⸗Minister Graf zu Eulenburg un mehrere andere Bevollmächtigte zum Bundesrath und Kommissarien desselben beiwohnten, setzte das Haus die dritte Berathung

8 8 8 8n 8—

die Annahme dete Beunruhigung

des Gesetzentwurfs gegen die gemeingefährlichen Bestrebungen der Sozialdemokratie fort. Die 88. 3 und 4 wurden ohne Debatte unverändert nach den Beschlüssen zweiter Lesung angenommen.

Zu §. 5 suchte der Abg. Bebel in der gestrigen Rede des Abg. Dr. Lasker verschiedene Inkonsequenzen - nen. 8n namentlich sei der Versuch vergebens gewesen die Verantwortung für dieses Gesetz von sich abzuwälzen. So⸗ dann suchte der Redner an einer Anzahl von Einzelfällen darzuthun, daß die Polizei in Berlin sozialdemokratische Versammlungen chikanös aufgelöst habe, und er sprach die Befürchtung aus, daß sie zües System nach diesem Gesetze in noch eklatanterer Weise befolgen werde.

Darauf wurde §. 5 unverändert nach den Beschlüssen zweiter Lesung angenommen; ebenso 3 Debatte §. 5 a.

Die §§. 6—10, die Presse betreffend, waren in der zweiten Lesung abgelehnt worden. Der Kompromißantrag der beiden konservativen und der nationalliberalen Partei bezweckt deren Wiederherstellung in der Fassung der Kommission. Zu §. 6 suchte der Abg. Dr. Zimmermann darzulegen, wie vorsichtig und milde die englische Gesetzgebung im Gegensatz zur deutschen vorge⸗ gangen sei, als sie aus Anlaß eines Attentats auf den König im Fahre 1795 dazu gezwungen war. Der Bevollmächtigte

um Bundesrath, Staatssekretär Dr. Friedberg, verlas die betref⸗

Urkunden der englischen Legislative, um dadurch die Behaup⸗ tungen des Vorredners zu berichtigen. Keineswegs sei da⸗ mals England milder verfahren als jetzt Deutschland. In wenigen Tagen hätten damals beide Häuser des Parlaments eine Bill angenommen, welche der Wiederkehr ähnli⸗ cher mit schweren Strafen vorbeugen sollte. Der Abg. Reichensperger (Olpe) führte aus, daß die freie Presse eigentlich das beste Mittel sei, um die Utopien der Sozialdemokratie als solche zu zeigen. Dieses Mittel werde jetzt vernichtet. Der Abg. Windthorst konstatirte, daß er nur deshalb die von seiner Partei in zweiter Lesung gestellten An⸗ träge jetzt nicht wiederhole, weil er deren Erfolglosigkeit vor⸗ aussehe. Jedenfalls werde aber seine Partei aus diesen De⸗ batten einig und neu gekräftigt hervorgehen.

Die §§. 6 bis 9 wurden darauf dem Kompromißantrage Ackermann gemäß angenommen, ebenso §. 10, nachdem sich der Abg. Sonnemann dagegen erklärt hatte, weil dieser Paragraph überflüssig sei.

Die §§. 11 bis 22 wurden ohne Debatte nach den Be⸗ schlüssen veicer Lesung, und so weit sie dort abgelehnt waren, als Konsequenz der Beschlüsse zu §. 6, 88 dem Kompromißantrage Ackermann und Gen. angenommen.

Behufs der Schlußabstimmung über das gesammte Gesetz beraumte der Präsident eine neue (17.) Sitzung auf heute 2 Uhr an, in welcher der Gesetzentwurf mit 221 gegen 149 Stimmen in dritter Berathung definitiv angenommen wurde.

Der Präsident gab sodann eine kurze Notiz über die Ge⸗ schäfte des Hauses während dieser außerordentlichen Session.

Der Abg. von Bonin sprach dem Präsidium und dem ganzen Bureau des Hauses den Dank für die Leitung der Ge⸗ schäfte aus, dem das Haus durch Erheben von den Plätzen zustimmte. Der Präsident dankte hierfür in warmen Worten.

Hierauf verlas der Reichskanzler Fürst von Bismarck die Allerhöchste Botschaft, durch welche er beauftragt wird, den Reichstag im Namen der verbündeten Regierungen zu schließen. Der Reichskanzler gab der Befriedigung der 1eee. über das Zustandekommen dieses Gesetzes Ausdruck, dem er im Voraus die einstimmige Annahme im Bundesrathe zu⸗ sichern zu können glaubte. Sollte dieses Gesetz nicht aus⸗ reichen, so würden sich die Regierungen wieder vertrauensvoll an den Reichstag wenden. Der Reichskanzler erklärte sodann diese Session des Reichstages im Namen der verbündeten Re⸗ gierungen für gesolossen.

Der Präsident schloß mit einem dreimaligen Hoch auf Se. Majestät den Kaiser, in welches das Haus begeistert ein⸗ stimmte. (Schluß 3 Uhr.)

Aus Olympia ist ein Telegramm eingegangen, welches den Beginn der diesjährigen Ausgrabungscampagne und zugleich ein wichtiges Fundresultat meldet, von 5S. ersten Spatenstiche begleitet waren. Das Telegramm autet:

„Ausgrabungen Mittwoch den 16. begonnen. Nord⸗ westlich von Heraion Fundament eines Baues von 20 Meter Frontbreite gefunden. Wahrscheinlich Prytaneion.“

In den deutschen Münzstätten sind bis zum 12. Oktober 1878 geprägt worden, an Goldmünzen: 1 233 459 100 Doppelkronen, 381 513 840 Kronen, 27 969 845 halbe Kronen; hiervon auf Privatrechnung: 323 492 260 ℳ; an Silbermünzen: 71 652 415 5⸗Markstücke, 98 509 686 2⸗Markstücke, 149 423 211 1⸗Markstücke, 71 486 388 50⸗Pfennigstücke, 35 717 718 20 20⸗Pfennigstücke. Die Gesammtausprägung an Goldmünzen betrug: 1 642 942 785 ℳ, an Silbermünzen: 426 789 418

20 N₰.

Bis Ende September 1878 sind für Rechnung des Reichs Silbermünzen im Werthe von 1 039 904 229,38 (829 373 958,42 in Thaler⸗ und 210 530 276,96 an⸗ derer Währung) und Kupfermünzen im ve von 3 512 278,65 zur Einziehung gelangt, zusammen 1 043 416 508,03

Die Universität beging am 15. Oktober cr. den Akt des Rektoratswechsels. g

Der Geheime Regierungs⸗Rath, Professor ord. Dr. Helm⸗ holtz, als zeitiger Rektor, leitete die Uebergabe des Rektorats an seinen Nachfolger, den Geheimen Regierungs⸗Rath, Pro⸗ fessor, ord. Dr. Zeller mit einer statistischen Uebersicht der Er⸗ eignisse des verflossenen Jahres ein.

Beim Lehrerpersonal verlor die Universität durch den Tod: den Privatdozenten Geheimen Sanitäts⸗Rath Dr. Na⸗ voth; durch Berufung an andere Universitäten: die Privat⸗ dozenten DDr. Bose, Simon, Franken, Erdmann und Brefeld. Dagegen traten neu ein durch Berufung resp. Beförderung: der ordentliche Professor Dr. Eichler, bisher in Kitel, der vrventesche⸗Püth or Dr. Schwendener, bisher in Tübingen, der ordentliche Professor Dr. Gusserow, bisher in Straßburg, als außerordentliche Professoren die bisherigen Privatdozenten DDr. Fasbender, Paulsen, Pinner, Dames nng als Lektoren Dr. Gaspary und Dr. Arthur L. Napier; durch Habilitirung als Privatdozenten Dr. Bernstein bei der juristischen, Dr. Flügge bei der medizinischen und die DDr. Seeck, Baumann, Oldenberg, Zimmer, Liebisch und Tiemann bei der philoso⸗ phischen Fakultät. Promovirt wurden: bei der theologischen Fakultät 1 Lizentiat honoris causa, bei der juristischen Fakultät

4 Doktoren, bei der medizinischen Fakultät 48 Doktoren und bei der philosophischen Fakultät 20 Doktoren, darunter einer honoris causa. 1

Oeffentliche und Privatvorlesungen wurden in beiden Semestern angekündigt: 897, wirklich gehalten 721, welche von 24 608 Zuhörern belegt worden sind.

Immatrikulirt wurden im Laufe des Jahres 107 Theo⸗ logen, 861 Juristen, 232 Mediziner und 763 Philosophen, in Summa 1963.

Abgegangen sind 95 Theologen, 840 Juristen, 177 Me⸗ diziner und 627 Philosophen, in Summa 1739.

Todesfälle unter den Studirenden sind 4 zur Anzeige gekommen.

Nachdem der Rektor noch über die akademische Gerichts⸗ barkeit, sowie über allgemeine Universitätsangelegenheiten be⸗ richtet hatte, gedachte derselbe mit Dank der Zuwendungen und Stiftungen, nahm demnächst seinem Amtsnachfolger den vorgeschriebenen Rektoreid ab und übergab ihm die Insignien des übertragenen Amtes, worauf der Letztere zum Beschlusse des feierlichen Aktes eine längere Rede über den wissenschaft⸗ lichen Unterricht bei den Griechen hielt.

Der für das Universitätsjahr 1878/79 konstituirte Senat besteht aus: dem Rektor, Geheimen Regierungs⸗Rath, Pro⸗ fessor ord. Dr. Zeller, dem Prorektor, Geheimen Regierungs⸗ Rath, Professor ord. Dr. Helmholtz, dem Universitäts⸗Richter, Geheimen Justiz⸗Rath Schulz, dem Dekan der theologischen ve. ultät, Konsistorial⸗Rath, Professor ord. Dr. Weiß, dem

ekan der juristischen Fakultät, Professor ord. Dr. Brunner, dem Dekan der medizinischen Fakultät, Geheimen Medizinal⸗ Rath, Prof. ord. Dr. Bardeleben, dem Dekan der philoso⸗ phischen Fakultät, Professor ord. Dr. Wattenbach, dem Se⸗ nator, Professor ord. Dr. Dillmann, dem Senator, Professor ord. Dr. A. Kirchhoff, dem Senator, Geheimen Justiz⸗Rath, Professor ord. Dr. Dernburg, dem Senator, Professor ord. Dr. Mommsen, dem Senator, Geheimen Medizinal⸗Rath, Pro⸗ fessor ord. Dr. du Bois⸗Reymond.

In Betreff der Belehrung über das Recht zur Verweigerung des Zeugnisses oder des Gutach⸗ tens hat der Justiz⸗Minister den Gerichten unterm 14. d. M. folgende allgemeine Verfügung zugehen lassen:

Die Vorschrift des §. 157 Nr. 2 des Strafgesetzbuchs, nach welcher die von einem Zeugen oder Sachverständigen wegen eines Meineides oder einer falschen Versicherung an Eidesstatt an sich verwirkte Strafe zu ermäßigen ist,

wenn der Aussagende die falsche Aussage zu Gunsten einer Person, rücksichtlich welcher er die Aussage ablehnen durfte, erstattet hat, ohne über sein Recht, die Aussage ablehnen u dürfen, belehrt worden zu sein, 6 davon aus, daß in den Pr. in welchen ein Recht zur erweigerung der Aussage begründet ist, der Vernehmung eine Belehrung über dasselbe vorauszugehen hat. Ihrer inne⸗ ren Bedeutung nach enthält sie somit eine Weisung, die Be⸗ lehrung zu ertheilen. Die Reichs⸗Justizgesetze bringen n68 eisung zum bestimmten Ausdruck. G die Civilproze Ordnung wie die Strafprozeß⸗Ordnung schreiben die Be⸗ lehrung ausdrücklich vor (§. 348 Abs. 2, §§. 367, 373 C. P. O.; §. 51 Abs. 2; §. 57 Abs. 2; 88. 72, 76 St. P. O.).

Die ernsten Interessen welche sich daran knüpfen, die nahen Angehörigen eines Betheiligten nicht der Versuchung Seuseben, zu dessen Gunsten einen Meineid zu leisten, legen den Gerichten die Pflicht auf, sorgfältig darüber zu wachen, daß die Belehrung in keinem Fall, in welchem der Angehörige zur Verweigerung der Aussage berechtigt ist, unterbleibe. Zu⸗ gleich erscheint es geboten, den Zeugen und Sachverständigen gegenüber, welche ungeachtet der Belehrung eines der oben bezeichneten Verbrechen sich schuldig machen, dem Strafgesetz die volle Wirksamkeit zu sichern. Fe ergiebt sich das Er⸗ forderniß, die Ertheilung der Belehrung und die auf dieselbe abgegebene Erklärung in dem über die Verhandlung aufzu⸗ nehmenden Protokoll festzustellen.

Den Gerichten wird empfohlen, dem Gegenstande die seiner Wichtigkeit entsprechende Aufmerksamkeit zuzuwenden.

Nach einem Erkenntniß des Ober⸗Tribunals, vom 26. September d. J., erstreckt sich die in den 8§. 40 42 des Straf⸗ gesetz’buchs angeordnete Beschlagnahme und Unbrauchbar⸗ machung von Schriften, Abbildungen oder Met eFaggen nicht nur auf Preßerzeugnisse, sondern auch auf Handschriften oder auf die mit der Hand gezeichneten oder gemalten Abbildungen, sowie auf sonstigem Wege hergestellte figürliche Darstellungen Gz. B. Marionetten).

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Oesterreich⸗Ungarn. Wien, 18. Oktober. (W. T. B.)

Die „Polit. Korresp.“ meldet: Aus Athen von gestern: Der

Minister⸗Präsident Comunduros hat heute in der Kammer die Vertrauensfrage gestellt, der Führer der Opposition, Tri⸗ kupis, dagegen hat den Antrag eingebracht, den von der Re⸗ gierung geiscderken Kredit von 12 Millionen abzulehnen, die Armee⸗Reserven zu entlassen und alle militärischen Vorbe⸗ reitungen zu sistiren. Seitens der diplomatischen Vertreter der europäischen Mächte werden die Bemühungen, eine Verständigung Felgen; Griechenland und der Türkei herbeizuführen, ernergisch fortgesetzt. Aus Konstantinopel von heute: Die internatio⸗ nale Kommission für Ostrumelien hat ihren Zusammentritt in Philippopel auf spätestens den 26. d. Mts. festgesetzt und will dort über die Frage der Uebernahme der Finanzorganisation von Ostrumelien durch

ie „Banque ottomane“ die weitere Entschließung treffen. Die Pforte beschloß die Entsendung einer militärischen Kom⸗ mission in das Rhodopegebirge, welche die Aufständi⸗

chen zur Niederlegung der Waßen bestimmen soll. Aus

elgrad von heute: Der für die Grenzregulirungs⸗ Kommission bestimmte türkische Delegirte ist hier einge⸗ troffen. Auf ein von Oesterreich eingegangenes Erfuchen hat sich die serbische Regierung beeilt, die in Serbienweilen⸗ den bosnischen Flüͤchtlin ge, welchen die straffreie Rück⸗ kehr zugesichert wurde, in ihre Heimal zu senden.

19. Oktober. (W. T. B.) Die „Wiener Zeitung“ veröffentlicht eine Kaiserliche Verordnung vom 17. d., in welcher die Verordnungen vom 25. Juli und 6. August, die Erlaubniß zur zeitweiligen Verwendung dalmatini⸗

cher Landwehrabtheilungen der Grenzen er Monarchie betreffend, außer Kraft gesetzt werden. Die Verordnung tritt sofort in Wirksamkeit.

Prag, 18. Oktober. (W. T. B.) Der Landtag hat

den Antrag der Majorität der Kommission, über den Antrag

auf Erlaß einer Adresse zur Tagesordnung überzugehen, an⸗ enommen. Der zweite Absatz des von der Majorität der ommission gestellten Antrags, den Landesausschuß mit der Abfassung eines Wahlreformentwurfs zu beauftragen, wurde von den deutschen und czechischen Deputirten gegen die Stim⸗ men des Großgrundbesitzes genehmigt.

Schweiz. Solothurn, 17. Oktober. (N. Zürch. Ztg.) Der solothurnische Kantonsrath hat ohne eeen. die Gotthard⸗Nachtragssubvention neuerdings beschlossen

Niederlande. Haag, 18. Oktober. (W. T. B.) Beide Kammern haben heute zu der Vermählung des Königs mit der Prinzessin Emma von Waldeck und Pyr⸗ mont ihre Zustimmung ertheilt. 8 —y——

Großbritannien und Irland. London, 19. Okto⸗ ber. (W. T. B.) Nach einer Meldung des „Reuterschen Bureaus“ aus Konstantinopel, vom 18. d. M., stehen die Russen in Babaeski und Lillebourgas und haben noch keine weitere Bewegung gemacht. Die bulgarische Re⸗ gierung wird Agenten nach Belgrad und Bukarest sen⸗ den. Den „Daily News“ wird aus Kasanli, vom 18. ds. Mts., gemeldet: General Maude werde den Oberbefehl über ein Lager von 5000 Mann übernehmen, das in Hussanabdul gebildet werden soll. Der Oberbefehls⸗ haber werde ein Armee⸗Corps kommandiren, welches Kabul angreifen soll. Neville⸗Chamberlain werde ein zweites Corps kommandiren.

Bombay, 18. Oktober. (W. T. B.) Die „Times of India“ erfährt, daß der von dem Vizekönig von Indien an den Emir von Afghanistan abgesandte Emissär zurückgekehrt sei. Die von demselben überbrachte Antwort des Emirs sei unbefriedigend. Die Mahmunds seien in der Loyalität gegen den Emir von Afghanistan getheilt; Nourog Khan habe sich erboten, den Engländern beizustehen. Wie es heißt, kämen bei der af⸗ e Armee täglich Desertionen vor, angeblich wegen Mangels an Nahrung, Kleidung und Sold.

Türkei. Konstantinopel, 18. Oktober. (W. T. B.) Die Uebergabe von Vranja an Serbien und von Kos⸗ sina an Montenegro hat nunmehr stattgefunden.

Serbien. Belgrad, 18. Oktober. (W. T. B.) Gestern trat unter dem Vorsitze des Metropolitans die aus den Bischöfen von Nisch, Negotin, Schabatz, Pirot, Usice gebildete Synode zusammen.

(W. T. B.)

Amerika. Washington, 18. Oktober. Der Schatzsekretär Sherman hat angeordnet, daß bis auf Weiteres wöchentlich 45 000 Dollars Silbermünzen angekauft werden. Die bezüglichen Offerten sind an jedem Mittwoch einzuliefern. Die Metalllieferungen haben in Phila⸗ delphia oder in San Francisco zu erfolgen.

New⸗York, 18. Oktober. (W. T. B.) Der Dampfer „John Bramhall“ ist mit einer Ladung Waffen und Munition im Werthe von einer Million Dollars nach der Türkei in See gegangen.

Philadelphia, 15. Oktober. (Allg. Korr.) Eine Ab⸗ theilung von unzufriedenen un⸗ gefähr 150 an Zahl, hat vor fünf Wochen ihre „Reservation“ auf indianischem Territorium verlassen und sich nach Norden geschlagen. Dieselben sind allen Rersuchan des Militärs, ihnen den Weg abzuschneiden oder sie gefangen zu nehmen, entschlüpft und haben auf ihrer Marschroute alle weißen An⸗ siedler ermordet. Es sind 43 Leichen aufgefunden worden.

Nr. 42 des „Central⸗Blatts für das Deutsche Reich“, herausgegeben im Reichskanzler⸗Amt, hat folgenden In⸗ halt: Allgemeine Verwaltungssachen: Ausweisung von Ausländern aus dem Reichsgebiet. Münz⸗ und Bankwesen: Goldankäufe der Reichsbank; Uebersicht über die Ausprägung von Reichs⸗ münzen; Uebersicht über die bis Ende September d. J. einge⸗ zogenen Landesmünzen. Finanzwesen: Bekanntmachung, betreffend die Ausgabe von Schatzanweisungen im Betrage von 20 000 000 Zoll⸗ und Steuerwesen: Errichtung einer Zoll⸗Abfertigungsstelle auf dem Anhalter Bahnhofe in Berlin; Ableben eines Stations⸗ Controleurs; Uebersicht über Rübenzuckersteuer, sowie Zucker⸗Ein⸗ und Ausfuhr im Monat September 1878; Nachweisung der Einnahme an Wechselstempelsteuer in den Monaten April bis September 1878. Handels⸗ und Gewerbewesen: Verzeichniß der 1877/78 approbirten Aerzte, Zahnärzte, Thierärzte und Apotheker. Marine und Schiff⸗ fahrt: Ertheilung von Flaggenattesten; Erscheinen des dritten Nachtrags zur Amtlichen Liste der Schiffe der deutschen Kriegs⸗ und Handelsmarine. Eisenbahnwesen: Eröffnung der Station Wehrden für den Personen⸗ und Gepäckverkehr; Eröffnung der Haltestellen Niederheimbach und Trechtlingshausen. Postwesen: Verwendbarkeit der bisher von der Reichs⸗Postverwaltung ausgegebenen Postkarten für den Verkehr im Weltpostverein. Konsulatwesen: Todesfall.

Nr. 39 des „Justiz⸗Ministerial⸗Blatts“ enthält eine allgemeine Verfügung vom 14. Oktober 1878, betreffend die Beleh⸗ 1 über das Recht zur Verweigerung des Zeugnisses oder des Gut⸗ achtens.

LELgLandtags⸗Angelegenheiten.

Im 9. Düsseldorfer Wahlbezirk (Geldern⸗Kempen) ist an Stelle des Advokatanwalts Biesenbach zu Düsseldorf, welcher sein Mandat niedergelegt hat, der Kaplan Dr. Majunke aus Berlin mit 416 von 423 Stimmen zum Mitgliede des Hauses der Ab⸗ geordneten gewählt worden.

Statistische Nachrichten.

In dem Zeitraum vom 16. bis 30. September 1878 wurden in Berlin eingeführt zu Wasser: 7 953 750 kg Steinkohlen, Braunkohlen und Koks, 13 745 272 kg Holz, 15 121 chm Torftz auf den Eisenbahnen: 43 940 980 kg Steinkohlen, Braunkohlen und Koks, 567 520 kg Holz; ausgeführt wurden zu Wasser: 1 339 700 kg Steinkohlen, Braunkohlen und Koks, 258 863 kg Holz; auf den Eisenbahnen: 7 744 400 kg Steinkohlen, Braunkohlen und Koks.

Kunst, Wissenschaft und Literatur.

Im Verlage von G. Reimer hierselbst erschien: „Straf⸗ esetzbuch für das Deutsche Reich; Textaus abe mit Anmer⸗ ungen und Beilagen zum Gebrauch in Militär⸗Strafsachen von Karl

Hecker, Königlich preußischem Justiz⸗Rath und Divisionsauditeur.⸗ Die Abweichungen, welche bei ne⸗ der allgemeinen Straf⸗ esetze auf Milstärpersonen durch die Militärgesetze bedingt werden, sind so mannigfach, daß die in dem vorliegenden Buche versuchte Kommentirung des Strafgesetzbuchs für das Deutsche Reich zum Ge⸗ brauche in Militcr. Strassachen einem wirklichen Bedürfnisse ent⸗ spricht und nicht nur öö und Offizieren, sondern auch Civiljuristen willkommen sein dürfte. Der Verfasser hat in dem⸗ selben der Praxis des preußischen General⸗Auditoriats bis in die neueste Zeit Rechnung getragen; in der Form scheint er sich die mit

Recht beliebt gewordene Rüdorffsche Textausgabe des Strafgesetzbuchs das Deutsche Reich zum Muster genommen zu haben. Dem Buche sind als Beilagen das Militär⸗Strafgesetzbuch für das Deutsche Reich und Aufschlüsse überMilitärpersonen’ (Begriff und Gerichtsstand) beigefügt.

Die Verlagshandlung von Gebrüder Paetel hierselbst hat wiederum ihren Verlag bereichert. Es erschienen bei denselben so⸗ eben folgende sechs hervorragende belletristische Neuigkeiten: 1) „Lan „olin von Reutershöfen“ von Berthold Auerbach. 2) Karin von Schweden“ von Wilhelm Jensen. 3) „Vier Novellen und Erzählungen“ von Rudolph Lindau 4) „Croquet“ von Gustav zu . (2 Bände) 5) „Im Hause der Väter“ von Otto Roquette und 6) „Neue No⸗ vellen“ von Theodor Storm. Schon die Namen ihrer Ver fasser bürgen für den Werth der gebotenen literarischen Gaben

Der Preußische Termin⸗ und Notiz⸗Kalender für Verwaltungsbeamte“ ist mit dem soeben in Friedr Schulze's Verlag hierselbst erschienenen Jahrgang für das Jahr 187 in seinen zehnten Jahrgang getreten. Der unter Benutzung amtlicher 8 Quellen bearbeitete Kalender ist vornähmlich zum Gebrauche der Be⸗ amten der allgemeinen Verwaltung und der Verwaltung des Innern bestimmt. Neben einem vollständigen Kalendarium und der Genea logie des Königlich preußischen Hauses enthält der vorliegende Jahrgang Die gebräuchlichen Eide, Porto⸗Taxe, Tarif der Gebühren für telegra⸗ phische Depeschen, Zins⸗, Münz⸗, Maß⸗ und Gewichts⸗Vergleichungs und Zeit⸗Vergleichungs⸗Tabellen; weiter ein Register der in den bis her erschienenen Jahrgängen des Kalenders abgedruckten Gesetze und Verordnungen; das Gesetz, betr. die Vertheilung der öffentlichen Lasten bei Grundstücks⸗Vertheilungen und die Gründung neuer Ansiedelun⸗ gen in den Provinzen Preußen, Brandenburg, Pommern, Posen, Schlesien, Sachsen und Westfalen vom 25. August 1876; das Gesetz betr. einige Abänderungen der gesetzlichen Vorschriften über die Veran⸗- lagung der Grundsteuer, der Klassen⸗ und klassifizirten Einkommensteuer vom 12. März 1877; das Gesetz, betreffend die Uaterbringung verwahr⸗ loster Kinder vom 13. März 1878; den berichtigten Servistari zum Gesetz vom 12. Mai 1873, betreffend die Gewährung von Wohnungsgeldzuschüssen an die unmittelbaren Staatsbeamten; ein vollständiges Verzeichniß der Behörden und Beamten der allgemeinen Verwaltung und der Verwaltung des Innern, inkl. der Bürgermeister sämmtlicher Städte Preußens, erweitert durch die Namen der Beamten des Ober⸗Verwaltungsgerichts und der Verwaltungsgerichte, sowi der Provinzial⸗ und Bezirksräthe. Ein Namensregister erleichter den Gebrauch des recht brauchbaren Kalenders, welcher 2 50 und mit Papier durchschossen 3 kostet.

Land⸗ und Forstwirthschaft.

„Der deutsche Garten, Wochenschrift für Gärtner und Gartenfreunde, Organ für das gesammte Gebiet des Garten⸗, Wein und Hopfenbaues mit ihren Hilfswissenschaften“, das Vereinsblat der Gesellschaft der Gartenfreunde Berlins, welches in Friedr Schulze's Verlag hierselbst erscheint und unter Mitwirkung nam hafter Gelehrter und Praktiker von O. Hütetig redigirt und Ee 8 gegeben wird, hat mit seiner Nr. 39 vom 28. September d. J. das dritte Quartal dieses seines ersten Jahrganges beschlossen. Die ver⸗ dienstliche Zeitschrift ist andauernd bemüht, die durch Gediegenhei in Inhalt und Form errungene Position nicht nur zu behaupten sondern auch immer mehr zu erweitern. Wir müssen es uns ver⸗ sagen, auf den reichen und interessanten Gehalt des vorliegenden Quartalsbandes näher einzugehen und führen aus der langen Reihe von Aufsätzen und Beiträgen nur folgende an: Von größeren Arbeiten werden u. A. die Fortsetzungen gegeben von: „Zur Geschichte des Garten baues von O. Hüttig; die „Zimmer⸗ und Hausgärtnerei“; „die den Kultur pflanzen schädlichen Insekten“ von Dr. Sorhagen; und „di Gärtnereien Berlins“. Daneben enthält dann jede Nummer ein Anzahl kleinerer Aufsätze sowie unter stehenden Rubriken, Gartenkalender; Vereinsverhandlungen; Ausstellungen; Literatur bericht; aus der periodischen Literatur des In⸗ und Auslandes; Per sonalien; Marktberichte; Witterungsbericht; Briefkasten ꝛc. ein Fülle von Mittheilungen, welche für den Gärtner und Gartenfreund vielfach Belehrendes und Unterhaltendes bringen. Auch bietet der vorliegende Band, ebenso wie die vorausgegangenen Nummern, vor trefflich ausgeführte Illustrationen. Der Abonnementspreis für die empfehlenswerthe Zeitschrift beträgt pro Quartal nur 4

Gewerbe und Handel. Die Leipiiger Ztg.“ bringt folgenden vom 18. Oktober da⸗ tirten Bericht über die Messe in böhmischen Glaswaaren Als ein günstiges Zeichen ist es jedenfalls anzusehen, daß man unter den Produzenten dieses Artikels nicht nur nicht klagen hört, sondern meistens Ausdrücken ziemlicher Befriedigung über den Verlauf des Geschäftes begegnet. Namentlich sind es die feineren Gat⸗ tungen dieser Branche, welche als gern und verhättnißmäßig viekgekauft bezeichnet werden, und hauptsächlich war es Deutschland, welchem die Käufer angehörten. Exportkäufer traten nur sporadisch auf, wie dies auch gewöhnlich zur Michaelismesse der Fall ist. Es wird dem Artike! „böhmisches Glas“ noch eine bessere Zukunft blühen, wenn der Verkauf im Kleinen der Jahrmarkt nicht mehr mit der Messe verbunden sein wird. Die Rauchwaarenmesse begann dies Mal etwas früher als gewöhnlich, da die Jof. Ullmannsch Auktion bereits vor Beginn der Engroswoche manchen Käufer her zog. Das Resultat der Auktionen überhaupt war günstig, denn Rauchwaaren aller Gattungen gingen im Preise höher als in letzte Ostermesse. Da im Laufe des Sommers viele Käufer aus Rußland Rumänien und Ungarn hier eintrafen und beträchtliche Posten Waaren vom Markte nahmen, war vorauszusehen, daß das Geschäft auch in der Messe sich besser gestalten werde, und das ist denn im Großen und Ganzen in Erfüllung gegangen. Am meisten wurden Biber, Bisam und Skunks zu hohen Preisen gekauft, ebenso für Rußland Nerz und Zobel zu etwas besseren Preisen. Da die Sommermesse in Nischny⸗Nowgorod für Rauchwaaren sehr gut ausfiel und vorzüglich Wildwaaren gut abgingen, so blieb nach Füchsen und Mardern Nachfrage. Ottern waren vernachlässigt. Für England blieben schwarze Katzen sehr begehrt. eehfutter, deutsches veer s. wurde viel gekauft, da die russischen Feehsäcke in Nischny edeutende Preis rhöhung erfuhren und erstere beliebter sind. Feeh⸗ schweife zogen gleichfalls im Preise an. Oesterreich⸗Ungarn und Ga⸗ lizien zeigten starken Begehr für Schecken⸗ und Ziegenkatzen, gefärbte Waare und geringere Sorten Feeh. Die deutsche Kundschaft hielt sich sehr reservirt. Für Iltisse war die Stimmung besser, da die gefärbten Sachen, als Hasen, Schuppen u. dgl. nachzulassen scheinen; wenn ein etwas früher Winter eintritt, wird die deutsche Kundschaf wieder praktischere Einkäufe, als Zobel, Nerz, Bisam und Skunks machen. Die Auktion von Finkelstein u. Comp., welche in der zwei⸗ ten Meßwoche stattfand, brachte fast nur russische Artikel, und wurde da auch manches, besonders für England weiße Füchse, zu hohen Preisen verkauft; ein Theil Feehsäcke blieb unverkauft, da ein bedeu⸗ tender russischer Händler hier zur Messe mit einem großen Posten solcher Säcke eintraf, und sich diese schnell unter 4 Großhändler zu billigeren Preisen verkauften. Das Geschäft in Seidenwaaren war in jetziger Messe nicht von Bedeutung, da die ausländischen Käufer infolge der unsicheren politischen Verhältnisse und des schlechten Standes der russischen Valuta ausgeblieben sind. Nachfrage zeigte ch nach schwarzem Atlas; die Fabriken sind in diesem Artikel ängere Zeit engagirt. In schwarzen Sammeten erfreuten sich die billigen Qualitäten besonderer Beliebtheit; große Aufträge von Pariser Häusern mußten abgelehnt werden, weil die Stücke bis Ende No⸗ vember nicht zu beschaffen sind. Farbige Sammete sind für Kon⸗ fektion in dieser Saison stark gefragt; die Modefarben Grenet Loutre, Olive, Myrthe ꝛc. si, d nirgends aufzutreiben. Sammetweber sind in Folge des flotten Geschäftsganges überall gesucht; der Fabri⸗

kant muß aber dem Arbeiter mehr Lohn bewilligen, um Waare zu bekommen. Diese Lohnerhöhung muß natürlich auf die farhige Waare eschlagen werden, da der Artikel schon seit langer Zeit sehr im reise gedrückt ist. Gute Nachfrage zeigte sich nach schwarzem Sammet band Mittelnummern. Farbige Sammetbänder werden in breiten v viel bestellt und zum Frühjahr sicher eine große Rolle pielen.