1879 / 82 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Sat, 05 Apr 1879 18:00:01 GMT) scan diff

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VVpon den bewegten Achskilometern sämmtlicher Züge kommen auf jedes Kilometer Bahnlänge durchschnittlich 262 757 Achskilometer (gegen 278 050 im Vorjahre, resp. 284 790 im Jahre 1876 und 307 800 im Jahre 1875). Die mittlere Verhältnißzahl (geometrisches Mittel) des Jahres 1878 zwischen der auf je eine Verspätung entfallenden Zugzahl und Achskilometerzahl stellt sich gegen die von 1877 um ca. 10 Proz., gegen die von 1876 um ca. 83 Proz. und gegen die von 1875 um ca. 139 Proz. höher. 8 Die hier in Betracht kommenden 6344 Verspätungen sind in der Hauptsache hervorgerufen in 1047 Fällen durch Defekte an Maschinen und Wagen, in 655 Fällen durch atmosphärische Einflüsse (Schneeverwehungen, Ueberschwemmungen, Sturm, Regen, Nebel, Glatteis ꝛc.), in 1701 Fällen durch Sperrung der Geleise und in 2941 Fällen durch vermehrte Frequenz.

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Oesterreich⸗Ungarn. Wien, 4. April. (W. T. B.) Die „Pol. Korr.“ meldet aus Tirnowa vom 3. d. M.: Das Organisationsstatut wird in längstens vierzehn Tagen durchberathen sein, sodann sollen die Vorkehrungen zur Fürstenwahl getroffen werden. Ueber die für den Fürstenthron aufzustellenden Kandidaten ist unter den Nota⸗ beln noch keine Vereinbarung erfolgt, dagegen ist unter den⸗ selben eine Einigung darüber erzielt, daß Sofia zur Landes⸗ hauptstadt, Tirnowa zur Krönungsstadt gewählt werde. Den hier befindlichen fremden Konsuln ist ein aus der Mitte der Notabelnversammlung hervorgegangenes Memorandum über die Vereinigung sämmtlicher bulgarischen Länder mit Einschluß Macedoniens, der Dobrudscha und des zu Serbien gehörigen Distrikts Piros überreicht worden. Aus Bukarest von heute: Durch die von der rumänischen

Regierung entsendeten Aerzte ist konstatirt worden, daß Bul⸗ garien von verdächtigen Krankheiten vollständig frei ist.

Pest, 4. April. Das Unterhaus nahm den Antrag auf Beschließung eines Dankesvotums an Oesterreich und an das Ausland für die der Stadt Szegedin gewährten Unter⸗ stützungsspenden einstimmig an. Minister⸗Präsident Tisza theilte in einem längeren Exposé mit, daß bis jetzt 857 000 Fl. an Unterstützungsgeldern für Szegedin eingegangen und bis zum Beginn der Wiederherstellung der Stadt und der Rück⸗ kehr der Einwohner nutzbringend angelegt worden seien. Den Szegediner Instituten solle ein Kredit bis zum Belauf einer Million gegen 5proz. Verzinsung gewährt werden. Zur Verhin⸗

erung weiteren Wasserzuflusses und zur Trockenlegung des Stadt⸗ gebietes seien alle erforderlichen Vorbereitungen getroffen. Im Laufe der Sitzung wurde dann noch eine Interpellation an die Regierung über die gemischte Okkupation Ostrume⸗ liens angemeldet. In Beantwortung dieser Interpellation erkärte Minister⸗Präsident Tisza, die Verhandlungen seien im Zuge, er könne aber, so lange kein Beschluß gefaßt sei, keine näheren Mittheilungen machen. Der Zweck und die Tendenz der Verhandlungen gehe am Besten aus der That⸗ sache hervor, daß die Hauptrolle bei denselben England und Oesterreich⸗Ungarn übernommen hätten, deren Bestreben es sei, den Berliner Frieden auszuführen. Das Haus nahm die Antwort des Minister⸗Präsidenten zur Kenntniß.

Schweiz. Bern, 4. April. Die Volksabstimmung über die Wiedereinführung der Todesstrafe ist auf den 18. Mai anberaumt.

Belgien. Brüssel, 3. April. (Cöln. Ztg.) Das Rund⸗ schreiben, welches der Unterichts⸗Minister über den Schulgesetzentwurf an die Gouverneure der Provinzen ge⸗ richtet hat, ist in verkürzter Fassung durch Maueranschläge zur allgemeinen Kenntniß gebracht worden. Diese amtliche Bekannt⸗ machung ist überall durchaus gleichlautend, nur daß sie in den vlämischen Provinzen nicht blos französisch, sondern auch vlämisch gegeben ist. Sie belehrt das Volk, daß die Bestimmung, wie es mit dem Religionsunterricht in der Schule gehalten werden soll, genau den im Jahre 1846 zwischen der Regierung und den Bischöfen vereinbarten Anordnungen ent⸗ spricht. Trotzdem hat der Abg. Visart daran Anstoß genom⸗ men und wird morgen in der Zweiten Kammer den Minister darüber interpelliren. Den Gouverneuren der Pro⸗ vinzen ist neuerdigs vom Minister eingeschärft worden, daß durch Erlaß vom 7. November 1864 „jede Vertheilung von gedruckten oder geschriebenen Büchern oder Heften irgend welcher Art in den öffentlichen Schulen ohne ausdrück⸗ liche Erlaubniß der Verwaltungs⸗ oder bürgerlichen Aufsichts⸗ behörde strengstens verboten ist“.

Großbritannien und Irland. London, 3. April. (Allg. Corr.) Bei dem gestrigen Jahresfeste der Gesell⸗ schaft zur Unterstützung nothle idender Ausländer (Society of Friends of Foreigners in Distress) hielt der öster⸗ reichisch⸗ungarische Botschaster, Graf Karolyi, welcher den Vorsitz führte, anläßlich des von ihm ausgebrachten Toastes auf die Königin, die nachstehende Rede:

Es trifft sich ganz vortrefflich und ist mir ganz besonders angenehm, daß bei der ersten Gelegenheit, da es mir vergönnt ist, in diesem Lande öffentlich zu sprechen, es mir zufällt, das Wohl Ihrer Majestät auszubringen. Es trifft sich vortrefflich und ist mir so besonders willkommen, weil ich wie Lord Salisbury dies so zutreffend bemerkte als Vertreter des Freundes und Alliirten Englands, des Kaisers von Oester⸗ reich und Königs von Ungarn hier erscheine, und weil ich mache kein Hehl daraus schon in dem Umstande, daß mein Kaiserlicher und Königlicher Herr mich gewählt, um Ihn in diesem Lande zu vertreten, das sichtbare Zeichen eines kürzlich erfolgten historischen Ereignisses liegt, und weil jenes Ereigniß meinen Ideen über das, was die Politik Englands und Oesterreichs sein sollte, eben so sehr entspricht, als es mit meinen persönlichen Gefühlen der Achtung und Ehrerbietung für die Königin übereinstimmt. Das historische Ereigniß, die vollzogene Thatsache, von der ich sprach, ist die Bekräftigung jener alten Freundschafts⸗ bande, welche die beiden Länder fest mit einander verbinden, die ihre Waffengenossenschaft auf manchem ruhmreichen Schlachtfelde der Vergangenheit besiegelt haben. In unseren Tagen, wo die Geschicke aller civilisirten Nationen von Staats⸗ männern gestaltet worden, welche ihren Landsleuten gegenüber verantwortlich sind, muß die Allianz zweier Länder, wie Eng⸗ land und Oesterreich, nothwendigerweise darauf abzielen, den Krieg zu verhindern und nicht ihn heraufzubeschwören. Darum werden auch heute formelle Allianzverträge in

Die gegenseitigen Interessen zweier Länder sind in unseren Tagen eine sicherere Basis für eine gemeinsame Aktion als der sorgsamst ausgearbeitete Offensiv⸗ und Defensivvertrag. Die Aehnlichkeit, und in mancher Hinsicht die Gleichartigkeit der legitimen Ziele, welche England und Oesterreich verfolgen, werden darum fortbestehen und die ununterschriebene Allianz befestigen, welche auf die Interessen der beiden Länder sich stützt, von zwei großen Staatsmännern abgeschlossen und von zwei be⸗ rühmten Souveränen gebilligt wurde. Jene Souveräne, welche bereits durch die starken Bande gegenseitiger hoher Achtung geeint sind, haben mit dazu beigetragen, die glückliche Verbindung ihrer Völker zu Stande zu bringen, eine Thatsache, welche trotz ihrer Eifersucht über strikt konstitutionelle Formen von ihren loyalen Unterthanen dankbarst anerkannt wird. Ich habe somit die Ehre, als Vertreter Sr. Majestät des Kaisers und Königs und als Vorsitzender dieser hervorragenden Ge⸗ sellschaft das Wohl des erhabenen Freundes und Alliirten des Rasfes auszubringen. Ihre Majestät die Königin sie lebe och!

Der Vizekönig von Indien hat unterm 1. d. M. folgende Depesche an das Indische Amt gerichtet:

Majer Sandemann erreichte Thull am 27. März.

Maj . . 1 Mr. Fryer begiebt sich mit Proviantvorräthen nach Leghari Barkan,

um dort

mit General Biddulph zusammenzutreffen. General Browne berichtet

über einige Aufregung unter den Stämmen in der Umgegend von Djellalabad. Da Futtehabad und Charbagh von feindlichen Stäm⸗ men bedroht werden, entsandte er dahin eine kleine Truppenmacht. Major Cavagnari kehrte gestern von Lahore nach Djellalabad zurück.

Zur Ergänzung vorstehender amtlichen Depesche wird dem „Reuterschen Bureau“ unterm 1. d. M. aus Lahore telegraphirt:

„In Folge der drohenden Angriffe Seitens feindseliger Stämme in den Distrikten Djellalabad und Lughman ist Kapitän Gough mit vier Schwadronen Kavallerie, vier Karonen und 1000 Mann In⸗ fanterie nach Futtehabad und Major Macpherson mit zwei Schwa⸗ dronen, einer Bergbatterie und 1200 Mann Infanterie nach Char⸗ bagh abgegangen.“

Dem „Standard“ wird aus Lahore unterm 1. d. M. telegraphirt: „Die Unterhandlungen sind nominell noch nicht abgebrochen, aber Jakub Khans Brief ist noch immer unbeantwortet.“

Vom afghanischen Kriegsschauplatze kommt ferner die Nachricht von einem traurigen Unfalle, welcher dem 10. englischen Husaren⸗Regiment zugestoßen. Eine De⸗ pesche des Vize⸗Königs an das Indische Amt theilt darüber Folgendes mit:

„Eeneral Browne meldet unterm 1. April aus Djellalabad: Eine Schwadron des 10. Husaren⸗Regiments, welche einer Schwadron des 11. Bengal Lanzenreiter⸗Regiments Nachts um 10 Uhr über den Kabulfluß, in der Nähe von Djellalabad, folgte, verlor die Pferde und wurde von der Strömung fortgerissen. Lieutenant Harford und 50 Mann werden vermißt. 16 Leichen sind aufgefunden. Die Lanzen⸗ reiter waren glücklich gelandet.“

Den „Daily News“ geht über das Unglück aus Djellabad folgender Bericht zu:

Spät am Montag Abend marschirten 2 Kolonnen unter den Generälen Macpherson und Gough nach Lugham. Eine Schwadron des 10. Husaren⸗Regiments, welches einer der Kolonnen angehörte, mußte den Kabulfluß überschreiten. Die Mannschaften geriethen in Tiefwasser, und von 76 Mann sind nur 26 entkommen. 19 Leichen sind aufgefunden worden. Lieutenant Napier, Sohn des Lord Na⸗ pier von Magdala, rettete mit genauer Noth sein Leben.

—. (E. C.) Die ‚London Gazette“ macht bekannt, daß Sir Bowen, ehemaliger Gouverneur der Kolonie Victoria, zum Gouverneur von Mauritius ernannt worden ist.

Ein Blaubuch, welches die Korrespondenz zwischen Salisbury, Layard und Wolseley betreffs der Gerichts⸗ verfassung auf Cypern enthält, ist soeben ausgegeben worden.

4. April. (W. T. B.) Das Oberhaus hat sich heute bis zum 24. April vertagt.

Im Unterhause antwortete der Unter⸗Staatssekretär Bourke auf eine Anfrage Camerons: Die Regierung habe gestern erfahren, daß Frankreich von der Insel Matacong Besitz ergriffen habe. Der Attorney General von Sierra Leone habe gegen die Besitzergreifung Protest erhoben, und die englische Regierung habe der französischen Regierung be⸗ reits Vorstellungen gemacht. In Beantwortung einer An⸗ frage Fawcetts erklärte der Schatzkanzler Northcote: Die Verhandlungen mit Jacub Khan vürden fortgesetzt, es sei der Regierung aber unmöglich, sich betreffs etwa noth⸗ wendiger Truppenbewegungen zu binden oder überhaupt detaillirte Mittheilungen zu machen; indeß sei nichts unwahr⸗ scheinlicher, als daß die Regierung von ihrer gegenwärtigen Politik bis zum Wiederzusammentritt des Parlamentes ab⸗ weichen werde. Falls ja eine Veränderung eintreten sollte, werde die Regierung solche sobald wie möglich dem Parla⸗ mente mittheilen. Der Vizekönig Lord Lytton sei bestimmt angewiesen, ohne ganz definitive Befehle der Regierung keinen Vormarsch gegen Kabul zu unternehmen. Lord Hartington sprach seine Befriedigung über diese wichtigen Zusicherungen des Schatzkanzlers aus. Im weiteren Verlaufe der Sitzung fand eine lange Debatte statt über den An⸗ trag Briggs auf Abschaffung des Baumwoll⸗ zolles in Indien, da die Kosten für den Krieg in Afghanistan keinen genügenden Grund dafür böten, die Abschaffung dieses Zolles noch hinauszuschieben. Der Unter⸗Staatssekretär für Indien, Stanhope, erklärte: Die Regierung halte daran fest, die Zölle, den Finanzen Indiens entsprechend, nach und nach abzuschaffen; sie unterstütze den ersten Theil des Antrags Briggs, sei aber gegen den letzten Theil desselben. Der erste Theil wurde schließlich ohne Ab⸗ stimmung genehmigt, der letzte dagegen mit 166 gegen 84 Stimmen abgelehnt. Sardcaste brachte hierauf einen Zu⸗ satzantrag ein, welcher dahin lautete: Das Haus erblicke mit Befriedigung in der jüngst vorgenommenen Zollreduktion einen wichtigen Schritt in der Richtung der vollständigen Auf⸗ he ung der Zölle, zu welcher sich die Regierung verpflichtet habe. Sardcaste betrachtete dieses als ein Vertrauensvotum und beantragte die Vertagung der Debatte. Der Antrag Sardcaste's, für welchen sich auch die Regierung ausgesprochen hatte, wurde jedoch mit 161 gegen 62 Stimmen verworfen und statt dessen der Antrag des Schatzkanzlers North⸗ cote: Das Haus nimmt die jüngste Zollreduktion als einen Schritt in der Richtung der gänzlichen Aufhebung der Zölle auf, ohne Abstimmung genehmigt.

5. April. (W. T. B.) Die amtliche „London Gazette“ veröffentlicht in einer besonderen Ausgabe eine Depesche des englischen diplomatischen Agenten von der Grenze des Zululandes, vom 1. März. In

früheren Zeiten schmählicher Weise nur zu oft die Eingebungen einer Laune gewissermaßen als etwa ltetes b. t

dieser Depesche wird die Ankunft von Abgesandten

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daß Cetewayo niemals den Krieg mit iglände gewünscht habe, und daß er sogar noch versucht habe, den Forderungen Sir Bartle⸗Frerc s nachzukommen, als die Feindseligkeiten bereits begonnen hatten. König Cetewayo habe niemals die Absicht gehabt, die Engländer an⸗ zugreifen; der Kampf bei Isandula habe in Folge eines Angriffes der englischen Kavallerie auf die Vorposten der stattgefunden. Der Generalkommandant der Zulutruppen sei 2& dieses Kampfes von seinem Posten entfernt worden, weil er die Soldaten nicht gehindert habe, an dem Gefechte Theil zu nehmen. Schließlich bittet Cetewayo, die Feindseligkeiten zu suspendiren und die Verhandlungen wieder aufzunehmen.

Nach einer Meldung der „Daily News“ aus Ran⸗ goon, vom 4. d. M., befürchtet man anläßlich der am 6. d. M. stattfindenden Krönung des Königs von Birma den Ausbruch von Unruhen.

Frankreich. Paris, 3. April. (Fr. Korr.) Die „République francaise“ schreibt: „Das „Journal officiel“ wird Freitag oder Sonnabend ein neues Dekret des Präsidenten der Republik veröffentlichen, welches einer gewissen Anzahl von politischen Verurtheilten Amnestie zu Theil werden läßt. Es wird dies seit dem Er⸗ lasse des Gesetzes, wenn wir nicht irren, das vierte sein. Von der nächsten Woche ab werden sich diese Dekrete, wie wir zu wissen glauben, rascher folgen, und das Justiz⸗Ministerium wird in der Lage sein, sein Werk in der gesetzlichen Frist von drei Monaten beendet zu haben. Mit der Klassirung ist man nämlich schon fertig. Für die Verurtheilungen in kon⸗ tradiktorischem Verfahren war diese Arbeit nicht schwer; aber für die Kontumazialerkenntnisse mußte man noch alles selber machen. Bis zum vergangenen Monate hatte man an die Prozeßakten dieser Kategorie, die im Kriegs⸗ Ministerium aufgespeichert waren und dort in einer Unord⸗ nung lagerten, von der man sich gar keinen Begriff machen kann, nicht gerührt. Viele Akten enthalten nicht einmal den Civilstand des Verurtheilten, andere nur den Namen, ohne Beifügung des Vornamens und Alters. Im Justiz⸗Ministerium mußte man diesen Knäuel erst entwirren, was nothwendig viel Zeit kostete. Jetzt ist die Arbeit aber im Gange, und zwar hat man für die Klassirung folgenden Weg gewählt: Die Kontumazialverurtheilten wurden getheilt in: 1) die zur einsachen oder zur Deportation nach einem befestigten Platze Verurtheilten; für diese wird die Arbeit, wie wir glauben, in vierzehn Tagen fertig sein; 2) die Verurtheilten für angeblich gemeine Verbrechen, als Plünderung, Requisitionen, willkürliche Verhaftungen; 3) die Mitglieder der Commune, des Central⸗ comités und die militärischen Führer vom Bataillonschef auf⸗ wärts. Hinsichtlich dieser letzten Kategorie wird die Ent⸗ scheidung im Ministerrathe gefällt werden. Dies ist der gegen⸗ wärtige Stand der Sache. Wie das Gesetz nun einmal ist, wird man ihm seine beste Seite abzugewinnen haben. Wir wissen, daß der ehrenwerthe Beamte, welchem die Regierung die Direktion der Abtheilung für Begnadigungssachen an⸗ vertraut hat (Hr. Laferriére), von den besten Absichten erfüllt ist und für seinen Theil Alles aufbieten wird, daß das Ver⸗ fahren ein gerechtes sei. Gleichwohl möchten wir seine Auf⸗ merksamkeit auf die Erkenntnisse wegen sogenannter gemeiner Verbrechen lenken. Eine aufmerksame Prüfung der Akten wird ihn bald überzeugt haben, daß fünf Sechstel dieser Ver⸗ urtheilungen sich auf rein politische Handlungen beziehen.“

Der Ferry'sche Gesetzentwurf hat in der Kom⸗ misssion noch einige verschärfende Bestimmungen erhalten. So wird z. B. den Privatinstituten für höheren Unterricht verwehrt, sich den Titel von Fakultäten und Universitäten beizulegen. Die Ertheilung von akademischen Graden ist ihnen unter⸗ sagt. Durch einen Zusatz zum Art. 7 werden alle Mitglieder zum Unterrichtertheilen nicht autorisirter Kongregationen von der Ertheilung des Unterrichts ausgeschlossen.

4. April. (République frangaise)) Die Deputir⸗ tenkammer wird sich wahrscheinlich am Sonnabend ver⸗ tagen und ihre Arbeiten gegen Mitte Mai wieder aufnehmen. Der Senat dürfte sich ebenfalls am Sonnabend vertagen.

Im Ministerium des Innern wird augenblicklich eine Veränderung in dem Verwaltungspersonal, und zwar in Betreff der Präfekturräthe vorbereitet. Eine gewisse Anzahl dieser Beamten, die an den Ereignissen des 16. Mai Antheil gehabt, sollen abberufen werden.

4. April. (W. T. B.) Gegen den verantwortlichen Herausgeber des bonapartistischen Journals „Ordre“ ist wegen Verbreitung falscher Nachrichten auf 10tägiges Ge⸗ fängniß und 500 Frecs. Geldbuße erkannt worden.

Versailles, 4. April. (W. T. B.) Der Senat hat heute den Gesetzentwurf, betreffend die Auslieferung von Uebelthätern, in zweiter Lesung angenommen.

Spanien. Madrid, 2. April. (Ag. Hav.) Es ist unrichtig, daß der Marquis von Molins seine Entlassung gegeben hätte.

(Cöln. Ztg.) Am 26. d. M. starb nach längerem Leiden der bekannte Staatsmann August Ulloa. Derselbe war unter dem König Amadeus Justiz⸗Minister im ersten Kabinet und später Minister des Auswärtigen. Dieses Amt bekleidete er auch im Jahre 1874, als Serrano Präsident de Exekutivgewalt war. Damals richtete er sein ganzes Streben auf die Anerkennung Spaniens Seitens der europäische Mächte. Die letzten Jahre seines Lebens sind eng mit de Geschichte der konstitutionellen Partei verwachsen, in dere Mitte er das gemäßigtste Element vorstellte. Ulloa gehörte zu den ersten parlamentarischen Rednern Spaniens.

Portugal. Lissabon, 3. April. (Allg. Corr.) Der Herzog und die Herzogin von Connaught trafen gestern Morgen, an Bord der Königlichen Nacht „Osborne“ hier ein. s

der Nacht ab, worauf Ihre Königlichen Hoheiten landeten. Am Donnerstag setzt das neuvermählte Paar die Reise nach dem Mittelländischen Meere fort. b

Italien. Rom, 4. April. (W. T. B.) In der heutige Sitzung der Deputirtenkammer gelangte die gestern von dem Abg. Cavallotti angekündigte Tagesordnung zur Be

rathung. Der Abg. Puccioni sprach gegen die republikanischen

Vereine und erklärte, für die Regierung stimmen zu wollen. De Abg. Crispi wiederholte, daß das monarchische Prinzip das Land einige, während die Republik dasselbe spalten würde. Die Agitatoren entbehrten der Macht, und die Nation würde de auf einen Umsturz gerichteten Tendenzen derselben nicht folgen er billige die von der Regierung betreffs der Vereinsfreiheit

Königs C ayo erklärten,

abgegebenen Erklärungen. Der Abg. Cairoli äußerte sich

b Sämmtliche Mitglieder der portugiesischen Königs⸗ familie statteten den Erlauchten Gästen einen Besuch an Bord

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in demselben Sinne. Bertani, von der äußersten Linken, vertheidigte das Verhalten seiner Freunde als ein stets legales, wogegen Finzi, Crispi und Cairoli die Not wendig⸗ keit, die Umsturzparteien zu unterdrücken, tonten. Der Abg. Zanardelli sprach sich im monarchischen Sinne aus, erklärte aber, für das Ministerium nicht stimmen zu können, wenn dasselbe die von ihm dargelegten Grundsätze betreffs der Vereine nicht acceptire. Der Abg. Nicotera erklärte, er werde für eine Tagesordnung stimmen, welche die Politik der Regierung billige und das Recht derselben betone, Vereine auflösen und Demonstrationen zu Gunsten des Umsturzes verhindern zu dürfen; in den Fragen der öffentlichen Ordnung sollte die Rechte mit der

inken übereinstimmend votiren. Hierauf nahm der Minister⸗ Präsident Depretis das Wort. Derselbe bestätigte seine gestrigen Erklärungen und sagte, dieselben seien wohl geeignet, die Zustimmung aller ordnungsliebenden Bürger zu finden. Das Ministerium wünsche die ausdrückliche Billigung der von ihm abgegebenen Erklärungen, da dasselbe unter den gegen⸗ wärtigen inneren wie äußeren Verhältnissen sich auf eine große Majorität müsse stützen können. Er erkläre sich mit der Tagesordnung des Abg. Spantigatti einverstanden, welcher die Resolution beantragte, daß die Kammer, nachdem sie die Erklärungen des Ministeriums vernommen habe, zur Tagesordnung übergehe. In Folge dieser Erklärung des Ministers zogen die Abgg. Villa, Nicotera und Vare ihre Tagesordnungen zurück, und die Abgg. Sella, Baccarini und Cairoli erklärten, für die Tagesordnung Spantigatti's stim⸗ men zu wollen, weil in derselben kein Ausdruck des Ver⸗ trauens enthalten sei. Der Minister Depretis entgegnete, daß durch ein solches Votum sich die Regierung nicht gestärkt fühlen könne, worauf Nicotera und Spantigatti erklärten, daß die beantragte Tagesordnung das Vertrauen zur Regierung bedeute. Die Abgg. Villa und Crispi wollten nur für den einfachen Uebergang zur Tagesordnung und nicht für den Vordersatz der Tagesordnung Spantigatti stimmen. Der Minister wiederholte, daß die Regierung eine Billigung ihrer dargelegten Prinzipien und ihres Verhaltens gegen die repu⸗ blikanischen Vereine beanspruche. Der Abg. Sella unter⸗ stützte den Ausspruch des Ministers, indem er betonte, daß nur ein einstimmiges Votum der Kammer in dieser Frage dem Ministerium einen festen Halt gebe. Die Tages⸗ ordnung Spantigatti wurde hierauf in namentlicher Ab⸗ stimmung mit 273 gegen 37 Stimmen angenommen. 82

Türkei.

Konstantinopel, 3. April. (W. T. B.) Die türkische Regierung hat ihren Vertretern im Auslande mitgetheelt, sie habe auf Grund der von den Hassunisten und von dem Erzbischof Hassun selbst ertheilten Zusicherungen, daß die der Pforte in Betreff der armenischen Katholiken ab antiquo zustehenden Rechte von dem Vatikan respektirt werden würden, beschlossen, dem Erzbischof einen Firman zu ertheilen, in welchem derselbe wieder als Patriarch von Cilicien aner⸗ kannt werde. Inzwischen hätten die Antihassunisten gegen diese Maßregel Widerspruch erhoben und es sei lediglich da⸗ durch die Zustellung des gedachten Firmans an den Erzbischof Hassun bis jetzt verzögert worden. Die Regierung sei be⸗ müht, eine Verständigung unter den beiden einander gegen⸗ überstehenden Parteien herbeizuführen.

Süd⸗Amerika. Chile. Valparaiso, 8. März. (Allg. Corr. via Lissabon.) Der peruanische Ge⸗ sandte Senhor Lavalle kam am 5. d. M. hier an und hatte am 7. eine Audienz bei dem Präsidenten der chilenischen Republik, um das Mediations⸗ anerbieten Perus in dem Zwist mit Bolivia zu über⸗ reichen. In den Unterhandlungen, welche eröffnet wurden, besteht die chilenische Regierung auf der Wiedereinsetzung der chilenischen Compagnie und der Aufhebung des Ausfuhr⸗ zolles auf Salpeter. Bolivia, Senhor Quinones, hat dem Präsidenten von Bolivia gleichfalls ein Mediationsanerbieten seiner Re⸗ gierung überreicht. Zu gleicher Zeit hat der Präsident von Peru seine Absicht kundgegeben, im Falle der Krieg schließlich aus⸗ brechen sollte, eine neutrale Haltung zu beobachten. In Chile herrscht große Aufregung in Folge der feindseligen Sprache der peruanischen Presse. Die chilenische Regierung fährt fort, kriegerische Vorbereitungen zu treffen und verschanzte Positio⸗ nen anzulegen. Meldungen aus Bolivia zufolge, hat die Re⸗ gierung dieser Republik ihre Absicht kundgegeben, in der Defensive zu bleiben und den Angriff der chilenischen Armee im Innern des Landes abzuwarten. Der Präsident von Peru hat ein Dekret erlassen, welches den Zoll⸗ verband zwischen Bolivia und Peru, sowie den zwischen den südamerikanischen Republiken geschlossenen Völker⸗ rechtsvertrag in Kraft setzt.

22. März. Die chilenischen Truppen sind an der bolivianischen Küste gelandet und nach der Besetzung von Lobija weiter landeinwärts vorgedrungen und in Calamo und Tocapilla eingerückt.

Argentinien. Buenos⸗Ayres, 10. März. (Allg. Corr. via Lissabon.) Seünor Almacedo, der neu ernannte chilenische Gesandte ist hier angekommen, um die Differenz bezüglich Patagoniens zu begleichen und die Eintheilung des Gebietes zu arrangiren.

Uruguagy. Montevideo, 11. März. (Allg. Corr. via Lissabon). Der neue Präsident behält das frühere Ministerium bei. Die Legislatur wird einen Gesetzentwurf annehmen, der die Akte des Obersten Latorre während seiner Diktatur billigt.

Aus dem Wolffschen Telegraphen⸗Bureau.

Rom, Sonnabend, 5. April, Vormittags. Nach einer Meldung des „Diritto“ ist der Konsul Durando zum Ge⸗ schäftsträger bei dem Fürsten von Montenegro ernannt wor⸗ den und hat sich auf seinen Posten begeben.

St. Petersburg, Sonnabend, 5. April. Mit Kaiser⸗ licher Genehmigung ist beschlossen worden, die hiesige medico⸗ chirurgische Akademie mit Anfang des nächsten Lehrjahres in eine speziell militärisch⸗-medizinische Akademie umzugestalten. Die Studirenden, deren Zahl auf 500 beschränkt wird, gelten als im Staatsdienst befindlich; dieselben werden sämmtlich Sti⸗ pendiaten sein gegen die Verpflichtung, für jedes Lehrjahr 1 ½ Jahr im Heere zu dienen. Der Lehrkursus wird statt wie bisher fünfjährig nur ein dreijähriger sein und nur diejenigen Wis⸗ senschaften umfassen, welche jetzt in den drei höheren Kursen vorgetragen werden. Zur Aufnahme in die medizinische Aka⸗ demie gelangen Studenten der ersten zwei Kurse der medizi⸗

Der peruanische Gesandte bei

nischen und naturwissenschaftlichen Fakultäten, welche das bezügliche Examen erfolgreich bestanden haben. Dieselben leisten beim Eintritt den Eid nach der festgestellten Formel.

Kunst, Wissenschaft und Literatur.

Im Verlage von F. W. Becker & Cie. in Lüdenscheid und Arnsberg ist vor Kurzem erschienen: „Die preußischen Spar⸗ kassen nach dem Reglement vom 12. Dezember 1838, betreffend die Einrichtung des Sparkassenwesens und den dazu ergangenen Aller⸗ höchsten Kabinets⸗Ordres, Ministerial⸗Reskripten, Ober⸗Präsidial⸗ Erlassen und Regierungs⸗Verfügungen, bearbeitet von A. Selle, Königlichem Kreis⸗Sekretär.“ Der eigentliche Zweck der Spar⸗ kasse ist nach dem Reglement über die Einrichtung des Sparkassen⸗ wesens vom 12. Dezember 1838 in den Worten: „Die ärmere Klasse zur Sparsamkeit anzureizen“ mit Nachdruck hervorgehoben. Die Sparkassen sollen den kleinen Mann zum Sparer machen. Indem sie dieses in Wirklichkeit thun, nehmen sie unter den nützlichen und den dem allgemeinen Wohle dienenden Einrichtungen der Staats⸗ verwaltung eine hervorragende Stelle ein. Deshalb wird den Sparkassen von Seiten der oberen Staatsbehörden eine befondere Aufmerksamkeit zugewendet. In dem Maße, wie die staatlichen Aufsichtsbehörden für die in den Sparkassen gegebene Anstalt gegen wirthschaftliche Verarmung und Verwilderang und die daraus ent⸗ springenden sittlichen Schäden ihre Ausmerksamkeit, Theilnahme und entwickeln und auf eine genaue Befolgung der über das Sparkassenwesen erlassenen Vorschriften halten, in demselben Maße werden es sich auch die an der Spitze der Verwaltung dieser In⸗ stitute stehenden Behörden, Beamten, Kommissionen und Deputationen angelegen sein lassen, die Verwaltung an der Hand der gesetzlichen Vorschriften zu führen bezw. zu kontroliren. Eine genaue Kenntniß dieser Vorschriften zu befördern und den Behörden und Beamten, insbesondere aber den einzelnen Mitgliedern der Sparkassenverwal⸗ tungen als praktisches Hülfsmittel bei der Ausführung ihrer des⸗ fallsigen Geschäfte zu dienen, hat sich das vorliegende empfehlens⸗ werthe Buch, dessen Preis beiläufig bemerkt 2 25 beträgt, zur Aufgabe gemacht.

Im Verlage von Carl Flemming in Glogau sind von Sohr⸗Berghaus’ Hand⸗Atlas über alle Theile der Erde, in der neuen Bearbeitung von F. Handtke, soeben Lief. 6 bis 14 erschienen. Dieselben enthalten im Ganzen 18 Kartenblätter in Folio und beziehen sich auf Europa, Asien, Amerika und Austra⸗ lien, und zwar auf Europa II, auf Asien 3, auf Amerika ebenfalls 3, auf Australien 1. Die Europa betreffenden Blätter stellen Enropa überhaupt, ferner das nordöstliche, das nordwestliche, das südöstliche und das südwestliche Frankreich, außerdem Spanien und Portugal, Schweden und Norwegen, das Königreich Dänemark, nebst den preu⸗ ßischen Provinzen Schleswig⸗Holstein und Lauenburg, die Niederl ande, das Königreich Sachsen und die Provinz Posen dar; die 3 Amerika betr. Blätter Amerika überhaupt, sowie das nördliche und das füd⸗ liche Südamerika, die 3 auf Asien bezugnehmenden Blätter das asiatische Rußland, die asiatische Türkei und das südöstliche China nebst Theilen von Korea und Japan. Ein Kartenblatt endlich ent⸗ hält Australien. Die einzelnen Kartenblätter sind mit gleicher Sorg⸗ falt wie die der voraufgegangenen Lieferungen ausgeführt. Für die anerkannten Vorzüge dieses altbewährten Atlas⸗Werkes aber spricht am lautesten der Umstand, daß dasselbe bereits in 7. Auflage er⸗ scheint. Im Ganzen wird der Atlas 100 Blätter en

Gewerbe und Handel.

Unter dem Rindvieh der Stadt Plock in Polen ist amt lichen Mittheilungen zufolge seit dem 17. Februar d. J. kein weiterer Fall von Rinderpest vorgekommen und dürfte daher die Seuche, deren Ausbruch s. Z. gemeldet wurde,“*) als erloschen zu betrachten sein.

——— Im Verlage von Carl Chun (Berlin W., Lützowstr. 11) erschien soeben eine tabellarische Uebersicht der deutschen Münzen, Maße und Gewichte, entworfen und herausgegeben von H. C. Otto und J. Sack, städtischen Lehrern in Berlin. Preis 75 ₰. Die Tabelle enthält: die Rechnungseinheit der Münzen (1 = 100 ₰); das Grundmaß für Längen (Meter oder Stab); das Grundmaß für Flächen (das Quadratmeter); die Grund⸗ stufe für Gewichte (das Kilogramm [2 Pfe das ist das Gewicht eines Liters destillirten Wassers bei 40 Celsius); das Grundmaß für trockene und flüssige Maße (das Liter oder der 1000. Theil eines Kubikmeters). Außerdem stellt die Tabelle bildlich die Längen⸗, Flächen⸗ und Hohlmaße dar und ist die erste existirende Tabelle, welche gleichzeitig die vom Bundesrath laut Beschluß vom 8. Novem⸗ ber 1877 angeordnete Schreibweise enthält.

*) ckr. Nr. 62 d. R. A.

Berlin, den 5. April 1879.

Im Königlichen Schlosse ist vor Kurzem ein mächtiges, über 9 Fuß (rheinl. Maß) hohes Gemälde von Paul Stankiewicz vollendet worden und für eine keine Zahl von Beschauern aus⸗ gestellt gewesen, welches „Christus auf dem See Genezareth, dem Sturm gebietend“, darstellt. Acht Jünger sind mit dem Herrn und Meister im Schiff, welches von den Wellen hin und her ge⸗ trieben wird und die Jünger zu einer fast übermenschlichen Anstren⸗ gung zwinat. Christus allein, voll Ruhe, Würde und Adel, kennt keine Furcht, die über Alle kommt, da das Brausen des Meeres nicht aufhören will; Er gebietet dem Sturm, indem Er die Arme ausbreitet, und Er erscheint wie von einem Glorienschein umgeben; ein Lichtstrahl bricht durch die Wolken, und der Liebling des Herrn, Johannes, blickt voll Vertrauen auf den Heiland.

Hr. Stankiewicz hat bei dem Verkauf dieses Gemäldes auf den größeren Theil des Erlöses zu Gunsten hülfsbedürftiger Hinterbliebener I“ Seeleute der Kaiser⸗ lichen Marine Verzicht geleistet, und steht zu erwarten, daß dieser Zweck im Wege einer Verloosung in Verbindung mit noch einigen Kunstwerken erreicht werden wird. Das Bild soll vom 15. April ab im Uhrsaale der Akademie ausgestellt werden.

München, 1. April. Der von dem Architekten Albert Schmidt entworfene Plan zur Einrichtung und Ausschmückung der Räume unseres Glasepalastes für die Neas. internationale Kunst⸗ ausstellung hat, wie man der „Allg. Ztg.“ schreibt, die vollste Zustimmung unserer Künstlerwelt erlangt, und in der That werden nach diesem Plan ebenso großartige wie prachtvolle Ausstellungs⸗ räume geschaffen werden. Bei dem großen Interesse, welches man der Ausstellung bereits von allen Seiten zuwendet, glaube ich Ihnen schon jetzt einiges Nähere über die Einrichtung mittheilen zu sollen. Solche internationale Ausstellungen sollen bekanntlich von jetzt an alle vier Jahre stattfinden. Hierdurch war nun die Direktive gegeben, den Einrichtungsapparat zwar mobil, doch derart zu planen, daß seine Wiederverwendung für die Zukunft ermöglicht ist, und in Kon⸗ sequenz hieraus, da die Kosten der Neubeschaffung wegfallen, den Palast derart zu schmücken, daß dem Besucher der Eindruck eines Museums möglichst nahe gebracht werde. In Verfolgung dieser Aufgabe empfängt den im Glaspalast Eintretenden nach Pas⸗ sirung eines geschäftlichen Vorraumes ein großes Vestibül in quadra⸗ tischer Grundform, das Herz des ganzen Ausstellungskörpers, zugleich ein allen Künsten geweihter Centralraum. Einen großen Theil der Mittelbauhöhe vom Glaspalast durchschießend, findet derselbe seinen Abschluß nach oben durch eine Kuppel, welche sich an einen Ober⸗ lichtring, durch den ein gespanntes Licht einströmt, anlehnt. Von diesem Vestibül aus setzen sich die Ausstellungsräume beiderseits in der Längenachse des Palastes fort, und zwar in der Mitte die

Hauptsäule mit Oberlicht bis auf Galleriehöhe, links und rechts die Seitenkabinete. Jede Seite des guadratischen Hauptvestibüls öffnet sich in der Breite der Mittelsäule in Form eines Triumph⸗ bogens, dessen Scheitel das Kranzgesims stützt, dessen Widerlager auf Galleriehöhe fußt. Durch die Erweiterung desselben zu einem Gewölbe, dessen dasselbe stützende Schmalseiten, die Seitenportale, die bis auf Galleriehöhe geführte Stirnwand ans Hauptportal aufnimmt, ist für jede Längengruppe ein Vorraum geschaffen, welcher die Aufzabe hat Orienti⸗

rung wie Cirkulation möglichst zu erleichtern. Von diesen vier so ge⸗

schaffenen Triumphbogen wird der erste das Hauptportal für den

Eintritt in das Vestibül, die beiden der Längenachse einerseits die Portale für das Deutsche Reich, andrerseits für die aneren Na⸗

tionen bilden, der vierte dem Eingang gegenüber liegende Bogen

soll in der Ausschmückung seines Hauptportals Bayern in seiner Bedeutung als die Ausstellung arrangirendes Land gewidmet sein und wird den Zugang zu einem Saale bilden, der als Mittelraum der Architekur beigegeben und zur Aufnahme werthvoller Modelle bestimmt ist. An der Stelle, wo die Längenachse beiderseits die kleinen Brunnen in den Seitenflügeln des Glaspalastes trifft, dem⸗ selben Punkte, von dem normal aus die Ausgänge der Flügel angelegt sind, werden die Hauptsäule durch ein mit Kuppel und Oberlicht geschlossenes Octogon unterbrochen, bestimmt für plastische Werke. Zwei Seiten dieses Octogons öffnen sich in der Längenachse der Mittelsäule, 2 Seiten in der Richtung der Querachse nach den Seitenkabineten, die übri⸗ gen 4 Seiten nehmen halbkreisförmige Nischen für plastische Werke auf. Diese Anordnung bezweckt in erster Reihe, daß der Plastik bestimmte, mit geeignetem Lichte versehene Räume angewiesen sind, ferner aber, daß der Besucher nach Besichtigung einiger Bildersäle Abwechselung und Ruhe in einem anderen Raume finde. Die künst⸗ lerische Ausschmückung der ganzen Anlage, die künstlerische Thätig⸗ keit überha ꝛpt, welche diese bedingt, wird in den opferwilligen Hän⸗ den der Münchener Künstler ruhen. Ohne diese Opferwilligkeit wäre die Idee einfach nicht durchzuführen. Sowohl die für die Ausschmückung des Vestibül nothwendigen figurlichen Bilder, als die plastische Gruppe der Portale und der ornamentale Schmuck haben unter den hervorragendsten Künstlern ihre Schöpfer gefunden; der Erfinder des Planes liefert ebenso sämmtliche Zeichnungen und leitet das Ganze.;

Im Königlichen Opernhause kam gestern reee „Feldlager in Schlesien“ neu einstudirt zur Aufführung. Das Werk ist bekanntlich für die Geschichte des Hauses insofern von Be⸗ deutung, als damit im Jahre 1844 die nach dem Brande neu erbaute Oper festlich eingeweiht wurde. Es trägt denn auch durch⸗ weg den Charakter einer patriotischen Festoper mit manchen glück⸗ lichen und, wie bei Meverbeer selbstverständlich, immer effektvollen Nummern. Das Haupt nteresse konzentrirt sich jedoch auf den zweiten Akt mit den großartigen militärischen Lagerscenen, Aufzügen, vaterländischen Chören und Couplets, sowie den reizenden Ballets. Die prächtige Schlußapotheose war gestern ganz neu arrangirt und zeigte, umgeben von Soldaten und Fahnen aller deutschen Bundes⸗ staaten, die Büste Sr. Majestät des Kaisers, welche, von der Terrasse des Schlosses herniedersteigend, Friedrich der Große mit einem goldenen Lorbeerkranze schmückt. Die Aufführung ging trotz der großen Schwierigkeiten der Ensembles im 2. Atte, in welchem nicht weniger als drei verschiedene Musikcorps auf der Bühne mit Chor und Orchester zusammenzuwirken haben, glatt von Statten. Der Saldorf fand durch Hrn. Krolop, die Vielka durch Frl. Lehmann gesanglich wie schauspielerisch treffliche Vertretung. Das Publikum spendete nicht nur den künstlerischen Leistungen, sondern auch den mannigfachen patriotischen Stellen und namentlich dem schönen Schlußbilde vielen Beifall.

Die Singakademie brachte gestern die Passionsmusik nach dem Evangelium St. Makthäi von Sebastian Bach zur Aufführung. Gerade ein Zeitabschnitt von 150 Jahren ist ver⸗ 2 seit dem Charfreitage des Jahres 1729, an welchem Seb.

achs Matthäuspassion in der Thomaskirche zu Leipzig zum ersten Male aufgeführt worden, und 50 Jahre sind verflossen, seitdem am 11. März 1829 das Werk aus hundertjähriger Ruhe auf An⸗ regung und unter Leitung Felix Mendelssohn⸗Bartholdy'’s durch die Singakademie wieder erweckt worden ist. Seit dem letztgenannten Ereignisse, welches für die neueste Musik⸗ geschichte epochemachend zu nennen ist, hat die Singakademie (außer der gestrigen) 47 Aufführungen des Werkes veranstaltet, und zwar haben 1829 deren drei, 1835 zwei, 1841, 42, 46—49 keine, sonst alljährlich eine stattgefunden. Anfänglich wurde meistentheils der Palmsonntag für die Aufführungen bestimmt, in den Jahren 1855 65 der Charfreitag, dann aber mußte der Charfreitag wieder zu Gunsten des Graunschen „Tod Jesu“ einstweilen aufgegeben werden, und die Aufführungen haben in den letzten Jahren meistentheils am Freitage vor der Charwoche stattgehabt. Im Allgemeinen ist die Singakademie hinsichtlich der Kürzungen u. s. w. der von Mendelssohn mit tiefer Sachkenntniß und Pietät ge⸗ troffenen, zweckmäßigen Anordnung treu geblieben; erst in neuerer Zeit haben noch zwei früher weggelassene Sopranarien Eingang ge⸗ funden. Eine wesentliche Verschönerung hat das ganze Kolorit der Aufführungen der Singakademie durch den vor zwei Jahren erfolgten Hinzutritt der Orgel erhalten. Von den 47 bisherigen Aufführungen sind 3 von Mendelssohn, 3 von Zelter, 13 von Rungen⸗ hagen, 21 von Grell, 7 von dem gegenwärtigen Direktor der Anstalt, Hrn. Professor Blumner, geleitet worden.

Die gestrige Aufführung des großartigen Werkes durch die Sing⸗ Akademie, welche also die 48. in der ganzen Reihe, schloß sich ihren Vorgängern würdig an. Wiederum bekundete die Leitung durch Hrn. Professor Blumner die bewährte, sichere Hand im Ganzen wie in allen Einzelnheiten. Die reichbesetzten Chöre zeichneten sich auch gestern durch mustergiltige Präzision und Reinheit wie durch Kraft und Schönheit der Klangwirkung aus. Nicht minder gelungen war die Ausführung der Soli. Der Sopran war durch Frl. Anna Ruediger vertreten, welche diese Partie schon früher an dieser Stelle gesungen hatte und sich wiederum als treff⸗ liche Oratoriensängerin bewährte. Frau Amalie Joachim, welche das Altsolo übernehmen wollte, war durch Heiserkeit zu singen verhindert. Für sie war Frl. Hedwig Müller eingetreten, welche, zumal mit Rücksicht darauf, daß sie diese 3 erst unmittelbar vor der Generalprobe über⸗ nommen, ihre Aufgabe lobenswerth löste. Hr. Domsänger Geyer ver⸗ trat das Tenor⸗Solo des Evangelisten gestern zum 12. Male in den Aufführungen des Werkes durch die Singakademie und lieferte damit von Neuem einen Beweis von seiner Kunst im Oratoriengesang. Die Tenorarie und die Partie des „falschen Zeugen“ sang Hr. Julius Sturm, welcher diese Soli gleichfalls schon früher in den Auffüh⸗ rungen der Singakademie durchgeführt hatte. Seine sympathische Stimme wie der verständnißvolle Vortrag waren von angenehmer Wirkung. Das Baß⸗Solo des „Jesus“ hatte in Hrn. Ffb⸗ A. Senfft v. Pilsach einen vortrefflichen Vertreter gefunden, welcher die Partie in der gelungensten Weise zu Gehör brachte. Die kleineren Baß⸗Soli des „Judas“, „Petrus“, „Hohenpriester“ und „Pilatus“ trug Hr. Max Huster vor; der Orchester⸗Part wurde von der Berliner Sinfoniekapelle und die Begleitung auf der Orgel von Hrn. Otto Dienel ausgeführt. Zu der Aufführung hatte sich ein sehr zahl⸗ reiches Auditorium versammelt.

April, Abends 7 ½ Uhr, veranstaltet in der St. Elisabethkirche der Organist Hr. Adolf Friedrich, unter Mitwirkung

Am Dienstag, den

von Frl. Seibt, der Herren Schütze, Blonn, Dienel sowie anderer tüchtiger Kräfte, ein geistliches Concert. Billets à 75 und 50 sind vorräthig bei den Herren Fedeser Baumann, Brun⸗ nenstr. 141/142, Küster Stegemann, Invalidenstr. 4 und Organist Dienel, Tempelhofer 30. u“X“ ö