ö1114“ “
unerträglichen Zustande ein Ende zu machen. Es sei seine Absicht, die Sache möglichst objektiv zu behandeln, und bitte er das Haus, den Antrag ad 1. einstimmig, den ad 2. mit möglichst großer Mehrheit anzunehmen, damit die großen und zahlreichen Schwierigkeiten, mit denen der Reichstag diesmal zu kämpfen habe, nicht noch erschwert würden. Die politische Lage sei ohnehin schwer genug.
ierauf nahm der Bevollmächtigte zum Bundesrath Justiz⸗
Minister Dr. Leonhardt das Wort. 1“ Meine Herren! Gestatten Sie mir, daß ich mich über diese Angelegenheit in aller Kürze und in beschränkter Richtung ausspreche. Die Rechtsfrage, welche von dem Hrn. Abg. Lasker erörtert worden ist, berühre ich nicht, dieselbe kommt bhier gar nicht in Betracht; über sie haben die Gerichte zu entscheiden, und nur die Gerichte. Ich spreche mich auch nicht aus über die Bedeutung und Wirksamkeit der Resolution; was ich in dieser Beziehung bemerken könnte, kann Jedermann sich selbst sagen. Ich beschränke mich auf das Folgende: Der Staatsanwalt des Königlichen Stadtgerichts Berlin hat, um einer verfassungsmäßigen Vorschrift zu genügen, an den Reichs⸗ tag den Antrag gestellt, derselbe wolle genehmigen, daß gegen zwei Mitglieder des Reichstags eine strafrechtliche Verfolgung eintrete. Wenn der Staatsanwalt daneben noch eventuell die Genehmigung zur Verhaftung beantragt hat, so hat er meiner Ansicht nach damit etwas Unnöthiges gethan; denn ich nehme an, daß in der Genehmi⸗ gung eines strafrechtlichen Verfahrens jede einzelne strafrechtliche rozedur inbegriffen ist, in Sonderheit die Verhaftung. Wenn im rt. 31 der Verfassungsurkande neben der Genehmigung zur Ein⸗ leitung eines Strafverfahrens auch von der Genehmigung der Ver⸗ haftung gesprochen wird, so hat diese Vorschrift ihre gute Bedeutung für den Fall daß die strafrechtliche Verfolgung eingeleitet ist vor Beginn der Sitzungen des Reichstags, im Laufe derselben aber eine Verhaftung folgen soll. Ich nehme an, daß der Staats⸗ anwalt, wenn er verfuhr, wie geschehen, einen Beweis von Vorsicht und Loyalität gegeben hat. Meine Herren, der Antrag des Staatsanwalts bezweckt nicht die Gewährung besonderer Bekugnisse sei es für die Staatsanwaltschaft, sei es für das Gericht. Der Antrag des Staatsanwalts zielt lediglich und allein dahin ab, die Möglichkeit zu eröffnen, gegen die beiden Herren Abgeordneten zu prozediren, die Möglichkeit, die Sache zur richterlichen Kognition zu bringen und auf Grund der Kognition den Spruch der Gerichte her⸗ beizuführen. Wenn Sie Ihre Genehmigung ertheilen zur Einleitung der Untersuchung, so folgt daraus für die Durchführung des Ver⸗ fahrens nichts; wenn Sie die Genehmigung ertheilen zur Verhaftung, so folgt daraus gar nicht, daß die beiden Herren verhaftet werden (Lachen links und im Centrum.) Meine Herren, ist Ihnen zweifelhaft, so vergleichen Sie mit meinen Worten doch den Inhalt des Antrages des Staatsanwalts! — Es folgt daraus nur die Möglichkeit, daß der Staatsanwalt die Verhaftung bei den Ge⸗ richten beantragen kann unter bestimmten Voraussetzungen. Für diese Voraussetzungen folgt aus der Genehmigung nichts, und es steht bei dem Eerichte, den Antrag auf Verhaftung abzulehnen oder zu genehmigen. 8 Es steht in Ihrem freien ungebundenen Ermessen, ob Sie den Antrag des Staaksanwalts annehmen wollen oder nicht. Sie be⸗ schließen frei, Sie beschließen sogar souverän. Es wird Ihnen von der Staatsanwaltschaft, geschweige denn von anderen Behörden, nichts angesonnen, was bedenklich erscheinen könnte. Es ist ganz fehl⸗ sam — oder ich sage richtiger, es würde ganz fehlsam sein, wenn man annähme, daß der preußische Instiz⸗Minister und der Reichs⸗ kanzler durch die Thätigkeit, welche sie bei dieser Gelegenheit ent⸗ faltet haben, den Antrag zu dem ihrigen gemacht oder auch nur unterstützt hätten. Diese Thätigkeit ist eine rein ge⸗ schäftliche gewesen, eine vermittelnde, sachlich eine neutrale. Daraus, daß sie die Vermittelung übernommen haben, können Sie weder für noch gegen den Antrag des Staatsanwalts irgend welche Schlüsse ziehen. In diesem wie in anderen Fällen, welche in dieser Richtung vorgekommen sind, enthält der preußische Justiz⸗Minister wie der Reichskanzler sich jeder sachlichen Prüfung, und er muß das auch thun. 8
Meine Herren! Der Staatsanwalt ist das berufene staatliche Organ für die Rechtsverfolgung in Strafsachen. Wenn der Staats⸗ anwalt nach sorgfältiger Prüfung der Sache dafür hält, daß ein Fall strafrechtlich zu verfolgen sei, so ist es sein Recht und zugleich seine dienstliche Pflicht, dies zu thun, und wenn der Staatsanwalt dafür hält, daß dieses Verfahren sofort einzutreten habe und wenn er darin sich gehindert sieht durch eine verfassungsmäßige Vorschrift, diese versassungsmäßige Vorschrift ihm aber den Weg weist, den er gehen soll, um seine Intentionen zu erfüllen, so ist es sein Recht und seine dienstliche Pflicht, diesen Weg zu betreten. .
Der §. 31 der Verfassung giebt den Reichstagsabgeordneten ein wichtiges Privilegium, aber daneben giebt er auch den betheiligten Behörden des Landes die Befugniß, den Reichstag anzugehen, um eine Ausnahme von diesem Privilegium eintreten zu lassen. Der Staatsanwalt handelte also recht⸗ und verfassungsmäßig, seinem Recht und seinen Pflichten getreu, wenn er den Weg einschlug, den er für erforderlich erachtete. Zu diesem Zwecke muß er sich an den preußi⸗ schen Justiz⸗Minister wenden, seine Vermittelung in Anspruch neh⸗ men. Geschäftsmäßig mußte der preußische stiz⸗Minister den Reichskanzler angehen. Diese Vermittelung können weder Justiz⸗
Minister noch Reichskanzler versagen, jedenfalls nur unter be⸗ sonderen Voraussetzungen, wie vielleicht, wenn eine Ver⸗ fassungswidrigkeit vorliegt; — auch das will ich dahin⸗
stellt sein lassen. Aus dem einfachen Grunde können Sie das Gegentbefl nicht annehmen, weil Sie damit dem Reichskanzler oder dem Justiz⸗Minister das Recht in die Hand legten, die Rechtspflege des Landes zu hemmen. Ich weiß nicht, wie in diesem Saal die Ansichten des Hrn. Abg. Lasker haben Beifall finden können, in diesem Saale, dessen Wände noch wiederhallen von den lebhaften Erörterungen über die Stellung der Staatsanwaltschaft, ihre Ab⸗ hängigkeit vom Justiz⸗Minister. Wer solche Ansichten vertheidigt in der Theorie, in der Doktrin, der sollte sie auch anwenden auf den einzelnen Fall.
Der Dr. Abg. Lasker hat im Eingange seiner Rede ein neues Recht schaffen wollen, indem er Bemerkungen machte, die Allem widerstreiten, was bislang über zehn Jahre hin⸗ aus Rechtens gewesen ist und üblich. Er behauptete, der Reichstag habe es vicht zu thun mit einem Antrage des Staats⸗ anwalts, sondern mit einem Antrage der Regierung. Davon kann gar keine Rede sein nach dem, was ich hervorgehoben habe. Dann wäre ja die Strafrechtspflege des Landes, wenngleich nur in be⸗ schränkter Weise, in die Hände des preußischen Justiz⸗Ministers und des Reichskanzlers gelegt. (Zuruf links: iß.) Wie kann man solche Ansichten, S aussprechen!
Und dann, Sie haben ja ähnliche Anträge der Staatsanwälte in großer Zahl entgegengenommen, und in allen diesen Fällen ist stets davon ausgegangen, daß die Justiz⸗Minister und der Reichs⸗ kanzler lediglich und allein die Anträge vermitteln. Nie hat auch der Reichskanzler hier im Hause, soviel ich weiß, sich darüber geäußert, ob ein solcher Antrag gerechtfertigt sei oder nicht, sondern die Be⸗ antwortung dieser Frage immer dem Hause überlassen. Das kann ich auch thun.
Demnächst ergriff der Staatssekretär im Reichs⸗Justiz⸗Amt Dr. Friedberg das Wort.
Meine Herren! Die abweichende Behandlung, welche dem An⸗
trage des Herrn Reichskanzlers vom 17. zu Theil geworden,
zeigt, daß Sie den hier vorliegenden Fall als einen in vielen Be⸗ ziehungen abweichenden von denjenigen Anträgen erachten, welche bis⸗ her das hohe Haus ähnlich beschäftigt haben. Es sind ja schon soast sehr häufig an Sie Anträge gebracht worden, in denen Sie befragt wurden, ob Sie es daß gegen ein Mitglied dieses hohen Hauses eine ichtliche Prozedur entweder eingeleitet werden solle,
brauch beobachtet worden, daß Sie vielleicht die Frage selbst zuvor an die Geschäftsordnungskommission verwiesen haben, niemals aber sn Sie in die merita causae eingegangen, sondern Sie haben ein⸗ ach einen Beschluß dahin gefaßt: wir ertheilen die Genehmigung, oder, was ja allerdings die Regel war, wir ertheilen die Genehmigung nicht. In einem Falle ist sogar die Frage, wie das hohe Haus sich zu der⸗ artigen Anträgen staatsrechtlich zu stellen habe, ganz ex professo hier verhandelt und entschieden worden und ich darf wohl auf jenen Fall etwas ausführlicher zurückkommen. 8
Es war nämlich im Jahre 1876 ein Antrag gestellt worden, eines Ihrer Herren Mitglieder, den damaligen Abg. Gaupp, wegen verleumderischer Beleidigung eines Oberstaatsanwaltes zu verfolgen, und Sie wurden gefragt, ob Sie zu dieser Verfolgung die Genehmi⸗ gung ertheilen wollten. Der Antrag wurde in die Geschäftsordnungs⸗ kommission verwiesen, und die Geschäftsordnungskommission erstattete ihren Antrag dahin:
Der Reichstag wolle beschließen:
Die Genehmigung zur strafrechtlichen Verfolgung des Abg. Gaupp während der gegenwärtigen Sitzungsperiode und während 1“ der Justizkommission des Reichstags nicht zu er⸗
eilen.
Dieser Antrag kam auf die Tagesordnung des Hauses, und einer der Herren Abgeordneten, der Abg. Völk, sah sich veranlaßt, in die Sache selbst einzugehen, und wollte entwickeln, wes halb die Behaup⸗ tung, daß der Abg. Gaupp sich einer verleumderischen Beleidigung schuldig gemacht habe, eine virtuell unrichtige sei. 2
Als er mit dieser Ausführung kam, erwiderte ihm der Hr. Prä⸗ sident des Hauses wörtlich: 8
Ich muß den Herrn Abgeordneten unterbrechen. Es ist stets Sitte des Hauses gewesen, bei derartigen Anträgen das materielle der Sache durch keine Diskussion und Beschlüsse zu präjudiziren, sondern sich streng an die geschäftsordnungsmäßige Frage zu halten, wie sü von Seiten der Kommission gestellt und beantwortet wor⸗ den ist.
Der Hr. Abg. Völk, der ja ein naheliegendes Interesse daran hatte, die behauptete Verleumdung von einem Kollegen im Hause abzuwenden, wollte sich diesem Ausspruche des Herrn Präsidenten — es war damals Präsident Hr. Hänel — nicht ohne Weiteres fügen, suchte vielmehr in seiner Rede fortzufahren, und da erklärte der Referent der Geschäftsordnungskommission, der Hr. Abg. Klotz:
„Meine Herren! Ich erachte, daß der Herr Präsident das Richtige ausgesprochen hat, was bisher der Brauch des Hauses ge⸗ wesen ist. Würden wir in eine materielle Würdigung des An⸗ trages selbst eintreten, so glaube ich, würden wir dem künftigen Richterspruch präjudiziren und würden hier entscheiden, ohne beide Theile gehört zu haben. “ 1
Darauf wurde der Antrag auf gerichtliche Versolgung durch einfache Abstimmung abgelehnt.
Nun will ich mit dem Hrn. Abg. Lasker gern anerkennen, daß der vorliegende Fall allerdings von einer höheren Bedeutung ist, als der damals hier verhandelte, und ich finde es daher ganz begreif⸗ lich, daß derselbe als ein schwieriger die allgemeine Auf⸗ merksamkeit und die Verschiedenheit in den Meinungen des hohen Hauses in höherem Grade als gewöhnlich hervorrufen muß. Eins aber muß ich von dem Antrage, der durch den Herrn Reichskanzler — und sda der Antrag eben durch die Reichs⸗ regierung an Sie gekommen ist, so glaube ich, daraus meine Legiti⸗ mation, in der Sache selbst das Wort zu ergreifen, herleiten zu können — einen Vorwurf, sage ich, muß ich von dem Antrage des Reichskanzlers absolut ablehnen, als ob nämlich mit demselben irgendwie der Versuch hätte gemacht werden sollen, in die Privile⸗ gien, und ich darf hinzufügen, fast souveränen Privilegien dieses Hauses von Seiten der Regierung einzugreifen. Es sollte durch die⸗ sen Antrag nichts weiter bewirkt werden, als damit dem hohen Hause selbst die Möglichkeit zu geben, darüber zu befinden, ob Sie den Antrag für derartig gebechtfertigt erachten, daß Sie alaubten, demselben Folge geben zu dürfen. — Hätte die preußische Regierunz, die bei dieser Frage in erster Linie betheiligt war, oder hätte die Reichsregierung irgendwie meinen mögen, hier liege ein Fall vor, der sich gut zu einer politischen Aktion eigne, dann würde ich glau⸗ ben, daß andere Mittel hätten in Bewegung gesetzt werden können, als das jetzt angewandte. Denn so gut, wie man deduziren kann, die Gerichte können auf Grund des §. 28 des Gesetzes vom 21. Ok⸗ tober v. J. einen Abgeordneten, der unter diesem Gesetze steht, der auf Grund dieses Gesetzes ausgewiesen ist, — so gut hätte deduzirt werden können: ein solcher Abgeordneter könne von der Theilnahme an den Verhandlungen in diesem Hause auf administra⸗ tivem Wege fern gehalten werden. Hätte die Regierung diesen administrativen Weg eingeschlagen, dann würde man vielleicht darüber Klage haben führen können, 8. man via facti in das Pri⸗ vilegium dieses Hauses eingegriffen habe! Davon ist aber die be⸗ treffende Regierung des Landes, die preußische, entfernt geblieben; dazu hat auch die Reichsregierung nicht rathen mögen, vielmehr hat diese nichts anderes gethan, als daß sie einen Schritt, den die be⸗ theiligte, preußische, Regierung nach den schweren Erfahrungen des vorigen Jahres für nöthig gehalten hat, damit auch der Möglichkeit des Vorwurfs entgegengetreten werde, sie habe nicht Alles gethan, was das Gesetz ihr an Mitteln an die Hand giebt, um ähnlichen unheilvollen Ereignissen vorzubeugen, wie wir sie erlebt, und sie habe durch diese Säumniß möglicher Weise beirrend auf das Rechtsbewußtsein gewirkt, indem sie eine Person, die nun mal unter dem Bann dieses Gesetzes steht und die auf Grund dieses Bannes von der Residenz ausgeschlossen ist — sie habe eine solche Person zugelassen, indem sie nicht streng genug in der Auffassung des Gesetzes gewesen sei. Wenn sich dem⸗ nächst abermals unglückliche Ereignisse — die Gott verhüten möge! — begeben sollten, dann sollte man ihr wenigstens nicht den Vorwurf machen können, der früher wohl gemacht worden ist: warum habt Ihr nicht alles gethan, um derartiges, so viel an Euch war, zu verhüten?! Meine Herren, wie auch Ihr Beschluß ausfallen wird, die betreffende Landesregierung und mit ihr die Reichsregierung wird in dem Augenblick, wenn ich den Ausdruck ge⸗ brauchen darf, von der Verantwortlichkeit desaisirt sein, man wird nicht davon sprechen können, als ob sie nicht diligent, nicht vorsichtig genug in der Handhabung des Gesetzes vom 20. Oktober v. J. ge⸗ wesen sei. Ich wiederhole aber, meine Herren, zum Schluß, was ich zum Beginn ausgesprochen habe: der Gedanke, in die Privilegien dieses Hauses mit dem gestellten Antrage nider Fritzsche irgendwie einen Einbruch zu versuchen, ist allen damit befaßten Theilen, der preußischen Regierung, wie der Reichsregierung, der preußischen Regierung, indem sie den Antrag der zuständigen Justizbehörde an den Reichskanzler übermittelte, der Reichskanzler, indem er diesen ihm übermittelten Antrag Ihnen zugehen ließ — von dem Gedanken eines Privilegienbruchs sind beide Theile dabei absolut fern gewesen.
Der Abg. Dr. von Schwarze bemerkte, er und seine politischen Freunde seien mit dem ersten Theil des Antrages Rickert einverstanden, könnten dagegen dem zweiten Theile nicht bei⸗ treten; seine Partei vertrete eben den Standpunkt, daß sie eine Diskussion über die materielle Frage völlig von der Dis⸗ kussion ausgeschlossen sehen wolle. Er sei der Ansicht, daß keineswegs ein Regierungsakt von politischer Bedeutung vor⸗ liege, es handle sich vielmehr um die geschäftliche Be⸗ -Een eines geschäftlichen Antrages; dieser Antrag sei vom Hause nur ebenso zu behandeln, wie alle ana⸗ logen, die vorher an dasselbe herangetreten wären. Ganz kalt und ruhig stehe seine Partei den Anträgen gegenüber. Was die Nr. 2 des Antrages anlange, so sei er überrascht, daß die Mehrzahl der Unterzeichner solche seien, die gegen den §. 28 und gegen das ganze Gesetz gestimmt hätten, es sei
doch eigenthümlich, daß diese Minorität die Intentionen der
oder ob einer inge leiteten Prozedur Fortgang gegeben werden dürfe? Stets ist e Anträgen der staatsrechtliche Ge⸗
Majorität besser zu kennen behaupten als seine Partei. Ueber
die staatsanwaltlichen E
1““ “
ägungen stehe nur dem Gerichtshof die Entscheidung zu, 428 auch alle einschlägigen staats⸗ rechtlichen Fragen in Betracht zu ziehen. Seine Partei wolle dem Gerichte keine Direktive geben, wie es entscheiden solle, und das bezwecke eigentlich der Passus 2. des Antrages, wel⸗ chen Redner darum abzulehnen bitte.
Der Abg. Reichensperger (Olpe) betonte, es handle sich bei dieser Frage nicht um das Seeege⸗ sondern um das Recht, das Privilegium des ganzen Reichstages und jedes seiner Mitglieder. Ein Eingehen auf den Antrag der Re⸗ gierung würde nichts anderes bedeuten, als die Stellung des ganzen Reichstages unter Polizeiaufsicht. Es würde dann auf Grund des Kommunistengesetzes jedes Reichstagsmitglied ver⸗ haftet werden können! Der ganze Verlauf der Dinge zeige übrigens, daß sowohl der Staatsanwalt Tessendorff als auch der Justiz⸗Minister an der Richtigkeit des Verfahrens und der Doktrin erhebliche Zweifel hegten; sonst hätte der letztere ohne Weiteres den Staatsanwalt zum Einschreiten vermocht. Art. 31 der Verfassung besage ja ausdrücklich, daß auch Abgeordnete, wenn sie in flagranti ergriffen würden, sofort sistirt werden sollen! Durchschlagend für den zweiten Theil der Resolution sei die Frage, was bedeute die Ausweisung auf Grund des Sozialisten⸗ gesetzes? Sie bedeute weiter nichts, als die Aberkennung des Rechts, sich an gewissen Orten aufzuhalten, sie könne aber nicht bedeuten, daß ein so Ausgewiesener nicht mehr ver⸗ pflichtet sein solle, dem Gesetze Folge zu leisten. Solle er nicht mehr als Zeuge nach dem Ausweisungsorte kommen dürfen? Zeugen dürfen aber nach der Prozeßordnung nicht kommissarisch vernommen werden; oder solle gegen ihn als Angeklagten in contumaciam verfahren werden? Welchen Werth würde die Militärbehörde einer solchen Ausweisung beimessen? Man sage, der Reichstag werde en bloc einberufen durch den „Staats⸗Anzeiger“, während das Herrenhaus per⸗- sonaliter eingeladen werde. Aber wegen dieses Unterschiedes der Coutoisie könne man doch keine Argumentation herleiten auf den Unterschied des Rechtsstandpunktes. Eine authentische Interpretation des Kommunistengesetzes solle ja, wie der Abg. Lasker bereits anerkannt habe, keineswegs durch diese Reso⸗ lution gegeben werden; gerade deshalb werde eben die An⸗ nahme desselben heilsam sein.
Der Abg. von Helldorff bemerkte, er wolle kurz den Standpunkt seiner Partei zu dieser Frage mittheilen. Bisher habe der Reichstag immer die “ befolgt, seine Ein⸗ willigung zur strafrechtlichen Verfolgung von Reichstagsmit⸗ gliedern nicht zu ertheilen. In dem vorliegenden Falle seien aber über die Strafbarkeit der Handlung des Abg. Fritzsche Zweifel entstanden, und werde die deutschkonservative Partei deshalb für den ersten Punkt des Antrages Rickert stimmen. Der Antrag Rickert in seinem zweiten Theil dagegen be⸗ zwecke eine Deklaration des §. 28 des Scozialistengesetzes. Der Reichstag allein sei zu einer solchen nicht berufen. Zu einer solchen Erklärung aber, welche lediglich den Charakter eines Protestes annehmen würde, liege ein sachlicher Anlaß nicht vor. Deshalb werde seine Partei gegen den zweiten Theil des Antrages des Abg. Rickert stimmen.
Der Abg. Dr. Hänel erklärte, wenn man morgen im „Reichs⸗Anzeiger“ die Reden unserer drei großen Juristen, des preußischen und des deutschen Justiz⸗Ministers, sowie des Abg. von Schwarze lesen werde, werde man kaum eine Ahnung von dem haben, um was es sich hier gehandelt habe. Im großen Publikum werde man eher auf den Gedanken kommen, als sei ein geringfügiges Kriminalverbrechen begangen — so wenig hätten die drei Herren den Kernpunkt der ganzen Frage berührt, so wenig hätten sie von der Frage des Privilegiums des Reichstags als Körperschaft ein Wörtchen verloren. Der preußische Justiz⸗Minister hätte erkennen müssen, daß hier die öffentlichen Rechte des Deutschen Reichs zu wahren seien, daß es sich hier um die staatsrechtliche Stellung des deutschen Reichstages handle, und dann wäre es seine Pflicht gewesen, auch materiell zu prüfen, ob der Antrag des Staatsanwalts eine Schädigung der Rechte des Reichstages in sich trage. Auch für den Chef des Reichs⸗Justizamts hätte es nahe ge⸗ legen, zu bedenken, daß die vorliegende Frage den Reichstag als Korporation, als legislativen Faktor angehe. Der Vorwurf, daß seine Partei selbst es seiner Zeit verschuldet habe, daß die jetzige Auslegung beliebt worden sei, müsse voll und ganz zurückgewiesen werden; Niemand von seiner Partei habe eine solche Interpretation für möglich gehalten. Es sei doch recht eigenthümlich, daß ein so gewiegter Jurist, wie der Abg. von Schwarze, es für möglich halten könne, für den Antrag 1 und gegen den Antrag 2 zu stimmen; es sei das ein vollkom⸗ mener Widerspruch. Die unerhörte Lage, in die der Erlaß des Polizei⸗Präsidiums den Reichstag gebracht habe, hätte schon von dem preußischen Justiz⸗Minister erwogen und durch ent⸗ sprechende Weisung an den Staatsanwalt beseitigt werden können. Statt dessen dieser Angriff auf die Würde des deut⸗ schen Parlaments! Statt dessen die Erkenntniß, daß die Ber⸗ liner Behörden dem Reichstage nicht die gebührende Achtung widmeten! Das englische Parlament würde die Urheber solcher Schritte vor seine Barre laden und möglicherweise mit Ge⸗ fängniß bestrafen! Er wünsche durch eine Erklärung des Hauses die von der Staatsanwaltschaft dem §. 28 des Gesetzes gegebene Auslegung zurückzuweisen und bitte deshalb das Haus, die beiden Punkte des Antrages Rickert anzunehmen.
Der Abg. Dr. Gneist führte aus, er habe die Ueber⸗ zeugung, daß die Gerichte, welche diese Frage zu entscheiden haben würden, sie nach dem Zusammenhange mit den staats⸗ rechtlichen Normen, nicht blos auf Grund des einen Gesetzes entscheiden würden. Er könne sich aber nicht Abeeie. daß das Verhalten der beiden Justiz⸗Minister der Sachlage ent⸗ spräche, es hätte ihnen die Tragweite dieser Vorlage doch kaum entgehen dürfen. Die Vorlage stelle den Reichstag vor die Alternative, entweder „ja“ zu sagen und damit anzu⸗ erkennen, daß die Lokal⸗ und Bezirks⸗Polizeibehörden einen Abgeordneten an der Theilnahme der Sitzungen ver⸗ hindern können, oder die Erlaubniß zur Verhastung zu verweigern und sich damit schuldig zu machen, ein fort⸗ gesetztes Vergehen zu befördern und sich zum Theilnehmer an demselben zu machen. Der Reichstag und kein Parlament könne sich in diesem Fall einer Entscheidung entziehen. Solche Dinge könne man wohl, wenn es sich um individuelle Rechts⸗ fragen handele, der Entscheidung der Gerichte überlassen, aber nicht, wenn es sich um die ö eines Parla⸗ mentes handele. Man könne auch nicht die Regel anwenden, daß das Spezialgesetz dem generellen vergehe, denn es handele sich nicht um eine kriminalistisch⸗technische Frage, sondern um eine Frage der Kompetenz. Das Sozialistengesetz sei keine Vorschrist für den Abg. Pritzsche, sondern ein Polizeigesetz, welches den Polizeibehörden gewisse Befugnisse beilege. Behörden, welche auf Grund dieses Gesetzes Verfügungen
erlassen, repräsentiren nicht die Autorität des Gesetzes, sondern nur ihre eigene Autorität. Solche Verfügungen treten häusig in Widerspruch unter einander, und hier gelte unbedingt der Grundsatz, daß die höhere Kompetenz der niedrigeren derogire. Die höchste Autorität des Deutschen Reiches, der Kaiser, berufe die Abgeordneten, ihre öffentlichen Funktionen zu erfüllen im höchsten Rathe der Krone und gegen diese höchste Ordre solle eine Contreordre erlassen wer⸗ den können von dem Chef einer Bezirks⸗ oder Ortspolizei! Was würde aus den Parlamenten der Welt geworden sein, wenn sie nicht den Muth gehabt hätten, solchen Versuchen der Lokalpolizei mit Entschiedenheit entgegenzutreten. Ein Parlament könne in einem Falle wie dem vor⸗ liegenden niemals die Genehmigung zur strafrecht⸗ lichen Verfolgung ertheilen. Für ihn (den Redner) sei es aber das Dringendste, nicht nur diese Genehmigung zu ver⸗ sagen, sondern noch ein ernstes Wörtchen hinzuzufügen, um zu zeigen, daß es sich nicht blos um eine harmlose Frage andele, sondern um eine für die Würde des Hauses ent⸗ cheidende Frage. Es sei das erste Mal, daß er das Wort: „Würde des Hauses“ hier ausspreche; aber wenn jemals ein Bedürfniß dazu vorhanden gewesen, so sei es heute der Fall. Seiner Meinung nach hätte die Regierung diese Vorlage aus Achtung für das Haus gar nicht einbringen sollen; wenn das Haus aber die Nr. 2 annehme, so sei das das Mindeste, was es thun könne. Der Versuch, dem deutschen Parlamente durch Versügungen der Berliner Polizei beizukommen, müsse scharf urückgew esen werden, und das Haus könne es nicht scharf genug thun. 1u““ . 8
Hierauf wurde die Diskussion geschlossen. Bei der Ab⸗ stimmung wurde der Antrag Rickert, ad 1, die Ermächtigung zur strafrechtlichen Verfolgung und sofortigen Verhaftung der Abgg. Fritzsche und Hasselmann zu versagen, mit großer Majorität angenommen. Der Passus 2 des Antrages Rickert gelangte ebenfalls zur Annahme, worauf sich das Haus um 4 Uhr vertagte. —
— In der heutigen (6.) Sitzung des Reichstages, welcher der Präsident des Reichskanzler⸗Amts, Staats⸗Minister Hofmann, die Staats⸗Minister von Bülow, Graf zu Eulen⸗ burg und mehrere Bevollmächtigte zum Bundesrath bei⸗ wohnten, ging zunächst folgendes Schreiben des Reichs⸗ kanzlers ein:
„Der Bundesrath hat in seiner Sitzung vom 26. September v. J. zu Mitgliedern der Reichsschuldeakommission aus den Mit gliedern seines Ausschusses für Rechnungswesen den Großherzoglich hessischen Staatsrath Dr. Neidhardt und den Herzoglich braunschweig⸗lüneburgischen Wirklichen Geheimen Rath von Liebe und zur Verstärkung der Reichsschuldenkommission den Kaiserlichen Staatssekretär, Wirklichen Geheimen Rath Dr. Friedberg und den Großherzoglich mecklenburgischen Geheimen Legations⸗Rath von Prollius für b Dauer der gegenwärtigen Session des Bundesraths wieder⸗ ewahlt. Außerdem ist als Vorsitzender des Ausschusses für Rechnungs⸗ wesen der Königlich preußische Wirkliche Geheime Ober⸗Finanz⸗ Rath und Ministerial⸗Direktor Meinecke, Mitglied der Reichs⸗ schuldenkommission, gewählt worden.“
Bei der Wahl des zweiten Vize⸗Präsidenten wurden 210 Stimmzettel abgegeben, von denen 11 unbeschrieben waren. Abg. Dr. Lucius (Erfurt) erhielt 122, Abg. von Seydewitz 75 Stimmen; 2 Stimmen waren zersplittert. Der Abg. Dr. Lucius ist somit zum zweiten Vize⸗Präsidenten gewählt und nahm die Wahl dankend an.
Bei Schluß des Blattes ergriff zur Einleitung der ersten Berathung des Handelsvertrages zwischen Deutschland und Oesterreich⸗Ungarn der Bevollmächtigte zum Bundesrath, Staats⸗Minister von Bülow, das Wort.
— Im weiteren Verlaufe der gestrigen Sitzung des Herrenhauses bemerkte Herr von Knebel⸗Döberitz, es be⸗ stehe kein Zweifel darüber’, daß die Finanzlage eine be⸗ dauerliche sei. Sie sei das Thermometer für die wirth⸗ schaftlichen Verhältnisse. Nach dreimonatlicher Berathung habe das Abgeordnetenhaus ziemlich einstimmig den dringenden Wunsch nach Vereinfachung der Verwaltungsprinzipien zu erkennen gegeben. Die Gründe für diese komplizirten Ver⸗ hältnisse des Staates seien in dem Mangel an Selbst⸗ erkenntniß und Selbstbeherrschung zu suchen, der seit 1871 Platz gegriffen habe. Das Alles könne sich nur än⸗ dern, wenn Verwaltungsprinzipien geändert würden. Wenn schon alle diese Erwägungen ihn hätten ver⸗ anlassen können, gegen den Etat zu stimmen, habe er doch nicht den Muth, durch ein solches Votum die Staats⸗ maschine auf ungewisse Zeit zum Stillstand zu bringen. Früher habe mandie Kirche als den Fels bezeichnet, an dem das Narrenschiff der Neuzeit zerschellen werde; das könne man leider jetzt nicht mehr in vollem Maße sagen. Dennoch habe er die Hoffnung, daß noch ein Fels bestehe, der Schutz gewähre — der Fels der Pietät gegen das angestammte Herrscherhaus. Er hoffe, daß wir dahin gelangen würden, die Menschen nicht mehr als Engel, sondern als Menschen zu behandeln. Dann würden wir auch in die Lage kommen, dem gegenwärtigen Uebel die Spitze ab⸗ ubrechen. Baron Senfft von Pilsach erklärte, daß er gegen den Etat stimmen werde. Herr von Kleist⸗Retzow bemerkte dem Finanz⸗Minister, daß es mit Art. 109 der Verfassung nicht vereinbar sei, wenn man den jetzigen Bestand der Steuern un⸗ angreifbar fixire und nur die künftige Steigerung der Ein⸗ nahmen durch Quotisirung wandelbar mache. Damit könne as Abgeordnetenhaus, wenn es im Einverständniß mit der Staatsregierung handle, auch eventuell eine Steuer⸗ vermehrung beschließen, das Herrenhaus aber könne sich nimmermehr in eine dagegen vollständig impotente Lage bringen lassen. Er wünsche, daß in diesen Fragen eine voll⸗ ständige Einigung zwischen den gesetzgeberischen Faktoren
batte wurde darauf geschlossen. In der
bei dem Kapitel über die Eisenbahn⸗
erwaltung Graf Udo zu Stolberg das Wort. In dem
anderen Hause sei die Rentabilität der Staatseisenbahnen angezweifelt, vom Handels⸗Minister jedoch diese Meinung wiederlegt worden. Er wolle nur konstatiren, daß wenn ie Staatsbahnen in der That nicht die gewünschte
Rentabilität ergäben, der Grund dafür nicht dem Staatsbahn⸗ ystem, sondern dem jeßt bei uns bestehenden gemischten System beizumessen sei. Die gutrentirenden Strecken befänden ich in Privatbesitz und die Aktionäre steckten die Dividenden n die Tasche, die unproduktiven Strecken dem Staat über⸗ assend. Der Redner wendete sich alsdann zur Tariffrage und machte den Handels⸗Minister darauf aufmerksam, daß es
11“
herbeigeführt werde.
ö“
11“ 5 “ 1““
trotz des Bestrebens des Handels⸗Ministers und des Reichs⸗ kanzlers, das Tarifunwesen zu beseitigen, dennoch den öster⸗ reichischen Bahnen mit Hülfe des neuen Handelsvertrages ge⸗ lungen sei, für den Holzverkehr namentlich, diese Bestrebungen zu umgehen. Der Redner citirte mehrere Beispiele, um seine Meinung zu begründen. Der Staats⸗Minister Maybach erklärte sich ereit, der angeregten 18 gg näher zu treten. Freiherr von Mirbach bat den Minister gleichfalls, dem Tarifwesen sein Augenmerk zuzu⸗ wenden. Die Landwirthschaft sei bereit, auf eine Steuerreform einzugehen, auch Schutzzölle zu gewähren, werde sich aber ihre Konsumartikel nur vertheuern lassen, wenn ihr in gleicher Weise ein mäßiger Schutz für ihre Erzeugnisse gewährt werde. Fürst zu Nsenburg ersuchte den Minister, den Differenzialtarifen für Holzbeförderung sein Augen⸗ merk zuzuwenden. Graf Lehndo erklärte gegenüber den Aeußerungen des Freiherrn von Mirbach, daß dieser nicht der Ansicht der gesammten Bewohner Ostpreußens Ausdruck gegeben. Viele dieser Bewohner ständen auf dem entgegengesetzten Standpunkt und würden gegen jeden Schutz⸗ zoll stimmen. Freiherr von Mirbach bemerkte hiergegen, er ben allerdings nicht im Namen des Handels und der See⸗ andelsplätze, wohl aber im Namen vieler landwirthschaftlichen Vereine und Landwirthe gesprochen. Herr Theune konstatirte, daß man auch bei Einführung des Staatsbahnsystems ohne Diffe⸗ renzialtarife nicht auskommen werde, wenn man nicht die Interessen der Steuerzahler schädigen wolle. Redner wies weiter darauf hin, daß selbst bei einer Ausdehnung des Staatsbahnnetzes nach diesem Prinzip verfahren und von Fall zu Fall entschieden werden müsse.
Ohne weitere bemerkenswerthe Debatte wurden sodann der Etat und der Gesetzentwurf, betreffend die Feststellung des Staatshaushalts⸗Etats pro 1879/80 angenommen.
Bei dem Gesetzentwurf, betreffend die Ergänzung der Einnahmen in dem Staatshaushalts⸗Etat für das Jahr vom 1. April 1879/80 erklärte Baron von Senfft⸗Pil⸗ sach, daß er gegen dieses Gesetz stimmen werde. Herr von Knebel⸗ Döberitz bemerkte, daß dies bei der augenblicklichen Zwangslage des Staates nicht zulässig sei. Nachdem auch Graf Brühl den Baron Senfft ermahnt, jetzt, da die einzelnen Positionen des Etats genehmigt seien, von dem Widerspruch Abstand zu nehmen, wurde das Gesetz mit allen gegen die Stimme des Baron von Senfft angenommen. Der zweite Gegenstand der Tagesordnung war der Be⸗ richt derselben Kommission über den Gesetzentwurf, betreffend Abänderung der gesetzlichen Bestimmungen über die Zuständigkeit des Finanz⸗Ministers, des Ministers für die landwirthschaftlichen Angelegen⸗ heiten und des Ministers für Handel, Gewerbe und öffentliche Arbeiten. Auf Antrag des Referenten 8ne. Lippe wurde dieser Gesetzentwurf ohne Diskussion genehmigt.
s folgte der mündliche Bericht derselben Kommission über die Uebersicht von den Staatseinnahmen und Aus⸗ gaben des Jahres vom 1. April 1877/78 nebst Anlagen und der dazu gehörigen Denkschrift. Die Kommission be⸗ antragte durch ihren Referenten Grafen von der Schalenburg⸗ Angern, die nachträgliche Genehmigung zu ertheilen, und das Haus trat ohne Debatte dem Antrage bei.
Vierter Gegenstand der Tagesordnung war der münd⸗ liche Bericht derselben Kommission über die allgemeine Rechnung über den Staatshaushalt des Jahres 1875 nebst den dazu gehörigen Anlagen, einem Vorbericht und den Bemerkungen der Ober⸗Rechnungskammer sowie die Rechnung über die Fonds des ehemaligen Staatsschatzes für dasselbe Jahr. Der Referent Eraf von der Schulenburg⸗ Angern empfahl die Annahme der von dem Abgeordnetenhause in Bezug auf diese Vorlage gefaßten Beschlüsse, und das Haus trat diesen Anträgen ohne jede Debatte bei.
Der letzte Gegenstand der Tagesordnung war die ein⸗ malige Schlußberathung über den dreißigsten Bericht der Staatsschulden⸗Kommission. Der Berichterstatter Graf von der Schulenburg⸗Angern empfahl auch hier in Uebereinstimmung mit den Beschlüssen des Abgeordnetenhauses, der Hauptverwaltung der Staatsschulden die Decharge zu er⸗ theilen, und das Haus beschloß diesem Antrage gemäß. (Schluß der Sitzung 2 ¾ Uhr.)
— In der heutigen (17.) Sitzung des Herren⸗ hauses, welche der Präsident, Herzog von Ratibor, um 12 ¼ Uhr eröffnete und welcher der Vize⸗Präsident des Staats⸗ Ministeriums Graf zu Stolberg⸗Wernigerode und die Staats⸗ Minister Dr. Leonhardt, Graf zu Eulenburg, Maybach und Hobrecht, sowie mehrere Regierungskommissarien beiwohnten, trat das Haus sofort in die Tagesordnung, deren erster Ge⸗ genstand die Fortsetzung der am Donnerstag ab⸗ gebrochenen Debatte über den Gesetzentwurf, betref⸗ fend die Erweiterung der durch das Gesetz vom 20. April 1869 für das Anlagekapital einer Eisenbahn von Finnentrop über Olpe nach Rothe Mühle im Biggethal übernommenen Zins⸗ garantie war. Die Debatte leitete der Handels⸗Minister Maybach ein. Er habe sich dem Gesetzentwurfe gegenüber, trotz der Befürwortung des Abgeordnetenhauses, sehr skeptisch verhalten, jedoch müsse er ihn aus objektiven Gründen empfehlen. Das Interesse der Bergisch⸗Märkischen Bahn an diesem Unternehmen sei ein sehr sekundäres; es sei ihr unter einer ganz anderen Konstellation förmlich aufgedrungen worden. Die Bergisch⸗Märkische Bahn habe — im Gegensatz zu vielen anderen Bahngesellschaften — viele Unternehmungen von allgemeinem Interesse ohne jede Staatsunterstützung ge⸗ schaffen. Nur die Ruhr⸗Sieg⸗Bahn bilde eine Ausnahme, zu dieser aber seien Staatszuschüsse nicht mehr nothwendig. Außerdem aber sei bei dieser 9* weder von der Staats⸗ regierung noch von der Eisenba ngesellschaft ganz korrekt verfahren worden, die Regierung habe stets die Gesellschaft gedrängt, den Bau auszuführen und die Königliche Direktion, welche die Bahn verwalte, sei einem Druck von Oben zugäng⸗ licher als eine Privatdirektion. Auch wenn die sich in Privathänden befände, würde er eine solche Vorlage befürwor⸗ ten, denn das nicht fertige Bahnstück Finnentrop⸗Olpe⸗Rothe Mühle sei eben der befruchtende Theil der ganze Strecke. Er bitte deshalb, dem Kommissionsantrage zuzustimmen.
Zu bem Antrage der Kommission auf Genehmigung der Zinsgarantie hat, wie bereits früher erwähnt, Herr von Behr⸗ Schmoldow den Antrag gestellt, im §. 3 des Gesetzes am Schluß folgenden Zusatz zu machen:
1Je ge und vor Allem leistet bei Zinsausfällen die Eigen⸗ thümerin der Bahn, die Bergisch⸗Märkische Eisenbahn, einen Zu⸗
nuar 1879 auf der d am 20. dess. Mts. die Reise nach Valparaiso fortzusetzen.
1“ 6 “ 8 111*“ 8
Außerdem hatte sich derselbe Antragsteller in seiner Rede
vom Dienstag für gänzliche Verwerfung der Vorlage ausge⸗ sprochen. Herr Theune bedauerte, daß von Herrn von Behr dieser Antrag gestellt sei, der Landtag habe einmal A gesagt, also müsse er auch B sagen. Die moralischen Gründe, welche für die Bewilligung der Zinsgarantie sprächen, seien ganz bedeutend. Sollte das Herrenhaus im entscheidenden Moment anders urtheilen als die Staatsregierung? er könne das nicht annehmen. Herr von Simpson⸗Georgenburg wies darauf hin, daß der Minister für die Vorlage weder politische noch moralische Gründe geltend gemacht habe, er könne die Billigkeitsgründe, von denen der Minister gesprochen, nicht gelten lassen. Angesichts der gedrückten finanziellen Lage, Angesichts des Defizits im Budget und An⸗ gesichts der fortwährend im Wachsen begriffenen Kommunal⸗ abgaben müsse man jeden Groschen sparen, dessen Ausgabe nicht absolut nothwendig sei. Er bitte, die geforderte Zins⸗ garantie abzulehnen, ein solcher Beschluß werde Wiederhall im ganzen Lande finden. — Der Regierungskommissar Geheime Ober⸗Regierungs⸗Rath Fröhlich wendete sich gegen die von Herrn von Behr vorgestern erhobenen Bedenken; diese habe Herr von Behr auch schon in der Kommission vorgebracht, ohne jedoch einen Erfolg zu finden. Redner legte die Vorgänge, wie sie in Bezug auf diese Bahn sich entwickelt hätten, dem Hause dar; es gehe daraus hervor, daß die Regierung ganz erhebliche mora⸗ lische Verpflichtungen habe. Ursprünglich habe es in der Absicht der Staatsregierung gelegen, für die ganzen Bahn⸗ strecken, die hier in Betracht kämen, die Zinsgarantie zu übernehmen. Herr Bredt dankte dem Minister für die Vor⸗ lage, um deren Genehmigung er das Haus bat. Die Bahn werde jener armen Gegend es ermöglichen, ihre Produkte zu verwerthen. Graf Rittberg erklärte, daß er gern bereit sei, später die Zinsgarantie zu bewilligen, jetzt aber seien noch viele andere Dinge zu bewilligen, die wichtiger seien, als diese Bahn. Herr von Dechend bemerkte, eine im Sinne des Herrn von Simpson angewendete Sparsamkeit sei eine Sparsamkeit auf Kosten Anderer. Nach⸗ dem noch Baron Senfft von Pilsach für Ablehnung gesprochen, bat Graf Brühl, die Genehmigung auszusprechen, denn das Haus habe durch die frühere Genehmigung sich jetzt gebunden, und seine Ehre, wie auch die Ehre des Staats erfordere, daß man Wort halte. Die Generaldiskussion wurde hierauf ge⸗ schlossen. (Schluß des Blattes.)
— In der heutigen (57.) Sitzung des Hauses der Abgeordneten, welcher der Minister des Innern, Graf zu Eulenburg, und mehrere Regierungskommissarien bei⸗ wohnten, trat das Haus nach einer Erklärung des Abg. Hundt von Hafften, worin er bezüglich seiner neulichen Angriffe ge⸗ gen die namhaft gemachten Landräthe des Weiteren zu be⸗ gründen suchte, daß er, von der persönlichen Integrität jener Herren durchaus überzeugt, lediglich das von diesen Herren befolgte Verwaltungssystem zum Gegenstande seines Angriffes habe machen wollen, in die dritte Berathung des Gesetz⸗ entwufs, betreffend die Rechtsverhältnisse der Studirenden und die Disziplin auf den Landes⸗ universitäten, der Akademie zu Münster und dem Ly⸗ ceum Hosianum in Braunsberg. Es erhob sich zunächst eine Debatte über die Frage, ob der vom Herrenhause zu §. 6 beschlossene Zusatz, wonach die von den Gerichten gegen Studirende erkannte Freiheitsstrafe bis zu zwei Wochen auf Antrag der gerichtlichen Behörden auf dem akademischen Karcer verbüßt werden kann, ein Verstoß gegen die Reichsjustizgesetze sei, welche die akademische Gerichtsbarkeit aufgehoben haben, oder ob es aus Zweckmäßigkeitsgründen zulässig und an⸗ gezeigt sei, diese Bestimmung aufrecht zu erhalten. Während die Abgg. Dirichlet, Zelle, Dr. Köhler (Göttingen), Dr. Mommsen und Dr. Lasker sich zur ersteren Ansicht be⸗ kannten und demgemäß die Streichung der Bestimmung wünschten, waren die Abgg. von Meyer (Arnswalde), Fiebiger, Lindthorst (Meppen) und Dr. Gneist der entgegengesetzten Ansicht. Der Regierungskommissar Geheime Regierungs⸗Rath Dr. Göppert erklärte, daß der Justiz⸗ Minister in der Kommission des Herrenhauses durch seinen Kommissar die Erklärung habe abgeben lassen, daß er die von dem Herrenhause angenommene Bestimmung für rechtlich unzulässig und gegen die verstoßend halte. Diese Ansicht theile auch der Kultus⸗Minister. Der Abg. Dr. Lasker konstatirte, daß nach dieser Erklärung im Falle der Annahme dieser Bestimmung durch das Haus die Regierung nicht das Gesetz publiziren dürfe. Die Be⸗ stimmung wurde mit 135 gegen 115 Stimmen aufrecht erhalten. Zu §. 15 wurde der Antrag des Abg. Dr. Burg und Genossen angenommen, welcher lautet:
„Das Haus der Abgeordneten wolle beschließen: Dem §. 15 als Absatz 1 hinzuzufügen: Ein Studirender kann von den ihm in dieser Eigenschaft zustehenden Rechten durch Entscheidung des Se⸗ nats ausgeschlossen werden, so lange gegen ihn ein gerichtliches Siraserfas n wegen eines Verbrechens oder Vergehens schwebt, wegen dessen auf den Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte erkannt werden kann.“
Im Uebrigen wurde das Gesetz unverändert ange⸗ nommen. Der Gesetzentwurf, betreffend die Hessische Brandversiche⸗ rungs⸗Anstalt in Cassel wurde in der Fassung des Herren⸗ hauses angenommen. Das Haus erledigte hierauf eine Reihe von Petitionen. (Schluß 12 ½ Uhr.)
— Die in der heutigen Börsen⸗Beilage abgedruckte tabellarische Uebersicht der Wochenausweise deutscher Zettelbanken vom 15. d. M. schließt mit folgenden summarischen Daten ab: Es betrug der gesammte Kassenbestand 666 535 000 ℳ oder 15 288 000 ℳ mehr als in der Vorwoche, während der Wechselbestand mit 529 129 000 ℳ eine Abnahme um 15 996 000 ℳ und die Lombardforderungen mit 78 302 000 ℳ eine solche um 1 600 000 ℳ nachweisen; es betrug ferner der Notenumlauf 729 225 000 ℳ oder 3 628 000 ℳ weniger als in der Vorwoche, während die son⸗ stigen täglich fälligen Verbindlichkeiten in Höhe von
253 213 000 ℳ eine Zunahme um 5 555 000 ℳ und die an eine Kündigungsfrist gebundenen Verbindlichkeiten im Betrage von 51 346 000 ℳ eine solche um 896 000 ℳ er
kennen lassen. .
— S. M. gedeckte Korvette „Bismarck“, 16 Geschütze
Kommandant Korv.⸗Kapt. Deinhard, ist am 8. Dezember 1878
von Funchal (ese in See gegangen, ankerte am 12. Ja⸗ 8 Rhede von Montevideo und beabsichtigte
schuß von ½ % des im §. 2 dieses Gesetzes festgestellten Bau⸗ kapitals“. 6-
S. M. Panzerkorvette nandant Korv.⸗Kapt. Heu⸗
„Hansa“, 8 Geschütze, Kom⸗ 8 nd S. M. Glattdeckskorvette
“