1879 / 96 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Thu, 24 Apr 1879 18:00:01 GMT) scan diff

24. April. (W. T. B.) Se. Königliche Hoheit der Prinz Carl von Preußen, Höchstwelcher gestern den Be⸗ such Sr. Königlichen Hoheit des Prinzen Luitpold von Bayern empfing, ist heute nach Bozen abgereist. Am Bahnhofe waren der preußische Gesandte und der Militär⸗Attaché von Stülp⸗ nagel zur Verabschiedung anwesend.

Baden. Karlsruhe, 22. April. Die „Karlsr. Ztg.“

meldet unterm 20. d. M.: „Auf den Wunsch Sr. Königlichen oheit des Großherzogs hat Se. Majestät der Kaiser und

Leben zu genehmigen geruht, daß die Allerhöchste Ordre vom 15. d. M. veröffentlicht werde, womit der Bitte des Generals der Infanterie von Werder, kommandirenden Generals des XIV. Armee⸗Corps, um Abschiedsbewilli⸗ gung entsprochen wurde. 8

Wir sind in der Lage, den Wortlaut dieser Allerhöchsten Ordre nachstehend mitzutheilen:

Ich ersehe mit lebhastem Bedauern aus Ihrem Schreiben vom 30. März dieses Jahres, daß Sie den Zeitpunkt für die Beendigung Ihrer so ehrenvollen und an Verdiensten so reichen Dienstzeit für gekommen erachten. Es wird Mir sehr schwer, dem zuzustimmen, aber Ich muß es thun, denn je ehrenvoller die Dienstzeit, je größer auch der Anspruch auf Ruhe im Alter; es würde eine Härte gegen einen hochverdienten General sein, wenn Ich Ihnen die wohlver⸗ diente Ruhe vorenthalten wollte. Ich bewillige Ihnen also hiermit den nachgesuchten Abschied, indem Ich Sie mit der gesetzlichen Pension zur Disposition stelle, und indem Ich um Ihren gefeierten Namen der Armee zu erhalten bestimme, daß Ihre Stellung als Chef des 4. Rheinischen Infanterie⸗Regiments Nr. 30 hierdurch nicht verändert wird. Zugleich erhebe Ich Sie in den Grafenstand, welcher in Ihrer direkten männlichen Nach⸗ kommenschaft nach dem Recht der Erstgeburt forterben soll, und wünsche hierdurch Ihnen, der Armee und dem Vaterlande zu bethätigen, daß Ich Ihrer hervorragenden Verdienste in dem letzten Feldzuge und intbesondere Ihrer heldenmüthigen Abwehr des Feindes von dem Eindringen in das Vaterland jederzeit mit warmem Dank und leb⸗ hafter Anerkennung eingedenk bin. Möge Ihnen nach Allem, was Sie gethan, noch ein ruhiger und langer Lebensabend beschieden sein, in welchem Sie der herzlichsten Wohlgeneigtheit Ihres Königs und der ehrenvollsten Erinnerung in der Armee versichert sein dürfen.

Berlin, den 15. April 1879.

(m. pr.) Ihr dankbarer König Wilhelm.

An den General der Infanterie v. Werder, kommandirenden General

des XIV. Armee⸗Corps.“

Hessen. Laubach, 18. April. (D. R. P.) Die in der konservativen Versammlung zu Gießen beschlossene Zustimmungsadresse zu dem Briefe des Reichskanz⸗ lers vom 15. Dezember ist seitdem in einer Anzahl von Erxemplaren zur Sammlung weiterer Unterschriften in Um⸗ lauf gesetzt und heute mit folgendem Begleitschreiben durch Se. Erlaucht den Grafen zu Solms⸗Laubach an den Reichskanzler gesandt worden: Euer Durchlaucht habe ich die Ehre, im Auftrage des konser⸗ vativen Vereins in Ober⸗Hessen die anliegende, von 3910 Männern der verschiedensten politischen Parteirichtungen unterschriebene Adresse zu übersenden.

Ich kann hinzufügen, daß diese Namen nur Repräsentanten vieler weiterer Tausend in unserem Bezirke sind, die theils durch die Kürze der Zeit, theils durch andere äußere Umstände abgehalten worden sind, ihren Namen dem ihrer in dieser Beziehung gleichden⸗

kenden Mitbürger zuzugesellen. 4

Der konservative Verein Oberhessens begrüßt mit herzlicher

Freude und lebhaftem Dank die Prinzipien, die Euer Durchlaucht in Betreff der zu befolgenden Zoll⸗ und Steuerpolitik freimüthig aus⸗ gesprochen haben, und erkennt in der konsequenten Durchführung der⸗ selben einen Schritt zur Wiederherstellung unseres gesunkenen Na⸗

jionalwohlstandes, dessen Hebung auch unseres Erachtens die Basis

sein wird, auf der die ungleich wichtigere Arbeit der sittlichen Schäden, denen unser Volk krankt, zu geschehen hat.

Gott wolle Euer Durchlaucht zu diesen Ihren Bestrebungen zum Wohle des Vaterlandes Seinen Segen verleihen.

Mit diesem Wunsche hat die Ehre, im Namen des konservativen Vereins von Oberhessen ehrerbietigst zu zeichnen

Euer Durchlaucht gehorsamster

Friedrich Graf zu Solms⸗Laubach.

Anhalt. Dessau, 22. April. (Anh. St. Anz.) Das heutige Fest der silbernen Hochzeit unseres Durchlauch⸗ tigsten Herrscherpaares hat in allen Kreisen der Bevölkerung unseres Landes, ja weit über dessen Grenzen hinaus, die freudigste Theilnahme gefunden. Der reiche Flaggenschmuck unserer Straßen und zahlreiche andere Kundgebungen, sowohl in der Presse wie in der Form von Adressen, Gedichten, Tele⸗ grammen ec., welche von Privatpersonen, wie von Korpora⸗ tionen und Vereinen ꝛc. von Nah und Fern in großer

eingelaufen sind, geben davon Zeugniß. Anderen festlichen Kundgebungen felhlte durch die Abwesen⸗ heit unserer Höchsten Herrschaften der Mittelpunkt, auch war das Wetter irgend welchen öffentlichen Feierlich⸗ keiten nicht günstig. Zu Mittag wurde von dem Haus⸗ und Staats⸗Minister von Krosigk in Vertretung der Höchsten

ine Adresse

Hauptstädte in Audienz , welche das Geschenk des Landes, die zu einer Stiftung gesammelte Summe von, wie wir hören, 33 000 ℳ, überreichten. Im Uebrigen mußte sich die Feier, da Ihre Hoheiten auf öffent⸗ liche Festlichkäten verzichtet hatten, mehr auf private Kreise beschränken.

Schwarzburg⸗Sondershausen. Sonders hausen, 22. April. Die ständige Deputation des Landtages ist gestern zur Fertigstellung der Justizvorlagen hier wieder zusammengetreten. EEEEp

Reuß j. L. Gera, 21. April. (Leipz. Ztg.) Die Präsidialfrage betreffs unseres künftigen Landgerichts ist nunmehr entschieden. Der bisherige Direktor des fürstlichen Kreisgerichts, F. Hirt, ist zum Präsidenten des Landgerichts Gera ernannt worden. Die Stelle des Direktors ist einem Weimaraner übertragen. Von den Landgerichtsräthen ernennt Reuß j. L. vier, Weimar drei. Von den beiden Staatsanwäl⸗ ten hat ebenso der diesseitige Staat den Einen, Weimar den Stellvertreter ernannt. b 1“

(W. T. B.)

te Wien, 23. Aprtl. Der Kaiser und die Kaiserin empfingen heute die

Oesterreich⸗Ungarn.

eputationen des Deutschen Ordens 1““ ““ 11“

des Malteser O

gen.

8 111“ Ssb 8 dens, des böhmischen, galizischen, niederösterreichischen, mäh⸗ rischen, steierischen, schlesischen und tirolischen Adels, sowie eine Deputation der Handelskammern und eine Deputation von Serajewo. Mittags fand die feierliche Uebergabe der Kirchenschlüssel zu der Votivkirche durch den Erzherzog⸗ Protektor Karl Ludwig an den Kardinal Kutschker statt. 1

Bei dem heutigen Empfange der Deputation aus Serajewo sagte der Kaiser, er hoffe, Bosnien einen dauernden Frieden zu sichern und so die feste Grundlage zu einer glücklichen Zukunst und gedeihlichen Entwickelung des Landes zu legen. Er baue daher auf die eifrige Unterstützung der Bevölkerung Bosniens. Feü eb

Die Stadt prangt heute Abend bereits im Fest⸗ schmuck, namentlich die Straßen, durch welche sich der Fest⸗ zug bewegen wird, haben eine große Ferbegnh entfaltet. In den Straßen herrscht ein überaus bewegtes Leben. Aus den Provinzen werden sehr zahlreiche patriotische Kund⸗

ebungen, Wohlthätigkeitsakte, Schulfeste ꝛc. signalisirt.

vie amtliche „Wiener Zeitung“ veröffentlicht einen Aller⸗ höchsten Gnadenakt, durch welchen 377 Verurtheilten, darunter 48 wegen Majestätsbeleidigung oder Beleidigung von Mitgliedern des Kaiserlichen Hauses Verurtheilten, theilweise oder gänzliche Strafnachsicht gewährt wird. Die amtliche Zeitung veröffentlicht ferner zahlreiche Auszeichnungen anläßlich der Vollendung der Votivsvkirche, darunter die Verleihung der 2. Klasse des Ordens der Eisernen Krone an den Ober⸗Baurath Ferstel.

Graf Schuwaloff ist heute Nachmittag um 4 Uhr hier eingetroffen und von dem hiesigen russischen Botschafter auf dem Bahnhofe empfangen worden.

Der „Avvenire d'Italia“ bespricht das von Garibaldi am 21. d. in der Versammlung der Häupter der demokratischen Partei entwickelte Programm und hebt dabei hervor, daß die Italia irredenta mehr eine innere Verlegenheit für Ita⸗ lien als eine internationale Gefahr sei. Die Agitation der⸗ selben würde die Einheit Italiens gefährden, da ihre Urheber die Republikaner seien. Das Ministerium sei stark genug, um jeden Versuch zu verhindern, welcher Italien gefährlichen Abenteuern entgegentreiben wollte.

Die „Pol. Korr.“ meldet: Aus Belgrad: Die ser⸗ bischen Brigaden aus Krusewatz, Alexinatz und Prokopolje sind unter dem Oberbefehl des Oberst Horvatovich abge⸗ sandt worden, um die auf den Höhen von Samokovo ver⸗ schanzten Albanesen zu vertreiben. Einer inzwischen ein⸗ getroffenen Meldung zufolge sind die Arnauten vollständig geschlagen und versprengt worden. Aus Bukarest: Die Dobrudscha ist in den letzten Tagen von den Russen gänzlich geräumt worden. Aus Konstantinopel: Die ostrumelische Kommission erklärte sich dafür, daß das Land die Verpflichtung zum Rückkauf der Vakufgüter nach 30 Jahren übernehmen solle.

Belgien. Mons, 23. April. (W. T. B.) Die Arbeitseinstellungen in Borinage mehren sich, und die allgemeine Situation hat sich dadurch verschlimmert. In Jemmapes herrscht eine gewisse Gährung; die Strikenden haben sich vor der Mühle zusammengerottet und wollen die⸗ selbe plündern. Ein Bataillon ist von Mons nach Jemmapes abgegangen, um die Ordnung wieder herzustellen.

Großbritannien und Irland. London, 21. April. (Allg. Corr.) Der „Manchester Courier“ vom heutigen Tage enthält nachstehendes Schreiben Lord Derby's an den Rath Middlehurst in Salford, in Beantwortung einer An⸗ frage des letzteren, ob Lord Derby sich ganz und gar von der konservativen Presse getrennt habe:

Fairhill, Turnbridge, 20. April. Geehrter Herr. Ich danke Ihnen für Ihren freundlichen Brief vom 17. d. M. Was meinen jüngsten Rücktritt von der Lancashire Union der konservativen Vereine betrifft, so glaube ich nicht, daß derselbe einer weiteren Erklärung bedarf, als die bereits öffentlich bekannten Thatsachen dies thun. Ich habe offen und in bestimmter Weise meine Mißbilligung der aus⸗ wärtigen Politik der Regierung erklärt. Diese Politik scheint im Allgemeinen die Billigung der Partei gefunden zu haben, welche sich die konservative nennt, ganz besonders ist dies betont in dem Berichte der Association, aus welcher ich ausgeschieden bin. Ich sehe nicht ein, wie ich in Lancashire unterstützen sollte, was ich im Oberhause offen bekämpft habe, und wünsche mich daher vorerst frei von allen Parteiorganisationen zu halten. Ich verbleibe Ihr ergebenster Diener

Derby. Aus Kalkutta wird unterm 20. d. M. gemeldet:

Die anhaltende Dürre fängt an Besorgnisse zu erregen. In Bengalen ist seit Weihnachten fast gar kein Regen gefallen, und aus fast jedem Distrikt der unteren Provinzen kommen Klagen, daß der Boden zu hart sei, um bearbeitet werden zu können, und daß die Saaten aus Mangel an Feuchtigkeit leiden. Die Jahreszeit ist bisher durch eine anormale Hitze und die gänzliche Abwesenheit jener kurzen, aber erfrischenden Regengüsse, welche im Sommer in der Regel zweimal in der Woche eintreten und den Boden für die Saaten präpariren, charakterisirt worden. Aehnliche Klagen kommen auch aus den Theedistrikten von Assam und Cachar. Ungeheuere Hitze und Dürre haben die Theesträucher daran verhindert, Blätter an⸗ zusetzen. Falls nicht bald reichlicher Regen eintritt, wird die Theeernte sehr spärlich ausfallen.

Der „Times“ wird über die Lage in Afgha⸗ nistan unter dem 20. April aus Lahore geschrieben:

Die politische Situation ist unverändert, allein man sieht hier am 23. oder 24. ds. entscheidenden Nachrichten über die Absichten Jakubs entgegen. Man hält es für möglich, daß Jakub sogar die Mission des Majors Cavagnari zu empfangen sich weigern werde, und daß unsere einzige Antwort auf eine solche Weigerung der Vormarsch auf Kabul sein dürfte. Der Schnee verhindert einen solchen nicht länger. General Roberts ist für einen aug nblicklichen Vormarsch vollständig vorbereitet und besitzt zwei trefflich ausgerüstete Brigaden. Niemand zweifelt daran, daß diese Truppenmacht allein im Stande sein dürfte, Kabul zu nehmen, obwohl man ihr sicher nicht erlauben wird, ohne einen gleichzeitigen Vorstoß aus dem Khyberpaß, vorzu⸗ dringen, und es bei letzteren Truppen fraglich erscheint, ob die nöthigen Transportmittel für ein augenblickliches Vorgehen vorhanden sind. Jakub würde voraussichtlich keinen ernstlichen Widerstand leisten, sondern wie sein Vater Kabul verlassen, wodurch wir in die schwierige Lage kämen, einem anderen Präten⸗ denten gegenüber belästigende Verpflichtungen zu übernehmen, um ihn auf den Thron von Kabul zu setzen. Wahrscheinlicher ist, daß Jakub einwilligen wird, den Major Cavagnari zu empfangen. Vielleicht liegt ihm nur daran, Zeit zu gewinnen und seine Macht zu befesti⸗ Trotz des Aufruhrs unter seinen Truppen ist seine Stellung seit dem Beginn der Unterhandlungen wahrscheinlich noch stärker ge⸗ worden. Man nimmt hier vielfach an. daß er nach einem gewissen Widerstande nachgeben werde. Andere sind der Meinung, daß er un⸗ verzüglich nach Empfang der Mission Frieden schließen werde, allein dieselben bilden, wenigstens in Lahore, die Minderheit. Die Berichte über Jakubs freundlichen Empfang von YJahya Khan werden jetzt als übertrieben geschildert. Einer Meldung zufolge, hat Jakub, Maho⸗

med Aslam Khan getödtet, weil er mit dem Wali Mahomed Be⸗ ziehungen unterhalten hatte.

Frankreich. Paris, 22. April. (Fr. Korr.) Man hatte heute mit Ungeduld dem „Journal officiel“ entgegen⸗ gesehen, in der Erwartung, wie das amtliche Blatt sich zu der Wahl von Bordeauyx verhalten würde. Das Journal hat aber in seinem heutigen Blatte die Ergebnisse der Wahlen vom letzten Sonntag überhaupt noch nicht registrirt. Edmond About beleuchtet die Angelegenheit im „XIX. Sisele“ und zweifelt zunächst keinen Augenblick, daß die Wahl Blanqui's eine ungesetzliche war und auch bleiben würde, wenn der Präsident der Republik den Gefangenen von Clair⸗ vaux jetzt nachträglich begnadigte. „Die Regierung“, fährt Hr. About dann fort, „die sich bei den letzten Wahlprüfungen klüglich gehütet hat, nach rechts oder nach links zu neigen, wird Angesichts einer so offenen Herausforderung gegen das Gesetz nicht neutral bleiben können, sondern im Gegentheil mit aller Energie dazwischen treten. Wenn je, so muß hier die Kabinetsfrage und sogar noch etwas Höheres gestellt werden: denn eine Republik ohne Gesetze wäre eine Regierung, die in keiner Sprache einen Namen hätte. Ein Land, in welchem sich das Ministerium nicht gegen die Wahl Blanqui's empörte, ein Land, dessen Parlament sie nicht mit Entrüstung für un⸗ gültig erklärte, wäre für den „Retter“ reif und dieser Retter würde nicht auf sich warten lassen. Man wird also die Wahl des Hrn. Blanqui umstoßen oder vielmehr, man wird ihm gar nicht diese Gnade erweisen: man wird Hrn. André Lavertujon bestätigen als den einzigen Kandidaten, welchen die Wähler im zweiten Wahlgange bezeichnet haben. Wird die Frage damit ge

löst sein? Nein. Wir kennen zu gut den Charalter des Hrn. Lavertujon, um nicht zu wissen, daß er sich durch die 5333 Stim⸗ men von Bordeaux nicht für genügend bevollmächtigt hält und unverzüglich seine Entlassung geben wird. Alsdann werden die Wähler von Bordeaux binnen einer Frist von äußerstens drei Monaten wieder einberufen werden. In der Zwischenzeit wird das Ministerium sich die Sache überlegen können. Ihm allein gebührt es, zu entscheiden, ob die Am⸗ nestirung Blanqui's unter den gegenwärtigen Umständen eine That guter oder schlechter Politik ist. Wenn es dem Drucke der Intransigenten nachgiebt, so setzt es sich neuen und vielleicht gefährlicheren Abenteuern aus; denn Blanqui ist nur der erste Name in einer Reihe, die weit führen kann; es setzt uns alle, die wir seit acht Jahren die guten Bürger für die konservative Republik zu gewinnen suchen, der Gefahr aus, in wenigen Tagen die Frucht unserer langen Anstrengungen zu verlieren. Wenn es, wie wir hoffen, in Ehren widersteht, muß es sich darauf gefaßt machen, eine zweite Auflage der Wahl vom letzten Sonntag zu erleben. Man muß immer mit dem Eigensinne der Menschen rechnen, und nichts beweist, daß die von der Presse der äußersten Linken bearbeiten Wähler von Bordeaux von ihrer Verirrung zurückkommen werden. Gleichwohl darf man annehmen, daß sie sich nicht selbst dazu verurtheilen werden, allein in diesem großen Lande ohne Vertreter in der Kammer zu bleiben. Wenn Menschlichkeit ihr Hauptmotiv war, so wird man übrigens diesem Gefühle in drei Monaten volle Genug⸗ thuung geben können. In drei Monaten zieht die Begnadi⸗ gung nicht mehr nothwendig die Amnestie, d. i. die Wieder⸗ einsetzung in die bürgerlichen und staatsbürgerlichen Rechte nach sich. Die Republik wird, was man vollkommen zugeben kann, Blanqui aus seinem Gefängniß hervorholen, ohne ihm darum, was übertrieben wäre, die Pforten der Deputirten⸗ kammer zu öffnen.“

Aus Lyon meldet man, daß das dortige Central— Comité den Abg. Bonnet⸗Duverdier, aufgefordert hätte, seine Entlassung zu geben, weil es an seiner Statt Henri Rochefort in die Kammer zu befördern wünschte.

Wie die „France“ vernimmt, ist die Frage der Ver⸗ längerung des französisch⸗englischen Handelsvertra⸗ ges in eine neue Phase getreten. Die zwischen Frankreich und England gepflogenen Unterhandlungen hatten nämlich nicht eine Erstreckung des alten Vertrags zum Zwecke, sondern bezogen sich nur auf die Frist, binnen welcher der neue Zoll⸗ tarif zur Anwendung gelangen soll. Die französische Re⸗ gierung will von dem Augenblicke, da der Tarif votirt ist, nur sechs Monate zugestehen. Wenn man sich binnen dieser Frist nicht mit den fremden Nationen und in erster Reihe mit England über einen neuen Vertrag geeinigt hat, soll der allgemeine Zolltarif ohne weiteren Verzug in Kraft treten.

Die Session der Generalräthe ist seit gestern eröffnet.

24. April. (W. T. B.) Wie das „Journal des Débats“ meldet, würde die Regierung bei der Kammer aus eigener Initiative die Ungültigkeitserklärung der Wahl Blanqui's beantragen. Die Regierung habe keines⸗ wegs die Absicht, Blanqui zu amnestiren.

Spanien. Cuba. (Allg. Korr.) Einem Telegramme aus Havanna vom 21. d. M. zufolge, haben die cubanischen Wahlen den Sieg von sechs Liberal⸗Konservativen und zwei Liberalen zum Resultat gehabt.

Italien. Rom, 23. April. (W. T. B.) Zu Ehren der Mitglieder des hiesigen deutschen archäologischen Instituts, welches soeben die Feier des 40. Jahrestages seines Bestehens begangen hat, fand gestern Abend in der deutschen Botschaft ein großer Empfang statt. Ihre Majestäten der König und die Königin erschienen gegen 11 Uhr mit den Hofstaaten und dem militärischen Gefolge, sowie mit den Damen des Hofes. Außerdem waren die Mit⸗ glieder des diplomatischen Corps, die Minister, die Ritter des Annunziaten⸗Ordens, der Präsident der Deputirtenkammer, viele Senatoren, Deputirte und Damen des römischen Adels sowie der deutschen Kolonie anwesend. Am Mittwoch findet bei dem Minister des öffentlichen Unterrichts ein großes Diner zu Ehren der Mitglieder des deutschen archäolo⸗ gischen Instituts statt, an welchem der deutsche Botschafter von Keudell, der Ober⸗Bürgermeister von Rom, der Rektor der Universität und alle namhafteren Persönlichkeiten aus dem Gebiete des Unterrichtswesens Theil nehmen werden.

Nußland und Polen. St. Petersburg, 21. April. (St. Pet. Herold.) Durch Anschlag an den Straßenecken werden heute nachstehende, auch in einer Beilage zu dem Organ des Stadthauptmanns veröffentlichte Maßregeln des zeitweiligen General⸗Gouverneurs von St. Petersburg, General⸗Adjutanten Gurko, bekannt gegeben:

I. 1) Bei der Pforte jedes Hauses in St. Petersburg muß zu jeder Zeit, Tag wie Nacht, ein dejourirender Hauswächter postirt sein. Anmerkung. Eine Ausnahme ron dieser allgemeinen Be⸗ stimmung ist nur hinsichtlich der Besitzer kleiner Holzhäuser an den Enden der Stadt gestattet, welche mit besonderer Genehmigung

des Stadthauptmanns für mehrere benachbarte Häuser einen dejourirenden Hauswächter haben können. Häuser, welche auf zwei Straßen hinausgehen, müssen an jeder Straße einen dejourirenden Hauswächter haben, wenn auch die eine Seite keine Pforte hat. 2) Die dejourirenden Hauswächter haben die Polizei in der Erfüllung ihrer Obliegenheiten zu unterstützen und außerdem a. darauf zu achten, daß nirgends Ankündigungen, Affichen u s. w. ohne Vor⸗ weisung eines bezüglichen Erlaubnißscheines angeklebt werden und b. daß auf die Trottoirs und auf das Straßenpflaster nicht schãdliche Gegenstände geworfen werden; c. Personen, welche diesen Vorschriften zuwider handeln, wenn nöthig, mit Hülfe der benachbarten Haus⸗ wächter zu verhaften. 3) Die Hausbesitzer, welche sich der Unter⸗ lassung der im Punkt 1 aufgeführten Bestimmung schuldig machen, sind einer Geldstrafe bis zu 500 Rbl. zu unterwerfen. 4) Die Haus⸗ wächter sind für eigenmächtiges Verlassen ihres Postens, wie auch für unzulängliche Bewachung das erste Mal einer Geldstrafe bis zu 25 Rbl. oder einem Arrest bis zu 7 Tagen, das zweite Mal aber der Ausweisung aus der Residenz für eine längere oder kürzere Zeit zu unterwerfen. 5) Die Bestimmungen treten 3 Tage nach ihrer Veröffentlichung in Kraft.

II. 1) Die Inhaber von Magazinen und Buden, in welchen Waffen verkauft werden, sind gehalten, im Laufe von sieben Tagen, gerechnet vom Tage der Veröff entlichung dieser Bestimmungen, dem Stadthauptmann genaue Verzeichnisse aller in ihren Magazinen, Buden, Depots und anderen Lokalitäten vorhandenen Feuer⸗ und kalten Waffen und Schießvorräthen vorzulegen. 2) Von Tage der Veröffentlichung dieser Verfügung an ist ihnen untersagt, die ange⸗ führten Gegenstände anders als gegen Vorweis eines Seitens des Stadthauptmanns auf den Namen des Käufers ausgestellten Erlaub⸗ nißscheines zu verkaufen. Bei Abschluß eines Kaufes bleibt dieser Schein in dem Magazin. 3) Magazine, welche es unterlassen, in der angegebenen Zeit Mittheilungen über ihre Vorräthe zu machen, werden und bleiben geschlossen, bis sie diese Vorschrift erfüllt haben. 4) Für das Verkaufen von Waffen und Schießvorräthen ohne die betreffende Erlaubniß werden die Schuldigen das erste Mal einer Geldstrafe bis zu 500 Rbl. unterworfen, das zweite Mal aber werden, unabhängig von der Geldstrafe, die sich in ihrem Magazin vorfinden⸗ den Waffen u. s. w. konfiszirt und wird ihnen untersagt, mit solchen Gegenständen Handel zu treiben. 5) Solchen Strafen werden auch Diejenigen unterworfen, in deren Geschäftsräumen nicht die Gegen⸗ stände vorgefanden werden, welche sie im Verzeichniß aufgeführt haben. Für die Aufbewahrung von Waffen oder Schießvorräthen in größeren Quantitäten, als im vorgestellten Verzeichniß aufgeführt ist, unterliegen die Inhaber von Magazinen und Buden: das erste Mal einer Geldstrafe bis zu 500 Rbl. und der Konfiszirung der mehr vorgefundenen Vorräthe, das zweite Mal derselben Strafe ver⸗ bunden mit dem Verbot, Handel dieser Art zu betreiben.

III. 1) Privatpersonen, welche Feuerwaffen besitzen, sind ver⸗ pflichtet, die lokale Polizei davon sofort in Kenntniß zu setzen. Zum Tragen und zur Aufbewahrung von Waffen ist eine besondere Er⸗ laubniß des Stadthauptmanns erforderlich. 2) In Anbetracht der Unzulänglichkeit der durch das Friedensrichter⸗Strafreglement fest⸗ gesetzten Strafe für Verletzung des Verbots des St. Petersburger Stadthauptmanns vom 3. November 1878 bezüglich des Tragens von Waffen, halte ich es für nothwendig, in Ergänzung dazu festzusetzen:

Personen, die nicht nach dem Gesetz oder auf Grund einer be⸗ sonderen Erlaubniß das Recht haben oder verpflichtet sind, Waffen aufzubewahren oder zu tragen, unterliegen für Verletzung dieses Verbots der Konfiszirung der Waffen und einer Geldstrafe bis zu 500 Rbl. oder im Falle der Zahlungsunfähigkeit einer Haft bis zu 5 Monaten. .

24. April. (W. T. B.) Im Anschluß an die gestrige Mittheilung über die Zusammensetzung des obersten Ge⸗ richts zur Aburtheilung des Verbrechers Solowjeff meldet die „Neue Zeit“, die Vertretung der Anklage Namens der Regierung werde der Justiz⸗Minister Nabokoff über⸗ nehmen.

Der Güterverkehr auf der Orel⸗Witebsk⸗Bahn, sowie auf der Bahn über Orel hinaus, welcher in Folge des Hochwassers unterbrochen gewesen war, ist wieder eröffnet worden.

Amerika. Washington, 21. April. (Allg. Korr.) In der heutigen Sitzung des Repräsentantenhauses brachte der Vorsitzende des Finanzausschusses eine Resolution ein, welche die Niedersetzung eines gemischten Ausschusses zur Revision der Revenuegesetze vorschlägt. Der Schatzsekretär Sherman hat den Rest der Zehnvierziger Bonds zur Amortisation einberufen.

Afrika. Egypten. Kairo, 23. April. (W. T. B.) Der Khedive hat ein Dekret erlassen, durch welches ein mit sehr ausgedehnten Machtbefugnissen ausgestatteter, aus Egyptern und Europäern gebildeter Staatsrath einge⸗ setzt wird.

Aus dem Wolffschen Telegraphen⸗Bureau.

St. Petersburg, Donnerstag, 24. April. Ihre Majestäten der Kaiser und die Kaiserin sind heute Vormittag um 10 Uhr mit roßem Gefolge nach Livadia abgereist. Ein Detachement des Pege cte Regiments zu Pferde geleitete die Maäjestäten zum Bahnhofe. Der Wirkliche Geheime Rath und Senator Giers, sowie drei Beamte des Ministeriums der Auswärtigen An⸗ gelegenheiten begleiten den Kaiser.

Die Nr. 28 des „Amtsblatts der Deutschen Reichs⸗ Post⸗ und Telegraphenverwaltung“ hat folgenden Inhalt: Verfügungen: vom 19. April 1879. Einführung der Einheitstaxe ür 85 bis 5 Kilogramm und Ermäßigung der Versicherungs⸗ gebühr im Deutsch⸗Niederländischen Packetverkehr.

Statistische Nachrichten.

Als XXXVIII. Heft der von dem Königlich bayerischen sta⸗ tistischen Bureau herausgegebenen Beiträge zur Statistik des König⸗ reichs Bayern ist jetzt der Jahresbericht für 1877 über die „Be⸗ wegung der Bevölkerung im Königreiche Bayern“ er⸗ schienen, welchen der Vorstand des genannten Bureaus Dy. Georg Mayr mit einer Einleitung versehen hat. Wir entnehmen der gründlichen, ense ngrescheg Arbeit folgende summarische Angaben: Die Gesammtzahl der Geborenen (mit Einschluß der Todt⸗ geborenen) beläuft sich in Bayern für 1877 auf 220 560. Dieselbe bleibt um 2796 gegen das Ergebniß des Vorjahres (223 356) zurück, und es zeigt sich im Jahre 1877 zum ersten Male seit mehreren Jahren wieder eine Abnahme in der Zahl der Geburten in Bayern. Hierin ist vor Allem die Wirkung der seit mehreren Jahren ansehnlich verminderten Häufigkeit der Heirathen zu erkennen. Die Vertheilung der Geburten auf die Kalendermonate stellt sich für

7 derart, daß das eine Maximum der Geburtenzahl auf den März, das andere, das Herbstmarimum, auf den September fällt, waͤhrend in den 4 Jahren 1873— 76 diese beiden Maxima auf die Monate Februar und September fallen. Von 100 Geborenen waren im Jahre 1877 96,6 lebend“ und 3,4 todtgeboren gegen 96,5 bz. 3,5 im Vorjahre.

reffen im Jahre 1877 Knabengeburten

g

bei den Lebendgeburten 104,9, Todtgeburten 129,4, Geburten überhaupt 105,6 gegen 106,5 bez. 130,2 bez. 107,2, im Jahre 1876. Während das Jahr 1876 verhältnißmäßig als ein sehr knabenreiches zu be⸗ zeichnen war, ist demnach das Jahr 1877 relativ knabenarm gewesen. Die unehelichen Geburten zeigen im Jahre 1877 nach der absoluten Zahl einen kleinen Rückgang gegen das Vorjahr, während das Prozentverhältniß derselben zu der Gesammtzahl der Geburten das⸗ selbe geblieben ist. Es betrug nämlich die Zahl der 1877 unehelich Geborenen (mit Einschluß der Todtgeborenen) 28 545 oder 12,9 auf 100 Geborene gegen 28753 oder 12,9 im Jahre 1876. Untersucht man die Häufigkeit der unehelichen Geburten nach der Konfession der Mütter, so ergiebt sich für 1877 wie für das Vorjahr ein unbedeutender Unterschied zwischen Katholiken und Protestanten, nämlich 13,1 und 12,9 bez. 13,0 und 12,9, während die Ifraeliten in beiden Jahren mit einer sehr geringen Zahl unehelicher Geburten (nur 1 bezw. 1,2 %) vertreten sind. Betreffs der Mehrlingsgeburten ergiebt sich, daß auf je 1000 Ge⸗ borene treffen 25,7 Zwillingsgeburten und 0,6 Drillingsgeburten, und zwar bei den ehelichen Geburten 26,5 bez. 0,7 und bei den unehelichen 20,2 bez. 0,2 im Jahre 1876, während sich für 1877. ergeben über⸗ haupt 24,8 Zwillings⸗ und 0,4 Drillingsgeburten auf je 1000 Ge⸗ borene, und zwar bei ehelichen Geburten 25,3 und 0,5, bei unehelichen 21,6 und 0,1. Nach dem Geschlechte ergab sich für die beiden Jahre kein Unterschied in der Häufigkeit der Mehrlings⸗ geburten, doch waren die Zwillingsgeborenen unter den Todtgeborenen doppelt, die Drillingsgeborenen sechsfach so stark vertreten, wie unter den Lebendgeborenen. Bei den Zwillingskindern ist die Kombination von 1 Knaben und 1 Mädchen am häufigsten, jene von 2 Mädchen am seltensten. Die Zahl der Sterbefälle betrug 1877 154 621 oder 30,8 von 1000 Einwohnern gegen 154 621 bez. 30,7 im Vor⸗ jahre. Die Kulmination der Sterblichkeit traf in beiden Jahren auf den Mai, das Minimum auf den November. Die Sterblichkeit der Kinder im ersten Lebensjahre betrug 1876 30,3 % und 1877 30,0 % der Lebendgeborenen. Was die Sterblichkeit der einzelnen Konfessionen anlangt, so ergiebt sich, daß am günstigsten die allgemeine Sterbeziffer der Israeliten ist mit 18,8 Gestorbenen auf 1000 Lebende, dann folgen die Protestanten mit 25,6 und schließlich die Katholiken mit 32,3. Die Zahl der Eheschließungen ist in Bayern seit dem Jabre 1872 aus bekannten wirthschaftlichen Ursachen in stän⸗ digem Rückgange, denn sie betrug in den Jahren 1872 77 52 045, 48 924, 45 886, 45 014, 42 015, 39 369. Ungemischte Ehen wurden eingegangen 36 772 gegen 39 223 im Vorjahre, gemischte Ehen 2584 Ehen oder 6,6 %, genau wie 1876. Betreffs des Alters der Ehe⸗ schließenden ergiebt sich, daß am häufigsten die Fälle waren, in welchen Männer im 26. bis 30. Lebensjahre sich mit Frauen im 21. bis 25. Lebensjahre verheiratzet haben. Der nächsthäufige Fall war der, daß Männer und Frauen sich verheiratheten, welche beiderseits im 26. bis 30. Lebensjahre standen. Von je 100 Eheschließenden standen im Alter von unter 20 Jahren 0,08 Bräutigame und 6,88 Bräute, von 61 und darüber 1,29 Bräutigame und 0,25 Bräute. Von den Bräutigamen waren älter als 30 Jahre 43 %, von den Bräuten 27 %. In neuester Zeit sind in Bayern die älteren Bräutigame und Bräute viel weniger zahlreich vertreten als früher. Die Heirathen, bei denen Bräutigam und Braut beiderseitig zum ersten Male cine Ehe eingehen bilden im Jahre 1876 81 ½ % sämmtlicher Heirathen, im Jahre 1877 nur 80 %, was darauf hindeutet, daß die Abnahme der schließungen mit ökonomischer Erschwerung im Zusammenhange steht. Zwischen Stadt und Land ist kein Unterschied; dagegen zeigen sich schon nach Regierungsbezirken beachtenswerthe Differenzen. Die Extreme bilden die Pfalz, wo 84 %, und die Oberpfalz, wo 78 % der Eheschließungen beiderseitige erste Heirathen sind. Die Zahl der Wiederhei athenden nimmt mit den höheren Altersstufen zu. Von den 7705 Männern, welche im Alter vom 21.— 25. Lebens⸗ jahre heiratheten, waren 7657 oder 99,4 % Junggesellen, von den 14 833 im 26.— 30. Lebensjahre Heirathenden 14 325 oder 96,6 %. Dagegen treffen auf 1358 Bräutigame im Alter vom 51. 60. Lebens⸗ jahr nur 359 oder 26,4 % Junggesellen und auf 508 Bräutigame im Alter von 60 Jahren und darüber 70 Junggesellen oder 13,8 %. Unter den 14 414 Bräuten im Alter vom 21.— 25. Lebens⸗ jahre finden sich 14 312 oder 99,3 % Jungfrauen; dagegen treffen auf 607 Bräute im Alter vom 51.— 80. Lebensjahre nur 277 oder 45,6 % Jungfrauen. Unter der Gesammtzahl von 39 369 Braut⸗ paaren finden sich 5572 oder 14 % Wittwer (unter Einrechnung der Geschiedenen) gegenüber 2971 oder 7 ½ % Wittwen. Unter den 39 369 Eheschließungen des Jahres 1877 befanden sich 4782 mit Legitimation unehelicher Kinder, deren Zahl 6084 betrug, so daß auf 100 Eheschließungen solche mit Legitimationen unehelicher Kinder 12,1 und auf 100 legitimirende Ehen 127,2 legitimirte Kinder trafen. Die durchschnittliche Dauer der im Jahre 1877 in Bayern durch den Tod gelösten Ehen betrug 21,6 Jahre

Von den „Württembergischen Jahrbüchern für Statistikund Landeskunde“, herausgegeben von dem Königlichen statistisch⸗topographischen Bureau, ist der Jahrgang 1878 (Stuttgart, H. Lindemann 1879) erschienen. Derselbe besteht aus 6 Heften in 3 Bänden: I. Heft. Chronik des Jahres 1878, Stakistik des König⸗ reichs Württemberg nach dem Stande der Aufnahme und der Literatur des Jahres 1878. II. Rechtspflege 1877, Strafanstalten 1874 1877, Statistik des Unterrichts 1876 1877. III. Zur Statistik der Geistes⸗ krankheiten, von Direktor Dr. J. Koch. IV. Württembergische Vierteljahrshefte für Landesgeschichte. V. Meteorologie 1876, 1877 (Professor Schroder), Topographie (Major a. D. Finck: Anweisung für die Ober⸗Amtsgeometer behufs deren Mitwirkung bei Fortfuͤhrung des topographischen Atlasses des Königreichs Württemberg.

Der im I. Heft enthaltene Nekrolog des Jahres 1878 (von Professor Dr. Hartmann) widmet an erster Stelle dem treuen Mit⸗ arbeiter an den Jahrbüchern, dem am 16. Juni 1878 verstorbenen Dr. Ed. von Paulus einen Nachruf. Die in demselben Heft ent⸗ haltene Statistik des Königreichs Württemberg Ende 1878 ist von dem Direktor von Riecke bearbeitet. Wir lassen die Hauptzahlen dieses Abschnitts hier folgen:

Der Flächeninhalt des Königreichs umfaßt ohne den Antheil am Bodensee 19 503 qkm (1950 368,9 ha) oder 3,6 % des Deutschen Reichs, 0,198 % von Europa. Die mittlere Höhe des Landes beträgt 1500 Paris. Fuß = 490 m; der höchste Punkt, der Katzenkopf im Schwarzwalde, liegt 1151 m, der tiefste Punkt, der Neckar bei Böttingen 135 m über dem Meere. Auf der Grund⸗ lage der in den Jahren 1818 bis 1855 durchgeführten Landes⸗ vermessung beruht der topographische Atlas des Königreichs im Maßstabe von 1:50 000, von welchem nach der Rektifikation im Jahre 1877 im folgenden Jahre eine neue Ausgabe (55 Blätter) erschienen ist. An diesen Atlas schließt sich die geognostische Spezial⸗ karte, von welcher bis zum Frühjahr 1878 36 Blättern ausgegeben sind. Fortdauernde meteorologische Beobachtungen sind seit 1792 in Württemberg eingeführt, genauer geregelte seit 1825. Seit 1854 ist das meteorologische Institut dem statistisch⸗topographischen Bureau eingeordnet, seit 1. Januar 1874 die meteorologische Centralstation bei demselben eingerichtet, in Verbindung mit 23 über das Land verbreiteten Stationen und mit mehr als 100 freiwilligen Beobachtern. Seit 1865 gehört das meteorologische Institut, gegen⸗ wärtig mit 11 Stationen, dem durch Dove begründeten Verband deutscher Beobachtungsstationen an.

Die 4 Kreise und 64 Ober⸗Amtsbezirke, in welche Württemberg eingetheilt ist (Neckar⸗, Schwarzwald⸗, Ja st⸗ und Donaukreis) um⸗ fassen 1911 politische Gemeinden, 142 tädte, 1267 Pfarrdörfer, 432 Dörfer, 120 Weiler, 3079 Höfe, 2197 einzelne Wohnsitze, über⸗ haupt 9876 Wohnplätze.

Die Zählung von 1875 ergab 1 881 505 Ortsanwesende oder 4,40 % der Gesammtbevölkerung Deutschlands oder pro Quadrat⸗ kilometer 96,5 Einwohner (gegen 79,1 im Deutschen Reich, 70 in Frankreich, 32 in Europa). Im Neckarkreis leben 176,7 Einwohner auf dem Quadratkilometer. Von den 1910 politischen Gemeinden (Aichelberg ist erst nach der Zählung von 1875 zu einer selbständigen Gemeinde erklärt worden) waren nach der Zählung von 1875 880 mit nicht mehr als Einwohnern, 528 mit 601 1000, 288

Ehe⸗

mit 1001 1500, 91 mit 1501 2000, 43 mit 2001 2500, 23 mit 2501 3000, 57 mit mehr als 475 391 Einwohnern. Die 123 Ge⸗ meinden mit über 2000 Einwohnern, die Städte im Sinne der Statistik, wurden von 633 294 oder 33,6 % der Gesammtbevölkerung bewohnt, während im Reich 39 % auf die Städte fallen.

„Von der Bevölkerung waren 907 314 männlichen, 974 191 weib⸗ lichen Geschlechts (1000: 1073,7, während im Reich dieses Ver⸗ hältniß 1000: 1036, in Preußen 1000: 1028 war). Von 100 Per⸗ sonen waren 33 unter 14, 67 über 13 Jahre alt. Die mittlere Le⸗ bensdauer berechnet sich für 1861 auf 27,94, 1871 auf 28,35 Jahre. Der Religion waren 68,92 % (1 296 650) Evangelische, 30,17 % (567 578) Katholiken, 0,68 % (12881) Juden. Die Zahl der An- gehörigen aller im Lande wohnenden adeligen Familien wird auf 1000 1200 geschätzt. Als Maßstab für die Schulbildung dient die Notiz, daß unter 41 400 in den Jahren 1858 1866 aus- gehobenen Rekruten sich nur 8 befanden, welche weder leisen noch schreiben konnten. Blinde waren im Jahre 1853 1 auf 1194 Einwohner, Taubstumme 1 auf 962 Einwohner, geisteskrank im J. 1875 von 10 000 Anwesenden 42,2 (20,7 Idioten und 21,5 Irre), ein so ungünstiges Verhältniß, wie dies nur der Kanton Bern mit 10 000 55,4 noch ungünstiger zeigt. Von 100 ge⸗ borenen Knaben kamen in den Jahren 1834 bis 1857 47,97 ⁄%, 1866 45,70, 1867 43,23 % zur Konskription; von 100 männlichen Einwohnern waren im Jahre 1866 2,09, 1867 1,88 militärpflichtig. Von 1000 zur Musterung erschienenen Militärpflichtigen sollen nach älteren Angaben 212 eine Größe von 5 8“ und 52 weniger als 5 5“*. Auf 100 Militärpflichtige kamen im Jahre 1866 47,28, 1867 45,70 Untaugliche.

8e. „Der Zuwachs der Bevölkerung 1871—1875 betrug 3,46 % oder jährlich auf 8,51 von 10 000, gegen 9,96 im Deutschen Reich. In den 20 Jahren 1838 bis 1857 fanden in Württemberg 11 339 Ehe⸗ schließungen statt oder jährlich 1 auf 149 Einwohner. Geboren wurden im Jahre 1876 47,4, 1877 46,4 auf 1000 Ortsanwesende, eine Ziffer, deren Höhe den früheren Beobachtungen entspricht. Dem⸗ entsprechend ist aber auch die Sterbeziffer hoch 1876 33,76 auf 1000 Ortsanwesende (gegen 28,25 im Reich); 1877 kam 1 Todesfall auf 32,89 Ortsanwesende. Ganz besonders groß ist die Kindersterblich⸗ keit. Im Jahre 1875 bildeten die im ersten Lebensjahr gestorbenen Kinder 43,59, 1876 42,94, 1877 40,6 %, im Durchschnitt 1846— 1856 40,1 % aller Gestorbenen, ein so hoher Prozen satz, wie ihn kein anderes europäisches Land, aus welchem Beobachtungen vor⸗ liegen, aufweist.

Kunst, Wissenschaft und Literatur.

„Von dem Cyklus der Predigten über das zeitliche Leben im Lichte des ewigen Wortes, welche der Superintendent Pank in der Dreifaltigkeitskirche hält, sind Nr. XI.: „Der Lichtweg des Berufes“ und XII.: „Gethsemanestunden“ im Druck (Friedr. Schulze's Verlag, Berlin, Preis 30 für jedes Heft) erschienen. Die ersten 10 Predigten des Cyklus, die sich besonders zu Konfirmanden⸗ geschenken eignen, sind auch in einem Bande vereinigt zu beziehen. Das Thema dieser Predigten ist: I. Die Wiege des Menschen. 1I. Der Morgenstern des Lebens. III. Das Eden der Kindheit. IV. Johannes der Täufer in der Kinderstube. V. Der heilige Christ in der Kinderstube. VI. Der Christbaum. VII. Der Geschwisterkranz. VIII. Die himmlische Wahrheit in der Schule. IX. Die Ausfahrt aus dem Hafen. X. Das Allerheiligste.

Für das Verständniß der neuen Strafgerichtsverfassung und des Strafverfahrens für das Deutsche Reich, sowie für die Beseitigung von Zweifeln im einzelnen Falle haben die zahlreich erschienenen Kommentarien gesorgt, von denen namentlich die Bearbeitungen von Löwe und von Dr. von Schwarze einem Bedenken schwerlich noch Raum lassen werden. Das volle Verständniß des Werkes als eines organischen Ganzen wird aber nur eine systematische Behandlung herbeiführen, welche die Vergangenheit des heutigen Rechtes nicht vergißt und ihren Blick auf die Zukunft richtet. Sie wird dem jüngeren Juristen, welcher die theoretische Vorbildung auf der Uni⸗ versität genossen hat, den Weg zur Praxis erleichtern und dem Prak⸗ tiker die Möglichkeit gewähren, die Verbindang mit der Theorie sich zu erhalten. Einen solchen Versuch, eine Darstellung der neuen Justizgesetze mit dem bisherigen Rechte zu verknüpfen und in einen Vergleich mit dem Rechte anderer Nationen zu setzen, bildet das vor Kurzem im Verlage von Ferdinand Schöningh zu Paderborn erschienene Buch: „Die Strafgerichtsverfassung und das Strafverfahren des Deutschen Reichs. Für das Studium und die Praxis systematisch dargestellt von Dr. Paul Kayser, Königlichem Stadtrichter in Berlin.“ Dem Praktiker werden durch die vorliegende Arbeit die neuen Gesetze näher gebracht und das Er fassen und Durchdringen dieser Gesetze wesentlich erleichtert werden Mit Rücksicht auf diesen praktischen Zweck des Buches ist der Ver⸗ fasser geschichtlichen Forschungen fern geblieben, da es ihm nur dar⸗ auf ankam, den Weg zu finden, der zu den Ergebnissen derselben bei einem eing henden Studium der Gesetze führt. .

Im Verlage von Eugen Grosser in Berlin erschien so eben ein alphabetisches Ortschaftsverzeichniß der Provinz Brandenburg, mit Bezeichnung der Guts⸗, Gemeinde⸗, Amts⸗ und Standesamtsbezirke des Kreises, der Kreis⸗Ersatzkommission und des Gerichts, der nächsten Post⸗ oder Eisenbahnstation; aus amtlichen Quellen zusammengestellt und bearbeitet von Adolf Richter. Diesem für alle Civil⸗ und Militärbehörden und für das korrespondirende und handeltreibende Publikum gleich nützlichen Buche ist ein Ver⸗ zeichniß sowohl der Guts⸗, Gemeinde⸗, Amts⸗ und Standesamt bezirke, als des Kreises, der Kreis⸗Ersatzkommission, des Ge⸗ richts und der nächsten Poststation beigefügt, auch zugleich angegeben, ob die betreffende Ortschaft Eisenbahn⸗ oder Telegraphenstation sei. Das Werk ist mit der Bearbeitung der zunächst liegenden ca. 8000 Ortschaften umfassenden Provinz Brandenbur; in der Absicht be⸗ gonnen, dieser die übrigen Provinzen des preußischen Staates und dann die außerpreußischen Staaten folgen zu lassen, aber das gane Werk durch ein General⸗Ortschaftsregister abzuschließen, wenn durch zahlreiche Subskriptionen darauf die bedeutenden Herstellun s⸗ kosten garantirt werden.

Der Freiberger Alterthums⸗Verein hat kürzlich da; 15. Heft seiner Mittheilungen veröffentlicht (herausgegeben vo.n seinem Vorstande, Stadrath Heinrich Gerlach). Dasselbe bringt an der Spitze als Beitrag zur Geschichte der Renaissance in Sachsen weitere Mittheilungen zur Baugeschichte des Freiberger Schlosses Freudenstein von dem Architekten Cornelius Gurlitt in Dresden, wie sie das Königlich sächsische Hauptstaats⸗Archiv und das Finanz⸗ archiv daselbst ergeben, und zwar über die letzte Bauepoche des früher gothischen Schlosses. Der Neubau des Schlosses, jetzt ein formloses Magazingebäude, fiel in die Blüthezeit der Re⸗ naissance und bildet nicht nar ein interessantes Glied in der an ähnlichen Anlagen so reichen Kunstgeschichte des 16. Jahrhunderts, sondern beweist auch, wie geschickt die Baumeister jener Tage nit wenigen Mitteln eine stattliche Wirkung zu erz elen wußten. Der Umbau begann 1566 und währte bis 1578. Der Baumeister war Hans Irmisch, der auch das Kanzlei⸗Haus in Dresden erbaute und unter der amtlichen und technischen Oberleitung des Grafen Rochus Quirinus von Linar, eines Jug ndfreundes des prachtlieben⸗ den Cosimo de Medici, neben dem sächsischen Ba meister Peter Kummer an dem Berliner Schloßbau thätig gewesen ist. Das Re⸗ sultat der Untersuchung des Verfassers aber besteht namentlich in dem Nachweis, daß Irmisch und nicht Graf Linar der künstlerische Leiter bꝛi dem Bau des Schlosses Freudenstein gewesen ist und dasselbe in Folge dessen eine Stylrichtung zeigt, die ohne direkten italienischen Einfluß eine Fortentwickelung der Vogtschen Schule bil⸗ det. Eine Beilage veranschaulicht den sorgfältig aufgenommenen Grundriß des Baues, von dessen einstigen Gesammteindrucke man heute nach man⸗ nichfachen neueren Umgestaltungen freilich nur ein trübes Bild gewinnt. An diesen Aufsatz schließt sich eine Beschreibung der Schlacht bei Freiberg, am 29. Oktober 1762, in welcher bekanntlich Prinz Heinrich von Preußen, Bruder König Friedrichs des Großen, einen glorreichen Sieg errang von dem Obersten z. D. Grafen von Holtzendorff. Angehängt sind Tagebücher⸗Notizen über die Kriegs⸗