und Seine Gemahlin, Ihre Königliche Hoheit die Herzogin von Teck, Prinzessin von Cambridge. el Durchlaucht Prinz Philipp von Sachsen⸗Coburg⸗Got und Gemahlin, Ihre Königliche Hoheit die Prinzessin Philipp von Sachsen⸗ Coburg⸗Gotha, Tochter Sr. Majestät des Königs der Belgier, Se. Durchlaucht der Prinz August von Sachsen⸗Coburg⸗ Gotha mit Seiner Gemahlin, Ihrer Königlichen Hoheit der Prinzessin August, Tochter weiland König Louis Phi⸗ lippe’'s von Frankreich, Se. Königliche Hoheit der Herzog von Cambridge und Ihre Kaiserliche und Königliche Hoheit die Herzogin von Edinburgh, Tochter Sr. Majestät des Kai⸗ sers aller Reußen, Ihre Königlichen Hoheiten der Prinz Christian zu Schleswig⸗Holstein mit Seiner Gemahlin, Prin⸗ zessin von Großbritannien und Irland, Ihre Königlichen Ho⸗ heiten die Prinzessin Friedrich Carl und Prinz Friedrich Leopold, Ihre Kaiserliche und Königliche Hoheit die Kron⸗ prinzessin und Se. Königliche Hoheit Prinz Wilhelm, Ihre Königliche Hoheit die Prinzessin von Wales mit ihren Kindern, den Prinzessinnen Victoria, Louise, Maud und dem Prinzen George von Wales, Ihre Majestäten der König und die Kö⸗ nigin der Belgier.
Der Eintritt jeder einzelnen Abtheilung in die St. Georgskapelle geschah unter dem Schmettern der Fanfaren der Staatstrompeter der Königin. Die Orgel intonirte einen Marsch, und den Zügen gingen die Herolde von York und Lancaster, sowie die Hofchargen in aufsteigender Linie bis zu den beiden höchsten, dem Lord⸗Chamberlain und Lord⸗Steward voran. Diese schritten unmittelbar vor Ihrer Majestät der Königin. Der Monarchin folgien Ihre Königlichen Hoheiten die Prin⸗ zessin Batrice und der Prinz Albert Victor von Wales. Die Königin nahm Ihren Platz vor einem Tabouret rechts vor dem Altar. Se. Königliche Hoheit der Herzog von Connaught, der Hohe Bräutigam, wurde von Seinen beiden älteren Brü⸗ dern, Ihren Königlichen Hoheiten dem Prinzen von Wales und dem Herzoge von Edinburgh, als Zeugen begleitet und nahm den Platz zur Rechten, an den Communion Rails, ein.
Der Zug der Hohen Braut wurde von den Mitgliedern der deutschen Botschaft, dem deutschen Militärbevollmächtigten am Hofe von St. James Major von Vietinghoff, dem weiten Botschafts⸗Sekretär Grafen von Arco, dem ersten
otschafts⸗Sekretär Freiherrn von den Brincken und dem deut⸗ schen Botschafter Grafen von Münster eingeführt. Die Hohe Braut wurde von Ihrem Vater, Sr. Königlichen Hoheit dem Prinzen Friedrich Carl, und Sr. Kaiserlichen und Königlichen Hoheit dem Kronprinzen an den Altar zur linken Seite des Hohen Bräutigams geleitet. Die Trauung geschah nach dem Rituale der englischen Hochkirche. Kanonenschüsse verkündeten den Moment, in welchem das Brautpaar ehelich verbunden wurde. Die Trauung verrichtete der Erzbischof von Canterbury.
Nach der Ceremonie umarmte Ihre Königliche Hoheit die Herzogin von Connaught in tieser Rührung Ihre Hohen Eltern; dann neigte Sie Sich vor Ihrer Majestät der Königin, Aller⸗ höchstwelche Sie als neues Familienmitglied in die Arme schloß. Ihre Majestät trug bei dieser Gelegenheit den preußi⸗ schen Luisen⸗Orden, Se. Majestät der König der Belgier den Hohen Orden vom Schwarzen Adler. Se. Königliche Hoheit
der Prinz Friedrich Carl hatte die Uniform des 3. (Zietenschen) Husaren⸗Regiments, Se. Kaiserliche und Königliche Hoheit der Kronprinz die des Kürassier⸗Regiments Königin (Pommersches) Nr. 2 angelegt.
— Laut Telegramm aus Oly mpia vom 14. sind auf der Ostseite des Tempels zwei Metopenstücke (ein Herakles⸗ kopf und ein schöner Frauenkopf) sowie der Kopf des knieenden Mädchens vom Ostgiebel gefunden worden, ferner die Funda⸗ mente des Prytancion, wohlerhalten, und endlich die alter⸗ thümliche Bronzefigur eines Jünglings, welche als Griff eines Gefäßes gedient hat.
— Im Bereiche des Amtsbezirks des deutschen Konsulats in Moskau sind nach den bis zum 12. d. M. reichenden Nachrichten auch bis dahin verdächtige Krankheitsfälle nicht vorgekommen. Ein am 20. v. M. in Twer am Typhus erfolgter Todesfall hat zwar zu der Vorsicht Anlaß geboten, die Mitbewohner des Sterbehauses unter ärztliche Beobachtung zu stellen, doch hat denselben, da sie sämmtlich innerhalb der Beobachtungszeit gesund geblieben, der freie Verkehr wieder gestattet werden können.
— An Stelle der früher beabsichtigten*) Entsendung von 4 bemannten Dampfkuttern der russischen Marine von Kron⸗ stadt nach Zarizyn zum Zweck der wirksameren Durchführung der Quarantänemaßregeln an der untern Wolga hat, wie der,Kronstädter Bote“ meldet, Graf Melikoff zwei Privatdampfer Frhe mit deren Führung von Kronstadt abkommandirte Stabsoffiziere der Marine beauftragt werden sollen.
— Im weiteren Verlaufe der vorgestrigen (20.) Sitzung setzte der Reichstag die zweite Berathung des Etats pro 1879/80 fort. Beim Titel 1 (Zölle und Verbrauchs⸗ steuern, Einnahme 251 698 360 ℳ) führte der Abg. Kablé Straßburg) aus, das Reichsland sei mit den 15 Prozent der
olleinnahmen, die demselben als Verwaltungskosten zurück⸗ erstattet würden, zu schlecht gestellt; im Verhältniß zu anderen Bundesstaaten sei dasselbe mit Ausgaben für die Erhebung von Zöllen und Verbrauchssteuern, mit Besoldungen und Pensionen überlastet; es müsse in dieser Beziehung Abhülfe geschaffen werden.
Der Präsident des Reichskanzler⸗Amtes Staats⸗Minister Hofmann erwiderte, die Ueberlastung werde im Bundesrath anerkannt. Um das Mißverhältniß auszugleichen, sei zufolge eines früheren Beschlusses des Bundesraths seit mehreren
immer ein größerer Theil der zur Besoldung von erwe 1 8 feise ein übrigen Besitzer bauten so wenig, daß sie selbst gezwungen
eamten aufzuwendenden Beiträge des Reichs den RNeichs⸗ landen zur Verfügung gestellt. Die statistischen Erhebungen darüber, wie diese Beiträge sich zu den aufgewendeten Kosten verhielten, seien abgeschlossen und lägen dem Bundesrath vor. Die Regelung der Frage sei aber sehr schwierig, weil auch in anderen deutschen Staaten Mißstände nach bestimmten Grundsätzen auszugleichen seien. Der Bundesrath sei jetzt damit beschäftigt und werde die Frage bei ihrer hohen Wich⸗ tigkeit unzweifelhaft bald erledigen. Einen bestimmten Zeit⸗ punkt hierfür könne er aber nicht angeben.
Der Abg. Richter (Hagen) bemerkte, in der Lage von Elsaß⸗Lothringen, daß die Rückvergütung auf die Erhebungs⸗ kosten unzureichend sei, befänden sich auch andere Staaten. Soviel er wisse, sei von Braunschweig seit Jahren ein Antrag beim Bundesrath eingebracht worden, die Vergütung nach anderen Grundsätzen zu regeln; die Sache Aber mache wenig
--») Siehe „Reiche⸗Anzeiger“ vom 5. d. M.] 8
—
Fortschritte. Wenn die Verfassung abgeändert werden müsse in Bezug auf die Grundsätze der Vergütung, so sei er der Ansicht, daß auch dahin eine Aenderung zu treffen sei, daß diese Frage nicht, wie bisher, einseitig vom Bundes⸗ rathe, sondern durch Gesetz und Etat geregelt werden solle, daß also diese Grundsätze unter Mitwirkung des Reichstages festgestellt werden müßten. Die an und für sich wichtige Frage der Vertheilung der Zollverwaltungskosten trete zurück in einem Augenblicke, wo das ganze Zollsystem auf eine andere Grund⸗ lage gestellt werden solle. Gegenwärtig seien in Deutschland von 457 Waarenklassen, die das Zollregister nachweise, 192 zoll⸗ pflichtig. Von 1028 Millionen Mark Einfuhrwerthen zoll⸗ pflichtiger Gegenstände würden 1877 107 Millionen Mark Zölle erhoben, also etwa 10 Proz. vom Werth. Man habe also in Deutschland nichts weniger als Freihandel. Den
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rößten Zollertrag brächten die Finanzzölle; neben 56.
Verzehrungsgegenstände, die meist Finanz⸗ ölle seien, habe man 136 Zölle auf Fabrikate und Halb⸗ abrikate in Deutschland, welche durchweg Schutzzölle seien. Man habe also jetzt schon ein recht stattliches Schutz⸗ zollsystem in Deutschland. Man suche den Grund des Dar⸗ niederliegens der Erwerbsverhältnisse in dem angeblichen Frei⸗ handel. Den Hauptgrund, die Ueberproduktion, den Schwin⸗ del, die Gründungen der Jahre 1871 bis 1873 erwähne man nicht. Man habe damals in vielen Industriezweigen die An⸗ lagen erweitert, weit über den inneren Bedarf hinaus. Wenn beispielsweise die Schienenwerke in Deutschland auf eine Pro⸗ duktion von 12 ½ Mill. Ctr. cingerichtet seien, man aber in Deutschland, selbst wenn jährlich 100 Meilen neuer Eisen⸗ bahnen gebaut würden, nur 4 ½ Mill. Ctr. jährlich brauche, wo solle da die Prosperität dieser Industrie herkommen? Heute redeten vielfach dieselben Leute von der Armseligkeit und der Konkurrenzunfähigkeit der deutschen Industrie, welche damals Gründungsprospekte unterschrieben hätten, in denen sie gerade im Gegentheil unabhängig von allen Zollfragen, die Ueberlegen⸗ heit und die große Gesundheit der Industrie, versichert hätten. Ueberaus bezeichnend sei, daß das neucjie Zollprojekt der Regierung in jenen Gegenden die lebhafteste Zustimmung gefunden habe, wo damals am Meisten gegründet und geschwindelt worden sei. Ohne das Schutzzollsystem, das sich früher ja auch noch auf das Eisen erstreckt habe, würde es unmöglich gewesen sein, daß der Schwindel und die Ueberspekulation eine so furchtbare Höhe hätte erreichen können. Die Aufhebung der Eisenzölle sei 1873 sei auf die Initiative des Reichskanzlers, und zwar in erster Reihe im Interesse der Landwirthschaft erfolgt. Nach Auf⸗ hebung dieser Zölle sei die von den Gegnern prophezeite Ueberschwemmung mit ausländischen Eisenwaaren nicht ein⸗ getroffen, im Gegentheil, die Einfuhr habe abgenommen, die Ausfuhr habe zugenommen; im Jahre 1875 seien 6 Millionen Centner mehr ausgeführt, als eingeführt. Diese 6 Millionen seien 1876 auf 8 Millionen gestiegen, und die Ausfuhr sei noch immer im Steigen. Die Landwirthschaft habe man jetzt künstlich für den Schutzzoll und für Viehzölle gewonnen. Dieselbe solle der Industrie die Kastanien aus dem Feuer holen und Hand⸗ und Spanndienste leisten, um für den Han⸗ del mit dem Auslande überall Zollbarrieren zu errichten. Nichts stehe mehr den Traditionen deutscher Zollpolitik entgegen, als ein Fornzoll; nur so lange noch kein Korn eingeführt sei, habs es einen solchen gegeben. Als zuerst bei ungünstigen Ernten eine stärkere Korneinfuhr nothwendig geworden sei, habe man den Zoll derart suspendirt, daß von 1846 — 1857 nur von 7 ½ Prozent des eingeführten Korns der Zoll erhoben sei. Schon 1857 sei der Zoll auf 6 ₰ herabgesetzt, weil die Einfuhr die Ausfuhr zu übersteigen be⸗ gonnen habe. Heute glaube man an die Zollpolitik von 1864 anknüpfen zu müssen, wenn man einen Zoll von 20 bis 25 Pfennigen vorschlage. In den landwirthschaftlichen Vereinen agitirten die Landräthe für Kornzölle. Der Abg. von Kardorff habe sich um die Aufhebung der Mahl⸗ und Schlachtsteuer sehr verdient gemacht und in einer bezüglichen Rede den König Friedrich II. citirt, der über beide Steuern sage, er werde sie nie einführen, sie vertheuerten den Armen das Leben und er — der König — sci der Anwalt der Armen. Und eute wolle der Abg. von Kardorff und seine Freunde er Zollpolitik der Regierung folgen. Die Agitation für Kornzölle habe ein doppeltes Gesicht; einmal sollten dieselben das Getreide zwar nicht vertheuern, und dann wieder werde auf die Vertheuerung das entsprechende Gewicht gelegt. Beide Argumente aber in ein und derselben Rede zu ver⸗ einigen, sei bisher nur dem Abg. von Kardorff gelungen. Es sei ein Faktum, daß die deutschen Landwirthe bei weitem nicht so viel Getreide bauen, als man zur Ernährung des Volkes brauche. Man sei ja gezwungen, Getreide außerhalb zu kaufen. Die Aecker könnten doch in Deutschland nicht im Verhältnisse des Bevölkerungszuwachses vermehrt werden, und dieselbe Be⸗ völkerung erhebe schon bei steigender Kultur für die größere Viehzahl und Fleischnahrung größere Ansprüche an die land⸗ wirthschaftliche Produktion. Solle alles Korn, was man in Deutschland brauche, hier produzirt werden, dann dürfte man beispielsweise auch nicht 140 000 ha, auf denen 4 Millionen Centner 5 wachsen könnten, mit Zuckerrüben, theilweise für das Ausland bepflanzen, oder Kartoffeln für die Ausfuhr in natürlicher Gestalt oder in Gestalt von Branntwein bauen. Gerade weil die Landwirthschaft einen so großen Kreis der Bevölkerung umfasse, lägen hier die Verhältnisse anders als sonst bei Schutzzöllen. Die Landwirthe sttellten auch die Mehrzahl der Konsumenten dar; ein Land⸗ wirth, der nicht mehr Korn produzire, als er kon⸗ sumire, für den sei der Kornzoll überhaupt gleich⸗ gültig. ch einer Verechnung im westpreußischen Central⸗ verein hätten nur 400 000 Besitzer an der durch die Zölle erwarteten Erhöhung der Getreidepreise ein Interesse; die
öllen auf
wären, oft Saatgetreide zu kaufen. Nur für Besitzungen über 30 Morgen könne ein Kornzoll überhaupt Bedeutung haben. Nehme man z. B. ein Gut von etwa 100 Morgen an; dies werde im Stande sein, circa 200 Ctr. Getreide zu verkaufe n bei einem Zoll von 25 ₰ würde das also eine Einnahme von 50 ℳ, bei 5 ₰ 10 ℳ sein. Könne man daher mit solchen Beträgen die Agitation, die erregt worden sei, recht⸗ fertigen? Einen bleibenden Kornzoll fürchte er nicht, wohl aber die bleibenden Nachtheile von der jetzigen Bewegung. Man erwecke Ansprüche und Vorstellungen von dem, was der Staat leisten solle, die kein Staat befriedigen könne. Habe man doch von Frankreich gesagt, daß bei dem Glauben des französischen Volkes an die Staatsvorsehung jede Regierung vor der Unzufriedenheit zittern müsse, welche der Opposition aus einer schlechten Ernte zuwachse. Desto schwächer sei ein Staat, je mehr Ansprüche er befriedigen solle. Die Geister, welche man jetzt wachrufe, ließen sich nachher nicht mit 25 ₰ Zoll nach Hause
“
Die Bewegung, welche jetzt in Stadt und Land ent⸗ ehe, erscheine ihm äußerst bedenklich. Der Abg. Windthorst habe gerathen, die Frage der Getreidezölle nicht eher zu er⸗ örtern, als bis dem Hause bestimmte Vorlagen zugegangen wären. Nun, er (Redner) verehre in diesem n den Meister parlamentarischen Takts, von dem er sehr viel in dieser Beziehung gelernt habe, und dieser Kampf sei ein neuer Kulturkampf, bei welchem er wie der Abg. Windthorst jede Gelegenheit für die Getreidezölle benutze, um auf die Gefahren, mit denen Deutschland die Schutzzollpolitik bedrohe, hinzuweisen. Er sehe äußerst trübe in die Zukunst der inneren Entwicklung. Wenn man jemals erkennen sollte, daß die maßgebende Wirthschaftspolitik sich zu einer Interessenpolitik des Groß⸗ kapitals gestalte, möge es nun repräsentirt werden durch Großgrundbesitzer, Großindustrielle oder große Forstbesitzer, so würde die sozialistische Agitation daraus eine Kraft ziehen, vor der alle Sozialistengesetze wie Zwirnfäden zerreißen müßten, eine Krast, die die verderblichsten Einwirkungen auf die Gesammtentwickelung Deutschlands haben müsse. Der Abg. von Treitschke habe neulich gemeint, die heranziehende Reaktion sei nicht so schlimm, wie diejenige aus den 50er Jahren; er halte sie indeß für schlimmer. Er sei nicht der Lobredner der Herren von Manteuffel und von Kleist⸗Retzow, ihre Politik habe Deutschland damals nach Innen und Außen geschädigt, doch habe jenes Re⸗ giment sich niemals an Feihere enctenzertete gewandt und Interessenkämpfe herausgefordert. Es trenne die einzelnen Parteien hier sehr Vieles von einander, aber wenn die Bezeichnung „staatserhaltende Parteien“ mehr sein solle als ein Polizeibegriff, dann seien aus allen Parteien Diejeni⸗ gen, welche von einem einheitlichen politischen Interesse erfüllt würden, verpflichtet zusammenzustehen und den Bestrebungen der Regierung auf die Vertheuerung unentbehrlicher Nahrungs⸗ mittel des Volkes überall entschiedenen und kräftigen Wider⸗ stand entgegenzusetzen.
Der Abg. von Kardorff wandte sich gegen den Abg. Del⸗ brück. Derselbe habe bei Gelegenheit der Vertheidigung der Handelspolitik, welche seit Abschluß des französischen Handels⸗ vertrages gegolten habe, zu beweisen gesucht, daß der wirth⸗ schastliche Wohlstand Deutschlands gestiegen sei und zwar durch die Vorführung der Statistik über die Einfuhr von Rohstoffen für die Textil⸗Industrie. Die Ziffern seien für die Baumwolle außerordentlich glänzend; er (Redner) habe indeß schon damals angeführt, daß die Zahl der Spindeln in Deutschland durch die Annexion Elsaß⸗Lothringens fast ver⸗ doppelt worden sei. Ein Argument habe der Abg. Delbrück anzuführen unterlassen: in der Periode von 1860—1864 sei die Einfuhr von Baumwolle allerdings gering gewesen, aber hauptsächlich deshalb, weil der amerikanische Sezessions⸗ krieg die Ausfuhr von Rohbaumwolle aus den Süd⸗ staaten nicht gestattet habe. Wenn man deshalb diese Periode außer Betracht lassen wollte, würde vielleicht eher ein Rückgang als ein Fortschritt zu konstatiren sein. Wenn der gesteigerte Import an Wolle ebenfalls als ein Zeichen der Zunahme des Wohlstandes angeführt worden sei, so habe er schon damals auf die Abnahme der deutschen Schafzucht hingewiesen, die sich von 1860 64 bis 1873/77 von 33 auf 23 Millionen Schafe vermindert habe; außerd em seien die Qualitäten der Wolle geringere geworden; früher vererbte ein Paletot bis auf den Enkel, heute sei man froh, wenn er 1—2 Jahre halte. Diese Fabrikationsmethode, welche, wie Professor Reuleaux richtig sage, nur geringere Qualitäten an⸗ fertige, führe einen ungeheuren Mehrverbrauch von Roh⸗ material herbei und erkläre so den gesteigerten Import. Der Wollverbrauch habe 1860 betragen 222 Pfund, er sei bis 1867 auf 316 Pfund, bis 1877 bis auf 351 Pfund gestiegen, wie stelle sich aber der Wollverbrauch in anderen Staaten? England habe 1860 860 Pfund, 1877 aber 1110 Pfund gebraucht, in Frankreich und in den nordamerika⸗ nischen Freistaaten steigerte sich der Verbrauch von 1860 bis 1877 von 300 auf 430 Pfund. Damit stehe die Steigerung in Deutschland in gar keinem Verhältniß. Er komme also zu dem Schlusse, daß sich der Abg. Delbrück in Bezug auf die Wirkung seines Systems einer verhängnißvollen Selbsttäuschung hingegeben habe. Jetzt komme er zum Abg. Richter (Hagen). Er halte es nicht für richtig, Prinzipien⸗ fragen, wie Getreidezölle u. s. w, beim Etat in so weitläufiger Weise zu erörtern, wie der Abg. Richter (Hagen) es gethan habe; das Haus werde bei den Zolltarifdebatten, wenn be⸗ stimmte Vorschläge gemacht seien, dazu Gelegenheit haben. Wenn der Abg. Richter ihm vorgeworfen, er habe von den Grün⸗ dungen und deren schädlichen Folgen nicht gesprochen, so habe er ihm nicht gut zugehört. Er habe ausdrücklich gesagt, daß die Krisis in Amerika aus denselben Ursachen mit hervorgegangen sei, wie in Deutschland: Die Ursachen lägen im zu raschen Eisenbahnbau, in der übermäßigen Grün⸗ dung von Eisenwerken und in der großen Belastung des Geld⸗ marktes mit Lettres an porteur. Ferner habe der Abg. für Hagen gemeint, daß sich schon eine allgemeine Reaktion gegen das Projekt des Reichskanzlers fühlbar mache; er sei in industriellen Kreisen vielleicht besser bekannt wie der Vorredner, aber davon habe er nichts bemerkt; im Gegentheit, das Projet: des Reichskanzlers gewinne täglich an Anhängern. Die letzten Wahlen hätten dem Abg. Richter doch beweisen sollen, daß seine Chancen ab⸗, nicht zunehmen. Der Vorredncr habe dann Zwictracht zwischen Industrie und Landwirthschaft zu säen ge⸗ sucht, und man könne sich ja denken, daß es ihm angenehm wäre, wenn diese beiden Zwiuingsschwestern, die auf einander angewiesen seien, sich verfeindeten. Ferner habe ihm der Vorredner einen Wechsel seiner Anschauung nachzu⸗ weisen gesucht, indem er mit Unrecht auf seine Aeuße⸗ rungen bei der Aufhebung der Mahl⸗ und Schlachtsteuer ver⸗ wiesen habe. Wenn er der Ueberzeugung wäre, daß dem Volke di Nahrungsmittel vertheuert würden, ohne daß gleichzeitig ein ständiges Aequivalent geboten würde, so würde er niemals für einen solchen Zoll sein. Es werde aber dem Volke ein
Aequivalent geboten in der Verstärkung der Nachfrage nach Arbcit. Grenzzölle vertheuerten die Nahrungsmittel nur, wenn das Land sie nicht produziren könne; das Land könne aber die Nahrungsmittel produziren, deshalb brauchen sie nicht Frage man die Landwirthe in allen
vertheuert zu werden.
Provinzen, sie würden sagen, daß durch die Anwendung der
Agrikulturchemie nnd durch die Ausdehnung der Drainage,
selbst wenn die Bevölkerung in der bisheri en rapiden Weise zunehmen sollte, das Land dieselbe noch lange Zeit ernähren könne.
Wenn der Abg. Richter ferner beklage, daß so viele Aecker für
Zuckerrüben⸗ und Kartoffelbau benutzt würden, so fordere er ihn auf, mit jedem intelligenten Landwirth zu sprechen; er würde erfahren, daß die Brennereiwirthschaft und der Zucker⸗ rübenbau dazu gedient haben, den Körnerertrag zu potenziren,
indem die ungeheuren, nen Düngermassen die Möglichkeit eines intensiven Betriebes
een. Zum ersten Male habe der Abg. Richter heute die Existenzberechtigung der Konservativen anerkannt, und dann auf die soziale Revolution hingewiesen, die aus den Kornzöllen entstehen würde. Was würden für Zustände entstehen, wenn die gegenwärtigen Nothstände bestehen blieben, ohne daß man ihnen entgegenträte. Würde sich dann nicht wiederholen, was mun vor 100 Jahren in Frankreich erlebte? Die rothen Revo⸗ lutionäre Marat und Robespierre seien gezwungen gewesen, die Schutzzollpolitik Collberts wieder herzustellen. Der Abg. Richter habe ferner eine Berechnung aufgemacht, wonach ein Zoll von 25 ₰ auf Getreide das ganze Getreide, nicht blos das importirte, um eben so viel vertheuere. Das sei nicht richtig. In Nordamerika bestehe ein Zoll von 20 Cts. auf die Gallone Petroleum; sei deshalb das Petroleum im Preise gestiegen? Redner könne diese Frage verneinen. Der Preis des Petroleums betrage überhaupt nur 3 bis 5 Cts. pro Gallone. Also stehe die Berechnung des Abg. Richter mit der Wirkiichkeit in Widerspruch.
Der Abg. Dr. Delbrück erwiderte, zunächst bleibe er bei seiner Behauptung, daß es unzweifelhaft ein Maßstab für das wirthschaftliche Gedeihen eines Landes sei, wenn man die
Zunahme oder Abnahme des Verbrauchs an Rohstoffen in den einzelnen Jahren vergleiche. In Deutschland habe sich nun seit Anfang der sechsziger Jahre die Woll⸗ und Baum⸗ wollindustrie entschieden gehoben, denn es sei eine sehr erheb: und Baumwollverbrauchs zu
liche Vermehrung des Woll⸗ konstatiren. Was zunächst die Baumwolle anlange, so habe es im Jahre 1861 die Summe von 2 235 000 Spindeln in Deutschland, im Jahre 1875 (ohne Elsaß⸗Lothringen) 2 721 000, also 486 000 oder 22 Prozent mehr gegeben. Diese Angaben
berechtigten zu der Folgerung einer wesentlich gesteigerten Verbrauches.
Produktion und eines ebenso gesteigerten Was die Wolle anlange, so sei zunächst zu berücksichtigen, daß in einem Lande, welches selbst viel Wolle produzire, der Ver⸗ brauch nicht genau zu fixiren sei. Die Landwirthe in Deutsch⸗ land rechneten im Durchschnitt auf das Schaf 2 ½ Pfd.
In Oesterreich und Frankreich sei es vielleicht anders, und ½ Pid. mehr oder weniger pro Schaf mache gleich einen be⸗
deutenden Unterschied. Nach dieser Annahme von 2 ½ Pfd.
auf 664 430 Ctr., die Einfuhr auf 300 463 Ctr., der Gesammt⸗ verbrauch also auf 964 893 Ctr. gestellt. Im Jahre 1877 stellte sich die heimische Produktion auf 550 000 Ctr., die Einfuhr auf 766 765 Ctr., zusammen also wurden 1 316 765 Ctr. verbraucht, das bedeute eine Zunahme von 36 Proz.; also auch hier halte er seine Behauptung aufrecht, daß sich die Ver⸗ hältnisse ebenfalls in Bezug auf den Verbrauch von Wolle weit günstiger als früher gestaltet hätten. Nun berufe sich der Abg. von Kardorff auf ein geflügeltes Wort des gewiß
ausgezeichneten Technikers und Kritikers, welcher im Auftrage
der Regierung nach Philadelphia gegangen sei. Sicherlich wo aber Herr Reuleaux dieses Wort nicht auf alle Industrien angewendet wissen, auf Wolle ganz bestimmt nicht, die Woll⸗ industrie nähme heute noch denselben eminenten Rang ein, wie vor 10 oder 15 Jahren. Die Zahlen, welche der Ab⸗ geordnete für Oels von anderen Ländern genannt habe, könne er augenblicklich nicht kontroliren. Ebenso wolle er auch vor⸗ läufig nicht auf die Frage der Getreidezölle eingehen. Wenn aber der Hr. Abgeordnete behauptete, Deutschland sei sehr wohl im Stande, das Getreide, welches es brauche, selbst zu produziren, wenn es eben all seinen Getreideacker auch mit Getreide bepflanze, und wenn er dann in der That hoffe, daß der Getreidezoll die Wirkung haben werde, daß alles Ackerland zum Getreidebau unter den Pflug komme, so folge doch daraus mit mathematischer Gewißheit, daß er in Folge des Zolls bestimmt eine Vertheuerung des Getreides, dieses Nahrungsmittels des Valkes, erwarte. 3
Der Abg. Sonnemann gab zu, daß die deutsche Baum⸗ wollenindustrie durch die Annektion Elsaß⸗Lothringens eine durch⸗ greifende Veränderung erfahren habe, ob aber deshalb das ganze Handelssystem Deutschlands geändert werden solle, sei ihm zweifelhaft, namentlich wenn man Frankreich mit seinem Schutzzollsystem ansehe. In England sei die Baumwollen⸗ industrie ebenfalls zurückgegangen. Die deutsche Wollproduk⸗ tion sei in keiner schlechten Lage, da wir 1878 104 000 Ctr. eingeführt und 312 000 Ctr. ausgeführt hätten. Die Behaup⸗ tung des Abg. von Kardorff, der französische Convent habe sich veranlaßt gesehen, den Zolltarif zu ändern, sei unrichtig. Nicht der Convent, sondern die französische Nationalversamm⸗ lung habe 1791 die Erhöhung der Zölle eingeführt. Wenn Deutschland Eingangszölle auf Rohstoffe erhebe, wenn es seine Lebensmittel vertheuere, dann werde die deutsche Konkurrenz⸗ fähigkeit mit anderen Ländern zurückgehen. Die Schutzzölle würden das Land in Geldverlegenheit bringen, es würde bald im Lande an zirkulirendem Metallgeld fehlen, und dann werde die Schutzzollpartei zur Notenpresse greifen. Seit dem letzten Etat habe der Bundesrath zwei Enqueten über die Eisen⸗ und die Textilindustrie veranstaltet. Hierzu sei der Bundesrath vollständig berechtigt, und das Haus selbst habe die Mittel dazu bewilligt. Ueber die Resultate der Enqueten sei bis heute noch nichts bekannt; es werde ja sehr viel interessantes Material zu Tage gefördert sein; aber man vernehme doch nur die Interessenten; die ein Gegeninteresse hätten, würden nicht ver⸗ nommen. Die Vernehmung der Interessenten, denen man vorher schon sage, ihre Interessen ständen schlecht — der Vor⸗ sitzende der Eisenenquete⸗Kommission habe ja seine Meinung schon fixirt — lautete etwa so: Wollt ihr die Thür zugemacht, den Schlüssel ein⸗ oder zweimal herumgedreht oder noch einen Riegel vorgeschoben haben? In England und Fee hätten solche Enqueten unter der Kontrole und Kritik der Oeffentlich⸗ keit gestanden. Ferner habe man in Frankreich auch die Han⸗ delskammern vernommen. Wie würde es mit dem aufge⸗ häuften Material gehen? Wenn die Pause des Reichstages vorüber sein werde, würde man einige Bände von Berichten bekommen und es würde dann nicht mehr Zeit sein, sie zu kontroliren. Darauf hin solle dann ein Zolltarif aufgestellt werden. Ein solches Verfahren scheine ihm unangemessen. Es widerstrebe ihm absolut, auf ein solches Enqueteverfahren hin neue Zölle zu bewilligen. Man sei nicht dabei geblieben, für diese Industrie allein höhere Zölle zu verlangen, sondern seit dem Briefe des Reichskanzlers vom 15. Dezember sei man von dem System der Untersuchung zu dem der Nichtunter⸗ suchung übergegangen. Eine eilig berufene Tarifkommission, in der sich vielleicht achtbare, aber volkswirthschaftlich jedenfalls nicht bedeutende Herren befänden, solle die ganze “ untersuchen, über die keine Enquete veranstaltet sei, und darauf hin eine Tarifvorlage machen. Ein solches “ müsse im Publikum den Glauben erwecken, daß der letzte
durch jene Wirthschaftsarten geschaffe⸗
11“ “
ug in der Zollfrage nur den Zweck haben solle, eine
Majorität zu bilden, damit die gehörige Summe indirekter Steuern bewilligt werde. Gegen dieses System der Festsetzung
von Zöllen ohne gehörige Untersuchung der betreffenden In⸗ dustrien hätten sich 48 deutsche Handelskammern entschieden
verwahrt, und vollständig mit Recht. Im Namen der großen deutschen Handelsstadt, die er vertrete, könne er erklären,
daß man dort ohne Parteiunterschied einstimmig dieses Verfahren
auf das Entschiedenste verurtheile, und in den industriellen S⸗ der Umgebung seines Wahlkreises sei man derselben einung.
Dieses System würde dazu führen, eine Menge bereits be⸗ stehender Industrien vollständig zu ruiniren.
dem richtigen Wege ab und verwirre die Geister in unglaub⸗ lichem Maße. Hr. von Kardorff habe gesagt, wenn die Sache nicht gehe, könne man es umgekehrt machen. Dann verstehe er das Wesen der Industrie nicht; habe diese einmal einen
Markt verloren, dann gewinne sie ihn nicht so schnell wieder. Man schade schon sehr viel dadurch, daß man immer von der
geringen Konkurrenzfähigkeit Deutschlands spreche. Es sei höchst charakteristisch, daß wenige Monate nach dem Sozialisten⸗ gesetz von dem obersten Beamten des Landes eine Bewegung ausgehe, die eine ähnliche Richtung verfolge. Wäre er (Redner) wirklich ein Feind des Vaterlandes, so müßte er sich eigentlich über ein solches Vorgehen freuen; er sei aber ein guter Patriot, deshalb protestire er gegen die neue Zoll⸗ und Handelspolitik der Regierung.
Der Abg. Richter (Meißen) bemerkte, wenn die deutsche Landwirthschaft an Stelle des Rüben⸗ und Kartoffelbaues Ge⸗ treidebau setzen wollte, so würde dieselbe, namentlich in den östlichen Provinzen, deren Kultur durch Brennereien sehr ge⸗ wonnen habe, schwer geschädigt werden. Man brauche für den Export von Sprit und Zucker aber den auswärtigen Markt;
denn wenn Deutschland andern Ländern zu Repressalien An⸗ laß gebe, so müsse es die Kosten des Krieges tragen. Die
1 hied. ch d me deutsche Landwirthschaft bedürfe allerdings eines intensiveren pro Schaf habe sich die heimische Produktion im Jahre 1864
Betriebes, aber durch Getreidezölle könne man dies nicht er⸗ reichen. Für die Berechnung der nothwendigen Höhe des Schutzzolles habe man verschiedene Methoden vorgeschlagen. Man wolle die Gegenstände im Verhältniß des Maßes von Arbeits⸗ kraft, welches ein jeder erfordere, besteuern. Aber dabei würde die Qualifikation der Arbeit nicht berücksichtigt werden. Man wolle ferner feststellen, wie viel ein jeder Gegenstand im Auslande da, wo er am billigsten sei, koste, sodann berechnen, wieviel die Her⸗ stellungskosten einschließlich eines kleinen Unternehmerprofits im Inlande betrügen und die Differenz dieser Summen als Zoll erheben. Auf die Landwirthschaft angewendet, würde dieses System zu Zöllen führen, die Niemand in diesem Hause billigen würde. Viele landwirthschastliche Kreise versprächen sich nun eine große Erhöhung der inländischen Getreidepreise von einer Uebergangsabgabe auf ausländisches Getreide. Das sei nicht richtig. Sobald die Preise des ausländischen Ge⸗ treides in Folge dortiger guter Ernten sehr niedrig ständen, so werde der ausländische Produzent auch noch die Ueber⸗ gangsabgabe tragen müssen, der inländische Preis also nicht steigen; wenn aber im Inlande in Folge schlechter Ernten die Nachfrage nach Getreide sehr stark sein werde, dann werde Deutschland den Zoll selbst bezahlen, und dann werde man sofort hier die Abschaffung dieser Zölle beantragen. Vom Getreidezoll werde der kleine Landwirth, der so viel baue, wie er brauche, nicht berührt; ebenso habe der Zoll auf das zur Saat nöthige, also jedes siebente Korn keinen, oder so weit er ausländische und un⸗ entbehrliche Sämereien betreffe, einen der Landwirthschaft schädlichen Einfluß. wirthe, die in ihrer Nähe eine dichte Bevölkerung als Kon⸗ sumenten hätten. welcher in Thüringen seine Butter zu Markte bringe, sie um
einen Pfennig theurer verkaufen würde, weil ein Zoll von 4 ℳ darauf eingeführt sei, oder daß der Käse durch den be⸗ Auf Kleider
stehenden Zoll von 5 ℳ vertheuert würde? habe man einen Zoll von 90 ℳ Er bezahle aber deshalb nicht einen Rock hier diesem Zollsatz entsprechend theurer, wenn er ihn sich nämlich nicht aus dem Auslande schicken, sondern hier anfertigen lasse. Was solle der Landwirth⸗ schaft ein Zoll von 25 ₰ nützen, wenn russisches Ge⸗ treide nach Berlin um 27 ₰ billiger gefahren werde als deutsches; Die Beseitigung der Differentialtarife sei der Landwirthschaft also nöthiger, als Schutzzölle. Die von der Zolltarifkommission in Aussicht genommenen Sätze aber seien einem intensiveren Betrieb der Landwirthschaft geradezu hinderlich, da sie veredelte Produkte und Rohprodukte,
fettes und mageres Vieh in gleicher Höhe besteuerten, wäh⸗
rend doch mageres Vieh so niedrig wie möglich, fettes Vieh aber möglichst hoch besteuert werden müßte. Er fände also weder die auf Schutzzölle für die Landwirthschaft gesetzten Hoffnungen, noch andererseits die gegen diese Zölle gehegten Befürchtungen gerechtfertigt, und empfehle deshalb, nach beiden Richtungen hin sich zu mäßigen.
Der Abg. von Unruh (Magdeburg) wandte sich gegen die Ausführungen des Abg. von Kardorff. Er bestreite zunächst die Richtigkeit der Behauptung, daß der Rückgang der deutschen Industrie von der mit dem Jahre 1865 inaugurirten Zoll⸗ politik datire, durch die Bemerkung, daß die Thatsache der Schwindelperiode deutlich für das Aufblühen der Industrie in den Jahren 1865 bis 1871 spreche. Wo solle die von dem Abg. von Kardorff gewünschte größere Nachfrage nach Arbeit herkommen? Wenn man keinen Export und keine mit dem Auslande konkurrirenden Industrie⸗ zweige gehabt hätte, so würde eine Absperrung der Grenzen durch Zölle die Nachfrage nach Arbeit nicht haben heben können. Thatsächlich sei aber dieser Export und diese Konkurrenz vorhanden. Ein neuer Schutzzoll könne nur die Folge haben, die Waare wie den Rohstoff zu vertheuern, und dadurch verhindere derselbe den Export. Wenn das Haus aber die deutsche Exportindustrie lahm legte, oder gar todt machte, so würde damit eher erreicht werden, daß die Arbeit billiger, als daß sie theurer würde. Der größte Scha⸗ den werde der Industrie durch die unaufhörliche Beunruhi⸗
ung zugefügt, in welche bald dieser, bald jener Zweig der⸗ säben werde. Hierauf vertagte sich das Haus um 4 ½ Uhr.
— In der heutigen (21.) Sitzung des Reichstages, welcher der Präsident des Reichskanzler⸗Amts Staats⸗Minister
—
Bericht der 1 Nur eine vollständige Verkennung der ganzen treff Verkehrsverhältnisse könne darauf kommen, durch Er⸗ hung der Schutzzölle der nothleidenden Industrie aufzuhelfen. . den Antrag der Kommission, welcher lautet: xe Der jetzt er⸗ öffnete Zollkrieg leite die Nation und die Regierungen von
Ebenso wenig berühre der Zoll die Land⸗
Glaube nun Jemand, daß der Bauer,
Hofmann und mehrere andere Bevollmächtigte zum Bundes⸗ rath und Kommissarien desselben beiwohnten, trat das Haus in die Berathung der Darstellung der Anordnun⸗ gen, welche von der Königlich Staatsregierung mit Genehmigung des Bundesraths zufolge der Bestimmung in §. 28 Abs. 2 des Gesetzes gegen die gemeingefähr⸗ lichen Bestrebungen der Sozialdemokratie vom 21. Oktober 1878 getroffen worden sind.
Zunächst erstattete der Abg. Melbeck einen mündlichen — Petitions⸗Kommission über Petitionen be⸗ treffend die Wiederaufhebung des auf Grund des §. 8 des Gesetzes vom 21. Oktober 1878 über Berlin und Umgegend verfügten Belagerungszustandes. Der Referent befürwortete
Der Reichstag wolle beschließen: die Petitionen: des Ve sicherungsinspektors Karl Schramm, gegenwärtig zu Hottingen⸗ Zürich, des Schankwirths Julius Hahn, des Maurerpoliers Wil⸗ helm Koerner, desselben und Genossen, des Schuhmachers Karl Woelky — aus Berlin, gegeawärtig zu Hamburg —, des Restaurateurs Karl Graßnick aus Weißensee, der Ehefrau des Restaurateurs Karl Graßnick, Amalie, Kulmick, zu Weißensee, insoweit sie sich auf die 8 h⸗bung des auf Grund des §. 28 des Gesetzes vom 21. Oktober 1878 verfügten Belagerungszustandes beziehen, durch die Plenarberathung über den Rechenschaftsbericht für erledigt zu erklären, insoweit sie aber, unabhängig hiervon, sich auf die Wiederaufhebung der ver⸗ fügten Ausweisung der Petenten bezieken, wegen nicht innegehalte⸗ nen Instanzenzuges über dieselben zur Tagesordnung überzugehen.“ Der Abg. Liebknecht erklärte, er vermisse eine genügende Motivirung der über Berlin verhängten Maßregeln, auch der vorliegende Bericht enthalte keine erheblichen Thatsachen zur Begründung derselben. Was darin enthalten sei, sei ent⸗ weder irrelevant oder beruhe auf mangelhafter Infor⸗ mation der Reichsregierung. Die Haltung der sozial⸗ demokratischen Partei nach Erlaß eines Ausnahme⸗
gesetzes gegen sie sei namentlich in Berlin eine musterhafte ge
Der Redner führte sodann verschiedene Tharsachen zur 1 88 8 FBgge R F Illustration an, deshalb dürfe man sich nicht in einen Zollkrieg einlassen. Man 8 müsse vielmehr in den Zöllen einen Mittelweg einschlagen;
1G wie der Belagerungszustand in Berlin ge handhabt werde. Er wurde im Verlauf seiner Rede zweimal vom Präsidenten zur Sache gerufen. Derselbe drohte ihm auch schließlich an, wegen des materiellen Inhalts seiner Rede den Antrag beim Hause auf Entziehung des Wortes zu stellen.
Der Bevollmächtigte zum Bundesrath Staats⸗Minister Graf zu Eulenburg stellte zunächst die gesetzliche Grundlage klar, auf welcher die Regierung diese Maßregeln angeordnet habe. Er wies auf die exceptionelle Lage Berlins in Bezug auf die sozialistische Gefahr hin. Die ver⸗ 1 hängten Maßregeln hätten sich so wohlthätig gegen die Sozialdemokratie erwiesen, daß die Frage aufgeworfen sei, ob es nicht zu empfehlen sei, von dem §. 28 des Sozialisten⸗ gesetzes auch anderswo Gebrauch zu machen. Das Sozialisten⸗ gesetz habe einen prophylaktischen Charakter, man könne es nicht erst anwenden, wenn schon offenbare Gesetzes⸗ verletzungen konstatirt seien; dazu hätten die gemeinen Straf⸗ gesetze genügt. Das thatsächliche Material des Berichts habe nicht in Abrede gestellt werden können. Der Minister führte noch eine Reihe von Thatsachen an, welche den Bericht er⸗ gänzen. Nach dem Schluß der Diskussion wurde der Antrag der Petitionskommission angenommen, und konstatirte der Präsident, daß der Reichstag von der Darlegung der Re⸗ gierung Kenntniß genommen habe. Darauf setzte bei dem Schluße des Blattes das Haus die zweite Berathung des Etats fort.
— Durch eine Allerhöchste Ordre vom 13. d. M. ist be⸗ stimmt worden, daß die Führung von Personalbogen für
diejenigen Beamten der Militärverwaltung vom Friedens⸗
stande, welche in die gedruckte Rangliste aufgenommen werden, in Fortfall kommt, und daß die Personalbogen für die Offiziere, Sanitäts⸗Offiziere und Militärbeamten des Beurlaubtenstandes fortan nur den Zwecken der Kontrole zu dienen haben.
— Selbst wenn bei einer strafgerichtlichen Verhandlung (vor den Geschworenen oder der Gerichtsabtheilung) durch Be⸗ schluß des Gerichts die Oeffentlichkeit des Verfahrens ausgeschlossen wird, so hat, nach einem Erkenntniß des Ober⸗ Tribunals vom 20. Februar 1879, der Angeklagte kein Recht über eine etwaige Verletzung dieses Beschlusses sich zu beschwerden. 116““
Aus dem Wolffschen Telegraphen⸗Bureau.
Wien, Montag, 17. März. Der Kaiser ist gestern 8 ¼ Uhr Abends mit Gefolge, unter welchem sich der Minister⸗ Präsident Tisza und der Minister des Innern, Baron von Wenckheim, befanden, nach Szegedin abgereist. Nach den letzten von der „Neuen freien Presse“ veröffentlichten Be⸗ richten aus Szegedin sind daselbst von den vorhandenen 10 000 Baulichkeiten bisher 8200, darunter ungefähr 4800 Wohnhäuser, eingestürzt und, soweit bekannt, 1900 Menschen ums Leben gekommen. 3
Pest, Montag, 17. März. Die Rettungsmaßregeln in den von der Ueberschwemmung bedrängten Gegenden werden energisch fortgesetzt; die Theiß ist um 30 cm gesunken und auch der Wasserstand in den Nebenflüssen ist im Abnehmen begriffen. Die beschädigten Dämme bei Csongrad sind wieder hergestellt; man hofft, bei unausgesetzter Thätigkeit von 1500 Mann auch die Dämme bei Szentes zu erhalten.
Konstantinopel, Montag, 17. März. Aus Philippopel wird gemeldet, daß der Finanzdirektor Schmidt in Begleitung des französischen Kommissärs Coutouly vorgestern von dort abgereist ist, um den Bezirk Slivno zu inspiziren. Der General Stolipini hatte sich schon früher dorthin begeben, um Unruhen zu verhüten.
(Fortsetzung des Nichtamtlichen in der Ersten Beilage.) 2
Nr. 11 des „Central⸗Blatts für das Deutsche Reich“, herausgegeben im Reichskanzler⸗Amt, hat folgenden In⸗ halt: Allgemeine Verwaltuagssachen: Zweites Verzeichniß der auf Grund des Gesetzes gegen die gemeingefährlichen Bestrebungen der Sozialdemokratie ergangenen Verbote von Vereinen und Druck⸗ schriften; — Verbot ausländischer Druckschriften; — Ausweisung von Ausländern aus dem Reichsgebiet. — Marine und Schiffahrt: Ab⸗ änderung des Verzeichnisses der Kommissionen für die Prüfung der Seesteuerleute und der Seeschiffer; — Ertheilung von Flaggenattesten; — Beginn einer Seesteuermanns⸗ und Seeschifferprüfung. — Zoll⸗ und Steuerwesen: Nachweisung der Einnahme an Wechselstempel⸗ steuer in den Monaten April 1878 bis Februar 1879. — Münz⸗ und Bankwesen: Uvbbersicht über die Ausprägung von Reichs⸗Gold⸗