1879 / 6 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Wed, 08 Jan 1879 18:00:01 GMT) scan diff

Die in der heutigen Börsen⸗Beilage abgedruchte tabellarische Uebersicht der Wo enausweise deutscher Zettelbanken vom 31. Dezember v. J. schließt mit folgenden summarischen Daten ab: Es betrug der gesammte Kassenbestand 618 775 000 oder 2 766 000 weniger als in der Vorwoche. Der Wechselbestand in Höhe von 611 934 000 zeigt eine Zunahme von 31 799 000 ℳ, die Lombard⸗ forderungen in Höhe von 93 852 000 eine solche von 15 296 000 ℳ; es betrug ferner der Notenumlauf 857 759 000 oder 72 086 000 mehr als in der Vorwoche, während die sonstigen täglich fälligen Verbindlichkeiten mit 170 888 000 einen Rückgang um 29 962 000 und die an eine Kündi⸗ gungsfrist gebundenen Verbindlichkeiten mit 47 659 000 eine Abnahme um 543 000 ausweisen.

Der Bevollmächtigte zum Bundesrath, Bürgermeister der freien Hansestadt Bremen, Gildemeister, ist hier an⸗ gekommen.

Bayern. München, 6. Januar. (Allg. Ztg.) An die Kammer der Reichsräthe ist von deren erstem Prä⸗ sidenten Grafen Schenk von Staufenberg ein Schreiben ge⸗ langt, worin derselbe wegen eines Augenleidens sein Nicht⸗ erscheinen zur Wiedereröffnung der gegenwärtigen Landtags⸗ session entschuldigt und sein Eintreffen auf den 16. Januar in Aussicht stellt. Seit der Vertagung des Landtags sind an die Kammer der Abgeordneten wieder eine Anzahl Eisenbahn⸗Petitionen eingelaufen. Die vor einigen Tagen mitgetheilten Beschlüsse des Generalcomités des land⸗ wirthschaftlichen Vereins in Bayern, die Zoll⸗ und Tariffrage betreffend, wurden auf Grund eines eingehen⸗ den Berichts gefaßt, den der Gutsbesitzer (frühere Königliche Advokat) Hofrath Dr. Simmerl verfaßt und kurz zuvor auch den Mitgliedern des Landraths von Oberbayern mit⸗ getheilt hatte. Sowohl dieser als das Generalcomité waren mit dem Berichte vollständig einverstanden, und es wird der⸗ selbe alsbald durch den Druck veröffentlicht werden. Der Be⸗ richt und die Beschlüsse haben als Instruktion für die Ver⸗ treter des Generalcomitées im deutschen Landwirthschaftsrathe 2 dienen. Die Bearbeitung des Berichts und die Beschluß⸗

assung über denselben war, was noch zu erwähnen sein dürfte,

vor dem Bekanntwerden des Schreibens des Reichskanzlers erfolgt.

Sachsen⸗Coburg⸗Gotha. Gotha, 6. lichen Landtage wurde eine Reihe von Vorlagen unter⸗ breitet. Dazu gehören: der Gesetzentwurf, betreffend die Or⸗ ganisation der Amtsgerichte, der Gesetzentwurf, betreffend die Ausführung der deutschen Justizgesetze, der Gesetzentwurf,

betreffend die Zwangsvollstrecung in das unbewegliche Ver⸗ mögen, der Entwurf einer Schiedsmannsordnung, der Gesetz⸗ entwurf, betreffend die Erledigung von Kompetenzkonflikten,

und der Gesetzentwurf, betreffend die Versorgung der Wittwen und Waisen öffentlicher Diener.

Waldeck. Arolsen, 7. Januar. (W. T. B.) Die feierliche Vermählung Sr. Majestät des Königs der Nieder⸗ lande mit Ihrer Durchlaucht der Prinzessin Emma von Waldeck hat heute Abend um 6 ½ Uhr in der pro⸗ grammmäßig vorgesehenen Weise stattgefunden.

Oesterreich⸗Ungarn. Wien, 6. Januar. Ueber die Lösung der Ministerkrisis waren in den letzten Tagen neuerdings verschiedene Kombinationen ver reitet. Heute bringt die „Montagsrevue“ über den Stand der Angelegenheit folgenve Mittheilung: „Das Abgeordnetenhaus, welches am 15. d. M. wieder zusammentritt, wird selbstverständlich noch die gegen⸗ wärtige Regierung auf der Ministerbank finden, da sie es übernommen hat, nicht nur den Berliner Vertrag materiell zu vertheidigen, sondern auch ihren Standpunkt, daß derselbe nicht der verfassungsmäßigen Genehmigung bedürfe, zu moti⸗ viren. Nach dieser Debatte wird sich eine theilweise Verände⸗ rung im Kabinet insofern herausstellen, als einzelne Minister sich zurückziehen. Die übrigen Herren dürften in der bisheri⸗ gen Weise als geschäftsführende Minister noch über die Budget⸗ debatte bis zu der in diesem Jahre nothwendigen Auflösung des Abgeordnetenhauses unter dem Präsidium des Fürsten Adolph Auersperg im Amte verbleiben.“

7. Januar. (W. T. B.) Nach einer Meldung der „Polit. Korresp.“ aus Scutari findet heute in Zogai bei Scutari auf Veranlassung der Pforte eine Konferenz zwischen Hussein Pascha und den montenegrinischen Delegirten statt, in welcher wegen der Uebergabe von Podgoritza, Spuz und Zabljak an Montenegro, sowie wegen der Räumung der von den Montenegrinern okkupirten Küste Albaniens verhandelt werden soll.

„— Die „Neue fr. Presse“ schreibt: Da die französische Regierung ihre Zollämter angewiesen hat, bei den öster⸗ reichischen Provenienzen den allgemeinen Zolltarif an⸗ zuwenden, so ist die österreichische Regierung genöthigt, das Zollgesetz insofern durchzuführen, als sie französische Pro⸗ venienzen mit einem Zuschlag von 10 Prozent zu den Sätzen des allgemeinen Zolltarifs belasten wird. In dem Handels⸗ Ministerium finden hierauf bezügliche Berathungen statt und die entsprechenden Weisungen an die Zollämter bald er⸗ olgen.

Großbritannien und Irland. (W. T. B.) Earl Beaconsfield ist an einem hefti⸗ gen Gichtanfall erkrankt. Nach einer Meldung des „Reuterschen Bureaus“ aus Konstantinopel, vom heutigen Tage, nehmen die Verhandlungen über den definitiven Friedensvertrag zwischen der Pifo rte und Rußland fortdauernd einen günstigen Verlauf.

an hofft, daß dieselben in der nächsten Woche beendet wer⸗ den würden. Die Pforte hat keine Gegenvorschläge gemacht.

8. Januar. „Ein Telegramm des „Standard“ vom 4. d. M. meldet: Die Division des Generals Stewart ei in Kohchi, etwa 4 —5 Tagemärsche von Kandahar ent⸗ ernt, angekommen. Nach einer Meldung des Befehlshabers

er englischen Vor ut habe der Gouverneur von Kan⸗

dahar eine Stellung am Tarnakflusse eingenommen. Die Generale Stewart und Biddulph konzentrirten ihre Streitkräfte bei Taktipul, um den Vormarsch nach Kan⸗ dahar am 8. d. M. 7veeen. anzutreten.

(E. C.) Am Kap glaubt man, daß ein Arteß mit den Zulus, dem Lg sten der Kaffernstämme, sich kaum mehr werde vermeiden asfen. Jeden Augenblick wird der Ausbruch von nge erwartet. Die an den Zulukönig Cete⸗ wayo entsandte Aufforderung, sich über seine Politik und

London, 7. Januar.

Absichten deutlich zu erklären, läßt, ob

gleich sie p— Erklärungen nach nicht als Ultimatum aufzufassen ist, kaum Raum für eine ausweichende Antwort. Sollte Cetewayo sich abgeneigt zeigen, der Kapregierung nachzugeben, so bleibt kaum etwas anderes als Krieg übrig. Die Zahl und Aus⸗ rüstung der Truppen des Ka ernhäuptlings aber, sowie die roße Wahrscheinlichkeit, daß ein allgemeiner Aufstand der

erfolgen könnte, würde den Krieg zu einer weit ernsthafteren Sache machen, als alle ähnlichen Kämpfe in Südafrika bis⸗ lang gewesen sind.

Frankreich. Paris, 6. Januar. (Fr. C.) Unte den neugewählten Senatoren befinden sich 13 Mitglieder der Deputirtenkammer, die jetzt nur die Bestätigung ihrer Wahl abwarten, um ihr Mandat niederzulegen. Binnen drei Monaten steht demnach, da auch noch einige andere Plätze zu besetzen sind, eine nicht unbeträchtliche Zahl von Deputirtenwahlen bevor. Der Ministerrath sich in seiner heutigen Sitzung mit dem Programm beschäftigt, mit welchem er in der nächsten Woche vor die Kammer zu treten gedenkt. Es gilt für ziemlich gewiß, daß der neue Senat den Herzog von Audiffret⸗Pasquier zu seinem Prä⸗ sidenten nicht wieder ernennen wird; die meisten Aussichten 8 diesen Posten haben augenblicklich die Herren Leroyer und Martel. Die Vorstände der Linken des Senats treten heute zusammen, um über die durch die gestrigen Wahlen geschaffene Lage Rath zu halten. 8

7. Januar. (W. T. B.) Die französische Re⸗ gierung hat am 31. Dezember 1878 die Handelsverträge mit England und Belgien gekündigt. Dieselben wer⸗ den indessen noch bis zum 31. Dezember d. 8 in Kraft bleiben. Diejenigen Handelsverträge, deren Ablauf erst nach 6 Monaten erfolgt, werden ebenfalls zu rechter Zeit gekündigt werden, damit die französische Re⸗ gierung volle Aktionsfreiheit behält und vom 1. Januar 1880 ab neue Zollverträge in Wirksamkeit treten können. Die Regierung betrachtet die von dem Bey von Tunis gethanen Schritte zur Beilegung der durch den Zwischenfall mit dem Grafen Saucy hervorgerufenen Differenzen nicht als ausreichend und hat der Regierung von Tunis eine sehr

Januar. (Leipz. 889.) Dem heute hier versammelten gemeinschaft⸗

energisch gefaßte Note zustellen lassen. In derselben wird die sofortige Ausführung folgender Bedingungen verlangt: Ent⸗ schuldigung dem französischen Konsul gegenüber, Absetzung der bei dem Zwischenfall kompromittirten Beamten und Unter⸗ suchung der Streitfragen zwischen den tunesischen Behörden und dem Grafen Saucy.

8. Januar. (Rép. fr.) Auf der Insel Martinique

ist der Republikaner Desmazes in den Senat wiedergewählt worden, wodurch die republikanische Majorität auf 58 Stim⸗ men steigt.

Serbien. Belgrad, 7. Januar. (W. T. B.) Der Finanz⸗Minister hat der Skupschtina die Besteuerung aller Kaufleute und Industriellen vorgeschlagen. Der Kriegs⸗Minister hat, weil die Skupschtina ablehnte, ihm das Militärbudget ungekürzt zu bewilligen seine De⸗ mission gegeben.

Afrika. Egypten. Kairo, 7. Januar. Das egyp⸗ tische amtliche Journal veröffentlicht einen Bericht des Mi⸗ nisters der Auswärtigen Angelegenheiten, Nubar Pascha, wo⸗ nach der Khedive und der Ministerrath eine Kodifizirung der administrativen und der finanziellen Gesetze wünschen, damit der Ungewißheit in der Finanzverwaltung ein Ende gemacht werde, ferner wird vorgeschlagen, diese Ko⸗ difizirung dem Revenuen⸗Enqueten⸗Ausschusse anzuvertrauen. Der Khedive hat sich in einem veröffentlichten Dekrete damit einverstanden erklärt und angeordnet, daß von einem später noch zu bestimmenden Termin ab die Erhebung der Steuern nur kraft gesetzlicher Bestimmung geschehen solle.

G Aus dem Wolffschen Telegraphen⸗Bureau.

Rom, Dienstag, 7. Januar, Abends. Morgen wird hier die Ankunft des rumänischen Kammer⸗Präsidenten Rosetti er⸗ wartet. Das Journal „Popolo Romano“ schreibt: Von den drei zu den Grenzregulirungsarbeiten zwischen Rumänien, Bul⸗ garien und Serbien entsendeten italienischen Offizieren Tornaghi,

rero und Gola, sind die beiden ersten, nachdem die Arbeiten für den Winter suspendirt sind, wieder in Rom eingetroffen. Von dem Oberst⸗Lieutenant Gola hat man jedoch, seitdem er Anfangs Dezember Bukarest passirte, keine Nachricht mehr. Der Minister des Auswärtigen hat die eifrigsten Nachforschun⸗ gen über den Aufenthalt Gola's angeordnet, dieselben haben aber bisher noch keinen Erfolg gehabt. In dem Wahlbezirke Macomer erhielt der Minister Feraccia 416, der Advokat Canetto 381 Stimmen. Es ist deshalb hier eine engere Wahl nothwendig.

St. Petersburg, Mittwoch, 8. Januar. Dem „Regie⸗ rungsboten“ zufolge die gestern unter dem Vorsitze des Ministers des Innern abgehaltene außerordentläche Konferenz des Medizinalrathes und mehrerer Departementschefs beschlossen, angesichts des ansteckenden Charakters der im Jenotajewsk⸗ schen Bezirk ausgebrochenen Epidemie, welche der ärztlichen Behandlung nicht nachgebe, eine strenge Quarantäne anzuordnen und erprobte hygienische Maßnahmen zu ergreifen. Zugleich wurde beschlossen, die Zahl der Aerzte im Gouvernement Astra⸗ chan sofort zu verstärken. Der Gouverneur von Astrachan meldete telegraphisch, daß die neuen Erkrankungen im Dorfe Wetlianka geringe seien, obwohl die Epidemie ihren früheren ansteckenden, unheilbaren Charakter behalte. Der Handels⸗ und Postverkehr auf der Moskauer Verkehrslinie ist eingestellt worden und wird über andere Wege geleitet.

Washington, Mittwoch, 8. Januar. Der Kabinetsrath sprach in seiner gestern stattgehabten Sitzung seine Genug⸗ thuung über den Erfolg der Wiederaufnahme der Baarzah⸗ lungen aus, denen eine Wiederkehr des Vertrauens und ein Wiederaufleben des Handels folgen werde. Schatzsekretär Sherman erklärte, das Schatzamt verfüge über viel mehr d-e Silber und Greenbacks, als der gegenwärtige Gebrauch erfordere.

Nr. 1 des Central⸗Blatts für das Deutsche Reich“, herausgegeben im Reichskanzler⸗Amt, hat folgenden In⸗ halt: Allgemeine Verwaltungssachen: Bekanntmachung, betreffend Rinderpest; Ausweisung von Ausländern aus dem Reichsgebiet. Münz⸗ und Bankwesen: Uebersicht über die prägung von Reichsgoldmünzen; Goldankäufe der Reichsbank; Justi wesen:

affernstämme innerhalb und außerhalb der britischen Grenzen

Ueberei nkommen zwischen dem Deutschen Reich und der Schwei;z

wegen Herbeiführung eines unmittelbaren Geschäftsverkehrs zwischen den deutschen und den schweizerischen Gerichtsbehörden. Vom 1./10. Dezember 1878. Marine⸗ und Schiffahrt: Beginn von See⸗ steuermanns⸗ und Seeschiffer⸗Prüfungen. Postwesen: Hinausschie⸗ bung des Beitritts Perus zum Weltpostverein. Konsulatwesen: Bestellung eines Konsular⸗Agenten; Exequatur⸗Ertheilung. Handels⸗ und Gewerbewesen: Vereinbarungen über den Veredelungsverkehr und über den Grenzverkehr mit roher ungebleichter Leinwand auf Grund des Handelsvertrags mit Oesterreich⸗Ungarn.

6 EStatistische Nachrichten. Uebersicht über die Zahl der Studirenden auf der Königlichen Georg⸗Augusts⸗Universität au Göttingen im Winter⸗Semester 1878/79. Im vorigen Semester sind im⸗ matrikulirt gewesen (988 + 4 =) 992. Davon sind abgegangen 290. Es sind demnach geblieben 702. Hierzu sind in diesem emester ge⸗ kommen 288. Die Gesammtzahl der immatrikulirten Stud renden beträgt daher 990. Die evangelisch⸗theologische Fakultät zählt: Preußen 75, Nichtpreußen 16, zusammen 91. Die juristische Fr. kultät zählt: Preußen 200, Nichtpreußen 77, zusammen 277. Die medizinische akultät zählt: Preußen 95, Nichtpreußen 34, zusammen 129. Die p ilosophische Fakultät zählt: a. Preußen mit dem Zeug⸗ niß der Reife 348, b. Preußen ohne Zeugniß der Reife nach §. 36 des Reglements vom 4. Juni 1834 44. Preußen 392, c. Nicht⸗ preußen 101, zusammen 493, in Summa 990. Außer den imma⸗ trikulirten Studirenden besuchen noch einzelne Vorl ungen 17. Es nehmen mithin an den Vorlesungen überhaupt Theil 1007.

Kunst, Wissenschaft und Literatur.

Das Erforderniß tüchtiger Lehrer der französischen und der englischen Sprache an den höheren Schulen hat im Jahre 1860 die Errichtung eines Institutes zur Ausbildung von⸗ Lehrern der neueren Sp rachen veranlaßt, welches seit dieser Zeit unter der Leitung des Professors Herrig gestanden und dem neusprachlichen Unterrichte an unseren Schulen wesentliche Förderung gebracht hat. Da zur Zeit der Errichtung dieses Institutes und noch während einer Reihe von Jahren seines Bestehens an der hiesigen und an anderen Universitäten das wissenschaftliche Studium der französischen und der englischen Sprache noch nicht die ausreichende Vertretung gefunden hatte, so ist erklärlich, daß dieses Institut, obgleich aus dem praktischen Bedürfnisse des Unterrichts an den höheren Schulen bervorgegangen, dennoch neben der didaktischen Anleitung den wissen⸗ schaftlichen Erörterungen einen erheblichen Raum gewährte. Durch die Errichtung der Professuren für die modernen Sprachen an den Universitäten und die Einrichtung der diesen Unterricht verwerthen⸗ den seminaristischen Uebungen ist jetzt die Möglichkeit gegeben, daß die Studirenden der neueren Sprachen die wissenschaftliche Grund⸗ lage ihres Studiums auf der Universität selbst sich aneignen, bevor sie ihre Unterrichtsversuche an den höheren Schulen beginnen. Das Institut zur Ausbildung von Lehrern der neueren Sprachen wird durch die inzwischen hergestellten Universitätseinrichtungen nicht über⸗ flüssig gemacht, sondern vieimehr in die Lage gesetzt, seinen prak⸗ tischen Zweck vollständig zu verfolgen. Lehramtskandidaten, welche den Unterricht in den neueren Sprachen zum Hauptgegenstande ihrer Lehrthätigkeit zu machen beabsichtigen, soll durch die in dem Insti⸗ tute anzustellenden Uebungen Gelegenheit gegeben werden, im schrift⸗ lichen und mündlichen Gebrauche dieser Sprachen Sicherheit zu gewinnen und mit der schulmäßigen Behandlung der Grammatik und der Lektion auf den verschiedenen Unterrichtsstufen, sowie mit der Schulliteratur ihres Faches sich vertraut zu machen. Wissen⸗ schaftliche Abhandlungen der Mitglieder sind von den Uebungen nicht ausgeschlossen, können aber nicht als die nächste und eigentliche Aufgabe für eine Zeit angeseben werden, in welcher die Mitglieder vor Allem die Erfordernisse des Unterrichts sich zu vollem Bewußt⸗ sein zu bringen haben.

„Die Lehrstunden derjenigen Mitglieder des Seminars, welche gleichzeitig ihr Probejahr an einer Schule in Be lig ablegen, werden Seitens des Vorstandes des Seminars zu dem Zwecke besucht, um den Kandidaten über ihr Lehrverfahren denjenigen in das Einzelnste eingehenden Rath auszusprechen, welcher nur auf Grund der wissen⸗ schaftlichen und didaktischen Beherrschung des Gegenstandes mit Sicherheit ertheilt werden kann.

Nachdem Professor Herrig durch seine Berufung an die Kadetten⸗ anstalt in Lichterfelde veranlaßt worden ist, seine bisherige Thätigkeit an dem Institute mit dem 1. Oktober v. J. aufzugeben, ist die Direktion desselben und die Leitung der französischen Uebungen dem Direktor des hiesigen französischen Gymnasiums Dr. Schnatter, die Leitung der englischen Uebungen dem Oberlehrer an der hiesigen Dorothrenstädtischen Realschule Hr. Scholle übertragen worden. Lehramtskandidaten, welche in das Seminar für neuere Sprachen einzutreten wünschen, haben ihr Gesuch schriftlich oder persönlich an den Direktor Schnatter zu richten und können von demselben über die Einrichtung des Instituts nähere Auskunft crhalten.

Im letzten Monat des eben verflossenen Jahres ist nun das „Mittelhochdeutsche Handwörterbuch“ von Dr. Matthias Lexer, Professor der deutschen Philologie in Würzburg, vollendet wor⸗ den. (Leipzig, Verlag von Hirzel.) Der Schlußlieferung, der vierten Liefe⸗ rung des dritten Bandes, sind zugleich die „Nachträge“ zu dem gesamm⸗ tea Werke, welche beinahe 13 Bogen umfassen, beigefügt. Zehn Jahre hat die Ausarbeitung dieses wichtigen und unentbehrlichen Werkes in Anspruch genommen. Der Verfaster, der sich durch seine Arbeit ein Verdienst erworben hat, gedenkt der Beihülfe einer größe⸗ ren Anzahl Fachmänner, unter denen sich nicht allein in engerem Sinne deutsche, sondern auch nicht wenige österreichische Gelehrte befinden, mit wärmstem Danke; aber auch mancher schon dahingegangenen Freunde und Förderer des Werkes. Namentlich „schmerzte das unerwartete Hinscheiden jenes verdienten Mannes, der die erste Anregung zu vorliegendem Werke gegeben und das Fort⸗ schreiten desselben nicht nur theilnahmsvoll beobachtet, sondern auch durch Rath oder Herbeischaffnng von Hülfsmitteln gefördert hat.“ Es ist in der That sehr zu beklagen, daß Salomon Hirzel nicht die Freude vergönnt war, den Abschluß des Werkes zu erleben. Wenn Lexer am Schlusse des Vorwortes den Wunsch und die Hoff⸗ nung ausspricht, daß die mühevolle Arbeit nicht verloren sein, sondern unserer deutschen Wissenschaft zu Nutz und Frommen gereichen möge, so dürfen witc die feste Zuversicht hegen, daß dieser Wunsch und diese Hoffnung sich erfüllen werden. Denn schon ror der Vollendung des Ganzen sind die einzelnen, nacheinander erscheinenden Theile überaus fleißig beautzt worden. Durch dieses mittelhochdeutsche Handwörter⸗ buch wird das Studium der germanischen Philologie ganz wesentlich gefördert, erleichtert und vertieft werden. Aber auch andere Disziplinen, die Theologie, die Geschichte des Mittelalters, die ger⸗ manistische Jurisprudenz, die Kulturgeschichte, wird sich dieses Werkes als eines ersprießl chen Hülfsmittels bedienen.

Von der Broschürenfolge, welche unter dem Sammelnamen: „Soziale Fragen und Antworten“ von dem Nordwestdeutschen Volks chriftenverlage zu Bremen herausgegeben wird, ist unter dem Titel: „Das sozialdemokratische Zukunftreich“ vor Kurzem das zweite Heft erschienen. Die kleine Schrift läßt es sich angelegen sein, die sozi ldemokratischen trügerischen Phantasiegebilde aus dem verführerischen Nebel herauszuziehen und sie auch einem schlichten, ungelehrten Verstande im vollen Tageslichte in ihrer wahren Natur zu zeigen. Der Ton, in dem die Broschüre gehalten, ist so kräftig und kernig, wie der der ersten, „Klassenkampf“ betitelten; dieselbe trägt ein echt volksthümliches Gepräge und es ist zu hoffen, daß sie manchen Bethörten wieder der schlichten Wahrheit zugänglich machen wird. Daß sie nicht für die ganze Stufenleiter von Gemüthsanlagen gleich geeignet sein kann, ist unzweifelhaft. Genug, wenn sie auf ihrem Plafe wirksam ist. Der billige Pr⸗is der von dem Nordwestlichen

Volksschriftenverlage herausgegebenen Broschüren, 30 und bei Ab⸗ nahme einer größeren Anzahl noch erheblich weniger, ist geeignet,

dem verdienstlichen Unternehmen einen guten Fortgang und weite

Verbreitung zu sichern. Das zweite Heft verspricht, daß Gediegenheit

und Volksthümlichkeit auch fernerhin die beiden Ha

Schriften sein werden. 8 Gewerbe und Handel. 11

Der 12. Jahrgang (1879) von Elsners „Repertorischem Assekuranz⸗Almanach⸗ ist im Selbstverlage des Verfassers, Dr. A. F. Elsner in Berlin, erschienen. Der reiche Inhalt des Almanachs ist nach denselben Gesichtspunkten wie in den voran⸗ gehenden Bänden geordnet und bringt aus dem Gebiete des gesamm⸗ ten Versicherungswesens zahlreiche für Gesellschaften und Vereine wie für den einzelnen Interessenten wichtige Notizen: alle gesetzlichen Neuerungen, welche diese Materie betreffen, sowie * dieselbe bezüg⸗ liche Entscheidungen höchst r Gerichtshöfe in der bekannten sorg⸗ fältigen und übersichtlichen Bearbeitung ꝛc. Besondere Aufmerksam⸗ keit ist in diesem Jahrgange der Lebensversicherungsbranche gewidmet. Die Rubrik Verschiedenes“ enthält „praktische Winke für Lebensversicherer, Lebensversicherte und solche, die es wer⸗ den wollen.“’ Es hat hier besonders die Absicht vorgelegen, das Publikum darüber zu informiren, welcher Gefahr dasselbe entgegen⸗ geht, wenn den Versicherungsbedingungen nicht die nöthige Achtsam⸗ keit zugewendet wird. Dankenswerth sind in dieser Beziehung auch die Mittheilungen, welche über das geschäftliche Verfahren einzelner Versicherungsgesellschaften gemacht werden. Als ein werthvolles Nachschlagebuch für alle Zweige des Versicherungswesens wird sich allen Interessenten der Almanach auch in dem neu vorliegenden Bande bewähren. 3 1

In der ordentlichen Generalversammlung der Stärkezucker⸗ fabrik⸗Aktiengesellschaft, vorm. C. A. Koehlmann & Co., vom 6. Januar cr. wurde die Bilanz für das Geschäftsjahr vom 1. Oktober 1877 bis 30. September 1878 genehmigt und die Divi⸗ dende dem Antrage des Aufsichtsraths entsprechend auf 8 % festgesetzt. Aus dem Geschäftsbericht ist Folgendes zu entnommen : Im Anschluß an die Gencralbilanz wird bemerkt, daß die Grundstücke Cüstriner⸗ straße 10 und 11 sowie ein Gartengrundstück von den Koehlmann⸗ schen Erben käuflich für den Preis von 139 294 50 erworben, davon 55 194 50 baar bezahlt und 84 100 in darauf be⸗ findlichen Hypotheken übernommen sind. Die diesjährigen Abschreibungen beziffern sich auf 50 161 Für eine größere Waarenforderung wurden bereits im Vorjahre 35 000 auf Conto dubio in Speziaälreserve gestellt Als Rest⸗ betrag wurden in diesem Jahre weitere 70 656 dem Konto zuge⸗ fügt. Das Waarenkonto betreffend, vertheilt sich das Aktivum von 155 869 auf 1) Fastagen, Stabhölzer, Säcke ꝛc.; Gegenstände, die zum Transport der Waaren nöthig sind, mit 37 629 2) Zur Fabrikation erforderliche Chemikalien 17 197 3) Futtervorräthe für die Gespannkraft 1880 4) Feuchte Stärke, die in den letzten Tagen der Campagne geliefet wurde, 33 591 5) Halbfertiges Fabrikat 36 544 6) Einen effektiven Waarenvorrath von 29 028 ℳ, der in den ersten Tagen des laufenden Jahres geräumt wurde. Im Ganzen sind 256 612 Ctr. feuchte Stärke verarbeitet und 187 034 Ctr. fertiges Fabrikat verschickt worden. Der Durch⸗ schnittspreis für Stärke stellte sich auf 7,50 per Centner, d. i. 25 niedriger als im Vorjahre. 1 8

London, 6. Januar. (Allg. Korr.) Die Cornish Bank in Truro (Eigenthümer Tweedie, Williams u. Co.), ein seit etwa 110 Jahren bestehendes Institut, schloß am Sonnabend Morgen ihre Thüren. Die Bank hatte Kommanditen in Falmouth, Penoyn und Redouth. Ihre autorisirte Noten⸗Emission betrug 49 000 Pfd. Sterl. Das Einlagen⸗Konto soll ein sehr starkes sein. Berichte aus Truro besagen, daß der Bankerott der Bank zahlreiche Falliments in der Handelswelt und der Bergwerks⸗Industrie in West⸗Cornwall nach sich ziehen werde. Die Passiva der Bank werden auf 1 Million Pfd. Sterl. geschätzt.

7. Januar. (W. T. B.) Eine Meldung des „Reu⸗ terschen Bureaus“ aus Kairo erklärt das an der Lon⸗ doner Börse verbreitete Gerücht von Differenzen, die zwischen dem Finanz⸗Minister Wilson und dem Hause Rothschild entstanden seien, für unbegründet. Die Ursache des Gerüchts sei wahrscheinlich die, daß einige Gläubiger auf die vom Khedive und dessen Familie an den Staat abgetretenen Domänen Beschlaz gelegt hätten, und daß es heiße, das Haus Rothschild werde die zweite Rate der egyptischen Anleihe erst nach der Aufhebung jener Beschlag⸗ nahme zahlen. 3

New⸗York, 7. Januar. (W. T. B.) Die Baumoll⸗

abrik „Harmony“⸗ in Cohoes, welche gegen 3500 Arbeiter eeschäftigt, hat seit gestern in Folge der gedrückten Geschäftslage die Arbeitszeit auf die Hälfte herabgesetzt; ein Gleiches hat die Baum⸗ wollfabrik in Newburg gethan, in welcher ca. 300 Arbeiter be⸗ schäftigt sind. 1

6. Januar. (W. T. B.) Weizen⸗ Verschiffun⸗ gen der letzten Woche von den atlantischen Häfen der Vereinig⸗ ten Staaten nach England 86 000, do. nach dem Kontinent 100 000, do. von Kalifornien und Oregon nach England 40 000 Ortrs. Visible Supply an Weizen 19250 000 Bushel.

Verkehrs⸗Anstalten.

Wie die „Lüb. Ztg.“ vernimmt, hat die Direktion der Lübeck⸗ Büchener Eisenbahngesellschaft noch kurz vor Ende des verflos⸗ senen Jahres dem Ausschusse das Projekt für eine nach Tra vemünde führende normalspurige Sekundärbahn vorgelegt und wird, nach⸗ dem der Ausschuß sich mit demselben einverstanden erklärt hat, die Genehmigung zum Bau jener Bahn demnächst höheren Orts be⸗ Die Baukosten sollen dem Anleihefonds entnommen werden.

Berlin, 8. Januar 1879. 8

Der Weihnachts⸗Postpacketverkehr von Berlin hat in der Zeit vom 12. bis 25. Dezember 1878 folgenden Umfang angenommen: A. Aufgelieferte Packete 1878: 365 230 Stück oder täglich 26 088 Stück, 1877 täglich 25 192 Stück. B. Eingegangene Packete 1878: 263 267 Stück oder täglich 18 805 Stück, 1877 täglich 18 035 Stück. C. Auf⸗ gelieferte und eingegangene Packete zusammen 1878: 628 497 Stück oder täglich 44 893 Stück, d. s. auf die Minute 31,2 Stück, 1877 täglich 43 227 Stück, d. s. auf die Minute 30,0 Stück. Auch bei dem Packetverkehr in den übrigen grö⸗ 2 Städten ist eine entsprechende Zunahme wahrgenommen worden.

Bei der gestern auf den Feldmark von Schöneberg und Lankwitz abgehaltenen Hofjagdamtsjagd sind von 21 Schützen in einem Stand⸗ und drei Kessel⸗Treiben 376 Hasen erlegt worden.

Ihrer Königlichen Hoheit der Großherzogin von Baden ist im November v. J. aus der Mitte der Bürgerschaft Berlins eine Adresse überreicht worden, in welcher Höchstderselben im Namen vieler Tausende Dank dafür ausgesprochen wurde, daß Sie in den schweren Tager des verflossenen Sommers mit Ihrer Majestät der Kaiserin, Ihr Land und Haus, die Ihren verlassend, an das Bett des geliebten Vaters wiederum geeilt sei, um durch Wochen und Monate hindurch Ihm Trost und Erquickung zu sein.

Die Großherzogin hat hierauf, wie die „N. A. Z.“ mittheilt, das folgende Antwortschreiben erlassen:

„Ich bin im Besitze der außerordentlich schönen, nach Inhalt und Ausstattung gleich ausgezeichneten Adresse, welche Mir von einer Anzahl Bürger Meiner Vaterstadt Berlin bestimmt worden ist und welche zahlreiche Unterschriften aus den Kreisen der Bevölkerung trägt. Ich wünsche recht in der Lage zu sein, den Dank, den Ich herzlich und aufrichtig empfinde, allen denjenigen mit ebenso großer Herzlichkeit zu sagen, deren Absicht, Mich zu erfreuen, in so hohem

Maße sich erfüllt hat. Daß Meiner gedacht wurde bei Gelegenheit der schweren Prüfungen der Sommermonate dieses Jahres gedacht wurde, da Mein Herz in schmerzlichem Erbeben und Sorgen war gedacht wurde, da Mein Herz in Dank und Bewegung der Ge⸗ nesung des Kaisers sich freuen durfte, diese Thatsachen konnten nicht in schönerer und wohlthuenderer Weise Mir kundgegeben werden, als in den Erinnerungsblättern geschah, welche nun vor Mir liegen. Ich schöpfe aus denselben die tröstliche Gewißheit, daß die Spender dieser kanstvollen und sinnigen Blätter es wohl empfunden haben, wie hoch und sege svoll das Vorrecht ist, das dem Kinde gestattet, in seinem Elternhause von Jahr zu Jahr stets die⸗ selbe Heimstätte glücklichsten Zulammenlebens sich bewahrt zu sehen, wie groß und schön ferner der Segen, in Tagen der Trübsal an der Seite theurer Eltern gemeinsam die Prüfungen tragen zu dürfen, wie solche über Uns kamen, wie groß und selten endlich die erhebende Erfahrung, Zeuge der Dankbarkeit und Theilnahme treuer Herzen nach Abwendung schwerer Sor en sein zu dürfen. Für dieses Ver⸗ ständniß dessen, was Ich im Laufe der le ten Monate erlebte, und für die wahrhaft vollendete Darlegung dieser Gesinnungen spreche Ich Ihnen Meinen Dank aufrichtig und von Herzen aus. Karlsruhe, 1. Dezember 1878. Lni uise,

Großherzogin von B den. Prinzessin von Preußen.“ *

Der wissenschaftliche Verein beginnt den diesjährigen Cyklus seiner Vorlesungen in der Sing⸗Akademie am Sonnabend, den 11. Januar, Nachmittags 5 Uhr, mit dem Vortrage des Prof. Dr. Scherer über Goethe's Pandora. Die Thüren des Saales werden zur Ver⸗ meidung von Störungen 5 Minuten nach 5 Uhr geschlossen werden. Abonnementskarten je 10 und 6 ℳ, Karten zu den einzelnen Vor⸗ gg. je 1 ½ sind Vormittags beim Kastellan Hrn. Schaeff zu haben.

Die geographische Gesellschaft hielt am Sonnabend im Festsaale des Architektenhauses ihre erste Sitzung im neuen Jahre unter Dr. Nachtigal ab. Dr. Nachtigal gedachte zunächst in warmen orten der reichen Verdienste des bisherigen Vor⸗ sitzenden Freiherrn v. Richthofen, unter dessen bewährter und langjährigee Leitung die Gesellschaft immer mehr an Ausdehnung gewonnen habe, und sprach die Hoffnung aus, daß, da dessen Abreise von Berlin leider nahe bevorste e, er recht bald wieder hierher zurückkehre. Freiherr v. Richthofen danite in herzlicher Weise für die ihm jetzt und so oft gezollte Anerkennung und wies auf die zahlreichen Umstände hin, die es ermöalicht haben, daß die Gesellschaft unter seinem Vorsitz an Mitgliederzahl sich verdoppelt habe. Die Gesellschaft trat nunmehr in den geschäftlichen Theil der Sitzung ein. Dr. Nachtigal referirte zunächst über die nenesten Nachrichter, die vom Hofrath Dr. Rohlfs eingelaufen sind. Ihnen zufolge hat Rohlfs gegen Weihnachten Tri⸗ polis verlassen, ohne dort auf die ihm von Sr. Majestät dem Kaiser für den Sultan von Wadai bestimmten Geschenke zu warten, da der Aufenthalt in Tripolis für Rohlfs und sein zahlreiches Gefolge zu theuer wurde. Die Expedition hat 12 Tagereisen südlich von Tripolis ohr Lager aufgeschlagen und gedenkt dort auf die Ankunft der Kaiserlichen Geschenke zu warten. Vom Dr. Brch⸗ ner, der etwa vor Jahrerfrist in Loando angekommen sein mag, ist ein Brief noch nicht eingetroffen. Ebenso haben Major Mechow und Dr. Schütt neuerdings keine Nachricht von sich gegeben. An der Osftküste Afrikas hat man die Erforschung des Denarflusses in Angriff ge⸗ nommen. Tie Expedition ist zwar erst einen Breitegrad von der Küste aus vorgedrungen, aber schon auf dieser verhältnißmäßig kurzen Strecke hat sich gezeigt, daß man bisher über den Lauf des genannten Flusses sehr falsch berichtet war. Durch Vermittelung des Aus⸗ wärtigen Amtes sind der Gesellschaft endlich noch Mittheilungen über die Expedition des Grafen Cetschini zugegangen. Der Ge⸗ nannte hat sich die Aufgabe gestellt, den Süden des Lofloa zu erforschen. Er war im Oktober in Peking eingetroffen, und es ist ihm gelungen, von der chinesischen Regierung nicht nur Pässe nach Tübet, die bisher noch nie einem Europäer verabfolgt waren, sondern auch Empfehl ungen an die Mandarinen der zu durchreisenden Gebiete zu erhalten. Professor Förster referirte sodann über die neuesten Theeorien der Polarlichterscheinungen, deren Kenntniß gerade jetzt für uns von Interesse ist, da demnächst die sogenannte alljährige Marmal⸗ zeit der Polarlichterscheinungen unserer Zone wieder ihren Anfang nehmen wird. Deutschland wird während derselben di smal an der Polarlichterforschung aktiv sich betheiligen können, da beschlossen ist, mit dem astrophysischen Observatorium zu Potsdam ein solches für die Zwecke der Polarlichterforschung zu verbinden. Hierauf sprach Professor Hartmann über afrikanische Ethnologie.

Ueber die Stadt⸗ und Landgemeinden in Rußland enthält das jüngste Heft der vom Statistischen Departement im K. K. Handels⸗Ministerium herausgegebenen „Mittheilungen der K. K. österreichischungarischen Konsulats⸗Behörden“ nach einem Berichte der K. und K. Botschaft in St. Petersburg einen größeren Aufsatz, dem wir Folgendes entnehmen: Die jetzige Bauerngemei deordnung wurde durch den Ukas vom 19. Februar 1861 über die Aufhebung der Leibeigenschaft ins Leben gerusen. Spätere reformatorische Be⸗ stimmungen, welche diese neue Organisation weiter beeinflußten, sind die Gesebde vom 1. Januar 1864 über die Bezirks⸗ und Gouverne⸗ ments⸗Institutionen, und vom 20. November über die Justiz⸗ reform. Die Stadtgemeinden wurden durch die Städteordnung vom Jahre 1870 reorganisirt. Die den Landgemeinden gewährte Autonomie betrifft die Gemeindeämter, die Gemeindestenern und alle die Verwaltung angehenden Pflichte und Rechte. Ausgeschlossen ist das Gesetzgebungsrecht. Die größte Abweichung der russischen Ge⸗ meindeordnung von ähnlichen Staluten in anderen Ländern beruht auf der Beschaffenheit des Grundbesitzes. In der Regel namlich haben die Mitglieder der Gemeinde kein persönliches Eigenthum an Grund und Boden, sondern erholten ihr Land von der Ge⸗ meinde zur zeitlichen widerruflichen Nutznießung. Der Ur⸗ spruna dieser Einrichtung. ihre Zweckmäßigkeit und die Mittel zur Abhülfe der dabei zu Tage tretenden Uebel⸗ stände sind Gegenstand einer umfangreichen Literatur geworden, die jedoch bisher ein Resultat in irgend einer oder der anderen Richtung nicht herbeigeführt hat. Die jetzt über die Vertheilung des Ge⸗ meindelandes bestehenden Normen sind folgende: die Gemeinde er⸗ theilt jedem ihrer eigenberechtigten Mitglieder einen gleichen An⸗ theil am Gemeindeland und an den gemeinschaftlichen Nutzungen. Nach einem Zeitraum ron 3 —15 Jahren erfolgt eine neue Vertheilung des Landes. Wer aus der Gemeinde scheidet, verliert sein Ackerland ohne Entschädigung, gleichwie er es ohne Entgelt er⸗ halten hat. Nur die Mobilien und das Wohnhaus sind Privateigen⸗ thum. Doch darf das Haus, da es auf Gemeindeboden steht, nur wieder an ein Mitglied der Gemeinde verkauft werden. Wald und Weide werden in der Regel gemeinschaftlich benutzt und die j wei⸗ ligen Brachfelder zur Weide geschlagen. Mit icht auf die Lage und Fruchtbarkeit wird das Land in Zonen und diese in so viele Streifen getheilt, als Antheile erforderlich sind. Nur selten bilden die Antheile eines Bauern ein zusammenhängendes Ganze, und meistentheils bedingt die Abtheilung in Streifen den Flur⸗ zwang. Den Gemeinden, welche bei Einführun des jetzigen Ge⸗ meindesta uts den zur Vertheilung erforderlichen Grund und Boden nicht in genügender Menge besaßen, mußten die Gutsherren das fehlende Land abtreten, wofür die betheiligten Bauern den letzteren zu Geld⸗ oder Naturalleistungen verpflichtet waren. Bauern, welche solche durch Schätzung festgesetzte Leistu gen zu erfüllen haben, heißen zeitlich Veepflichtete“. Die Regierung gestattet jedem zeitlich verpflich⸗ teten Bauern, sich von dieser Grundlast durch Ankauf des Bodens zu befreien, und unterstützt solche Operationen, indem sie die An⸗ zahlung des Kaufschillings in Form einer Hypothekaranleihe besorgt. Als Kaufsumme gilt ihr jedoch nicht der von den Parteien

vereinbarte Preis, sondern die 6prozenti e Kapitalisirung des bestandenen Grundzinses. Hiervon zahlt die Regierung einen gesetzlich bestimmten Theil in 5 prozentigen taatspapieren, und giebt für den Rest Loskaufsbillete zu demselben Zinsfuße, über deren Einlösung besondere Vorschriften bestehen. Die Bauern ihrer⸗ seits haben der Regierung die „Loskaufsteuer“ zu entrichten. Was die Gemeindeverfassung betrifft, so ist die russische Bauern⸗ gemeinde der Inbegriff aller ein Gut bewohnenden Bauern. Sie ist ein Verband für Verwaltung und für Finanzwesen. Letzter s in⸗ sofern, als sie sowohl selbständig Gemeindesteuern ausschreiben und einheben kann, als auch dem Staate für Einbringung der Landes⸗ abgaben solidarisch haftet. Jeder Bauer in der Gemeinde, der im Vollgenusse feiner bürgerlichen Ehre steht und einen Antheil am Ge⸗ meindelande erbalten hat, ist Hauswirth (Chasiarn). Nach dem Landesgesetze ist hierzu jeder Russe befähigt, der 18 Jahre alt ist und heirathet. Alle Hauswirthe einer Gemeinde und die gewählten Beamten derselben bilden die Dorfversammlung, welcher der von ihr erwählte Starosta (Aelteste) vorsteht. Die Thätigkeit der Dorfversammlung betrifft hauptsächlich die wirthschaftlichen Verhältnisse der Gemeinde. In Folge der Haftpflicht für die Steuern hat die Versammlung die Steuersumme auf die Gemeindemitglieder zu repartiren, sowie die Maßregeln für Eintreibung der Steuern und Rückstände zu ver⸗ anlassen. Die Gemeinde kann Kirchen und Schulen bauen; sie hat die Brücken und Gemeindewege in Stand zu halten und darf z29 diesem Behufe Naturalleistungen oder Geldabgaben ausschreiben. Sie hat ferner die Verpflichtung, die arbeitsunfähigen Mitglieder zu erhalten und für die Waisen zu sorgen; sie kann Tutoren und Kura⸗ toren ernennen, und hat deren Geschäftsführung zu überwachen. Die Versammlung vertheilt das Land an die Hauswirthe, nimmt neue Mit⸗ glieder auf und schließt renitente Angehörige (Trunkenbolde ꝛc.) von der Gemeinde aus. Sie kann, falls der Umfang der Geschäfte es erheischt, für einzelne Zweige der Administration Beamte wählen und ihnen einen Gehalt auswerfen. Die Beamten sind der Dorfversammlung ver⸗ antwortlich und von Gemeinde⸗ und Staatslasten befreit. Der Starosta beruft die Versammlung ein, welche gewöhnlich an Son tagen Sitzung hält. Sie ist beschlußfähig, sobald der Starosta und die Hälfte der stimmberechtigten Bauern anwesend sind. Die Be⸗ schlüsse werden in der Regel mit einfacher Majorität gefaßt; nur einige wenige Angelegenheiten, z. B. Umtheilung des Landes, ist Zweidrittel⸗Majorität erforderlich. Die Entscheidungen werden in ein Protokoll eingetragen. Der Starosta ist das Erekutivorgan der Versammlung. Außerdem handhabt er die Ortspolizei, ist Hülfs⸗ organ des Untersuchungsgerichts in Kriminalfällen und kann Bauern, die ihren Verpflichtungen gegenüber der Gemeinde nicht nachkommen, zu einem Rubel Strafe, zu 2 Tagen Arrest, oder zu Gemeindearbeiten während derselben Frist verurtheilen. Der Verurtheilte kann binnen 7 Tagen beim Friedensvermittler wegen der ihm zuerkannten Strafe Klage führen. Mehrere Bauern⸗ gemeinden, die nicht weniger als 300 und nicht über 2000 männliche Seelen enthalten und vom Centralpunkt der Verwaltung nicht über 12 Werst entfernt sind, bilden einen Wolost (Gebiet, Gau). Als Centralpunkt gilt der Ort wo sich die Pfarrkirche befindet, und wenn es deren mehrere im Gebiete giebt, der bedeutendste Ort über⸗ haupt. Ortschaften mit mehr als 2000 männlichen Seelen bilden für sich einen Wolost. Gleich der Dorfgemeinde hat auch der Wolof seine Versammlung und seinen Vorsteher; außerdem aber noch eine Verwaltungsausschuß und ein Tribunal. Die Gebietsversammlung besteht aus von je 10 Hauswirthen gewählten Abgeordneten. Dörfer von weniger als 10 Höfen schicken auch einen Deputirten Ueberdies haben alle gewählten Beamten der einzelnen Gemeinden und des Wolost Sitz und Stimme in der Versammlung. Die Versammlung wählt sich ihren Vorsitzenden, den Starschina, der zugleich Vorstand des Wolost ist. Sie tritt zu einem Zeitpunkt zusammen, den der Friedensvermittler auf Antrag des Starschiga bestimmt. Im Allgemeinen hat sich die Sebietsversammlung mit allen wirthschaftlichen Angelegenheiten z befassen, die den Wirkungskreis oder die Mittel der einzelaen Dörfer überschreiten. Sie hat insbesondere die Wahl ihrer Beamten und der des Wolostgerichts vorzunehmen; Beschlüsse zu fassen, welche das finanzielle Interesse des Gebietes betreffen, Schulen zu errichten, Klagen und Reklamationen entgegenzunehmen, die Steuerbeträge zu vertheilen und ihre Beamten zu kontroliren. Die Versammlung ist beschlußfähig, sobald der Starschina und zwei Drittel der 8 Mitglieder anwesend sind. Die Entscheidungen werden mit einfacher Majorität getroffen und in vichtigeren Fällen in ein Prootokoll eingetragen. Der Starschina wird in seiner Würde vom Friedensvermittler bestätigt, der ihn auch beeidigt. Er ist das Haupt der Gebietspolizei und unterstehen ihm in dieser Eigenschaft die Starosten seines Gebietes; auch ist er, wie diese, in Kriminalfällen Hülfsorgan des Untersuchungsrichters. Im Uebrigen liegen ihm dieselben Verpflichtungen, wie den Starosten ob. Die Gebietsverwaltung (Verwaltungsausschuß) besteht aus dem Starschina, aus allen Starosten, dem Steuereinnehmer des Wolost, und wenn die Versammlung will, noch aus 2 aus ihrer Mitte gewählten Mitgliedern. Sie hält gewöhnlich Sonntags ihre Sitzungen. Sie be- schließt über die Zuweisung von Geldern für die von der Versammlungbe⸗ schlossenen Ausgaben, über den Verkauf von Eigenthum der Bauern wegen rückständiger Steuern, und über die Ernennung und Absetzung der besolde- ten Bramten des Wolost. In allen andern Fällen hat die „Verwaltung“ nur konsultatives Votum und dem Starschina steht unter eigener Ver⸗ antwortlichkeit die Entscheidung und Ausführung zu. Die Rechts⸗ pflege in Wolost in civilrechtlicher und strafrechtlicher Hinsicht ist einer Art Volksgericht anvertraut, welches aus gewählten Bauern zu⸗ sammengesetzt ist. Es sind demselben alle jene Fälle von geringerer Wichtigkeit vorbehalten, welche vor dem Jahre 1861 der gutsherr⸗ lichen Gerichtsbarkeit unterstanden. Die Kompetenz und Straf⸗ gewalt dieses Tribunals sind aber nunmehr sest degrenzt. Jährlich werden von der Versammlung des Wolost 4 bis 12 Bauern gewählt, die zu je dreien kollegialisch das Richteramt üben. Der Gerichts⸗ schreiber wird von der Versammlung Füblt oder miethweise an⸗ gestellt. Das Gericht tagt in der Regel alle zwei Wochen. Außer⸗ ordentlichr 2 kann der Starschina einberufen. In seinem Verfahren ist das Gericht an kein Gesetz gebunden, sondern hält sich an das örtliche Gewohnheitsrecht.

Gestern veranstaltete im Saale des Architektenhauses die Pianistin

Frl. Lucie Fuchs ein Konzert. Dasselbe wurde mit Beethovens reizendem Quintett (op. 16) für Klavier, Oboe, Klarinette, Horn und Fagott eingeleitet, welches von der Konzertgeberin und den Herren Richter, Stock, Löbel und Genzmer mit trefflichem Ver⸗ ständniß und großer Präzision zu Gehör gebracht wurde. Dem Quintett folgte der Vortrag einer Arie aus „Semele“ durch Frl. Martha Rückward. Die iunge Dame verfügt über eine wohlklin⸗ gende, gut geschulte Altstimme, und verbindet damit eine von selbst⸗ ständiger Auffassung zeugende Vortragsweise. Später sang dieselbe noch drei Lieder: „Heimweh“ von Wuerst; „Willst du dein Herz mir schenken“ von Bach und „Reiselied“ von Mendelssohn gefällig und mit warmer Empfindung. Außerdem bot das Programm als Solo⸗ vorträge der Konzertgeberin, welche auch die Gesänge auf dem Klavier begleitete, drei kleinere Piecen: „moment musical“ von Schubert; „Warum“ und „Novelette“ von Schumann und zum Schluß das Spinnerlied aus Wagners Fliegendem Hol⸗ länder“ von Lißt für das Pianoforte transponirt. Mit dem gelungenen Vortrage dieser Stücke, wie auch den ia Ver⸗ bindung mit Hrn. Grünfeld gespielten, feinsinnigen Reisebildern für Klavier vund Violoncello von Kiel: Sturm Am Wasserfall, Romanze, Eintritt, Fremde Musikanten, erntete die Concert⸗ geberin, welche sich aufs Neue als eine Pianistin von bedeutender Begabung und ernstem, erfolgreichen künstlerischen Streben erwies, lebhaften Beifall, der auch den übrigen in dem Concerte Mitwirkenden zu Theil wurde.

Das 2. Abonnements⸗Konzert der Sing⸗Akademie findet am Montag, den 13. Januar, Abends 6 ½ Uhr, statt. Zu Aufführung gelangt „Der Fall Jerusalems“ von M. Blumner.