1879 / 70 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Sat, 22 Mar 1879 18:00:01 GMT) scan diff

1 Jahr kommandirt.

.“ ök 8 nitionsfabrik iu Erfurt, sämmtlich vom 1. April cr. ab auf

Abschiedsbewilligungen. Im aktiven Heere. Ber⸗ lin, 18. März. v. Puttkamer, Sec. Lt. vom 1. Garde⸗Feld⸗Art. Regt., der Abschied bewilligt.

XIII. (Königlich Württembergisches) Armee⸗Corps.

Abschiedsbewilligungen. Im aktiven Heere. 10. März. v. Schröder, charakteris. Oberst z. D., unter Enthebung von den Funktionen als Bez. Commdr. des 2. Bats. Landw. Regts. Nr. 126 und Ertheilung der Erlaubniß zum Tragen der Unif. des Inf. Regts. Nr. 126, der Abschied bewilligt. Sigel, charakteris. Major z. D., unter Enthebung von den Funktionen als Bez. Commdr. des 1. Bats. Landw. Regts. Nr. 119 und Ertheilung der Erlaubniß zum Tragen der Unif. des Gren. Regts. Nr. 119, in die Kategorie der zur Disp. gestellten Offiziere zurückversetzt. Rohde, Sec. Lt. à la suite des Drag. Regts. Nr. 26, ausgeschieden unter gleichzeit. Uebertritt zu den Res. Offizn. des Regiments. Rapp, Sec. Lt. im Inf. Regt. Nr. 121, der Abschied mit Pens. bewilligt.

Im Sanitäts⸗Corps. 10. März. Dr. Hartmann, Assist. Arzt 1. Kl. der Landw. im 2. Bat. Landw. Regts. Nr. 124, zum Stabsarzt der Landw., Dr. Fehling, Assist. Arzt. 1. Kl. der Res. im Res. Landw. Bat. Nr. 127, zum Stabsarzt der Res., Dr. Lebsanft, Assist. Arzt 1. Kl. im Inf. Reg. Nr. 124, zum Stabs⸗ und Bats. Arzt des 2. Bats. Inf. Regts. Nr. 122, befördert.

Aiicchtamtliches. Deutsches Reich.

Ppreußen. Berlin, 22. März. Se. Majestät der

Kaiser und König nahmen heute Vormittag um 11 ¼ Uhr

die Glückwünsche des nächsten Gefolges und um 12 Uhr die der Königlichen Familie, sowie der fremden Hohen Fürstlichen Personen entgegen.

Mittags um 1 Uhr empfingen Se. Majestät den Feld⸗ marschall Grafen von Moltke, der Allerhöchstdemselben die Glück⸗- und Segenswünsche der Armee zu Füßen legen durfte, und um 1 ½ Uhr den Reichskanzler Fürsten von Bismarck.

Se. Kaiserliche und Königliche Hoheit der Kronprinz empfing gestern Vormittag die General⸗Majors von Schmeling und Campe und um 12 Uhr den fran⸗ zösischen Botschafter am Kaiserlich russischen Hofe, General Chanzy, und begab Sich demnächst zum Empfange Sr. Ma⸗ jestät des Königs von Sachsen nach dem Dresdener Bahnhof.

Nachmittags statteten die Höchsten Herrschaften den hier anwesenden Fürstlichen Personen Besuche ab und besichtigten gegen 2 ½ Uhr die Molkerei⸗Ausstellung.

Um 5 Uhr begaben Sich Höchstdieselben zum Diner zu hren Majestäten und Abends gegen 9 Uhr zum Empfange hrer Königlichen Hoheiten des Großherzogs und der Groß⸗

herzogin von Sachsen nach dem Anhalter Bahnhof.

——

—.nnnnnneeennennggöegnn ——

1 Se. Majestät der Kaiser und König vollenden Fen heutigen Tage das zweiundachtzigste Lebens⸗ jahr.

Mit freudiger Theilnahme und mit innigem Danke gegen

Gott, dessen Gnade so sichtbar im vergangenen Jahre über dem theueren Leben Sr. Kaiserlichen Majestät gewaltet, feiert das gesammte deutsche Volk den dieszjährigen Allerhöchsten Geburtstag.

b Die öffentlichen Gebäude und zahlreiche Privathäuser der

Reichshauptstadt Berlin prangen in reichem Fahnen⸗ und Flaggenschmucke, Büsten und Bildnisse Sr. Majestät zieren in geschmackvollem Aufbau die Schaufenster.

In den Straßen entwickelte sich bereits seit früher Morgenstunde ein festliches Treiben, das besonders in der

Nähe des Königlichen Palais seinen Höhepunkt erreichte. In freudigen Zurufen brachte die harrende Menge Sr. Majestät den Ausdruck der Theilnahme und Verehrung dar.

Das Familiendiner zur Feier des Allerhöchsten Geburts⸗ tages fand im Palais Sr. Kaiserlichen und Königlichen Hoheit des Kronprinzen statt. Für das Allerhöchste und die

fremden Gefolge war die Marschallstafel im Königlichen Schlosse servirt.

In vielen Kirchen vereinigten sich die Gemeinden zu einem Festgottesdienst.

MNilltärischerseits wurde der Festtag in herkömmlicher

Weise begangen. Bei der Reveille wurde vom Trompeter⸗

Corps eines Garde⸗Kavallerie⸗Regiments von der Schloßkuppel herab ein Choral geblasen. In der Garnison⸗ und in der St. Michaelskirche fand um 10 ½ Uhr Gottesdienst statt, bei welchem die Garnison durch Deputationen vertreten war. Um 12 Uhr wurde an der Königswache für die Generalität und das Offizierscorps die Parole ausgegeben und zu dersel⸗ ben Zeit auf dem Königsplatze 101 Kanonenschüsse gelöst, wozu die Geschütze vom 2. Garde⸗Feld⸗Artillerie⸗Regiment kommandirt worden waren.

Der Reichskanzler Fürst von Bismarck versammelt die hier beglaubigten Botschafter, Gesandten und Geschäftsträger, sowie einige Hohe Reichs⸗ und Staatsbeamte zu einem Festmahle, während der Staatssekretär des Auswärtigen Amts, Staats⸗Minister von Bülow die Räthe des Auswär⸗ tigen Amts, der Präsident des Reichskanzler⸗Amts, Staats⸗ Minister Hofmann die Mitglieder des Bundesrathes sowie

die Räthe des Reichskanzler⸗Amts, und die übrigen Ressort⸗

chefs der hiesigen Reichsbehörden ihre Räthe eingeladen haben. Die Staats⸗Minister haben ebenfalls an die vortragenden

Räthe ihres Ressorts Einladungen zu Festessen ergehen lassen.

Die Reichstagsabgeordneten feiern den Allerhöchsten Geburtstag durch ein gemeinsames Festmahl im Kaiserhofe; die Mitglieder der städtischen Behörden versammeln sich im Festsaale des Rathhauses zu cinem Diner. 1 Die Offizier⸗Corps der verschiedenen Regimenter ver⸗

einigen sich ebenfalls zu Festessen. Für eine entsprechende Vergnügung der Mannschasten ist allenthalben Sorge ge⸗ tragen. Die Königliche Universität beging den Geburtstag Sr.

Majestät um 12 Uhr in der großen Aula durch eine Feier, bei welcher Professor Dr. Curtius die Festrede hielt.

8 Die Königliche Akademie der Künste trat um 11 Uhr zu einer feierlichen Sitzung zusammen, in welcher der erste stän⸗ dige Sekretär, Geheime Regierungs⸗Rath Dr. Zöllner, die Fest⸗ rede hielt, und die Hochschule für Musik den Choral: „Lobe den Herrn, den mächtigen König der Ehren“ sowie den Psalm 100 von F. Mendelssohn⸗Bartholdy zur Aufführung brachte.

den Gymnasien, Realschulen und den übrigen Lehr⸗ anstalten wurden feierliche Akte abgehalten

Wie in früheren Jahren, so wird auch heute der Kaiser⸗

liche Geburtstag in sämmtlichen städtischen Wohlthätigkeits⸗ anstalten durch festliche Speisung der Hospitaliten und durch

5 .“

8 e“ 1“ 8 11“

In zahlreichen Vereinen und geschlossenen Gesellschaften wird der Geburtstag Sr. Majestät in herzlicher und feierlicher

Weise begangen.

Für die Stadt Berlin gewinnt das Geburtsfest Sr. Ma⸗ jestät diesmal noch eine erhöhte Bedeutung, indem heute Morgen die plastischen Gruppen auf der Bellealliance⸗Brücke und den Treppenwangen der großen Freitreppe am Bellealliance⸗ Platz in schlichter Weise enthüllt wurden.

In den Königlichen Theatern finden Abends Festvor⸗ stellungen statt, welche durch Prologe und die Jubel⸗Ouver⸗ ture eingeleitet werden. Ebenso werden in den übrigen Theatern die Vorstellungen durch festliche Worte eröffnet.

In sämmtlichen Theilen der Stadt sind Vorbereitungen zu einer umfassenden Illumination getroffen.

Auch von außerhalb liegen bereits zahlreiche Telegramme vor, welche übereinstimmend bekunden, daß das deutsche Volk allenthalben den 22. März als nationalen Festtag begeht und den Kaiser mit aufrichtigen Glückwünschen und herzlichster Theilnahme in Sein dreiundachtzigstes Leb nsjahr geleitet.

1 er österreichisch⸗ungarische Botschafter Graf Szée⸗ chényi ist hierher zurückgekehrt und hat die Leitung der Kaiserlichen und Königlichen Botschaft wieder übernommen.

Im weiteren Verlaufe der gestrigen (24.) Sitzung setzte der Reichstag die Berathung des Antrages der Ab⸗ geordneten von Seydewitz, von Helldorff⸗Bedra und Ackermann, betreffend die Abänderung der Gewerbeordnung, fort. Der Abg. Dr. Lasker sprach sich für Ueberweisung des An⸗ trages an eine Kommission aus. In Bezug auf die Schank⸗ wirthschaften sei ja eine Regierungsvorlage zu erwarten; das Haus werde daher gut thun, heute keinen definitiven Beschluß zu fassen, sondern der Kommission die Berathung dieser Regie⸗ rungsvorlage anheimzugeben. Die große Vermehrung der Schankstätten sei ein im ganzen Lande anerkannter Uebelstand. Redner empfahl als Abhülfe gegen die Vermehrung der Schankstätten eine verschiedene Besteuerung des zu industriellen Zwecken verwendeten und des in den Schankstätten verbrauchten Spiritus. Die Bestimmungen des Antrages bezüglich der Wanderlager fänden seine Anerkennung. Was die Auktio⸗ natoren angehe, so erkläre er sich gegen den Antrag, denn in dem Strafgesetz sei eine Garantie gegen gewisse unrechte Manipulationen gegeben, die bei solchen Auktionen oft vorkämen, und es seien die Strafbestimmungen schon vielfach mit Erfolg an⸗ gewendct worden. Die Theater anlangend, so sei das von dem Antrage gestellte Postulat der Bildung doch ein allzu unbe⸗ stimmtes, als daß es etwas nützen könnte, diesen Nachweis zu fordern. Wenn der Abg. Ackermann über den Verfall des Theaters klage, so verweise er ihn auf seine Vaterstadt (Dresden). Auch auf dieser Hofbühne seien schon Stücke gegeben worden, die nicht nur ein junges Mädchen nicht besuchen sollte, sondern die sogar mancher gereifte Mann mitten in der Auf⸗ führung verlassen dürfte. Nicht die Direktoren, nicht die Schauspieler verdürben die Theater heut zu Tage, sondern der Geschmack des Publikums an Offen⸗ bachiaden und dergleichen. In Bezug auf das Innungs⸗ wesen habe der Vertreter der Regierung ganz recht, daß man zunächst sehen müsse, was sich an der Hand der bestehenden Gesetze thun lasse. Dieselben, vor allem die Gewerbe⸗ Ordnung, enthlelten viele Keime positiver Gestaltungen, Schiedsgerichte und korporative Organisationen. Er wolle die Einzelnheiten der konservativen Anträge nicht weiter be⸗ leuchten und bitte das Haus, diese Anträge in einer Kommission vorzuberathen, damit zunächst Alles aus⸗ geschieden werden möchte, was einem Innungs⸗ zwange ähnlich sehe, und daß sodann an der Hand der Gewerbeordnung ohne den Innungszwang Vorschläge ge⸗ macht würden. Zum Schluß sprach Redner seine Freude dar⸗ über aus, daß der Antrag mit so großem Ernst zusammen⸗ estellt sei und daß derselbe ein erfreuliches Zeugniß dafür fer daß man nur eben das abändern wolle auf Seite der Antragsteller, was als lästig und als unersprießlich im Lande empfunden sei.

(Wäͤhrend dieser Rede war der Reichskanzler in das Haus getreten.)

Der Abg. Günther (Sachsen) bemerkte, was die Theater anbetreffe, so hätten ebenso wenig wie die materielle Welt, die Bretter, welche die Welt bedeuteten, die absolute Freiheit er⸗ tragen können, und mit einer Aenderung werde der Reichs⸗ tag sich ein Verdienst um die Kunst, die Künstler und das Publikum erwerben. Wenn der Abg. Lasker das Theater⸗ repertoir des Dresdener Theaters getadelt habe, so müsse er dem gegenüber sagen, daß dasselbe fast zu klassisch sei. Ver⸗ muthlich sei das Stück, das den Abg. Lasker so beleidigt habe, die „Hochzeit des Figaro“ gewesen.

Der Abg. Bauer (Hamburg) erklärte, es sei jetzt allge⸗ mein anerkannt, daß die Gewerbeordnung von innen heraus revidirt werden müsse. Er wolle keinen Innungszwang und kein Arbeitsmonopol, aber er erblicke in den Innungen einen Weg, neben der Freizügigkeit auch das Heimathsrecht wieder zu entwickeln. Die Aufnahme in die Innung dürfe nicht von einem kurzen selbständigen Betrieb am Orte, sondern sie müsse von der Qualität des Antragstellers abhängig gemacht werden, wenn die Innungen nicht mehr nützen als schaden sollten. Neben den Innungen müßten auch Gewerbekammern und Ge⸗ werbegerichte geschaffen werden. In der Kommission werde es sicherlich gelingen, auf Grund dieser Anträge etwas Nützliches für die Gewerbetreibenden zu schaffen.

Hierauf wurde die Diskussion geschlossen. Persönlich bemerkte der Abg. Dr. Lasker: Nicht die „Hochzeit des Figaro“ sei es, die er im Auge gehabt habe; er habe das Dresdener Theater deshalb erwähnt, weil der Abg. Ackermann aus Dresden sei und er angenommen habe, derserbe kenne die dortigen Verhältnisse; er (Redner) habe dasselbe erwähnt wegen der Offenbachiaden, die es aufführte vor der Theaterfreiheit, und wegen der Rosadominos, die es aufführte nach der Theaterfreiheit.

Als Antragsteller nahm das Schlußwort der Abg. von Helldorff⸗Bebra. Das Bedürfniß einer Reform sei allseitig anerkannt. Es sei nicht der Zweck seiner Anträge, dem deut⸗ schen Theater den verlorenen Geschmack wiederzubringen, son⸗ dern er wolle nur dem jetzigen Mißbrauch mit den Tingel⸗ tangels steuern. Viele Schauspieler aus Deutschland hätten auch seinen Anträgen zugestimmt. Denn nicht blos artistisch, sondern auch finanziell habe die Theaterfreiheit verderblich

ewirkt, wie es in der Zeitschrift der Genossenschaft deut⸗ ve Bühnenangehöriger vielfach drastisch geschildert werde. Also auch in der Praxis würden seine Anträge nicht

Gewährung von Geldspenden gefeiert,

1“

8

komme jetzt in Preußen auf 178, in Bayern und Baden auf 158 Seelen inclusive der Frauen und Kinder eine Schank⸗ wirthschaft. Ordnung in diese Verhältnisse sei nur zu bringen, wenn man der Polizei eine gewisse Macht einräume. Die neulich herausgegebene Statistik eines Gefängnißarztes zeige auch eine der Zunahme der Schankwirthschaften entsprechende Zunahme der Trunksucht und Verbrechen. Von Polizei⸗ willkür könne dabei keine Rede sein, weil ja in Preußen die Entscheidungen über Konzessionen im Verwaltungsstreitver⸗ fahren erfolgten. In Betreff der Wanderlager freue er sich, vom Präsidenten Hofmann das Anerkenntniß des Bedürf⸗ nisses vernommen zu haben, gegen dieselben einzuschreiten und daß eine diesbezügliche Vorlage in Aussicht stehe. Es sei ja erwiesen, daß die Wanderlager stets Schundwaaren führten. Was die Innungen betreffe, so sei die Empfehlung des Miquelschen Statuts durch den Minister Maybach der beste Beweis, daß etwas in dieser Beziehung geschehen müsse. Er laube aber nicht, daß diese Anregung durchschlagende Erfolge aben werde und daß seine Partei davon ihre weiteren Maß⸗ nahmen abhängig machen könne. Die Keime in der Gewerbe⸗ Ordnung, die für Innungsbildungen vorhanden sein sollten, müßten doch sehr tief liegen, da sie seit 10 Jahren nicht zum Vorschein gekommen seien. Der Abg. Lasker wolle nur denjenigen gewerblichen Korporationen Rechte ge⸗ währen, die sich bereits bewährt hätten. Sie könnten sich doch aber erst bewähren, wenn man ihnen Rechte gäbe und Vortheile zuerkenne. Zudem unterliege da das Statut der Innungen der behördlichen Genehmigung. Daß den Innungen das Lehrlingswesen übergeben würde, liege im öffentlichen Interesse, namentlich in dem der Groß⸗ industrie. Er glaube, der Reichstag müsse alle Anträge einer Kommission überweisen. Diese Anträge seien nur eine Kon⸗ sequenz der Stellung seiner Partei der Sozialdemokratie gegen⸗ über. Man wolle der zunehmenden Verwilderung und dem Vagabondenthum entgegentreten, man wolle das Rechtsbewußt⸗ sein stärken und die Organisation an die Stelle der Unord⸗ nung setzen. Das bezwecke auch der Antrag Stumm und in vilen Sinne bitte er das Haus, auch diesen Antrag zu unter⸗ ützen.

Der Antrag wurde darauf an eine Kommission von 21 Mitgliedern verwiesen.

Es folgte die Berathung des folgenden Antrages der Abg. Schneegans, North, Dr. Rack und Lorette:

„den Reichskanzler zu ersuchen, darauf hinzuwirken, daß Elsaß⸗Lothringen eine selbständige, im Lande befindliche Re⸗ gierung erhalte.“

Der Abg. Schneegans suchte in einem einstündigen Vortrage nachzuweisen, daß der gegenwärtige Zustand in der Verwaltung der Reichslande unmöglich fortbestehen könne: der Mangel an Verantwortlichkeit auf Grund des Annerionsgesetzes und der Luxus in den Instanzenzügen: Kreisdirektion, Bezirksprä⸗ sidium, Oberpräsidium, Reichskanzleramt, Bundesrath, die nicht nur nicht immer zusammen arbeiteten, sondern häufig einander neutralisirten. Kein deutscher Staat würde es er⸗ tragen, daß die centrale Substanz seiner Regierung sich außer⸗ halb seiner Grenzen befinde. Der Wunsch der Engländer, „die rechten Männer an der rechten Stelle“ zu sehen, sei hier un⸗ erfüllbar, denn die rechte Stelle sei noch nicht geschaffen. Zur Kollision alter französischer und neuer Reichsgesetz⸗ gebung, welche oft in Straffällen doppelte Schläge austheile, kämen noch die Fehlgriffe der höheren Beamten, die fast den Glauben erweckten, man müsse, um etwas zu erreichen, ein Gegner des Reichs und der Regierung sein. Dem evangelischen Ober⸗Konsistorium, dessen Mitglieder von Anfang an auf dem Boden der neuen Verhältnisse ge⸗ standen hätten, habe man vor den Kopf gestoßen, indem man demselben verboten habe, einen Wunsch nach Ausarbeitung eines Schulgesetzes protokollarisch zu veröffentlichen. Ein höherer Staatsbeamter habe gesagt: „Sympathien brauche man überhaupt nicht, sondern Gehorsam!“ Die Reichslande ständen vor einer vollständigen Lahmlegung der ganzen ge⸗ setzgeberischen und organisirenden Gewalt. Die Elsaß⸗ Lothringer seien zwar Deutsche geworden, erfüllten auch die Pflichten, die allen Deutschen oblägen, seien aber Deutsche zweiter Klasse; wie etliche sagen, sogar Preußen dritter Klasse. Mache man aus den Bewohnern Elsaß⸗Lothringens Deutsche erster Klasse, so würden sie sich auch den anderen Deutschen gleichberechtigt fühlen und ebenso loyale Unterthanen werden. Der sogenannte Uebergangszustand, in dem sich die Reichs⸗ lande befinden sollten, könne nur zur Absorbirung durch einen der deutschen Staaten oder zur Autonomie führen. Der erste Weg könne nicht mehr eingeschlagen werden, es bleibe nur noch der zweite übrig, auf den der Reichskanzler schon im Jahre 1871 hingewiesen habe und den Bezirkstage und Lan⸗ desausschuß empfohlen hätten. Als Endziel stellte der Redner auf: 1) Die Einsetzung einer selbständigen, in Straß⸗ burg residirenden, mit Vollmachten ausgerüsteten und im Namen Sr. Majestät des Kaisers die oberste Leitung der Geschäfte mit verantwortlichen Ministern führenden Re⸗ gierung; 2) die Einberufung eines elsaß⸗lothringischen Land⸗ tags mit den Rechten aller anderen deutschen Landesver⸗ tretungen; 3) die Vertretung Elsaß⸗Lothringens im Bundes⸗ rath. Ein Minus, für den Redner das Minimum, würde sein der Fortbestand des Landesausschusses mit erweiterten Befugnissen und Vermehrung der Zahl seiner Mitglieder, ferner eine konsultative Vertretung im Bundesrath; von der Verlegung der Regierung nach Straßburg sei unter keinen Umständen abzugehen. Die Reichslande sollten nicht eine Scheidewand zwischen Deutschland und Frankreich sein, sondern eine Brücke, auf welcher sich die beiden Völker und Kulturen die Hand zur Versöhnung und zum gemeinsamen Wirken reichten.

Der Abg. Kablé bemerkte, die Beschwerden, welche der Vorredner eben so ausführlich vorgetragen habe, habe auch er schon oft vorgebracht; er könne sich deshalb darauf be⸗ schränken, im Namen seiner politischen Freunde die Erklärung abzugeben: Gegen den Antrag nach seinem Wortlaute könne man eine ablehnende Haltung nicht einnehmen; wenn aber das Land in Wirklichkeit selbständig sein solle, so liege es auf der Hand, und in diesem Sinne habe er sich schon oft aus⸗ gesprochen, daß nur eine aus allgemeinen direkten Wahlen hervorgegangene, mit allen konstitutionellen Befugnissen aus⸗

estattete gesetzgebende Versammlung eine gedeihliche Entwicke⸗ ung des Landes befördere. Mit diesem Vorbehalt werde seine Partei für den Antrag des Abg. Schneegans stimmen.

ierauf ergriff der Reichskanzler Fürst von Bismarck

8

das Wort:

ich jetzt schon das Wort ergreife, nachdem wir ein Für und nicht ein

lächerlich sein. Was die Schankwirthschaften betreffe, so

11“

volles Dawider aus dem Reichslande gehört haben

Ich glaube, es wird die Diskussion erleichtern und klären, wenn

v““

Ich kann nicht leugnen, daß die ganze Entwicklung des ersten Herrn Redners übe wiegend wohlthuend auf mich gewirkt hat und es noch mehr gethan haben würde, wenn er es hätte unterlassen können, am Schlusse seiner Rede einen gewissen Appell nach Paris hin zu richten, der hier kein Echo finden kann, wenn er es hätte unterlassen können, in diesem Theil seiner Rede seine Heimath als ein künftig neutrales Land darzustellen, auf dem die französischen Sympathien gleichberechtigt mit den deutschen sein würden. Diese getheilte Liebe, meine Herren, können wir nicht annehmen

Der Herr Vorredner hat an die mehrfachen Aeußerungen er⸗ innert, mit denen ich im Jahre 1871 den autonomen Wünschen, die sich jetzt kundgeben, entgegengekommen bin, in der Hoffnung damals, daß sie sich früher schon zum Ausdruck bringen würden in dieser Versammlung. Ich kann sagen, sie kommen spät, aber sie kommen, und mir persönlich sind sie willkommen. Ich bin ja nicht berechtigt, in meiner Eigenschaft als Reichskanzler hier zu sprechen, ich spreche in der eines Ministers von Elsaß⸗Lothringen, aber ich spreche doch im prinzipiellen Einverständniß mit Sr. Majestät dem Kaiser, soweit es Elsaß⸗Lothringen anbelangt, und würde mich nicht speziell in der Sache äußern können, wenn ich mich davon nicht vergewissert hätte. Diescs Einverständniß Sr. Majestät, in diesem Falle meines territorialen Landesherrn, genügt aber nicht, um dem, was ich späterhin über die Zukunft, über die minimalen Bedingungen, die der erste Herr Redner formulirt hat, sagen werde, volle authentische Kraft zu gewähren Dazu ist erforderlich eine gemeinsame Thätigkeit der gesetzgebenden Faktoren, und zwar vor Allem der verbündeten Regierungen im Bundesrathe. Ich lann nur das hier sagen, was ich bei Sr. Majestät dem Kaiser, wie ich glaube, mit Erfolg und bei den verbündeten Regierungen mit Hoff⸗ nung, befürworten will; ich glaube, daß der erste Herr Redner darin ein weites Entgegenkommen finden wird. Wenn ich nicht mehr ganz auf dem Punkte, ich könnte sagen, meiner ersten Jugendliebe zu den Reichslanden stehe, nicht mehr ganz auf dem für mein damaliges Alter schon kaum anwendbaren Ausdruck einer begeisterten Hoffnung, die ich daran knüpfte, in der glücklichen Empfindung, diese alten Reichs⸗ lande wiedergewonnen zu sehen, so ist das doch wohl erklärlich nach den Zeiten, die wir inzwischen erlebt haben. Ich kann hier auf alle Elemente, die zu meiner Entmuthigung mitgewirkt haben, nicht ein⸗ gehen, der Herr Vorredner hat sie, zum Theil, in übertriebener Form erwähnt; ich will nar das Eine nennen. Der erste Mehlthau, der auf meine Hoffnungen fiel, das waren die ersten Wahlen in Elsaß⸗Lothringen, die Er⸗ innerung an den Protest, den wir hier im Namen, angeblich im Namen der ganzen Bevölkerung, aus dem Munde des Herrn Teutsch und unter Zustimmung seiner sämmtlichen damaligen Kollegen hören mußten. Es war das dieselbe Tonart, wie wir sie noch heute aus dem Munde der geistlichen Vertreter dieses Landes, der Herren Win⸗ terer, Simonis und Guerber zu hören bekommen, und die doch unter ihren Wählern zahlreich vertreten sein muß, wir können annehmen, daß diese geistlichen Herren uns die Stimmung, welche sie zu ver⸗ tieten haben, doch geläutert durch christliche Milde, die dem Geist⸗ lichen eigen ist, hier vorgetragen haben. Wir müssen also befürchten, daß die Wähler den laienhaften Zorn, der dem Geistlichen noth⸗ wendig fehlt, den Priestern der Versöhnung und des Friedens, in diesem Hause schärfer zum Ausdruck bringen mwürden, als die Geist⸗ lichen, die priesterlichen Vertreter es ihres Kleides und der Würde und ihrer christlichen Mission angemessen finden. Wenn ich darauf zurück⸗ gehe, wenn ich mir diese Stimmung vergegenwärtige, wenn ich mir vergegenwärtige, daß sie im Lande vorha den sein muß und noch immer vorhanden sein muß, sonst hätten die Herren nicht gewählt werden können, deren Abneigung gegen jede Annäherung doch die Grenze, die sich der zweite Herr Redner zog, und die für seinen Standpunkt schon ein erhebliches Entgegenkommen bildet, weit hinter sich zurück⸗ läßt, wir werden daher doch immer Alles, was wir diesem Lande an Autonomie konzediren, Alles, was ich im Jahre 1871 nach Aus⸗ weis meiner damaligen öffentlichen Rede bereit war zu konzediren, immer unter dem Gesichtspunkt betrachten müssen, ob es mit der Sicherheit der Reichslande, ob es mit der Sicherheit des Reiches auch in weniger friedlichen Zeiten, wie sie im Augenblick vorhanden und in den nächsten Jahren zu hoffen sind, verträglich sein wird. Ich bin ganz bereit, bei den verbündeten Regierungen zu befürwor⸗ ten, daß wir den Reichslanden das höchste Maß von Selbständigkeit gewähren, was mit der militärischen Sicherheit des Reichs auf dieser Seite verträglich ist. Das ist ein orakelhaftes Wort, was in sich selbst seine Grenzen verändern kann, was aber doch das Prinzip ausdrückt, nach dem wir allein handeln können und handeln müssen unsere Urtheile über das Maß dessen, was wir geben wollen, können ja sehr verschieden sein. Ich habe damals unter dem Ein⸗ druck der Abkühlung, die ich durch das Auftreten des vorhin bezeich⸗ neten Protestabgeordneten erfuhr, mich weiter von den Geschäften des Elsaß zurückgezogen und bin mir selbst bedenklich geworden, ob es richtig war, daß ich als Reichskanzler zu den anderen Auf⸗ gaben, die ich hatte, zu den allgemeinen auch die eines alleinigen und regierenden Ministers eines Landes von anderthalb Millionen Einwohnern übernalsm, und zwar eines Landes, das, wie der erste Herr Redner richtig bemerkte, dadurch die Verwaltung erschwert, daß es so weit von dem Sitze des Souveräns und des Reichskanzlers abliegt. Wir haben uns zuerst geholfen durch Abbürdung eines Theiles der ministeriellen Befugnisse auf den Ober⸗Präsidenten, aber der Mangel ist allerdings der, daß die Leitung und die Hauptleitung der dortigen Politik einem Beamten anheimfällt, der nicht selbstän⸗ dig der verantwortliche Vertreter seiner Handlungen ist, auf dem die ministerielle Verantwortlichkeit nicht ruht, sondern der Reichskanzler trägt sie für ihn und die Schwierigkeiten, die ein solches duglisti⸗ sches Verhältniß bietet, hat ja der erste Herr Redner drastischer vielleicht, als für den Zweck der Annäherung nöthig war, geschildert. Ich bin nicht berufen, hier öffentlich in die Einzelbeiten seiner Kritik einzugehen, vielleicht wird das mein Kollege neben mir in einem späteren Stadium der Berathung thun, ich will mich hier nicht mit der Vergangenheit, nicht mit der Widerlegung von Rekriminationen, sondern mehr mit der Zukunft beschäftigen.

Nach dem entmuthigenden Gefühle, mit dem ich dieser ganzen Aufgabe, für mich als Reichskanzler doch nothwendig Nebenaufgabe, gegenüberstand, habe ich mich gefreut, auf dem Wege des Stellver⸗ tretungsgesetzes die Verantwortlichkeit von mir abbürden zu können, und ich möchte in diesem Punkte den ersten Herrn Redner berich⸗ tigen es steht in Gestalt des mich vertretenden Ressortchefs kein un verantwortlicher, sondern ein verantwortlicher Minister gegenüber, die Verantwortlichkeit geht mit der Stellvertretung auf die Herren über, die mich vertreten, sonst würde es keine Vertretung sein. Aber es bleibt ja richtig, daß die 200 Stunden, wie der Herr Vorredner sagt, die zwischen der hiesigen Verwaltung und Elsaß⸗ Lothringen liegen, die Theilung, die zwischen der Ministerialbefugniß und der Ober Präsidialbefugniß so gemacht ist, daß die Hauptaccente der Geschäfte doch schon jetzt mehr in Straßburg liegen, als hier in Berlin, so gemacht ist, daß nach den mir aus den Akten ge⸗ wordenen Mittheilungen kaum einige 100 Nummern aus der ganzen Verwaltung jährlich überhaupt hier zur Entscheidung gelangen. Daß diese Theilung keine richtige ist, und daß Derjenige, der die Ver⸗ antwortlichkeit trägt, auch den Geschäften näher stehen sollte: damit konzedire ich schon eins der hauptsächlichsten Prinzipien für meine Per⸗ son, die der Herr Vorredner angeregt hat. Für mich, für meine Stellung als Reichskanzler, werde ich ja nachher die Frage richten: wird die Trennung eine vollständige, oder bleibe ich bis zu einem ge⸗ wissen Maße noch verantwortlich? Mir wäre es erwünscht, wenn sie vollständig wäre; denn ich kann eine Verantwortung für Dinge, die ich nicht kontroliren kann, und für Personen, die ich doch nicht ad vutum revoziren kann in ihrer Ernennung, auf die Dauer nicht tragen. Die Geschäfte haben mitunter eine Wendung genommen, die ich nicht ändern konnte, obschon ich sie nicht billige, und deßhalb wäre es mir am liebsten, ich würde von jeder Beziehung zu diesem mit meinen sonstigen Reichsgeschäften eigentlich nicht nothwendig in Verbindung stehenden Nebenamt befreit. Es sollte dieses Amt eben

ein Nebenamt sein. Wer Minister dieses Landes sein will, der muß es meines Erachtens als Hauptamt und als einziges Amt haben.

Ich bitte die Herren um Verzeihung, wenn ich mit etwas Er⸗ mattung spreche. Wie so Viele von Ihnen, bin auch ich sehr unter

ernennen

Erkältung leidend, und wenn es mir diese Sache gerade nicht zum Zwang gemacht hätte, so würde ich vorgezogen haben, heute nicht unter Ihnen zu erscheinen. Deshalb bitte ich um Nachsicht, wenn ich nicht mit voller Geläufigkeit mein Thema beherrsche. Ich komme zu dem, was der Herr Vorredner die Minimalbedingung nannte, und ich habe schon erwähnt, daß ich mit dem mich als elsassischer Minister in der Hauptsache und prinzipiell einverstanden zu erklären berechtigt bin und es auch thue. Ich habe den verbündeten Regierungen die Fragen, die sich daran knüpfen, vorgelegt. Die Zeit ist aber zu kurz, seitdem dies geschehen ist, als daß schon eine Verständigung darüber erfolgt sein könnte. Ich hatte mir vorgenommen, überhaupt diesen Fragen nicht eher näher zu treten, als bis sie aus dem Lande selbst angeregt würden. Das ist jetzt geschehen; und ich habe seitdem erst den verbündeten Regierungen meine Ansicht mit Genehmigung Sr. Majestät des Kaisers mitgetheilt. Die Beschlüsse sind zu erwarten, und ich werde dafür thätig sein, daß sie im Sinne des Planes aus⸗ fallen, den ich im Skelett darlege. Es ist zunächst der Frage näher getreten, ob es richtig gewesen ist und ob es nützlich ist, dabei zu verharren, daß Elsaß und Lothringen ein Land und eine gemein⸗ same Verwaltung bilde. Ich sehe diese Frage als eine offene an. Es ist die Homogenität der Landschaft wesentlich vermindert da⸗ durch, daß sie beide verschmolzen sind. Es ist möglich, daß Elsaß an sich und gesondert schneller und fester konsolidiren könnte, als wenn es mit dem heterogenen Elemente Lothringen gekuppelt bleibt, und es ist ja die Möglichkeit nicht ausgeschlossen, für jeden dieser beiden Landestheile eine gesonderte Regierung einzurichten. Ich muß indessen gestehen, daß ich zu dieser Frage, die sorgfältige politische und militärische Erwägungen erfordert, eine Stellung nicht zu neh⸗ men beabsichtige in diesem Augenblicke und namentlich nicht, bevor ich weiß, wie die verbündeten Regierungen sich darüber aussprechen. Anders liegt es mit den anderweiten Wünschen, die der Verlegung der Regierung in der Hauptsache nach Straßburg, der Initiative des Landtages, der Verstärkung desselben und der konsultativen Stellung im Bundesrathe. Was zunächst eine Verlegung der Re⸗ gierung von Berlin nach Straßburg betrifft, der Regierung, die heut zu Tage in der vermöge des Stellvertretungsgesetzes selbständigen verantwortlichen Abtheilung des Reichskanzler⸗ Amts, die dem Namen nach Elsaß⸗Lothringen führt, besteht, so ist die thatsächlich leicht möglich. Diese vollständig ge⸗ trennte, in ihrer Verantwortlichkeit unabhängige Behörde kann einfach nach Straßburg versetzt werden. Ich bevorworte, daß unter dem, was ich anführen werde, nach der Lage der Gesetzgebung für die Reichslande kaum eine einzige Maßregel sein wird, die ohne einen Akt der Reichsgesetzgebung vollzogen werden könnte. Die Gesetz⸗ gebung ist eine so mannigfaltige und beruht so sehr auf den ein⸗ zelnen Eö“ die jetzt existent sind, daß wahrscheinlich für die Kaiserliche Verordnung in allen den Fragen, die ich erwähnen werde, kein Spielraum sein wird, sondern das Ganze wird ein Akt der Gesetzgebung sein müssen. Also die Verlegung der durch die Stellvertretung selbständigen Abtheilung für Elsaß⸗Lothringen wäre gesetzlich leicht zu machen. Ich glaube aber aus Gründen, die wir in der weiteren Verhandlung der Gesetzgebung prüfen werden, nicht, daß es thunlich ist, die so zu sagen kahle Abtheilung dahin zu schicken. Ich glaube, wir müssen ihr eine Spitze von größerem Gewichte geben, wir müssen einen Statthalter dort einrichten, worunter ich nicht eine selbständige fürstliche Existenz, sondern einfach was das Wort besagt: einen Statthalter verstehe, auf den aber ein Theil auch der Rechte, die nach französischem Gesetz dem Landesherrn zustehen, übertragen werden kann. Das französische Recht erfordert bekanntlich das persönliche Einschreiten des Landesherrn, seine eigene Unterschrift in sehr viel weiterer Ausdehnung wie irgend eine analoge deutsche Einrichtung und ich glaube, daß ein großer Theil der mon⸗ archischen Rechte, so wie sie nach französischem Rechte liegen, in der Ausübung ohne Schaden einem Statthalter übertragen werden kann. Ich halte es auch für dringend nothwendig, daß die Landes⸗ theile, mag man das Elsaß allein oder Elsaß und Lothringen meinen, einen bestimmten, festen sozialen und politischen Mittelpunkt haben und eine Behörde mit mehr Machtvollkommenheit als der Ober⸗ Präsident, die unter Umständen mehr zu geben und zu nehmen im Stande, im Lande sei und im direkten Verkehr von Mann zu Mann mit den Einwohnern stehe und rede mit anderen Worten: ich stimme für die Herstellung einer Statthalterei mit einem verant⸗ wortlichen Ministerium, das 3 bis 4 Abtheilungen haben kann, ohne daß es gerade 3 bis 4 Beamte mit Ministerrang zu haben braucht, sondern ähnlich wie ein Großherzogthum mit analoger Größe, mit Ministerial⸗Direktoren, die dort wohnen. Die schwierige Aufgabe ist die Verbindung dieser Organisation mit dem Landesherrn, der seine Residenz dahin nicht verlegen kann, wenigstens nur sehr vor⸗ übergehend. Da wird es also unabweislich sein, daß bei dem Lan⸗ desherrn sich mindestens ein Kabinets⸗Rath befindet, der den Vortrag hat und die Unterschriften herbeiführt, soweit Kai⸗ serliche Unterschriften erforderlich sind. Die Frage ist nun: soll dieser Kabinets⸗Rath in irgend eine Beziehung zu dem Reichskanzler treten oder nicht? Ich kann darin eine Meinung nicht bestimmt äußern, sondern nur sagen, daß der Wunsch Sr. Ma⸗ jestät des Kaisers sein würde, den Reichskanzler nicht absolut ausge⸗ schlossen zu sehen, sondern sich die Möglichkeit zu wahren, über die Zweckmäßigkeit Allerhöchster Vollziehungen mit dem Reichskanzler in Verbindung zu treten. Indessen, es kaun das ja auch eine rein per⸗ sönliche Beziehung sein, und ich habe meinerseits nichts dawider, so weit Se. Majestät der Kaiser es befehlen würde, aus der Stellung eines Reichskanzlers in die eines Kabinets⸗Rathe oder eines Adju⸗ tanten zurückzutreten. Eine amtliche Klarlegung dieses Punktes wäre kaum erforderlich und für mich kaum erwünscht, weil dann doch die Verantwortlichkeit schließlich immer wieder schwerer auf mich an⸗ rücken würde, und ich möchte mich so weit davon abstellen, wie ich will, es würde immer bleiben, daß pos“ equitem sedet atra cura, sie würde mir folgen. Die zweite Frage ist die, die der erste Herr Redner gestellt hat, die der Initiative des Landes⸗

ausschusses, eine Frage, die ich unbedenklich zu bejahen be⸗ reit bin, ebenso wie die der Verstärkung des Ausschusses. Es ist nur die Frage, wie diese Verstärkung zu gewinnen sein wird, ob durch Zusammenziehung der zwei oder drei Bezirksvertretungen oder ob durch eine Ergänzung aus einem anderen Wahlmodus, sci es aus den Kreistagen oder wie sonst. Aber im Prinzip, um dessen Klar⸗

legung es sich heute doch nur handelt, habe ich kein Bedenken an diesen beiden Punkten der Initiatire und der Verstärkung. Ehe wir den Details näher treten, würden ja formulirte Paragraphen, gefaßte gesetzgeberische Vorlagen an den Bundetrath treten müssen. Eine der schwierigsten Fragen ist die Stellung des Reichstandes zum Bundes⸗

rath. Jede Berechtigung für das Reichsland, Mitglieder des Bundes⸗

raths zu ernennen, wenn sie ebenso ausgeübt werden soll wie für die

übrigen Bestandtheile des Reichsgebiets, würde in letzter Instanz

nichts weiter sein als eine Vermehrung der preußischen Stimmen

von 17 auf 19 oder 20, je nachdem man 2 oder 3 nimmt, denn Se.

Majestät der Kaiser kann unmöglich die bundesräthliche Vertretung

für die Reichslande persönlich anders konstruiren wollen, als die für

das Königreich Preußen und für beide beruht die Bestimmung

schließlich auf dem persönlichen Willen und der persönlichen

Entscheidung des Monarchen, sie mag durch ministerielle Ver⸗

antwortlichkeit gedeckt oder getragen sein, wie sie wolle. Die

preußischen und die elsässischen Vertreter im Bundesrathe würden

nicht gegen einander stimmen können. Eine Verschiebung der jetzi⸗

en Stimmverhältnisse im Bundesrath wäre eine wesentliche Ver⸗

safsenas dergenn und ich mag für deren Initiative die Verantwor⸗

tung nicht auf mich nehmen, ich glaube, sie würde auch wenig Aus⸗

sicht auf Erfolg haben und rvon den preußischen 17 Stimmen einige

an die Reichslande abzutreten, würde eben ja nur rein Formsache

sein, da sie doch nicht anders instruirt werden können, als die übrigen

15 oder 14 Stimmen, und schon jetzt der Kaiser instruirt, und dabei in

seiner Eigenschaft als Inhaber der lande herrlichen Rechte des Elsaß

doch auch den Veruf in sich fühlen wird, die Interessen der Elsässer

wahrzunehmen. Stimmberechtigte Mitglieder des Bundesraths aber

von Seiten des Landesausschusses zur Vertretung der Landesinteressen

zu lassen, würde in den Bundesrath ein neues Element

8

hineinbringen, zu dem ich 1871 vielleicht noch Glauben und Vertrauen gehabt hätte, dem aber, angesichts der Vertreter, die wir heute in der Mehrheit noch haben und die ich vorher namentlich genannt habe, ich nicht den Muth haben würde, ein Gewicht im Senat der deutschen Bundesgenossen einzuräumen. Etwas anderes ist aber die Frage der Möglichkeit, die Interessen des Landes im Schooße des Bundes⸗ raths geltend zu machen, mit anderen Worten, es beschäftigt mich die Frage sehr lebhaft, ob und unter welchen Formen es möglich sein wird, dem Reichslande, also der Landes⸗ vertretung das Recht zu geben, daß sie hier eine konsultative 8 Vertretung im Bundesrathe ausübt. Daß es in der Möglichkeit liegt, die Wünsche des Landes auch bei der Vorberathung der Gesetze im Stadium des Bundesraths mit der Autorität der öffentlichen Meinung, oder der Stimmung der Landesvertretung im Bundesrathe geltend zu machen; so weit ich überhaupt in der Lage bin, mich über die Frage, die uns beschäftigt, zu äußern, erkläre ich, daß ich auch diesem Anspruche zustimmen würde; ich gebe auch die Hoffnung nicht auf, obschon das eine große verfassungsmäßige Neuerung ist, daß er auch im Bundesrath bei den verbündeten Regierungen An⸗ klang finden würde, denn im Grunde liegt darin eine Theilung der Macht, die bisher der Kaiser landesherrlich allein ausübte mit dem Bundesrath. Es liegt darin die Zulassung eines Einflusses der übri⸗ gen verbündeten Staaten auch in den vorberathenden Stadien der Verwaltung und Gesetzgebung, es liegt darin die Herstellung einer, wenn man will, Beschwerdeinstanz gegen die Landesregierung, denn die Vertreter des Elsasser Landesausschusses würden in dem Falle sein, jeder Zeit eine Anregung jeder Frage im Bundesrath wenig⸗ stens herbeizuführen, es würde eine sehr wirksame Beschwerdeinstanz sein, bei der die Beschwerde sosort an eine große und amtliche Glocke gehängt werden kann. Außerdem wäre es vielleicht nützlich, daß die Landesvertretung einen ich könnte sagen diplomatischen Vertreter beim Kaiser hier hätte, mag es zusammenfallend mit dem Bundesrath sein, mögen es zwei sein, aber ich meine, die Beiden müßten sich theilen oder müßten gemeinschaftlich ausüben das Recht des Appells, der Beschwerde, der Initiative, des Antrags bei dem Kaiser als Landes⸗ herrn und bei dem Repräsentanten der Gesammtsouveränetät, dem Bundesrath. In welcher Weise die Mitgliedschaft für dieses be⸗ rathende oder diese beiden berathenden Mitglieder im Bundesrathe konstatirt wird, amtlich und kalendermäßig, das ist eine Frage der Form, über die man leicht hinwegkommen wird. Wenn es überhaupt gelingt, dieses Programm, wie ich es bier sehr unzusammenhängend und schlecht stylisirt augenblicklich skizzire, aber doch verständlich wenn es gelingt, die Zustimmung der Regierung und dieses hohen Hauses zu gewinnen, so glaube ich, daß darin ein erhebliches Ent⸗ gegenkommen liegen wird. Ich würde diese Konzession meinerseits ohne Besorgniß für die Sicherheit des Reiches machen, weil die militärischen Verhältnisse in der Hand des Reiches und des obersten Kriegsherrn bleiben und auch die übrigen staat⸗ lichen Attributionen, und weil ich, wenn die Sache sich nicht bewährt, die Konzession nicht als eine unwiderrufliche betrachte; auf demselben Wege der Gesetzgebung, auf dem sie geschaffen wird, kann sie, wenn sie sich nicht bewaͤhren sollte, wieder aufgehoben, und wenn sie sich bewährt, vervollständigt und erweitert werden, und ich hoffe, daß das Letztere in dem Maße der Fall sein wird, in welchem sich in Elsaß der gesunde Sinn der Bevölkerung von unten herauf durch⸗ arbeitet und sich der Herrschaft bemächtigt im Gegensatz zu einer großen Anzahl von Parisern möchte ich sagen, die im Elsaß geblieben sind nicht Franzosen, denn zwischen Franzosen und Parisern unter⸗ scheide ich erfahrungsmäßig sehr scharf der Elemente, die dort in den gebildeten Klassen zu Hause sind, oder doch in diesen allein ihren Ausgangspunkt und ihren Halt haben. Alle meine Nachrichten stimmen darin überein, daß in der Massenbevölkerung, namentlich aber in der ländlichen, die für uns Vertrauen erweckende Gestaltung der Dinge wesentlich im Wachsen und im Zunehmen begriffen ist, auch namentlich durch die beginnende und werdende Wirkung, welche die allgemeine Wehrpflicht ausübt auf Diejenigen, welche ihren Mi⸗ litärdienst durchgemacht haben und in ihre Heimath zurückkehren, und ich bin überzeugt, daß unser guter Wille, der ja unvermindert ist, wenn auch bei mir wenigstens der Muth und die Hoffnung auf die Zukunft nicht derselbe ist, wie 1871 daß unser unverminderter guter Wille mit der Zeit die Sprödigkeit der Kreise, die uns bisher widerstreben, überwinden wird, wenn wir sie ruhig bei ihrer Arbeit lassen. Ich möchte, daß wir es über uns gewinnen, sie nicht zu sehr zu stören, weder durch Einwirkung unserer gesetzgebenden Körperschaften, noch durch Einwirkung unserer Büreaukratie. Ich habe noch heute Vertrauen zu dem deutschen Keim, der ungestört, wenn auch überwuchert von dem glänzenden Firniß der französischen hundertjährigen Angehörig⸗ keit, doch unzerstört vorhanden ist, und glaube, daß die früher französisch gezogene, von uns frisch gestützte deutsche Eiche kräftig wi der ausschlagen wird, wenn wir Ruhe und Geduld haben, und wenn es uns gelingt, die Fehler unseres eigenen Charakters am Zuvielregieren, möchte ich sagen, zurückzuhalten und zu mäßigen und uns der ruhigen Beobachtung des Wachsthums mehr hinzugeben als dem Bedürfniß, an der Pflanze zu modeln und zu schneiden. Ich werde es dankbar erkennen, wenn von den verschiedenen Standpunk⸗ ten aus, die im Reichstage vertreten sind, den ersten Ideen, die ich hier⸗ mit Ihrer Kritik unterbreite, beleuchtend näher getreten wird, und werde sehr gern bereit sein, da, wo ich zu unvollständig, lückenhaft und unzusammenhängend gewesen bin, nähere Aud kunft zu geben.

Nach einer persönlichen Bemerkung des Abg. Dr. Lasker vertagte sich das Haus um 4 ¾ Uhr auf Montag 11 Uhr.

Die Zeiteintheilung für die Frühjahrs⸗ besichtigungen beim Garde⸗Corpspro 18790 ist folgende: 2. Mai: Besichtigung der Bataillone des 1. Garde⸗Regiments z. F. im Lustgarten zu Potsdam. 12. Mai: Besichtigung des Garde⸗Jäger⸗Bataillons und der Unteroffizierschule im Lust⸗ garten, sowie des 1. Garde⸗Regiments z. F. auf dem Born⸗ stedter Felde zu Potsdam. 13. Mai: Besichtigung des Garde⸗ Pionier⸗Bataillons, des 2. Bataillons des Eisenbahn⸗Regiments auf dem Exerzierplatz östlich und des 3. Garde⸗Regiments z. F. westlich der Tempelhofer Chaussee bei Berlin. 14. Mai: Be⸗ sichtigung des Garde⸗Schützen⸗Bataillons, des Alexander Garde⸗Grenadier⸗Regiments Nr.

Kaiser Franz Garde⸗Grenadier⸗Regiments Nr. 2 auf dem Exerzierplatz östlich der Tempelhofer Chaussee bei Berlin. 15. Mai: Besichtigung des 2. Garde⸗Regiments z. F. und des Garde⸗Füsilier⸗Regiments auf dem Exerzierplatz westlich der Tempelhofer Chaussee bei Berlin. 16. Mai: Besichtigung des 1. Bataillons Garde⸗Fuß⸗Artillerie⸗Regiments, des 4. Garde Regiments z. F. und des 3. Garde⸗Grenadier⸗Regiments Königin Elisabeth auf dem Exerzierplatz an der Potsdamer Chaussee bei Spandau. 17. Mai: Marsch des 4. Garde⸗Regi ments z. F. und des 3. Garde⸗Grenadier⸗Regiments Königin Elisabeth, sowie des 2. Bataillons Kaiser Franz Garde⸗Grena⸗ dier⸗Regiments Nr. 2 nach Berlin bezw. nach Spandau. 23. Mai: Besichtigung der 1. Garde⸗Infanterie⸗Brigade auf dem Born⸗ stedter Felde bei Potsdam. 24. Mai: Besichtigung der kom⸗ binirten Garde⸗Infanterie⸗Brigade Kaiser Franz Garde⸗ Grenadier⸗Regiment Nr. 2, 3. Garde⸗Regiment z. F. und Garde⸗Schützen⸗Bataillon auf dem Exerzierplatz östlich der Tempelhofer Chaussee bei Berlin. 26. Mai: Besichtigung der 3. Garde⸗Infanterie⸗Brigade auf dem Erxerzierplatz östlich der Tempelhofer Chaussee bei Berlin. 26. Mai: Marsch der 3. und 4. Escadron des Regiments der Gardes du Corps nach Potsdam. 27. Mai: Besichtigung der 2. Garde⸗Infan⸗ terie⸗Brigade auf dem Exerzierplatz westlich der Tempel⸗ hofer Chaussee bei Berlin. 29. Mai: Große Parade bei Berlin. 29. Mai: Eisenbahntransport des 1. Bataillons

85

Garde⸗Fuß⸗Artillerie⸗Regiments nach Berlin und nach der