1878 / 279 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Tue, 26 Nov 1878 18:00:01 GMT) scan diff

Hessen. Darmstadt, 22. November. Heute Vormittag fand die feierliche Eröffnung des Landtags durch den Minister⸗Präsidenten von Starck statt. Die öffnungsrede zählte die Vorlagen auf, mit welchen sich der Landtag zunächst zu beschäftigen haben wird. Was die Finanzlage anlangt, so ecken die laufenden Einnahmen die ordentlichen Aus⸗ gaben und lassen noch einen Ueberschuß für die Deckun der außerordentlichen, deren Rest durch parate Staatsmitte ohne Inanspruchnahme von Krediten, gedeckt werden kann.

Oldenvurg. Oldenburg, 22. November. (Wes. Ztg.) Dem Landtage ist jetzt der Entwurf eines Gesetzes, betre end die Einführung des Gerichtsverfassungsgesetzes für das Deutsche Reich, und der gleichzeitig mit demselben in Kraft tretenden Reichsgesetze, zugegangen, für welchen Seitens der Regierung der Ober⸗Gerichtspräsident Becker zum Re ierungs⸗ kommissar ernannt ist. Der Entwurf enthält die folgenden Hauptbestimmungen: Die Geschäfte der bisherigen Amtsgerichte Fhen auf die neuen Amtsgerichte, die Geschäfte der Ober⸗

richte auf das Landgericht und die des Ober⸗Appellations⸗ eerichts auf das Ober⸗Landesgericht über. Die bisherige erbindun zwischen den Verwaltungsämtern und Amts⸗ gerichten hört auf. Jedes Amtsgericht soll in der Regel wenigstens mit zwei Richtern besetzt sein. Das Landgericht 8 einschließlich der Präsidenten, Direktoren und Unter⸗ uchungsrichter, mit wenigstens 11 Richtern besetzt sein. An den Entscheidungen im Plenum sollen wenigstens 7 Richter Theil nehmen. Zur ausschließlichen Zuständigkeit der Schwur⸗ gerichte gehört die Hauptverhandlung und das Erkenntniß über Preßverbrechen und diejenigen Preßvergehen, welche von Amtswegen verfolgt werden, soweit nicht die Zuständigkeit des Reichsgerichts begründet ist. Das Ober⸗Landesgericht hat seinen Sitz in der Stadt Oldenburg. Dasselbe soll einschließlich der Präfidenten mit wenigstens 6 Richtern besetzt sein. Es sollen an⸗ gestellt werden: 1) bei dem Ober⸗Landesgerichte, dem Land⸗ gerichte und dem Schwurgerichte ein Ober⸗Staatsanwalt als erster Beamter der Staatsanwaltschaft und zwei andere Staats⸗ anwälte, 2) bei den Amtsgerichten und zugehörenden Schöffen⸗ gerichten Amtsanwälte. Das zur Ausführung des Gerichts⸗ verfassungsgesetzes und der gleichzeitig mit demselben in Kraft tretenden Reichsgesetze sowie dieses Gesetzes weiter Erforderliche, namentlich die Bildung der Amtsgerichtsbezirke und die Be⸗ stimmung der Sitze des Landgerichts und der Amts erichte, sowie die sonst nöthigen Uebergangsbestimmungen erfolgen im Verordnungswege. Dieses Gesetz tritt gleichzeitig mit dem Gerichtsverfassungsgeseze vom 27. Januar 1877 in Kraft

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HOesterreich⸗Ungarn. Wien, 25. November. (W. T. B. Die „Polit. Korresp.“ meldet: Aus Kon stantinopel vom 24. d. M.: Die Verhandlungen zwischen der Pforte und dem österreichischen Botschafter, Grafen Zichy, bezüglich der

kkupation Novibazars dauern fort. Die Pforte be⸗ schloßs die Okkupation unter der Bedingung zu acceptiren,

Oesterreich⸗Ungarn auf Verlangen der Pforte drei be⸗ stimmte strategische Punkte im Distrikte von Novibazar räumt und sie von türkischen Truppen besetzen läßt. Zur Erleichterung der Regelung der Frage betreffs der Uebergabe Podgorizzas hat die Regierung beschlossen, den General⸗Gouverneur von Skutari, Hussein Pascha, abzuberufen. Aus Bukarest vom *₰o. d.: Nach dem gegenwärtigen Stande der Verhandlungen mit Rußland dürfte der Einmarsch der rumänischen Truppen in die Dobrudscha voraussichtlich am 26. d. erfolgen. Falls etwa unerwartete Schwierigkeiten Seitens Rußlands entstehen soollten, werde die Regierung eine Note an die Si natarmächte richten und in der Thronrede am Mittwoch die Ansprüche

Rußlands mittheilen.

Pest, 25. November. (W. T. B.) Im Unterhause wurde Seitens der Regierung der Bericht über die Verwen⸗ 8-9 der Honvedtruppen außerhalb der Grenze vor⸗ gelegt. Algram, 23. November. Mehr als die Hälfte der bos⸗ nischen Femactinge befindet sich bereits auf dem Boden

der alten Heimath. Denjenigen von ihnen, die absolut keinen Erwerb haben und deren Besitzthum zerstört ist, werden nach wie vor Unterstützungen gewährt. Dank der Initiative der bosnischen Landesregierung ist das Verhältniß zwischen den Begs und den heimkehrenden Flüchtlingen in befriedigender Weise und mit entsprechender Rücksicht auf die neue Ordnung der Dinge geregelt worden.

Großbritannien und Irland. London, 26. No⸗ vember. (W. T. B.) Se. Königliche Hoheit der Herzog von 1XM ist nach Berlin abgereist. Die Füh⸗ rer der Opposition haben ein Meeting abgehalten und dabei eine Resolution angenommen, welche die Angaben Lord Cranbrooke's in der unterm 18. d. M. an den Vizekönig Lord Lytton gerichteten Depesche, die die Verantwortlichkeit für den Krieg mit Afghani⸗ stan der früheren Regierung zur Last legen, für un⸗ genau und erklärt. Der ‚Daily T elegraph“ bezeichnet die über Spaltungen im Kabinet zirkulirenden Gerüchte auf das Bestimmteste als unbegründet.

Halifax, 25. November. (W. T. B.) Der neue Generalgouverneur, Marquis of Lorne, ist mit der Prinzessin Luise, heute hier ans nd in der festlich geschmückten Stadt mit

pfangen worden.

Bombay, 26. November. (W. T. B.) Der „Pioneer“ meldet, die erste Brigade der Thull⸗Kolonne sei in 11““ zweite in Amadshama angekommen; die

orhut befinde sich halb Weges auf dem Marsche nach dem Kurumfort; der Gesundheitszustand der Truppen sei ein

Frankreich. Paris, 25. November. (W. T. B.) Graf mbord hat ein Schreiben an den Deputirten Grafen Mun (klerikal), dessen Wahl für ungültig erklärt worden ist, gerichtet, in welchem er denselben zu seiner muthigen Ver⸗ theidigung der Religion beglückwünscht. Versailles, 25. November. (W. T. B.) In der heu⸗ ammer brachte Kerjégu n, 5een die von dem Präfekten von Finistére vorgenommene Er etzung der geist⸗ ichen Lehrer durch Lehrer aus dem Laienstande, ein. Der Minister⸗Präsident Dufaure erklärte in Beantwortung der Interpellation: die Angelegenheit sei dem Staatsrathe unterbreitet worden, man müsse dessen Entscheidung abwarten; er (der Minister)

Ausführung bringen lassen. Die Kammer genehmigte im

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werde die gesetzlichen Bestimmungen zur

weiteren Verlaufe der Sitzung das Budget des Finanz⸗ Ministeriums und das des Arbeits⸗Ministeriums.

Italien. Rom, 25. November. (W. T. Der König empfing heute die Präsidien der beiden Kammern, welche die am 21. d. Mts. votirten Adressen überreichten. Se. Majestät nahm dieselben dankend ent egen und hob hervor, unter allen ihm zu Theil gewordenen Kund⸗ gebungen sei ihm die des Parlaments am meisten willkommen. Heute Abend wurde dem Könige ein großartiger Fackel⸗ zug dargebracht. Die Straßen waren illuminirt und von einer dichtgedrängten Volksmenge erfüllt, welche dem Könige sym⸗ pihatische Kundgebungen darbrachte. Der „Diritto“ er⸗

ärt die Nachricht, daß Cairoli im Einverständniß mit Za⸗ nardelli ein Schreiben an den König gerichtet habe, in welchem die Auflösung der Deputirtenkammer verlangt wird, für vollkommen unbegründet.

Lurkei. Konstantinopel, 25. November. (W. T. B.) Wie verlautet, soll die Versammlung der bulgarischen Bischöfe, Beamten organischen Reglements des Fürstenthums am 27. k. M. in

Tirnowa zusammentreten; man nimmt an, daß die Arbeiten

der J“ Monat April k. J. beendet sein werden, so, daß alsdann die Wahl des Fürsten erfolgen kann.

RNumänien. Bukarest, 25. November. (W. T. B.) Eine hier eingegangene Depesche aus Livadia weist die russi⸗ schen Behörden an, die Dobrudscha an die rumänischen Be⸗ hörden zu übergeben. Die Besitzergreifung der Dobrudscha Seitens Rumäniens beginnt morgen früh 9 Uhr.

Dänemark. Kopenhagen, 25. November. (W. T. B.) Der Bericht des Budgetausschusses über die an die Insel St. Croix zu gewährende Anleihe liegt nunmehr dem Folkething vor. Die eine starke Majorität bildenden bei⸗ S der Linken beantragen die Ablehnung der

Aus dem Wolffschen Telegraphen⸗Bureau.

Lahore, Dienstag, 26. November. In Alimusjid wurde eine Anzahl verwundeter und kranker afghanischer Soldaten gefunden. Die Kavallerie⸗Abtheilung unter dem Befehle Macphersons hat ihre Vereinigung mit der Division Browne’'s in Alimusjid am 22. d. bewerkstelligt. Die erste Division des Quettah⸗Corps unter dem Oberbefehl Biddulphs hat heute Pischina besetzt.

St. Petersburg, Dienstag, 26. November. Die Be⸗ rufung des Fürsten Dondukoff⸗Korsakoff nach Livadia war veranlaßt durch den Willen des Kaisers, dem Fürsten aus⸗ drücklich auszusprechen, daß er sich aller zweideutigen Aeuße⸗ rungen gegenüber den Bulgaren zu enthalten und sich strikte an die Instruktionen zu halten habe, welche ihm in Betreff der Organisation Bulgariens in Ausführung des Berliner Friedens ertheilt worden sind. Er habe darüber in seinem persönlichen Verkehr mit Bulgaren keinen Zweifel zu lassen. Nach der Rückkehr Sr. Majestät des Kaisers dürften einige Personalangelegenheiten Pöherer Verwaltungs⸗ und diplo⸗ ha scher Stellen zurn Entscadung kommen. Schon jetzt rann ndeß versichert werden, daß die Behauptung eines Tausches zwischen unserem Botschaftet in Wien und unserem Botschafter in London, von heeneh Graf Schuwaloff, nicht in das Bereich der schwebenden Fragen gehöre. Die Behauptungen Wiener Korrespondenten, daß zwischen der Pfonte und Ruß⸗ land auf den Abschluß eines definitiven riedensvertrages verzichtet sei, dafür aber die Pforte die durch den Berliner Vertrag nicht aufgehobenen Bestimmungen des Vertrages von San Stefano lediglich bestätigen werde, werden in hiesigen unterrichteten Kreisen als unbegründet bezeichnet. Mit dem heutigen Tage beginnt die Uebergabe der Dobrudscha an die rumänische Regierung.

St. Petersburg, Dienstag, 26. November, Vormittags. Der Chef der Kanzlei der dritten Abtheilung der Geheimen Kanzlei des Kaisers, Geheimrath von Schulz, hat, dem „Re⸗ gierungsboten“ zufolge, wegen seiner gänzlich erschütterten Gesundheit seine Entlassung genommen.

Landtags⸗Angelegenheiten.

Der Etat der Verwaltung der direkten Steuern für das Jahr vom 1. April 1879/80 schließt ab in Einnahmen mit 156 256 000 (+ 3 193 000 ℳ). Die dauernden Ausgaben be⸗ trag n 9 733 200 (+. 205 200 ℳ). Die einmaligen und außer⸗ ordentlichen Ausgaben betragen 2 157 500 (+ 1 422 818 ℳ). Mithin bleibt ein Ueberschuß von 144 365 300 (+ 1 564 982 ℳ). In der Einnahme sind eingestellt: die Grundsteuer mit 40 191 000 82 17 000 ℳ), Gebäudesteuer 20 977 000 (+ 3 189 000 ℳ), lassifizirte Einkommensteuer 31 349 000 (+ 485 000 ℳ), Klassensteuer 41 485 000 (+ 79 000 ℳ), Gewerbesteuer 18 748 000 (+. 132 000 ℳ), Eisenbahn⸗Abgabe 3 014 000 (— 689 000 ℳ). Als einmalige und außerordenkliche Abgaben sind eingestellt zur Revision der Gebäudesteuer⸗Veranlagung 657 500 und zur Herstellung eines Dienstgebäudes für die Direktion für die Verwaltung der direkten Steuern in Berlin 1 500 000

Der Etat der Verwaltung der indirekten Steuern weist nach in der Einnahme 45 651 000 gegen 46 614 300 des vorigen Etats also weniger 963 300 Die dauernden Ausgaben betragen 21 478 300 (— 139 000 ℳ), die einmaligen und außer⸗ ordentlichen Ausgaben: 98 130 (— 744 080 ℳ), es bleibt mithin ein Ueberschuß der Einnahmen über die Ausgaben von 24 074 570 ge. 80 220 ℳ). Unter den Einnahmen figuriren A. bei den Reichs⸗ tteuern als Vergütung für Erhebungs⸗ und Verwaltungskosten der Zölle 5 210 460 (— 2810 ℳ), als Antheile: an der Rübenzuckersteuer 1 934 450 (+ 232 030 ℳ), an der Salzsteuer 133 650 (— 470 ℳ]), an der Tabaksteuer 52 740 (— 4240 ℳ), an der Branntwein⸗ steuer und Uebergangsabgabe von Branntwein 6 964 230 (s— 90 500 ℳ), an der Brausteuer und Uebergangsabgabe von Bier 1 992 990 (+ 5430 ℳ), an dem Spielkartenstempel 35 000 In Summa beträgt also der Antheil Preußens an den Reichssteuern 16 323 520 gegen 16 149 080 des vorigen Etats, also mehr 174 440 Bei der Einnahme für alleinige Rechnung Preußens sind in den Etat eingestellt: Antheil an der deutschen Wechselstempel⸗ steuer 79 900 (— 1580 gegen den vorigen Etat), Stempelsteuer 20 000 000 (— 1 500 000 ℳ), Erbschaftssteuer 5 000 000 (+ 200 000 ℳ), Brückm⸗, Fähr⸗ und Hafengelder, Strom⸗ und Kanalgefälle 71100 000 (+ 550 000 ℳ], Niederlage⸗, Krahn⸗ und Waagegeld 186 000 (— 4000 29) Kontrol⸗ gebühr für Salz 50 000 (+† 7500 ℳ), Hypotheken⸗ und Gerichts⸗ schreibereigebühren im Bezirk des Avppellationsgerichts zu Cöln 1 100 000 (+ 110 000 ℳ), Wirthschaftsabgaben in den hohen⸗

zollernschen Landen 40 (00 (+ 3500 ℳ), Strafgelder 243 500 Als verschiedene Einnahmen werden aufgeführt: Ver⸗

(+ 3500 ℳ).

und Notabeln zur Ausarbeitung des

waltungskostenbeiträge 390 000 ℳ, stücke und Dienstwohnungen 38 000 (+ 3000 ℳ), außerordent⸗ liche Einnahmen 100 080 (— 5660 ℳ). Die Summe der Ein⸗ nahmen für alleinige Rechnung Preußens beträgt mithin 29 327 480 (s— 1 137 740 ℳ). Das fortdauernde Herabgehen der Einnahme der Stempelsteuer in den letzten Jahren wird einestheils mit der allgemeinen Geschäftslage, anderntheils mit dem Umstande be⸗ gründet, daß die Vereinnahmung der Werthstempel für Kaufverträge über Grundstücke in steigendem Umfange bei den Gerichtskosten alg Stempel für die Auflassungserklärungen erfolgt. Der Minderbetrag bei den dauernden Ausgaben von 139 000 gegen den vorigen Etat ist im Wesentlichen durch die als zulässig erachtete Einziehung einer Anzahl unterer Erhebungsstellen (22 Zoll⸗ und Steuerämter, 4 Steuerrezepturen), sowie durch die Herabsetzung einzelner Ausgabefonds Wum 130 800 herbeigeführt. Die diesen Ersparnissen gegenüber⸗ stehenden Mehrausgaben sind zum Theil durch die vom 1. April 1879 ab für die Bewilligung des Wohnungsgeldzuschusses gemäß den Gesetzen vom 12. Mai 1873 und 3. August 1878 in Kraft tretende neue Klasseneintheilung der Orte verursacht.

Statistische Nachrichten.

E1A“ Kohlentransport⸗Statistik der Königlich Niederschlesisch⸗Märkischen Eisenbahn für Oktober empfing erlin von den hier mündenden Eisenbahnen Steinkohlen 82 578, Braunkohlen 37 279 t, zu Wasser 7714 englische Stein⸗ und 1548 t pr⸗ußische Braunkohlen. Der Versandt (Export) betrug im Ganzen 5746 t Stein⸗ und 9468 t Braunkohlen, davon zu Wasser .317 t englische und 1265 t niederschlesische Stein⸗ und 263 t böhmische und 230 t preußische Braunkohlen. In Nr. 16. Band II. (1878) der statistischen Mittheilungen über das Großherzogthum Baden wird die Erwerbung und der Verlust der Staatsangehörigkeit im Jahre 1877 (Ein⸗ und Auswanderung) besprochen. Die Zahl der von den Groß⸗ herzoglichen Bezirksämtern ertheilten Urkunden über Aufnahmen in die Staatsangehörigkeit war 83, über Entlassung aus derselben 329. Von den letzteren betrafen 19 den Uebergang in die Angehörigkeit

eines anderen Bundesstaates, 310 die Entlassung in das Ausland. Mit Rücksicht auf die aufgenommenen und entlassenen Personen ergeben sich folgende Einzelheiten: 1) Aufgenom mene: die Ertheilung erfolgte an 32 Familien⸗ häupter mit 103 „Angehörigen; an einzelne Personen 31; mithin zusammen für Personen 186. Von diesen waren nach dem Familienstande 117 ledig, 65 verheirathet, 4 verwittwet Nach dem Alter waren 0—7 Jahre alt: 36, 7 14 Jahre alt: 24, 14 20 Jahre alt: 18, 20 25 Jahre alt: 10, 25 45 Jahre alt: 79, 45—60 Jahre alt: 16, 60— 75 Jahre alt: 3; nach der Religion: 77 Evangelische, 84 Katholiken, 25 Israeliten; nach den Berufs⸗ und Erwerbsklassen: 29. Landwirthe, 1 Tagelöhner, 80 Handwerker und Fabrikarbeiter, 33 Handel⸗ und Verkehrtreibende, 43 sonstige. Die Aufgenommenen kamen: aus Preußen 23, aus Bayern 42, aus Württemberg 51, aus Hessen 9, aus Sachsen⸗ Altenburg 3; mithin aus andern deutschen Staaten 128; aus der Schwei; 9, aus Oesterreich⸗Ungarn 18, aus Nordamerika 31; mithin aus außerdeutschen Ländern 58. 2) Entlassene: Die Erthbeilung erfolgte an 81 Familienhäupter mit 262 Angehörigen, an einzelne Personen 248, zusammen für 591 Personen. Von diesen waren nach dem Familienstande: ledig 438, verheirathet 141, ver⸗ wittwet 12; nach dem Alter: 0—7 Jahre alt 77; 7— 14 Jahre alt 70; 14 20 Jabre alt 181, 20 25 Jahre alt 50, 25 45 alt 159, 45 60 Jahre alt 46, 60—75 Jahre alt 8. Nach der Re igion: 150 Evangelische, 409 Katholiken. 4 sonstige Christen, 28 Israeliten.

Nach den Berufs⸗ und Erwerbsklassen: 78 Landwirthe, 13 Tage⸗ löhner, 255 Handwerker und Fabrikarbeiter, 110 Handel⸗ und Ver⸗

kehrtrejbende, 135 sonsti wandersen aug, nach Preußen 19, * Bahers 21, nach Wrttemberg 5, nach Hessen 3, nach deutschen Staaten 41, nach der Schweiz 279, nach England 42, nach Oesterreich⸗Ungarn 21, nach Frankreich 6, nach Italien 1, nach Rußland 1, nach den Niederlanden 4, nach Belgien 5, nach Nord⸗ Amerika 174, nach Ostindien 9, nach Brasilien 1, nach Australien 7, mithin nach außerdeutschen Ländern zusammen 550. Die Zahl der Aufgenommenen ist in einer abnehmenden Tendenz begriffen, ebenso die Zahl der Entlassenen. Letztere Zahl ist überhaupt die kleinste seit 1840; der stärkste Abzug fand nach der Schweiz statt, dagegen haben die Auswanderungen nach Amerika bedeutend abge⸗ nommen.

Nach dem Verwaltungsberichte des Kaiserlichen Bezirks⸗ Präsidiums zu Colmar, welcher kürzlich dem Bezirkstage des Ober⸗ Elsaß vorgelegt worden ist, sind die Betriebsresultate der Fischzucht⸗Anstalt bei Hüͤningen im Jahre 1877/78 die günstigsten seit Eintritt der deutschen Verwaltung gewesen. Der Umsatz an angebrüteten Edelfischeiern war in Folge der regen Thätigkeit des deutschen Fischereivereins ein größerer wie je, und sind hierdurch auch die Einnahmen der Anstalt erheblich gewachsen, ohne daß eine wesentliche Vermehrung der Ausgaben entstanden wäre. Die Ist⸗ Einnahmen für verkaufte Edelfischeier haben 14 364 ℳ, die durch die Käufer erstatteten Versandtkosten 1395 betrager während die⸗ selben im Etat für 1878 nur mit 10 300 bez. H00 ange⸗ nommen worden sind. Es ist hiernach in diesen Einnahnepositionen ein nicht unerhebliches Mehr erzielt worden. An (delfischeiern sind während der Brutperiode 1877/78 im Ganzen 4 838 000 angekauft worde, und zwar: 629 000 Forelleneier, 496000 See⸗ forelleneier, 1 751 000 Lachseier, 234 000 Saiblingseier, 1340 000 176 000 Aescheneier und 212 000 Bastardeier. Durch Selbstzucht hat die Anstalt 415 000 Forelleneier und 1000 See⸗ forelleneier gewonnen. Heerven sind im Ganzen 2 921 000 verendet worden, von welchen Deutschland 2 537 000, England 132 000, Funk⸗ reich 118 000, Oesterreich 46 000, Luxemburg 30 000, die Schieiz 27 000, Spanien 25 000, Italien 4000 und Belgien 2000 erbaltn hat. An jungen Fischen sind ausgesetzt worden: 590 000 Lachf (500 000 für Rechnung des Deutschen Reichs in den Rhein, 80 000 in die Saar und die Mosel und 10 000 in den die Anstalt durchlanfen⸗ den Angräben), 20 000 Forellen (10 000 in die Gewässer des Münster⸗ thales und 10000 in die Anstaltsgewässer), 15 000 Madü⸗Maränen in den weißen und schwarzen Sce und 45 000 junge Aale in den großen Mittersheimer Weiher und in die Weiher bei Rixingen. Durch die günstigen Verkäufe von Fischeiern mindert sich der Veiira des Reichs zu den Ausgaben der Fischzuchtanstalt und hat sich au das eigene Vermögen der letzteren durch erfolgreiche Züchtung der Forellen vermehrt. Es waren Ende Dezember 1877 in den Anstalts⸗ ewässern 4350 Stück zweijährige Forellen vorhanden; jede dieser 8.. hat bereits einen Werth von durchschnittlich 1 ℳ, der sich bis Ende des Jahres auf ca. 2 erhöhen wird. Es ist also schon jetzt mit Bestimmtheit vorauszusehen, daß in Zukunft der anze Be⸗ darf an Forelleneiern von eigenen Fischen enktnommen werden kann, vndegdarcie dadurch die Selbsterhaltungsfähigkeit der Anstalt dauernd gesichert sein.

Das neueste Heft der vom statistischen Departement im K. K. österreichischen Handels⸗Ministerium herausgegebenen „Nach⸗ richten über Industrie, Handel und Verkehr“ enthält die Statistik der österreichischen Telegraphen im Jahre 1877. Wir ent⸗ nehmen derselben folgende Angaben: Die Gesammtlänge der Staats⸗ eisenbahn⸗ und Privattelegraphen⸗Linien des österreichischen Staats⸗ gebietes mit Ende 1877 betrug 34 087,22 km, jene der Drähte 87 585,49 km. Davon entsielen 22 417,13 km Linien und 61 019,33 km Drähte auf die Staatsverwaltung, 11 260,29 km Linien und 25 820,16 km Drähte auf die Eisenbahngesellschaften und 409,80 km Linien 146 km Drähte auf die Privattele raphen⸗ Gesellschaft. Im Jahre 1877 wurden 47 Staats⸗ und 46 Eisenbahn⸗ Telegraphenstationen für den Verkehr neu eröffnet und 4 Staats⸗

stationen aufgelassen. Es waren daher 1059 Staats⸗, 1264 Eisen⸗ bahn⸗ und 95 Privat⸗ also im Ganzen 2418 Telegraphenstationen im Betriebe. Gegen 1876 betrug die Zunahme 89 Stationen oder

Miethe für Gebäude, Grund⸗

3,8 %. Das bei den Direktionen, bei der Linienerhaltung und bei den Stationen in Verwendung stehende Personal betrug am Ende 1877 im Ganzen 3243 Personen. Im Jahre 1877 waren bei den Staats⸗ Telegraphenstationen 1724 Morse, 50 Hughes, 4 Multiplexappa⸗ rate von Steyer und 1 d Arlincourtscher Translator im Betriebe, mithin zeigte sich gegen 1876 eine Vermehrung von 52 Morse⸗, 2 Multiplexapparaten und 1 dAelincourtschen Translator. Die Telegraphenstationen der Eisenbahnen arbeiten im Korrespondenz⸗ verkehre mit ca. 1600, jene der Privattelegraphen in Nieder⸗ Oesterreich mit 145 Morse⸗Apparaten. Die Gesammtzahl der im Jahre 1877 behandelten gebührenpflichtigen Depeschen (inkl. Tele⸗ raphenavisi) war 4 739 860 Stück; davon entfielen auf Nieder⸗ Hesterreich allein 1 403 391 Stück. Mit den internationalen Transit⸗ depeschen, deren Zahl sich auf 201 916 Stück beläuft, beträgt die Gesammtsumme der gebührenpflichtigen Depeschen 4 941 776 Stück.

iervon zählt der inländische Verkehr 3 430 153 und der Ver⸗ bee mit dem Auslande 1 511 623 Depeschen und Telegraphen⸗ avisi. Der Vergleich der aufgegebenen und angekommenen Depeschen und Avisi gegen das Vorjahr (4 412 751 Stück) zeigt eine Depeschenzunahme von 327 109 Stück oder! von 7,4 %. Davon entfallen 276 923 auf die aufgegebenen und 50 186 auf die angekommenen Depeschen. Der internationale Transitverkehr hat um 41, 407 Depeschen abgenommen. Die Gesammteinnahme des Staatstelegraphen belief sich 1877 auf 3 166 277 Fl. und hat daher gegen 1876 um 229 517 Fr oder um 7,81 % zugenommen. Die Be⸗ triebseinnahme des Eisenbahntelegraphen betrug 100 723 Fl. und hat gegen 1876 um 626 Fl. oder um 0,6 % abgenommen. Die Brutto⸗ einnahme bei den Stationen der Privat⸗Telegraphengesellschaft in Wien betrug 470 672 Fl. Davon entfielen als Betriebseinnahme der Gesell⸗ schaft 139 154 Fl., mithin gegen 1876 um 10019 Fl. oder 7,2 % weniger. Die Betriebsausgaben des Staatstelegraphen bekrugen 3 655 419 Fl., davon waren 3 549 003 Fl. ordentliche, 106 416 Fl. außerordentliche Ausgaben. Die ordentlichen Ausgaben hatten daher 1877 gegen 1876 um 65 702 Fl. oder um 1,9 % zugenommen; die außerordent⸗ lichen um 128 007 Fl. oder um 54,6 % abgenommen. Es stellt sich daher die relative Ziffer der Einnahmen des Telegraphen der im Reichsrathe vertretenen Länder auf 64,1 Fl. und jene der Ausgabe auf 71,8 Fl. für je 100 bezahlte Depeschen, welches Verhältniß sich im Vorjahre auf 63 und 74,7 stellte.

Kunst, Wissenschaft und Literatur.

Im Verlage der Königlichen Hofbuchhandlung von Ernst Siegfried Mittler und Sohn ist erschienen: „‚Die Mobilmachung der russischen Armee vor und während des Krieges 1877 —78. Eine organisatorisch⸗statistische Studie von Thilo von Trotha,

auptmann und Compagnie⸗Chef im 8. Westfälischen Infanterie⸗ Nr. 57“ (Preis 1,20 ℳ). Der deutsch⸗französische Krieg 1870/71 hatte, abgesehen von den vielen hervorragenden Erscheinungen taktischer und strategischer Natur, die Aufmerksamkeit in erhöhtem Maße auf ein organisatorisches Moment gelenkt, welches unter den heutigen politisch⸗militärischen Verhältnissen als ein strategischer Faktor von hohem Werthe zu betrachten ist: die Mobil⸗ machung. Im Jahre 1870 kam dieser Faktor zur vollen, selbst dem Auge des Laien sichtbaren Geltung. Seit dem in jenem Jahre gegebenen Beispiele haben alle Militärstaaten den Akt der Mobilmachung als einen integrirenden Bestandtheil der kriegerischen Operationen selbst erkannt. Die Mobilmachung ist heu⸗ tigen Tages nicht mehr nur die Vorbereitung, sondern die Eröffnung der Feindseligkeiten. Die Wichtigkeit des Studiums der Mobil⸗ machungs⸗Organisationen der großen Armeen steht somit außer Zweifel. Diesem Studium bietet sich jetzt ein lehrreiches Obiekt, die theilweise Mobilmachung der russischen Armee vor und während des beendeten Krieges. Der Verfasser hat die Ergebnisse seiner hierauf bezüglichen Studien in der vorliegenden kleinen Schrift niedergelegt und eine anschauliche Darstellung des Mobilmachungs⸗ aktes in seinen großen Zügen gegeben. In 6 Abschnitten entwirft derselbe rin klares Bild von den Gründzügen der russischen Heeres⸗ und weiter speziell der Organisation der Feldarmee, der Ersatztruppen, der Lokaltruppen, der Reservetruppen, sowie der Ko⸗ saken und irregulären Truppen. Die Schrift wird für den Fachmann einen willkommenen Beitrag bilden zum Verständniß des jüngsten russisch⸗türkischen Krieges und zur Beurtheilung der russischen Heeres⸗ verhältnisse im Allgemeinen.

Außer dem von uns bereits erwähnten Notizkalender als Schreibunterlage für das Jahr 1879 hat das Berliner Lith. Institut (Berlin W., Potsdamerstr. 110) jetzt auch einen Notizkalender in Schmal⸗Folioformat und elegantem dauerhaften Einband heraus⸗ gegeben. Dieser Kalender enthält auf 130 Seiten liniirten Schreibpapiers, welche mit Löschpapier durchschossen sind, Raum für die täglichen No⸗ tizen und ferner in dem 38 Seiten starken Anhang auf gelbem Papier: Kalendernachrichten, Post⸗ und Telegraphenbestimmungen, Verzeichnisse der gleichnamigen Postorte, Münz⸗, Maß⸗ und Gewichtstabellen, Zinstafeln, Wechsel⸗ und Dokumentenstempeltarife, Reichsbankbestim⸗ mungen u. s. w., zum Schluß aber ein Verzeichniß von 800 der bedeu⸗ tenderen Städte des Deutschen Reiches und des Auslandes mit Ein⸗ wohnerzahl und sonstigen wissenswerthen Notizen, den Adressen von ca. 6000 Rechtsanwälten und Advokaten, Konsulaten, Bank⸗, Spe⸗ ditions⸗ und Kommissionsfirmen, nebst einer Karte von Mitteleuropa. Das Ganze kostet 2 und ist durch alle Buchhandlungen zu beziehen.

Gewerbe und Hanbdel.

Der Rechnungsabschluß der Aktien⸗Brauerei⸗Gesell⸗ schaft „Friedrichshöhe“, vorm. Patzenhofer, für das Betriebs⸗ jahr 1877/78 gestattet die Vertheilung einer Dividende von 8 % gegen 7 % im vergangenen Jahre. Der 41 Brutto⸗Ueber⸗ schuß inkl. 8212 Uebertrag von 1876/77 betrug 499 822 Hier⸗ von wurden 80 953 zu Abschreibungen verwendet, 14 056 beanspruchten die Handlungsunkosten, 160 18 die Betriebs⸗ unkosten, 20 309 die Gespannuakosten und 36 543 die zu zah⸗ lenden Zinsen, so daß ein Reingewinn von 188 171 übrig bleibt. Dieser Gewinn vertheilt sich mit 8998 zum Reservefond, 17 096 zu Tantièmen, 70 000 zum Entre⸗Reservefond, 84 000 zur Bezahlung der Dividende und 8077 werden auf neue Rechnung vorgetragen. In der Gencralversammlung wurden Bilanz und Abschluß genehmigt und Decharge ertheilt.

.— Die Liquidationskommission der Norddeutschen Fabrik für Eisenbahnbetriebsmaterial bringt vom 1. kommenden Monats ab eine zweite Rate in Höhe von 6 % mit 20 pro Aktie zur Rückzablung an die Aktionäre. Die erste Quote, die aus der Liquidationsmasse zur Ausschüttung gelangte, betrug be⸗ kanntlich 20 %.

Die Liquidatoren der Centralbank für Industrie und Handel machen bekannt, daß vom 4. Dezember ab außer den Berlin⸗Dresdner Stammprioritäten 15 % in Baar mit 9 zur Vertheilung kommen; bezüglich der Dresdner Stammprioritäten wer⸗ den auf die Bruchantheile Zehntel⸗Bezugsscheine gewährt, welche an

rore lauten und durch Indossement ““ sind. Gegen je

10 Stück derselben wird demnächst je eine Berlin⸗Dresdner Stamm⸗ prioritätsaktie verabreicht werden.

London, 25. November. (W. T. B.) Sämmtliche Baum⸗ wollspinnereien im Distrikte von Oldham wurden heute Morgen wieder geöffnet, um alle diejenigen strikenden Arbeiter zuzulassen,

welche die Arbeit bei einer Lohnreduktion von 5 % wieder beginnen b . FIs haben indessen nur wenige Spinnereiarbeiter die Arbeit wieder aufgenommen, ca. 10 000 Arbeiter setzen den Strike fort. 1— 26. November. (W. T. B.) Der „Standard“ mel⸗ 8 et die Foehlungseinstellung von Fenton and Sons und die der Privatbank Roshdale und Heywood. Die Passiva on Roshdale allein betragen 500 000 Pfund.

Verkehrs⸗Anstalten.

Plymouth, 25. November. (W. T. B.) Der Hamburger Postdampfer „Pommerania“ ist heute hier eingetroffen.

New⸗York, 25. November. (W. T. B.) Der Dampfer

England“ von der Natio

C. Messingsche Lini troffen.

gese

al⸗Dampfschiffs⸗Compagnie de 8 8 8 J ansprüche stellen würde. 8

““

Berlin, 26. November 1878.

Der Verein für häuslichen Gewerbfleiß bielt gestern Abend seine statutenmäßige Generalversammlung unter dem Vorsitze des Eisenbahndirektors Schrader ab. Der Verein verfolgt den Zweck, nach der Methode des dänischen Rittmeisters von Clauson⸗Kaas Handfertigkeit in Schule und Familie zu verbreiten. Bei der Be⸗ ründung des Vereins, im Frühjahr 1876, trat sofort die Frage ob man ohne Weiteres Veranstaltungen, welche sich in einem andern Lande bewährt haben, auf Deutschland über⸗ tragen könne. Man entschloß sich deshalb, ein sachkundiges Mitglied, den hiesigen Lehrer hn im August 1876 an einem Unterrichtskursus in Kopen üss theilnehmen zu lassen und sandte zu gleicher Zeit den Direktor des Waisenhauses Wilskt in Rummelsburg nach Dänemark und Schweden, um sich über das, was auf dem Gebiete des Hausfleißes dort bestehe, zu unterrichten. Das Ergebniß beider Reisen war ein günstiges; in beiden Ländern hat der Hausfleiß Boden gewonnen und bildet einen Theil des öffentlichen Unterrichtes. Im Jahre 1877 entschloß man sich daher zu einem ersten Versuche in Berlin und zwar zunächst zur Einrichtung einer Arbeitsschule. Dieselbe hatte den günstigsten Erfolg. Es mußten 1“ eingerichtet werden, die von je 20 Schülern besucht wurden. Die Knaben wurden durch die Beschäftigungen, zunächst Laubsäge⸗ und Einlegearbeiten, lebhaft angeregt. Der Verein hatte jedoch nur über die einzige Lehrkraft des Hrn. Höhn zu verfügen, der als städtischer Lehrer nur einen geringen Theil seiner Zeit dem Verein widmen konnte. Man stand deshalb vor der Nothwendigkeit, Lehrer ausbilden zu müssen. Die Zahl der Theilnehmer wurde auf 20 angenommen; an alle größeren Städte Deutschlands erging ein einladendes, die Zwecke des Unterrichtskursus erläuterndes Schreiben. Indessen war das Unternehmen noch zu neu oder die Zeit zu kurz, im Ganzen meldeten sich nur 9 Theil⸗ nehmer zu dem Kursus, der am 1. Oktober d. J. begann und sechs Wochen dauerte. Die Behörden widmeten der Angelegenheit eine wohlwollende Förderung; der Minister für die geistlichen Angelegen⸗ heiten bewilligte eine Unterstützung von 400 ℳ, und der Minister für die landwirthschaftlichen Angelegenheiten ließ 2 Lehrer auf Staats⸗ kosten ausbilden. Auf eigene Kosten betheiligte noch eine Dame und ein Berliner Lehrer. Gelehrt wurden aubsäge⸗ und Einlegearbeiten, Bürstenbindern, Korbmachern, Holzschnitzern, Tischlerei Papparbeitern und Buchbindern. Der Unterricht nahm den ganzen Tag in Anspruch und war ein sehr anstrengender; dennoch haben alle Theilnehmer mit dem größten Fleiße gearbeitet und den Beweis

eliefert, daß eine sechswöchentliche Ausbildungszeit zur Leitung einer

gerbeltsschufe befähigen kann. Vom August d. J. an wurde wiederum ein stark besuchter Arbeitskursus eingerichtet; ihm 8 seit dem 15. November der zweite, und es unterliegt keinem Zweifel, daß, wenn Mittel und Lehrkräfte vorhanden wären, in Berlin eine Anzahl solcher Arbeitskurse bestehen könnten. Eine Arbeitsschule für etwa 20 Knaben läßt sich für den Preis von 500 600 mit Inventar und Werkzeug für den ersten Anfang einrichten; die laufenden Kosten sind für Material, Werkzeug, Heizung u. s. w. nicht bedeutend; ins Gewicht fällt nur das Honorar des Lehrers und die Miethe des Lokals. Für Berlin beabsichtigt der Verein die Ein⸗ richtung eines speziell für die hiesigen Lehrer berechneten Kursus; für Auswärtige wird vielleicht im kommenden Frühjahr ein neuer Kursus angesetzt werden. Das Alles ist indeß nu der erste Schritt zur Er⸗ füllung der Aufgabe des Vereins. Derselbe will in dem deutschen Volke wieder das Geschick und die Liebe zu Handarbeiten wecken, und zwar in allen Kreisen der Bevölkerung, damit diejeni⸗ gen, welche ein Handwerk oder eine Kunst ergreiftn, eine prak⸗ tische Vorbildung für ihren Beruf erhalten und diejenigen, welche sich anderer körperlicher Arbeit widmen, namentlich die Landbewohner, eine praktische Geschicklichleit mit auf den Weg nehmen, welche sie vielfältig auch in ihrem Beruf zu fördern ver⸗ mag. Soll der Verein freilich seiner Aufgabe gerecht werden, so be⸗ darf er vor Allem einer regeren Unterstützung Seitens des Publi⸗ kums. Die bisherigen Einnahmen betrugen nur 3630 (darunter einmalige Beiträge 866 ℳ, laufende Beiträge 877 ℳ, Unterstützun⸗ gen von Behörden und Vereinen 725 ℳ), die Ausgaben dagegen 3547 ℳ, so daß nur ein Bestand von 83 verbleibt.

Der 5. wissenschaftliche Vortrag des Professors und Pre⸗ digers D. Paulus Cassel findet am Donnerstag, den 28. November. Abends 6 Uhr, in der Aula des Friedrich⸗Wilhelms⸗Gymnasiums statt und wird über den „Ring des Polykrates von Samos“ handeln, Die Vorträge sind öffentlich.

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Dover, 26. November. (W. T. B.) In vergangener Nacht, um Mitternacht, ist der Hamburger Postdampfer „Pomme⸗ rania' unweit Folkestone mit einem anderen Schiffe, in welchem man den „Moel Eilian“ von Carnavon vermuthet, zu⸗ sammengestoßen. Die „Pommerania“ sank 10 Minuten nach dem Zusammenstoß. Von den an Bord der „Pommerania“ befindlichen Passagieren und von der Schiffsmannschaft zusammen sind 172 Per⸗ sonen gerettet, gegen 50 sind in den Wellen umgekommen. Der Kapitän sowie der zweite und dritte Schiffsoffizier befinden sich unter den ums Leben Gekommenen. Die geretteten Passagiere und Schiffs⸗ mannschaften sind hier angekommen.

Die lange angekündigte und mehrmals verschobene Operetten⸗

Novität des Friedrich⸗Wilhelmstädtischen heaters: „Der kleine Herzog“, von dem Komponisten der „Mamsell Angot“, Lecocg, welche gestern zur Aufführung kam, hatte zwar einen äußerlichen Erfolg, indessen wohl aus anderen Gründen, als sie sonst in dieser Hinsicht bestimmend zu sein pflegen. Einerseits hatten nämlich viele Besucher den Petit duc“ gelegentlich der Weltausstellung im Renaissance⸗Theater zu Paris

8. und freuten sich zur zweifelhaften Ehre unserer Geschmacks⸗ richtung auf theatralischem Gebiete konstatiren zu können, daß die hiesige Darstellung sich nicht nur mit der Pariser messen könne, sondern dieselbe sogar übertreffe; andere dagegen hielten deshalb so tapfer bis zum Schluß aus, um nicht den großartigen Moment einzubüßen, Frl. Krén zu Pferde steigen zu sehen, der denn auch endlich unter dem allgemeinen Ah! der Versammlung eintrat. Die auf dem Zettel pleonastisch sogenannte „komische Operette’ selbst bietet weder scenisch noch musikalisch viel Originelles oder Neues. Das Textbuch ist nicht indezenter oder uninteressanter als andere dieses Genres, viele Motive aber anderwärts, namentlich die komische Figur des Herzoglichen Erziehers und das militärische Element aus der bekannten Operette von Brandt: „Das Erwachen des Löwen“ entlehnt. Die Masik ist häufig unsäglich trivial und unmelodiös, für welchen Mangel auch die prickelndsten Rythmen nicht entschädigen können, die Instrumentation sehr primitiv und fast ohne jede Spur von Charakteristik, dafür aber mit jenen platten, lärmenden Effekten aus⸗ gestattet, wie sie von Offenbach kultivirt wurden, jetzt aber nach⸗ gerade überwunden sein sollten. Die wenigen Nummern, die etwas Erfindungsgabe zeigen, sind ein hübsches Duett des Herzogs mit der Herzogin, dessen Motiv bereits in der gekünstelt schwer einherschreiten⸗ den Ouverture auftritt und noch später mehrsach ausgenutzt wird, sowie der komische solmisirende Chor der Edelfräulein von Lüneville. Mehrere andere Nummern jedoch, wie der scenisch und rythmisch recht wirksame Chor der Pagen im ersten und das marschartige Ensemble im letzten Akt mit der Refrain⸗Parole „ohne Damen“, welche wie die vorigen da capo verlangt und überbereitwillig gewährt wurden, müssen als für jedes feinere Ohr banal und —— bezeichnet werden. Angesichts dieser Aufnahme eines so mittelmäßigen Werkes, hieße es jedoch in der Wüste predigen, wenn man darauf hinweisen wollte, daß wir in Deutschland, ja unter uns selbst, mehr als einen Kompo⸗ nisten haben, der Besseres, Geschmackvolleres zu schreiben wüßte, und der vor Allem an die Direktionen nicht so unerhörte Honorar⸗ r freilich haben wir ja auch hier

erleben müssen, daß wirklich gute Operetten, wie die „Glocken von Corneville“, die noch heute Abend für Abend in den Folies drama- tiqaes in Haris gegeben werden, geradezu abgelehnt worden sind.

Die Aufführung ging außerordentlich glatt von Statten. Frl. Krén, welche die Titekrolle spielte, hat sich zw einer so drolligen, munteren und schauspielerisch und gesanglich so gleich vollendeten Vertreterin ihres Faches ausgebildet, daß man sich die Figur gar nicht hübscher dargestellt denken konnte. Aber auch die Herzogin hatte in Frl. Kopka eine anmuthige Darstellerin. Höchst komisch, wie immer, waren Hr. M. Schulz als Professor Frimousse und Frl. E. Schmidt als Stiftsdame. Hr. ilke repräsentirte den r⸗ zieher des Herzogs, Kapitän Montlandry, äußerlich und gesanglich gleich gut. . 8

Die Operette ist in kostümlicher und dekorativer Hinsicht, wenn nicht durchweg schön, so doch glänzend ausgestattet. Was die Deko⸗ rationen betrifft, so verdient die in Wien gemalte Loire⸗Land schaft mit dem Feldlager, im letzten Akt, besonderes Lob, während der Festsaal im ersten Aufzuge (in Paris gemalt) ein Ausbund vo barocker, langweiliger Geschmacklosigkeit ist. b

Hr. Ober⸗Regisseur Tetzlaff und Hr. Kapellmeister Kleffel wur den am Schlusse besonders gerufen. 8

Im Ostend⸗Theater geht morgen, Mittwo Kneisels beliebtes Volksstück „Die Lieder des Musikant Male in Scene. 58

Am LTodtenfeste, Sonntag, den 24. d. M., veranstaltete die Singakademie ein geistliches Konzert. Es kamen zum Vortrage zuerst zwei Kantaten von Sebastian Bach: „Bleib' bei uns“ und „Herr, gehe nicht ins Gericht“. Die ergrei⸗ fenden, zum Herzen dringenden Weisen des Altmeisters der deutschen Kirchenmusik kamen durch die musterhafte Aus⸗ führung zur schönsten Geltung. Die reine Intonation, die sichere, bis in die kleinsten Details gelungene Führung der Chöre und die stylvolle, von künstlerischem Geiste getragene Auffassung und Wiedergabe der herrlichen Gesänge legten wiederum Zeugniß ab von dem ernsten, erfolgreichen Streben der Singakademie und ihres Dirigenten, des Hrn. Professors Blumner. Die Alt⸗Arie in der ersten Kantate sang Frl. Martha Rückward mit klangvoller, wohl⸗ geschulter Stimme und gutem Verständniß. In der zweiten Bach⸗ schen Kantate hatte das Sopran⸗Solo Frl. Anna Rüdiger über⸗ nommen. Die junge Dame hat sich zu einer sehr tüchtigen Oratorien⸗ Sängerin herausgebildet und sang die große vom Clarinette accom⸗ pagnirte Arie mit glücklichem Erfolge Frl. Rückward trug auch hier das Alt⸗Solo vor, während das Baß⸗Solo Hrn. Dr. Bouneß zugefallen war. Des Letzteren weicher, sympathischer Stimme chien es an der für den großen Raum ausreichenden Kraft zu mangeln. Die Streich⸗ instrumentbegleitung der Kantaten wurde von Mitgliedern der Ber⸗ liner Sünfonserapelle und das Orgelaccompagnement von Hrn. O. Dienel mit Präzision und diskreter Einfügung in das Ensemble ausgeführt. Den zweiten Theil des Konzertes bildete das Requiem von Franz Lachner, ein Werk, das die Singakademie mit gutem Grunde zu dem Stamme seines Repertoirs zählt. Es ist eine Arbeit von reichem Gehalt und gediegenem, vornehmem Charakter in der Gestaltung. Die Chöre, welche in dem Lachnerschen Requiem den Solis gegenüber bedeutsam in den Vordergrund treten, wurden in ihrer ganzen Klangschönheit und harmonischen 5 u Ge⸗ 8 gebracht. Auch hier wiederum bewährte sich auf as Frucht⸗ barste die meisterliche Leitung. Die nicht umfangreichen Soli hatten hier übernommen die Damen Frls. Martha Irmer, Anna Rüdiger (Sopran), Gertrud von Collas (Alt) und die Herren J. Sturm (Tenor) und Dr. Bouneß (Baß), welche sämmtlich ihren Aufgaben in anerkennens⸗ werther Weise gerecht wurden. Die W1“ exekutirte die Berliner Sinfoniekapelle vortrefflich. Das Konzert war sehr besucht, der weite Saal vollständig besetzt.

Am Donnerstag, den 28. d. M., Abends 7 ½ Uhr, findet im Saale der Sing⸗Akademie ein Concert der Pianistin Adel⸗ heid Kirschstein und des Violinisten Hrn. Gustav Hollaen⸗ der, unter Mitwirkung der Herren Xaver Scharwenka und Heinrich Grünfeld, statt. Auf dem Programm steht u. a. das Violin⸗Concert von Mendelssohn. Billets, zu Saal à 4 ℳ, Vorsaal und Loge à 3 und Balkon à 2 ℳ, sind in der Hof⸗Musikhandlung von Ed. Bote u. G. Bock, Leipzigerstraße Nr. 37 und Unter den Linden Nr. 3,

Literarische Neuigkeiten und periodische Schriften.

Gesetz und Budget. Konstitutionelle Streitfragen aus der Ministerkrisis vom März 1878 von Dr. Rudolf Gneist. Berlin. Verlag von Julius Springer. 1879. .

Preußische Jahrbücher. Herausgegeben von H. von Treitschke und W. Wehrenpfennig. Berlin, 1878. Druck und Verlag von G. Reimer. 42. Bd. 5. Heft. November 1878. Inhalt: Hippels Lebensläufe (Alex. von Oettingen). Aus den Tagen der Fremd⸗ herrschaft (Heinr. von Treitschke). Goethe'’s italienische Reise (Julian Schmidt). Der Orient nach dem Berliner Frieden

(v. d. B.). Notizen.

Kunst und Gewerbe. Wochenschrift zur Förderung deutscher Kunstindustrie, herausgegeben vom bayerischen Gewerbemuseum zu Nürnberg. Redigirt von Dr. Otto von Schorn. Nürnberg, Verlag der Friedr. Kornschen Buchhandlung. 4. 12. Jahrgang. 1878. Nr. 46 bis 48. Inhalt: Aus dem Nürnberger Gewerbeleben des 16. Jahrhunderts (Fortsetzung und Schluß). Von der Pariser Ausstellung (Technologisches; Ausstellungs⸗ Installationen). Märkisches Provinzial ⸗Museum in Berlin „(Alte Mosaik⸗ bilder). Plastische Vorlagen in Dresden. Die Ausgrabungen des Dr. Schliemann. Für die Werkstatt. Aus dem Buch⸗ handel. Kleine Nachrichten. Den 3 Nummern sind folgende Kunstblätter beigefügt: Spitzen (17. Jahrh.). Hostienschachtel (17. Jahrh.), aufgenommen von A. Gottschaldt. Stickarbeit (17. Jahrh.). Mittheilungen des bayerischen Gewerbe⸗ museums zu Nürnberg. Beiblatt zur Wochenschrift: Kunst und Gewerbe. 5. Fabrgang. 1878. Nr. 24.

Monatsschrift des Vereins zur Beförderung des Gartenbaues in den Königl. Preuß. Staaten für Gärt⸗ nerei und Pflanzenkunde. Redacteur: Dr. L. Wittmack, Gen.⸗ Sekret. des Vereins ꝛc. Berlin. In Kommission bei Wiegandt, Hempel & Parey. 21. Jahrg. November 1878. Inhalt: 615. Versammlung des Vereins zur deserbercns des Gartenbaues. G. Eichler, Landschaftsgärtnerei und Landschaftsmalerei in ihrer Wechselbeziehung. H. Fintelmann, Die Baumbepflanzungen unserer öffentlichen Wege und Straßen. L. Wittmack, Die große Herbst⸗ Ausstellung des Vereins zur Beförderung des Gartenbaues in der

lora zu Crerlatterhurg vom 14. bis 22. September 1878. (Fort⸗ etzung.) Neuheiten von Haage & Schmidt in Erfurt. (Mit Ab⸗ bildungen.) Literatur. Eingegangene Preisverzeichnisse. Personalnachrichten. 8 . 1 86

Friedreichs Blätter für gerichtliche Medizin und Sanitätspolizei. Unter Mitwirkung der DDr. u. Profess. L. A. Buchner, H. Ranke, J. N. v. Nußbaum und v. Krafft⸗Ebing, her⸗ ausgegeben von Dr. C. v. Hecker, Ob.⸗Med.⸗Rath u. o. ö. Prof., und Dr. 8 Klinger, Ob.⸗Med.⸗Rath. 29. Jahrg. 6. Heft. Novbr. u. Dezbr. Nürnberg, Fr. Kornsche Buchhandlg. 1878. Inhalt: Statistik der Strafrechtspflege in Bayern nebst Beiträgen zur ge⸗ richtsärztlichen Kasuistik für das J. 1876. Mitgetheilt von Dr. C. Majer. Mißhandlung mit nachfolgender Geistesstörung. Fakul⸗ tätsgutachten, mitgetheilt von Prof. Dr. v. Krafft⸗Ebing. Zweifel⸗ hafter Geisteszustand (Geistesschwäche) eines wegen Kassadefekts in Untersuchung stehenden Steuerbeamten. Fakultätsgutachten, mitge⸗ theilt von Prof. Dr. v. Krafft⸗Ebing. Cvankaltumvergiftung. Selbstmord. Mitgetheilt von Dr. L. Auer. Vergiftung mit Salz⸗ säure. Mitgetheilt von Dr. Kuby. Körperverletzung mit nachge⸗ folgtem Tode. Mitgetheilt von Dr. Stelzle. Rezensionen.