Am 16. Oktober 1877 beging derselbe unter vielseitiger Theilnahme der auswärtigen Geschichts⸗ und Alterthumsvereine oder ähnlicher Institute das 50 jährige Amtsjubtläͤum seines hochverdienten ersten Sekretärs, des Geheimen Raths Lisch. Die Zahl der ordentlichen Mitglieder des unter dem Protektorat Ihrer Königlichen Hoheiten der Großherzoge von Mecklenburg⸗Schwerin und Mecklenburg⸗ Strelitz stehenden Vereins betrug im verflossenen Jahre 265. Ferner zählte der Verein 5 Hohe Beförderer, an der Spitze Se. Majestät den Kaiser, 3 Ehrenmitglieder und 53 korrespondirende Mitglieder. Vorsitzender des Vereins ist der Minister⸗Präsident Graf v. Basse⸗ witz. Das mecklenburgische Urkundenbach ist bis zum 12. Bande ge⸗ diehen. Die Sammlungen und die Bibliothek des Vereins haben auch im vergangenen Jahre mannigfache Vermehrungen erfahren.
— Von dem im Verlage von Fr. Kortkampf hierselbst erschiene⸗ nen Werke: „Verhandlungen der Reichs⸗Justizkommis⸗ sion“ liegen die vor einiger Zeit herausgegebenen letzten Hefte vor, welche die „Verhandlungen über den Entwurf einer Strafprozeß⸗Ordnung II. Theil, II. Lesung“ umfassen. Von den, Verhandlungen der Reichs⸗Justizkommission“ sind auße dem bis jetzt erschienen: Band I. Strafprozeß, erste Lesung; Band II. Civilprozeß, erste und zweite Lesung in einem Bande; Band III. Gerichtsverfassung; I. Tbeil, erste Lesung; II. Theil, zweite Lesung. Die Ergebnisse der III. Lesungen von „Strafprozeß⸗“ und „Gerichts⸗ Verfassung“ sollen, wie die Verlagsbuchhandlung mittheilt, im Laufe des Sommers erscheinen. Band I. und III. sind nach unmittelbaren Aufzeichnungen und bezw. nach den amtlichen Protokollen, Band II. ist nur auf Grund der letztern von dem Kreisgerichts⸗Rath Polenz, Mitverfasser der Motive zur Civilprozeß⸗Ordnung, bearbeitet. Wie eine Durchsicht dieser der Hauptsache nach fertig vorliegenden Bände ergiebt, sind diejenigen, welche nach Abschluß der Kom⸗ missionsverhandlungen erschienen sind, nach anderen Grundsätzen als die zuerst veröffentlichten Heste bearbeitet. Während diese mehr eine gedrängte Uebersicht des Gesammtverlaufes der Ver⸗ handlungen unter entsprechender Hervorhebung der wesentlichen Mo⸗ mente bieten, dienen jene zugleich auch durch das in größerer Aus⸗ führlichkeit wiedergegebene Material aus den amtlichen Protokollen interpretatorischen Zwecken. Die Mittheilung auch der abgelehnten Anträge und der Verhandlungen darüber wird als ein für das Studium der Entstehun sgeschichte willkommenes Material sich erweisen. Das Werk kann somit als ein solches be⸗ zeichnet werden, welches verdient, unter den vielen Werken über die demnächst in Kraft tretende neue Justizgesetzgebung in erster Reihe mitgenannt zu werden als geeignet, in den Geist dieser Gesetzgebung einzuführen, indem dasselbe wesent⸗ lich dazu dienen wird, einen raschen Ueberblick über die Gesichts⸗ punkte zu gewähren, von welchen die Kommission bei ihren von dem Entwurfe abweichenden Beschlüssen ausging. Bezüglich der äußeren Anordnung des Satzes, Beifügung der Paragraphen und Nummern des Gesetzes ꝛc. ist alles gethan, um den Gebrauch dieses Quellen⸗ werkes leicht und angenehm zu machen. 1
— Im Verlage von Gustav Hempel hierselbst sind soeben die Lief. 4 —07 von Max von Oesfelds Ausgabe der neuen deut⸗ schen Reichs⸗Justizgesetze erschienen. Dieselben enthalten die Fortsetzung der Civilprozeßordnung von §. 384 — 872 oder von Buch 2—10. Es liegt somit jetzt die Civilprozeßordnung vom 30. Januar 1877 vollständig vor. Den einzelnen Paragraphen des Textes sind Anmerkungen beigefügt, durch welche dieselben in zweck⸗ mäßiger Weise ausführlich ergänzt und erläutert werden. Die fol⸗
enden Lieferungen werden die übrigen neuen Justizgesetze — die
trafprozeßordnung, die Konkursordnung, das Gerichtsverfassungs⸗
gesetz, das Gerichtskostengesetz, die Rechtsanwaltsordnung, die Ge⸗
bührenordnungen für Anwalte, Gerichtsvollzieher und Zeugen nebst
Motiren, die Ein⸗ und Ausführungsgesetze u. s. w. — gleichfalls für den praktischen Gebrauch ergänzt und erläutert bringen. “ Land⸗ und Forstwirthschaft.
St. Petersburg. (St. Pet. Herold.) Das Ministercomité hat durch eine am 11./23. Mai Allerhöchst bestätigte Resolution be⸗ schlossen, in den Gouvernements Bessarabien, Jekaterinosslaw, Pol⸗ tawa, Taurien, Charkow und Chersson als temporäre Maßregel die obligatorische Dienstleistung bei Vertilgung des E111 einzuführen. Dem Minister des Innern sind u. A. folgende Tele⸗ gramme der Gouverneure zugegangen:
Aus Charkow. Der Käfer ist in geringerer Menge als im ver⸗ gangenen Jahre aufgetreten, zudem gehört er einer anderen Gattung an (anisoplia segetum). Dieser Käfer fällt vorzugsweise auf den Roggen und frißt hauptsächlich die Staubfäden beim Blühen des Ge⸗ treides; der im vergangenen Jahre aufgetretene Käfer (auisopl'a austriaca) ist nur in unbedeutender Zahl im Kupjanschen Kreise vorhanden. Die Vertilgung des Käfers mit Fangmaschinen, und wo die e fehlen, mit den Händen, wird mit Erfolg betrieben.
Aus Jekaterinosslaw. Sobald in einigen Kreisen der Kornkäfer aufgetreten war, wurde so ort daran gegangen, ihn theils durch Ab⸗ lesen von den Aehren, theils durch besondere Vorrichtungen zu ver⸗ nichten. Das Vorkommen des Käfers in dichten Massen und auf kleinem Raum erleichtert seine Vernichtung, so daß das Resultat erfolgreich ist und vorläufig noch kein Schaden für das Getreide vorausgesehen wird.
— 24. Juni. (W. T.) B.) Ein Telegramm des Gouverneurs von Cherson, vom 23. d. M., meldet, daß die Felder der am Strande liegenden Dörfer Koblewka und Adschiaska von enor⸗ men Massen durch die Meereswellen an das Ufer geschleuderter Kornkäfer bedeckt sind. Es sind Maßregeln ergriffen worden, um die Käfer auszurotten.
Gewerbe und Handel⸗
Am 2. Juli soll in Offenbach a. M. die Landes⸗ Gewerbe⸗Ausstellung des Großherzogthums Hessen pro 1879, unter dem Protektorat Sr. Königlichen Hoheit des Groß⸗ herzogs von Hessen, eröffnet werden. Dieselbe wird gewerbliche und kunstgewerbliche Gegenstände, Maschinen ꝛc., sowie Kunstwerke und Alterthümer aus den berühmtesten Sammlungen des Großherzog⸗ thums umsassen.
— Die Nr. 15 (ausgegeben am 1. Juni) der „Zeitschrift für technische Hochschulen“, Organ des Allgemeinen deutschen Poly⸗ technikerverbandes, herausgegeben vom Akademischen Verein der Poly⸗ techniker zu Hannover (unter der Redaktion des stud. H. Albrecht und stud. A. Joseph in Hannover, im Kommissionsverlage von Carl Schüßler in Hannover) hat folgenden Inhalt: Die Ausstellung architektonischer und dekorativer Reise⸗Skizzen zu Berlin von Otto Dögel; Verbandsangelegenheiten; Chronik der technischen Hochschule zu Berlin; Vereinsnachrichten: Polytechnischer Verein zu Karlsruhe, Polytechniker⸗Gesangverein „Erato“ zu Dresden; Inserate.
Verkehrs⸗Anstalten.
Triest, 24. Juni. (W. T. B.) Der Lloyddampfer „Juno“ ist mit der ostindischen Ueberlandpost gestern Nachmittag aus Alexandrien hier eingetroffen.
Plymouth, 23. Juni. (W. T. B.) Der Hamburger Postdampfer „Herder“ ist hier eingetroffen.
New⸗York, 23. Juni. (W. T. B.) Der Dampfer „Helvetia“ von der National⸗Dampfschiffs⸗Compagnie (C. Messingsche Linie) ist hier eingetroffen.
Berlin, den 24. Juni 1879.
Das neue Sool⸗Dunstbad im Königlichen Soolbad
1 Elmen bei Groß⸗Salze unweit Magdeburg.
1 Zu den Neu⸗Anlagen des in raschem Aufstreben begriffenen Bade⸗
orts Elmen ist im laufenden Monat ein neues Sool⸗Dunstbad
mit zeitgemäßen Einrichtungen getreten.
Es ist hierdurch ein empfehlenswerthes Glied in der Reihe der
bewährten Heilmittel von Elmen geschaffen. Bisher konnte der ortigen Nachfrage nach Dunstkuren aus räumlichen Rücksichten nur n sehr dürftiger Weise entsprochen werden.
8 1““
Durch die Verbindung des neuen Dunstbades mit verbesserten Betriebsanstalten verschiedener Art, mit erweiterten und wesent⸗ lich verschönerten Park⸗, Garten⸗ und Wegeanlagen und mit Kinderspielplätzen erscheint jener Ort wohlgeeignet, nunmehr die Aufmerksamkeit der Genesungsuchenden wie der Erholungsbedürftigen mit steigendem Interesse auf sich zu lenken. 8
Bereits im vorigen Jahre ist ein sehr erheblicher Aufschwung des Badeortes eingeleitet worden, und zwar durch die Eröffnung eines neuen Soolwannenbades, des Lindenbades, durch die Verschö⸗ nerung der vorhandenen Wandelbahn (Kolonnade mit Trinkhalle), sowie durch die Vergrößerung des ausgedehnten fiskal schen Bade⸗ parkes. In Nummer 104 dieses Blattes vom 3. Mai vor. Js. ist deshalb auch Veranlassung zu einer Beschreibung des „Lindenbades“ genommen, während ebenda zugleich auf die von Amtswegen heraus⸗ gegebene neue Druckschrift: „Das Königliche Soolbad Elmen“, eine balneologisch⸗statistische Skizze — Verlag von O. Senff in Schöne⸗ beck, 1878 — ergänzend hingewiesen wurde.
Das neue Sooldunstbad ist ganz in der Nähe des neuen Soolwannenbades, auf dem anstoßenden „Kunsthof“ des Gradir⸗ werks massiv errichtet. Dasselbe zerfällt in zwei Abtheilungen von je 3,35 m lichter Höhe: Die eine enthält die Räume des Frauen⸗ bades und liegt nach der zugehörigen Gartenseite hin, die andere, nach dem Kunsthof, der Eingangsseite hin belegen, enthält die Rãume des Männerbades. Beide Abtheilungen werden von einem gemein⸗ samen Flur aus betreten; sie sind behaglich und hübsch ausgestattet und zeitgemäß möblirt. Jede Abtheilung ist für vier gleichzeitig Badende bemessen und besteht aus einem Vor⸗ und Wartezimmer, einem Aus⸗ und Ankleidezimmer, einem Schwitzzimmer und einem Sooldunstbaderaum.
Die in Cementmörtel⸗Mauerwerk mit gewölbten Decken ausge⸗ führten Baderäume sind durch Doppelfenster, die übrigen Räum⸗ lichkeiten durch gewöhnliche und durch Zenithfenster in Mattglas an⸗ gemessen erhellt. Die Bade⸗ und Schwitzräume werden durch doppelte Thüren vermittelt.
Die Aus⸗ und Ankleidezimmer werden durch eiserne Oefen, die Schwitzzimmer durch Kachelöfen erwärmt. Letztere enthalten bequeme Ruhebetten mit wollenen Decken und sonstigem Zubehör.
Unter der Gewölbdecke der Diensträume sind nach der Mitte dieser Räume geneigte Bretterdecken so angelegt, daß eine Belästigung der Badenden durch Herabtropfen des Sooldunstes nicht stattfindet.
Die Pritschen der Dunsträume bestehen aus je einer 0,30 m hohen Stufe und je zwei, in verschiedener Höhenlage angebrachten, geneigten Lagerstätten. Die von den Pritschenanlagen freigelassenen Theile der Wandflächen sind mit Brettern getäfelt, ebenso die unteren Theile der Schwitzzimmer. .
Die Zufuhrung von Soole, Dampf und Warmwasser erfolgt mittels unterirdischer Rohrleitung von der benachbarten Soolschacht⸗ und Dampfkessel⸗Anlage des Gradirwerks her.
Zur Erzeugung des Sooldunstes findet sich in jedem Baderaum ein hölzerner, mit einem vielfach durchlöcherten Deckel versehener Bottich für die Badesoole, welche durch Einführung von Wasser⸗ dampf bis zum Siedepunkt erhitzt wird. Das so entstandene Salz⸗ wassergas kondensirt durch den freien Zutritt atmosphärischer Luft zu Sooldunst, einem Medium, dessen Temperatur anerkanntermaßen stabiler als die des Wasserdunstes ist.
In der Decke jedes Baderaumes ist außerdem eine Regendouche⸗ Vorrichtung von kalter Soole (Quellensoole von (+) 90 R.) ange⸗ bracht, welch auch als Sturzbad gebraucht werden kann. Zu diesem Zwecke stehen auf dem Dachboden des Gebäudes zwei besondere Sool⸗ behälter. Mit Hülfe derselben kann zugleich die Temperatur des Baderaumes leicht und schnell nach dem ärztlich verordneten Grade regulirt werden. Desgleichen ist ebenda die Einrichtung für Ein⸗ athmungszwecke ausreichend getroffen.
In der Zeit vom 4. bis 8. September v. J. tagte in Hamburg die Permanente Kommission der europaäischen Grad⸗ messung. Die Verhandlungen derselben, redigirt durch die Schriftführer Dr. C. Bruhns, Professor in Leipzig, und Dr. A. Hirsch, Professor in Neufchatel, sind jetzt, in deutscher und französischer Sprache, im Druck erschienen (Berlin 1879, Verlag von Georg Reimer). Den Sitzungen präsidirte der General⸗Lieutenant Ibanez aus Madrid. Das Programm für die Berathungen war 1) der Bericht der genannten Kommisston und des Centralbureaus, welchen Hr. Bruhns in deutscher und Hr. Hirsch in französischer Sprache vortrug. Aus dem erstgenannten Bericht ist hervorzuheben, daß in allen betheiligten Ländern die Arbeiten der europäischen Gradmessung vorgeschritten sind. Nach dem Bericht des Centralbureaus (erstattet von dem Prä⸗ sidenten desselben, General⸗Lieutenants Dr. Beyer) war für das Jahr 1878 in Aussicht genommen: das trigonometrische Nivellement des Dreiecks zwischen Neuwerk, Helgoland und Wangeroog und die Wiederholung des badischen Nivellements in entgegen⸗ gesetzer Richtung, von Constanz bis Heppenheim, sowie Aus⸗ füllung der Lücke in dem Nivellement um den Bodense: (Radolfzell⸗ Friedrichshafen). Hr. Professor Dr. Börsch hat mit Wiederholung des früheren Nivellements Berlin⸗Swinemünde in entgegengesetzter Richtung begonnen und, nachdem die Resultate der niederländischen Nivellements zwischen Amsterdam und Salzbergen bez. Venlo einge⸗ gangen waren, eine (dem Bericht als Anhang 1. beigefügte) provi⸗ sorische Vergleichung der Höhenlagen der Mittelwasser der Nordsee bei Cuxhaven und Ostende, der Zuidersee bei Amsterdam, das Mittelmeer bei Marseille und des Kanals bei Calais gegen das Mittelwasser der Ostsee bei Swinemünde zusammengestellt. Das letztere zu 0000 m gesetzt, ergiebt sich für Berlin (Treppen⸗ podest des Siege denkmals an den 4 Ecken des Aufbaues im Mittel) + 36,024 m, Magdeburg + 50,415 m, Hannover + 57,365 m, Zuidersee + 0,069 m, Nordsee bei Ostende + 0,037 m, Straßburg am Portal des Münster + 144,985 m, Mittelmeer bei Marseille — 0,697 m, Atlantischer Ozean bez. Kanal bei Bayonne + 0,159 m, La Rochelle — 0,297 m, Brest + 0,325 m, Calais + 0,056 m. Der zweite Gegendstand der Tagesordnung waren die Berichte der Bevoll⸗ mächtigten über die Fortschritte der Arbeiten in ihren Ländern im Jahre 1878, worüber der mitabgedruckte Generalbericht noch ausführ⸗ lichere Auskunft ertheilt. Den dritten Gegenstand bildeten Anträge, be⸗ treffend wissenschaftliche Arbeiten. Der Bevollmächtigte, Obrist⸗ Lieutenant Adan aus Brüssel hatte in drei Broschüren einige wissenschaftliche Fragen über die Zugrundlegung ver⸗ schiedenen Abplattungen bei Berechnung der Dreiecksnetze angeregt, die einer Kommission überwiesen wurden. Prof. Dr. Hirsch verlas ein Schreiben des General⸗Licutenants Dr. Baeyer, betreffend die Gründung eines Observatoriums zur Erforschung der terrestrischen Refraktion. Die Kommission erklärte einstimmig die Gründung eines solchen Observatoriums für nützlich und wünschenswerth.
Der erwähnte Generalbericht über den Fortschritt der Ar⸗ beiten für die europäische Gradmessung im Jahre 1878 bezieht sich auf Baden, Bayern, Belgien, Dänemark, Frankreich, Hessen, Holland, Italien, Norwegen, Oesterreich, Portugal, Preußen, Rumänien, Ruß⸗ land, Sachsen, Schweiz, Spanien, und die Vereinigten Staaten von Nordamerika.
Als weiterer Anhang ist den Verhandlungen die Abhandlung Sur la construction de la rêègle géodésique internationale par MM. H. Sainte-Claire Deville et E. Masca t (Paris, Gauthier-Villars) welche diese Herren der Kommission am 5. Dezember mitgetheilt haben, beigefügt. In dieser Abhandlung sind die Grundsätze und Methoden entwickelt, welche Hr. H. Sainte⸗Claire Deville bei Bestimmung der physikalischen Konstanten der für den internationalen Basisapparat bestimmten Meßstange befolgt hat.
Die Berliner Gewerbe⸗Ausstellung wurde in der Woche vom 16. bis einschl. 22. Juni von ca. 52 620 zahlenden Personen besucht. Die Gesammtzahl der zahlenden Besucher von der Eröff⸗ nung bis zum 22. d. M. einschl. betrug 396 252.
In der Anthropologischen Gesellschaft machte am Sonnabend Professor Virchow Mittheilungen über Troja. Die Zahl der Grabhügel, äußerte derselbe, erscheine im Allgemeinen
Berlin:
großer. als sie wirklich ist, da gerade die schönsten und vielver⸗ prechendsten natürliche Gebilde sind. Aber auch unter den künst⸗ lichen Grabhügeln befinden sich viele, die keine Ausbeute geben. Schliemann hat sich vor Allem mit 2 großen Tumuli beschäftigt Einer dieser war der von früheren Forschern als Hügel des Aesinthes (ꝛ) bezeichnete, von dem aus auch Forchhammer sein Studien begonnen hatte. Dieser Hügel ist einige 60 Fuß boch. Schon nach kurzer Heit stieß man bei den Ausgrabungen auf Mauern, die bis auf den Felsengrund führten und gleichsam als Stützpunk für die ganze Konstruktion dienten; menschliche Gebeine fand ma jedoch nicht. Einen desto interessanteren Fund lieferte der andere
Hügel, der sich als ein Massengrab herausstellte indem neben
Steingeräthen auch Bronze sich vorfand. Dieser Fund ist dem Berliner Museum als Geschenk überwiesen worden. Was nun Schliemanns Forschungen speziell anbetrifft, so hat Prof. Virchow den Eindruck gewonnen, daß kein Grund vorliegt, die An⸗ sicht zu bestreiten, der Punkt, den Schliemann gewählt, sei in der That der, welcher in der alten Sage als Thatort der Ilias fort⸗ gelebt hat. Allein der Umstand, daß man bisher noch nie in der Welt eine derartige Trümmeraufhäufung, wie sie sich hier zeigt, gefunden hat, ist ein Beweis dafür, daß eine immense Zeit seit der ersten Gründung vergangen sein muß. Welchen Namen nun dieser Ort ursprünglich gehabt hat, ist an sich ganz gleichgültig Schlie⸗ mann selbst ist unter dem Drucke der gegen ihn gerichteten An⸗ griffe dahin gekommen, seine Funde ganz objektiv hinzustellen und bei Herausgabe seines neuen Werkes auf jeden Spezialnamen verzichten zu wollen. Prof. Virchow kann dies im Allgemeinen nicht billigen; es bleibe zuletzt doch nichts übrig, als die erforschten Sachen chrono⸗ logisch zu ordnen, und mit dem was wir wissen in Beziehung zu bringen, und da werde man doch immer wieder auf Homer zurück⸗ kommen. Was nun die Ausgrabungen selbst anbetrifft, so ist man an verschiedenen Stellen bereits bis auf den Urboden vorgedrungen. Wie groß die Arbeit Schliemanns gewesen, zeigt ein großer Block, der das frühere Niveau der Fläche darstellt. Dieser Block steht nahezu 20 m über dem Felsenbett, und diese ganze Höhe ist mit Rudimenten alter Woh⸗ nungen u. dgl. angefüllt, in denen sich die aufeinanderfolgenden Pe⸗ rioden meist genau unterscheiden lassen. Man hat es Schlie⸗ mann zum Vorwurf gemacht, daß er nicht Schicht für Schicht vor⸗ gegangen ist, sondern sofort sich der untersten Schicht zugewandt hat. Gegen diesen Vorwurf glaubte ihn Prof. Virchow in Schutz nehmen zu müssen. Die hier dem Dr. Schliemann zugemuthete Arbeit hätte weit die Kräfte eines Mannes überschritten, und sicher würden wir dann noch nicht auf die Resultate hinblicken können, die wir jetzt vor uns haben. Zudem konnte ja Schliemann nur für die unterste Schicht Interesse haben. Redner verzichtete für diesmal, näher auf Details einzugehen, auf die er zurückzukommen gedenkt, wenn seine Samm⸗ lungen eingetroffen seien. In dieser Sammlung befindet sich auch ein 25 Centner schwerer Vorrathstrog aus dem „Hause das Priamus“ oder wie Schliemann jetzt sagt, des Stadthauptes. Den größten Theil der Sammlungen gedenkt Virchow dem hiesigen Museum zu überweisen. — Unter den geschäftlichen Mittheilungen der Sitzung verdient Erwähnung, daß der Kultus⸗Minister der Gesellschaft wiederum einen Zuschuß von 1500 ℳ bewilligt hat. — Von dem Afrikareisenden Hildebrand ist ein vom 21. April datirter Brief aus Nossi Bé eingetroffen, in dem er mittheilt, daß er in etwa 3 Wochen nach der Provinz Mena Bé auf Madagascar aufzubrechen gecenke. Er wird somit die Route einschlagen, die der kürzlich ermordete Rutenberg gewählt hatte. In Aden hat Hilde⸗ brand eine Reihe von Messungen an Angehörigen verschiedener Araber⸗ stämme vorgenommen.
Die Ziehung der Loose des Vereins Invalidendank findet in den Tagen vom 24.— 29. de. in der Charlottenstr. 19,
3 Treppen, statt.
Fulda, 23. Juni. In unserer Stadt fand gestern, wie der
„Hess. Beobachter“ schreibt, die feierliche Enthüllung unseres
Kriegerdenkmals statt. Die von Patriotismus getragene schwungvolle Festrede hielt der Seminardirektor Dr. Heskamp. Der Redner führte aus, daß uns das Denkmal sein müsse ein Gedenkstein nie erlöschenden Dankes, ein Siegesdenkmal, zu dem wir mit Stolz und Freude emporblicken können, und dann aber auch ein ernstes Mahnzeichen, daß wir wahren und schirmen das kostbare Kleinod, welches so schwer errungen worden. Das Denkmal ist stattlich, es trägt die Namen von 32 Gefallenen. Zur Feier war eine große Menge von Kriegervereinen aus weitem Umkreise und auch der ndesdirektor von Bischoffshausen aus Cassel erschienen. Den „Hamb. Nachr.“ wird aus Stockholm, vom 21. Juni, gemeldet: Der Marine⸗Minister von Otter erhielt heute einen Brief
vom Professor Nordenskjöld, datirt 18. Oktober 1878, 670 72
nördlicher Breite, 1730 32“ östlicher Länge. Nordenskjöld verließ danach Lena am 27. August, kam auf der Liakowsinsel am 30., beim Kap Scheliaskoi am 6., beim Kap Jakan am 7., beim Kap North am 18., in Kuljuschin am 27. und am 28. September bei der Ueber⸗ winterungsstelle an. Die Passage von Lena war äußerst schwer; 500 bis 700 englische Meilen mußten durch starkes Treibeis forcirt werden. Am Strande liegen 3 von Eingeborenen bewohnte Dörfer; ein Fürst unter den Tschuktschen hat den Brief gelegentlich eines Be⸗ suches im Dorfe zur Beförderung übernommen.
Aus Messina, vom 18. Juni, schreibt man der Augsburger „Allg. Ztg.“: Gestern telegraphirte ich Ihnen, daß die Dörfer Santa Venerina und Guardia von einem Erdbeben theilweise zer⸗ stört seien. Bis jetzt sind uns hier nur sehr unbestimmte Gerüchte zu Ohren gekomme“; nach soeben erhaltenen offiziellen Depeschen an die hiesige Militärbehörde handelt es sich nicht um ein Erdbeben, sondern um eine Senkung der Erdoberfläche. Am meisten scheint das Oertchen Bongiardo gelitten zu haben, Santa Venerina und Guardia weniger, jedoch sollen allerorts Menschenleben verloren ge⸗ gangen und die Zahl der Schwer⸗ und Leichtverwundeten groß sein. Von hier wurde eine Compagnie Artilleriesoldaten und eine Com⸗ pagnie Infanterie mit Spaten und anderem Werkzeug, von Catania weitere zwei Compagnien Infanterie zur Hülfeleistung requirirt. Der Aetna soll gestern Morgen wieder ausgebrochen sein, und zwar nicht an derselben Stelle, sondern mehr am nördlichen Abhange des Berges, oberhalb Linguaglossa; so ließen wenigstens ungeheuere Rauchwolken vermuthen, die sich an genannter Stelle aus dem Berge erhoben.
Eine von der Königlichen Hoftheater⸗Intendanz zu München veröffentlichte Erklärung lautet: „Gegenüber den viel⸗ fachen Anfragen bezüglich der Mitglieder der Beurtheilungs⸗ kom mission bei der Preisausschreibung vom Jahre 1877, und da überdies in der Oeffentlichkeit Namen genannt werden, die mit Beurtheilung der eingelaufenen Stücke durchaus nichts zu thun hatten, sieht sich die unterzeichnete Intendanz veranlaßt, auf das obengenannte Preisausschreiben hinzuweisen, worin ausdrücklich gesagt wird, daß die Mitglieder der Beurtheilungskommission erst nach der endgültigen Entscheidung, d. h. nach Zuerkennung der Preise, bekannt Peeben werden.“
— Das Repertoire des Belle⸗Alliance⸗Theaters ist für diese Woche, wie folgt festgestellt. Dienstag: „Die relegirten Stu⸗ denten.“ Mittwoch und Donnerstag: „Emmas Roman.“ Freitag (zum Triple⸗Concert): „Der liebe Onkel.“ Sonnabend (Sommer⸗ nachtsfest): „Auf hoher See.“ Sonntag und Montag (neu ein⸗ studirt): „Das Brunnenmädchen von Ems.“
Redacteur: J. V.: Riedel.
Verlag der Expedition (Kessel). Druck: W. Elsner.
“ Drei Beilagen b (einschließlich Börsen⸗Beilage).
“
Berlin, Dienstag den 24. Juni
18
Nichtamtliches.
Berlin, 24. Juni. Im weiteren gestrigen (64.) Sitzung setzte der Reichstag die dritte Be⸗ des Gesetzentwurfs, betreffend die Verfassung und Verwaltung von Elsaß⸗Lothringen fort.
Der Abg. Schneegans führte aus, die Vorlage und die in den “ vom 21. und 27. März vom Reichskanzler entwickelten Reformprojekte deckten sich im Wesentlichen, die Vor⸗ lage verwirkliche auch im Wesentlichen die Reformen, die er damals als die Wünsche des Landesausschusses vorgetragen habe, und von allen Seiten sei anerkannt worden, daß das Gesetz einen bedeutenden Fortschritt kennzeichne. Der jetzt ein⸗ geschlagene Weg müsse Elsaß⸗Lothringen zu einer konstitutio⸗ nellen Verfassung führen. Im Jahre 1874 habe es wie im brachen Feld gelegen, ohne erwählte Versammlungen, ohne Vertretung weder im Reichstage noch im Bundesrathe, unter der Herrschaft des Reiches und ohne gesetzliches Mandat; aus der eigenen Initiative der Notabeln seien damals Delegirte nach Berlin gegangen, um im Allge⸗ meinen gerade das zu begehren, was heute gewährt werden solle. Im Jahre 1873 hätten sich zum ersten Male die Bezirkstage versammelt und ihrerseits denselben Wunsch ausgesprochen. Zwei Jahre später sei der Landesausschuß als berathender Faktor der Gesetzgebung eingeführt, und in jeder seiner Sessionen habe derselbe den Wunsch nach Autonomie, nach Selbstverwaltung im Lande, nach allmählicher Gleich⸗ stellung von Elsaß⸗Lothringen mit den anderen Bundesstaaten wiederholt. Diese Forderung habe sich schließlich in folgenden Punkten präzisirt: 1) Verlegung der Landes⸗Centralverwaltung von Berlin nach Straßburg; 2) Einsetzung eines beschließen⸗ den Landtages in der Hauptstadt des Landes; 3) Ver⸗ tretung der Reichslande, wenn auch nur mit berathender Stimme, im Bundesrath. In der Reichstagssession vom Jahre 1877 sei ein erster bedeutender Schritt zur Verwirk⸗ lichung dieser Reform gethan: der Landesausschuß habe das Recht erhalten, das elsaß⸗lothringische Budget ohne Mit⸗ wirkung des Reichstages festzustellen und die Landesgesetze in derselben Weise zu votiren. Viel bedeutender sei die von den Bewohnern Elsaß⸗Lothringens mit Freuden be rüßte Reform, die heute vorliege und die dem Lande eine große Erweiterung seiner bisherigen Rechte gewähre. Elsaß⸗Lothringen besitze heute die Organe, vermittelst deren es sich aus sich selbst weiter hervorarbeiten könne zu einem vollständigen Staats⸗ wesen. Die Elsaß⸗Lothringer brauchten es nur Alle zu wollen, und das sei das große Verdienst Derjenigen, die bis jetzt im Landesausschuß gearbeitet hätten, daß sie durch ihre kluge politische Hingebung an das Land es der Regierung und dem Reichstage ermöglichten, seinem im März gestellten Antrage zuzustimmen und ihn jetzt in dieser Gesetzesform vorzulegen. Dafür gebühre ihnen der Dank der Elsaß⸗Lothringer. Er müsse hierbei mit großer Anerkennung der Verdienste der autonomistischen Partei gedenken, welche mit ihrer maßvollen Haltung dem, was jetzt erreicht sei, vorgearbeitet habe; auch könne er nicht umhin, dem Reichskanzler, den verbündeten Regierungen und dem Neichstage bei dieser Gelegenheit seinen Dank auszusprechen. Er könne nicht zugeben, daß der Abg. Grad vorhin im Namen der Majorität des Landesausschusses gesprochen habe, derselbe gehöre vielmehr der Minorität an. Natürlich sei die Reform noch nicht nach allen Seiten hin ab⸗ geschlossen; was er aber in ihr mit besonderer Genugthuung begrüße, sei der Umstand, daß sie Elsaß⸗Lothringen die Mög⸗ lichkeit biete, Hand in Hand mit der Regierung die Verhält⸗ nisse zu regeln, Ordnung in der Gesetzgebung zu schaffen und weitere Reformen anzubahnen. Er zähle zu diesen letz⸗ teren auch die Abschaffung des Art. 10, des Diktaturparagraphen, dessen Bestehenbleiben ihn aber nicht veranlassen könne, gegen das Gesetz zu stimmen. Es werde Sache der ünftigen Landes⸗ vertretung und der Bevölkerung sein, der Regierung die Ueberzeugung beizubringen, daß dieser Paragraph überflüssig sei. Man werde es natürlich finden müssen, daß er als Bürger Straßburgs, der auf die Rechte seiner Vaterstadt so eifersüchtig sei als irgend Jemand, zu den erstrebenswerthen Punkten auch den rechne, der sich auf die direkte Vertretung von Straßburg im Landesausschusse beziehe. Hänge Vieles von der Handhabung dieses Gesetzes durch die Bevölkerun ab, so komme andererseits auch Vieles darauf an, wie die Regie⸗ rung ihrerseits das Gesetz handhaben werde, Vieles auf die Personen, welche an der Spitze der Verwaltung stehen würden, Vieles werde auch davon abhängen, ob und in welchem Maße die Elsaß⸗Lothringer selbst in diese Verwaltung hereingezogen werden sollten oder könnten. Jedenfalls hoffe er, daß die zukünftige Regierung sich den wohlgemeinten Rathschlägen Derjenigen nicht weiter verschließen werde, welche durch die freie Wahl Uhrer Mitbürger in die Bezirkstage und in den Landesausschuß eingetreten und bereit seien, die Wege zu ebnen, welche zu der allmählichen Beruhigung der Gemüther führten. Staatsklugheit und feinfühlende Um⸗
sicht der Regierung würden viel mehr zur Lösung der großen
Aufgabe der Regierung führen, als der einfache und starre Rö der den Verwaltungen innezuwohnen pflege.
ie Regierung werde und müsse den elfaß lothringischen Volkscharakter in seinem angeerbten, oft derben, zähen, aber im Grunde gutmüthigen und durch diejenigen, die sich in seine Eigenthüͤmlichkeit einzuleben verständen, leicht zu führen⸗ den Wesen erkennen und achten, und dem feinen Taktgefühl eines in dem Wirken der Weltgeschäfte bewährten Staats⸗ mannes werde es nicht schwer fallen, zu entdecken, wie und in welcher Weise die heilende Hand mit fester, aber auch vor⸗ sichtiger und schonender Entschiedenheit die wunde Stelle zu heilen habe. Man dürfe getrost der Erfahrung des Mannes vertrauen, den die hohe Reichsregierung in das Reichsland schicken werde und von dessen versöhnendem Wirken inmitten der Kriegsbedrängnisse so vielverheißende und ermuthigende Botschaft ha Elsaß⸗Lothringen gelangt sei. Wer den Mar⸗ schallstab also führe, dessen Geist sei dem Verständniß der Lage und der Bedürfnisse in Elsaß⸗Lothringen geöffnet, dessen Kommen dürfe man mit der Zuversicht entgegensehen, daß auch dort sein Wirken ein gerechtes, wohlwollendes und segensreiches sein werde. Er wünsche, daß dieses Gesetz allen denjenigen Ele⸗
Verlaufe der
menten, die sich bisher schmollend zurückgezogen hätten, Ge⸗ legenheit biete, mitzuarbeiten an dem Wohle des ganzen Lan⸗ des ohne Hintergedanken, ohne Zaghaftigkeit, einzig und allein, um auf dem Boden des durch den Friedensvertrag geschaffenen Rechtes seinem Lande eine glückliche Zukunft zu bereiten. Möge die Hand, welche die autonomistische Partei allen Den⸗ jenigen ehrlich reiche, die sich in dieser Gesinnung ihrem Streben anschließen wollten, ehrlich genommen werden! In diesem Sinne bitte er, dem Gesetzentwurf zuzustimmen.
Der Abg. Hoffmann erklärte sich im Namen der Fort⸗ schrittspartei für das ganze Gesetz, wenn auch die Aufrecht⸗ erhaltung des Diktaturparagraphen bedenklich erscheine; er sehe aber in dem Gesetz ein Vertrauensvotum für die reichs⸗ ländische Bevölkerung, weshalb er demselben zustimme.
Die Diskussion wurde geschlossen. Persönlich bemerkte der Abg. Grad, dem Abg. Schneegans wolle er entgegnen, daß er sich gar nicht das Recht angemaßt habe, im Namen des Landesausschusses resp. seiner Majorität zu sprechen.
Hierauf wurde ohne weitere Debatte die Vorlage nach dem Antrage des Abg. Windthorst en bloc angenommen.
Es folgte demnächst die erste Berathung des Gesetzentwurfs, betreffend Abänderungen des Reichshaushalts⸗Etats und des Landeshaushalts⸗Etats von Elsaß⸗ Lothringen für das Jahr 1879/80; derselbe lautet:
Wir Wilhelm, von Gottes Gnaden Deutscher Kaiser, König
von Preußen ꝛc. verordnen im Namen des Reichs, nach erfolgter Zustimmung des Bundesraths und des Reichstags, was folgt:
§. 1. Die im Landeshaushalts⸗Etat von Elsaß⸗Lothringen für das Etatsjahr 1879/80 unter Kapitel 1 Titel 1 und 3, Kapitel 13 Titel 1 und 4, Kapitel 14, Kapitel 61 und Kapitel 68 der fort⸗ dauernden Ausgaben vorgesehenen Fonds dürfen nur für Aus⸗ gaben, welche vor dem Beginn der Wirksamkeit des die Ver⸗ fassung und die Verwaltung Elsaß⸗Lothringens betreffenden Ge⸗ setzes vom entstanden sind und nur bis zu der durch diesen Termin bestimmten Quote des Jahresbetrages ver⸗ wendet werden.
. S. 2. Von dem Zeitpunkte ab, zu welchem das im §. 1 be⸗ zeichnete Gesetz vom in Wirksamkeit gesetzt wird, tritt der beiliegende Nachtrag zum Landeshaushalts⸗Etat von El⸗ saß⸗Lothringen für das Etatsjahr 1879/80 derart in Kraft, daß für fortdauernde Ausgaben die durch jenen Zeitpunkt bestimmte Quote der Jahresbeträge verwendet werden darf.
§. 3. Zur Deckung der aus vorstehenden Bestimmungen sich ergebenden Mehrausgaben, soweit sie nicht aus den bei der Lan⸗ desverwaltung für das Etatsjahr 1879/80 sich ergebenden Ein⸗ nahmen gedeckt werden können, dürfen nach Bedarf Schatzanwei⸗ sungen ausgegeben werden.
Bezüglich dieser Schatzanweisungen finden die Bestimmungen in §§. 5 bis 8 des Gesetzes, betreffend die Feststellung des Landes⸗ haushalts Etats von Elsaß⸗Lothringen für das Etatsjahr 1879/80, vom 31. März 1879 (Gesetzbl. für Elfaß⸗Lothringen S. 5) mit der Maßgabe Anwendung, daß an Stelle des Reichskanzlers der Statt⸗ halter und an Stelle des Ober⸗Präsidenten der Staatssekretär für Elsaß⸗Lothringen tritt.
§. 4. Von dem im Reichshaushalts⸗Etat für das Etatsjahr 1879/80 unter Kapitel 15 der Einnahme vorgesehenen besonderen Jahresbeitrage Elsaß⸗Lothringens zu den Ausgaben für das Reichs⸗Schatzamt, das Reichskanzler⸗Amt für Elsaß⸗Lothringen und das Reichs⸗Justizamt gelangt der auf das Reichs⸗Schatzamt entfallende Betrag von 2550 ℳ voll, der Mehrbetrag zu dem Theile zur Vereinnahmung, welcher dem Zeitabschnitt vom 1. April 1879 bis zum Beginn der Wirksamkeit des Gesetzes vom 1879 entspricht.
Von dem letzteren Zeitpunkte ab dürfen aus den im Reichs⸗ haushalts⸗Etat für das Etatsjahr 1879/80 für das Reichskanzler⸗ Amt für Elsaß⸗Lothringen vor esehenen Ausgabefonds Ausgaben für die Verwaltung von Elsaß⸗Lothringen nicht mehr geleistet werden. b
Urkundlich ꝛc.
Gegeben ꝛc.
Nachtrag zum Landeshaushalts⸗Etat von Elsaß⸗Lothringen für das Etatsiahr 1879/80.
Fortdauernde Ausgaben. Kap. 1, Titel 1: fällt fort. Titel 3: fällt fort. Kap. 13, Titel 1: An Stelle der bisherigen tritt fol⸗ ende Fassung: Beitrag zu den Ausgaben für das Reichs⸗Schatzamt 550 ℳ, ⁄12 des Jahresbetrages beläuft sich auf 212,50 ℳ Titel 4: fällt fort. Kap. 14: An Stelle der bisherigen Fassung des Kap. 14 tritt die folgende: Kap. 14a. Statthalter: Titel 1. u. 2: Repräsentationskosten und Reisekosten 215 000 ℳ, ¼1 des Jahresbetrages beläuft sich auf 17 916,67 ℳ Bureau des Statt⸗ halters: Titel 3/6: Besoldungen 21 475 ℳ, 12 des Jahresbetrages beläuft sich auf 1789,8 ℳ Titel 7/9: Sonstige Ausgaben 17 550 ℳ, ½12 des Jahresbetrages beläuft sich auf 1462,50 ℳ Summe Kap. 14a. 254 025 ℳ, /12 des Jahresbetrages beläuft sich auf 21 168,75 ℳ Kap. 14b. Ministerium für Elsaß⸗Lothringen: Titel 1/10: Besol⸗ dungen 537 100 ℳ, darunter künftig wegfallend 4500 ℳ, ⁄12 des Jahresbetrages beläuft sich auf 44 758,34 ℳ Titel 11/13: Andere persönliche Ausgaben 27 200 ℳ, ½¼2 des Jahresbetrages beläuft sich auf 2266,67 ℳ Titel 14/16: Sächliche Ausgaben 111 000 ℳ, 1⁄12 des Jahresbetrages beläuft sich auf 9250 ℳ Titel 17: Zu ge⸗ heimen Ausgaben im Interesse der Polizei 44 000 ℳ, 1⁄¼12 des Jah⸗ resbetrages beläuft sich auf 3666,67 ℳ Titel 18: Kosten des Ge⸗ Lefrcttas für Elsaß⸗Lothringen 1200 ℳ, ⁄12 des 1 eläuft sich auf 100 ℳ Titel 19: Unvorhergesehene Ausgaben 200 000 ℳ, ½¼2 des Jahresbetrages beläuft sich auf 16 666,67 ℳ Summe Kap. 14b. 920 500 ℳ, darunter künftig wegfallend 4500 ℳ, 1/12 des Jahresbetrages beläuft sich auf 76 708,35 ℳ Kap. 14c. Staatsrath 35 000 ℳ, 1⁄12 des Jahresbetrages beläuft sich auf 2916,67 ℳ Summe Kap. 14c. für sich. Kap. 14d. Vertretung bei dem Bundesrath 30 000 ℳ, ¼1 des Jahresbetrages beläuft sich auf 2500 ℳ Summe Kap. 14d. für sich. Summe Kap. 142a. bis 146d. 1 239 525 ℳ, darunter künftig wegfallend 4500 ℳ, ¼12 des Jahres⸗ betrages beläuft sich auf 103 293,77 ℳ Kap. 61. Landesausschuß 94 500 ℳ, ¼³2 des Jahresbetrages beläuft sich auf 7875 ℳ Kap. 68 fällt fort. Einmalige Ausgaben. Kap. 2a. Kosten der ersten Ein⸗ richtung, Umzugskosten ꝛc. 60 000 ℳ
Der Bevollmächtigte zum Bundesrath, Unter⸗Staatssekretär Herzog, leitete die Debatte ein, indem er nachwies, daß die für die reichsländischen Beamten vorgesehenen Gehälter nicht ganz die Höhe der Gehaltssätze erreichten, mit denen analoge Stellen in den nichtreichsländischen höchsten Reichsämtern be⸗ dacht seien. Von übergroßer Freigebigkeit gegen die Beamten könne also nicht wohl die Rede sein. Das an die Statthalter zu zahlende Gehalt von 200 000 ℳ nebst 15 000 ℳ Reise⸗ kosten rechtfertige sich durch die Eigenart dieses neu kreirten Amtes, für das der Reichsetat kein Be-; aufzuweisen habe. Ein Staatssekretär erhalte 36 000 ℳ, 3 Unter⸗Staats⸗ sekretäre je 21 000 ℳ, 19 Ministerial⸗Räthe 5100 — 9900 ℳ
Jahresgehalt. Die Zahl der Beamten vermehre sich nur um 8 Personen; der Etat steige um 528 945 ℳ, doch werde der Reichstag, der soeben die Nothwendigkeit der Organisation anerkannt und der Regierung dadurch ein Vertrauensvotum gegeben habe, jetzt die Mittel zu deren Durchführung sicher nicht verweigern.
Der Abg. Guerber führte aus, wenn die Regierung die eben angenommene Verfassung ein großartiges Vertrauens⸗ votum nenne, so scheine ihm dieser Etat ein großartiges Miß⸗ trauensvotum, denn es würden hier Ansprüche an die Steuer⸗ kraft Elsaß⸗Lothringens gestellt, die alle Befürchtungen noch weit hinter sich ließen. Wohl sei Elsaß⸗Lothringen ein reiches Land, aber auf diesem Wege würde es bald genug dahin kommen, daß die Ausgaben die Einnahmen über⸗ schritten. Und man werde nicht stehen bleiben, wohin die Vorlage Elsaß⸗Lothringen stelle, sondern weitergedrängt wer⸗ den, wie in den letzten Jahren überhaupt stets eine Ausgabe die andere nach sich gezogen habe. Die Gehälter seien viel zu hoch normirt; der Statthalter habe ein Gehalt, das in gar keinem Verhältniß zum Einkommen des Ober⸗Präsidenten stehe, der sich heute an der Spitze der Verwaltung des Reichs⸗ landes befinde. Die Ortszulagen seien ganz zwecklos. Er bedauere, daß man es nicht für nöthig gehalten habe, den Etatsentwurf vorher dem Landesausschuß vorzulegen. Aber die Repräsentanten der Steuerzahler seien gar nicht gefragt wor⸗ den. Das hätten sie aber wohl verlangen dürfen. Seine Freunde und er könnten dieser Vorlage nicht zustimmen.
Der Abg. Windthorst bemerkte, es sei eigentlich ein Widersinn, wenn der Reichstag Gelder bewilligen solle, die Elsaß⸗Lothringen bezahle. Es sei einzig und allein in der Ordnung, den Landesausschuß mit der Sache zu befassen. Er möchte höchstens ein Pauschquantum bewilligen, um nachher die Einzel⸗ bewilligungen durch den Landesausschuß aussprechen zu laseen. Eventuell beantrage er die Verweisung der Vorlage an die Budgetkommission. Die vorgeschlagenen Gehälter seien denn doch zu exorbitant; 36 000 ℳ für den Staatssekretär und 21 000 ℳ für die Abtheilungsvorsteher! In keinem deutschen Mittelstaate gebe es etwas derartiges; kein Minister in Bayern z. B. habe annähernd gleiche Einnahmen; man hätte sich doch an die Verhältnisse des Großherzogthums Baden halten sollen. Er habe s. Z. in einem Lande, das an Leistungsfähigkeit dem in Rede stehenden nichts nachgebe, zu⸗ erst 4000, später 6000 Thlr. erhalten, keine Repräsen⸗ tation, keinen Wohnungsgeldzuschuß, keine Ortszulage — und doch sei Alles sehr gut gegangen. Für einen Unter⸗ Staatssekretär seien 15 000 ℳ, für den Staatssekretär 24 000 ℳ vollständig genügend. Er beantrage also Verwei⸗ sung der Vorlage an die Budgetkommission.
Der Abg. Nort erklärte, als Mitglied des Landes⸗ ausschusses mit den Verhältnissen des Landes genau vertraut, könne er versichern, daß man in Elsaß⸗Lothringen jährlich 2 Millionen Mark Ersparnisse mache, die sich, wenn in Folge der Tarifreform die Matrikularbeiträge wegfielen, noch um 3 Millionen vermehren würden. Die Finanzverhältnisse seien sehr günstige; das Land könne die neu in den Etat ein⸗ gesetzten Posten sehr gut tragen; die Ansätze selbst seien zu hoch bemessen. Was wollten 36 000 ℳ für den Staatssekretär sagen, wenn früher ein bloßer Präfekt 60 000
ranks erhalten habe, daneben eine Amtswohnung, wie man ie jetzt für den Statthalter bestimmt habe, wahrscheinlich aber noch viel luxuriöser ausgestattet? Gleichermaßen entsprächen auch die Gehalte der Unter⸗Staatssekretäre durchaus den Ver⸗ hältnissen. 3 8
Der Abg. Dr. Simonis erklärte, sich den Ausführungen des Vorredners nicht anschließen zu können. Die Exempli⸗ fikation auf die früheren französischen Verhältnisse treffe nicht zu, wenn man bedenke, daß eine einzige Kreisdirektion dem Lande ebensoviel koste, als früher alle Unterpräfekturen zu⸗ sammen. Auch mit der Finanzlage im Allgemeinen sei es durchaus nicht so rosig bestellt, wie es der Vorredner dar⸗
estellt habe, vornehmlich drücke die Weinsteuer schwer auf die Bevölkerung, und vergeblich habe man bisher eine Aenderung erstrebt. Er schließe sich dem Antrage Windthorst an.
Der Abg. von Puttkamer (Fraustadt) wies darauf hin, daß Elsaß⸗Lothringen keine Landesschuld besitze und außerdem eine Ermäßigung seiner Matrikularbeiträge durch die neuen Steuergesetze zu erwarten habe. Die laufenden Einnahmen ergäben noch Ueberschüsse über die Ausgaben, ein Defizit sei nirgends zu finden. Was die Gehälter betreffe, so müsse er darauf hinweisen, daß der frühere französische Präfekt in Straßburg sich auf ca. 60 000 Frecs. gestanden habe und daß das viel kleinere Großherzogthum Luxemburg seinem Statt⸗ halter außer dem prachtvollen Schloß Walferdingen 200 000 Francs gewähre. Er werde für die zweite Lesung einen An⸗ trag dahingehend einbringen, daß durch die Streichung des Gehalts für zwei Ministerial⸗Direktoren das Gehalt für einen vierten Unterstaatssekretär Fescaßffen werde, damit den Wün⸗ schen der reichsländischen Bevölkerung gemäß ein besonderes
Ressort für Hanpel⸗ Gewerbe, Landwirthschaft und öffentliche
Arbeiten geschaffen werden könne. Nach seinem Antrage solle die E nicht wie in der Regierungsvorlage .89. den Etat, sondern durch Kaiserliche Verordnung geregelt werden.
Der Unter⸗Staatssekretär Herzog erwiderte, er bätte eben⸗ falls, den Antrag des Abg. Windthorst abzulehnen und die zweite Lesung im Plenum vorzunehmen. Die Ausführungen desselben bezüglich der Etatsverhältnisse seien meist nicht zu⸗ treffend, noch viel weniger die Behauptungen von einem an⸗
eblichen Steuerdruck in Elsaß⸗Lothringen. Auch die Wein⸗ seuner bringe jetzt lange nicht soviel als wie früher und sei in keiner Weiße als drückend zu bezeichnen.
ierauf wurde der Antrag Windthorst auf Ueberweisung des Etats an die Budgetkommission abgelehnt.
In der darauf folgenden zweiten Lesung wurden die ge⸗ forderten Summen, für den Statthalter (215 000 ℳ), für dessen Bureau (21 475 ℳ) und die sonstigen Ausgaben (17 550 ℳ), zusammen 254 025 ℳ, bewilligt.
Das Gehalt des Staatssekretärs, 36 000 ℳ, beantragte der Abg. Windthorst auf 24 000 ℳ zu ermäßigen, um es den Gehältern der mittelstaatlichen Minister analog zu machen.