1879 / 47 p. 3 (Deutscher Reichsanzeiger, Mon, 24 Feb 1879 18:00:01 GMT) scan diff

ö

Der militärische Kritiker der „Times“ skizzirt die gegenwärtige Lage auf dem Kriegsschauplatze am Cap, wie folgt:

„Oberst Pearson steht mit der ersten Kolonne verschanzt in Ekowe, mit einem befestigten Posten in Inyoni; der ganze Lauf der Flüsse Tugela und Buffalo, soweit er das Zulu⸗ Territorium begrenzt, wird von starken Detachements in Fort Williamson, Fort Pearson, Fort Buckingham und Rorkes Drift bewacht. Nachdem Oberst Wood dem Feinde eine Niedexlage beigebracht, war er im Einklange mit der retrograden Bewegung des kommandirenden Generals genöthigt, sich nach Utrecht zurückzu⸗ ziehen. Die Linie im Rücken der vorgeschobenen Forts ist durch Truppen in Durban, Greytown, Pietermaritzburg und Ladysmith, mit Verbindungen im Fort Stanger und Help⸗ makaar, gleichfalls gut behauptet. Dies ist der wirkliche Stand der Angelegenheiten; und wenn wir uns erinnern, daß Lord Chelmsford inzwischen bereits durch das 88. Regiment und einen Flügel des 4. Königs⸗Regiments verstärkt worden ist, dann kann nur eine Meinung darüber herrschen, daß er zur Vertheidigung gut befähigt ist, bis weitere Truppen aus England ankommen.“

Frankreich. Paris, 23. Februar. Das heutige „Journalofficiel“ veröffentlicht die Ernennung des bis⸗ herigen Civil⸗General⸗Gouverneurs von Algerien, Generals Chanzy, zum Botschafter in St. Petersburg an Stelle des Generals Le Flô, des Vize⸗Admirals Po thuau zum Bot⸗ schafter in London an Stelle des Marquis d'Harcourt, sowie des früheren Handels⸗Ministers Teisserenc de Bort zum Botschafter in Wien an Stelle des Marquis de Vogué.

Versailles, 22. Februar. (W. T. B.) Bei der heu⸗ tigen Wahl der Budgetkommission haben alle Abthei⸗ lungen der Deputirtenkammer sich in einem der Kon⸗ vertirung der Rente günstigen Sinne ausgesprochen und der Regierung anheimgestellt, den dafür geeignetsten Zeitpunkt zu wählen. Die Kammer hat ihre nächste Sitzung auf kommenden Donnerstag anberaumt.

Im Senat wurde der Amnestie⸗Gesetzentwurf vor⸗ gelegt und zu demselben die Dringlichkeit beschlossen.

Spanien. Madrid, 21. Februar. (Ag. Hav.) Die Frage wegen der Auflösung der Cortes wird erst nach An⸗ unft des Generals Martinez Campos entschieden werden, der am 26. d. M. hier zurückerwartet wird.

Portugal. Lissabon, 21. Februar. (Allg. Corr.) Die Cortes haben die ministerielle Maßregel gut geheißen, welche das portugiesische Guinea (Bolama als Hauptstadt) mit geeigneten Vertheidigungs⸗ und Verwaltungsmitteln zu einer Provinz erhebt.

Italien. Rom, 22. Februar. (W. T. B.) Der Minister⸗Präsident Depretis hat das Comité der italienischen Besitzer türkischer Werthpapiere empfangen und bei dieser Gelegenheit die Zusage ertheilt, daß er die Rechte der italienischen Gläubiger der Türkei nicht allein in Konstantinopel, sondern auch bei den übrigen Signatarmächten des Berliner Vertrages unterstützen werde.

Der Papst empfing heute eine aus etwa tausend Per⸗ sonen bestehende, verschiedenen Nationalitäten angehörige Deputation von Vertretern der katholischen Presse, bei welcher sich auch mehrere Bischöfe befanden, und nahm von derselben Ergebenheits⸗ und Glückwunschadressen, sowie Albums und Peterspfennigsgaben entgegen.

Rußland und Polen. St. Petersburg, 23. Februar.

(W. T. B.) General Graf Loris⸗Melikoff meldet aus Zarizin, vom 22. d. Mts.: Im Gourernement Astrachan, in den Bukejewschen Distrikten und in den übrigen infizirten Ortschaften sindkeineneuen ErkrankungenoderSterbe⸗ fälle an der Epidemie vorgekommen. Graf Orloff und der Bevollmächtigte der Gesellschaft des rothen Kreuzes, Pissareff, sind in Wetljanka eingetroffen und wurden von den Einwohnern mit Jubel empfangen. Heute ist der 31. Tag seit dem letzten Sterbefall an der Epidemie in Wetljanka. Der vor einem Monat aus O dessa hierher ent⸗ sendete Arzt, Woinalowitsch, ist gestern gestorben. Wie ärzt⸗ lich konstatirt worden ist, erfolgte sein Tod durch in Folge

chronischer Nierenentzündung eingetretene Entkräftung

24. Februar. (W. T. B.) General Graf Loris⸗ Melikoff meldet aus Zarizin, vom 23. d. M.: Es sind keine neuen Erkrankungs⸗ oder Sterbefälle an der Epidemie vorgekommen. Die unter dem Vorsitz des Grafen Golenistscheff⸗Kutusoff stehende Kommission zur Ab⸗ schätzung der zu verbrennenden Häuser und der den Eigen⸗ thümern zu leistenden Vergütungen, ist heute von hier nach Starizkoje abgereist. Dieselbe soll zugleich die Einwohner mit Kleidern und Wäschegegenständen versehen, für die Des⸗ infektion der Gräber und die allgemeine Assainisation des Dorfes Sorge tragen und die Umzingelung aufheben, da die auf 42 Tage anberaumt gewesene Quarantäne abläuft.

Warschau, 23. Februar. (W. T. B.) In dem Stande der Weichsel oberhalb Warschau ist neuerdings keine Aenderung eingetreten. Heute soll die Sprengung des Dammes stattfinden. Die Ausführung derselben wird erheblich dadurch daß die Eisschollen bis zum Grunde des Flusses reichen.

24. Februar. Die bereits signalisirte Sprengung des Dammes oberhalb Warschau ist gestern zur Ausführung gelangt, und sind die Eisschollen in Folge dessen größtentheils abgelaufen. Aus Sandomir wird telegraphisch gemeldet, daß dort gestern durch einen Durchbruch des Wassers, sowie durch eine Verstopfung des Eises große Verheerungen an⸗ gerichtet worden sind. Der hiesige Wasserstand ist jetzt niedriger, 8 Fuß 3 Zoll.

Charkow, 22. Februar. (W. T. B.) Gestern Abend

eegen 11 Uhr ist auf den von einem Balle heimkehrenden J““ von Charkow, Fürsten Krapotkin, mit einem Revolver geschossen worden. Der Fürst ist schwer verwundet. Auf den Thäter wird gefahndet. 23. Februar. Der Zustand des verwundeten Gouver⸗ neurs, Fürsten Krapotkin, ist sehr gefährlich.

Bulgarien. Tirnowa, 23. Februar. (W. T. B.) Der russische Kommissar, Fürst Dondukoff⸗Korsakoff, hat heute die bulgarische Notabeln⸗Versammlung mit einer Rede eröffnet, in welcher er hervorhob, daß der Versammlung das Recht zustehe, dem Lande seine definitiven Institutionen zu geben, das organische Statut zu berathen und, wenn noth⸗ wendig, etwaige Abänderungen desselben vorzunehmen, und daß die Versammlung sich über alle Fragen durchaus frei aussprechen könne. Zugleich theilte derselbe der Versammlung mit, daß seine Räthe, Drinoff und Lucianoff, von ihm be⸗

8

S

auftragt seien, auf etwaige Anfragen, welche die Versammlung

zu stellen habe, Antwort und Auskunft zu ertheilen. Nach der Sitzung fand ein Bankett statt, an welchem die Kommissare der Mächte Theil nahmen. Fürst Dondukoff⸗Korsakoff hielt eine Revue über die bulgarischen Truppen ab.

Kunst, Wissenschaft und Literatur.

Leipzig, 22. Februar. (Allg. Ztg.) Bei der gestrigen Savigny⸗Feier in der Aula der Universität hielt der Geheimrath Windscheid die Festrede. Der Justiz⸗Minister von Abeken und der Kultus⸗Minister von Gerber waren anwesend. Der Dekan der juristischen Fakultät promovirte aht Ehrendoktoren, darunter den Minister von Abeken, den Präsidenten und verschiedene Mitglieder des Dresdener Ober⸗Appellhofes und des Reichs⸗Ober⸗ Handelsgerichts. Abends fand ein Festkommers statt, bei welchem Professor Kuntze als Festredner fungirte.

Der Krieg zwischen den Engländern und den Zulukaffern lenkt die Aufmerksamkeit wiederum auf das seiner Zeit an dieser Stelle besprochene Werk von Ernst v. Weber „Vier Jahre in Afrika“ (Leipzig, F. A. Brockhaus). Der Verfasser hat die Ver⸗ hältnisse in Südafrika aus eigener langjähriger Anschauung kennen gelernt und schon vor zwei Jahren den baldigen Ausbruch eines neuen Kampfes der Engländer gegen das Reich des Ketschwayo als unvermeidlich angesehen. Wir verweisen jeden, der einen klaren Einblick in die dortigen verwickelten Zustände gewinnen will, auf das Webersche Werk, dessen reicher Inhalt auch nach anderen Seiten ihn viel Neues und Wissenswürdiges darbietet.

Gewerbe und Handel.

In der zweiten und letzten Versammlung der Spiritus⸗ fabrikanten Deutschlands am 22. d. M. sprach der Ritter⸗ gutsbesitzer Kiepert (Martenfelde) über die Denaturirung des Spiritus für gewerbliche Zwecke, alsdann Professor Dr. Märcker über die Grenzen der Dickmaischung und Amtsrath Bodenstein über Spiritus⸗ handel nach Gewicht.

Die vorgestrige außerordentliche Generalversammlung der Berliner Brauerei⸗Gesellschaft (Tivoli) war von ca. 150 Aktionären besucht, welche ca. 2 700 000 Aktien vertraten. Bei der Wahl wurden die in der vorigen Generalversammlung gewählten Aufsichtsrathsmitglieder C. Hentz, H. Köppen, Quednau und C. Holtz wiedergewählt.

Der Verwaltungsrath der Preußischen National⸗ Versicherungsgesellschaft in Stettin hat die Dividende pro 1878 auf 18 % oder 54 pro Aktie festgesetzt.

Aus Nordhausen wird der „B. Börs. Ztg.“ berichtet, daß der Verwaltungsrath der Nordhausener Tapetenfabrik⸗ Attiengesellschaft beschlossen hat, für das Jahr 1878 eine Di⸗ vidende von 4 % zur Vertheilung zu bringen.

In der außerordentlichen Generalversammlung der Mägde⸗ prung⸗Neudorfer Silber⸗ und Eisenhütten⸗Gesell⸗ schaft vom 22. d. M. wurde die Liquidation der Gesellschaft be⸗ schlossen und ein Liquidator gewählt. Die Versammlung brauftragte den Liquidator, die Möglichkeit der Umwandlung der Aktiengesell⸗ schaft in eine Gewerkschaft in Erwägung zu ziehen.

Dresden, 23. Februar. (W. T. B.) Der Verwaltungsrath der Sächsischen Bank hat in seiner heutigen Sitzung beschlossen, der zum 17. März d. J. einberufenen Generalversammlung für das Jahr 1878 eine der vorjährigen Dividende gleiche Dividende von 5 ¾ % vorzuschlagen.

Wien, 22. Februar. (W. T. B.) Die Bodenkredit⸗ anstalt hat heute in Verbindung mit dem Wiener Bankverein die Goldprioritäten der Albrechtsbahn im Betrage von 4 Mill. Fl. käuflich erworben. Der Eisenbahnausschuß beschloß, die Beschlußfassung über die die Mährische Grenzbahn betreffende Vorlage zu vertagen und einen Gesetzentwurf zu beantragen, durch welchen die Regierung ermächtigt wird, der Mäbrischen Grenzbahn einen unverzinslichen Vorschuß von 75 000 Fl. behufs Einlösung der im Jahre 1879 fälligen Coupons der Prioritäten zu gewähren.

Glasgow, 22. Februar. Die Vorräthe von Roheisen in den Stores belaufen sich auf 213 700 Tons gegen 170 300 Tons im vorigen Jahre. Zahl der im Betrieb befindlichen Hochöfen 88 gegen 87 im vorigen Jahre.

Paris, 22. Februar. (W. T. B.) Der belgische Finanz⸗ mann Philippart, der sich wegen verschiedener Bank⸗ und Eisenbahnangelegenheiten die gerichtliche Verfolgung zugezogen hatte, ist heute von dem hiesigen Zuchtpolizeigerichte freigesprochen

worden. Verkehrs⸗Anstalten.

Am 12. d. Mts. ist die zur westfälischen Eisenbahn gehörige, 3,53 km lange Bahnstrecke Bismart⸗Hugo für den Güterverkehr in Wagenladungen eröffnet worden.

Chemnitz, 24. Februar. (W. T. B.) In Folge des seit gestern Mittag ununterbrochen anhaltenden heftigen Schneefalles ist der Eisenbahnverkehr gehemmt, namentlich sind die Eisenbahnzüge der Linien Annaberg und Riesa ausgeblieben.

Triest, 22. Februar. (W. T. B.) Der Lloydpostdampfer „Venus“ ist heute Vormittag 10 ¼ Uhr aus Konstantinopel hier eingetroffen.

Berlin, den 24. Februar 187u.

Im großen Saale des „Englischen Hauses“ (Mohrenstraße 49 wurde heute Vormittag von dem bisherigen Vorsitzenden, Amtsrat Schütze (Heinsdorf) der zehnte Kongreß deutscher Land⸗ wirthe mit einem Hoch auf Se. Majestät den Kaiser eröffnet. Die Betheiligung an dem Kongresse war eine zahlreiche: es hatten sich 250 Landwirthe aus allen Theilen Deutschlands eingefunden. Nachdem Amtsrath Schütze (Heinsdorf) zum ersten, Frhr. v. Thüngen (Roßbach) zum zweiten und Graf Udo zu Stolberg⸗Wernigerode zum dritten Vorsitzenden gewählt worden war, referirte Direktor A. Gehren (Potsdam) über die Stellung der Landwirthschaft zu den wirthschaftlichen Reformplänen des Reichskanzlers.

(Nat.⸗Z.) Auf Veranlassung des Ausschusses, welchen die Stadt⸗ verordnetenversammlung für die bgr. der Verhältnisse der Tegeler Wasserwerke eingesetzt hat, hat das Kuratorium der Wasserwerke den Botaniker Professor Dr. Brefeldt mit der Unter⸗ suchung des Tegeler Wassers und seiner Organismen beauftragt. Hr. Brefeldt hat den Hrn. Dr. Zopf zugezogen, welche jetzt ihren Bericht, der in der nächsten Zeit vellständig gedruckt werden soll, erstattet haben. Das Resultat der Ermittelungen ist, daß die Algen (Leptothrix), die sich im Tegeler Wasser fanden, aus den Brunnen und nicht aus dem See kommen, in dem sie bisher noch nicht ent⸗ deckt sind. Es wird deshalb, da die Versuche der iltrirung sehr günstig ausgefallen sind, die Erbauung mehrerer Filter schon in nächster Zeit stattfinden müssen.

In dem Verein für die Geschichte Berlins hielt am Sonnabend der Stadtgerichts⸗Aktuar Günther einen Vortrag über die Organisation des Berliner Stadtgerichts. In der Mitte des 13. Jahrhunderts erhielten Berlin und Cöln Stadtrechte und damit ein eigenes Stadtgericht, d. h. Befreiung von dem Markgräflichen Landgericht. Das Staͤdtgericht stand unter Leitung eines Schulzen, neben dem eine Anzahl aus der Bürgerschaft ge⸗ wählter Schöffen saß. Daneben bestand aber über gewisse Sachen und Personen eine konkurrirende Gerichtsbarkeit des erwählten Stadtraths, des Markgrafen und des Bischofs fort. Das 1307 für beide Städte gemeinsam eingerichtete Schöppengericht bestand aus 7 Beisitzern, von denen 4 aus Berlin, 3 aus Cölln waren. Der vorsitzende Schulze war Markgräfli mter.

Di

eses Gericht nun gelangte 1391 durch Kauf in den Besitz des Rathes, welcher die Gerichtsbarkeit unumschränkt bis 1442 ausübte und auch auf die umliegenden Dörfer ausdehnte. Im Jahre 1448 verlor bekanntlich der Rath die Gerichtsverwaltung. Er er⸗ hielt sie erst 1508 wieder und behielt sie dann bis 1809. Am 21. Januar 1710 erhielt das Stadtgericht eine ei eene, besondere Ver⸗ fassung, einen aus den 4 Bürgermeistern zu wählenden Direktor und mehrere Richter und Assessoren, von denen die Hälfte lutherisch, die Hälfte reformirt sein mußte. Das allgemeine Stadtgericht bestand aus 12 Personen, außerdem waren angestellt 2 Advocati Curiae, 2 Actuarii, 2 Registratores und mehrere Gerichtsdiener und Boten. Wer aber aus dieser geringen Zahl von Beamten auf eine geringe Anzahl der Prozesse schließen wollte, würde irren. Jedermann konnte nämlich seine Klagen auch beim Magistrat anbringen, Jedermann fand auch noch besondere Untergerichte in den einzelnen Stadttheilen. Unterm 25. Oktober 1728 erschien eine verbesserte Gerichtsverfassung, aber die Sondergerichte (der Zahl nach circa ein Dutzend, die Baukommission für Bauprozesse, die Judenkommission, das Gesinde⸗ amt, das Fabrikgericht, das Porzellanmanufaktur⸗Gericht, das Ober⸗Hof⸗Bau⸗Amtegericht, das Münzgericht, das Justizamt Mühlenhof ꝛc.) blieben; auch die nearedigirte Gerichtsver⸗ fassung von 1770 führte durchgreifende Aenderungen nicht herbei, und erst von 1781 ab vollzogen sich bedeutende Umgestaltungen, deren Spuren noch in der heutigen Verfassung des Stadtgerichts sichtbar sind. Mit der Städte⸗Ordnung von 1808 vollzog sich der bedeutendste Wendepunkt in der Geschichte des Stadtgerichts, das von nun an eine staatliche Behörde wurde, im Namen des Königs Recht sprach und aus dem Rathhause nach der Königstraße 19 verlegt wurde.

Gegenwärtig hat das Stadgericht 3 Abtheilungen. Die 1. Abthei⸗ lung übt die streitige Civilgerichtsbarkeit aus und zerfällt in 31 Unterabtheilungen, von denen 12 besondere, aus 3 Richtern bestehende Gerichtshöfe bilden. Die 10 Prozeß⸗Deputationen hatten im vorigen Jahre 76 019 Prozesse zu bewältigen, wozu die 2. Prozeß⸗Deputation (die über 150 betragenden Wechsel⸗Arrest⸗ und Ermissionssachen) 32 462 lieferte. Die Deputation für Ehesachen hatte nichtmehr als 1333 Ehescheidungssachen zu bearbeiten. Die Bagatellsachen wer⸗ den gegenwärtig in 27 Seklionen bearbeitet. Im vorigen Jahre waren 107 888 Bagatell⸗Prozesse anhängig, und an Mandaten, gegen welche keine Einwendung erhoben, sind 61379 erlassen. Hierzu sind nöthig 24 Einzelrichter mit verschiedenen Referendarien. Die Injurienkommission hat durchschnittlich 40 Termine täglich, und die beiden Richter hatten im vorigen Jahre 6231 Injurien zu rächen. Die Thätigkeit der Prozeß⸗Abtheilungen hat sich sonach im Ganzen auf 200 479 Prozesse gesteigert. Beim Handelsgericht fanden 3211 Termine und 4710 Eintragungen im Musterregister statt. Die Re⸗ quisitionskommission hatte 14 654 Requisitionen wegen Vernehmung von Zeugen zu erledigen. Die Exekutionskommission mit 18 Rich⸗ tern, 131 Exekutivbeamten und 10 Inspektoren gewährt einen Ein⸗ blick in die heutigen Verhältnisse. da 584 536 Erekutionsmandate mit 340 181 Kassenmandaten zu erledigen waren. Die nicht strei⸗ tige Gerichtsbarkeit ist ebenfalls sehr bedeutend. Was die Kri⸗ minaljustiz betrifft, so waren im vorigen Jahre 13 568 Personen wegen Verbrechen und Vergehen angeklagt, davon wurden 10 958 verurtheilt und 2008 freigesprochen. Die Anzahl der Vergehen belief sich auf 11 886, die der Verbrechen auf 985, die der Schwurgerichtssachen auf 531, die der Uebertretungen auf 37 477, in Summa auf 50 879 Sachen, gegen 16 077 im Jahre 1872. Untersuchungsgefangene wurden eingeliefert 9858. Zum Schluß ging Redner auf die Einrichtungen ein, die getroffen sind, um dem Publikum den Verkehr mit dem fast verwirrenden Orga⸗ nismus des Stadtgerichts zu erleichtern und schloß mit dem Geld⸗ verkehr. Im vorigen Jahre wurden bei der Kasse 6 336 557 Ge⸗ richtskosten vereinnahmt; 2 907 810 blieben Rest. Gegenwärtig sind 1710 Beamte beim Stadtgericht beschäftigt, davon etatsmäßig 684, Hülfsarbeiter 702, unentgeltlich 250. Zur Bewältigung der Kanzleiarbeiten mußten außer den Beamten noch 411 Lohnschreiber herangezogen werden. Im vorigen Jahre standen Insgesammt 440 620 Termine an und waren 3 538 339 Vorträge zu hearbeiten.

An Professor Nordenskiöld ist aus Helsingfors in Finnland versuchsweise eine aus Briefen und Zeitungen bestehende Sendung abgegangen in der Hoffnung, daß die Behörden in Ost⸗Sibirien auf irgend eine Weise Gelegenheit erhalten könnten, dieselbe weiter⸗ befördern zu lassen. Der General⸗Gouverneur von Finnland hat zu diesem den General⸗Gouverneur von Ost⸗Sibirien um seine Mitwirkung hierzu ersucht. „Helsingfors Dagbl.“ schreibt in Bezug darauf: Da, wenn der Versuch glücken soll, keine Zeit mehr zu verlieren war, so hielt man es für nöthig, die Absen⸗ dung zu beschleunigen, ohne erst beizupackende Briefe aus Schweden abzuwarten. Wie bereits erwähnt, dürften die Behörden in Sibirien über die Lage der Erpedition noch keine direkten Nachrichten erhalten haben. Wenn nicht früher, so dürften solche doch von einem Markte in Ostrovenoj, im Lande der Tschuktschen, zu erwarten sein, der jährlich während vieler Tage im Februar abgehalten wird und zu welchem sich die Eingeborenen von nah und fern (auch vom Ostkap) zu begeben pflegen. Auch von Kauf⸗ leuten aus Jakutsk wird der Markt besucht. Im Fall faktische Nach⸗ richten über die Expedition auf den erwähnten Markt gebracht wer⸗ den, ist zu vermuthen, daß dieselben ungefähr gleichzeitig mit der von hier abgegangenen Sendung nach Irkutsk gelangen werden, und da anzunehmen ist. daß die Behörden in Ost⸗Sibirien sich sogleich nach Empfang der Nachrichten über die Expedition mit dieser in Verbindung setzen werden, so wäre es nicht unmöglich, daß die kleine Sendung ihr Ziel erreichen könnte. 8

Die französische Schauspieler⸗Gesellschaft im Saal⸗ Theater des Königlichen Schauspielhauses brachte am Sonnabend das einaktige Lustspiel: „L'été de la Saint-Martin“ von Meilhac und Halévy, und Sardou'’s „La Papillonne“ zur Aufführung. Beide Stücke, von der gegenwärtigen Gesellschaft in diesem Winter zum ersten Male gegeben, sind für Berlin keine Neu⸗ heiten mehr. Das zuerst genannte reizende Lustspielchen wurde noch im vergangenen Winter von der französischen Gesellschaft aufgeführt. Die beiden Hauptrollen der Adrienne und des Rentier Briqueville sind in denselben Händen geblieben. Mdme. Subra als Adrienne erfreute wiederum durch ihr anmuthiges, liebenswürdiges Spiel wie Hr. Léon Nosl in der Zeichnung des alten biedern Rentiers, welcher der jungen und schönen Adrienne einen Heirathsantrag macht, ein in frischen, lebensvollen Farben gehaltenes Genrebild entwarf. Die beiden genannten Künstler wurden von Mdme Claire Bel (Mdme. Lebreton) und Hrn. Leclère (Nosl) recht wirksam unterstützt. Bereits bekannt ist auch das zweite, das Sardou’'sche Stück: La Papillonne. Das⸗ selbe ist seiner ganzen Anlage nach mehr Posse wie Lustspiel. Es handelt sich darum, einen jungen Ehemann und eine junge ver⸗ heirathete Frau von ihrer Flattersucht zu heilen. Die Mittel, welche der Verfasser hierzu anwendet und die Scenen, welche er vorführt, sind nicht immer gewählt und wahrscheinlich, aber von drastischer Komik und Wirksamkeit, und wenn man sich der gewandten Führung des bühnenkundigen Verfassers ohne dramatische Skrupel anvertraut, ist das launige Stück wohl geeignet, eine flüchtige Stunde angenehm zu unterhalten, zumal, wenn es so ansprechend, leicht und fließend gespielt wird, wie es hier geschieht. Um die gelungene Darstellung machten sich in erster Linie die Damen Subra und Claire Bel und die Herren Esquier und Matrat verdient.

Redacteur: J. V.: Riedel.

Verlag der Expedition (Kessel). Druck: W. Elsner.

Drei Beilagen (einschließlich Börse . 8

Berlin:)

en⸗Beilage)

““

e

1

1

s⸗Anzeiger und Königlich Preußischen Staats⸗Anzeiger.

ischen Rei

1“

ö 8

““ vX

1 8 iti Deutsch⸗ Wir geben nachstehend eine Uebersicht über die gegenwärtige Lage der auf handelspolitischem Gebiete vertragsmäßig bestehenden wechselseitigen Beziehungen zwischen s

1 England, Frankreich, Italien, Oesterreich⸗Ungarn und der Schweiz. Die Uebersicht ist in der Weise eingerichtet, daß das Verhältniß jedes einzelnen der vorgenannten Staaten ien, Eng 2 . 8

land, 'elg 4 zu denibrigen in einer besondern Tabelle dargestellt ist.

Die erste Spalte enthält die Namen der Vertragsstaaten, die zweite und dritte Spalte das Datum und eine kurze Inhaltsangabe der betreffenden Vertue, die vierte Spalte die Bestimmungen über die Vertragsdauer und die fünfte Spalte den Vermerk über die etwa erfolgte Kündigung.

sssandd räasge eh arEnehh EEEEIE 18 it besonderen Tarif⸗Ursprünglich geschlossen bis zum 30. Juni 1875, mit still⸗Von Deutschland gekündigt zum 31. 8 a ersn atnes ttt steaäte aüle ITE11“* schweigender Verlängerung bis zum Ablauf eines Jahres Dezember 1879. nach Belgien und für einzelne belgische Einfuhr⸗ nach erfolgter Kündigung.

artikel nach Deutschladnd.

1 ünsti üngli bis zum 30. Juni 1877, mit still⸗ u“ l8is zum Ablauf eines Jahres

nach erfolgter Käündigung.

8 ünsti . 8 „ad 1: Unkündbar. 1 1 1) sefeehsger Friedensvertrag vom oe Feesng sengrhe ane Sh.. :n 2: Bleibt in Kraft bis zum Ablauf eines Jahres nach ai 4

Artikel 11 welche der eine oder der andere der vertrag⸗ erfolgter Kündigung.

1 . ießenden Theile an England, Belgien, i. imn vom 11. Dezember lüg lcberkanbe 1. B“ Hhstir tti satz? ich⸗Ungarn oder Rußlan e vC1X“ E“ sollte. Die anderen Staaten, als den vorgenannten, eingeräumten oder einzu⸗ räumenden Begünstigungen fallen nicht darnnter.

ad 2: betrifft die Decchs cot g 88 geschlosen bis zum 30. Juni 1875, mit still⸗ Von Italien gekündict zum 2.

Handelsvertrag vom 31. Darember 1888. Mheiftheg sistigennc sertrag. schweigender Verlängerung bis zum Ablauf eines See u5 ,891 81 nach erfolgter Kündigung. 8 888 85 1879

England. Handelsvertrag vom 30. Mai 1865.

Frankreich.

Italien.

““ 8 11161““ 88 5 1 d 8 Jahre 6 1879. istbegünstigungsvertrag (mit besonderen Erleich⸗Geschlossen für die Dauer de . Handelsvertrag vom 16. Dezember 1878. 1 Leubesen Y

- ünsti 1 est⸗Ursprünglich geschlossen bis zum vIZ“ iree“ besoneren, Ffüst g2 Verlängerung bis zum Ablauf eines Jahres ““ 8 dem Uebergang aus dem Gebiete des einen nach erfolgter Kündigung.

Theils nach dem Gebiete des anderen Theils. (Außerdem besondere Erleichterungen im grenz⸗ nachbarlichen Verkehr).

8

8 8 1877, mit still⸗Von Deutschland gekündigt 31. Dezember Bezember 1879

Oesterreich⸗ Ungarn.

istbes unggvertrag, mi s üngli bis zum 30. Juni 1875, mit still⸗Von Deutschland gekündigt zum Tarif⸗ Ursprünglich geschlossen bis zu 1— V Mrischedünsncenfzbecenn, ni 8e,essahe⸗t 1 Verlängerung bis zum Ablauf eines Jahres zember 1879. nach Belgien und für einzelne belgische Einfuhr⸗ nach erfolgter Kündigung.

artikel nach Deutschland. 18 et. F1. Pe. 8 Mai 1861 nebst Tari it Meistbegünsti : ünglich geschlossen auf 10 Jahre (vom 27. Mai Von Frankreich g g

1) Handelsvertrag vom 1. Mai 1861 nebst Tarifvertrag (eitt Meiftbegünftienngecanseh). *4 g.n düsg nachich 8c—h stillschweigender G“ zender 1879.

Zusatzkonvention vom 12. Mai 1863. . .“ be Ablauf eines Jahres nach erfolgter Kündigung. Von 8

a vom 28. Iuli 18 9.. kreich zum 28. März 1873 gekündigt und demnäͤchst mit öe wieder in Kraft gesetzt durch den

512. dFrtri ranalich geschlossen bis zum 10. August 1877,

mit stillschweigender Verlängerung bis zum Ablauf eines 1 Jahres nach erfolgter Kündigung. 8

G istbegünsti üngli lossen auf 10 Jahre (vom 9. September

Handels⸗ und Schiffahrtsvertrag vom Meistbegünstigungsvertrag. 1 8 8 119 mit stillschweigender Verlaͤngerung bis

28. Juli 1868. zum Ablauf eines Jahres nach erfolgter Kündigung. 16 üngli 8 i 1864 a

Handels⸗ und Schiffahrtsvertrag vor Meistbegünstiungsvertrag t hausensxJJö EE11“ ꝛzum Ab⸗

9. 88 Iesn 12 Additionclartikel bestimmun öö e kauf eines Jahres nach erfolater Kündigung. ““ istbegünsti ünglich geschlossen auf 10 Jahre (vom 26. März a

Handels⸗ und Schiffahrtsvertrag vom Meistbegünstigungsvertrag. 9 sch dllscna 1onde e(tungerung bic zum Ab⸗

““ auf eines Jahres nach erfolgter Kündigung.

G 8 4 ünali 10 Jahre (vom 3. Juni 1863 ab rifvertrag (mit Meistbegünstigungsklansel) e“ ceschlagin na9,d Verlängerung bis zum Ab⸗

lauf eines Jahres nach erfolgter Kündigung.

Deutschland. Handelsvertrag vom 22. Mai 1865.

Frankreich.

Von Italien gekündigt, demnächst aber an Zfhli⸗ verlängert, zuletzt bis zum 31. Dezember 1879

artikel na

Oesterreich⸗

Ungarn. Von der Schweiz gekündigt zum 18. N.

vember 1879.

Schweiz. Handelsvertrag vom 11. Dezember 1862. Ta

üngli I auf 10 Jahre (vom 9. September 1862 EE11— Verlängerung bis zum Ablauf eines Jahres nach erfolgter Kündigung.

üngli eschlossen bis zum 30. Juni 1877, mit still⸗ bis zum Ablauf eines Jahres . nach erfolgter Kündigung.

udels⸗ und Schiffahrtsvertrag vom Hand Juli 1862. 8 8

Deutschland. Handelsvertrag vom 30. Mai 1865.

e ämmtlich ge

: üngli ' auf 10 Jahre (vom 4. Februar Von Frankreich s d g30 16“ sch ofsen egl acver Verlängerung bis zum 31. Dezember 1870. zum Ablauf eines Jahres nach erfolgter Kündigung. Von Frankreich zum 15. März 1873 gekündigt und Shia mit den beiden Zusatzkonventionen wieder in Kraft gesetz durch den Vertrag ad 2, .

. ünglich geschlossen bis zum 30. Juni 1877, m

*dh ascnespeüben eeeeelar bis zum Ablauf eines Jahres 8.

nach erfolgter Kündigung. t 1 vom 29. Oktober 1863 Von Italien gekündigt, demn esprangrich gelchrassen a 0, Sahe: erlängerung bis zum 5 zuletzt bis zum

Ablauf eines Jahres nach erfolgter Kündigung. 3 jem r 1879. ad 1: Ursprünglich veschlofsen für die Dauer des Jahres ächst durch die Erklärung 8 ELER unbestimmte Zeit, mit der Maßoabe, daß der Vertrag bis zum Ablauf eines Jahres nach erfolgter Kündigung, welche belden Theilen jederzeit freisteht, in Geltung bleiben soll. V ünsti üngli ' auf 10 Jahre (vom 6. März G“ AA“X“ nespecolich, selch as nnec gender Verlängerung bis zum Ablauf eines Jahres nach erfolgter Kündigung.

Frankreich. 1) vom 23. Januar 1860

ne wei dditionalartikeln vom nnd. ] S 188 wei Zusatzkonventionen vo 1 vn e⸗ 8. S 16. November 1860; 2) Handels⸗ und Schiffahrtsvertrag vom 23. Juli 1873 nebst Zusatzkonvention vom 24. Januar 1874; 3) Deklaration vom 24. Janunar 1874.

Handels⸗ und Schiffahrtsvertrag vom Meistbegünstigungsvertrag. 6. August 18653.

ad 3 betrifft das Französische E everfahren.

.

Italien

Oesterreich⸗

2 istbegünstigungsvertrag. 1 ndelsvertrag vom 5. Dezember 1876, Meist 9 Henxelar⸗ vom 26. November 1877.

Handelsvertrag vom 6. Sep